Language of document : ECLI:EU:T:2014:266

URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

21. Mai 2014

Rechtssache T‑368/12 P

Europäische Kommission

gegen

Luigi Macchia

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Bedienstete auf Zeit – Befristeter Vertrag – Entscheidung, den Vertrag nicht zu verlängern – Zuständigkeit des Gerichts für den öffentlichen Dienst – Art. 8 Abs. 1 der BSB – Fürsorgepflicht – Begriff des dienstlichen Interesses – Verbot, ultra petita zu entscheiden – Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens“

Gegenstand:      Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Dritte Kammer) vom 13. Juni 2012, Macchia/Kommission (F‑63/11), gerichtet auf Aufhebung dieses Urteils

Entscheidung:      Das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Dritte Kammer) vom 13. Juni 2012, Macchia/Kommission (F‑63/11), wird insoweit aufgehoben, als mit ihm die Entscheidung des Generaldirektors des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 12. August 2010, den Antrag auf Verlängerung des Vertrags von Herrn Luigi Macchia als Bediensteter auf Zeit abzulehnen, aufgehoben und die Anträge von Herrn Macchia auf Wiederverwendung beim OLAF und auf Ersatz des entstandenen materiellen Schadens dementsprechend als verfrüht zurückgewiesen worden sind. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen. Die Sache wird an das Gericht für den öffentlichen Dienst zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Leitsätze

1.      Beamte – Bedienstete auf Zeit – Einstellung – Nichtverlängerung eines befristeten Vertrags – Vom Gericht für den öffentlichen Dienst formulierte Verpflichtung, die Möglichkeit einer Umsetzung des betroffenen Bediensteten zu prüfen – Verpflichtung in den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten nicht vorgesehen

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 2 Buchst. a, Art. 8 Abs. 1 und Art. 47 Buchst. b Ziff. i)

2.      Beamte – Bedienstete auf Zeit – Einstellung – Verlängerung eines befristeten Vertrags – Ermessen der Verwaltung – Fürsorgepflicht der Verwaltung – Berücksichtigung der Interessen des betroffenen Bediensteten und des dienstlichen Interesses

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 2 Buchst. a, Art. 8 Abs. 1 und Art. 47 Buchst. b Ziff. i)

1.      Bei der Möglichkeit, den Vertrag eines Bediensteten auf Zeit zu verlängern, handelt es sich um eine bloße Möglichkeit, die dem Ermessen der zuständigen Behörde überlassen ist. Denn die Organe verfügen bei der Organisation ihrer Dienststellen entsprechend den ihnen übertragenen Aufgaben und der Verwendung des ihnen dafür zur Verfügung stehenden Personals, solange diese im dienstlichen Interesse erfolgt, über ein weites Ermessen.

Nach Art. 8 Abs. 1 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union kann das Beschäftigungsverhältnis eines der in Art. 2 Buchst. a dieser Beschäftigungsbedingungen genannten Bediensteten auf Zeit auf bestimmte oder unbestimmte Dauer begründet werden. Nach der letztgenannten Bestimmung ist Bediensteter auf Zeit der Bedienstete, der zur Besetzung einer Planstelle eingestellt wird, die auf Zeit eingerichtet worden ist. Bediensteten des öffentlichen Dienstes der Union, die auf der Grundlage eines befristeten Vertrags eingestellt werden, muss deshalb klar sein, dass sie nur auf Zeit eingestellt sind und ihre Einstellung keine Beschäftigungsgarantie bedeutet.

Hingegen gewährleistet das Statut Beamten ein beständigeres Anstellungsverhältnis, da die Fälle eines unfreiwilligen endgültigen Ausscheidens aus dem Dienst streng begrenzt sind. Unter den Begriff der Dauerplanstelle bei einem der Organe im Sinne von Art. 1a Abs. 1 des Statuts fallen nämlich nur solche Stellen, die im Haushaltsplan ausdrücklich als Dauerplanstellen oder unter ähnlicher Bezeichnung vorgesehen sind. Jede andere Auslegung würde dazu führen, dass die Zahl der von der Haushaltsbehörde bewilligten Dauerplanstellen beträchtlich überschritten würde, was die Befugnisse dieser Behörde aushöhlen und deren Willen missachten würde.

Durch die von ihm definierte Verpflichtung zur vorrangigen Prüfung der Möglichkeit einer Umsetzung des betroffenen Bediensteten hat das Gericht für den öffentlichen Dienst das Wesen der Beschäftigung eines Zeitbediensteten mit befristetem Vertrag, wie es in den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union vorgesehen ist, verändert.

(vgl. Rn. 49, 51, 52 und 54)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 29. Juni 1994, Klinke/Gerichtshof, C‑298/93 P, Slg. 1994, I‑3009, Rn. 38

Gericht: 18. April 1996, Kyrpitsis/WSA, T‑13/95, Slg. ÖD 1996, I‑A‑167 und II‑503, Rn. 52; 15. Oktober 2008, Potamianos/Kommission, T‑160/04, Slg. ÖD 2008, I‑A‑2‑75 und II‑A‑2‑469, Rn. 30; 8. September 2009, ETF/Landgren, T‑404/06 P, Slg. 2009, II‑2841, Rn. 162 und die dort angeführte Rechtsprechung; 21. September 2011, Adjemian u. a./Kommission, T‑325/09 P, Slg. 2011, II‑6515, Rn. 77

2.      Bei der Entscheidung über die Stellung eines Bediensteten hat die zuständige Behörde alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die geeignet sind, sie in ihrer Entscheidung zu leiten, d. h. nicht nur das dienstliche Interesse, sondern auch dasjenige des betroffenen Bediensteten. Das gebietet die Fürsorgepflicht der Verwaltung, die das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten widerspiegelt, das das Statut und entsprechend auch die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union in den Beziehungen zwischen der Verwaltung und ihren Bediensteten geschaffen haben. Wegen des weiten Ermessens, über das die Organe in diesem Bereich verfügen, beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle jedenfalls auf die Prüfung der Frage, ob kein offensichtlicher Fehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen.

Im Rahmen einer Klage auf Aufhebung einer Entscheidung, einen befristeten Vertrag eines Zeitbediensteten nicht zu verlängern, hat das Gericht für den öffentlichen Dienst, indem es die Abwägung zwischen dem dienstlichen Interesse und demjenigen des Bediensteten erst vorgenommen hat, nachdem es die Verpflichtung zur vorrangigen Prüfung der Möglichkeit einer Umsetzung des Bediensteten definiert hatte, mit der Aufstellung des Grundsatzes, dass der Verweis auf die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und die Verdienste und die Eignung des Klägers nicht genüge, um den befristeten Vertrag nicht zu verlängern, jedoch das dienstliche Interesse nicht berücksichtigt.

(vgl. Rn. 49 und 56)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Klinke/Gerichtshof, Rn. 38

Gericht: Kyrpitsis/WSA, Rn. 52; Potamianos/Kommission, Rn. 30; ETF/Landgren, Rn. 162 und die dort angeführte Rechtsprechung