Language of document : ECLI:EU:T:2011:400

BESCHLUSS DES GERICHTS (Zweite Kammer)

15. Juli 2011(*)

„Schadensersatzklage – Gemeinsame Agrarpolitik – Dauerausschreibungen zum Wiederverkauf von Getreide auf dem Gemeinschaftsmarkt – Kontrollbefugnis der Kommission – Offenkundig qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht – Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“

In der Rechtssache T‑451/10

Fuchshuber Agrarhandel GmbH mit Sitz in Hörsching (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G. Lehner,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. von Rintelen und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Ersatzes des Schadens, der der Klägerin dadurch entstanden sein soll, dass die Kommission die Durchführungsbedingungen der Dauerausschreibungen zum Wiederverkauf von Getreide, hier Mais aus Beständen der ungarischen Interventionsstelle, auf dem Gemeinschaftsmarkt nicht nachgeprüft habe,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter F. Dehousse und J. Schwarcz (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt

1        Am 3. Juli 2007 brachte die Mezőgazdasági és Vidékfejlesztési Hivatal (ungarische Interventionsstelle, im Folgenden: Interventionsstelle) auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 712/2007 der Kommission vom 22. Juni 2007 zur Eröffnung von Dauerausschreibungen zum Wiederverkauf von Getreide aus Beständen der Interventionsstellen der Mitgliedstaaten auf dem Gemeinschaftsmarkt (ABl. L 163, S. 7) 500 000 t Mais auf den Markt.

2        Die klagende Fuchshuber Agrarhandel GmbH gab für zwei Partien Mais Kaufangebote ab: Partie Nr. KUK 459, 10 023,08 t, aus dem Lager in Gyirmot (Ungarn) und Partie Nr. KUK 465, 10 407,69 t Mais, aus dem Lager in Sobor (Ungarn).

3        Mit Schreiben vom 3. und 17. September 2007 benachrichtigte die Interventionsstelle die Klägerin über die Annahme ihrer Kaufangebote.

4        Nachdem die Klägerin die Rechnungen der Interventionsstelle für die beiden Verkäufe am 24. September und 16. Oktober 2007 bezahlt hatte, bewilligte die Interventionsstelle die Auslagerung der gekauften Mengen.

5        Als die Klägerin im März 2008 den Mais der Partie Nr. KUK 459 aus dem Lager in Gyirmot auslagern wollte, stellte sie fest, dass die für sie bestimmten Bestände aus Strohballen bestanden, die nur mit einer dünnen Schicht Mais bedeckt waren, die wiederum ausgetrocknet und teils sogar verrottet und verschimmelt war. So hätten von der erworbenen Menge 7 913,56 t Mais gefehlt.

6        Von dem Mais der Partie Nr. KUK 465 aus dem Lager in Sobor konnte die Klägerin nur 6 187,50 t statt der erworbenen 10 407,69 t auslagern, da die Lagerbestände nicht für mehr ausreichten. So hätten von der erworbenen Menge 4 220,19 t Mais gefehlt.

7        Mit E-Mail vom 23. April 2008 wies die Klägerin die Kommission auf einen mutmaßlichen Betrugsfall bei Interventionsgetreide in Ungarn hin. Das mit der Untersuchung beauftragte Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) stellte fest, dass diese Vorfälle Gegenstand von Ermittlungen der ungarischen Polizei waren und dass am 4. Mai 2010 die gerichtliche Untersuchung noch andauerte.

 Verfahren und Anträge der Parteien

8        Mit Klageschrift, die am 28. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

9        Die Klägerin beantragt,

–        eine mündliche Verhandlung durchzuführen;

–        die Kommission zu verurteilen, an die Klägerin binnen 14 Tagen den Betrag von 2 623 282,31 Euro zuzüglich 6 % Zinsen per anno aus dem Betrag von 1 641 372,50 Euro seit dem 24. September 2007 und 6 % Zinsen per anno aus dem Betrag von 981 909,81 Euro seit dem 16. Oktober 2007 zu bezahlen;

–        festzustellen, dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaften verpflichtet ist, der Klägerin allfällige weitere Schäden im Zusammenhang mit der am 3. September 2007 zugeschlagenen Position Nr. KUK 459 und der am 17. September 2007 zugeschlagenen Position Nr. KUK 465 zu ersetzen;

–        die Kommission zu verurteilen, der Klägerin die Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu Händen des Klagevertreters zu ersetzen.

10      Die Kommission beantragt,

–        die Klage bezüglich des Antrags auf die Zahlung der Zinsen und bezüglich des Antrags, festzustellen, dass die Kommission allfällige weitere Schäden zu ersetzen habe, als unzulässig, ansonsten als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

11      Mit Schriftsatz, der am 15. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, hat die Kommission gemäß Art. 64 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, die mündliche Verhandlung auf die Frage der Auslösung der außervertraglichen Haftung der Europäischen Union zu beschränken. Das Gericht hat diesem Antrag nicht stattgegeben.

 Entscheidungsgründe

12      Gemäß Art. 111 der Verfahrensordnung kann das Gericht über eine Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist. Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, auf der Grundlage des Akteninhalts ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

13      Nach ständiger Rechtsprechung hängt die Auslösung der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV von einer Reihe von Voraussetzungen ab, nämlich der Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Vorliegen eines Schadens und dem Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1982, Oleifici Mediterranei/EWG, 26/81, Slg. 1982, 3057, Randnr. 16; Urteile des Gerichts vom 16. Oktober 1996, Efisol/Kommission, T‑336/94, Slg. 1996, II‑1343, Randnr. 30, und vom 11. Juli 1997, Oleifici Italiani/Kommission, T‑267/94, Slg. 1997, II‑1239, Randnr. 20).

14      In Bezug auf die erste Voraussetzung verlangt die Rechtsprechung den Nachweis eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen eine Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen (Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, Slg. 2000, I‑5291, Randnr. 42). Für die Beurteilung der Frage, ob das Erfordernis eines hinreichend qualifizierten Verstoßes erfüllt ist, ist das entscheidende Kriterium, ob das betreffende Organ die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (Urteile des Gerichtshofs vom 10. Dezember 2002, Kommission/Camar und Tico, C‑312/00 P, Slg. 2002, I‑11355, Randnr. 54, sowie vom 12. Juli 2005, Kommission/CEVA und Pfizer, C-198/03 P, Slg. 2005, I‑6357, Randnr. 64).

15      Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen dieser Haftung zu prüfen wären (Urteil des Gerichts vom 20. Februar 2002, Förde-Reederei/Rat und Kommission, T‑170/00, Slg. 2002, II‑515, Randnr. 37; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 1994, KYDEP/Rat und Kommission, C‑146/91, Slg. 1994, I‑4199, Randnr. 81).

16      Im vorliegenden Fall ist insbesondere die erste Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des der Kommission vorgeworfenen Verhaltens zu prüfen.

17      Die Klägerin meint, der ihr entstandene Schaden sei darauf zurückzuführen, dass die Kommission nicht die Kontrolle der Interventionsmaßnahmen der Lagerhaltung von Getreide organisiert und durchgeführt habe, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen sei, da sie nach Art. 37 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 209, S. 1) Kontrollen vor Ort durchzuführen habe, um zu prüfen, ob die Verwaltungspraxis mit den Gemeinschaftsvorschriften im Einklang stehe, ob die erforderlichen Belege vorhanden seien und mit den vom Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) oder vom Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) finanzierten Maßnahmen übereinstimmten und unter welchen Bedingungen die von diesen Fonds finanzierten Maßnahmen durchgeführt und geprüft würden. Hinsichtlich der Ausschreibung der Partie Nr. KUK 465 wäre der Umstand, dass die verfügbare Menge Mais nicht für die Ausschreibung einer weiteren Partie ausreiche, vor Ablauf der Angebotsfrist bekannt gewesen, wenn die Kommission ihre Kontrollbefugnis wahrgenommen und auf die Einhaltung der Verpflichtungen der Interventionsstelle gedrungen hätte. Im Übrigen habe die Kommission es unterlassen, eine eindeutige Identifizierung der Interventionsware vorzunehmen oder sicherzustellen. Schließlich habe die Kommission es unterlassen, rechtlich und faktisch geeignete Anforderungen und Kontrollmechanismen festzulegen, praktisch auszuführen und zu kontrollieren, um eine genaue und unveränderliche Bestandsaufnahme und eine genaue und unveränderliche Identifizierung der zugeschlagenen Waren sicherzustellen und um zu verhindern, dass „ungeeignete und vertrauensunwürdige“ Lagerhalter eingesetzt, ungeeignete Lagerstellen verwendet und tatsächlich nicht vorhandene Waren zugeschlagen würden.

18      In der Erwiderung macht die Klägerin geltend, die Handlungspflicht der Kommission ergebe sich im vorliegenden Fall auch aus den Verpflichtungen, die der Kommission bei der Organisation von Ausschreibungen durch die Verordnung Nr. 712/2007 auferlegt würden. Zudem sei die Kommission gemäß ihrer Verordnung (EG) Nr. 884/2006 vom 21. Juni 2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 1290/2005 hinsichtlich der Finanzierung der Interventionsmaßnahmen der öffentlichen Lagerhaltung durch den EGFL und der Verbuchung der Maßnahmen der öffentlichen Lagerhaltung durch die Zahlstellen der Mitgliedstaaten (ABl. L 171, S. 35) aufgrund einer „allgemeinen Verantwortlichkeit“ zur Vornahme regelmäßiger Kontrollen verpflichtet.

19      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1290/2005 die Mitgliedstaaten u. a. die Maßnahmen erlassen müssen, die erforderlich sind, um sich zu vergewissern, dass die durch den EGFL und den ELER finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind und um Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen, auch wenn die betreffende Handlung nicht ausdrücklich den Erlass dieser oder jener Kontrollmaßnahme vorsieht (vgl. entsprechend Urteile des Gerichts vom 13. November 2008, Italien/Kommission, T‑224/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 78). Im Übrigen ergibt sich aus dieser Bestimmung im Licht der in Art. 10 EG vorgesehenen Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit der Kommission, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die ordnungsgemäße Erfüllung der materiellen und formellen Voraussetzungen der Dauerausschreibungen zu gewährleisten (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Januar 2001, Griechenland/Kommission, C‑247/98, Slg. 2001, I‑1, Randnr. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Erstens ist festzustellen, dass die streitigen Ausschreibungen auf die Verordnung Nr. 712/2007 gestützt sind und dass für sie nach deren Art. 2 entgegen dem Vortrag der Klägerin die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 2131/93 der Kommission vom 28. Juli 1993 über das Verfahren und die Bedingungen für den Verkauf von Getreide aus Beständen der Interventionsstellen (ABl. L 191, S. 76) gelten. Weder in der Verordnung Nr. 2131/93 noch in der Verordnung Nr. 712/2007 ist ausdrücklich geregelt, wem die Vor-Ort-Kontrolle der Existenz, der Menge und der Identifizierung der durch Ausschreibung zum Verkauf angebotenen Waren obliegt.

21      Die Interventionsstellen müssen jedoch bestimmte Maßnahmen treffen, wenn sie beabsichtigen, bei ihnen eingelagerte Waren im Wege der Ausschreibung zu veräußern. So haben sie nach Art. 12 der Verordnung Nr. 2131/93 u. a. eine Ausschreibungsbekanntmachung zu veröffentlichen, in der die hauptsächlichen körperlichen und technologischen Beschaffenheitsmerkmale der verschiedenen Partien, die beim Kauf oder bei einer späteren Kontrolle festgestellt wurden, festgelegt sind. Ferner haben sie nach Art. 14 der Verordnung Nr. 2131/93 alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die es den Beteiligten erlauben, die Qualität des ausgeschriebenen Getreides vor Einreichung der Angebote zu beurteilen. Nach Art. 1 der Verordnung Nr. 712/2007 verkaufen sie Getreide aus ihren Beständen im Rahmen von Dauerausschreibungen auf dem Binnenmarkt der Gemeinschaft.

22      Zum Vorbringen der Klägerin, im vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 712/2007 sei ausgeführt, dass es sich empfehle, die Ausschreibung unter der Zuständigkeit der Kommission durchzuführen, ist darauf hinzuweisen, dass die Erwägungsgründe eines Rechtsakts der Union nicht verbindlich sind und nicht erfolgreich angeführt werden können, um von dessen Bestimmungen abzuweichen oder diese in einem Sinne auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich widerspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 2009, Tyson Parketthandel, C‑134/08, Slg. 2009, I‑2875, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Im Übrigen ist die Kommission nach den von der Klägerin angeführten Bestimmungen der Verordnung Nr. 712/2007, die die Annahme bzw. die Ablehnung der im Rahmen der streitigen Ausschreibungen eingegangenen Angebote betreffen, nicht – auch nicht implizit – zu Vor-Ort-Kontrollen verpflichtet. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 712/2007 verpflichtet die Interventionsstellen lediglich dazu, die Kommission über die eingegangenen Angebote bzw. darüber zu informieren, dass kein Angebot vorgelegt wurde. Nach Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 712/2007 steht der Kommission im Rahmen der Ausschreibungen zwar eine Entscheidungsbefugnis zu, doch ist diese darauf beschränkt, einen Mindestverkaufspreis festzusetzen, eingegangene Angebote abzulehnen und bei Festsetzung eines Mindestpreises einen Koeffizienten für die Zuteilung der zum Mindestpreis angebotenen Mengen festzulegen, damit die in dem jeweiligen Mitgliedstaat verfügbare Höchstmenge nicht überschritten wird. Eine solche Befugnis bedeutet als solche noch nicht, dass die Kommission verpflichtet wäre, die angebotenen Warenbestände vor Ort zu kontrollieren.

24      Aus den vorstehenden Randnrn. 21 bis 23 wird hinreichend deutlich, dass die Interventionsstellen der Mitgliedstaaten und damit auch die ungarische Interventionsstelle selbst verpflichtet sind, die Kontrolle der Maßnahmen der Lagerhaltung von Getreide bei dessen Verkauf im Rahmen von Dauerausschreibungen zu organisieren und durchzuführen, da die Verordnungen Nr. 2131/93 und Nr. 712/2007 der Kommission keine solche Verpflichtung auferlegen.

25      Zweitens meint die Klägerin zu Unrecht, der Kommission erwachse aus Art. 37 der Verordnung Nr. 1290/2005 eine Handlungspflicht, die im 30. Erwägungsgrund dieser Verordnung lediglich gerechtfertigt werde. Art. 37 sieht nämlich nur vor, dass die Kommission Kontrollen vor Ort durchführen kann, um insbesondere zu prüfen, ob die Verwaltungspraxis mit den Gemeinschaftsvorschriften im Einklang steht, ob die erforderlichen Belege vorhanden sind und mit den vom EGFL oder vom ELER finanzierten Maßnahmen übereinstimmen und unter welchen Bedingungen die von diesen Fonds finanzierten Maßnahmen durchgeführt und geprüft werden.

26      Da es sich somit um eine Bestimmung handelt, bei deren Anwendung die Kommission über ein weites Ermessen verfügt, obliegt es der Klägerin, nachzuweisen, dass die Kommission die Grenzen, die ihrem Ermessen gesetzt waren, offenkundig und erheblich überschritten hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Bergaderm und Goupil/Kommission, oben in Randnr. 14 angeführt, Randnr. 43). Keines der von der Klägerin vorgetragenen Argumente führt jedoch zur Feststellung einer solchen Überschreitung, und die Klägerin weist im Übrigen entgegen ihrer Behauptung nicht nach, dass die Kommission vor dem Ende der Angebotsfrist im Rahmen der streitigen Dauerausschreibungen darüber informiert gewesen sei, dass in Ungarn während der Interventionszeiträume 2004/2005 und 2005/2006 insbesondere bezüglich der Lagerhaltung des ausgeschriebenen Getreides erhebliche Probleme aufgetreten seien.

27      Drittens trifft es zwar zu, dass die Festlegung der Durchführungsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1784/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (ABl. L 270, S. 78), auf die die Verordnung Nr. 712/2007 gestützt ist, in die Zuständigkeit der Kommission fällt, doch bedeutet ein solcher Umstand für sich allein nicht, dass die Kommission die von den Interventionsstellen im Rahmen der Ausschreibungen von Getreide getroffenen Maßnahmen vor Ort zu kontrollieren hat, da sie nach Art. 6 Buchst. e der Verordnung Nr. 1784/2003 lediglich die Durchführungsbestimmungen betreffend die Verfahren und Bedingungen für die Abgabe durch die Interventionsstellen erlässt.

28      Viertens schließlich führt die Klägerin eine „allgemeine Verantwortlichkeit“ der Kommission auf dem Gebiet der Organisation und Durchführung von Kontrollen der für den Verkauf durch die Interventionsstellen bestimmten Getreidebestände an, die sich aus der Verordnung Nr. 884/2006 ergebe, die im vorliegenden Fall Anwendung finde, weil sie die Durchführung der Verordnung Nr. 1290/2005 regele, die ihrerseits anwendbar sei (siehe oben, Randnr. 19). Es ist jedoch festzustellen, dass die von der Klägerin angeführten Erwägungsgründe und Bestimmungen dieser Verordnung nichts dergleichen vorsehen. Die Erwägungsgründe der Verordnung Nr. 884/2006 sind nach der Rechtsprechung nicht verbindlich und können nicht erfolgreich angeführt werden, um von den Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts abzuweichen oder diese in einem Sinne auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich widerspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil Tyson Parketthandel, oben in Randnr. 22 angeführt, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Jedenfalls ist weder im 7. noch im 10. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 884/2006 von einer der Kommission obliegenden Kontrollpflicht die Rede. Dort heißt es vielmehr in Bezug auf die Zahlstellen der Mitgliedstaaten, dass diese zum einen gesonderte „Bestandskonten“ und „Finanzkonten“ führen und zum anderen die öffentlichen Interventionsbestände regelmäßig kontrollieren.

30      In den von der Klägerin angeführten Bestimmungen der Verordnung Nr. 884/2006 werden die Verpflichtungen und Zuständigkeiten der Zahlstellen im Rahmen der Interventionsmaßnahmen der öffentlichen Lagerhaltung festgelegt, wie sich dies aus der Überschrift von Art. 2 dieser Verordnung ergibt. So bestimmt Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 884/2006, dass die Zahlstellen die Verwaltung und Kontrolle der in ihre Zuständigkeit fallenden Interventionsmaßnahmen der öffentlichen Lagerhaltung vornehmen. Was die Verpflichtungen betreffend die Kontrolle der Interventionswaren angeht, haben die Zahlstellen nach Art. 2 Abs. 3 Buchst. f der Verordnung Nr. 884/2006 im Laufe des Jahres an den Lagerorten der Interventionserzeugnisse Kontrollen durchzuführen. Nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 884/2006 treffen die Zahlstellen alle erforderlichen Maßnahmen, um die einwandfreie Konservierung der Erzeugnisse, die Gegenstand einer Interventionsmaßnahme sind, und die Vollständigkeit der Interventionsbestände zu gewährleisten.

31      Somit geht aus den verschiedenen angeführten Verordnungen nicht hervor, dass die Kommission verpflichtet gewesen wäre, die Kontrolle der Interventionsmaßnahmen der Lagerhaltung des Getreides zu organisieren und durchzuführen, das die Interventionsstelle im Rahmen der streitigen Ausschreibungen zum Verkauf angeboten hatte.

32      Folglich kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, sich durch Nichtvornahme der in vorstehender Randnummer genannten Maßnahmen rechtswidrig verhalten zu haben, so dass die Klage abzuweisen ist, da ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt; über die Unzulässigkeitseinrede der Kommission braucht nicht entschieden zu werden.

 Kosten

33      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird abgewiesen, da ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt.

2.      Die Fuchshuber Agrarhandel GmbH trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

Luxemburg, den 15. Juli 2011

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       N. J. Forwood


* Verfahrenssprache: Deutsch.