Language of document : ECLI:EU:T:2024:302

Rechtssache T393/21

(Auszugsweise Veröffentlichung)

Max Heinr. Sutor OHG

gegen

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB)

 Urteil des Gerichts (Achte erweiterte Kammer) vom 8. Mai 2024

„Wirtschafts- und Währungsunion – Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) – Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF) – Beschluss des SRB über die Berechnung der für 2021 im Voraus erhobenen Beiträge – Begründungspflicht – Einrede der Rechtswidrigkeit – Zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils“

1.      Wirtschafts- und Währungspolitik – Wirtschaftspolitik – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen – Im Voraus erhobene Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) – Berücksichtigung von Treuhandverbindlichkeiten eines zur Ausübung von Anlagetätigkeiten zugelassenen Kreditinstituts bei der Berechnung dieser Beiträge – Zulässigkeit

(Verordnung 2015/63 der Kommission, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e; Richtlinie 2014/59 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Abs. 2 Nr. 3)

(vgl. Rn. 41, 45, 51, 147)

2.      Wirtschafts- und Währungspolitik – Wirtschaftspolitik – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen – Im Voraus erhobene Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) – Berücksichtigung von Treuhandverbindlichkeiten eines zur Ausübung von Anlagetätigkeiten zugelassenen Kreditinstituts bei der Berechnung dieser Beiträge – Gleiche Risiken für diese Treuhandverbindlichkeiten im Fall der Abwicklung wie für jene von Wertpapierfirmen – Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz – Fehlen

(Verordnung Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, zwölfter Erwägungsgrund; Verordnung 2015/63 der Kommission, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e)

(vgl. Rn. 89‑92, 95)

3.      Wirtschafts- und Währungspolitik – Wirtschaftspolitik – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen – Im Voraus erhobene Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) – Berücksichtigung von Treuhandverbindlichkeiten eines zur Ausübung von Anlagetätigkeiten zugelassenen Kreditinstituts bei der Berechnung dieser Beiträge – Grundsatz des Ausweises dieser Verbindlichkeiten in der Bilanz des betroffenen Instituts – Möglichkeit der Abweichung für Mitgliedstaaten, indem sie den Instituten erlauben, diese Verbindlichkeiten unter dem Strich auszuweisen – Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aufgrund von Abweichungen zwischen den verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften – Fehlen

(Verordnung Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. b; Richtlinie 2014/59 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 103 Abs. 2; Richtlinie 86/635 des Rates, Art. 10 Abs. 1)

(vgl. Rn. 98‑100, 104, 106, 107)

Zusammenfassung

Das mit einer Nichtigkeitsklage befasste Gericht gibt dieser Klage statt und erklärt den Beschluss des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) über die Festsetzung der für 2021 im Voraus erhobenen Beiträge(1) zum einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) für nichtig, weil er hinsichtlich der Bestimmung der jährlichen Zielausstattung gegen die Begründungspflicht verstößt. Im Übrigen äußert sich das Gericht zur Tragweite von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63(2) und zur gegen diese Verordnung erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit. Schließlich prüft es auch den behaupteten Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. e dieser Verordnung.

Die Max Heinr. Sutor OHG, die Klägerin, ist ein in Deutschland niedergelassenes Kreditinstitut. Am 14. April 2021 erließ der SRB einen Beschluss, mit dem er die für das Jahr 2021 im Voraus erhobenen Beiträge von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen, darunter die Klägerin, zum SRF festlegte(3).

Würdigung durch das Gericht

Als Erstes weist das Gericht zur Tragweite von Art. 5 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/63 darauf hin, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme, die den Ausschluss bestimmter Verbindlichkeiten von der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zulässt, nach der Rechtsprechung eng auszulegen ist. Es führt außerdem aus, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. e dieser Delegierten Verordnung drei Voraussetzungen vorsieht, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit die betreffenden Verbindlichkeiten ausgeschlossen werden können – es muss sich um Verbindlichkeiten einer Wertpapierfirma handeln, diese müssen aus der Verwaltung von Kundenvermögen oder Kundengeldern stammen und diese Kunden müssen überdies nach dem geltenden Insolvenzrecht geschützt sein.

Zur ersten Voraussetzung hält das Gericht fest, dass gemäß der Delegierten Verordnung 2015/63(4) und der Richtlinie 2014/59(5) die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung vorgesehene Ausnahme zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht auf Einheiten anwendbar war, die – wie die Klägerin – sowohl Kreditinstitute als auch Wertpapierfirmen waren. Es vertritt die Ansicht, dass die Kommission, wenn sie Kreditinstitute hätte erfassen wollen, die gleichzeitig Wertpapierfirmen sind, in Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 den Begriff „Institute“ und nicht den Begriff „Wertpapierfirmen“ verwendet hätte(6); um die Anwendung einer Ausnahme auf bestimmte Einheiten zu beschränken, habe sie sich hingegen präziser ausgedrückt(7).

Hierzu weist das Gericht darauf hin, dass die Definition der „Wertpapierfirma“ in der Richtlinie 2014/59 durch die Richtlinie 2019/2034(8) geändert wurde. Sie verweist letztlich auf den Begriff „Wertpapierfirma“ der Richtlinie 2014/65. Diese geänderte Definition war jedoch erst ab dem 26. Juni 2021(9) anzuwenden. Demnach ist Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 in der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses (14. April 2021) anwendbaren Fassung dahin auszulegen, dass Verbindlichkeiten von Kreditinstituten wie der Klägerin nicht von der Berechnung der Verbindlichkeiten ausgeschlossen werden dürfen, die der Bestimmung ihrer im Voraus erhobenen Beiträge zugrunde liegen. Die erste der drei in Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 vorgesehenen, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen liegt also im Hinblick auf die Treuhandverbindlichkeiten der Klägerin nicht vor und das Gericht weist diesen Klagegrund insgesamt zurück.

Als Zweites macht die Klägerin zum Verstoß gegen Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 geltend, dass zum einen diese Treuhandverbindlichkeiten risikolos seien und dass zum anderen der Umstand, dass sie nicht von der Berechnung des im Voraus erhobenen Beitrags ausgeschlossen würden, zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung führe.

Erstens weist das Gericht zunächst darauf hin, dass die Kommission bei der Festlegung der Kriterien für die Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge an das Risikoprofil über ein weites Ermessen verfügt und dass sich die Kontrolle durch das Unionsgericht auf die Prüfung beschränken muss, ob die Ausübung eines solchen Ermessens offensichtlich fehlerhaft ist, einen Ermessensmissbrauch darstellt oder ob die Grenzen dieses Ermessens offensichtlich überschritten wurden. In erster Linie führt es aus, dass Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie 2014/59 acht Punkte vorsieht, die die Kommission bei der Anpassung der in Rede stehenden Beiträge entsprechend dem Risikoprofil der Institute zu berücksichtigen hat. Sodann deutet in dieser Bestimmung nichts darauf hin, dass die Kommission einem oder mehreren dieser Punkte – etwa der Risikoexponiertheit des Instituts – besondere Beachtung schenken muss, noch wird im Übrigen festgelegt, auf welche Art die Kommission diese Exponiertheit zu berücksichtigen hat. Schließlich hat die Klägerin jedenfalls nicht nachgewiesen, dass Treuhandverbindlichkeiten bei einer Auflösung vollkommen risikolos sind. Zum einen sieht das deutsche Recht bei einer Insolvenz nämlich keinen besonderen Schutz für Kundengelder vor, solange sie sich auf dem von der Klägerin eingerichteten Sammelkonto befinden, das im eigenen Namen, aber für Rechnung der Kunden geführt wird (im Folgenden: Transitkonto), und zum anderen setzt der Schutz der Kundengelder durch das Einlagensicherungssystem voraus, dass die betroffenen europäischen Kreditinstitute (im Folgenden: Produktbanken) ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben und die Einlagen der Kunden bei diesen Instituten 100 000 Euro nicht übersteigen, so dass dieser Schutz sowohl räumlich als auch der Höhe nach beschränkt ist.

Zweitens stellt das Gericht zum Gegenstand und Ziel der Richtlinie 2014/59, der Verordnung Nr. 806/2014 und der Delegierten Verordnung 2015/63 klar, dass diese Rechtsakte in den Bereich des einheitlichen Abwicklungsmechanismus fallen, dessen Einrichtung u. a. einen neutralen Ansatz beim Umgang mit ausfallenden Instituten sicherstellen soll(10). Um zu prüfen, ob Kreditinstitute, die wie die Klägerin auch zur Ausübung von Anlagetätigkeiten zugelassen sind, im Hinblick auf die Berücksichtigung der Treuhandverbindlichkeiten bei der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge mit Wertpapierfirmen(11) vergleichbar sind, weist das Gericht zunächst darauf hin, dass mit den im Voraus erhobenen Beiträgen Abwicklungsmaßnahmen finanziert werden sollen, die nur ergriffen werden dürfen, wenn eine solche Maßnahme im öffentlichen Interesse erforderlich ist(12). Das Risiko von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen ist im Hinblick auf eine Gefährdung der Finanzstabilität aufgrund ihres Ausfalls jedoch nicht vergleichbar, da Wertpapierfirmen keine großen Portfolios an Privatkunden- und Unternehmenskrediten haben und keine Einlagen entgegennehmen. Dies gilt umso mehr, da Kreditinstitute und Wertpapierfirmen unterschiedliche Kunden haben.

Vor diesem Hintergrund ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kreditinstitut wie die Klägerin abgewickelt wird, höher als die, dass eine Wertpapierfirma abgewickelt wird, so dass diese beiden Arten von Instituten nicht vergleichbar sind.

Auch was die Behandlung der Treuhandverbindlichkeiten betrifft, sind diese Institute nicht vergleichbar. Nach deutschem Recht sind Wertpapierfirmen verpflichtet, Kundengelder unverzüglich getrennt auf Treuhandkonten bei Kreditinstituten zu verwahren. Ein Kreditinstitut wie die Klägerin ist hingegen nicht verpflichtet, diese Gelder unverzüglich vom Transitkonto zu Produktbanken zu überweisen.

Die Klägerin hat somit nicht nachgewiesen, dass das Risiko, dem Treuhandverbindlichkeiten von Wertpapierfirmen ausgesetzt sind, mit jenem von Treuhandverbindlichkeiten von Kreditinstituten vergleichbar ist, die auch zur Ausübung von Anlagetätigkeiten zugelassen sind.

Zur Ungleichbehandlung, die im Wesentlichen darauf gestützt wird, dass der SRB den jährlichen Grundbeitrag aller Institute gleich berechnet habe, ohne zu berücksichtigen, dass bestimmte Mitgliedstaaten von der Ausnahme Gebrauch gemacht hätten, zuzulassen, dass Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit Geldern, die im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung gehalten werden(13), unter dem Strich ausgewiesen werden, weist das Gericht darauf hin, dass zur Bestimmung der Verbindlichkeiten, die bei der Berechnung des im Voraus erhobenen Beitrags zu berücksichtigen sind, die Delegierte Verordnung 2015/63 die „Summe der Verbindlichkeiten“ als die Summe der Passiva im Sinne der Richtlinie 86/635 oder der internationalen Rechnungslegungsstandards gemäß der Verordnung Nr. 1606/2002 definiert(14). Im Übrigen muss Treuhandvermögen, das ein Institut im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung hält, in der Regel – wie in Deutschland der Fall – zwar bilanziert werden, wenn das Institut Rechtsinhaber des Vermögens wird; einige Mitgliedstaaten haben aber von der in der Richtlinie 86/635 vorgesehenen Ausnahme Gebrauch gemacht, die den Ausweis dieser Verbindlichkeiten unter dem Strich ermöglicht. Diese Situation ergibt sich aus der gleichzeitigen Anwendung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 806/2014 und der Richtlinie 2014/59 im Licht der Richtlinie 86/635, deren Gültigkeit die Klägerin im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht beanstandet.

Was den Umstand betrifft, dass die unterschiedlichen Rechnungslegungsvorschriften der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Einbeziehung von Treuhandverbindlichkeiten in die Bilanz der Institute nicht berücksichtigt werden, weist das Gericht darauf hin, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung die Kommission nicht ermächtigt, beim Erlass von Delegierten Rechtsakten die ihr vom Unionsgesetzgeber übertragene Befugnis zu überschreiten. Im vorliegenden Fall wurde die Kommission weder durch die Richtlinie 2014/59 noch durch die Verordnung Nr. 806/2014 ermächtigt, die nationalen Rechnungslegungsvorschriften in diesem Bereich zu harmonisieren. Ihr kann daher nicht vorgeworfen werden, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen zu haben, da sie diesen Unterschieden nicht Rechnung getragen habe. Außerdem werden Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der verschiedenen Mitgliedstaaten nicht vom Diskriminierungsverbot erfasst, wenn diese Rechtsvorschriften alle Personen, die in ihren Anwendungsbereich fallen, gleichermaßen betreffen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht vorgebracht und schon gar nicht nachgewiesen, dass die deutschen Rechtsvorschriften nicht alle Personen, die in ihren Anwendungsbereich fallen, gleichermaßen betreffen. Außerdem kann der Erlass von unionsrechtlichen Vorschriften in einem bestimmten Bereich aufgrund der persönlichen Situation oder auch der geltenden nationalen Vorschriften auf bestimmte Wirtschaftsteilnehmer unterschiedliche Auswirkungen haben, wobei dies nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung anzusehen ist, wenn diese Vorschriften auf objektiven, den damit verfolgten Zielen angepassten Kriterien beruhen. Dem Gericht wurde nichts vorgelegt, was zeigen würde, dass Art. 3 Nr. 11 der Delegierten Verordnung 2015/63 nicht auf objektiven, den mit der Delegierten Verordnung 2015/63 verfolgten Zielen angepassten Kriterien beruht.

Was eine Ungleichbehandlung der Klägerin im Vergleich zu Kreditinstituten betrifft, die ihre Bilanz nach den internationalen Rechnungslegungsstandards erstellen, während dies nach deutschem Recht ausschließlich Mutterunternehmen erlaubt ist, weist das Gericht darauf hin, dass zum einen diese Situation auf die Anwendung einer deutschen Rechtsvorschrift zurückzuführen ist und nicht auf die Delegierte Verordnung 2015/63 und dass zum anderen die Klägerin einen Jahresabschluss auf der Grundlage der internationalen Rechnungslegungsstandards hätte erstellen können, was sie jedoch aus administrativen und finanziellen Gründen nicht getan hat. Die Klägerin kann sich daher nicht darauf berufen, aus diesem Grund eine Ungleichbehandlung erfahren zu haben.

Als Drittes und Letztes vertritt das Gericht zum Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63, der darin bestehen soll, dass diese Bestimmung den Ausschluss der Treuhandverbindlichkeiten der Klägerin von der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags nicht erlaubt, erstens die Ansicht, dass der SRB keinen Rechtsfehler begangen hat, als er diese Verbindlichkeiten nicht von der Berechnung ausgeschlossen hat.

Zweitens weist es darauf hin, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 den zuständigen Behörden kein Ermessen hinsichtlich des Ausschlusses bestimmter Verbindlichkeiten im Wege der Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge entsprechend dem Risikoprofil der Institute einräumt, sondern klar aufführt, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Verbindlichkeiten ausgeschlossen werden können. Folglich hat der SRB durch die Unterlassung einer analogen Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e dieser Delegierten Verordnung keinen Rechtsfehler begangen. Hinsichtlich der Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ist außerdem zu beachten, dass die Delegierte Verordnung 2015/63 verschiedene Fälle regelt, die erhebliche, unmittelbar mit den Risiken der betreffenden Verbindlichkeiten zusammenhängende Besonderheiten aufweisen. Angesichts dieser Erwägungen verstößt das Unterlassen einer analogen Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63 nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Dies gilt auch für den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu dem die Klägerin nach Ansicht des Gerichts lediglich unbegründete Behauptungen vorgebracht hat.

Drittens stellt das Gericht zur Rüge, dass die Berücksichtigung der Treuhandverbindlichkeiten der Klägerin bei der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags möglicherweise zu einer Doppelanrechnung ihrer Verbindlichkeiten im Rahmen dieser Berechnung führen würde, zunächst fest, dass die Klägerin nicht erläutert hat, welche konkrete Berechnungsmethode für die im Voraus erhobenen Beiträge für die Institute weniger belastend und gleichzeitig geeignet wäre, die mit dieser Verordnung verfolgten Ziele ebenso wirksam zu erreichen. Ferner wurde jedenfalls auch nichts vorgebracht, was die Aussage des SRB zu den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Schutzes des Einlagensicherungssystems in Frage stellen könnte. Schließlich wurde kein Argument angeführt, das darauf schließen lässt, dass die Kommission jegliche Form der Doppelanrechnung von Verbindlichkeiten ausschließen wollte.

Viertens stellt das Gericht zum Argument, dass die Berücksichtigung der Treuhandverbindlichkeiten der Klägerin bei der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags das Kriterium der Erforderlichkeit deshalb nicht erfülle, weil die Kunden im Insolvenzfall Anspruch auf Aussonderung des von ihr verwalteten Treuhandvermögens hätten, was vom Bestehen ausreichender Vorkehrungen zum Schutz der Kunden zeuge, fest, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die Schutzvorkehrungen für das Vermögen und die Gelder ihrer Kunden im Insolvenzfall mit jenen für das Vermögen und die Gelder der Kunden von Wertpapierfirmen vergleichbar seien.

Fünftens führt das Gericht aus, dass ihm nichts Konkretes vorgelegt worden sei, was zeigen würde, dass die Einbeziehung der Treuhandverbindlichkeiten in die Berechnung des im Voraus erhobenen Beitrags Nachteile mit sich bringt, die zu den Zielen der Richtlinie 2014/59 offensichtlich außer Verhältnis stehen.


1      Beschluss SRB/ES/2021/22 des Einheitlichen Abwicklungsausschusses vom 14. April 2021 über die Berechnung der für 2021 im Voraus erhobenen Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds (im Folgenden: angefochtener Beschluss).


2      Delegierte Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission vom 21. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen (ABl. 2015, L 11, S. 44).


3      Gemäß Art. 70 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1).


4      Art. 3 Nr. 2.


5      Im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190).


6      So ist sie in den Buchst. a, b und f dieser Bestimmung vorgegangen, die den Begriff „Institut“ enthalten.


7      Dies ist im Zusammenhang mit den zentralen Gegenparteien, den Zentralverwahrern und den Wertpapierfirmen der Fall.


8      Richtlinie (EU) 2019/2034 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 2002/87/EG, 2009/65/EG, 2011/61/EU, 2013/36/EU, 2014/59/EU und 2014/65/EU (ABl. 2019, L 314, S. 64).


9      Gemäß Art. 67 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2019/2034 im Licht ihres 39. Erwägungsgrundes.


10      Gemäß dem zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014.


11      Im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2015/63.


12      Wie in Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehen, indem insbesondere erhebliche negative Auswirkungen vermieden werden, die die Liquidation eines Instituts auf die Finanzstabilität hätte, vor allem durch die Verhinderung einer Ansteckung, beispielsweise von Marktinfrastrukturen, und durch die Erhaltung der Marktdisziplin.


13      Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 86/635/EWG des Rates vom 8. Dezember 1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (ABl. 1986, L 372, S. 1).


14      Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (ABl. 2002, L 243, S. 1).