Language of document : ECLI:EU:C:2023:113

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

16. Februar 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Asylpolitik – Verordnung (EU) Nr. 604/2013 – Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – Art. 6 Abs. 1 – Wohl des Kindes – Art. 16 Abs. 1 – Abhängige Person – Art. 17 Abs. 1 – Ermessensklausel – Durchführungshandlung eines Mitgliedstaats – Zum Zeitpunkt der Stellung ihres Antrags auf internationalen Schutz schwangere Drittstaatsangehörige – Ehe – Ehegatte, dem im betreffenden Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt wurde – Entscheidung, die Bearbeitung des Antrags abzulehnen und die Antragstellerin in einen anderen, für diesen Antrag als zuständig angesehenen Mitgliedstaat zu überstellen“

In der Rechtssache C‑745/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag, Niederlande) mit Entscheidung vom 29. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Dezember 2021, in dem Verfahren

L.G.

gegen

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias sowie des Präsidenten der Fünften Kammer E. Regan (Berichterstatter) und des Richters Z. Csehi,

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von L.G., vertreten durch F. van Dijk und A. Khalaf, Advocaten,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und M. H. S. Gijzen als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Grønfeldt und F. Wilman als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31) (im Folgenden: Dublin‑III-Verordnung).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer Drittstaatsangehörigen und dem Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Staatssekretär für Justiz und Sicherheit, Niederlande) (im Folgenden: Staatssekretär) wegen der Entscheidung des Staatssekretärs, den von der Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz nicht zu bearbeiten und sie an die Republik Litauen zu überstellen, da jener Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig sei.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Verordnung (EG) Nr. 343/2003

3        Art. 15 („Humanitäre Klausel“) war Bestandteil von Kapitel IV der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2003, L 50, S. 1) (im Folgenden: Dublin‑II-Verordnung); Abs. 2 lautete:

„In Fällen, in denen die betroffene Person wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung der anderen Person angewiesen ist, entscheiden die Mitgliedstaaten im Regelfall, den Asylbewerber und den anderen Familienangehörigen, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, nicht zu trennen bzw. sie zusammenführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat.“

4        Die Dublin‑II-Verordnung wurde zum 19. Juli 2013 aufgehoben und durch die Dublin‑III-Verordnung ersetzt.

 DublinIII-Verordnung

5        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) von Kapitel I („Gegenstand und Begriffsbestimmungen“) der Dublin‑III-Verordnung heißt es:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

g)      ‚Familienangehörige‘ die folgenden Mitglieder der Familie des Antragstellers, die sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhalten, sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat:

–        der Ehegatte des Antragstellers oder sein nicht verheirateter Partner, der mit ihm eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich vergleichbar behandelt werden wie verheiratete Paare,

…“

6        Der zu Kapitel II („Allgemeine Grundsätze und Schutzgarantien“) dieser Verordnung gehörende Art. 3 („Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz“) Abs. 1 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.“

7        In Art. 6 („Garantien für Minderjährige“) der Verordnung heißt es:

„(1)      Das Wohl des Kindes ist in allen Verfahren, die in dieser Verordnung vorgesehen sind, eine vorrangige Erwägung der Mitgliedstaaten.

(3)      Bei der Würdigung des Wohl[s] des Kindes arbeiten die Mitgliedstaaten eng zusammen und tragen dabei insbesondere folgenden Faktoren gebührend Rechnung:

a)      Möglichkeiten der Familienzusammenführung;

…“

8        Kapitel III („Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats“) der Dublin‑III-Verordnung enthält die Art. 7 bis 15.

9        Art. 9 („Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind“) dieser Verordnung lautet:

„Hat der Antragsteller einen Familienangehörigen – ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat –, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.“

10      Art. 12 („Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa“) Abs. 2 und 3 dieser Verordnung sieht vor:

„(2)      Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig …

(3)      Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a)      der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b)      der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c)      bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.“

11      Art. 16 („Abhängige Personen“) Abs. 1 in Kapitel IV („Abhängige Personen und Ermessensklauseln“) der Dublin‑III-Verordnung lautet:

„Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.“

12      Im selben Kapitel sieht Art. 17 („Ermessensklauseln“) Abs. 1 Unterabs. 1 vor:

„Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.“

13      In Abschnitt I des Kapitels VI („Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren“) der Verordnung heißt es in Art. 20 („Einleitung des Verfahrens“) Abs. 3:

„Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.“

 Niederländisches Recht

14      Nach Art. 2 des Ersten Buches des Burgerlijk Wetboek (niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch) wird ein Kind, mit dem eine Frau schwanger ist, als bereits geboren angesehen, sofern sein Wohl dies erfordert.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine syrische Staatsangehörige, erhielt von der Vertretung der Republik Litauen in Belarus ein vom 10. August 2016 bis 9. November 2017 gültiges Visum.

16      Im Juli 2017 verließ sie Syrien und gelangte über u. a. die Türkei, Griechenland, Litauen und Polen am 27. September 2017 in die Niederlande.

17      Am 28. September 2017 stellte die Klägerin des Ausgangsverfahrens einen Asylantrag in den Niederlanden.

18      Am 10. Oktober 2017 heiratete die Klägerin einen Drittstaatsangehörigen, dem die Niederlande, in denen er sich seit dem Jahr 2011 aufhält, bereits Asyl gewährt hatten. Die Klägerin und ihr Ehemann kannten sich vor ihrer Heirat, lebten aber zu dieser Zeit nicht zusammen.

19      Am 12. Oktober 2017 ersuchten die niederländischen Behörden die litauischen Behörden um Aufnahme der Klägerin des Ausgangsverfahrens mit der Begründung, dass die Republik Litauen nach Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Dublin‑III-Verordnung für die Prüfung des Asylantrags zuständig sei.

20      Am 12. Dezember 2017 erklärten sich die litauischen Behörden mit der Aufnahme einverstanden.

21      Nachdem der Staatssekretär am 2. Februar 2018 den Entwurf der Entscheidung, die Klägerin des Ausgangsverfahrens nach Litauen zu überstellen, übersandt hatte, nahm die Klägerin des Ausgangsverfahrens zu dem Entwurf Stellung, indem sie am 16. Februar 2018 ihre Schwangerschaft anzeigte und diese nachwies.

22      Mit Bescheid vom 12. März 2018 entschied der Staatssekretär, den Antrag der Klägerin des Ausgangsverfahrens auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis für Asylbewerber nicht zu prüfen, da die Republik Litauen für die Bearbeitung des Antrags zuständig sei (im Folgenden: streitige Entscheidung).

23      Am 20. Juni 2018 brachte die Klägerin des Ausgangsverfahrens in den Niederlanden eine Tochter zur Welt. Ein von der Klägerin des Ausgangsverfahrens vorgelegter Bericht zweier Sachverständiger vom 3. August 2018 gelangte auf der Grundlage eines Vergleichs von Genproben zu dem Ergebnis, dass ihr Ehegatte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der leibliche Vater des Kindes sei. Nach niederländischem Recht ist er auch von Rechts wegen der Vater, da das Kind während der Ehe geboren wurde.

24      Der Staatssekretär erteilte daraufhin der Tochter der Klägerin des Ausgangsverfahrens eine befristete reguläre Aufenthaltserlaubnis, die der Beschränkung unterlag, dass der Aufenthalt „beim [Vater]“ zu erfolgen habe.

25      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens erhob bei der Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag, Niederlande), dem vorlegenden Gericht, Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung. Zur Stützung dieser Klage machte sie einen Verstoß gegen Art. 9, Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung im Licht des Wohls des zum Zeitpunkt der Antragstellung ungeborenen Kindes geltend.

26      Was zunächst Art. 9 der Dublin‑III-Verordnung betrifft, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass es das Vorbringen eines Verstoßes gegen diese Bestimmung in einer Zwischenentscheidung vom 4. April 2018 zurückgewiesen habe. Es sei daher an diese Beurteilung gebunden, da es keinen zwingenden Grund dafür gebe, sie zu ändern.

27      Zu Art. 17 Abs. 1 dieser Verordnung führt das vorlegende Gericht weiter aus, es könne, soweit es im Licht dieser Bestimmung in der Zwischenentscheidung davon ausgegangen sei, dass die vom Staatssekretär in der streitigen Entscheidung durchgeführte Prüfung zu eingeschränkt gewesen sei, diese Beurteilung nicht aufrechterhalten. Im Urteil vom 23. Januar 2019, M.A. u. a. (C‑661/17, EU:C:2019:53, Rn. 71), habe der Gerichtshof nämlich zwischenzeitlich entschieden, dass Erwägungen des Kindeswohls einen Mitgliedstaat nicht dazu verpflichten könnten, von Art. 17 Abs. 1 Gebrauch zu machen und somit einen Antrag, für den er nicht zuständig sei, selbst zu prüfen. Diese Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof stelle einen zwingenden Grund dafür dar, von der in der Zwischenentscheidung vorgenommenen Beurteilung abzuweichen.

28      Ferner trägt das vorlegende Gericht im Hinblick auf Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung vor, dass diese Bestimmung nach Ansicht der Klägerin des Ausgangsverfahrens ebenso wie die ihr vorausgegangene ähnliche und in Art. 15 Abs. 2 der Dublin‑II-Verordnung enthaltene Bestimmung, die der Gerichtshof im Urteil vom 6. November 2012, K (C‑245/11, EU:C:2012:685), ausgelegt habe, weit auszulegen sei, da es im Hinblick auf das Wohl des Kindes ohne Belang sei, dass eine familiäre Bindung zwischen dem Vater und dem ungeborenen Kind nicht bereits im Herkunftsstaat der Mutter bestanden habe.

29      Der Staatssekretär macht demgegenüber geltend, dass Art. 2 des Ersten Buches des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs nur das Personenstandsrecht betreffe, nicht aber das Aufenthaltsrecht oder die Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz. Im Übrigen beziehe sich Art. 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht auf den Schutz eines ungeborenen Kindes. Außerdem werde ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Person, die internationalen Schutz beantrage, und deren Partner nicht von Art. 16 der Dublin‑III-Verordnung erfasst. Die vom Gerichtshof im Urteil vom 6. November 2012, K (C‑245/11, EU:C:2012:685), vorgenommene Auslegung sei insoweit überholt, und zwar abgesehen davon, dass in diesem Urteil das Erfordernis einer familiären Bindung im Herkunftsland hervorgehoben werde. Schließlich könne diese Verordnung nicht mehr auf die Tochter der Klägerin des Ausgangsverfahrens angewandt werden, da diese in der Zwischenzeit eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten habe, die sie berechtige, bei ihrem Vater zu bleiben. Im Übrigen könne das Familienleben mit beiden Elternteilen in Litauen geführt werden, weil dies dem Wohl des Kindes diene.

30      Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens angesichts des Zeitpunkts ihrer Niederkunft etwa seit Mitte September 2017, d. h. vor der Stellung ihres Antrags auf internationalen Schutz, schwanger gewesen sei. Nach Art. 2 des Ersten Buches des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehe aber eine Verpflichtung, das Kind, mit dem die Klägerin des Ausgangsverfahrens schwanger gewesen sei, so zu behandeln, als sei es bereits geboren worden, sofern es das Wohl dieses Kindes erfordere.

31      Daher stelle sich die Frage, ob das Unionsrecht der Berücksichtigung des Wohls des ungeborenen Kindes als eigenständiges Kriterium bei der Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats und bei der Überstellungsentscheidung entgegenstehe. Insoweit habe der Gerichtshof bereits im Urteil vom 23. Januar 2019, M.A. u. a. (C‑661/17, EU:C:2019:53), entschieden, dass nach Art. 20 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung davon ausgegangen werde, dass die Wahrung der Einheit der Familienverbands dem Wohl des Kindes diene. Zum einen gewähre diese Bestimmung einem Kind, das nach der Ankunft des Asylbewerbers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats geboren werde, ausdrücklich den gleichen Status wie einem Kind, das den Asylbewerber begleitet habe. Zum anderen sei die Annahme unzutreffend, dass die Einheit des Familienverbands während der Prüfung des Asylantrags in Litauen verwirklicht werden könne, da der Vater des Kindes in diesem Mitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht habe.

32      Klärungsbedürftig sei zudem die Frage, ob die Anwendung von Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung ausgeschlossen sei. Nach ihrem Wortlaut erfasse diese Bestimmung nämlich nur Kinder, Geschwister und Elternteile des Antragstellers, nicht aber dessen Ehegatten. Allerdings habe der Gerichtshof im Urteil vom 6. November 2012, K (C‑245/11, EU:C:2012:685), die dem Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung vorausgegangene ähnliche Bestimmung, d. h. Art. 15 Abs. 2 der Dublin‑II-Verordnung, weit ausgelegt.

33      Für den Fall, dass Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung anwendbar sein sollte, stelle sich auch die Frage, ob die Schwangerschaft der Klägerin des Ausgangsverfahrens ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne dieser Bestimmung zu ihrem Ehegatten begründet habe. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin keine Familie oder sonstige Beziehungen in Litauen habe, die Sprache dieses Mitgliedstaats nicht beherrsche und über keine Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts verfüge. Grundsätzlich bestehe aber ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen einem sehr jungen Kind und beiden Elternteilen.

34      Weiter fragt sich das vorlegende Gericht für den Fall, dass das Unionsrecht der Berücksichtigung der Interessen des ungeborenen Kindes nicht entgegensteht, ob das Wohl eines solchen Kindes – von außergewöhnlichen Umständen abgesehen – eine Verpflichtung der niederländischen Behörden nach Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung bedingt, dafür zu sorgen, dass das Kind während der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz bei seinem Vater bleiben kann.

35      Daher hat die Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Steht das Unionsrecht dem entgegen, dass bei der Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats dem Wohl des Kindes, mit dem die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags schwanger war, gemäß einer Regelung des nationalen Rechts eine eigenständige Bedeutung beigemessen wird?

2.      a)      Steht Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung einer Anwendbarkeit dieser Bestimmung entgegen, wenn es um den Ehegatten der Antragstellerin geht, der sich in dem Mitgliedstaat, an den der Antrag gerichtet ist, rechtmäßig aufhält?

b)      Falls nein: Begründete die Schwangerschaft der Antragstellerin eine Abhängigkeit im Sinne dieser Bestimmung in Bezug auf den Ehegatten, von dem sie schwanger war?

3.      Falls das Unionsrecht dem nicht entgegensteht, dass bei der Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats dem Wohl eines ungeborenen Kindes gemäß einer Regelung des nationalen Rechts eigenständige Bedeutung zukommt, kann dann Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung auf die Beziehung zwischen dem ungeborenen Kind und seinem Vater, der sich rechtmäßig in dem Mitgliedstaat aufhält, an den der Antrag gerichtet ist, angewandt werden?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur zweiten und dritten Frage

36      Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen und als Erstes zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass er anwendbar ist, wenn zwischen einer Person, die internationalen Schutz beantragt, und ihrem Ehegatten, der sich rechtmäßig in dem Mitgliedstaat aufhält, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, oder zwischen dem ungeborenen Kind des Antragstellers und dem Ehegatten, der auch der Vater des Kindes ist, ein Abhängigkeitsverhältnis besteht.

37      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut dieser Bestimmung in der Regel entscheiden, den Antragsteller und „sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil“, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, wenn zwischen ihnen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines der Geschwister, der Elternteil oder der Antragsteller in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

38      Aus dem Wortlaut geht klar hervor, dass Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung im Fall eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen einer Person, die internationalen Schutz beantragt, und ihrem Ehegatten nicht anwendbar ist, da ein solches Abhängigkeitsverhältnis von dieser Bestimmung nicht erfasst wird.

39      Wie die niederländische Regierung und die Europäische Kommission zu Recht ausgeführt haben, ist die vom Gerichtshof in den Rn. 38 bis 43 des Urteils vom 6. November 2012, K (C‑245/11, EU:C:2012:685), vorgenommene Auslegung des Ausdrucks „andere[r] Familienangehörige[r]“ in Art. 15 Abs. 2 der Dublin‑II-Verordnung, der Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung vorausging, in diesem Zusammenhang unerheblich, da in Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung diese Formulierung durch eine erschöpfende Liste von Personen ersetzt wurde, in der Ehegatten oder dauerhafte Partner nicht enthalten sind, und dies obwohl sie nach Art. 2 Buchst. g der Dublin‑III-Verordnung definitionsgemäß zu den „Familienangehörigen“ gehören.

40      Im Übrigen geht aus dem Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung ebenso klar hervor, dass diese Bestimmung nur im Fall eines Abhängigkeitsverhältnisses anwendbar ist, an dem die Person, die internationalen Schutz beantragt, beteiligt ist, weil sie von den in dieser Bestimmung aufgeführten Personen abhängig ist oder umgekehrt jene Personen vom Antragsteller abhängig sind.

41      Daraus folgt, dass diese Bestimmung im Fall eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem Kind eines solchen Antragstellers und einer dieser Personen, wie im vorliegenden Fall dem Vater des Kindes, der auch der Ehegatte der Antragstellerin auf internationalen Schutz des Ausgangsverfahrens ist, nicht anwendbar ist.

42      Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 16 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass er nicht anwendbar ist, wenn zwischen einer Person, die internationalen Schutz beantragt, und ihrem Ehegatten, der sich rechtmäßig in dem Mitgliedstaat aufhält, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, oder zwischen dem ungeborenen Kind des Antragstellers und dem Ehegatten, der auch der Vater des Kindes ist, ein Abhängigkeitsverhältnis besteht.

 Zur ersten Frage

43      Da das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage nicht auf eine spezifische Bestimmung des Unionsrechts abstellt, ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegte Frage gegebenenfalls umzuformulieren. Zu diesem Zweck kann der Gerichtshof aus dem gesamten vom vorlegenden Gericht vorgelegten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herausarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil vom 20. Oktober 2022, Koalitsia „Demokratichna Bulgaria – Obedinenie“, C‑306/21, EU:C:2022:813, Rn. 43 und 44 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass das vorlegende Gericht, wie in Rn. 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt, in einer Zwischenentscheidung im Kontext des Ausgangsverfahrens ursprünglich die Auffassung vertreten hat, dass der Staatssekretär in der streitigen Entscheidung die Auswirkungen von Art. 17 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung rechtlich nicht hinreichend geprüft habe. Nach der Verkündung des Urteils vom 23. Januar 2019, M.A. u. a. (C‑661/17, EU:C:2019:53), hat das vorlegende Gericht diese Beurteilung jedoch offenbar später geändert.

45      Deshalb ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 17 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die zuständigen nationalen Behörden dazu verpflichten, einen Antrag auf internationalen Schutz einer zum Zeitpunkt der Antragstellung schwangeren Drittstaatsangehörigen allein aus Gründen des Wohls des Kindes zu prüfen, auch wenn nach den Kriterien der Art. 7 bis 15 dieser Verordnung ein anderer Mitgliedstaat als für den Antrag zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird.

46      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung ein Antrag auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III dieser Verordnung, das die Art. 7 bis 15 umfasst, als zuständiger Staat bestimmt wird.

47      Allerdings kann nach Art. 17 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung jeder Mitgliedstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach solchen Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

48      Zwar hat der Gerichtshof, wie die niederländische Regierung ausgeführt hat, in Rn. 72 des Urteils vom 23. Januar 2019, M.A. u. a. (C‑661/17, EU:C:2019:53), im Wesentlichen entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung einen Mitgliedstaat, der nach den Kriterien in Kapitel III dieser Verordnung für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz nicht zuständig ist, nicht dazu verpflichtet, das Wohl des Kindes zu berücksichtigen und diesen Antrag in Anwendung von Art. 17 Abs. 1 dieser Verordnung selbst zu prüfen.

49      Aus diesem Urteil geht jedoch ebenfalls hervor, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, einen solchen Antrag aus dem Grund zu prüfen, dass die Prüfung dem Wohl des Kindes dient.

50      Der Gerichtshof hat in diesem Urteil nämlich auch entschieden, dass bereits aus dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung klar hervorgeht, dass diese Bestimmung, indem sie es jedem Mitgliedstaat ermöglicht, sich aufgrund politischer, humanitärer oder praktischer Erwägungen zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz bereit zu erklären, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht zuständig ist, die Prärogativen der Mitgliedstaaten bei der Ausübung des Rechts auf Gewährung internationalen Schutzes wahren soll und die Entscheidung über die Durchführung einer solchen Prüfung dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlässt, wobei die Ausübung dieser Befugnis im Übrigen an keine besondere Bedingung geknüpft ist. Es ist daher Sache des betreffenden Mitgliedstaats, angesichts des Umfangs des durch diese Verordnung gewährten Ermessens die Umstände zu bestimmen, unter denen er von der Befugnis, die durch Art. 17 Abs. 1 der Verordnung eingeräumt wird, Gebrauch machen möchte, und zu beschließen, einen Antrag auf internationalen Schutz, für den er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht zuständig ist, selbst zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Januar 2019, M.A. u. a.C‑661/17, EU:C:2019:53, Rn. 58 bis 60 sowie 71).

51      Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die Bestimmung des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, nach der ein ungeborenes Kind als bereits geboren anzusehen ist, sofern sein Wohl dies erfordert, nach Ansicht des vorlegenden Gerichts die nationalen Behörden aufgrund der besonderen Bedeutung, die diese Bestimmung dem Wohl des Kindes beimisst, allein aus diesem Grund dazu verpflichtet, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, der von einer zum Zeitpunkt der Antragstellung schwangeren Drittstaatsangehörigen gestellt wurde, auch wenn nach den Kriterien von Kapitel III der Dublin‑III-Verordnung ein anderer Mitgliedstaat als für den Antrag zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird.

52      Dem vorlegenden Gericht zufolge sind die niederländischen Behörden unter solchen Umständen nach dieser Bestimmung des nationalen Rechts daher verpflichtet, von der durch die Ermessensklausel in Art. 17 Abs. 1 der Verordnung eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen.

53      Gleichwohl ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die zuständigen nationalen Behörden im Ausgangsverfahren dadurch gegen das nationale Recht verstoßen haben, dass sie den von der Klägerin des Ausgangsverfahrens gestellten Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt haben, obwohl diese zum Zeitpunkt der Antragstellung schwanger war.

54      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die zuständigen nationalen Behörden dazu verpflichten, einen Antrag auf internationalen Schutz einer zum Zeitpunkt der Antragstellung schwangeren Drittstaatsangehörigen allein aus Gründen des Wohls des Kindes zu prüfen, auch wenn nach den Kriterien der Art. 7 bis 15 dieser Verordnung ein anderer Mitgliedstaat als für den Antrag zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird.

 Kosten

55      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist,

ist dahin auszulegen, dass

er nicht anwendbar ist, wenn zwischen einer Person, die internationalen Schutz beantragt, und ihrem Ehegatten, der sich rechtmäßig in dem Mitgliedstaat aufhält, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, oder zwischen dem ungeborenen Kind des Antragstellers und dem Ehegatten, der auch der Vater des Kindes ist, ein Abhängigkeitsverhältnis besteht.

2.      Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 604/2013

ist dahin auszulegen, dass

er dem nicht entgegensteht, dass die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die zuständigen nationalen Behörden dazu verpflichten, einen Antrag auf internationalen Schutz einer zum Zeitpunkt der Antragstellung schwangeren Drittstaatsangehörigen allein aus Gründen des Wohls des Kindes zu prüfen, auch wenn nach den Kriterien der Art. 7 bis 15 dieser Verordnung ein anderer Mitgliedstaat als für den Antrag zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Niederländisch.