Language of document : ECLI:EU:C:2021:103

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 10. Februar 2021(1)

Rechtssache C718/19

Ordre des barreaux francophones et germanophone,

Association pour le droit des Étrangers ASBL,

Coordination et Initiatives pour et avec les Réfugiés et Étrangers ASBL,

Ligue des Droits de l’Homme ASBL,

Vluchtelingenwerk Vlaanderen ASBL

gegen

Conseil des ministres

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour constitutionnelle [Verfassungsgerichtshof, Belgien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsbürgerschaft – Art. 20 und 21 AEUV – Richtlinie 2004/38/EG – Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats frei zu bewegen und aufzuhalten – Entscheidung zur Beendigung des Aufenthalts aus Gründen der öffentlichen Ordnung – Präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Fluchtgefahr während der Frist für die Ausreise oder ihrer Verlängerung – Gleiche oder ähnliche nationale Bestimmungen, wie sie gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2008/115/EG für Drittstaatsangehörige gelten – Weigerung des Unionsbürgers, einer Entscheidung zur Beendigung des Aufenthalts aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit nachzukommen – Höchstdauer der Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung“






I.      Einleitung

1.        Mit ihren beiden Vorlagefragen möchte die belgische Cour constitutionnelle (Verfassungsgerichtshof) der Sache nach wissen, ob die Art. 20 und 21 AEUV sowie die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG(2) (im Folgenden: Aufenthaltsrichtlinie) es einem Mitgliedstaat verwehren, auf Unionsbürger und deren Familienangehörige, gegen die eine Ausweisungsverfügung nach dieser Richtlinie ergangen ist, gemäß der Richtlinie 2008/115/EG(3) (im Folgenden: Rückführungsrichtlinie) die gleichen oder ähnliche Maßnahmen anzuwenden, wie sie nach nationalem Recht für illegal aufhältige Drittstaatsangehörige gelten.

2.        In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof entschieden, dass es dem nationalen Gesetzgeber nicht verwehrt ist, sich an den Bestimmungen einer anderen Richtlinie auszurichten, „wenn dies zweckmäßig erscheint und soweit keine andere [Unions]vorschrift dem entgegensteht“(4). So hat der Gerichtshof im Urteil Petrea(5) ausgeführt, dass „die Mitgliedstaaten sich an der [Rückführungsrichtlinie] ausrichten können, um die zuständigen Behörden und das anwendbare Verfahren für den Erlass einer [nach der Aufenthaltsrichtlinie ergangenen] Rückkehrentscheidung gegen einen Unionsbürger … festzulegen, wenn keine Unionsvorschrift dem entgegensteht“.

3.        Auch wenn diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall eine Verneinung der vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen nahelegt, bleibt doch zu prüfen, ob sie auch im Rahmen von Maßnahmen wie den hier in Rede stehenden – d. h. präventiven Maßnahmen zur Vermeidung von Fluchtgefahr nach Erlass einer Ausweisungsverfügung und Maßnahmen der Inhaftnahme zur Sicherung der Vollziehung der Abschiebung – herangezogen werden kann, die sich dem vorlegenden Gericht zufolge auf die Ausübung des Rechts selbst, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, auswirken und daher möglicherweise nicht als Maßnahmen rein verfahrensrechtlicher Art anzusehen seien.

4.        Anhand dieser Fragen wird der Gerichtshof erstmals die Vereinbarkeit nationaler Normen, mit denen die Vollziehung von Ausweisungsverfügungen nach der Aufenthaltsrichtlinie gesichert werden soll, mit dem Unionsrecht prüfen können.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Aufenthaltsrichtlinie

5.        Im 16. Erwägungsgrund der Aufenthaltsrichtlinie heißt es: „Solange die Aufenthaltsberechtigten die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen, sollte keine Ausweisung erfolgen.“

6.        Nach Art. 14 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie steht Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen das Aufenthaltsrecht nach deren Art. 6 zu, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen, und das Aufenthaltsrecht nach deren Art. 7, 12 und 13, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Abweichend von diesen Bestimmungen sieht Art. 14 Abs. 4 der Aufenthaltsrichtlinie vor, dass gegen Unionsbürger auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden darf, wenn sie Arbeitnehmer oder Selbständige sind oder wenn sie in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen.

7.        Nach Art. 15 („Verfahrensgarantien“) Abs. 1 der Aufenthaltsrichtlinie finden „[d]ie Verfahren der Artikel 30 und 31 … sinngemäß auf jede Entscheidung Anwendung, die die Freizügigkeit von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen beschränkt und nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erlassen wird“.

8.        Art. 27 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor, dass „die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken [dürfen]“ und dass „[b]ei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit … der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren [ist] und … ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein [darf]. … Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.“

9.        Art. 28 („Schutz vor Ausweisung“) Abs. 1 der Aufenthaltsrichtlinie lautet: „Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat“. Nach Abs. 2 dieses Artikels darf „[d]er Aufnahmemitgliedstaat … gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen“.

10.      Gemäß Art. 30 Abs. 3 dieser Richtlinie ist „[i]n der Mitteilung [von Entscheidungen nach ihrem Art. 27 Abs. 1] … anzugeben, … gegebenenfalls binnen welcher Frist [der Betroffene] das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats zu verlassen hat. Außer in ordnungsgemäß begründeten dringenden Fällen muss die Frist für das Verlassen des Hoheitsgebiets mindestens einen Monat, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Mitteilung, betragen.“

11.      Nach Art. 33 Abs. 2 dieser Richtlinie muss, wenn „eine Ausweisungsverfügung … mehr als zwei Jahre nach ihrem Erlass vollstreckt [wird], … der Mitgliedstaat überprüfen, ob von dem Betroffenen eine gegenwärtige und tatsächliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht, und beurteilen, ob seit dem Erlass der Ausweisungsverfügung eine materielle Änderung der Umstände eingetreten ist.“

2.      Rückführungsrichtlinie

12.      Dem 16. Erwägungsgrund der Rückführungsrichtlinie zufolge sollte „[d]as Mittel der Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung … nur begrenzt zum Einsatz kommen und sollte im Hinblick auf die eingesetzten Mittel und die angestrebten Ziele dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen. Eine Inhaftnahme ist nur gerechtfertigt, um die Rückkehr vorzubereiten oder die Abschiebung durchzuführen und wenn weniger intensive Zwangsmaßnahmen ihren Zweck nicht erfüllen.“

13.      Nach ihrem Art. 1 enthält diese Richtlinie gemeinsame Normen und Verfahren, die in den Mitgliedstaaten bei der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Einklang mit den Grundrechten als allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschafts- und des Völkerrechts anzuwenden sind.

14.      Gemäß ihrem Art. 2 Abs. 3 findet diese Richtlinie keine Anwendung auf Personen, die das Unionsrecht auf freien Personenverkehr genießen.

15.      Nach Art. 3 Nr. 7 der Rückführungsrichtlinie bezeichnet der Ausdruck „,Fluchtgefahr‘: das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich Drittstaatsangehörige einem Rückkehrverfahren durch Flucht entziehen könnten“.

16.      Gemäß Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie erlassen die Mitgliedstaaten gegen alle illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung.

17.      Nach Art. 7 („Freiwillige Ausreise“) Abs. 3 dieser Richtlinie können den Betreffenden für die Dauer der Frist für die freiwillige Ausreise bestimmte Verpflichtungen zur Vermeidung einer Fluchtgefahr auferlegt werden, wie eine regelmäßige Meldepflicht bei den Behörden, die Pflicht zur Hinterlegung einer angemessenen finanziellen Sicherheit, die Pflicht zum Einreichen von Papieren oder die Verpflichtung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten.

18.      In Kapitel IV („Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung“) der Rückführungsrichtlinie sieht Art. 15 Abs. 1 vor, dass, „[s]ofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, … die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen [dürfen], um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, und zwar insbesondere dann, wenn a) Fluchtgefahr besteht oder b) die betreffenden Drittstaatsangehörigen die Vorbereitung der Rückkehr oder das Abschiebungsverfahren umgehen oder behindern. Die Haftdauer hat so kurz wie möglich zu sein und [darf] sich nur auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen erstrecken, solange diese mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden.“ Nach Abs. 5 dieses Artikels wird „[d]ie Haft … so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf“. Gemäß Abs. 6 dieses Artikels dürfen „[d]ie Mitgliedstaaten … den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern: a) mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder b) Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten“.

B.      Belgisches Recht

19.      Das Gesetz vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern(6) wurde mit dem Gesetz vom 24. Februar 2017 im Hinblick auf die Verstärkung des Schutzes der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit(7) (im Folgenden: Gesetz vom 24. Februar 2017) geändert. Mit dem letztgenannten Gesetz werden u. a. die Aufenthalts- und die Rückführungsrichtlinie teilweise umgesetzt.

20.      Mit den Art. 27 bis 32 des Gesetzes vom 24. Februar 2017 wurden in das Gesetz vom 15. Dezember 1980, die Art. 44ter bis 44octies eingefügt.

21.      Art. 44ter des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 in der durch das Gesetz vom 24. Februar 2017 geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz vom 15. Dezember 1980) sieht vor:

„Die Anweisung, das Staatsgebiet zu verlassen, die einem Unionsbürger oder seinem Familienmitglied ausgestellt worden ist, gibt die Frist an, innerhalb deren der Betreffende das Staatsgebiet des Königreichs zu verlassen hat. Außer im ordnungsgemäß mit Gründen versehenen Dringlichkeitsfall darf diese Frist nicht unter einem Monat ab der Notifizierung des Beschlusses liegen.

Die in Absatz 1 erwähnte Frist kann vom Minister oder seinem Beauftragten verlängert werden, wenn: 1. die freiwillige Rückkehr nicht binnen dieser Frist erfolgen kann oder 2. besondere Umstände in Bezug auf die Lage des Betreffenden dies rechtfertigen. …“

22.      Art. 44quater dieses Gesetzes sieht vor:

„Solange die in Artikel 44ter erwähnte Frist läuft, darf der Unionsbürger beziehungsweise sein Familienmitglied nicht unter Zwang entfernt werden.

Um eine Flucht während der in Artikel 44ter erwähnten Frist zu vermeiden, können dem Unionsbürger beziehungsweise seinem Familienmitglied präventive Maßnahmen auferlegt werden. Der König ist befugt, diese Maßnahmen durch einen im Ministerrat beratenen Erlass zu bestimmen.“

23.      Art. 44quinquies dieses Gesetzes lautet:

„§ 1      Der Minister oder sein Beauftragter ergreift alle erforderlichen Maßnahmen, um die Anweisung, das Staatsgebiet zu verlassen, auszuführen, wenn: 1. dem Unionsbürger oder seinem Familienmitglied keine Frist für das Verlassen des Staatsgebiets des Königreichs gewährt worden ist, 2. der Unionsbürger oder sein Familienmitglied das Staatsgebiet des Königreichs nicht binnen der ihm gewährten Frist verlassen hat, 3. bei dem Unionsbürger oder seinem Familienmitglied vor Ablauf der gewährten Frist für das Verlassen des Staatsgebiets des Königreichs eine Fluchtgefahr besteht, der Betreffende die auferlegten präventiven Maßnahmen nicht eingehalten hat oder er eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit darstellt.

§ 2.      Widersetzt sich der Unionsbürger beziehungsweise sein Familienmitglied seiner Entfernung oder stellt der Betreffende während seiner Entfernung eine Gefahr dar, wird seine Rückführung vorgenommen, gegebenenfalls unter Begleitung. Es dürfen dann Zwangsmaßnahmen gegen ihn ergriffen werden. …

§ 3.      Der König bestimmt durch einen im Ministerrat beratenen Erlass die Instanz, die mit der Kontrolle der Maßnahmen zur Rückführung beauftragt ist, und legt die Modalitäten dieser Kontrolle fest. Diese Instanz ist unabhängig von den in Sachen Entfernung zuständigen Behörden.“

24.      Art. 44sexies des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 lautet:

„Wenn es die jeweiligen Umstände des Einzelfalls rechtfertigen, kann der Minister oder sein Beauftragter die Entfernung vorübergehend aufschieben. Er setzt den Betreffenden davon in Kenntnis.

Um eine Flucht zu vermeiden, können dem Unionsbürger beziehungsweise seinem Familienmitglied präventive Maßnahmen auferlegt werden. Der König ist befugt, diese Maßnahmen durch einen im Ministerrat beratenen Erlass zu bestimmen.

Für die Zeit, die für die Ausführung dieser Maßnahme notwendig ist, kann der Minister oder sein Beauftragter dem Unionsbürger beziehungsweise seinem Familienmitglied in denselben Fällen einen Aufenthaltsort zuweisen.“

25.      Art. 44septies dieses Gesetzes sieht vor:

„§ 1      Wenn Gründe der öffentlichen Ordnung, der nationalen Sicherheit oder der Volksgesundheit dies erfordern und wenn keine anderen weniger intensiven Maßnahmen wirksam angewandt werden können, können Unionsbürger und ihre Familienmitglieder im Hinblick auf die Gewährleistung der Ausführung der Entfernungsmaßnahme für die Zeit, die für die Ausführung der Maßnahme unbedingt notwendig ist, festgehalten werden, ohne dass die Dauer der Festhaltung zwei Monate überschreiten darf.

Der Minister oder sein Beauftragter kann jedoch die Dauer dieser Festhaltung um Zeiträume von jeweils zwei Monaten verlängern, wenn die nötigen Schritte zur Entfernung des Ausländers binnen sieben Werktagen nach Festhaltung des Unionsbürgers beziehungsweise seines Familienmitglieds unternommen worden sind, wenn sie mit der erforderlichen Sorgfalt fortgeführt werden und wenn die effektive Entfernung des Betreffenden binnen einer annehmbaren Frist immer noch möglich ist.

Nach einer ersten Verlängerung kann der Beschluss, die Dauer der Festhaltung zu verlängern, nur noch vom Minister gefasst werden.

Nach fünf Monaten muss der Unionsbürger beziehungsweise sein Familienmitglied freigelassen werden. Wenn der Schutz der öffentlichen Ordnung oder die nationale Sicherheit es erfordert, kann die Festhaltung jeweils um einen Monat verlängert werden, ohne dass dadurch die Gesamtdauer der Festhaltung acht Monate überschreiten darf.

§ 2.      Der in § 1 erwähnte Unionsbürger beziehungsweise sein darin erwähntes Familienmitglied kann gemäß Artikel 71 und folgenden gegen den Beschluss zu seiner Festhaltung Einspruch einlegen.“

26.      Art. 44octies dieses Gesetzes lautet:

„Folgende Personen dürfen nicht an den Orten im Sinne von Artikel 74/8 § 2 festgehalten werden: 1. unbegleitete minderjährige Unionsbürger, 2. unbegleitete minderjährige Familienmitglieder eines Unionsbürgers, 3. Familien von Unionsbürgern, wenn mindestens eines der Familienmitglieder minderjährig ist.“

27.      Art. 74/5 § 3 dieses Gesetzes lautet:

„Die Dauer der Festhaltung an einem bestimmten Ort an der Grenze darf zwei Monate nicht überschreiten. Der Minister oder sein Beauftragter kann jedoch die Festhaltung des in § 1 erwähnten Ausländers um Zeiträume von jeweils zwei Monaten verlängern: 1. wenn gegen den Ausländer eine vollstreckbare Abweisungsmaßnahme gefasst worden ist, 2. und wenn die nötigen Schritte zur Entfernung des Ausländers binnen sieben Werktagen ab der unter Nr. 1 erwähnten Maßnahme unternommen worden sind, wenn sie mit der erforderlichen Sorgfalt fortgeführt werden und wenn die effektive Entfernung des Ausländers binnen einer annehmbaren Frist immer noch möglich ist.

Nach einer Verlängerung kann der im vorhergehenden Absatz erwähnte Beschluss nur noch vom Minister gefasst werden. Die Gesamtdauer der Festhaltung darf fünf Monate nie überschreiten.

Wenn der Schutz der öffentlichen Ordnung oder die nationale Sicherheit es erfordert, kann die Festhaltung des Ausländers nach Ablauf der im vorhergehenden Absatz erwähnten Frist jeweils um einen Monat verlängert werden, ohne dass dadurch die Gesamtdauer der Festhaltung acht Monate überschreiten darf. …“

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

28.      Der Ordre des barreaux francophones et germanophone (Kammer der französischsprachigen und der deutschsprachigen Anwaltschaften)(8) und vier Vereinigungen ohne Gewinnzweck (ASBL)(9) (im Folgenden: Kläger der Ausgangsverfahren) haben bei der belgischen Cour constitutionnelle (Verfassungsgerichtshof) zwei Klagen auf Nichtigerklärung des Gesetzes vom 24. Februar 2017 erhoben. Das vorlegende Gericht hat die beiden Rechtssachen verbunden.

29.      Die Cour constitutionnelle (Verfassungsgerichtshof) fragt sich im Rahmen dieser Verfahren, ob einige Bestimmungen des Gesetzes vom 24. Februar 2017 betreffend die Abschiebung von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Im Einzelnen hat das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit von zwei Bestimmungen dieses Gesetzes, wonach gegenüber einem Unionsbürger oder seinem Familienangehörigen, gegen den eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, zum einen während der ihm gesetzten Frist für das Verlassen des belgischen Staatsgebiets präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Fluchtgefahr getroffen werden können und zum anderen nach Ablauf dieser Frist eine Maßnahme der Festhaltung, d. h. der Inhaftnahme (im Folgenden: Maßnahme der Inhaftnahme) zur Sicherung der Vollziehung der Abschiebungsmaßnahme ergehen kann, mit den Art. 20 und 21 AEUV sowie mit der Aufenthaltsrichtlinie.

30.      Das vorlegende Gericht begründet seine Zweifel wie folgt.

31.      Zu den präventiven Maßnahmen weist es darauf hin, dass die Aufenthaltsrichtlinie keine Bestimmungen über Maßnahmen enthalte, die gegenüber Unionsbürgern oder ihren Familienangehörigen, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen sei, zur Vermeidung von Fluchtgefahr getroffen werden könnten, und dass in Ermangelung einer unionsrechtlichen Harmonisierung solche Maßnahmen nach der Rückführungsrichtlinie vom nationalen Gesetzgeber erlassen werden könnten, dem es grundsätzlich freistehen müsse, dies zu tun und sich dafür an ähnlichen Bestimmungen des nationalen Rechts auszurichten, die für illegal aufhältige Drittstaatsangehörige gelten. Bereits im Urteil Petrea(10) habe der Gerichtshof entschieden, dass sich die Mitgliedstaaten an den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie ausrichten könnten, um die zuständigen Behörden zu bestimmen und das Verfahren für den Erlass einer Entscheidung, mit der ein Unionsbürger zur Rückkehr verpflichtet werde, festzulegen, wenn dem keine unionsrechtliche Bestimmung entgegenstehe. Es sei fraglich, ob diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall herangezogen werden könne, da die präventiven Maßnahmen sich notwendig auf die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt selbst auswirkten und daher nicht als Verfahrensbestimmungen eingestuft werden könnten.

32.      Zu der Maßnahme der Inhaftnahme stellt das vorlegende Gericht fest, dass das Gesetz vom 24. Februar 2017 eine Gleichbehandlung der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen mit allen anderen Ausländern bis zu ihrer Abschiebung in irgendeinen Staat auf der Welt schaffe, insbesondere was die Höchstdauer der Haft von acht Monaten anbelange. Es sei jedoch fraglich, ob diese Höchstdauer verhältnismäßig sei, da sich aus der Aufenthaltsrichtlinie ableiten lasse, dass die Dauer der Inhaftnahme auf die für die Durchführung der Entfernungsmaßnahme unbedingt notwendige Zeit zu beschränken sei(11).

33.      In diesem Zusammenhang hat die Cour constitutionnelle (Verfassungsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind das Unionsrecht und insbesondere die Art. 20 und 21 AEUV und die Aufenthaltsrichtlinie dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die auf Unionsbürger und ihre Familienmitglieder ähnliche Bestimmungen anwenden wie diejenigen, die bezüglich Drittstaatsangehöriger die Umsetzung von Art. 7 Abs. 3 der Rückführungsrichtlinie darstellen, d. h. Bestimmungen, mit denen der Unionsbürger oder sein Familienmitglied gezwungen werden kann, sich an präventive Maßnahmen zur Vermeidung einer Fluchtgefahr während der Frist, die ihm für das Verlassen des Staatsgebiets gewährt wurde, nachdem ein Beschluss zur Beendigung des Aufenthalts aus Gründen der öffentlichen Ordnung ergangen ist, oder während der Verlängerung dieser Frist zu halten?

2.      Sind das Unionsrecht und insbesondere die Art. 20 und 21 AEUV und die Aufenthaltsrichtlinie dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die auf Unionsbürger und ihre Familienmitglieder, die sich nicht an einen Beschluss zur Beendigung des Aufenthalts aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gehalten haben, die gleiche Bestimmung anwenden, die auf Drittstaatsangehörige in der gleichen Situation angewandt wird, was die Höchstdauer der Festhaltung zum Zweck der Entfernung betrifft, d. h. acht Monate?

34.      Die Kläger der Ausgangsverfahren, die belgische, die dänische, die spanische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Mit Ausnahme der polnischen und der spanischen Regierung haben diese Verfahrensbeteiligten außerdem in der Sitzung vom 16. November 2020 mündliche Ausführungen gemacht.

IV.    Würdigung

A.      Vorbemerkungen

35.      Im Mittelpunkt der Überlegungen des vorlegenden Gerichts steht die Frage, ob es das Unionsrecht einem Mitgliedstaat verwehrt, auf Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, gegen die eine Verfügung zur Ausweisung aus seinem Staatsgebiet nach der Aufenthaltsrichtlinie ergangen ist, die gleichen oder ähnliche Vollziehungsmaßnahmen anzuwenden, wie sie nach der Rückführungsrichtlinie für illegal aufhältige Drittstaatsangehörige gelten, wenn diese Maßnahmen sich auf die Ausübung des Rechts selbst, sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats frei zu bewegen und aufzuhalten, auswirken können.

36.      Vor Eintritt in die Prüfung der Vorlagefragen halte ich es für zweckdienlich, einen Überblick über den geltenden Regelungsrahmen und die einschlägige Rechtsprechung zu geben (1) und die Reichweite dieser Fragen zu klären, wie das vorlegende Gericht sie stellt (2).

1.      Geltender Regelungsrahmen und einschlägige Rechtsprechung

37.      Vorab ist daran zu erinnern, dass die Unionsbürgerschaft – wie sie mit dem Vertrag von Maastricht eingeführt wurde(12) – jedem Unionsbürger ein grundlegendes und individuelles Recht verleiht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Dieses Recht erwächst den Unionsbürgern gegenwärtig aus Art. 21 Abs. 1 AEUV und wird in Art. 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt.

38.      Die Aufenthaltsrichtlinie, die u. a. die Bedingungen regelt, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen, soll die Ausübung dieses Rechts erleichtern und verstärken(13). Diese Richtlinie enthält indes nicht nur Regeln betreffend die Bedingungen für die Zuerkennung der verschiedenen in ihr vorgesehenen Rechte, sondern auch einen Komplex von Bestimmungen, mit denen die Situation geregelt werden soll, die sich aus dem Verlust eines dieser Rechte ergibt.

39.      In dieser Hinsicht sieht die Aufenthaltsrichtlinie zwei Fälle vor, in denen die Mitgliedstaaten Entscheidungen zur Beschränkung der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts von Unionsbürgern oder ihrer Familienangehörigen, insbesondere „Ausweisungsverfügungen“, erlassen können, nämlich dann, wenn diese Entscheidungen „aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit“ ergehen (Art. 27 Abs. 1 dieser Richtlinie), oder dann, wenn sie „nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erlassen“ werden (Art. 15 Abs. 1 dieser Richtlinie)(14).

40.      Neben den Fällen, in denen gegenüber Unionsbürgern oder ihren Familienangehörigen Ausweisungsverfügungen ergehen können, sieht die Aufenthaltsrichtlinie u. a. in ihren Art. 15, 30, 31 und 33 eine Reihe von Verfahrensregeln und ‑garantien vor. Zu diesen Regeln gehört Art. 30 Abs. 3 dieser Richtlinie, wonach die Frist für das Verlassen des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats nach Erlass einer Ausweisungsverfügung außer in dringenden Fällen mindestens einen Monat, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Mitteilung der Verfügung, betragen muss.

41.      Mit Ausnahme dieser Bestimmungen sieht die Aufenthaltsrichtlinie aber keine besondere Regelung für die Umsetzung oder die Vollziehung von Ausweisungsverfügungen vor und enthält erst recht keine Bestimmungen über präventive Maßnahmen, mit denen eine Fluchtgefahr während der Frist für die freiwillige Ausreise vermieden werden soll, oder Bestimmungen über die Inhaftnahme zur Sicherung der Abschiebung. Ebenso wenig enthält diese Richtlinie eine Bestimmung, die es den Mitgliedstaaten ausdrücklich verwehren würde, solche Maßnahmen zu erlassen.

42.      In Ermangelung einschlägiger Unionsregeln ist es nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache jedes Mitgliedstaats, in seinem Recht die Modalitäten der Vollziehung von Ausweisungsverfügungen zu regeln, vorausgesetzt, dass diese Modalitäten nicht ungünstiger sind als diejenigen, die für gleichartige Sachverhalte gelten, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)(15).

43.      Hinsichtlich der Ausübung dieser nationalen Zuständigkeit für die Festlegung der Modalitäten der Vollziehung von Ausweisungsverfügungen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das Unionsrecht den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht verwehrt, zur Festlegung der auf Unionsbürger anwendbaren Regelung Bestimmungen heranzuziehen, die Drittstaatsangehörige betreffen, auch wenn die Aufenthalts- und die Rückführungsrichtlinie nicht unbedingt denselben Gegenstand haben(16). So können sich die Mitgliedstaaten nach dem Urteil Petrea „an der [Rückführungsrichtlinie, die illegal aufhältige Drittstaatsangehörige betrifft] ausrichten …, um die zuständigen Behörden und das anwendbare Verfahren für den Erlass einer [Verfügung zur Ausweisung eines Unionsbürgers] festzulegen, wenn keine Unionsvorschrift dem entgegensteht“(17).

44.      Daraus folgt für die vorliegende Rechtssache, dass es, da die Aufenthaltsrichtlinie keine Regeln betreffend die Vollziehung von Ausweisungsverfügungen enthält, den Mitgliedstaaten grundsätzlich freistehen muss, sich an der später erlassenen Rückführungsrichtlinie auszurichten, die insoweit einschlägige Bestimmungen enthält.

45.      Zu den präventiven Maßnahmen sieht nämlich Art. 7 Abs. 3 der Rückführungsrichtlinie vor, dass „[d]en Betreffenden … für die Dauer der Frist für die freiwillige Ausreise bestimmte Verpflichtungen zur Vermeidung einer Fluchtgefahr auferlegt werden [können], wie eine regelmäßige Meldepflicht bei den Behörden, die Hinterlegung einer angemessenen finanziellen Sicherheit, das Einreichen von Papieren oder die Verpflichtung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten“(18). Auch die Möglichkeit der Inhaftnahme eines Unionsbürgers oder eines seiner Familienangehörigen, um die Vollziehung einer Ausweisungsverfügung zu gewährleisten, ist in der Rückführungsrichtlinie in deren Kapitel IV („Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung“) genau geregelt.

46.      Folglich sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich durch nichts daran gehindert, die Bestimmungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen mutatis mutandis auf Unionsbürger und ihre Familienangehörigen anzuwenden, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist.

47.      Allerdings sind die für Drittstaatsangehörige geltenden Bestimmungen gemäß dem Urteil Petrea nur dann auf Unionsbürger und deren Familienangehörige übertragbar, wenn keine Unionsvorschrift dem entgegensteht. Nach Art. 21 AEUV steht das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufzuhalten, jedem Unionsbürger „vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“ zu(19). Daher ist auch zu prüfen, ob die präventiven Maßnahmen und die Maßnahme der Inhaftnahme für sich genommen Maßnahmen darstellen können, die geeignet sind, die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger zu begrenzen. Auch wenn das Unionsrecht den Mitgliedstaaten keineswegs verwehrt, ihre eigenen Regelungen der Vollziehung von Ausweisungsverfügungen festzulegen, dürfen doch solche Regelungen die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen(20).

48.      Im Licht dieser Überlegungen ist zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen das Urteil Petrea zur Beurteilung der einzelnen im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahmen herangezogen werden kann.

2.      Zur Reichweite der Vorlagefragen

49.      Um jede Unklarheit bezüglich Sinn und Reichweite der beiden Vorlagefragen auszuräumen, halte ich folgende Klarstellungen für geboten.

50.      Als Erstes bedarf es meines Erachtens einer begrifflichen Präzisierung des Ausdrucks „Beschluss zur Beendigung des Aufenthalts“. In beiden Vorlagefragen, wie sie vom vorlegenden Gericht formuliert worden sind, ist nämlich die Rede vom Erlass von „präventiven Maßnahmen“ bzw. Maßnahmen der „Festhaltung“, wenn gegenüber Unionsbürgern oder deren Familienangehörigen ein „Beschluss zur Beendigung des Aufenthalts“ ergangen ist. Nun begründet ein „Beschluss zur Beendigung des Aufenthalts“ zwar grundsätzlich die Verpflichtung zum Verlassen des Staatsgebiets, er impliziert aber nicht zwangsläufig den Erlass einer Ausweisungsmaßnahme, also einer „Anweisung zum Verlassen des Staatsgebiets“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980(21). Da die beiden Vorlagefragen sich auf Situationen beziehen, in denen eine Ausweisungsmaßnahme ergangen ist, sind sie meines Erachtens so zu verstehen, dass sie Unionsbürger oder deren Familienangehörige betreffen, gegenüber denen nicht nur ein Beschluss zur Beendigung des Aufenthalts, sondern auch eine Ausweisungsverfügung ergangen ist.

51.      Als Zweites ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht die erste Frage dahin begrenzt, ob auf Unionsbürger ähnliche „präventive Maßnahmen“ wie die für Drittstaatsangehörige geltenden angewandt werden können, wenn die Ausweisungsverfügung „aus Gründen der öffentlichen Ordnung“ ergangen ist. Diese Begrenzung der Reichweite der Frage ergibt sich indes nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut der nationalen Regelung, u. a. den Art. 44quater, 44quinquies und 44sexies des Gesetzes vom 15. Dezember 1980. Wie nämlich die belgische Regierung in ihren Erklärungen bestätigt hat, können solche „präventiven Maßnahmen“ immer dann erlassen werden, wenn gegenüber einem Unionsbürger oder seinen Familienangehörigen eine Ausweisungsverfügung ergangen ist und Fluchtgefahr besteht(22), wobei es sich um Situationen handelt, die keine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen, in denen also Gründe „der öffentlichen … Sicherheit oder Gesundheit“ im Sinne von Art. 27 Abs. 1 der Aufenthaltsrichtlinie und „andere Gründe [als die in dieser Bestimmung vorgesehenen]“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 dieser Richtlinie vorliegen.

52.      Nach ständiger Rechtsprechung ist es zwar im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen(23). Da die Vorlagefragen auf Ausweisungsverfügungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung erlassen werden, beschränkt sind, ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, nur hierüber zu entscheiden.

53.      Im vorliegenden Fall geht jedoch zum einen aus dem Vorabentscheidungsersuchen nicht hervor, warum diese präventiven Maßnahmen allein in Bezug auf Ausweisungsverfügungen geprüft werden sollen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung ergangen sind. Zum anderen droht „Fluchtgefahr“ im Fall von Ausweisungsverfügungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung ergehen, ebenso wie bei solchen, die nach Art. 27 Abs. 1 der Aufenthaltsrichtlinie aus Gründen der „öffentlichen … Sicherheit oder Gesundheit“ oder nach Art. 15 Abs. 1 dieser Richtlinie „nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit“ erlassen werden. Daher schlage ich im Interesse einer vollständigen Antwort an das vorlegende Gericht vor, die erste Vorlagefrage dahin zu erweitern, dass sie sämtliche nach der Aufenthaltsrichtlinie erlassenen Ausweisungsverfügungen umfasst.

54.      Als Drittes stelle ich fest, dass das vorlegende Gericht die zweite Frage dahin begrenzt, ob für die Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung dieselbe Höchstdauer vorgesehen werden kann, wie sie für Drittstaatsangehörige gilt, wenn die Ausweisungsverfügung „aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit“ ergangen ist. Art. 44septies des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 sieht jedoch die Möglichkeit der Inhaftnahme vor, „[w]enn Gründe der öffentlichen Ordnung, der nationalen Sicherheit oder der Volksgesundheit dies erfordern“(24). Es könnte somit in Betracht gezogen werden, diese Frage dahin gehend zu erweitern, dass sie auch die Gründe der öffentlichen Gesundheit umfasst. Jedoch halte ich in diesem Fall die vom vorlegenden Gericht vorgenommene Begrenzung für gerechtfertigt, da die zweite Vorlagefrage gezielt die Bestimmung dieses Artikels betrifft, die die Verlängerung der Inhaftnahme bis zu einer Höchstdauer von acht Monaten nur dann erlaubt, wenn „der Schutz der öffentlichen Ordnung oder die nationale Sicherheit es erfordert“.

55.      Als Viertes und Letztes ist darauf hinzuweisen, dass die belgische Regierung anregt, die zweite Frage so umzuformulieren, dass die Maßnahme der Inhaftnahme von dem Umstand getrennt wird, dass die betroffene Person das Staatsgebiet nicht innerhalb der dafür gesetzten Frist verlassen hat. Nach belgischem Recht könne kein Ausländer – ob Unionsbürger, Familienangehöriger oder Drittstaatsangehöriger – nur deshalb in Haft genommen werden, weil er einem Beschluss zur Beendigung des Aufenthalts, der aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit ergangen sei, nicht nachgekommen sei. Eine Inhaftnahme sei nur gerechtfertigt, um die Rückführung vorzubereiten und die Abschiebung durchzuführen, wenn das Verhalten des Betroffenen die Vollziehung der Ausweisungsverfügung zu gefährden drohe.

56.      Der Wortlaut von Art. 44septies des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 scheint zwar diese Sichtweise der belgischen Regierung zu bestätigen. Die zweite Frage, wie sie vom vorlegenden Gericht gestellt wird, erscheint mir jedoch mit der Position der belgischen Regierung vereinbar, da die betroffene Person dadurch, dass sie einem Beschluss zur Beendigung des Aufenthalts innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommt, ein Verhalten zeigt, das dessen Vollziehung gefährdet und damit den Freiheitsentzug mittels Inhaftnahme rechtfertigt, um eine Abschiebung durchzuführen. Ich schlage deshalb vor, die zweite Frage nicht in dem von der belgischen Regierung angeregten Sinn umzuformulieren.

57.      Im Licht dieser Klarstellungen werde ich nun die beiden Vorlagefragen prüfen.

B.      Zur ersten Vorlagefrage

58.      Mit seiner ersten Frage, deren Umformulierung ich vorschlage, um den Ausführungen in Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge Rechnung zu tragen, möchte das vorlegende Gericht der Sache nach wissen, ob die Art. 20 und 21 AEUV sowie die Aufenthaltsrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen auf Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, gegenüber denen eine Ausweisungsverfügung nach der Aufenthaltsrichtlinie ergangen ist, ähnliche „präventive Maßnahmen“ wie die angewandt werden, mit denen Art. 7 Abs. 3 der Rückführungsrichtlinie für Drittstaatsangehörige umgesetzt wird, um jede Fluchtgefahr während der für das Verlassen des Staatsgebiets des betreffenden Mitgliedstaats gesetzten Frist zu vermeiden.

59.      Die Kläger der Ausgangsverfahren sind der Ansicht, dass diese Frage zu verneinen sei und solche präventiven Maßnahmen somit den Art. 20 und 21 AEUV sowie der Aufenthaltsrichtlinie zuwiderliefen. Demgegenüber schlagen die belgische, die dänische, die spanische und die polnische Regierung mit der Sache nach übereinstimmender Begründung die Verneinung dieser Frage vor und stützen sich dafür vor allem auf eine entsprechende Heranziehung des Urteils Petrea. Die Kommission führt aus, solche präventiven Maßnahmen müssten auch vor Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise nach Art. 30 Abs. 3 der Aufenthaltsrichtlinie angewandt werden können, sofern diese Maßnahmen auf objektive und verhältnismäßige Erwägungen gestützt seien.

1.      Zur Bestimmung und zur rechtlichen Einstufung der präventiven Maßnahmen

60.      Nach Art. 44quater des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 können einem Unionsbürger oder seinem Familienangehörigen, gegenüber dem eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, vor Ablauf der Frist, binnen deren er das Staatsgebiet zu verlassen hat, „präventive Maßnahmen“ auferlegt werden, um „eine Flucht zu vermeiden“. Solche Maßnahmen können gemäß Art. 44sexies dieses Gesetzes auch im Fall eines vorübergehenden Aufschubs der Ausweisung ergehen. Bei Nichteinhaltung der präventiven Maßnahmen können nach Art. 44quinquies dieses Gesetzes „alle erforderlichen Maßnahmen“ erlassen werden, um die Anweisung zum Verlassen des Staatsgebiets zu vollziehen, und dies auch vor Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise, wenn bei der betroffenen Person Fluchtgefahr besteht.

61.      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass diese „präventiven Maßnahmen“ in den nationalen Rechtsvorschriften nicht definiert sind, mit Ausnahme der Möglichkeit der Zuweisung eines Aufenthaltsorts, wenn die Ausweisung im Sinne von Art. 44sexies des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 vorübergehend aufgeschoben wird. Im Übrigen sieht dieses Gesetz vor, dass „[d]er König … befugt [ist], diese Maßnahmen durch einen im Ministerrat beratenen Erlass zu bestimmen“ (Art. 44quater und 44sexies), ohne den Inhalt dieser Maßnahmen näher zu bestimmen. Die belgische Regierung hat in ihren Erklärungen erläutert, dass diese Maßnahmen bis heute noch nicht durch einen Königlichen Erlass bestimmt worden seien(25).

62.      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich die in Rede stehenden Bestimmungen ihrer Begründung zufolge „weitgehend“ an den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie „ausrichten“(26). Da sich solche Maßnahmen an den „ähnlichen“, für Drittstaatsangehörige geltenden Bestimmungen nach Art. 7 Abs. 3 dieser Richtlinie ausrichten, könnte es sich dabei u. a. um „Verpflichtungen … wie eine regelmäßige Meldepflicht bei den Behörden, die Hinterlegung einer angemessenen finanziellen Sicherheit, das Einreichen von Papieren oder die Verpflichtung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten“, handeln. Für unsere Prüfung ist demnach davon auszugehen, dass solche Maßnahmen tatsächlich „präventive Maßnahmen“ im Sinne der im Ausgangsverfahren betroffenen nationalen Bestimmungen darstellen können.

63.      Hinsichtlich der rechtlichen Einstufung dieser präventiven Maßnahmen kommen zwei unterschiedliche Sichtweisen in Betracht.

64.      Auf der einen Seite macht die polnische Regierung, der sich die belgische und die dänische Regierung anschließen, geltend, diese präventiven Maßnahmen stellten der Sache nach bloße, zu einer bestehenden Ausweisungsverfügung akzessorische Verwaltungsmaßnahmen dar, die allein deren Vollziehung gewährleisten sollten und nicht ohne diese ergehen könnten. Diese Maßnahmen könnten daher die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht nicht weiter beschränken, sondern sollten nur die Vollziehung einer Ausweisungsverfügung sicherstellen, die ihrerseits unbestreitbar eine die Freizügigkeit beschränkende Maßnahme im Sinne von Art. 15 Abs. 1 oder Art. 27 Abs. 1 der Aufenthaltsrichtlinie sei(27).

65.      Folgte man dieser Sichtweise, ließen sich die „präventiven Maßnahmen“ als Verfahrensmaßnahmen einstufen, die – vorbehaltlich der Beachtung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes – in vollem Umfang unter die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten fielen.

66.      Auf der anderen Seite meinen das vorlegende Gericht und die Kommission, dass sich diese präventiven Maßnahmen ungeachtet ihres akzessorischen Charakters zwangsläufig auf die Rechte und Grundfreiheiten des Unionsbürgers oder seines Familienangehörigen auswirkten, da sie gerade dem Zweck dienten, seine Flucht zu verhindern, was ihn gegebenenfalls daran hindern könne, in einen anderen Mitgliedstaat auszureisen.

67.      Folgte man dieser zweitgenannten Sichtweise, wären die „präventiven Maßnahmen“ nicht als bloße Verfahrensmaßnahmen einzustufen, sondern als solche, mit denen dem Betroffenen eine neue Beschränkung der Freizügigkeit im Sinne von Art. 21 AEUV auferlegt würde. Nach ständiger Rechtsprechung wäre demnach zu prüfen, ob diese präventiven Maßnahmen gerechtfertigt sind, weil sie auf objektiven Erwägungen beruhen und in angemessenem Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck stehen(28).

2.      Zum Vorliegen einer Beschränkung

68.      Aus den folgenden Gründen spreche ich mich für die zweite Sichtweise aus, nach der die „präventiven Maßnahmen“ nicht als bloße Verfahrensbestimmungen, sondern als Maßnahmen angesehen werden sollten, die Beschränkungen der Freizügigkeit im Sinne von Art. 21 AEUV darstellen können.

69.      Als Erstes erscheint mir der Hinweis wichtig, dass die Tatsache, dass gegenüber einem Unionsbürger oder einem seiner Familienangehörigen eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, nicht bedeutet, dass dieser Person nicht mehr das Recht zusteht, sich im Gebiet der Union frei zu bewegen. Denn sie muss zwar das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats, der die Ausweisungsverfügung erlassen hat, verlassen, genießt aber weiter das Grundrecht auf Freizügigkeit und Aufenthalt im übrigen Unionsgebiet. Daher ist die These zurückzuweisen, die „präventiven Maßnahmen“ könnten, da sie akzessorisch zu den Ausweisungsverfügungen seien, nicht selbst das Recht auf Freizügigkeit der von der Ausweisungsverfügung betroffenen Person berühren. Dieser Feststellung steht auch nicht entgegen, dass die präventiven Maßnahmen die Abschiebung der betroffenen Person aus dem Aufnahmemitgliedstaat erleichtern und nicht sein Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt in anderen Mitgliedstaaten begrenzen sollen.

70.      Als Zweites und in Anbetracht des Vorstehenden – ungeachtet dessen, dass der Inhalt der „präventiven Maßnahmen“ im Gesetz vom 15. Dezember 1980 nicht näher bestimmt ist – lässt sich meines Erachtens nicht ausschließen, dass diese Maßnahmen die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht nach der Aufenthaltsrichtlinie unmittelbar berühren. Diese Feststellung liegt auf der Hand im Fall einer präventiven Maßnahme in Form der „Zuweisung eines Aufenthaltsorts“, die definitionsgemäß eine Beschränkung der Freizügigkeit nicht nur im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats, sondern auch im Unionsgebiet darstellt. Auch Maßnahmen wie die Verpflichtung zur regelmäßigen Meldung bei den Behörden, zur Hinterlegung einer finanziellen Garantie, zum Einreichen von Unterlagen oder zum Aufenthalt an einem bestimmten Ort könnten nicht nur die Möglichkeit für die betroffene Person berühren, sich in einem anderen Mitgliedstaat frei zu bewegen oder aufzuhalten, sondern ebenfalls ihre Fähigkeit, ihre freiwillige Ausreise vorzubereiten. Genauer gesagt könnten solche präventiven Maßnahmen die tatsächliche Inanspruchnahme des in Art. 30 Abs. 3 der Aufenthaltsrichtlinie vorgesehenen Rechts auf einen Zeitraum von einem Monat u. a. zur Vorbereitung der freiwilligen Ausreise und damit letztlich die Freizügigkeit berühren(29). Dies wäre u. a. der Fall, wenn die in Rede stehenden präventiven Maßnahmen schon am ersten Tag nach der Mitteilung der Ausweisungsverfügung erlassen würden. Nach seinem Wortlaut scheint Art. 44ter des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 nämlich den Erlass präventiver Maßnahmen vor Ablauf der Einmonatsfrist nicht auszuschließen(30).

71.      Als Drittes ergibt sich aus dieser Analyse, dass die „präventiven Maßnahmen“ nicht bezwecken, lediglich die Verfahren im Zusammenhang mit der Vollziehung einer Ausweisungsverfügung zu organisieren. Die Vollziehung einer solchen Verfügung erfordert nämlich grundsätzlich nicht den vorherigen Erlass präventiver Maßnahmen. In diesem Sinne sind solche Maßnahmen zwar Verwaltungsmaßnahmen, sie gehen jedoch weit über reine Organisations- oder Verfahrensmaßnahmen hinaus, wie sie u. a. im Urteil Petrea in Rede standen. Folglich halte ich es nicht für angebracht, sie als bloße Verfahrensregeln zu behandeln und sie unter dem Aspekt ihrer Vereinbarkeit mit dem Äquivalenz- und dem Effektivitätsgrundsatz zu beurteilen(31).

72.      Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist festzustellen, dass das Urteil Petrea, obwohl es den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zugesteht, sich an der Rückführungsrichtlinie auszurichten, um Maßnahmen zur Vollziehung von nach der Aufenthaltsrichtlinie ergangenen Ausweisungsverfügungen zu erlassen, nicht in vollem Umfang auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann, da diese präventiven Maßnahmen im Gegensatz zu reinen Organisations- und Verfahrensmaßnahmen die Ausübung der von der Aufenthaltsrichtlinie verliehenen Rechte selbst berühren und u. a. die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht beschränken können. Für die Entscheidung, ob diese Maßnahmen im Einklang mit dem Unionsrecht stehen, ist somit zu prüfen, ob sie gerechtfertigt werden können.

3.      Zum Vorliegen einer Rechtfertigung

73.      Nach ständiger Rechtsprechung lässt sich eine Regelung, die geeignet ist, die Personenfreizügigkeit zu beschränken, unionsrechtlich nur rechtfertigen, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen des Allgemeininteresses beruht und in angemessenem Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Ziel steht(32).

74.      Im Licht dieser Anforderungen ist zu prüfen, ob die präventiven Maßnahmen trotz ihrer beschränkenden Wirkung auf die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht gerechtfertigt werden können.

75.      Was als Erstes die objektiven Erwägungen angeht, macht die belgische Regierung geltend, die in Rede stehenden präventiven Maßnahmen seien durch den Willen des Gesetzgebers gerechtfertigt, im Fall eines Unionsbürgers oder eines seiner Familienangehörigen, gegenüber dem eine Ausweisungsverfügung ergangen sei, „Fluchtgefahr“ zu vermeiden. Dieses Ziel gehe aus dem Wortlaut der Art. 44quater und 44quinquies des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 klar hervor, und auch die Begründung dieses Gesetzes stehe damit im Einklang(33).

76.      Eine solche Rechtfertigung ist meines Erachtens als legitim und geeignet anzusehen, eine Maßnahme, mit der eine Grundfreiheit eingeschränkt wird, wie die aus Art. 21 AEUV zu rechtfertigen(34). Die in Rede stehenden präventiven Maßnahmen sollen nämlich die Vollziehung einer nach der Aufenthaltsrichtlinie ergangenen Ausweisungsverfügung u. a. dann gewährleisten, wenn aus der Sicht der zuständigen Behörden die Gefahr besteht, dass die betreffende Person der Verfügung innerhalb der gesetzten Frist nicht freiwillig nachkommt. Letztlich soll mit diesen Maßnahmen somit die praktische Wirksamkeit der Aufenthaltsrichtlinie sichergestellt und dafür gesorgt werden, dass die Abschiebung der Unionsbürger oder ihrer Familienangehörigen nicht gefährdet wird, wenn dies nach der genannten Richtlinie erforderlich ist. Zudem haben die Mitgliedstaaten allgemein, aus Gründen der Transparenz, der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit ein legitimes Interesse am Erlass einer Regelung betreffend die Vollziehung von Ausweisungsverfügungen, einschließlich von Regeln hinsichtlich der Fluchtgefahr.

77.      Was als Zweites die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen angeht, so ist nach der Rechtsprechung eine Maßnahme verhältnismäßig, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was dazu notwendig ist(35).

78.      Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der präventiven Maßnahmen erfordert eine Analyse und Abwägung verschiedener rechtlicher und tatsächlicher Aspekte, die dem betroffenen Mitgliedstaat eigen sind, wozu das vorlegende Gericht besser in der Lage ist als der Gerichtshof, zumal der Inhalt dieser Maßnahmen bisher noch nicht bestimmt worden ist (siehe Nr. 61 der vorliegenden Schlussanträge). Zudem obliegt es dem vorlegenden Gericht, den institutionellen Kontext und die Art und Weise, wie die zuständigen Behörden diese Maßnahmen anwenden werden, zu berücksichtigen. Im Rahmen dieser Beurteilung der Verhältnismäßigkeit erscheinen mir die folgenden Gesichtspunkte relevant.

79.      Erstens bin ich der Auffassung, dass eine systematische Anwendung dieser präventiven Maßnahmen auf der Grundlage von Aspekten, die nicht unmittelbar mit der Fluchtgefahr zusammenhängen, wie etwa des Grundes für die Ausweisung, eine Beschränkung der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts darstellen würde, die über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels einer Begrenzung der Fluchtgefahr notwendig ist. Der Ausweisungsgrund, selbst wenn es sich dabei um eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit handelt, vermag allein eine präventive Maßnahme nicht zu rechtfertigen. Allerdings liegt für mich auf der Hand, dass das Verhalten der betroffenen Personen vor dem Erlass der Ausweisungsverfügung ein entscheidender Gesichtspunkt im Hinblick auf die Fluchtgefahr sein wird, den die zuständigen Behörden berücksichtigen müssen. Zum Beispiel wird für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sicherlich die Art der Bedrohung der öffentlichen Ordnung, mit der die Ausweisung begründet wird, zu berücksichtigen sein(36).

80.      Zweitens setzt meines Erachtens eine in angemessenem Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehende Anwendung voraus, dass allein bei realer Fluchtgefahr zu präventiven Maßnahmen gegriffen wird. Daher dürfen die zuständigen Behörden diese Maßnahmen nur im Ausnahmefall und auf der Grundlage einer individuellen Beurteilung der in der Person des Betroffenen bestehenden Fluchtgefahr anwenden. Somit können die präventiven Maßnahmen nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Wahl jeder einzelnen Maßnahme anhand des Grades der Fluchtgefahr getroffen wird. Zum Beispiel wäre die Verpflichtung, „sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten“, die eine offenkundige Einschränkung der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts darstellt, nur bei besonders hoher Fluchtgefahr gerechtfertigt. Mithin müssen die zuständigen Behörden in jedem Einzelfall prüfen, ob es unter den präventiven Maßnahmen solche gibt, die die Ausübung der aus Art. 21 AEUV fließenden Rechte weniger stark beeinträchtigen würden und geeignet wären, das Ziel der Sicherstellung der wirksamen Vollziehung einer Ausweisungsverfügung zu erreichen. Wie die Kommission ausgeführt hat, wäre zudem eine Maßnahme, durch die der Unionsbürger oder sein Familienangehöriger schlicht daran gehindert würde, der Ausweisungsverfügung nachzukommen, sowohl unverhältnismäßig als auch kontraproduktiv.

81.      Aufgrund all dieser Erwägungen schlage ich vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 20 und 21 AEUV sowie die Aufenthaltsrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften verwehren, nach denen auf Unionsbürger und ihre Familienmitglieder, gegenüber denen eine Ausweisungsverfügung nach der Aufenthaltsrichtlinie ergangen ist, ähnliche „präventive Maßnahmen“ wie die, mit denen Art. 7 Abs. 3 der Rückführungsrichtlinie für Drittstaatsangehörige umgesetzt wird, angewandt werden, um jede Fluchtgefahr während der für das Verlassen des Staatsgebiets des betreffenden Mitgliedstaats gesetzten Frist zu vermeiden, sofern diese Maßnahmen auf objektiven Erwägungen beruhen und verhältnismäßig sind.

C.      Zur zweiten Vorlagefrage

82.      Mit seiner zweiten Frage, deren Umformulierung ich vorschlage, um den Ausführungen in Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge Rechnung zu tragen, möchte das vorlegende Gericht der Sache nach wissen, ob die Art. 20 und 21 AEUV sowie die Aufenthaltsrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen auf Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, gegenüber denen eine Ausweisungsverfügung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit ergangen ist und die das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats nicht innerhalb der in dieser Verfügung gesetzten Frist verlassen haben, die gleiche Maßnahme der Inhaftnahme für eine Höchstdauer von acht Monaten angewandt wird, die für illegal aufhältige Drittstaatsangehörige gilt.

83.      Die Kläger der Ausgangsverfahren schlagen vor, diese Frage zu bejahen, und machen dafür der Sache nach geltend, dass eine solche Maßnahme zu unverhältnismäßigen Inhaftnahmen zu führen drohe, die den für die Abschiebung unbedingt nötigen Zeitraum überschreiten könnten, ohne dass eine wirksame Kontrolle der Haftdauer möglich sei. Die belgische Regierung, deren Standpunkt im Wesentlichen von der dänischen und der spanischen Regierung unterstützt wird, vertritt die Ansicht, dass diese Frage nach einer Umformulierung (siehe Nr. 55 der vorliegenden Schlussanträge) zu verneinen sei. Auch die Kommission schlägt die Verneinung der Frage vor und führt dazu aus, die Mitgliedstaaten müssten die gleiche Höchstdauer der Inhaftnahme vorsehen können, wie sie für illegal aufhältige Drittstaatsangehörige gelte, sofern die Haftdauer im Einzelfall so kurz wie möglich sei und den zur Vollziehung der Ausweisungsverfügung unbedingt nötigen Zeitraum nicht überschreite.

1.      Zur Bestimmung und zur rechtlichen Einstufung der Maßnahme der Inhaftnahme

84.      Nach Art. 44septies des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 können Unionsbürger und ihre Familienangehörigen zur Gewährleistung der Vollziehung einer Ausweisungsverfügung „festgehalten“, d. h. in Haft genommen werden, wenn keine anderen, weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können. Die Inhaftnahme ist möglich für die Zeit, die für die Vollziehung der Maßnahme unbedingt notwendig ist, und darf grundsätzlich die Dauer von zwei Monaten nicht überschreiten. Diese Bestimmung sieht für die Inhaftnahme zudem dieselben Verlängerungsmöglichkeiten vor, wie sie nach Art. 74/5 § 3 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 für Drittstaatsangehörige gelten, nämlich bis zu fünf Monaten, bei Vorliegen von Gründen der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit bis zu acht Monaten. Es ist diese letzte Verlängerung bis zu höchstens acht Monaten, die das vorlegende Gericht beschäftigt und die Gegenstand der nachstehenden Prüfung sein wird.

85.      Vorab weise ich darauf hin, dass die Aufenthaltsrichtlinie, wie in den Nrn. 41 bis 46 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, keine besondere Regelung für die Umsetzung oder die Vollziehung von Ausweisungsverfügungen vorsieht und erst recht keine Bestimmungen über die Inhaftnahme für die Zwecke der Entfernung aus dem Staatsgebiet enthält. Ebenso wenig enthält diese Richtlinie eine Bestimmung, die es den Mitgliedstaaten ausdrücklich verwehren würde, solche Maßnahmen zu erlassen. In Ermangelung einschlägiger Unionsregeln ist es somit Sache jedes Mitgliedstaats, in seinem Recht die Modalitäten der Vollziehung von Ausweisungsverfügungen zu regeln, wobei er sich gegebenenfalls an den Bestimmungen der für Drittstaatsangehörige geltenden Rückführungsrichtlinie ausrichten kann.

86.      Die Möglichkeit einer Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung ist in Art. 15 der Rückführungsrichtlinie vorgesehen, „um [die] Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, und zwar insbesondere dann, wenn a) Fluchtgefahr besteht oder b) die betreffenden Drittstaatsangehörigen die Vorbereitung der Rückkehr oder das Abschiebungsverfahren umgehen oder behindern“. Hinsichtlich der Dauer der Inhaftnahme heißt es in Abs. 1 dieses Artikels, dass diese „so kurz wie möglich zu sein und sich nur auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen [zu] erstrecken [hat]“, und in dessen Abs. 5, dass „[j]eder Mitgliedstaat … eine Höchsthaftdauer fest[legt], die sechs Monate nicht überschreiten darf“. Zudem sieht Abs. 6 dieses Artikels die Möglichkeit einer Verlängerung um höchstens zwölf Monate vor, wenn die Abschiebungsmaßnahme wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft seitens des betroffenen Drittstaatsangehörigen oder Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten länger dauert.

87.      Diese Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie können jedoch nur dann auf Unionsbürger übertragen werden, wenn sie für diese nicht als solche Beschränkungen der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts der betroffenen Personen darstellen, es sei denn, sie sind gerechtfertigt und beeinträchtigen nicht die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts.

2.      Zum Vorliegen einer Beschränkung

88.      In dieser Hinsicht bin ich mit derselben Begründung wie bezüglich der „präventiven Maßnahmen“ (siehe Nrn. 68 bis 72 der vorliegenden Schlussanträge) der Auffassung, dass eine Maßnahme der Inhaftnahme keine bloße Verfahrensmaßnahme darstellen kann, da sie ein Hindernis für die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers sein kann. Denn eine solche „Inhaftnahme“ stellt ipso facto eine Beschränkung der Freizügigkeit dar, weil sie es der betroffenen Person nicht erlaubt, sich frei zu bewegen, einschließlich in dem Mitgliedstaat, der die Ausweisungsverfügung erlassen hat(37).

3.      Zum Vorliegen einer Rechtfertigung

89.      Eine derartige Beschränkung könnte jedoch gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven Erwägungen beruht und in angemessenem Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Ziel steht (siehe Nr. 73 der vorliegenden Schlussanträge).

90.      Was als Erstes die objektiven Erwägungen angeht, ist darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zu den Bestimmungen des Art. 15 der Rückführungsrichtlinie der Wortlaut von Art. 44septies des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 hinsichtlich der Gründe, die den Erlass einer Maßnahme der Inhaftnahme rechtfertigen könnten, nur die Angabe enthält, dass Gründe der öffentlichen Ordnung, der nationalen Sicherheit oder der Volksgesundheit die Inhaftnahme „erfordern“ und dass diese der „Gewährleistung der Ausführung der Entfernungsmaßnahme“ dient. Hierzu hat die belgische Regierung in ihren Erklärungen erläutert, dass eine Inhaftnahme nur gerechtfertigt sei, um die Rückführung vorzubereiten und die Abschiebung durchzuführen, wenn eine Gefährdung der Vollziehung der Ausweisungsverfügung durch das Verhalten des Betroffenen drohe. Vorbehaltlich der Bestätigung dieser Auslegung durch das vorlegende Gericht komme ich zu dem Schluss, dass eine solche Maßnahme, mit der in erster Linie die Vollziehung einer Ausweisungsverfügung und letztlich die praktische Wirksamkeit bestimmter Vorschriften der Aufenthaltsrichtlinie gewährleistet werden soll, legitim und geeignet erscheint, eine Beschränkung der Freizügigkeit zu rechtfertigen.

91.      Als Zweites bin ich der Ansicht, dass zwar auch der Wunsch der Mitgliedstaaten gerechtfertigt ist, eine Höchsthaftdauer vorzusehen, dass es jedoch dem vorlegenden Gericht obliegt, deren Verhältnismäßigkeit zu beurteilen und dabei gegebenenfalls die Verwaltungserfahrung mit der Umsetzung von Art. 74/5 § 3 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 und die Entscheidungspraxis bezüglich der Zeit zu berücksichtigen, die normalerweise für die Vollziehung einer Verfügung zur Ausweisung eines Unionsbürgers in einen anderen Mitgliedstaat erforderlich ist. Dies wird eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob die acht Monate die für die Vollziehung einer Ausweisungsverfügung unbedingt erforderliche Zeit in unverhältnismäßiger Weise überschreiten. In dieser Hinsicht könnten folgende Gesichtspunkte relevant sein.

92.      Erstens sollte die Möglichkeit der Inhaftnahme für den längstmöglichen Zeitraum nicht isoliert beurteilt werden, sondern im allgemeineren Kontext der Anwendung von Art. 44septies des Gesetzes vom 15. Dezember 1980. Denn auf der Grundlage einer solchen kontextuellen Analyse halte ich eine Verlängerung bis zur Höchstdauer von acht Monaten nur ausnahmsweise für gerechtfertigt. Zunächst heißt es in Art. 44septies ausdrücklich, dass eine Maßnahme der Inhaftnahme erlassen wird, „wenn keine anderen weniger intensiven Maßnahmen wirksam angewandt werden können“. Sodann ist die Verlängerung einer solchen Inhaftnahme um zwei Monate nur vorgesehen, wenn die nötigen Schritte zur Abschiebung binnen sieben Werktagen nach der Inhaftnahme unternommen worden sind, was dieses Vorgehen normalerweise beschleunigen sollte. Ferner kann nach einer ersten Verlängerung eine weitere Verlängerung nur durch den Minister erfolgen, und zwar für eine Höchstdauer der Inhaftnahme von fünf Monaten, nach deren Ablauf die betroffene Person freizulassen ist. Schließlich kann die Inhaftnahme nur dann weiter um jeweils einen Monat bis zu einer Höchstdauer von acht Monaten verlängert werden, wenn der Schutz der öffentlichen Ordnung oder die nationale Sicherheit es erfordert.

93.      Zweitens weise ich darauf hin, dass die belgische Regierung in der Sitzung erläutert hat, dass diese Höchstdauer von acht Monaten gewählt worden sei, weil die Aufenthaltsrichtlinie den Erlass einer Ausweisungsverfügung gegenüber Drittstaatsangehörigen nicht ausschließe, wenn diese Familienangehörige eines Unionsbürgers seien. Mit Blick darauf sei die Höchstdauer der nach Art. 74/5 § 3 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 für Drittstaatsangehörige geltenden Höchstdauer nachgebildet worden.

94.      Mit Ausnahme dieser ganz besonders gelagerten Fälle und in Anbetracht dessen, dass Art. 44septies des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 dem Zweck dient, die Rückkehr vorzubereiten und die Abschiebung durchzuführen, könnte die für die Abschiebung nötige Zeit im Fall von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, allgemein sehr viel kürzer sein, da die Rückkehr in den Herkunftsmitgliedstaat nicht die Kooperation eines Drittstaats, sondern die eines Mitgliedstaats erfordert. Meines Erachtens werden mit der Festsetzung derselben Höchstdauer, wie sie für illegal aufhältige Drittstaatsangehörige gilt, bestimmte Gesichtspunkte außer Acht gelassen, durch die sich die Lage von Unionsbürgern von der von Drittstaatsangehörigen unterscheidet, nämlich zum einen das System der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Union, das im Verhältnis zu Drittstaaten nicht notwendig eine Entsprechung hat, und zum anderen die Besonderheit, dass die Identität von Unionsbürgern normalerweise bekannt und ihre Staatsangehörigkeit nicht zweifelhaft ist (wobei letzteres Kriterium im Fall von Drittstaatsangehörigen zur Feststellung ihrer Staatsangehörigkeit häufig einen längeren Zeitraum rechtfertigen kann).

95.      Aufgrund all dieser Erwägungen ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 20 und 21 AEUV sowie die Aufenthaltsrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie es den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht verwehren, die gleiche Höchstdauer der Inhaftnahme vorzusehen, wie sie für illegal aufhältige Drittstaatsangehörige gilt, sofern die Dauer der Inhaftnahme im Einzelfall so kurz wie möglich ist und den zur Vollziehung der Ausweisungsverfügung unbedingt nötigen Zeitraum nicht überschreitet, der normalerweise kürzer sein wird als der, der für die Vollziehung einer illegal aufhältige Drittstaatsangehörige betreffenden Maßnahme der Abschiebung erforderlich ist.

V.      Ergebnis

96.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die von der belgischen Cour constitutionnelle (Verfassungsgerichtshof) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Die Art. 20 und 21 AEUV sowie die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG in der durch die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie es den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht verwehren, auf einen Unionsbürger oder einen seiner Familienangehörigen, gegenüber dem eine Ausweisungsverfügung nach der Richtlinie 2004/38 ergangen ist, vor Ablauf der in deren Art. 30 Abs. 3 vorgesehenen Frist für die freiwillige Ausreise präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Fluchtgefahr wie die nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger anzuwenden, sofern diese Maßnahmen auf objektiven Erwägungen beruhen und verhältnismäßig sind.

2.      Die Art. 20 und 21 AEUV sowie die Richtlinie 2004/38 in der durch die Verordnung Nr. 492/2011 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie es den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht verwehren, für einen Unionsbürger oder einen seiner Familienangehörigen, gegenüber dem eine Ausweisungsverfügung nach dieser Richtlinie ergangen ist, nach Ablauf der in deren Art. 30 Abs. 3 vorgesehenen Frist für die freiwillige Ausreise die gleiche Höchstdauer der Inhaftnahme vorzusehen, wie sie für illegal aufhältige Drittstaatsangehörige gilt, sofern die Dauer der Inhaftnahme im Einzelfall so kurz wie möglich ist und den zur Vollziehung der Ausweisungsverfügung unbedingt nötigen Zeitraum nicht überschreitet, der normalerweise kürzer sein wird als der, der für die Vollziehung einer illegal aufhältige Drittstaatsangehörige betreffenden Maßnahme der Abschiebung erforderlich ist.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, Berichtigung ABl. 2004, L 229, S. 35, und ABl. 2007, L 204, S. 28) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 (ABl. 2011, L 141, S. 1), geänderten Fassung.


3      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008, L 348, S. 98).


4      Beschluss vom 10. Februar 2004, Mavrona (C‑85/03, EU:C:2004:83, Rn. 20).


5      Urteil vom 14. September 2017, Petrea (C‑184/16, EU:C:2017:684, Rn. 52).


6      Moniteur belge vom 31. Dezember 1980, S. 14584.


7      Moniteur belge vom 19. April 2017, S. 51890.


8      Der Ordre des barreaux francophones et germanophone hat eine Klage auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung der Art. 5 bis 52 des Gesetzes vom 24. Februar 2017 erhoben.


9      Die Association pour le droit des Étrangers, die Coordination et Initiatives pour et avec les Réfugiés et Étrangers, die Ligue des Droits de l’Homme und das Vluchtelingenwerk Vlaanderen haben eine Klage auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung der Art. 5, 6, 12 bis 14, 17 bis 19, 21, 22, 24 bis 26, 28 bis 31, 33, 34, 37, 41 und 45 des Gesetzes vom 24. Februar 2017 erhoben.


10      Das vorlegende Gericht führt auch den Beschluss vom 10. Februar 2004, Mavrona (C‑85/03, EU:C:2004:83), an, auf den in den Materialien zum Gesetz vom 24. Februar 2017 Bezug genommen wird.


11      Das vorlegende Gericht nennt nicht die insoweit einschlägigen Bestimmungen der Aufenthaltsrichtlinie.


12      Vgl. Art. 8 EG (ABl. 1992, C 191, S. 1).


13      Urteil vom 7. Oktober 2010, Lassal (C‑162/09, EU:C:2010:592, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


14      Es ist festzustellen, dass weder in Art. 27 Abs. 1 noch in Art. 15 Abs. 1 der Aufenthaltsrichtlinie der Begriff „Ausweisungsverfügung“ verwendet wird. Diese Bestimmungen beziehen sich allgemeiner auf eine „[Beschränkung der] Freizügigkeit und [des] Aufenthaltsrecht[s]“ bzw. eine „Entscheidung …, die die Freizügigkeit … beschränkt“. Aus den übrigen Bestimmungen dieser Richtlinie geht jedoch hervor, dass die „Ausweisungsverfügungen“ klar zu diesen Maßnahmen gehören (vgl. Art. 28 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie).


15      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. März 2016, Bensada Benallal (C‑161/15, EU:C:2016:175, Rn. 23 bis 25), Petrea (Rn. 53) und vom 27. Juni 2018, Diallo (C‑246/17, EU:C:2018:499, Rn. 45 und 59).


16      Vgl. Urteil Petrea (Rn. 50 bis 56) und Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Petrea (C‑184/16, EU:C:2017:324, Nrn. 75 bis 87).


17      Vgl. Urteil Petrea (Rn. 52 bis 56). Danach läuft es der Aufenthaltsrichtlinie nicht zuwider, dass eine nach dieser ergangene Rückkehrentscheidung von denselben Behörden und nach demselben Verfahren wie eine Rückkehrentscheidung gegen einen illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen nach der Rückführungsrichtlinie erlassen wird. Was zum einen die Bestimmung der für den Erlass der verschiedenen Maßnahmen nach der Aufenthaltsrichtlinie zuständigen Behörden angeht, fällt diese dem Gerichtshof zufolge in die Verfahrenshoheit der Mitgliedstaaten, da diese Richtlinie hierzu keine Bestimmung enthält. Was zum anderen das zu befolgende Verfahren betrifft, führte der Gerichtshof nicht nur aus, dass die Rückführungsrichtlinie, auf die das im Ausgangsverfahren anwendbare nationale Recht verwies, die Geltung von Verfahrensgarantien vorsieht, sondern auch und vor allem, dass dieses nationale Recht jedenfalls die Anwendung von Regelungen zur Umsetzung dieser Richtlinie vorbehielt, die für den Unionsbürger günstiger waren.


18      Vgl. auch Art. 3 Nr. 7 der Rückführungsrichtlinie mit der Definition der Fluchtgefahr.


19      Urteil vom 2. Oktober 2019, Bajratari (C‑93/18, EU:C:2019:809, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).


20      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juni 2018, Diallo (C‑246/17, EU:C:2018:499, Rn. 46).


21      Die belgische Regierung hat erläutert, dass nach nationalem Recht der Beschluss zur Beendigung des Aufenthalts nicht in se eine Rückkehr- oder Ausweisungsverfügung enthalte, sondern dass die zuständigen Behörden über diesen Beschluss zur Beendigung des Aufenthalts hinaus eine Rückkehr- oder Ausweisungsverfügung erlassen könnten. Diese Bestimmungen stehen mit denen der Aufenthaltsrichtlinie im Einklang, die der Sache nach vorsieht, dass es für den Erlass einer Ausweisungsverfügung nicht genügt, dass der Unionsbürger oder sein Familienangehöriger nicht mehr die Aufenthaltsvoraussetzungen nach Kapitel III dieser Richtlinie erfüllt, sondern dass er zudem „die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen“ darf (vgl. hierzu die Ausführungen in den Nrn. 49 bis 53 meiner Schlussanträge in der anhängigen Rechtssache Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (C‑719/19).


22      Art. 44quater des Gesetzes vom 15. Dezember 1980, wonach „präventive Maßnahmen“ erlassen werden können, nimmt auf die Frist gemäß Art. 44ter dieses Gesetzes Bezug, der wiederum vorsieht, dass eine Anweisung zum Verlassen des Staatsgebiets ergehen kann, wenn „ein Unionsbürger oder eines seiner Familienmitglieder nicht oder nicht mehr berechtigt [ist], sich im Staatsgebiet aufzuhalten“.


23      Urteil vom 10. Dezember 2020, J & S Service (C‑620/19, EU:C:2020:1011, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24      Hervorhebung nur hier.


25      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die „Zuweisung eines Aufenthaltsorts“ deshalb ausdrücklich im Gesetz vorgesehen sei, weil nur der Gesetzgeber eine die Bewegungsfreiheit einschränkende Maßnahme erlassen könne, und dass der Ministerrat daraus ableite, dass die anderen „präventiven Maßnahmen“, zu deren Erlass der König befugt sei, keine Einschränkung der Freizügigkeit bezwecken oder bewirken könnten.


26      „Diese neuen Regeln stellen keine Umsetzung der [Rückführungsrichtlinie] dar, sondern richten sich weitgehend an dieser aus“ (Doc. Parl., Chambre, 2016-2017, Doc 54-2215/001, S. 38).


27      Die belgische Regierung fügt hinzu, dass die präventiven Maßnahmen nicht auf die in den Art. 15 oder 27 der Aufenthaltsrichtlinie vorgesehenen Gründe, sondern auf das Bestehen von Fluchtgefahr gestützt seien.


28      Vgl. Urteile vom 6. September 2016, Petruhhin (C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 34), und vom 13. November 2018, Raugevicius (C‑247/17, EU:C:2018:898, Rn. 31).


29      Vgl. Nr. 65 meiner Schlussanträge in der anhängigen Rechtssache Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (C‑719/19).


30      Art. 44ter des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 sieht zwar u. a. vor, dass in der „Anweisung, das Staatsgebiet zu verlassen“, die Frist für die Ausreise anzugeben ist, die nicht unter einem Monat ab Notifizierung des Beschlusses liegen darf, doch heißt es in Art. 44quater dieses Gesetzes, dass „[u]m eine Flucht während der in Artikel 44ter erwähnten Frist zu vermeiden, … dem Unionsbürger beziehungsweise seinem Familienmitglied präventive Maßnahmen auferlegt werden [können]“ (Hervorhebung nur hier).


31      Hierzu weise ich darauf hin, dass die Vereinbarkeit mit dem Äquivalenz- und dem Effektivitätsgrundsatz in einem solchen Fall selten geprüft wird, da die Rechtsprechung des Gerichtshofs in erster Linie die Ausgestaltung der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren betrifft, mit denen der Schutz des Unionsrechts sichergestellt werden soll (vgl. etwa Urteile vom 4. Oktober 2012, Byankov, C‑249/11, EU:C:2012:608, Rn. 69, und vom 17. März 2016, Bensada Benallal, C‑161/15, EU:C:2016:175, Rn. 23 und 24 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


32      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Mai 2011, Runevič-Vardyn und Wardyn (C‑391/09, EU:C:2011:291, Rn. 83), und vom 26. Februar 2015, Martens (C‑359/13, EU:C:2015:118, Rn. 34).


33      Seiner Begründung zufolge soll das Gesetz vom 24. Februar 2017 „eine transparentere, kohärentere und wirksamere Ausweisungspolitik sicherstellen, insbesondere wenn das Ziel die Gewährleistung der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit ist, bei gleichzeitiger Wahrung der Grundrechte der betroffenen Personen“ (Doc. Parl., Chambre, 2016-2017, Doc 54-2215/001, S. 4).


34      Vgl. entsprechend Urteil vom 17. Dezember 2020, Generalstaatsanwaltschaft Berlin (Auslieferung an die Ukraine) (C‑398/19, EU:C:2020:1032, Rn. 42), in dem der Gerichtshof anerkannt hat, dass das Ziel, der Gefahr entgegenzuwirken, dass Personen, die eine Straftat begangen haben, straflos bleiben, als legitim anzusehen ist und eine Maßnahme, durch die eine Grundfreiheit wie die nach Art. 21 AEUV vorgesehene eingeschränkt wird, rechtfertigen kann.


35      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2018, Coman u. a. (C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 41).


36      Insoweit sieht Art. 27 Abs. 2 der Aufenthaltsrichtlinie vor, dass bei Ausweisungsverfügungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit „ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein [darf]“. Somit verfügen die zuständigen Behörden grundsätzlich über eine erste Beurteilung des Verhaltens der betroffenen Person.


37      Vgl. entsprechend Urteil vom 17. Februar 2005, Oulane (C‑215/03, EU:C:2005:95, Rn. 41 bis 44), wonach eine Maßnahme der Inhaftnahme eines Unionsbürgers ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr darstellen kann. Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der Rechtssache Oulane (C‑215/03, EU:C:2004:653, Nr. 97).