Language of document : ECLI:EU:C:2017:51

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

26. Januar 2017(*)

„Rechtsmittel – Kartelle – Belgischer, deutscher, französischer, italienischer, niederländischer und österreichischer Markt für Badezimmerausstattungen – Koordinierung der Verkaufspreise und Austausch sensibler Geschäftsinformationen – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Art. 23 Abs. 2 – Obergrenze von 10 % des Umsatzes – Leitlinien von 2006 für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Begründungspflicht – Grundsatz der Gleichbehandlung – Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“

In der Rechtssache C‑637/13 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 27. November 2013,

Laufen Austria AG mit Sitz in Wilhelmsburg (Österreich), Prozessbevollmächtigte: E. Navarro Varona, abogada,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castilla Contreras, F. Castillo de la Torre und F. Jimeno Fernández als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richterin M. Berger sowie der Richter E. Levits, S. Rodin (Berichterstatter) und F. Biltgen,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2015,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Laufen Austria AG die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. September 2013, Laufen Austria/Kommission (T‑411/10, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2013:443), soweit das Gericht mit diesem Urteil ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses K(2010) 4185 endg. vom 23. Juni 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39092 – Badezimmerausstattungen) (im Folgenden: streitiger Beschluss), soweit er sie betrifft, und, hilfsweise, auf Herabsetzung der mit diesem Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Verordnung (EG) Nr. 1/2003

2        Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sieht vor:

„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a)      gegen Artikel [101] oder Artikel [102 AEUV] verstoßen …

Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.

…“

 Leitlinien von 2006

3        In den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) heißt es in Ziff. 2 zur Bemessung der Geldbußen, dass „die Kommission die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigen [muss]“ und dass „die in Artikel 23 Absatz 2 Unterabsätze 2 und 3 der [Verordnung Nr. 1/2003] genannten Obergrenzen nicht überschritten werden [dürfen]“.

4        Ziff. 13 der Leitlinien sieht vor:

„Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des [Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)] verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren … Zusammenhang stehen. Im Regelfall ist der Umsatz im letzten vollständigen Geschäftsjahr zugrunde zu legen, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war.“

5        Ziff. 20 der Leitlinien bestimmt:

„Die Schwere der Zuwiderhandlung wird in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände beurteilt.“

6        Ziff. 21 der Leitlinien sieht vor:

„Grundsätzlich kann ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.“

7        Ziff. 22 der Leitlinien von 2006 lautet:

„Bei der Bestimmung der genauen Höhe innerhalb dieser Bandbreite berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligten Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.“

8        Ziff. 23 der Leitlinien sieht vor:

„Horizontale, üblicherweise geheime Vereinbarungen … zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte oder Einschränkung der Erzeugung gehören ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen und müssen unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten streng geahndet werden. Für solche Zuwiderhandlungen ist daher grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende [der] Bandbreite anzusetzen.“

9        Ziff. 25 der Leitlinien lautet:

„Zusätzlich, unabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung, fügt die Kommission einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes im Sinne von Abschnitt A hinzu, um die Unternehmen von vornherein [von] der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen abzuschrecken. Dieser Zusatzbetrag kann auch in Fällen anderer Zuwiderhandlungen erhoben werden. Bei der Entscheidung, welcher Anteil am Umsatz zugrunde zu legen ist, berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die in Ziffer 22 genannten.“

10      In Ziff. 29 der Leitlinien heißt es:

„Der Grundbetrag der Geldbuße kann verringert werden, wenn die Kommission mildernde Umstände wie beispielsweise die nachstehend aufgeführten feststellt:

–        vom Unternehmen nachgewiesene Beendigung des Verstoßes nach dem ersten Eingreifen der Kommission, außer im Falle geheimer Vereinbarungen oder Verhaltensweisen (insbesondere von Kartellen);

–        vom Unternehmen beigebrachte Beweise, dass die Zuwiderhandlung aus Fahrlässigkeit begangen wurde;

–        vom Unternehmen beigebrachte Beweise, dass die eigene Beteiligung sehr geringfügig war und sich das Unternehmen der Durchführung der gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Vereinbarungen in dem Zeitraum, in dem [es] ihnen beigetreten war, in Wirklichkeit durch eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt entzogen hat; der bloße Umstand einer kürzeren Beteiligung im Vergleich zu den übrigen Unternehmen wird nicht als mildernder Umstand anerkannt, da er bereits im Grundbetrag zum Ausdruck kommt;

–        aktive Zusammenarbeit des Unternehmens mit der Kommission außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen und über seine rechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit hinaus;

–        Genehmigung oder Ermutigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens durch die Behörden oder geltende Vorschriften. …“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss

11      Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 27 des angefochtenen Urteils dargestellt worden und lässt sich wie folgt zusammenfassen.

12      Als die festgestellte Zuwiderhandlung begangen wurde, stellte Laufen Austria unter ihren eigenen Marken Sanitärkeramik her und vertrieb diese sowie von Konkurrenten gefertigte Produkte. Ihre Verkäufe konzentrierten sich auf Österreich sowie, in geringerem Maß, auf Deutschland. Am 29. Oktober 1999 erwarb die Roca Sanitario SA, die Muttergesellschaft einer im Badezimmerausstattungssektor tätigen Gruppe von Gesellschaften (im Folgenden: Roca-Gruppe), die Gruppe, an deren Spitze die Schweizer Gesellschaft Keramik Holding AG stand, die das gesamte Kapital von Laufen Austria hielt.

13      Am 15. Juli 2004 informierten die Masco Corp. und ihre Tochtergesellschaften, zu denen die Hansgrohe AG, die Armaturen herstellt, und die Hüppe GmbH, die Duschabtrennungen herstellt, gehören, die Kommission über das Bestehen eines Kartells im Badezimmerausstattungssektor und beantragten einen Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung von 2002 über Zusammenarbeit) oder, hilfsweise, eine Herabsetzung der ihnen gegebenenfalls drohenden Geldbußen.

14      Am 9. und 10. November 2004 führte die Kommission unangekündigte Nachprüfungen in den Räumlichkeiten verschiedener Unternehmen und nationaler Verbände des Badezimmerausstattungssektors durch. Nachdem sie zwischen dem 15. November 2005 und dem 16. Mai 2006 Auskunftsverlangen an diese Unternehmen und Verbände, darunter die Roca SARL (im Folgenden: Roca) und Laufen Austria, gerichtet hatte, erließ sie am 26. März 2007 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Diese wurde u. a. der Rechtsmittelführerin zugestellt.

15      Am 17. Januar 2006 beantragte Roca im eigenen Namen und im Namen der Gruppe, zu der Laufen Austria gehört, soweit sie die Tätigkeiten dieser Gruppe in Frankreich übernommen hatte, einen Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung von 2002 über Zusammenarbeit oder, hilfsweise, eine Herabsetzung der ihr gegebenenfalls drohenden Geldbuße.

16      Nach einer Anhörung, die vom 12. bis 14. November 2007 stattfand, dem Versand eines Sachverhaltsschreibens an einige Unternehmen, u. a. die Rechtsmittelführerin, am 9. Juli 2009 und weiteren Auskunftsverlangen, die an die Rechtsmittelführerin gerichtet wurden, erließ die Kommission am 23. Juni 2010 den streitigen Beschluss. Darin stellte sie eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) im Badezimmerausstattungssektor fest. Diese Zuwiderhandlung, an der 17 Unternehmen beteiligt gewesen seien, habe in verschiedenen Zeiträumen zwischen dem 16. Oktober 1992 und dem 9. November 2004 in Form eines Bündels wettbewerbswidriger Vereinbarungen oder abgestimmter Verhaltensweisen in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Österreich stattgefunden. Die vom Kartell betroffenen Produkte seien Badezimmerausstattungen, die zu einer der drei folgenden Produktuntergruppen gehört hätten: Armaturen, Duschabtrennungen und ‑zubehör sowie Sanitärkeramik (im Folgenden: drei Produktuntergruppen).

17      Die Kommission verwies insbesondere darauf, dass es folgende Verbände gegeben habe: nationale Verbände, deren Mitglieder in Bezug auf alle drei Produktuntergruppen tätig gewesen seien (von ihr als „Dachverbände“ bezeichnet), nationale Verbände, deren Mitglieder in Bezug auf mindestens zwei dieser drei Untergruppen tätig gewesen seien (von ihr als „produktübergreifende Verbände“ bezeichnet), und produktspezifische Verbände, deren Mitglieder in Bezug auf eine dieser drei Untergruppen tätig gewesen seien. Schließlich stellte sie fest, dass es eine zentrale Gruppe von Unternehmen gegeben habe, die in verschiedenen Mitgliedstaaten im Rahmen von Dachverbänden oder produktübergreifenden Verbänden am Kartell beteiligt gewesen seien.

18      Zur Beteiligung der Roca-Gruppe an der festgestellten Zuwiderhandlung führte die Kommission aus, diese habe von der die drei Produktuntergruppen betreffenden Zuwiderhandlung Kenntnis gehabt. In Bezug auf die räumliche Ausdehnung des Kartells könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Roca-Gruppe von der Gesamttragweite des Kartells Kenntnis gehabt habe, sondern nur davon, dass sie die kollusiven Verhaltensweisen gekannt habe, die in Frankreich und Österreich stattgefunden hätten.

19      Die Kommission stellte daher in Art. 1 Abs. 3 des streitigen Beschlusses fest, dass Laufen Austria, Roca Sanitario und Roca dadurch gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, dass sie sich in Frankreich und Österreich an einer fortgesetzten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Badezimmerausstattungssektor beteiligt hätten.

20      Bei der Festsetzung des Betrags der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbußen stützte sich die Kommission auf die Leitlinien von 2006.

21      Als Erstes ermittelte die Kommission den Grundbetrag der Geldbuße. Hierzu führte sie aus, diesem liege bei jedem Unternehmen sein Umsatz im Mitgliedstaat, multipliziert mit der Zahl der Jahre seiner Beteiligung an der festgestellten Zuwiderhandlung im jeweiligen Mitgliedstaat und für die entsprechende Produktuntergruppe, zugrunde, so dass der Tatsache Rechnung getragen werde, dass bestimmte Unternehmen nur in manchen Mitgliedstaaten oder nur in Bezug auf eine der drei Produktuntergruppen tätig seien.

22      Nach dieser Klarstellung setzte die Kommission den Koeffizienten für die Schwere der festgestellten Zuwiderhandlung im Sinne der Ziff. 20 bis 23 der Leitlinien von 2006 (im Folgenden: Koeffizient für die Schwere der Zuwiderhandlung) auf 15 % des Umsatzes fest. Dabei berücksichtigte sie vier Kriterien zur Beurteilung dieser Zuwiderhandlung, und zwar die kumulierten Marktanteile sowie Art, räumliche Ausdehnung und Umsetzung der Zuwiderhandlung.

23      Ferner setzte die Kommission den für die Dauer der festgestellten Zuwiderhandlung auf den für die Rechtsmittelführerin ermittelten Grundbetrag der Geldbuße anzuwendenden Koeffizienten auf der Grundlage von Ziff. 24 der Leitlinien von 2006 bei der Rechtsmittelführerin auf 10 fest, was einer Beteiligung an der Zuwiderhandlung in Österreich bei Sanitärkeramik von zehn Jahren entspricht.

24      Schließlich erhöhte die Kommission, um dem streitigen Beschluss abschreckende Wirkung zu verleihen, auf der Grundlage von Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 und unter Berücksichtigung der vier in Rn. 22 des vorliegenden Urteils genannten Beurteilungskriterien den Grundbetrag der Geldbuße durch Anwendung eines zusätzlichen Koeffizienten (im Folgenden: Koeffizient für den Zusatzbetrag) von 15 % auf den Umsatz.

25      Daraus ergab sich für die Roca-Gruppe ein Grundbetrag der Geldbuße in Höhe von 3 000 000 Euro für kollusive Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Armaturen auf dem französischen Markt und ein Grundbetrag der Geldbuße in Höhe von 35 700 000 Euro für kollusive Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Sanitärkeramik, davon 3 700 000 Euro für den französischen Markt und 32 000 000 Euro für den österreichischen Markt.

26      Als Zweites prüfte die Kommission, ob erschwerende oder mildernde Umstände vorlagen, die eine Anpassung des Grundbetrags der Geldbuße rechtfertigen könnten. Sie stellte in Bezug auf die Rechtsmittelführerin keine solchen Umstände fest.

27      Als Drittes wandte die Kommission die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % des Umsatzes (im Folgenden: Obergrenze von 10 %) an. Die Geldbuße der Roca-Gruppe betrug nach Anwendung dieser Obergrenze 38 700 000 Euro.

28      Als Viertes war die Kommission der Auffassung, dass die Roca-Gruppe, zu der die Rechtsmittelführerin gehört, keinen Anspruch auf Herabsetzung der Geldbußen gemäß der Mitteilung von 2002 über Zusammenarbeit habe. Zum einen stellten die von dieser Gruppe vorgelegten Beweise keinen bedeutenden Mehrwert im Sinne von Rn. 21 der Mitteilung dar. Zum anderen habe die Gruppe während des Verwaltungsverfahrens keine echte Bereitschaft zur Zusammenarbeit an den Tag gelegt.

29      In Anbetracht dessen stellte die Kommission in Art. 1 Abs. 3 des streitigen Beschlusses fest, dass die Rechtsmittelführerin dadurch gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätte, dass sie sich im Zeitraum vom 12. Oktober 1994 bis zum 9. November 2004 in Frankreich und Österreich an einer fortgesetzten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Badezimmerausstattungssektor beteiligt hätte.

30      In Art. 2 Abs. 4 des streitigen Beschlusses verhängte die Kommission gegen die Rechtsmittelführerin eine Geldbuße von 32 000 000, davon 17 700 000 als Gesamtschuldnerin mit Roca Sanitario.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

31      Mit Klageschrift, die am 8. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Laufen Austria Klage. Sie beantragte, den streitigen Beschluss, soweit er sie betrifft, für nichtig zu erklären, hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen.

32      Laufen Austria stützte ihren Antrag auf teilweise Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses auf sechs Klagegründe. Der erste Klagegrund betraf die Zurechnung der Verantwortlichkeit für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen, die Roca Sanitario vorgeworfen werden. Der zweite Klagegrund bezog sich auf die Anwendung der Obergrenze von 10 %. Der dritte Klagegrund betraf die Beurteilung der Schwere der von Laufen Austria begangenen Zuwiderhandlung durch die Kommission. Mit dem vierten Klagegrund wurde ein Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung geltend gemacht, da der Kontext der Wirtschaftskrise nicht als mildernder Umstand berücksichtigt worden sei. Der fünfte Klagegrund bezog sich auf die fehlende Berücksichtigung des von den Großhändlern ausgeübten Drucks als mildernder Umstand. Mit dem sechsten Klagegrund wurden Fehler bei der Anwendung der Mitteilung von 2002 über Zusammenarbeit und der Leitlinien von 2006 gerügt.

33      Im Rahmen ihres Hilfsantrags auf Herabsetzung der Geldbuße führte Laufen Austria ihre im Vergleich zu den anderen Teilnehmern geringere Beteiligung an der festgestellten Zuwiderhandlung, die geringere Schwere ihrer Beteiligung an der begangenen Zuwiderhandlung sowie den Grad ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission an.

34      Im angefochtenen Urteil hat das Gericht die sechs von der Rechtsmittelführerin angeführten Klagegründe als teils unzulässig, teils ins Leere gehend und teils unbegründet zurückgewiesen. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass nichts von dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin und auch kein von Amts wegen zu berücksichtigender Grund eine Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in Form einer Herabsetzung der gegen sie zu verhängenden Geldbuße rechtfertige.

35      Das Gericht hat daher die Klage von Laufen Austria insgesamt abgewiesen.

 Anträge der Parteien

36      Laufen Austria beantragt,

–        das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben;

–        die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen und

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

37      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–        Laufen Austria die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

38      Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wirft sie dem Gericht vor, bei der Anwendung der in der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze seine Begründungspflicht verletzt und gegen die Grundsätze der individuellen Strafzumessung, der persönlichen Verantwortlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen zu haben. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird geltend gemacht, dass das Gericht dadurch gegen die Grundsätze der individuellen Sanktionszumessung und der persönlichen Verantwortlichkeit, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes sowie gegen die Begründungspflicht verstoßen habe, dass es den Antrag auf Herabsetzung des Grundbetrags der gegen die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße abgelehnt habe.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

39      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht Laufen Austria im Wesentlichen geltend, das Gericht habe seine Begründungspflicht verletzt und gegen die Grundsätze der individuellen Strafzumessung, der persönlichen Verantwortlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen, als es in den Rn. 148 bis 154 des angefochtenen Urteils den Gesamtumsatz von Roca Sanitario bei der Berechnung der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze von 10 % auch für den Zeitraum berücksichtigt habe, in dem sie für die in Rede stehende Zuwiderhandlung allein haftbar gemacht worden sei.

40      Laufen Austria führt hierzu aus, sie habe im Zeitraum der Zuwiderhandlung, der dem Erwerb von Keramik Holding durch Roca Sanitario vorausgegangen sei, keine wirtschaftliche Einheit mit Roca Sanitario gebildet. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei die genannte Obergrenze aber allein anhand des Umsatzes des für die Zuwiderhandlung verantwortlichen Unternehmens zu berechnen.

41      Das Gericht hätte deshalb bei der Berechnung der Geldbuße für diesen Zeitraum die Obergrenze von 10 % auf den individuellen Umsatz allein von Laufen Austria anwenden müssen.

42      Darüber hinaus habe das Gericht seine Begründungspflicht verletzt und gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, da es weder frühere Entscheidungen der Kommission noch Urteile des Gerichts berücksichtigt habe, in denen der Betrag der gegen eine Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße unter Umständen, die mit denen des vorliegenden Falles vergleichbar seien, anhand der Eigenmittel dieser Tochtergesellschaft berechnet worden sei.

43      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

44      Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, geht aus dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 klar hervor, dass „[d]ie Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung … 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen [darf]“ (Urteil vom 4. September 2014, YKK u. a./Kommission, C‑408/12 P, EU:C:2014:2153, Rn. 58).

45      Der Begriff „an der Zuwiderhandlung beteiligtes Unternehmen“ im Sinne der genannten Vorschrift muss aber notwendigerweise derselbe sein wie bei der Anwendung des Art. 101 AEUV, da ein solcher Begriff bei der Zurechnung der Zuwiderhandlung und bei der Anwendung der Obergrenze von 10 % nicht unterschiedlich ausgelegt werden darf (Urteil vom 4. September 2014, YKK u. a./Kommission, C‑408/12 P, EU:C:2014:2153, Rn. 59).

46      Wenn ein Unternehmen, das von der Kommission für einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV haftbar gemacht wird, von einem anderen Unternehmen erworben wird, innerhalb dessen es als Tochtergesellschaft weiterhin eine gesonderte wirtschaftliche Einheit darstellt, hat die Kommission daher für den Zeitraum vor dem Erwerb den jeweiligen Umsatz jeder dieser wirtschaftlichen Einheiten zu berücksichtigen und darauf gegebenenfalls die Obergrenze von 10 % anzuwenden (Urteil vom 4. September 2014, YKK u. a./Kommission, C‑408/12 P, EU:C:2014:2153, Rn. 60).

47      In diesem Zusammenhang besteht das Ziel der Festlegung einer Obergrenze von 10 % des Umsatzes jedes an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 insbesondere darin, zu vermeiden, dass die Verhängung einer über dieser Obergrenze liegenden Geldbuße die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zu dem Zeitpunkt überschreitet, zu dem es für die Zuwiderhandlung haftbar gemacht wird und zu dem ihm von der Kommission eine finanzielle Sanktion auferlegt wird (Urteil vom 4. September 2014, YKK u. a./Kommission, C‑408/12 P, EU:C:2014:2153, Rn. 63).

48      Bestätigt wird dies durch Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, der hinsichtlich der Obergrenze von 10 % fordert, sie auf der Grundlage des Geschäftsjahrs zu berechnen, das der Kommissionsentscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung geahndet wird, vorausgeht. Dieses Erfordernis ist jedoch voll und ganz erfüllt, wenn die Obergrenze hinsichtlich der Geldbuße, die ausschließlich der Tochtergesellschaft für den Zeitraum vor ihrem Erwerb durch die Muttergesellschaft auferlegt wird, allein auf der Grundlage des Umsatzes der Tochtergesellschaft berechnet wird. Daraus folgt, dass unter solchen Umständen strukturelle Veränderungen des als wirtschaftliche Einheit verantwortlichen Unternehmens bei der Berechnung der Geldbuße tatsächlich berücksichtigt werden (Urteil vom 4. September 2014, YKK u. a./Kommission, C‑408/12 P, EU:C:2014:2153, Rn. 64).

49      Folglich muss die Kommission, sofern eine Muttergesellschaft für eine von ihrer Tochtergesellschaft vor dem Zeitpunkt des Erwerbs der Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung nicht haftbar gemacht werden kann, bei der Berechnung der Obergrenze von 10 % den eigenen Umsatz dieser Tochtergesellschaft in dem Geschäftsjahr berücksichtigen, das dem Jahr des Erlasses der Entscheidung, mit der die Zuwiderhandlung geahndet wird, vorausging.

50      Das Gericht hat deshalb einen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 150 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass die Kommission in Fällen, in denen zwischen einem ersten Zeitabschnitt, für den die Tochtergesellschaft allein für die Zuwiderhandlung haftbar gemacht werde, und einem zweiten Zeitabschnitt, für den die Muttergesellschaft mit ihrer Tochtergesellschaft als Gesamtschuldner für die Zuwiderhandlung haftbar gemacht werde, unterschieden werde, nicht gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zu prüfen habe, ob der Teil der Geldbuße, für den die Muttergesellschaft nicht als Gesamtschuldnerin haftbar gemacht werde, unter der Obergrenze von 10 % des allein von der Tochtergesellschaft erzielten Umsatzes liege.

51      Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund begründet, ohne dass über die übrigen von der Rechtsmittelführerin zu seiner Stützung vorgebrachten Argumente, insbesondere soweit sie die Verletzung der Begründungspflicht betreffen, entschieden zu werden braucht. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, soweit darin festgestellt wird, dass die Kommission keinen Fehler begangen habe, als sie für den Zeitraum, für den Laufen Austria allein für die Zuwiderhandlung haftbar gemacht worden sei, bei der Anwendung der Obergrenze von 10 % den Umsatz der Roca-Gruppe berücksichtigt habe.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

52      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wirft Laufen Austria dem Gericht vor, insbesondere in den Rn. 164 bis 193 sowie 259 bis 261 des angefochtenen Urteils gegen die Grundsätze der individuellen Sanktionszumessung und der persönlichen Verantwortlichkeit, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes sowie gegen seine Begründungspflicht verstoßen zu haben, da es aus seiner Feststellung, dass die Beteiligung an der Zuwiderhandlung, die Laufen Austria zugerechnet werde, weniger schwerwiegend sei als die der übrigen Kartellbeteiligten, nicht die erforderlichen Konsequenzen gezogen habe, namentlich durch Anpassung des Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag sowie durch Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße.

53      Laufen Austria macht erstens geltend, die Rn. 164 bis 193 des angefochtenen Urteils seien rechtlich fehlerhaft, da bei der Ermittlung der Geldbuße nicht berücksichtigt werde, dass ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung weniger schwerwiegend sei als die der übrigen mit Sanktionen belegten Unternehmen. Insoweit werde im angefochtenen Urteil, abgesehen von der räumlichen Ausdehnung der Beteiligungen an der Zuwiderhandlung, nicht zwischen der Schwere des Verhaltens von Laufen Austria und der Schwere des Verhaltens der Unternehmen, die den „harten Kern“ der beteiligten Unternehmen gebildet hätten, anhand der Art ihres jeweiligen Verhaltens unterschieden. Aufgrund des Diskriminierungsverbots hätte das Gericht aber den Grundbetrag der gegen Laufen Austria verhängten Geldbuße dadurch herabsetzen müssen, dass es in ihrem Fall niedrigere Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag als bei den genannten Unternehmen angewandt hätte, und es hätte die Konsequenzen aus seinen Feststellungen in den Rn. 187, 259 und 260 des angefochtenen Urteils ziehen müssen.

54      Zweitens stehe die Begründung in den Rn. 186 und 260 des angefochtenen Urteils im Widerspruch zur Rechtsprechung im Bereich der Abstufung von Geldbußen und räume dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Geldbuße zu Unrecht Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz ein.

55      Drittens hätte die geringe Schwere der Beteiligung von Laufen Austria an der festgestellten Zuwiderhandlung als mildernder Umstand im Sinne von Ziff. 29 dritter Gedankenstrich der Leitlinien von 2006 berücksichtigt werden müssen. Das Gericht habe aber in den Rn. 189 bis 191 des angefochtenen Urteils auf der Grundlage einer zu restriktiven und fehlerhaften Auslegung dieser Bestimmung jede auf ihr beruhende Herabsetzung der Geldbuße abgelehnt.

56      Viertens habe das Gericht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen und seine Begründungspflicht verletzt, als es in Rn. 183 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Kommission nicht von der in den Leitlinien von 2006 vorgesehenen Methode zur Berechnung der Geldbuße abgewichen sei.

57      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen. Sie fügt hinzu, das Gericht habe zwar das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zum Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu Recht zurückgewiesen, doch treffe die Prämisse des Gerichts nicht zu, dass sich die auf die Rechtsmittelführerin, die an der Zuwiderhandlung nur in Österreich beteiligt gewesen sei, angewandten Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag von den bei anderen Kartellmitgliedern, die an der Zuwiderhandlung in sechs Mitgliedstaaten und für drei Produktuntergruppen beteiligt gewesen seien, herangezogenen Koeffizienten hätten unterscheiden müssen. Deshalb regt die Kommission an, dass der Gerichtshof die Begründung ersetzt.

 Würdigung durch den Gerichtshof

58      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass allein das Gericht für die Überprüfung der Art und Weise zuständig ist, in der die Kommission im konkreten Fall die Schwere der rechtswidrigen Verhaltensweisen beurteilt hat. Im Rechtsmittelverfahren erstreckt sich die Kontrolle durch den Gerichtshof zum einen darauf, inwieweit das Gericht rechtlich korrekt alle Faktoren berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens anhand von Art. 101 AEUV und Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 von Bedeutung sind, und zum anderen darauf, ob das Gericht auf alle zur Stützung des Antrags auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße vorgebrachten Argumente rechtlich hinreichend eingegangen ist (vgl. u. a. Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, EU:C:1998:608, Rn. 128, vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 244, und vom 5. Dezember 2013, Solvay Solexis/Kommission, C‑449/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:802, Rn. 74).

59      Soweit Laufen Austria dem Gericht mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund vorwirft, sowohl bei der Ausübung seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses in den Rn. 164 bis 193 des angefochtenen Urteils als auch im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung bei der Festsetzung der Geldbuße in den Rn. 258 bis 261 dieses Urteils nicht berücksichtigt zu haben, dass die Beteiligung der Rechtsmittelführerin an der festgestellten Zuwiderhandlung weniger schwerwiegend gewesen sei als die der Unternehmen, die den „harten Kern“ des Kartells gebildet hätten, ist hervorzuheben, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der gegen Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht festgesetzten Geldbußen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen (Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 245, und vom 11. Juli 2013, Gosselin Group/Kommission, C‑429/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:463, Rn. 87).

60      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen die Dauer der Zuwiderhandlung sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen sind, die für die Beurteilung ihrer Schwere eine Rolle spielen (Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 240, und vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 98).

61      Zu den Faktoren, die bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen berücksichtigt werden können, gehören das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die jedes Unternehmen bei der Errichtung des Kartells gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus ihm ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Ziele der Europäischen Union bedeuten (Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 242, und vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 100).

62      Wie sich aus Rn. 179 des angefochtenen Urteils ergibt, steht im vorliegenden Fall fest, dass Laufen Austria an einer Zuwiderhandlung, die in der Umsetzung einer Koordinierung geplanter Preiserhöhungen bestand, beteiligt war, dass sie aufgrund ihrer Teilnahme an den Treffen des Dachverbands Arbeitskreis Sanitärindustrie davon Kenntnis hatte, dass der sachliche Umfang dieser Zuwiderhandlung die drei Produktuntergruppen betraf und dass sich diese auf ganz Österreich erstreckte.

63      Das Gericht hat daraus den Schluss gezogen, dass die Kommission im Einklang mit den Ziff. 21 bis 23 und 25 der Leitlinien von 2006 Koeffizienten von 15 % für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag als angemessen ansehen durfte.

64      In diesem Zusammenhang wirft Laufen Austria, ohne die im angefochtenen Urteil beschriebene Zuwiderhandlung der Sache nach zu bestreiten, dem Gericht vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass sie nicht zum „harten Kern“ des Kartells gehört hätte, da sie insbesondere nicht zu seiner Entstehung und seinem Fortbestand beigetragen hätte.

65      Selbst wenn dieser Umstand erwiesen wäre, könnte mit ihm jedenfalls nicht dargetan werden, dass das Gericht Koeffizienten von 15 % für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag als nicht angemessen oder zu hoch hätte einstufen müssen, da dieser Prozentsatz allein aufgrund der Art der in Rede stehenden Zuwiderhandlung – einer Koordinierung von Preiserhöhungen – gerechtfertigt war. Eine solche Zuwiderhandlung zählt nämlich zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne der Ziff. 23 und 25 der Leitlinien von 2006, und der Satz von 15 % entspricht dem niedrigsten Satz der in den Leitlinien für solche Zuwiderhandlungen vorgesehenen Bandbreite an Sanktionen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 124 und 125, und vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 125).

66      Folglich war das Gericht in den Rn. 179 und 258 des angefochtenen Urteils zu der Feststellung berechtigt, dass die Kommission durch die Festsetzung der Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag auf 15 % nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe, ungeachtet der auf Österreich beschränkten räumlichen Ausdehnung der Beteiligung der Rechtsmittelführerin an der in Rede stehenden Zuwiderhandlung.

67      Soweit Laufen Austria dem Gericht vorwirft, in ihrem Fall trotz seiner Feststellung, dass ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung weniger schwerwiegend sei als die der übrigen am vorliegenden Kartell Beteiligten, die genannten Koeffizienten herangezogen und damit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen zu haben, ist den Ausführungen der Kommission beizupflichten, dass die Begründung in den Rn. 186 und 187 sowie 259 und 260 des angefochtenen Urteils, wonach zum einen eine Zuwiderhandlung, die sich auf sechs Mitgliedstaaten und drei Produktuntergruppen erstrecke, als schwerwiegender anzusehen sei als eine in nur einem Mitgliedstaat begangene Zuwiderhandlung wie die in Rede stehende und zum anderen gegen die an der erstgenannten Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen allein deshalb eine auf der Grundlage höherer als den bei der Rechtsmittelführerin angewandten Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag berechnete Geldbuße hätte verhängt werden müssen, rechtsfehlerhaft ist.

68      In Bezug auf die Ermittlung der Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag geht nämlich aus den Ziff. 22 und 25 der Leitlinien von 2006 hervor, dass eine Reihe von Faktoren, insbesondere die in Ziff. 22 der Leitlinien genannten, zu berücksichtigen sind. Zur Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung und in der Folge der Festsetzung des Betrags der zu verhängenden Geldbuße kann zwar u. a. der Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes berücksichtigt werden, doch kann der Umstand, dass eine Zuwiderhandlung eine größere räumliche Ausdehnung hat als eine andere, für sich genommen nicht zwangsläufig bedeuten, dass die erstgenannte Zuwiderhandlung insgesamt betrachtet und insbesondere im Hinblick auf ihre Art als schwerwiegender einzustufen ist als die letztgenannte und daher die Festsetzung höherer Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag rechtfertigt als der, die der Berechnung der Geldbuße zugrunde liegen, mit der die letztgenannte Zuwiderhandlung geahndet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 178).

69      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung ein allgemeiner, in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerter Grundsatz des Unionsrechts ist. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt er, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. u. a. Urteil vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 51).

70      Das Gericht hat diesen Grundsatz nicht nur im Rahmen der Ausübung seiner Rechtmäßigkeitskontrolle des Beschlusses der Kommission, mit dem Geldbußen verhängt werden, zu beachten, sondern auch bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Die Ausübung einer solchen Befugnis darf nämlich nicht dazu führen, dass Unternehmen, die an einer gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Festsetzung der Höhe ihrer Geldbußen ungleich behandelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, Kommission/Parker Hannifin Manufacturing und Parker-Hannifin, C‑434/13 P, EU:C:2014:2456, Rn. 77).

71      Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, muss nach diesem Grundsatz bei der Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung die Berücksichtigung von Unterschieden zwischen den an demselben Kartell beteiligten Unternehmen, u. a. was die räumliche Ausdehnung ihrer jeweiligen Beteiligung betrifft, aber nicht zwangsläufig bei der Ermittlung der Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag erfolgen, sondern kann auch in einem anderen Stadium der Berechnung der Geldbuße stattfinden, etwa bei der Anpassung des Grundbetrags anhand mildernder und erschwerender Umstände gemäß den Ziff. 28 und 29 der Leitlinien von 2006 (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 2013, Gosselin Group/Kommission, C‑429/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:463, Rn. 96 bis 100, und vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 104 und 105).

72      Wie die Kommission ausgeführt hat, können sich solche Unterschiede auch in den zur Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße herangezogenen Umsatzzahlen niederschlagen, da diese Zahlen nach Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 für jedes beteiligte Unternehmen den Umfang seiner Beteiligung an der in Rede stehenden Zuwiderhandlung widerspiegeln; diese Bestimmung erlaubt es, als Ausgangspunkt für die Berechnung der Geldbußen einen Betrag heranzuziehen, der die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das Gewicht widerspiegelt, das dem Unternehmen dabei zukam (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 76).

73      Folglich konnte das Gericht in den Rn. 186 und 187 sowie 259 und 260 des angefochtenen Urteils, ohne gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu verstoßen, die Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag mit 15 % der Umsätze der Rechtsmittelführerin in Österreich ansetzen, denn der Grundbetrag der gegen sie verhängten Geldbuße wurde unstreitig anhand ihrer Umsätze ermittelt.

74      Obwohl sich aus dem Vorstehenden ergibt, dass die Begründung des Gerichts in den Rn. 186 und 187 sowie 259 und 260 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft ist, ist darauf hinzuweisen, dass eine Verletzung des Unionsrechts in einem Urteil des Gerichts, wenn zwar dessen Gründe eine solche Verletzung enthalten, die Urteilsformel sich aber aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist, nicht zur Aufhebung dieses Urteils führen kann und die Begründung durch eine andere zu ersetzen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. Juni 1992, Lestelle/Kommission, C‑30/91 P, EU:C:1992:252, Rn. 28, und vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Dies ist hier der Fall, wie aus der Begründung in den Rn. 68 bis 73 des vorliegenden Urteils hervorgeht, durch die die Begründung des Gerichts zu ersetzen ist.

76      Deshalb ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen, soweit dem Gericht vorgeworfen wird, Rechtsfehler begangen und insbesondere gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen zu haben, weil es auf die Rechtsmittelführerin keine niedrigeren Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den Zusatzbetrag angewandt habe als bei den Unternehmen, deren Beteiligung an der Zuwiderhandlung am schwerwiegendsten gewesen sei, so dass es im angefochtenen Urteil die geringere Schwere der Beteiligung der Rechtsmittelführerin an der Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt habe.

77      Zur Rüge, das Gericht habe seine Begründungspflicht verletzt und gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen, als es in Rn. 183 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Kommission nicht von der in den Leitlinien von 2006 vorgesehenen Methode zur Berechnung der Geldbuße abgewichen sei, ist festzustellen, dass das Gericht diese Methode in allgemeiner Weise in den Rn. 169 und 170 des angefochtenen Urteils und in ihrer Anwendung auf den Einzelfall durch die Kommission in den Rn. 172 bis 174 dieses Urteils beschrieben hat.

78      Daher kann diese Rüge keinen Erfolg haben.

79      Was schließlich die Rüge anbelangt, das Gericht habe nicht als mildernden Umstand im Sinne von Ziff. 29 dritter Gedankenstrich der Leitlinien von 2006 berücksichtigt, dass die Beteiligung der Rechtsmittelführerin an der Zuwiderhandlung von geringerer Schwere gewesen sei als die der übrigen Beteiligten, steht fest, dass Laufen Austria lediglich geltend gemacht hat, sie hätte sich in begrenztem Umfang an der festgestellten Zuwiderhandlung beteiligt.

80      Gemäß Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 hätte die Rechtsmittelführerin aber, um aufgrund solcher mildernden Umstände in den Genuss einer Herabsetzung der Geldbuße zu kommen, beweisen müssen, dass sie sich der Durchführung der betreffenden gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Vereinbarungen in Wirklichkeit durch eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt entzogen hat; diesen Beweis hat die Rechtsmittelführerin nicht erbracht, wie das Gericht in Rn. 191 des angefochtenen Urteils festgestellt hat.

81      Eine solche Beweiswürdigung kann – sofern die Beweise nicht verfälscht wurden, was im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht worden ist – jedenfalls nicht im Rahmen eines Rechtsmittels in Frage gestellt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Januar 2011, Media-Saturn-Holding/HABM, C‑92/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:15, Rn. 27, vom 10. Juli 2014, Griechenland/Kommission, C‑391/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2061, Rn. 28 und 29, und vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission, C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 40).

82      Folglich ist die auf die Prüfung mildernder Umstände im Sinne von Ziff. 29 dritter Gedankenstrich der Leitlinien von 2006 durch das Gericht bezogene Rüge zurückzuweisen.

83      Nach alledem ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

 Zur Zurückverweisung der Sache an das Gericht

84      Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

85      Im vorliegenden Fall ist der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif, da dem Gerichtshof der von Laufen Austria in dem Geschäftsjahr, das dem Erlass des streitigen Beschlusses vorausging, erzielte Umsatz nicht bekannt ist. Deshalb ist die vorliegende Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen.

 Kosten

86      Da die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen wird, ist die Entscheidung über die durch das vorliegende Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten vorzubehalten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 16. September 2013, Laufen Austria/Kommission (T‑411/10, EU:T:2013:443), wird aufgehoben.

2.      Die Sache wird zur Entscheidung über den Antrag der Laufen Austria AG auf Herabsetzung der verhängten Geldbuße an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

3.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.