Language of document : ECLI:EU:C:2017:153

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

2. März 2017(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2009/28/EG – Art. 2 Unterabs. 2 Buchst. a – Energie aus erneuerbaren Quellen – Wasserkraft – Begriff – Energie, die in einem an Einleitungen von Abwässern eines anderen Betriebs gelegenen kleinen Wasserkraftwerk erzeugt wird“

In der Rechtssache C‑4/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Apelacyjny w Warszawie Wydział Cywilny (Berufungsgericht Warschau, Zivilabteilung, Polen) mit Entscheidung vom 1. Oktober 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Januar 2016, in dem Verfahren

J. D.

gegen

Prezes Urzędu Regulacji Energetyki

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader sowie des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von J. D., vertreten durch T. Gałecki, radca prawny,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Garofoli, avvocato dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Talabér-Ritz und K. Herrmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. November 2016

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. 2009, L 140, S. 16).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen J. D. und dem Prezes Urzędu Regulacji Energetyki (Präsident der Energieregulierungsbehörde, Polen) wegen dessen Weigerung, J. D. die Verlängerung einer Konzession zur Erzeugung von Elektrizität in einem an Einleitungen von Abwässern eines anderen Betriebs gelegenen kleinen Wasserkraftwerk zu gewähren.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2009/28

3        In den Erwägungsgründen 1 und 30 der Richtlinie 2009/28 heißt es:

„(1)      Die Kontrolle des Energieverbrauchs in Europa sowie die vermehrte Nutzung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen sind gemeinsam mit Energieeinsparungen und einer verbesserten Energieeffizienz wesentliche Elemente des Maßnahmenbündels, das zur Verringerung der Treibhausgasemissionen … benötigt wird. Diese Faktoren spielen auch eine wichtige Rolle bei der Stärkung der Energieversorgungssicherheit, der Förderung der technologischen Entwicklung und Innovation sowie der Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten und von Möglichkeiten der regionalen Entwicklung …

(30)      Bei der Berechnung des Beitrags der Wasserkraft und der Windkraft für die Zwecke dieser Richtlinie sollten die Auswirkungen klimatischer Schwankungen durch die Verwendung einer Normalisierungsregel geglättet werden. Weiterhin sollte Elektrizität, die in Pumpspeicherkraftwerken aus zuvor hochgepumptem Wasser produziert wird, nicht als Elektrizität erachtet werden, die aus erneuerbaren Energiequellen stammt.“

4        Art. 1 dieser Richtlinie, der deren Gegenstand und deren Anwendungsbereich regelt, bestimmt:

„Mit dieser Richtlinie wird ein gemeinsamer Rahmen für die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen vorgeschrieben. In ihr werden verbindliche nationale Ziele für den Gesamtanteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch … festgelegt. …“

5        Art. 2 dieser Richtlinie, der Begriffsbestimmungen enthält, sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten die Begriffsbestimmungen der Richtlinie 2003/54/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. 2003, L 176, S. 37)].

Ferner gelten die folgenden Begriffsbestimmungen. Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)      ,Energie aus erneuerbaren Quellen‘ Energie aus erneuerbaren, nichtfossilen Energiequellen, das heißt Wind, Sonne, aerothermische, geothermische, hydrothermische Energie, Meeresenergie, Wasserkraft, Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Biogas;

…“

6        Art. 3 der Richtlinie 2009/28 trägt die Überschrift „Verbindliche nationale Gesamtziele und Maßnahmen auf dem Gebiet der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen“. Nach Abs. 1 sorgt jeder Mitgliedstaat dafür, dass sein gemäß den Art. 5 bis 11 dieser Richtlinie berechneter Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch im Jahr 2020 mindestens seinem in der dritten Spalte der Tabelle in Anhang I Teil A dieser Richtlinie festgelegten nationalen Gesamtziel entspricht.

7        Art. 5 („Berechnung des Anteils von Energie aus erneuerbaren Quellen“) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Der Bruttoendenergieverbrauch aus erneuerbaren Quellen in den einzelnen Mitgliedstaaten wird berechnet als Summe

a)      des Bruttoendenergieverbrauchs von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen,

(3)      Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a wird der Bruttoendenergieverbrauch von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen als die Elektrizitätsmenge berechnet, die in einem Mitgliedstaat aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird, unter Ausschluss der Elektrizitätserzeugung in Pumpspeicherkraftwerken durch zuvor hochgepumptes Wasser.

Aus Wasserkraft und Windkraft erzeugte Elektrizität wird gemäß den Normalisierungsregeln in Anhang II berücksichtigt.

(7)      Für die Berechnung des Anteils der Energie aus erneuerbaren Quellen werden die Methodik und die Begriffsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1099/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Energiestatistik [(ABl. 2008, L 304, S. 1)] verwendet.

…“

8        Aus der Normalisierungsregel für die Berücksichtigung von Elektrizität aus Wasserkraft in Anhang II der Richtlinie 2009/28 ergibt sich, dass sich die normalisierte Menge der von sämtlichen Wasserkraftwerken eines Mitgliedstaats im Laufe eines Jahres erzeugten Elektrizität insbesondere unter Berücksichtigung der von sämtlichen Wasserkraftwerken des betreffenden Mitgliedstaats tatsächlich erzeugten Elektrizitätsmenge unter Ausschluss der Elektrizitätserzeugung durch Pumpspeicherkraftwerke, bei der zuvor hochgepumptes Wasser genutzt wird, bestimmt.

 Richtlinie 2003/54

9        Die Richtlinie 2003/54 wurde durch die Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54 (ABl. 2009, L 211, S. 55) aufgehoben. Nach Art. 48 der Richtlinie 2009/72 wurde die Aufhebung am 3. März 2011 wirksam und gelten die Verweisungen auf die aufgehobene Richtlinie als Verweisungen auf die Richtlinie 2009/72.

10      In Art. 2 Nr. 30 der Richtlinie 2003/54 wurde „erneuerbare Energiequelle“ als „eine erneuerbare, nichtfossile Energiequelle (Wind, Sonne, Erdwärme, Wellen und Gezeitenenergie, Wasserkraft, Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Biogas)“ definiert. Diese Definition wurde in Art. 2 Nr. 30 der Richtlinie 2009/72 inhaltsgleich übernommen.

 Verordnung Nr. 1099/2008

11      In Anhang B der Verordnung Nr. 1099/2008 soll u. a. der Erfassungsbereich der jährlichen Erhebung von Energiestatistiken beschrieben werden. Unter der Überschrift „Energie aus erneuerbaren Quellen und aus Abfall“ sind nach Punkt 5.1.1 dieses Anhangs Daten zur „Wasserkraft“ zu erheben, die wie folgt definiert wird:

„Energiepotenzial und kinetische Energie des Wassers nach Umwandlung in Elektrizität in Wasserkraftwerken, einschließlich Pumpspeicherwerken. …“

12      Dieser Anhang B wurde insbesondere durch die Verordnung Nr. 147/2013 der Kommission vom 13. Februar 2013 (ABl. 2013, L 50, S. 1) geändert; die Definition von Wasserkraft blieb jedoch unverändert.

 Polnisches Recht

13      Art. 3 der Ustawa prawo energetyczne (Gesetz über das Energierecht) vom 10. April 1997 in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (Dz. U. von 2012, Pos. 1059) (im Folgenden: Gesetz über das Energierecht) bestimmt:

„Die in dem Gesetz verwendeten Begriffe haben folgende Bedeutung:

20.      Erneuerbare Energiequelle: eine Quelle, bei der im Verarbeitungsprozess folgende Energie genutzt wird: Energie aus Wind, Sonneneinstrahlung, aerothermische, geothermische oder hydrothermische Energie, Energie aus Wellen, Meeresströmungen und Gezeiten, dem Gefälle von Flüssen sowie Energie aus Biomasse, Biogas aus Mülldeponien sowie Biogas, das in Prozessen der Ableitung bzw. der Klärung von Abwässern oder der Zersetzung abgelagerter pflanzlicher und tierischer Rückstände entstanden ist.

…“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

14      J. D. ist ein in der Erzeugung von elektrischer Energie tätiges Unternehmen. Im Zeitraum vom 20. November 2004 bis zum 20. November 2014 besaß es eine Konzession zur Erzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen für zwei kleine Anlagen zur Biogasgewinnung und ein kleines Wasserkraftwerk, das an Einleitungen von Abwässern eines anderen Betriebs (industrielle Abwässer) gelegen war, dessen Tätigkeit nicht mit der Erzeugung von Elektrizität verbunden ist.

15      Am 5. März 2013 beantragte J. D. die Verlängerung dieser Konzession für einen weiteren Zeitraum. Mit Bescheid vom 6. November 2013 lehnte der Präsident der Energieregulierungsbehörde diesen Antrag auf Verlängerung, soweit er das kleine Wasserkraftwerk betraf, mit der Begründung ab, dass lediglich solche Wasserkraftwerke als Erzeuger von Energie aus erneuerbaren Quellen anerkannt werden können, die durch Wellen, Meeresströmungen und Gezeiten sowie das Gefälle von Flüssen erzeugte Energie nutzten.

16      J. D. legte gegen diesen Bescheid einen Rechtsbehelf beim Sąd Okręgowy w Warszawie – Sąd Ochrony Konkurencji i Konsumentów (Bezirksgericht Warschau – Gericht für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz, Polen) ein, das diesen mit Urteil vom 5. November 2014 zurückwies. Es war der Ansicht, dass sich aus der Definition der erneuerbaren Energiequellen in Art. 3 Nr. 20 des Gesetzes über das Energierecht ergebe, dass die Elektrizität, die in einem an Einleitungen von Industrieabwässern eines anderen Betriebs gelegenen Wasserkraftwerk, das kein Pumpspeicherkraftwerk sei, erzeugt werde, nicht als Energie aus einer erneuerbaren Energiequelle angesehen werden könne.

17      J. D. legte gegen dieses Urteil beim Sąd Apelacyjny w Warszawie Wydział Cywilny (Berufungsgericht Warschau, Zivilabteilung, Polen) Berufung ein. Vor diesem Gericht machte J. D. im Wesentlichen geltend, dass es im vorliegenden Fall ohne Bedeutung sei, in welcher Weise die Wasserentnahme durch den anderen Betrieb erfolgt sei, und dass Art. 3 Nr. 20 des Gesetzes über das Energierecht gegen Art. 2 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28 in Verbindung mit deren 30. Erwägungsgrund und Art. 5 Abs. 3 verstoße, da er auf „Energie aus dem Gefälle von Flüssen“ und nicht auf den weiteren Begriff „Energie aus Wasserkraft“ der Richtlinie Bezug nehme.

18      Das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob die Energie aus Wasserkraft als Energie aus einer erneuerbaren Quelle die Energie einschließt, die aus der Nutzung eines durch die Schwerkraft entstehenden Wasserflusses in künstlichen Wasserläufen erzeugt wird, wenn dieses Wasser zum einen von einem anderen Betrieb für seine eigenen Zwecke unter Nutzung anderer Energie aufgestaut wurde und zum anderen das in Rede stehende Wasserkraftwerk nicht zu den Pumpspeicherkraftwerken oder Laufwasserkraftwerken mit Pumpfunktion zählt. Es weist insbesondere darauf hin, dass die Richtlinien 2009/28 und 2003/54 den Begriff der Wasserkraft nicht definierten und dass die zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Bescheids geltenden Vorschriften des nationalen Rechts lediglich die aus der Nutzung des natürlichen Gefälles von Flüssen gewonnene Energie beträfen.

19      Unter diesen Umständen hat der Sąd Apelacyjny w Warszawie Wydział Cywilny (Berufungsgericht Warschau, Zivilabteilung) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist unter dem in Art. 2 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28 in Verbindung mit deren Art. 5 Abs. 3 und ihrem 30. Erwägungsgrund verwendeten Begriff der Energie aus Wasserkraft als erneuerbarer Energiequelle ausschließlich Energie zu verstehen, die durch Wasserkraftwerke unter Ausnutzung des Gefälles von Binnenoberflächengewässern, darunter des Gefälles von Flüssen, erzeugt wurde, oder auch solche Energie, die in einem an Einleitungen von Industrieabwässern eines anderen Betriebs gelegenen Wasserkraftwerk (das kein Pumpspeicherkraftwerk und kein Laufwasserkraftwerk mit Pumpfunktion ist) erzeugt wurde?

 Zur Vorlagefrage

20      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „Energie aus erneuerbaren Quellen“ in Art. 2 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28 dahin auszulegen ist, dass er die Energie einschließt, die in einem kleinen Wasserkraftwerk erzeugt wird, das weder ein Pumpspeicherkraftwerk noch ein Laufwasserkraftwerk mit Pumpfunktion ist und das an Einleitungen von Industrieabwässern eines anderen Betriebs gelegen ist, der das Wasser zuvor für eigene Zwecke entnommen hat.

21      Nach Art. 2 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28 bezieht sich der Begriff „Energie aus erneuerbaren Quellen“ auf „Energie aus erneuerbaren, nichtfossilen Energiequellen, das heißt … [u. a.] Wasserkraft …“.

22      Zwar geht aus dem Wortlaut dieser Definition hervor, dass Wasserkraft oder die aus Wasserkraft erzeugte Elektrizität Energie aus erneuerbaren Quellen ist, jedoch ist festzustellen, dass sich in Ermangelung einer entsprechenden Klarstellung anhand dieses Wortlauts allein nicht feststellen lässt, ob der Begriff der Wasserkraft im Sinne von Art. 2 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28 nur die Elektrizität erfasst, die durch Wasserkraft erzeugt wird, die aus einem natürlichen Wassergefälle gewonnen wird, oder ob er auch die durch Wasserkraft erzeugte Elektrizität einschließt, die aus einem künstlichen Wassergefälle gewonnen wird, und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen.

23      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt aus dem Gebot der einheitlichen Anwendung des Rechts der Union wie auch aus dem Gleichheitssatz, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Insoweit ist festzustellen, dass die Richtlinie 2009/28 im Hinblick auf die Bedeutung des Begriffs „Wasserkraft“, soweit er Energie aus erneuerbaren Quellen im Sinne dieser Richtlinie betrifft, keine Verweisung auf die nationalen Rechtsvorschriften enthält. Daraus folgt, dass dieser Begriff für die Anwendung dieser Richtlinie als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen ist, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist.

25      Insoweit ist zu beachten, dass Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Recht der Union nicht definiert, insbesondere unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der Ziele der Regelung, zu der sie gehören, zu bestimmen sind (Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Was den Kontext betrifft, in dem der in Rede stehende Begriff verwendet wird, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2009/28 zwar für ihre Zwecke klarstellt, dass die Begriffsbestimmungen der nunmehr durch die Richtlinie 2009/72 ersetzten Richtlinie 2003/54 Anwendung finden, und dass Erstere in ihrem Art. 2 Nr. 30 eine Definition der erneuerbaren Energiequelle enthält, die im Wesentlichen der in Art. 2 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28 entspricht, dass die Richtlinie 2009/72 jedoch nicht näher erläutert, was unter Wasserkraft aus erneuerbaren Quellen zu verstehen ist.

27      Zum einen sieht jedoch Art. 5 Abs. 7 der Richtlinie 2009/28 vor, dass für die Berechnung des Anteils der Energie aus erneuerbaren Quellen die Begriffsbestimmungen der Verordnung Nr. 1099/2008 verwendet werden. In Anhang B Nr. 5.1.1 der Verordnung wird Wasserkraft als „Energiepotenzial und kinetische Energie des Wassers nach Umwandlung in Elektrizität in Wasserkraftwerken“ mit der Präzisierung „einschließlich Pumpspeicherkraftwerken“ definiert.

28      Zum anderen geht aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 2009/28 hervor, dass bei der Berechnung des Bruttoendenergieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen in einem bestimmten Mitgliedstaat, was den Bruttoendenergieverbrauch von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen betrifft, „die Elektrizitätsmenge [berücksichtigt wird], … die in [diesem] Mitgliedstaat aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird, unter Ausschluss der Elektrizitätserzeugung in Pumpspeicherkraftwerken durch zuvor hochgepumptes Wasser“.

29      In ähnlicher Weise heißt es in Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie 2009/28, dass aus Wasserkraft erzeugte Elektrizität gemäß der Normalisierungsregel in Anhang II der Richtlinie berücksichtigt wird. Nach dieser Regel bestimmt sich die normalisierte Menge der von sämtlichen Wasserkraftwerken eines Mitgliedstaats im Laufe eines Jahres erzeugten Elektrizität unter Ausschluss der Elektrizitätserzeugung durch Pumpspeicherkraftwerke, bei der zuvor hochgepumptes Wasser genutzt wird.

30      In diesem Sinne stellt auch der 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/28 klar, dass Elektrizität, die in Pumpspeicherkraftwerken aus zuvor hochgepumptem Wasser produziert wird, nicht als Elektrizität erachtet werden sollte, die aus erneuerbaren Energiequellen stammt.

31      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 36 bis 38 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, ergibt sich aus diesen Anhaltspunkten, dass jede Wasserkraft, gleich ob sie aus Wasserkraft erzeugt wird, die aus einem natürlichen Wassergefälle gewonnen wird, oder ob sie aus Wasserkraft erzeugt wird, die aus einem künstlichen Wassergefälle gewonnen wird, unter Ausschluss der Elektrizitätserzeugung in Pumpspeicherkraftwerken durch zuvor hochgepumptes Wasser, Energie aus erneuerbaren Quellen im Sinne von Art. 2 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28 darstellt.

32      Diese Auslegung wird durch die mit der Richtlinie 2009/28 verfolgten Ziele gestützt. Aus Art. 1 der Richtlinie geht nämlich hervor, dass sie die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen fördern soll, und nach ihrem ersten Erwägungsgrund ist die vermehrte Nutzung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen ein wesentliches Element des Maßnahmenbündels, das zur Verringerung der Treibhausgasemissionen benötigt wird; sie spielt eine wichtige Rolle bei der Stärkung der Energieversorgungssicherheit, der Förderung der technologischen Entwicklung und Innovation sowie der Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten und von Möglichkeiten der regionalen Entwicklung. Zu diesem Zweck sieht Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie vor, dass jeder Mitgliedstaat dafür sorgt, dass sein Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch im Jahr 2020 mindestens dem ihm in Anhang I Teil A der Richtlinie gesetzten Ziel entspricht.

33      Die gesamte Elektrizität, die aus Wasserkraft erzeugt wird, die aus künstlichen Wassergefällen gewonnen wird, allein deshalb, weil es sich um Wassergefälle dieser Art handelt, vom Begriff der Wasserkraft aus erneuerbaren Quellen im Sinne der Richtlinie 2009/28 auszuschließen, wie im Wesentlichen die polnische Regierung vorschlägt, widerspräche jedoch nicht nur – wie in den Rn. 26 bis 31 des vorliegenden Urteils ausgeführt – dem Willen des Unionsgesetzgebers, sondern liefe auch der Verwirklichung dieser Ziele zuwider.

34      Der bloße Umstand, dass die Elektrizität aus Wasserkraft erzeugt wird, die aus einem künstlichen Wassergefälle gewonnen wird, bedeutet nämlich nicht, dass kein Beitrag zur Verwirklichung der in Rn. 32 des vorliegenden Urteils genannten Ziele und insbesondere zur Verringerung der Treibhausgasemissionen vorliegt.

35      Zudem könnte ein genereller Ausschluss wie der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils vorgeschlagene dadurch, dass er zur Folge hätte, von einer Erzeugung von Elektrizität aus Wasserkraft, die aus einem künstlichen Wassergefälle gewonnen wird, selbst dann abzuhalten, wenn dieses künstliche Wassergefälle aus zuvor ausgeübter Produktionstätigkeit herrührt, unabhängig davon, ob ihre Abwässer anschließend zur Erzeugung von Elektrizität genutzt werden, und selbst dann, wenn diese Elektrizitätserzeugung ohne Einsatz eines Pumpspeicherkraftwerks erfolgt, die Menge an Wasserkraft verringern, für die die Maßnahmen zur Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen, die die Mitgliedstaaten in Anwendung der Richtlinie 2009/28 ergreifen müssen, in Anspruch genommen werden können, und würde daher die vollständige Verwirklichung dieser Ziele beeinträchtigen.

36      Um jede Gefahr der Umgehung zu vermeiden, ist es allerdings wichtig, dass die zuvor ausgeübte Tätigkeit, auf die dieses künstliche Wassergefälle zurückgeht, nicht allein zum Ziel hat, dieses Wassergefälle zum Zweck seiner anschließenden Nutzung zur Elektrizitätserzeugung zu schaffen. Daher würde Elektrizität, die aus Wasserkraft erzeugt wird, die aus einem künstlichen Wassergefälle gewonnen wird, insbesondere dann nicht unter den Begriff „Wasserkraft aus erneuerbaren Quellen“ im Sinne der Richtlinie 2009/28 fallen, wenn dieses Gefälle zuvor durch Pumpen mit dem einzigen Ziel geschaffen wurde, anschließend diese Elektrizität zu erzeugen.

37      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende kleine Wasserkraftwerk weder ein Pumpspeicherkraftwerk noch ein Laufwasserkraftwerk mit Pumpfunktion ist und daher nicht unter den Begriff „Pumpspeicherkraftwerke, bei de[nen] zuvor hochgepumptes Wasser genutzt wird“, im Sinne der Richtlinie 2009/28 fällt, und dass zudem das von ihm genutzte künstliche Wassergefälle aus Wasser besteht, das ein dritter Betrieb eingeleitet hat, der es für seine eigenen Tätigkeiten entnommen hat, was zu prüfen jedoch Sache des vorlegenden Gerichts ist.

38      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass der Begriff „Energie aus erneuerbaren Quellen“ in Art. 2 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28 dahin auszulegen ist, dass er die Energie einschließt, die in einem kleinen Wasserkraftwerk erzeugt wird, das weder ein Pumpspeicherkraftwerk noch ein Laufwasserkraftwerk mit Pumpfunktion ist und das an Einleitungen von Industrieabwässern eines anderen Betriebs gelegen ist, der das Wasser zuvor für eigene Zwecke entnommen hat.

 Kosten

39      Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Der Begriff „Energie aus erneuerbaren Quellen“ in Art. 2 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG ist dahin auszulegen, dass er die Energie einschließt, die in einem kleinen Wasserkraftwerk erzeugt wird, das weder ein Pumpspeicherkraftwerk noch ein Laufwasserkraftwerk mit Pumpfunktion ist und das an Einleitungen von Industrieabwässern eines anderen Betriebs gelegen ist, der das Wasser zuvor für eigene Zwecke entnommen hat.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Polnisch.