Language of document : ECLI:EU:C:2023:300

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

20. April 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Richtlinie 2000/78/EG – Verbot von Diskriminierungen wegen des Alters – Beamtenbesoldung – Frühere nationale Regelung, die für diskriminierend befunden wurde – Einstufung in ein neues Besoldungssystem unter Bezugnahme auf das nach einem früheren Besoldungssystem festgesetzte Dienstalter – Berichtigung dieses Dienstalters durch Festsetzung eines Vergleichsstichtags – Diskriminierender Charakter der neuen Einstufung – Vorschrift, die eher ältere Beamte benachteiligt“

In der Rechtssache C‑650/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 18. Oktober 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Oktober 2021, in dem Verfahren

FW,

CE,

Beteiligte:

Landespolizeidirektion Niederösterreich,

Finanzamt Österreich,


erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von FW, vertreten durch Rechtsanwältin V. Treber-Müller,

–        von CE, vertreten durch Rechtsanwalt M. Riedl,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch und J. Schmoll als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch B.‑R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) in Verbindung mit Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2        Es ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen FW und CE auf der einen und der Landespolizeidirektion Niederösterreich (Österreich) und dem Finanzamt Österreich, vormals Finanzamt Salzburg-Land (Österreich) (im Folgenden zusammen: Finanzamt), auf der anderen Seite über die Festsetzung des Besoldungsdienstalters von FW und CE.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 1 („Zweck“) der Richtlinie 2000/78 lautet:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“

4        In Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) der Richtlinie 2000/78 heißt es:

„(1)      Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘ dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)      Im Sinne des Absatzes 1

a)      liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)      liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i)      diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …

…“

5        Art. 3 („Geltungsbereich“) Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 bestimmt:

„Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

c)      die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“.

6        In Art. 6 („Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters“) der Richtlinie 2000/78 heißt es:

„(1)      Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

(2)      Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt.“

7        Art. 16 („Einhaltung“) der Richtlinie 2000/78 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass

a)      die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufgehoben werden;

b)      die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen in Arbeits- und Tarifverträgen, Betriebsordnungen und Statuten der freien Berufe und der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen für nichtig erklärt werden oder erklärt werden können oder geändert werden.“

 Österreichisches Recht

8        Das österreichische Recht im Bereich der Besoldung und Vorrückung von Bundesbeamten wurde wegen der Unionsrechtswidrigkeit bestimmter Vorschriften mehrmals geändert. Ausweislich des Vorlagebeschlusses soll durch das neue System der Besoldung und Vorrückung von Beamten, das auf Gesetzesänderungen in den Jahren 2019 und 2020 beruht, eine Diskriminierung wegen des Alters beseitigt werden, die sich aus dem zuvor geltenden Besoldungs- und Vorrückungssystem ergab.

 GehG 2010

9        Um die Diskriminierung wegen des Alters zu beseitigen, die sich aus der vorigen Fassung des Gehaltsgesetzes ergab und vom Gerichtshof im Urteil vom 18. Juni 2009, Hütter (C‑88/08, EU:C:2009:381), festgestellt wurde, sah § 8 des Gehaltsgesetzes 1956 (BGBl. 54/1956) in der durch die Bundesbesoldungsreform 2010 (BGBl. I 82/2010) geänderten Fassung (im Folgenden: GehG 2010) in Abs. 1 vor:

„Für die Vorrückung ist der Vorrückungsstichtag maßgebend. Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, beträgt der für die Vorrückung in die zweite in jeder Verwendungsgruppe in Betracht kommende Gehaltsstufe erforderliche Zeitraum fünf Jahre, ansonsten zwei Jahre.“

10      § 12 GehG 2010 bestimmte:

„(1)      Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass Zeiten nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs. 4 bis 8 dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:

1.      die im Abs. 2 angeführten Zeiten zur Gänze,

2.      sonstige Zeiten, die

a)      die Erfordernisse der Abs. 3 oder 3a erfüllen, zur Gänze,

b)      die … Erfordernisse der Abs. 3 oder 3a nicht erfüllen,

aa)      bis zu 3 Jahren zur Gänze und

bb)      bis zu weiteren 3 Jahren zur Hälfte.

(1a)      Das Ausmaß der gemäß Abs. 1 Z 2 lit. b sublit. aa und Abs. 2 Z 6 voran gesetzten Zeiten und der gemäß Abs. 2 Z 4 lit. d voran gesetzten Lehrzeiten darf insgesamt drei Jahre nicht übersteigen. Wurde jedoch

1.      eine Ausbildung gemäß Abs. 2 Z 6 abgeschlossen, die auf Grund der jeweiligen schulrechtlichen Vorschriften mehr als zwölf Schulstufen erforderte, so verlängert sich dieser Zeitraum um ein Jahr für jede über zwölf hinaus gehende Schulstufe;

2.      eine Lehre gemäß Abs. 2 Z 4 lit. d abgeschlossen, die auf Grund der jeweiligen Vorschriften eine Lehrzeit von mehr als 36 Monaten erforderte, so verlängert sich dieser Zeitraum um einen Monat für jeden über 36 Monate hinaus gehenden Monat der Lehrzeit.

…“

11      Die Festsetzung des Stichtags für die Vorrückung eines Beamten und für seine daraus resultierende besoldungsrechtliche Stellung durfte gemäß § 113 Abs. 10 und 11 GehG 2010 nur auf Antrag vorgenommen werden, bei sonstiger Fortgeltung der bisherigen Bestimmungen in der am 31. Dezember 2003 geltenden Fassung.

 GehG 2015

12      Um die Diskriminierung wegen des Alters zu beseitigen, die sich aus dem GehG 2010 ergab und vom Gerichtshof im Urteil vom 11. November 2014, Schmitzer (C‑530/13, EU:C:2014:2359), festgestellt wurde, wurde das GehG 2010 durch die Bundesbesoldungsreform 2015 (BGBl. I 32/2015), durch die Dienstrechts-Novelle 2015 (BGBl. I 65/2015) und durch das Besoldungsrechtsanpassungsgesetz 2016 (BGBl. I 104/2016) rückwirkend geändert (im Folgenden: GehG 2015).

13      § 8 („Einstufung und Vorrückung“) Abs. 1 GehG 2015 sah vor:

„… Für die Einstufung und die weitere Vorrückung ist das Besoldungsdienstalter maßgebend.“

14      In § 12 („Besoldungsdienstalter“) Abs. 1 GehG 2015 hieß es:

„Das Besoldungsdienstalter umfasst die Dauer der im Dienstverhältnis verbrachten für die Vorrückung wirksamen Zeiten zuzüglich der Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten.“

15      § 169c GehG 2015, der die Überleitung bestehender Dienstverhältnisse in das neue Besoldungs- und Vorrückungssystem betrifft, bestimmte:

„(1)      Alle Beamtinnen und Beamten der in § 169d angeführten Verwendungs- und Gehaltsgruppen, welche sich am 11. Februar 2015 im Dienststand befinden, werden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen alleine auf Grundlage ihrer bisherigen Gehälter in das durch dieses Bundesgesetz neu geschaffene Besoldungssystem übergeleitet. Die Beamtinnen und Beamten werden zunächst aufgrund ihres bisherigen Gehalts in eine Gehaltstufe des neuen Besoldungssystems eingereiht, in welcher das bisherige Gehalt gewahrt wird. …

(2)      Die Überleitung der Beamtin oder des Beamten in das neue Besoldungssystem erfolgt durch eine pauschale Festsetzung ihres oder seines Besoldungsdienstalters. Für die pauschale Festsetzung ist der Überleitungsbetrag maßgebend. Der Überleitungsbetrag ist das volle Gehalt ohne allfällige außerordentliche Vorrückungen, welches bei der Bemessung des Monatsbezugs der Beamtin oder des Beamten für den Februar 2015 (Überleitungsmonat) zugrunde gelegt wurde. …

(2a)      Als Überleitungsbetrag wird der Gehaltsansatz für jene Gehaltsstufe herangezogen, die für die ausbezahlten Bezüge für den Überleitungsmonat tatsächlich maßgebend war (Einstufung laut Bezugszettel). Eine Beurteilung der Gebührlichkeit der Bezüge hat dabei sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu unterbleiben. Eine nachträgliche Berichtigung der ausbezahlten Bezüge ist nur insoweit bei der Bemessung des Überleitungsbetrags zu berücksichtigen, als

1.      dadurch Fehler tatsächlicher Natur berichtigt werden, welche bei der Eingabe in ein automatisches Datenverarbeitungssystem unterlaufen sind, und

2.      die fehlerhafte Eingabe offenkundig von der beabsichtigten Eingabe abweicht, wie sie durch im Zeitpunkt der Eingabe bereits bestehende Urkunden belegt ist.

(3)      Das Besoldungsdienstalter der übergeleiteten Beamtin oder des übergeleiteten Beamten wird mit jenem Zeitraum festgesetzt, der für die Vorrückung von der ersten Gehaltsstufe (Beginn des 1. Tages) in jene Gehaltsstufe derselben Verwendungsgruppe erforderlich ist, für die in der am 12. Februar 2015 geltenden Fassung das betraglich zum Überleitungsbetrag nächstniedrigere Gehalt angeführt ist. Gleicht der Überleitungsbetrag dem niedrigsten für eine Gehaltsstufe in derselben Verwendungsgruppe angeführten Betrag, so ist diese Gehaltsstufe maßgebend. Alle Vergleichsbeträge sind kaufmännisch auf ganze Euro zu runden.

(4)      Das nach Abs. 3 festgesetzte Besoldungsdienstalter wird um den Zeitraum verlängert, der zwischen dem Zeitpunkt der letzten Vorrückung in ein höheres Gehalt und dem Ablauf des Überleitungsmonats vergangen ist, sofern er für die Vorrückung wirksam ist.

…“

16      Nach § 175 Abs. 79 Z 3 GehG 2015 treten die §§ 8 und 12 GehG 2015 samt Überschriften in der Fassung des GehG 2015 an dem der Kundmachung folgenden Tag, d. h. am 12. Februar 2015, in Kraft, wobei diese Bestimmungen in allen früheren Fassungen in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden sind.

 GehG 2020

17      Um die Diskriminierung wegen des Alters zu beseitigen, die sich aus dem GehG 2015 ergab und vom Gerichtshof in den Urteilen vom 8. Mai 2019, Leitner (C‑396/17, im Folgenden: Urteil Leitner, EU:C:2019:375), und vom 8. Mai 2019, Österreichischer Gewerkschaftsbund (C‑24/17, EU:C:2019:373), festgestellt wurde, wurde das GehG 2015 durch die 2. Dienstrechts-Novelle 2019 (BGBl. I 58/2019) und die Dienstrechts-Novelle 2020 (BGBl. I 153/2020) geändert (im Folgenden: GehG 2020).

18      In § 169f GehG 2020 heißt es:

„(1)      Bei Beamtinnen und Beamten,

1.      die sich am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 … im Dienststand befinden und

2.      die nach § 169c Abs. 1 (allenfalls in Verbindung mit § 169d Abs. 3, 4 oder 6) übergeleitet wurden und

3.      deren erstmalige Festsetzung des Vorrückungsstichtags für das laufende Dienstverhältnis unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten erfolgt ist und

4.      bei denen nach der erstmaligen Festsetzung nach Z 3 nicht die vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten nach den Bestimmungen [der Bundesbesoldungsreform 2010] vorangestellt und durch Außerachtlassung der mit [dieser Reform] bewirkten Verlängerung des für die erste Vorrückung erforderlichen Zeitraums zur Gänze für die Einstufung wirksam geworden sind,

ist die besoldungsrechtliche Stellung von Amts wegen bescheidmäßig neu festzusetzen.

(3)      Bei den am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 … anhängigen Verfahren, welche die Frage der Anrechnung zusätzlicher Vordienstzeiten, der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags, insbesondere nach § 113 Abs. 10 in der Fassung [der Bundesbesoldungsreform 2010], der Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters oder der Festsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung für eine Beamtin oder einen Beamten nach Abs. 1 Z 3 als Hauptfrage zum Gegenstand haben, erfolgt eine Neufestsetzung im Rahmen dieser Verfahren. Bei den am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 … anhängigen Verfahren, in denen eine solche Frage als Vorfrage zu beurteilen ist, erfolgt die Beurteilung unbeschadet des § 38 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, nach Maßgabe des Abs. 6.

(4)      Die Neufestsetzung nach den Abs. 1 bis 3 erfolgt nach Ermittlung des Vergleichsstichtags (§ 169g) durch Feststellung des Besoldungsdienstalters zum Ablauf des 28. Februar 2015. Das Besoldungsdienstalter nach § 169c erhöht sich um den zwischen dem Vergleichsstichtag und dem Vorrückungsstichtag liegenden Zeitraum, wenn der Vergleichsstichtag vor dem Vorrückungsstichtag liegt, andernfalls vermindert es sich um diesen Zeitraum. Für den Vergleich ist der letzte Vorrückungsstichtag maßgebend, der unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten festgesetzt wurde.

(6)      Die Bemessung der Bezüge erfolgt rückwirkend unter Berücksichtigung der für die Vorrückung wirksamen Dienstzeit

1.      im Fall des Abs. 4 (für Zeiten vor dem 1. März 2015 unter Anwendung von § 169c Abs. 6b in der geltenden Fassung und § 8 in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2015 …) nach Maßgabe des neu festgesetzten Besoldungsdienstalters …

…“

19      § 169g GehG 2020 bestimmt:

„(1)      Der Vergleichsstichtag wird dadurch ermittelt, dass die nach Erreichen des Mindestalters für eine Beschäftigung im Rahmen eines Systems der dualen Ausbildung nach Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 94/33/EG des Rates vom 22. Juni 1994 über den Jugendarbeitsschutz, in der Fassung ABl. Nr. L 216 vom 20.08.1994[,] S. 12, zurückgelegten Zeiten, die bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags voranzustellen waren oder bei Außerachtlassung der Altersgrenze von 18 Jahren voranzustellen gewesen wären, nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 dem Tag der Anstellung vorangestellt werden.

(2)      Für die Ermittlung des Vergleichsstichtags sind folgende Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag nach Maßgabe der Abs. 3 bis 6 anzuwenden:

1.      § 12 in der Fassung der 2. Dienstrechts-Novelle 2007, BGBl. I Nr. 96/2007,

2.      § 12a in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2011, BGBl. I Nr. 140/2011,

3.      § 113 in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2004, BGBl. I Nr. 176/2004,

4.      § 113a in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2007, BGBl. I Nr. 53/2007, und

5.      die Anlage 1 in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2004 …

Maßgebend sind die Bestimmungen für jene Verwendungsgruppe, welcher die Beamtin oder der Beamte im Zeitpunkt der Festsetzung des Vorrückungsstichtags nach § 169f Abs. 4 letzter Satz angehört hat.


(3)      Abweichend von den Bestimmungen nach Abs. 2 Z 1 bis 5

1.      treten an Stelle der vor Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten die vor Erreichen des Mindestalters für eine Beschäftigung im Rahmen eines Systems der dualen Ausbildung nach Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie [94/33] liegenden Zeiten;

2.      sind bei Beamtinnen und Beamten, für deren Verwendungsgruppen die Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag eine Voranstellung von Zeiten des erfolgreichen Studiums an einer höheren Schule vorsehen, ausschließlich jene Zeiten als Zeiten des erfolgreichen Studiums an einer höheren Schule voranzustellen, die

a)      zwischen dem Ablauf des 31. August jenes Kalenderjahres, in dem die Beamtin oder der Beamte die Aufnahme in die zwölfte Schulstufe erreicht hat, und

b)      dem Ablauf des 30. Juni des nachfolgenden Kalenderjahres

zurückgelegt wurden. Wenn die für die Beamtin oder den Beamten geltenden schulrechtlichen Vorschriften eine Regelstudiendauer von mehr als zwölf Schulstufen vorsehen, so verlängert sich der voranzustellende Zeitraum für jede weitere Schulstufe um ein Jahr;

3.      sind mit Zustimmung der Bundesministerin oder des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Zeiten einer gleichwertigen Berufstätigkeit nach § 12 Abs. 2 Z 1a zur Gänze zu berücksichtigen, die

a)      vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden oder

b)      nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden, wenn für die Voranstellung von sonstigen Zeiten im öffentlichen Interesse nach § 12 Abs. 3 in der damals geltenden Fassung eine Höchstgrenze gesetzlich vorgesehen war.

Bei der Bemessung eines allfälligen Überstellungsverlusts gelten diese Zeiten als Zeiten in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft;

4.      sind sonstige Zeiten, die bis zum Höchstausmaß von drei Jahren zur Hälfte zu berücksichtigen sind, bis zum Höchstausmaß von sieben Jahren zur Hälfte zu berücksichtigen;

5.      sind Zeiten in einem Ausbildungsverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft als Lehrling nur dann voranzustellen, wenn die Beamtin oder der Beamte nach dem 31. März 2000 ins Dienstverhältnis eingetreten ist;

6.      sind Zeiten einer Tätigkeit als Wissenschaftlicher (Künstlerischer) Mitarbeiter (in Ausbildung) gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste, BGBl. Nr. 463/1974, nur dann voranzustellen, wenn die Beamtin oder der Beamte nach dem 30. September 2001 ins Dienstverhältnis eingetreten ist.

(4)      Die zur Hälfte zu berücksichtigenden sonstigen Zeiten sind bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur insoweit voranzustellen, als sie das Ausmaß von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren übersteigen.

(5)      Wenn für die Voranstellung von Zeiten nach Vollendung des 18. Lebensjahres ein Höchstausmaß oder ein Verlust wie im Fall einer Überstellung gesetzlich vorgesehen war, sind diese Bestimmungen gleichermaßen auf alle zu berücksichtigenden Zeiten anzuwenden.

(6)      Soweit die Abs. 3 bis 5 keine abweichenden Regelungen vorsehen, ist bei der Voranstellung von Zeiten von entschiedener Sache hinsichtlich der nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten auszugehen, wenn diese bereits bei der Festsetzung des Vorrückungsstichtags (§ 169f Abs. 4 letzter Satz) nach den Bestimmungen gemäß Abs. 2 Z 1 bis 5 oder nach früher geltenden Fassungen dieser Bestimmungen zur Gänze vorangestellt oder nicht vorangestellt wurden.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

20      FW und CE sind österreichische Bundesbeamte.

21      Der 1970 geborene FW war vom 1. September 1985 bis zum 1. August 1988 Lehrling in einem staatlichen Unternehmen. Mit 1. Juli 1991 trat er in den österreichischen Bundesdienst ein. Als für seine Vorrückung und seine besoldungsrechtliche Stellung maßgeblicher Stichtag wurde der 17. September 1989 festgesetzt.

22      Der 1972 geborene CE war vom 1. September 1987 bis zum 31. August 1990 Lehrling bei einer österreichischen Gebietskörperschaft. Mit 1. November 1995 trat er in den österreichischen Bundesdienst ein. Als für seine Vorrückung und seine besoldungsrechtliche Stellung maßgeblicher Stichtag wurde der 23. September 1990 festgesetzt.

23      Im Jahr 2010 beantragten FW und CE infolge der Verlautbarung der Bundesbesoldungsreform 2010 jeweils eine Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtags, damit auch die vor ihrem 18. Geburtstag zurückgelegten anrechenbaren Zeiten berücksichtigt werden und ihre besoldungsrechtliche Stellung entsprechend angepasst wird.

24      Auf diese Anträge hin setzte das Finanzamt sodann jeweils einen neuen Stichtag für FW und CE fest, nämlich den 1. September 1986 bzw. den 1. Juli 1987. Auf der Grundlage des geltenden nationalen Rechts lehnte es jedoch jede Änderung der besoldungsrechtlichen Stellung von FW und CE ab.

25      Im Jahr 2013 stellte FW erneut einen Antrag auf Festsetzung des Vorrückungsstichtags und der sich daraus ergebenden besoldungsrechtlichen Stellung sowie auf Nachzahlung von Bezügen unter Einbeziehung der vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten anrechenbaren Zeiten.

26      Demgegenüber beantragte CE im Jahr 2015 die Nachzahlung der aufgrund seines neuen Vorrückungsstichtags, wie er nach seinem entsprechenden Antrag im Jahr 2010 festgesetzt worden war, bestehenden Gehaltsdifferenz sowie die Richtigstellung des Überleitungsbetrags nach § 169c Abs. 2 GehG 2015.

27      Nachdem das Finanzamt den Antrag von FW abgewiesen und über den Antrag von CE nicht rechtzeitig entschieden hatte, erhoben beide Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Österreich). Dieses Gericht legte mit Urteil vom 28. September 2020 für FW und mit Urteil vom 27. Oktober 2020 für CE den Vorrückungsstichtag einen Tag, d. h. auf den 16. September 1989, bzw. vier Tage, d. h. auf den 19. September 1990, früher fest, und wies die jeweiligen Klageanträge auf Zahlung von Gehaltsrückständen ab.

28      Daraufhin erhoben FW und CE gegen diese Erkenntnisse Revision an das vorlegende Gericht, nämlich den Verwaltungsgerichtshof (Österreich).

29      Das vorlegende Gericht merkt zunächst an, dass das österreichische Besoldungssystem des öffentlichen Dienstes ursprünglich auf dem Grundsatz beruht habe, dass Vordienstzeiten, die ein Beamter vor Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben habe, bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags nicht zu berücksichtigen seien.

30      Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass der nationale Gesetzgeber die Bundesbesoldungsreform 2010 erst im Anschluss an das Urteil vom 18. Juni 2009, Hütter (C‑88/08, EU:C:2009:381), verabschiedet habe, in dem der Gerichtshof festgestellt habe, dass die Vorschriften über die Besoldung der österreichischen Beamten unionsrechtswidrig seien, da sie keine Berücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten vorsähen.

31      Nach dem Inkrafttreten der Bundesbesoldungsreform 2010 sei es möglich gewesen, vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten nach den Bestimmungen des GehG 2010 bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags zu berücksichtigen, allerdings nur auf Antrag des betroffenen Beamten und mit der Folge, dass der für die Vorrückung von der ersten in die zweite Gehaltsstufe erforderliche Zeitraum um drei Jahre verlängert worden sei. Nun aber habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. November 2014, Schmitzer (C‑530/13, EU:C:2014:2359), im Wesentlichen entschieden, dass die Richtlinie 2000/78 einer nationalen Regelung entgegenstehe, wonach zur Beendigung einer Diskriminierung wegen des Alters Ausbildungszeiten und Zeiten der Berufserfahrung, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt worden seien, berücksichtigt würden, aber für die von dieser Diskriminierung betroffenen Beamten zugleich eine Verlängerung des für die Vorrückung von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe jeder Verwendungs- bzw. Entlohnungsgruppe erforderlichen Zeitraums um drei Jahre eingeführt werde.

32      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der nationale Gesetzgeber anschließend die Bundesbesoldungsreform 2015 und das Besoldungsrechtsanpassungsgesetz 2016 verabschiedet habe, um für die am 11. Februar 2015 im Dienst stehenden Beamten das auf dem Vorrückungsstichtag beruhende Besoldungssystem durch ein neues, auf dem Besoldungsdienstalter beruhendes System zu ersetzen. Hierfür sei ein Mechanismus zur Neueinstufung eingeführt worden, die anhand eines „Überleitungsbetrags“ vorgenommen worden sei, der nach den Regeln des GehG 2010 ermittelt worden sei und damit für Bedienstete, die vor dem Inkrafttreten des GehG 2010, d. h. vor dem 31. August 2010, eingestellt worden seien, letztlich auf der vorherigen Fassung des Gehaltsgesetzes beruht habe, die für die Berücksichtigung der vor der Einstellung erworbenen Berufserfahrung eine – ausweislich des Urteils vom 18. Juni 2009, Hütter (C‑88/08, EU:C:2009:381), diskriminierende – Unterscheidung danach vorgenommen habe, ob diese Erfahrung vor oder nach dem 18. Geburtstag der Betroffenen erworben worden sei.

33      Insoweit habe der Gerichtshof im Urteil Leitner entschieden, dass das Unionsrecht auch dem sich aus dem GehG 2015 ergebenden Besoldungs- und Vorrückungssystem entgegenstehe, wobei er im Wesentlichen festgestellt habe, dass diese Regelung nicht geeignet sei, für die von dem sich aus dem GehG 2010 ergebenden Besoldungs- und Vorrückungssystem benachteiligten Beamten ein diskriminierungsfreies System zu schaffen, da sie ihnen gegenüber die durch dieses System geschaffene Diskriminierung wegen des Alters endgültig festschreibe.

34      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der österreichische Gesetzgeber die 2. Dienstrechts-Novelle 2019 erlassen habe, um die nationalen Rechtsvorschriften mit der Richtlinie 2000/78 und der oben angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere dem Urteil Leitner, in Einklang zu bringen. Die 2. Dienstrechts-Novelle 2019 betreffe Beamte, die auf der Grundlage ihres damaligen Besoldungsdienstalters in das neue Besoldungssystem übergeleitet worden seien, ohne dass es später zu einer Berücksichtigung ihrer vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Zeiten gekommen wäre. Der österreichische Gesetzgeber habe somit die Grundlagen für eine von Amts wegen angewandte neue Einstufung geschaffen, nach der gemäß den §§ 169f und 169g GehG 2020 von Amts wegen eine Neubewertung der vor dem 18. Geburtstag des Beamten liegenden anrechenbaren Zeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags vorgesehen sei.

35      Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob die 2. Dienstrechts-Novelle 2019 die vom Gerichtshof zuvor festgestellte Diskriminierung nunmehr beseitigt hat.

36      Erstens beruhe das Besoldungssystem des GehG 2020 weiterhin auf einem Überleitungsmechanismus für Beamte auf der Grundlage des am 28. Februar 2015 geltenden Besoldungsdienstalters, dessen Festsetzung der Gerichtshof im Urteil Leitner für diskriminierend befunden habe. Zwar werde das Gehalt für Februar 2015, d. h. das Gehalt für den Überleitungsmonat, um die Differenz zwischen historischem Vorrückungsstichtag und dem in § 169g GehG 2020 vorgesehenen Vergleichsstichtag korrigiert. Die in § 169g Abs. 3 Z 4 GehG 2020 vorgesehene Erhöhung des Höchstausmaßes der zur Hälfte zu berücksichtigenden „sonstigen Zeiten“ von drei auf sieben Jahre werde jedoch durch den nach § 169g Abs. 4 GehG 2020 vorgesehenen Pauschalabzug neutralisiert, wonach diese Zeiten bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur insoweit voranzustellen seien, als sie das Ausmaß von vier Jahren überstiegen.

37      Zweitens kämen nach § 169f Abs. 1 Z 3 und 4 GehG 2020 Beamte, deren Vorrückungsstichtag nach Stellung eines entsprechenden Antrags vor Inkrafttreten der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 unter Einbeziehung der vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten anrechenbaren Zeiten neu ermittelt worden sei und deren besoldungsrechtliche Stellung entsprechend angepasst worden sei, nicht in den Genuss der Neufestsetzung dieser Stellung nach § 169g GehG 2020. Hätten Beamte hingegen, wie im vorliegenden Fall, solche Anträge gestellt und auch die Festsetzung eines neuen Vorrückungsstichtags erwirkt, ohne dass sich dies jedoch noch auf ihre besoldungsrechtliche Stellung ausgewirkt habe, werde auf diese Beamten nunmehr § 169g GehG 2020 angewandt, so dass sie Gefahr liefen, wie im vorliegenden Fall keine tatsächliche Verbesserung ihres Vorrückungsstichtags und damit ihrer besoldungsrechtlichen Stellung zu erreichen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere aus dem Urteil vom 16. Juli 2020, État belge (Familienzusammenführung – Minderjähriges Kind) (C‑133/19, C‑136/19 und C‑137/19, EU:C:2020:577, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung), gehe jedoch hervor, dass es mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit nicht vereinbar sei, wenn der Erfolg eines Antrags davon abhänge, wie zügig der Antrag bearbeitet werde oder wie zügig über einen Rechtsbehelf entschieden werde, d. h. von Umständen, die nicht in der Sphäre des Antragstellers lägen.

38      Drittens sehe § 169g Abs. 3 Z 5 GehG 2020 bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags die volle Berücksichtigung von Lehrzeiten nur dann vor, wenn der betreffende Beamte nach dem 31. März 2000 von einer inländischen Gebietskörperschaft eingestellt worden sei. Dagegen könnten Lehrzeiten von Beamten, die vor diesem Zeitpunkt eingestellt worden seien, nur zur Hälfte als „sonstige Zeiten“ berücksichtigt werden. Daraus folge, dass diese Regelung, da sie die vor diesem Zeitpunkt eingestellten und im Allgemeinen älteren Beamten benachteilige, eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellen könnte.

39      Unter diesen Umständen hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der ein altersdiskriminierendes Besoldungssystem durch ein Besoldungssystem ersetzt wird, bei dem sich die Einstufung eines Beamten weiterhin nach dem gemäß dem alten Besoldungssystem zu einem bestimmten Überleitungsmonat (Februar 2015) nicht diskriminierungsfrei ermittelten Besoldungsdienstalter bestimmt und dabei zwar einer Korrektur hinsichtlich der ursprünglich ermittelten Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags unterzogen wird, bei dem aber hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag gelegenen Zeiten nur die sonstigen zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten einer Überprüfung unterliegen und bei dem der Ausweitung des Zeitraums, in dem Vordienstzeiten zu berücksichtigen sind, um vier Jahre damit begegnet wird, dass die sonstigen, zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur insoweit voranzusetzen sind, als sie das Ausmaß von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren übersteigen (Pauschalabzug von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren)?

2.      Ist Frage 1 für jene Verfahren anders zu beantworten, in welchen vor dem Inkrafttreten der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 rechtskräftig zwar bereits ein neuer Vorrückungsstichtag festgesetzt wurde, dieser aber noch keine Auswirkung auf die besoldungsrechtliche Stellung des Beamten hatte, weil eine Entscheidung der Behörde unter unmittelbarer Anwendung des Unionsrechts noch nicht erfolgt war, und in denen nunmehr neuerlich ohne Berücksichtigung des inzwischen festgesetzten Vorrückungsstichtags der Vergleichsstichtag abermals in Bezug auf den altersdiskriminierend festgesetzten Vorrückungsstichtag zu ermitteln ist und die sonstigen zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten dem Pauschalabzug unterliegen?

3.      Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der trotz Neuermittlung des Besoldungsdienstalters und der besoldungsrechtlichen Stellung Zeiten in einem Ausbildungsverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft bei Ermittlung des Vergleichsstichtags nur dann voranzusetzen sind, wenn der Beamte nach dem 31. März 2000 in das Dienstverhältnis eingetreten ist, und andernfalls diese Zeiten nur als sonstige zur Hälfte zu berücksichtigende Zeiten vorangestellt werden und damit dem Pauschalabzug unterliegen, wobei diese Regelung tendenziell dienstältere Beamte benachteiligt?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

40      Mit Schreiben vom 21. September 2022 hat die österreichische Regierung den Gerichtshof über eine seit dem Vorlagebeschluss eingetretene Gesetzesänderung unterrichtet, nämlich die rückwirkende Aufhebung von § 169f Abs. 1 Z 4 GehG 2020 durch die Dienstrechts-Novelle 2022 (BGBl. I 137/2022).

41      In der Folge hat der Gerichtshof an das vorlegende Gericht ein Klarstellungsersuchen gerichtet, in dem er dieses um Mitteilung ersuchte, erstens, ob es diese Gesetzesänderung bestätigen könne, zweitens, ob es unter diesen Umständen an seinem Vorabentscheidungsersuchen festhalte, und drittens, welche Schlussfolgerungen bejahendenfalls aus dieser Gesetzesänderung für das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zu ziehen seien.

42      Mit Schreiben vom 19. Oktober 2022 hat das vorlegende Gericht zunächst die rückwirkende Aufhebung von § 169f Abs. 1 Z 4 GehG 2020 bestätigt. Sodann hat es darauf hingewiesen, dass die erste und die dritte Frage von dieser Gesetzesänderung nicht betroffen seien. Was schließlich die zweite Frage betreffe, so wirke sich die in Rede stehende Gesetzesänderung nicht auf die Relevanz dieser Frage aus, da sich diese vor allem auf die Auslegung von § 169f Abs. 3 GehG 2020 beziehe. Nach den nationalen Verfahrensvorschriften werde die Auslegung seitens des vorlegenden Gerichts jedenfalls im Hinblick auf die Sach‑ und Rechtslage vorgenommen, die zum Zeitpunkt des Erlasses der im Ausgangsverfahren angefochtenen Verwaltungsentscheidung bestanden habe, weshalb später beschlossene Gesetzesänderungen auch dann irrelevant seien, wenn sie rückwirkend erfolgten. Das vorlegende Gericht hat daher beschlossen, am vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen in vollem Umfang festzuhalten.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

43      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die Einstufung eines Beamten auf der Grundlage seines Besoldungsdienstalters in einem alten Besoldungssystem erfolgt, das für diskriminierend befunden wurde, weil dieses System für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nur die Berücksichtigung der anrechenbaren Vordienstzeiten erlaubte, die nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden und damit vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten ausschloss, soweit diese Regelung eine Korrektur der ursprünglich ermittelten anrechenbaren Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags vorsieht, bei dem für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nunmehr vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte anrechenbare Vordienstzeiten berücksichtigt werden, wenn zum einen hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag zurückgelegten Zeiten nur die zur Hälfte zu berücksichtigenden „sonstigen Zeiten“ berücksichtigt werden und zum anderen diese „sonstigen Zeiten“ von drei auf sieben Jahre erhöht werden, jedoch nur insoweit berücksichtigt werden, als sie vier Jahre übersteigen.

44      Vorab ist festzuhalten, dass sich im vorliegenden Fall also die Frage stellt, ob eine vom Gerichtshof festgestellte Ungleichbehandlung wegen des Alters als beseitigt angesehen werden kann, wenn die nationale Regelung, mit der diese Ungleichbehandlung endgültig beseitigt werden soll, vorsieht, dass bei der Neuermittlung des Besoldungsdienstalters eines Beamten auch Vordienstzeiten zu berücksichtigen sind, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden, und zwar namentlich als „sonstige Zeiten“, die während eines Zeitraums von sieben Jahren anstelle des in der früheren nationalen Regelung vorgesehenen Zeitraums von drei Jahren zur Hälfte zu berücksichtigen sind, wobei diese Zeiten jedoch nur dann zur Festsetzung des Besoldungsdienstalters herangezogen werden, wenn sie vier Jahre übersteigen.

45      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Verbot jeglicher Diskriminierung u. a. wegen des Alters in Art. 21 der Charta verankert ist und durch die Richtlinie 2000/78 im Bereich von Beschäftigung und Beruf konkretisiert wurde (Urteil vom 17. November 2022, Ministero dell’Interno [Altersgrenze für die Einstellung von Polizeikommissaren], C‑304/21, EU:C:2022:897, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Daher ist in einem ersten Schritt zu untersuchen, ob die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 schafft.

47      Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist der „Gleichbehandlungsgrundsatz“ dahin zu verstehen, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie 2000/78 genannten Gründe geben darf. Nach deren Art. 2 Abs. 2 Buchst. a liegt eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Abs. 1 vor, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person.

48      Im Ausgangsverfahren sind die für diesen Vergleich maßgeblichen Personengruppen auf der einen Seite Beamte, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs – und sei es auch nur teilweise – anrechenbare Vordienstzeiten zurückgelegt haben, und auf der anderen Seite Beamte, die solche Zeiten gleicher Art und von vergleichbarer Dauer nach Erreichen dieses Alters zurückgelegt haben.

49      Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte geht hervor, dass der österreichische Gesetzgeber mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 eine neue Regelung zur Festsetzung des Besoldungsdienstalters der Beamten eingeführt hat, um die nationalen Rechtsvorschriften mit der sich aus dem Urteil Leitner ergebenden Rechtsprechung des Gerichtshofs in Einklang zu bringen.

50      Insbesondere wollte der österreichische Gesetzgeber mit dem Erlass von § 169f Abs. 1 GehG 2020 von Amts wegen die besoldungsrechtliche Stellung von im Dienststand befindlichen Beamten, auf die ein Mechanismus zu einer Neueinstufung angewandt wurde, die anhand eines „Überleitungsbetrags“ gemäß § 169c Abs. 2 GehG 2015 vorgenommen wurde, festlegen, obwohl dieser Überleitungsbetrag auf der Grundlage von Vorschriften ermittelt worden war, die für die Berücksichtigung anrechenbarer Vordienstzeiten danach unterschieden, ob die fraglichen Zeiten vor oder nach dem 18. Geburtstag der Betroffenen lagen.

51      Im Urteil Leitner hat der Gerichtshof jedoch entschieden, dass bei der Überleitung von im Dienststand befindlichen Beamten in ein neues Besoldungs- und Vorrückungssystem gemäß § 169c Abs. 2 GehG 2015, in dem sich die erste Einstufung dieser Beamten nach ihrem letzten gemäß dem alten System bezogenen Gehalt richtete, die mit diesem früheren System eingeführte unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne der Richtlinie 2000/78 aufrechterhalten wird.

52      Daher ist zu prüfen, ob die mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 vorgenommenen Änderungen diese dem früheren Besoldungssystem innewohnende unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters tatsächlich und endgültig beseitigt haben.

53      Die durch dieses Gesetz eingeführte Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters erfolgt in zwei Schritten. In einem ersten Schritt wird gemäß § 169f Abs. 4 GehG 2020 das am 28. Februar 2015 geltende Besoldungsdienstalter übernommen. Dieses Besoldungsdienstalter wird anhand des Überleitungsbetrags im Sinne von § 169c Abs. 2 GehG 2015 ermittelt, d. h. des Bruttogehalts, das bei der Bemessung des Monatsbezugs eines Beamten für Februar 2015 (Überleitungsmonat) zugrunde gelegt wurde.

54      In einem zweiten Schritt kann das Besoldungsdienstalter nach § 169f Abs. 4 Satz 2 GehG 2020 durch Berücksichtigung der Differenz zwischen dem Vorrückungsstichtag und einem nach den Modalitäten von § 169g GehG 2020 ermittelten Vergleichsstichtag angepasst werden, um das Besoldungsdienstalter gegebenenfalls um die Dauer des zuvor bei der Berücksichtigung der Vordienstzeiten des Beamten erlittenen Nachteils zu erhöhen.

55      Zum einen ergibt sich jedoch aus dem Urteil Leitner (Rn. 37), dass das sich aus dem GehG 2015 ergebende Besoldungsdienstalter geeignet ist, die Wirkungen des alten Besoldungs- und Vorrückungssystems aufgrund der Verbindung aufrechtzuerhalten, die dieses Besoldungsdienstalter zwischen dem letzten Gehalt, das unter dem alten System bezogen wurde, und der Einstufung in das neue Besoldungs‑ und Vorrückungssystem herstellt.

56      Da die Überleitung ohne Unterscheidung zwischen Beamten, die durch das alte Besoldungs- und Vorrückungssystem benachteiligt wurden, und solchen, die nicht benachteiligt wurden, erfolgt, ist festzustellen, dass sich das auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbare österreichische Besoldungssystem dem Anschein nach weiterhin zumindest in einem ersten Schritt auf den ausweislich des Urteils Leitner in diskriminierender Weise ermittelten Vorrückungsstichtag und den sich daraus ergebenden Überleitungsbetrag stützt.

57      Zum anderen wird der Vergleichsstichtag nach § 169g Abs. 1 GehG 2020 unter Voranstellung der nach Vollendung des 14. Lebensjahrs zurückgelegten anrechenbaren Vordienstzeiten ermittelt, wobei dieses Alter das nach dem Unionsrecht für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Mindestalter ist, was u. a. die Berücksichtigung von auch vor dem 18. Geburtstag des Beamten zurückgelegten Zeiten nach § 169g Abs. 2 Z 1 GehG 2020 ermöglicht, also im Wesentlichen von bestimmten zur Gänze zu berücksichtigenden Arbeits- und Ausbildungszeiten und von den oben in Rn. 44 erwähnten „sonstigen Zeiten“.

58      Nach den Erläuterungen der österreichischen Regierung führte diese Neuermittlung von den bis dahin abgeschlossenen 48 047 Fällen in 19 463 Fällen zu einer Verlängerung des Besoldungsdienstalters um einen Zeitraum von einem Monat bis zu einem Jahr und in 2 821 Fällen zu einer Verlängerung des Besoldungsdienstalters um mehr als ein Jahr, wobei die letztgenannten Fälle zumeist Bedienstete umfassten, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs ein Arbeitsverhältnis eingegangen waren oder – wie Herr Hütter in dem der Rechtssache C‑88/08 zugrunde liegenden Ausgangsrechtsstreit – eine anrechenbare Ausbildung begonnen hatten und für die diese Zeiten nunmehr in vollem Umfang als Vordienstzeiten für die Festsetzung ihres Besoldungsdienstalters angerechnet werden müssen.

59      Vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht zeigt sich somit, dass der Vergleichsstichtag es tatsächlich ermöglicht hat, vor dem 18. Lebensjahr des Beamten zurückgelegte anrechenbare Zeiten zu berücksichtigen, um das zuvor auf der Grundlage von § 169c GehG 2015 ohne Berücksichtigung dieser Zeiten festgesetzte Dienstalter zu korrigieren.

60      Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass nach § 169g Abs. 6 GehG 2020 nicht alle anrechenbaren Zeiten vor der Einstellung des betreffenden Beamten zu berücksichtigen seien, da nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Zeiten, die bereits für die Festsetzung des Vorrückungsstichtags bewertet worden seien, nicht neu bewertet werden könnten.


61      Nach dem „Pauschalabzug“ nach § 169g Abs. 4 GehG 2020 sind jedoch „sonstige Zeiten“, die zur Hälfte berücksichtigt werden, bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur dann voranzustellen, wenn sie das Ausmaß von vier Jahren übersteigen.

62      Hierzu stellt das vorlegende Gericht fest, dass zwar die Obergrenze der „sonstigen Zeiten“, die nach § 12 Abs. 1 Z 2 lit. b des Gehaltsgesetzes 1956 in der durch die 2. Dienstrechts-Novelle 2007 geänderten Fassung zur Hälfte zu berücksichtigen seien, durch § 169g Abs. 3 Z 4 GehG 2020 von drei auf sieben Jahre angehoben worden sei, jedoch § 169g Abs. 4 GehG zur Folge habe, dass diese Anhebung der Obergrenze für „sonstige Zeiten“ auf sieben Jahre durch den in dieser Bestimmung vorgesehenen Pauschalabzug von vier Jahren ausgeglichen werde.

63      Dabei ist zum einen darauf hinzuweisen, dass § 169g Abs. 4 GehG 2020 offenbar für alle im Dienststand befindlichen Beamten gilt, ohne danach zu unterscheiden, ob diese Beamten durch das Besoldungs- und Vorrückungssystem des GehG 2015 wegen ihres jeweiligen Alters benachteiligt wurden, was ebenfalls vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist. Zum anderen ist der in dieser Bestimmung vorgesehene Pauschalabzug von vier Jahren offenbar unabhängig davon vorzunehmen, in welchem Alter der Beamte die genannten „sonstigen Zeiten“ einer Berufstätigkeit, d. h. vor oder nach seinem 18. Geburtstag, zurückgelegt hat.

64      Allerdings führt der Umstand, dass die zur Hälfte erfolgende Berücksichtigung der im Alter von 14 bis 18 Jahren zurückgelegten anrechenbaren Zeiten durch die Anwendung des in § 169g Abs. 4 GehG 2020 vorgesehenen Pauschalabzugs von vier Jahren neutralisiert wird, dazu, dass Beamte, die nur über solche vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Zeiten verfügen, wohl keinen Anspruch auf eine Verbesserung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung haben.

65      Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall die Lehrzeiten der Kläger des Ausgangsverfahrens aufgrund des in § 169g Abs. 4 GehG 2020 vorgesehenen Pauschalabzugs von vier Jahren keinen wesentlichen Einfluss auf die Ermittlung des Vergleichsstichtags hatten, und zwar trotz der Anhebung der Obergrenze der „sonstigen Zeiten“ für den zu berücksichtigenden Zeitraum um vier Jahre, und damit auch nicht auf die Festsetzung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung.

66      Vorbehaltlich der Beurteilung durch das vorlegende Gericht scheint daher die 2. Dienstrechts-Novelle 2019 die im Urteil Leitner festgestellte Diskriminierung wegen des Alters nicht beseitigt zu haben, denn insbesondere die Festsetzung des Besoldungsdienstalters erfolgt weiterhin in Ansehung einer Ungleichbehandlung von Beamten, deren Berufserfahrung, sei es auch nur teilweise, vor Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben wurde, und solchen, die nach Vollendung des 18. Lebensjahrs eine Berufserfahrung von gleicher Art und von vergleichbarer Dauer erworben haben.


67      In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt sein könnte.

68      Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

69      Im vorliegenden Fall geht aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesetzesänderungen des Besoldungs- und Vorrückungssystems offenbar sowohl von Haushaltserwägungen als auch von administrativen Erwägungen geleitet sind, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

70      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können Haushaltserwägungen zwar den sozialpolitischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats zugrunde liegen und die Art oder das Ausmaß der von ihm zu treffenden sozialen Schutzmaßnahmen beeinflussen, für sich allein aber kein legitimes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 darstellen (Urteil vom 21. Juli 2011, Fuchs und Köhler, C‑159/10 und C‑160/10, EU:C:2011:508, Rn. 74). Das Gleiche gilt für die von der österreichischen Regierung angeführten administrativen Erwägungen (Urteil Leitner, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Auch wenn die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung somit die Wahrung des Besitzstands und den Schutz des berechtigten Vertrauens der vom Besoldungssystem des GehG 2015 begünstigten Beamten sicherzustellen vermag, scheint sie nicht geeignet, für die von diesem Besoldungs- und Vorrückungssystem benachteiligten Beamten ein diskriminierungsfreies System zu schaffen, da sie ihnen gegenüber die durch das frühere System geschaffene Diskriminierung wegen des Alters festzuschreiben scheint (vgl. entsprechend Urteil Leitner, Rn. 49).

72      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die Einstufung eines Beamten auf der Grundlage seines Besoldungsdienstalters in einem alten Besoldungssystem erfolgt, das für diskriminierend befunden wurde, weil dieses System für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nur die Berücksichtigung der anrechenbaren Vordienstzeiten erlaubte, die nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden und damit vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten ausschloss, soweit diese Regelung eine Korrektur der ursprünglich ermittelten anrechenbaren Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags vorsieht, bei dem für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nunmehr vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte anrechenbare Vordienstzeiten berücksichtigt werden, wenn zum einen hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag zurückgelegten Zeiten nur die zur Hälfte zu berücksichtigenden „sonstigen Zeiten“ berücksichtigt werden und zum anderen diese „sonstigen Zeiten“ von drei auf sieben Jahre erhöht werden, jedoch nur insoweit berücksichtigt werden, als sie vier Jahre übersteigen.

 Zur zweiten Frage

73      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, die für Beamte, bei denen am Tag der Kundmachung einer Gesetzesänderung des Besoldungssystems ein Verfahren zur Neufestsetzung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung anhängig war, vorsieht, dass die Bezüge nach den neuen Bestimmungen über den Vergleichsstichtag – die neue Begrenzungen in Bezug auf die Höchstdauer der anrechenbaren Zeiten enthalten – neu ermittelt werden, wohingegen eine solche Ermittlung nicht für Beamte vorgenommen wird, bei denen ein zuvor eingeleitetes Verfahren mit gleichem Gegenstand bereits durch eine rechtskräftige Entscheidung abgeschlossen war, die auf einem Stichtag beruht, der nach dem alten Besoldungssystem, dessen vom nationalen Richter für diskriminierend befundene Bestimmungen in unmittelbarer Anwendung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung unangewendet blieben, günstiger festgesetzt wurde.

74      Zur Beantwortung dieser Frage ist zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung dadurch, dass sie die Neuermittlung der Bezüge auf der Grundlage der Bestimmungen über den Vergleichsstichtag davon abhängig macht, ob am Tag der Kundmachung dieser Regelung ein Verfahren zur Neufestsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung des Beamten anhängig oder abgeschlossen war, eine unionsrechtswidrige Ungleichbehandlung begründet.

75      Insoweit geht zum einen aus § 169f Abs. 3 GehG 2020 hervor, dass bei am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 anhängigen Verfahren, die die Berücksichtigung von Vordienstzeiten von Beamten zum Gegenstand haben, die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags, die Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters oder die Festsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung dieser Beamten im Rahmen dieser Verfahren erfolgt.

76      Zum anderen ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 169f Abs. 1 Z 4 GehG 2020, dass von einer solchen Neueinstufung Beamte ausgeschlossen sind, für die am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 ein neuer Vorrückungsstichtag bereits rechtskräftig festgesetzt war, wobei die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten dieser Beamten auf einen entsprechenden Antrag hin angerechnet wurden, so dass die Anwendung dieses neuen Stichtags zu einer Verbesserung der besoldungsrechtlichen Stellung der betroffenen Beamten führte.

77      In Bezug auf vergleichbare Personengruppen scheint § 169f Abs. 3 GehG 2020 vorbehaltlich einer Beurteilung durch das vorlegende Gericht daher zu bewirken, dass Beamte, die Verfahren abschließen konnten, in denen sie das Vorliegen einer Diskriminierung wegen des Alters geltend gemacht hatten, in den Genuss einer vollständigen Berücksichtigung ihrer vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten kommen. Falls solche Verfahren am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, d. h. am 8. Juli 2019, noch nicht abgeschlossen waren, werden die betroffenen Beamten hingegen wie alle anderen Beamten behandelt, für die die Korrektur des Vergleichsstichtags von Amts wegen vorzunehmen ist.

78      Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht ist somit für die erste Kategorie von Beamten die Behandlung beendet worden, die der Gerichtshof im Urteil Leitner für diskriminierend befunden hat, da diese Beamten in den Genuss der in Rn. 75 dieses Urteils dargelegten Lösung kommen konnten, die u. a. darin bestand, dass den vom alten Besoldungs- und Vorrückungssystem benachteiligten Beamten bis zum Erlass von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung dieselben Vorteile gewährt wurden wie den von diesem System begünstigten Beamten, und zwar sowohl hinsichtlich der Berücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten als auch hinsichtlich der Vorrückung im Besoldungsschema. Dagegen ist dies, wie sich aus der Antwort des Gerichtshofs auf die erste Frage ergibt, bei der zweiten Kategorie von Beamten nicht der Fall.

79      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass das Finanzamt für die in diese zweite Kategorie fallenden Kläger des Ausgangsverfahrens jeweils einen neuen Vorrückungsstichtag ermittelt habe, wobei gegenüber dem nach ihrer Einstellung auf sie angewandten Vorrückungsstichtag drei weitere Jahre berücksichtigt worden seien. Diese Neuermittlung habe jedoch nicht zu einer Verbesserung der besoldungsrechtlichen Stellung dieser Kläger geführt, da die sie betreffenden Verfahren am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 noch anhängig gewesen seien. Der Vergleichsstichtag müsse sich daher erneut aus dem nach ihrer Einstellung auf sie angewandten Vorrückungsstichtag ergeben, d. h. aus einem Stichtag, der in diskriminierender Weise ermittelt worden sei. Daraus folge, dass sich der für die Kläger des Ausgangsverfahrens geltende Vorrückungsstichtag nicht um drei weitere Jahre, sondern nur um einige Tage verbessert habe.

80      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Maßnahmen zur Beseitigung von unionsrechtswidrigen Diskriminierungen – einschließlich individueller Maßnahmen, durch die den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie den Angehörigen der begünstigten Gruppe – eine Durchführung des Unionsrechts darstellen, die unionsrechtlichen Anforderungen genügen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Oktober 2019, Safeway, C‑171/18, EU:C:2019:839, Rn. 37).

81      Zu diesen Anforderungen gehören diejenigen, die sich aus dem in Art. 20 der Charta verankerten allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergeben.

82      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass eine nationale Regelung wie § 169f Abs. 3 GehG 2020, die unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bewirkt, dass Beamte, die ein Verfahren angestrengt haben, um eine Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtags auf der Grundlage ihrer vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten zu erreichen, unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob die für die Überprüfung dieser Zeiten zuständigen Behörden oder Gerichte bereits rechtskräftig entschieden haben oder nicht, gegen den in Art. 20 der Charta verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung und den Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt, die eine gleiche und vorhersehbare Behandlung aller Beamten verlangen, die sich zeitlich in der gleichen Situation befinden, da die Berücksichtigung dieser Zeiten von Umständen abhängt, die nicht in der Sphäre der betroffenen Beamten liegt, wie der Dauer der Bearbeitung ihrer Anträge (vgl. entsprechend Urteil vom 9. September 2021, Bundesrepublik Deutschland [Familienangehöriger], C‑768/19, EU:C:2021:709, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass der in Art. 20 der Charta verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der Rechtssicherheit dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für Beamte, bei denen am Tag der Kundmachung einer Gesetzesänderung des Besoldungssystems ein Verfahren zur Neufestsetzung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung anhängig war, vorsieht, dass die Bezüge nach den neuen Bestimmungen über den Vergleichsstichtag – die neue Begrenzungen in Bezug auf die Höchstdauer der anrechenbaren Zeiten enthalten – neu ermittelt werden, so dass eine gegen die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta verstoßende Diskriminierung wegen des Alters nicht beseitigt wird, wohingegen eine solche Ermittlung nicht für Beamte vorgenommen wird, bei denen ein zuvor eingeleitetes Verfahren mit gleichem Gegenstand bereits durch eine rechtskräftige Entscheidung abgeschlossen war, die auf einem Stichtag beruht, der nach dem alten Besoldungssystem, dessen vom nationalen Richter für diskriminierend befundene Bestimmungen in unmittelbarer Anwendung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung unangewendet blieben, günstiger festgesetzt wurde.

 Zur dritten Frage

84      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der bei einer inländischen Gebietskörperschaft absolvierte Lehrzeiten bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur dann in vollem Umfang berücksichtigt werden, wenn der betreffende Beamte nach einem bestimmten Zeitpunkt vom Staat eingestellt wurde, während Lehrzeiten zur Hälfte berücksichtigt werden und einem Pauschalabzug unterliegen, wenn der betreffende Beamte vor diesem Zeitpunkt vom Staat eingestellt wurde.

85      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich ausweislich Rn. 47 des vorliegenden Urteils aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit deren Art. 1 ergibt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz im Sinne dieser Richtlinie verlangt, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung u. a. wegen des Alters geben darf. Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne dieser Richtlinie liegt gemäß deren Art. 2 Abs. 2 Buchst. b vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen eines bestimmten Alters gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

86      Um festzustellen, ob sich die Kläger des Ausgangsverfahrens auf den in der vorstehenden Randnummer genannten Grundsatz berufen können, ist daher zu prüfen, ob unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die vom österreichischen Bund bis einschließlich 31. März 2000 eingestellten Beamten und die ab diesem Zeitpunkt eingestellten Beamten wegen ihres Alters zum Zeitpunkt ihrer Einstellung unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandelt werden.

87      Hierzu ist festzustellen, dass gemäß § 169g Abs. 3 Z 5 GehG 2020 Lehrzeiten bei einer inländischen Gebietskörperschaft bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur berücksichtigt werden, wenn der betreffende Beamte nach dem 31. März 2000 ein Dienstverhältnis zum österreichischen Bund eingegangen ist.

88      Im vorliegenden Fall können die von den Klägern der Ausgangsverfahren bei einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegten Lehrzeiten bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nicht in vollem Umfang berücksichtigt werden, da sie jeweils vor dem 31. März 2000 vom österreichischen Bund eingestellt wurden.

89      Daraus folgt, dass sich diese Ungleichbehandlung aus dem Zeitpunkt der Einstellung der Beamten durch den Bund ergibt, denn nach diesem Zeitpunkt richtet sich die Anwendung der Vorschriften über die Berücksichtigung von Lehrzeiten.

90      Als einziges relevantes Kriterium für die Anwendung der Regelung über die Berücksichtigung von Lehrzeiten nach dem GehG 2020 stellt der Zeitpunkt der Einstellung des Beamten durch den österreichischen Bund im Sinne von § 169g Abs. 3 Z 5 GehG 2020 jedoch ein vom Alter des Beamten zum Zeitpunkt seiner Einstellung unabhängiges Kriterium dar. Dieses Kriterium, das die Anwendung der neuen Regelung allein von dem objektiven und neutralen Element des Zeitpunkts der Einstellung des Beamten abhängig macht, hat daher offensichtlich nichts mit einer Berücksichtigung des Alters der eingestellten Personen zu tun (Urteil vom 14. Februar 2019, Horgan und Keegan, C‑154/18, EU:C:2019:113, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91      Folglich beruhen die neuen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Lehrzeiten bei einer inländischen Gebietskörperschaft nach Maßgabe des Zeitpunkts des Dienstantritts beim österreichischen Bund auf einem Kriterium, das nichts mit dem Alter der betreffenden Beamten zu tun hat, wobei auch sonst nichts darauf hindeutet, dass diese Voraussetzungen irgendeine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters bewirken würden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Oktober 2022, Curtea de Apel Alba Iulia u. a., C‑301/21, EU:C:2022:811, Rn. 58 und 59 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie nicht einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der bei einer inländischen Gebietskörperschaft absolvierte Lehrzeiten bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur dann in vollem Umfang berücksichtigt werden, wenn der betreffende Beamte nach einem bestimmten Zeitpunkt vom Staat eingestellt wurde, während Lehrzeiten zur Hälfte berücksichtigt werden und einem Pauschalabzug unterliegen, wenn der betreffende Beamte vor diesem Zeitpunkt vom Staat eingestellt wurde.

 Kosten

93      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf in Verbindung mit Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

sind dahin auszulegen,

dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die Einstufung eines Beamten auf der Grundlage seines Besoldungsdienstalters in einem alten Besoldungssystem erfolgt, das für diskriminierend befunden wurde, weil dieses System für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nur die Berücksichtigung der anrechenbaren Vordienstzeiten erlaubte, die nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden und damit vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten ausschloss, soweit diese Regelung eine Korrektur der ursprünglich ermittelten anrechenbaren Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags vorsieht, bei dem für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nunmehr vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte anrechenbare Vordienstzeiten berücksichtigt werden, wenn zum einen hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag zurückgelegten Zeiten nur die zur Hälfte zu berücksichtigenden „sonstigen Zeiten“ berücksichtigt werden und zum anderen diese „sonstigen Zeiten“ von drei auf sieben Jahre erhöht werden, jedoch nur insoweit berücksichtigt werden, als sie vier Jahre übersteigen.

2.      Der in Art. 20 der Charta der Grundrechte verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der Rechtssicherheit

sind dahin auszulegen,

dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für Beamte, bei denen am Tag der Kundmachung einer Gesetzesänderung des Besoldungssystems ein Verfahren zur Neufestsetzung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung anhängig war, vorsieht, dass die Bezüge nach den neuen Bestimmungen über den Vergleichsstichtag – die neue Begrenzungen in Bezug auf die Höchstdauer der anrechenbaren Zeiten enthalten – neu ermittelt werden, so dass eine gegen die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta der Grundrechte verstoßende Diskriminierung wegen des Alters nicht beseitigt wird, wohingegen eine solche Ermittlung nicht für Beamte vorgenommen wird, bei denen ein zuvor eingeleitetes Verfahren mit gleichem Gegenstand bereits durch eine rechtskräftige Entscheidung abgeschlossen war, die auf einem Stichtag beruht, der nach dem alten Besoldungssystem, dessen vom nationalen Richter für diskriminierend befundene Bestimmungen in unmittelbarer Anwendung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung unangewendet blieben, günstiger festgesetzt wurde.

3.      Die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta der Grundrechte

sind dahin auszulegen,

dass sie nicht einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der bei einer inländischen Gebietskörperschaft absolvierte Lehrzeiten bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur dann in vollem Umfang berücksichtigt werden, wenn der betreffende Beamte nach einem bestimmten Zeitpunkt vom Staat eingestellt wurde, während Lehrzeiten zur Hälfte berücksichtigt werden und einem Pauschalabzug unterliegen, wenn der betreffende Beamte vor diesem Zeitpunkt vom Staat eingestellt wurde.

Prechal

Arastey Sahún

Biltgen

Wahl

 

Passer

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. April 2023.

Der Kanzler

 

Die Kammerpräsidentin

A. Calot Escobar

 

A. Prechal


*      Verfahrenssprache: Deutsch.