Language of document : ECLI:EU:C:2009:305

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

VERICA Trstenjak

vom 14. Mai 2009(1)

Rechtssache C‑40/08

Asturcom Telecomunicaciones SL

gegen

Cristina Rodríguez Nogueira

(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de Primera Instancia n°4 de Bilbao [Spanien])

„Verbraucherschutz – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Befugnis eines nationalen Gerichts, das über einen Antrag auf Zwangsvollstreckung zu entscheiden hat, die Frage der Nichtigkeit einer Schiedsvereinbarung von Amts wegen zu prüfen – Verpflichtung, bei der Anwendung des nationalen Rechts die Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten“





I –    Einleitung

1.        Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren befasst der Juzgado de Primera Instancia n°4 de Bilbao (im Folgenden: vorlegendes Gericht) den Gerichtshof mit einer Vorlagefrage zur Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen(2).

2.        Im Einzelnen geht es dabei um die Frage, ob sich aus dem Richtlinienziel des Verbraucherschutzes ergibt, dass der nationale Richter, der über einen Antrag auf Zwangsvollstreckung zu entscheiden hat, die Frage der Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung von Amts prüfen und in der Folge den Schiedsspruch aufheben kann, weil die Schiedsvereinbarung seiner Auffassung nach eine missbräuchliche Klausel zum Nachteil des Verbrauchers enthält.

II – Normativer Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

3.        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sieht Folgendes vor:

„Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.“

4.        Art. 6 Abs. 1 derselben Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

5.        In Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

6.        Der Anhang der Richtlinie enthält eine als Hinweis dienende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können. Unter diesen nennt Nr. 1 Buchst. q die Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass „dem Verbraucher die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird, und zwar insbesondere dadurch, dass er ausschließlich auf ein nicht unter die rechtlichen Bestimmungen fallendes Schiedsgerichtsverfahren verwiesen wird, die ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel ungebührlich eingeschränkt werden oder ihm die Beweislast auferlegt wird, die nach dem geltenden Recht einer anderen Vertragspartei obläge“.

B –    Nationales Recht

7.        Im spanischen Recht wurden Verbraucher gegen missbräuchliche Vertragsklauseln zunächst durch die Ley General 26/1984 para la Defensa de los Consumidores y Usuarios (Allgemeines Gesetz über den Schutz der Verbraucher und Benutzer Nr. 26/1984) vom 10. Juli 1984 (BOE Nr. 176 vom 24. Juli 1984, im Folgenden: Ley 26/1984) geschützt.

8.        Die Ley 26/1984 wurde durch die Ley 7/1998 sobre Condiciones Generales de la Contratación (Gesetz Nr. 7/1998 über allgemeine Geschäftsbedingungen) vom 13. April 1998 (BOE Nr. 89 vom 14. April 1998, im Folgenden: Ley 7/1998) geändert, die die Richtlinie in das innerstaatliche Recht umsetzte.

9.        Durch die Ley 7/1998 wurde der Ley 26/1984 u. a. Art. 10bis hinzugefügt, dessen Abs. 1 bestimmt:

„Als missbräuchliche Klauseln sind alle nicht im Einzelnen ausgehandelten Vertragsbestimmungen anzusehen, die entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien verursachen. Auf jeden Fall sind die in der Zusatzbestimmung dieses Gesetzes aufgeführten Fälle von Vertragsbestimmungen als missbräuchliche Klauseln anzusehen.

…“

10.      Art. 8 der Ley 7/1998 bestimmt:

„(1)  Die allgemeinen Bedingungen, die zum Nachteil der den Vertrag annehmenden Partei gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes oder gegen irgendeine andere zwingende Norm verstoßen, sind nichtig, sofern die Norm keine andere Folge für den Fall der Verletzung vorsieht.

(2)       Insbesondere sind missbräuchliche allgemeine Klauseln in Verbraucherverträgen nichtig, wobei solche Klauseln auf jeden Fall diejenigen sind, die in Artikel 10bis und der ersten Zusatzbestimmung der Ley 26/1984 … umschrieben sind.“

11.      Zum maßgeblichen Zeitpunkt wurde das Schiedsverfahren von der Ley 60/2003 de Arbitraje (Gesetz Nr. 60/2003 über das Schiedsverfahren) vom 23. Dezember 2003 (BOE Nr. 309 vom 26. Dezember 2003, im Folgenden: Ley 60/2003) geregelt.

12.      Art. 8 Abs. 4 und 5 der Ley 60/2003 bestimmt Folgendes:

„(4)  Das erstinstanzliche Gericht des Ortes, an dem der Schiedsspruch verkündet wurde, ist für die Entscheidung über die Zwangsvollstreckung zuständig gemäß Art. 545 Abs. 2 des Zivilprozessgesetzes …

(5)       Die Klage gegen den Schiedsspruch wegen Nichtigkeit ist vor der Audiencia Provincial des Ortes zu erheben, an dem dieser ergangen ist.“

13.      Art. 22 der Ley 60/2003 bestimmt Folgendes:

„(1)  Das Schiedsgericht kann über die eigene Zuständigkeit und im Zusammenhang hiermit über das Bestehen oder die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung oder jede andere Einrede entscheiden, deren Begründetheit einer Entscheidung in der Sache entgegenstünde. Hierbei ist eine Schiedsvereinbarung, die in einem Vertrag enthalten ist, als eine von den übrigen Bestimmungen dieses Vertrags unabhängige Vereinbarung zu behandeln. Eine Entscheidung des Schiedsgerichts, durch die der Vertrag für nichtig erklärt wird, führt als solche nicht zur Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung.

(2)       Einreden im Sinne des vorstehenden Absatzes sind spätestens mit der Klagebeantwortung vorzubringen. Von der Erhebung einer solchen Einrede ist eine Partei nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie einen Schiedsrichter bestellt oder an der Bestellung eines Schiedsrichters mitgewirkt hat. Die Rüge, das Schiedsgericht überschreite seine Befugnisse, ist zu erheben, sobald die Frage, in der die Überschreitung liegen soll, im schiedsrichterlichen Verfahren zur Erörterung kommt.“

14.      Art. 40 der Ley 60/2003 lautet:

„Gegen einen Schiedsspruch kann der Antrag auf gerichtliche Aufhebung nach den Bestimmungen dieses Titels gestellt werden.“

15.      Art. 41 Abs. 1 der Ley 60/2003 enthält die folgenden Bestimmungen:

„Ein Schiedsspruch kann nur aufgehoben werden, wenn die Partei, die die Aufhebung begehrt, vorträgt und dartut, dass

a)      die Schiedsvereinbarung nicht besteht oder unwirksam ist,

b)      sie von der Bestellung eines Schiedsrichters oder von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist oder dass sie aus einem anderen Grund ihre Rechte nicht hat geltend machen können,

f)      der Schiedsspruch der öffentlichen Ordnung (ordre public) zuwiderläuft.“

16.      Art. 43 der Ley 60/2003 lautet:

„Der rechtskräftige Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. Gegen ihn kann nur die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens nach den Vorschriften der Ley de Enjuiciamiento Civil (Zivilprozessgesetz) beantragt werden.“

17.      Gemäß Art. 44 der Ley 60/2003 gelten für die Zwangsvollstreckung aus Schiedssprüchen die Vorschriften des Zivilprozessgesetzes und des Titels VIII der Ley 60/2003.

18.      Gemäß Art. 517 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes 1/2000 (Zivilprozessgesetz) vom 7. Januar 2000 (BOE vom 8. Januar 2000, im Folgenden: Ley 1/2000) sind Schiedssprüche bzw. Entscheidungen von Schiedsgerichten vollstreckbar.

19.      Art. 556 Abs. 1 der Ley 1/2000 sieht das Recht des Vollstreckungsschuldners vor, binnen zehn Tagen nach Mitteilung des Vollstreckungsbeschlusses Einreden gegen die Vollstreckung zu erheben.

20.      Art. 559 Abs. 1 der Ley 1/2000 führt einige Verfahrensfehler auf, die der Vollstreckungsschuldner der Vollstreckung entgegensetzen kann.

III – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

21.      Frau María Cristina Rodríguez Nogueira (im Folgenden: Vollstreckungsschuldnerin) schloss am 24. Mai 2004 mit dem Dienstleister Asturcom Telecomunicaciones SL (im Folgenden: Asturcom) einen Mobiltelefonvertrag für Privatpersonen. Dieser Vertrag enthielt eine Schiedsvereinbarung, die jeden Rechtsstreit betreffend die Erfüllung des Vertrags der Schiedsgerichtsbarkeit der Asociación Europea de Arbitraje de Derecho y Equidad (Europäischer Verband für Schieds- und Billigkeitsentscheidungen, im Folgenden: AEADE) unterwarf.

22.      In dem Vertrag verpflichtete sich die Vollstreckungsschuldnerin u. a. zur Aufrechterhaltung des Anschlusses über 18 Monate ab der effektiven Aktivierung des Dienstes und zu einem Mindestverbrauch von 6 Euro pro Anschluss. Gleichzeitig verpflichtete sie sich, die mit dem Dienstleister vereinbarten Vertragsbedingungen nicht zu ändern. Sie verpflichtete sich zur Zahlung der Rechnungen sowie dazu, andere Anschlüsse desselben Dienstleisters nicht abzumelden. Vereinbart wurde ferner, dass der Kunde bei Nichterfüllung des Vertrags pro Anschluss an den Dienstleister einen Betrag von 300 Euro zu zahlen hat, der im Einzelfall in dem statthaften Verfahren festgesetzt wird.

23.      Da die Vollstreckungsschuldnerin einige Rechnungen nicht beglich und den Vertrag vor Ablauf der Mindestlaufzeit des Vertrags kündigte, reichte Asturcom am 16. Februar 2005 bei der AEADE in Bilbao einen Antrag auf Durchführung des schiedsgerichtlichen Verfahrens gegen sie wegen Nichterfüllung des Vertrags ein.

24.      Mit Schiedsspruch vom 14. April 2005 wurde die Vollstreckungsschuldnerin zur Zahlung eines Betrags von insgesamt 669,69 Euro verpflichtet. Da sie keine Nichtigkeitsklage gegen den Schiedsspruch erhob, ist der Schiedsspruch rechtskräftig geworden.

25.      Am 29. Oktober 2007 reichte Asturcom einen Vollstreckungsantrag gegen Frau Rodríguez Nogueira ein, mit dem sie gegen diese die Vollstreckung wegen des oben genannten Betrags zuzüglich 300 Euro Zinsen und Kosten beantragte.

26.      In seinem Vorlagebeschluss legt das vorlegende Gericht zunächst die Gründe dar, warum es die im Vertrag enthaltene Schiedsvereinbarung für missbräuchlich hält. Hierzu weist es u. a. auf die Tatsache hin, dass der mit dem Schiedsverfahren beauftragte Verband die Mobiltelefonverträge selbst entwirft, dass in der Schiedsvereinbarung weder angegeben wird, in welcher Stadt das Schiedsgericht seinen Sitz hat, noch die Möglichkeit eingeräumt wird, zwischen verschiedenen Städten zu wählen, und dass die Kosten einer Reise zum Ort des Schiedsverfahrens höher als die Hauptforderung sind.

27.      Gleichwohl erklärt das vorlegende Gericht, dass das spanische Gesetz über das Schiedsverfahren die Schiedsgerichte weder verpflichte noch ermächtige, von Amts wegen die Schiedsvereinbarung zu prüfen und nichtige oder missbräuchliche Schiedsvereinbarungen für nichtig zu erklären.

28.      Das vorlegende Gericht hegt Zweifel an der Vereinbarkeit der verfahrensrechtlichen Bestimmungen mit dem Gemeinschaftsrecht. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt, um dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Kann sich aus dem Verbraucherschutz gemäß der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ergeben, dass das Gericht, das über einen Antrag auf Zwangsvollstreckung aus einem in Abwesenheit des Verbrauchers ergangenen rechtskräftigen Schiedsspruch zu entscheiden hat, die Frage der Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung von Amts wegen prüft und in der Folge den Schiedsspruch aufhebt, weil die Schiedsvereinbarung seiner Auffassung nach eine missbräuchliche Klausel zum Nachteil des Verbrauchers enthält?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

29.      Der Vorlagebeschluss mit Datum vom 29. Januar 2008 ist am 5. Februar 2008 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

30.      Schriftliche Erklärungen haben Asturcom, die Regierungen des Königreichs Spanien und der Republik Ungarn sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften innerhalb der in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs genannten Frist eingereicht.

31.      Da keiner der Beteiligten die Eröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt hat, konnten nach der Generalversammlung des Gerichtshofs am 10. Februar 2009 die Schlussanträge in dieser Rechtssache ausgearbeitet werden.

V –    Wesentliche Argumente der Parteien

32.      Asturcom schlägt vor, die Frage des vorlegenden Gerichts zu verneinen. Sie erinnert daran, dass auch wenn die spanische Rechtsordnung dem nationalen Richter keine entsprechende Befugnis ausdrücklich einräume, dieser dennoch aufgrund des Urteils Mostaza Claro(3) berechtigt sei, von Amts wegen die Frage der Nichtigkeit einer Schiedsklausel im Rahmen einer Nichtigkeitsklage zu überprüfen. Daraus folge, dass die nationale Gesetzgebung den Anforderungen, die das Gemeinschaftsrecht im Bereich des Schutzes der Verbraucher gegen missbräuchliche Klauseln festlege, entspreche.

33.      Asturcom weist ferner darauf hin, dass die Rechtsprechung des spanischen Tribunal Constitucional (Verfassungsgericht) schiedsgerichtliche und gerichtliche Entscheidungen gleichstelle, so dass, sofern ein Schiedsspruch – wie im Ausgangsfall – nicht innerhalb einer zweimonatigen Frist ab Zustellung angefochten werde, dieser ähnlich wie ein unanfechtbares und vollstreckbares Gerichtsurteil Rechtskraft erlange. Demzufolge könne ein für die Vollstreckung eines unanfechtbaren Schiedsspruchs zuständiges Gericht nicht ab initio und von Amts wegen überprüfen, ob eine Schiedsvereinbarung wirksam oder nichtig sei, und somit die Anordnung der Zwangsvollstreckung verweigern, was übrigens die Audiencia Provincial de Madrid in ihrer Rechtsprechung klargestellt habe.

34.      Eine solche Auslegung ermögliche es nicht nur, den Grundsatz der Rechtssicherheit zu wahren, der in der Rechtskraft zum Ausdruck komme, sondern sei mit dem bereits erwähnten Urteil Mostaza Claro vereinbar, das den nationalen Richter dazu ermächtige, die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Schiedsklausel lediglich im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen eine noch nicht rechtskräftige Schiedsentscheidung festzustellen.

35.      Die ungarische und die spanische Regierung schlagen hingegen dem Gerichtshof vor, dem nationalen Richter, der über einen Antrag auf Zwangsvollstreckung aus einer bereits rechtskräftigen Schiedsentscheidung zu entscheiden habe, die Befugnis zur Prüfung der Frage der Nichtigkeit einer Schiedsvereinbarung zuzuerkennen. Sie machen im Wesentlichen ähnliche Argumente geltend, vor allem im Hinblick auf die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze.

36.      Die ungarische Regierung macht insbesondere geltend, es folge aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Gründe des öffentlichen Interesses, auf denen der Schutzzweck der Richtlinie beruhe, gerade erforderten, dass der nationale Richter, vor allem in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, den missbräuchlichen Charakter einer Klausel in einem Verbrauchervertrag von Amts wegen prüfe.

37.      Die spanische Regierung teilt im Wesentlichen diese Schlussfolgerung, wobei sie einige Erläuterungen zum nationalen Verfahrensrecht vorbringt.

38.      So weist sie darauf hin, dass keine Unvereinbarkeit zwischen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung und der Gemeinschaftsrechtsordnung im Bereich des Verbraucherschutzes vor missbräuchlichen Klauseln bestehe. Ausweislich der einschlägigen spanischen Bestimmungen dürfe und müsse die Wirksamkeit einer Schiedsklausel als Frage der öffentlichen Ordnung untersucht werden und zwar nicht nur durch den für das Erkenntnisverfahren zuständigen Richter, sondern auch durch den Vollstreckungsrichter, unabhängig davon, ob die betroffene Partei vor dem Schiedsgericht bzw. dem Vollstreckungsgericht erschienen sei und einen Rechtsbehelf eingelegt habe.

39.      Der spanischen Regierung zufolge haben mehrere gerichtliche Entscheidungen in Spanien, darunter ein Urteil der Audiencia Nacional vom 9. Mai 2005, dem nationalen Richter eine Kontrollbefugnis über die Schiedsentscheidung, deren Vollstreckung er anordnen muss, zuerkannt, und zwar insbesondere aus Gründen der öffentlichen Ordnung, auch wenn keine der Parteien diese Frage aufgeworfen habe.

40.      Dementsprechend müssten sowohl eine korrekte Umsetzung des Verbraucherschutzes als auch eine weite Auslegung des Begriffs der öffentlichen Ordnung den nationalen Vollstreckungsrichter in die Lage versetzen, von Amts wegen die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung zu prüfen und den Schiedsspruch für nichtig zu erklären, sofern er zu dem Ergebnis komme, dass die Schiedsvereinbarung eine missbräuchliche Klausel enthalte.

41.      Die Kommission macht zunächst auf bestimmte Unterschiede zwischen dem Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache und dem der Rechtssache Mostaza Claro aufmerksam, die darin bestünden, dass erstens der Verbraucher im vorliegenden Fall eine passive Haltung eingenommen habe, und dass zweitens die Frage des missbräuchlichen Charakters der Schiedsklausel sich nicht im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen den Schiedsspruch, sondern vielmehr im Rahmen der Zwangsvollstreckung stelle. Die Kommission räumt ferner ein, dass die Kontrollbefugnisse eines Vollstreckungsrichters grundsätzlich eingeschränkter seien als die eines Richters, der mit einer Nichtigkeitsklage befasst ist.

42.      Die Kommission macht dennoch geltend, dass die Bedeutung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele es erforderlich mache, dass der Vollstreckungsrichter ausnahmsweise den missbräuchlichen Charakter einer Schiedsklausel von Amts wegen prüfe und sie gegebenenfalls für nichtig erkläre. In Fällen wie dem des Ausgangsverfahrens, in denen der Verbraucher gegen den Schiedsspruch keinen Rechtsbehelf eingelegt habe, sei der Vollstreckungsrichter die einzige unabhängige Instanz, da er keinerlei persönliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Schiedsklausel habe, was ihn zur Überprüfung der Wirksamkeit dieser Klausel prädestiniere.

43.      Schließlich äußert sich die Kommission zu der vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Frage, ob die Würdigung des missbräuchlichen Charakters einer Schiedsklausel von Amts wegen eine Befugnis oder gar eine Pflicht des nationalen Richters ist. Aus Randnr. 38 sowie aus dem Tenor des Urteils Mostaza Claro schließt sie auf eine solche Pflicht zur Prüfung von Amts wegen.

VI – Rechtliche Würdigung

A –    Einleitende Bemerkungen

44.      Unter einer missbräuchlichen Klausel ist gemäß der in Art. 3 der Richtlinie 93/13 enthaltenen Definition eine Klausel zu verstehen, die die wirtschaftliche überlegene Vertragspartei einseitig vorformuliert und dem Vertragspartner aufzwingt, ohne dass dieser auf ihren Inhalt Einfluss zu nehmen vermag. Dabei zeichnet sich der missbräuchliche Charakter einer Klausel gemäß Art. 3 Abs. 1 im Wesentlichen dadurch aus, dass sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den Vertragspartnern verursacht(4).

45.      Die Problematik missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen war bereits lange vor Inkrafttreten der Richtlinie 93/13 bekannt. In einer sich im Wachstum befindlichen Dienstleistungs- und Konsumgesellschaft wie der europäischen hatte sich der Gebrauch standardisierter Verträge, deren einzelne Bedingungen nicht von den Parteien einzeln ausgehandelt werden, unausweichlich immer mehr verbreitet. Die Gefahr der Verwendung solcher einseitig vorformulierter Vertragsbedingungen liegt in der mangelnden oder unzureichenden Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners des Verwenders(5).

46.      Abhilfe sollte die Richtlinie 93/13 schaffen, und zwar im Wege einer teilweisen Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Vorschriften auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes(6). Sie zielt darauf ab, einen einheitlichen Mindestschutz vor missbräuchlichen Klauseln in Verbraucherverträgen in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu gewährleisten. Kernstück dieser Richtlinie ist zum einen die in Art. 6 Abs. 1 enthaltene Regelung, nach der die Mitgliedstaaten vorsehen, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, „für den Verbraucher unverbindlich sind“. Zum anderen sieht Art. 7 Abs. 1 vor, dass die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen haben, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, „damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird“.

47.      Bei Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 handelt es sich in rechtsdogmatischer Hinsicht um zwingende Vorschriften des Sekundärrechts zum Schutz des Verbrauchers, die eine Einschränkung der Vertragsfreiheit als wichtigsten Ausfluss der Privatautonomie zur Folge haben(7).

B –    Die Kompetenz nationaler Gerichte zur Überprüfung missbräuchlicher Klauseln nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs

48.      Der Gerichtshof hat in den Urteilen Océano(8), Cofidis(9) und Mostaza Claro(10) diese Bestimmungen ausgelegt und ihnen dabei eine Bedeutung beigemessen, die es dem nationalen Richter bei der Ausübung seiner Funktionen ermöglicht, wirksam gegen missbräuchliche Klauseln vorzugehen. Die vorliegende Rechtssache steht maßgeblich im Licht dieser Urteile. Deshalb ist im Folgenden zu prüfen, inwiefern aufgrund der Gemeinsamkeiten der jeweiligen Ausgangsfälle eine Übertragung der darin entwickelten Grundsätze auf den konkreten Fall statthaft erscheint.

49.      Zunächst sind jene Rechtsprechungsgrundsätze in Erinnerung zu rufen, anhand deren die vorliegende Rechtssache anschließend untersucht werden muss.

50.      Ausgangspunkt der Erwägungen des Gerichtshofs bei der Auslegung der Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 war die Feststellung, dass „das durch die Richtlinie eingeführte Schutzsystem davon ausgeht, dass der Verbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können“(11). Der Gerichtshof hat aus diesem Umstand gefolgert, dass „die Ungleichheit zwischen Verbraucher und Gewerbetreibenden nur durch ein positives Eingreifen von dritter Seite, die von den Vertragsparteien unabhängig ist, ausgeglichen werden kann“(12).

51.      Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass die Möglichkeit des nationalen Gerichts, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Klausel zu prüfen, als ein geeignetes Mittel anzusehen ist, das in Art. 6 der Richtlinie vorgeschriebene Ziel zu erreichen, nämlich zu verhindern, dass der einzelne Verbraucher an eine missbräuchliche Klausel gebunden bleibt. Er hat diese Prüfungskompetenz des nationalen Gerichts als ebenso geeignet angesehen, die Verwirklichung des Ziels des Art. 7 zu fördern, da eine solche Prüfung seiner Ansicht nach abschreckend wirken und damit dazu beitragen kann, dass der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird(13). Der Gerichtshof hat zudem festgestellt, dass die Möglichkeit, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Klausel zu prüfen, als notwendig anzusehen ist, um einen wirksamen Schutz des Verbrauchers zu erreichen, zumal die nicht zu unterschätzende Gefahr besteht, dass der Verbraucher die Missbräuchlichkeit der ihm entgegengehaltenen Klausel vor allem aus Unkenntnis nicht geltend macht.

52.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen hat der Gerichtshof im Urteil Océano(14) für Recht erklärt, dass der Schutz, den die Richtlinie 93/13 den Verbrauchern gewährt, erfordert, dass das nationale Gericht von Amts wegen prüfen kann, ob eine Klausel des ihm vorgelegten Vertrags missbräuchlich ist, wenn es die Zulässigkeit einer bei den nationalen Gerichten eingereichten Klage prüft.

53.      Im Urteil Cofidis(15) hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung dahin gehend präzisiert, dass die Kompetenz eines nationalen Gerichts, von Amts wegen oder auf eine vom Verbraucher erhobene Einrede hin die Nichtigkeit einer in diesem Vertrag enthaltenen Klausel festzustellen, nicht von der Einhaltung einer Ausschlussfrist abhängig gemacht werden darf.

54.      Schließlich hat der Gerichtshof im Urteil Mostaza Claro(16) entschieden, dass ein nationales Gericht, das über eine Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruchs zu entscheiden hat, die Frage der Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung prüfen und den Schiedsspruch aufheben darf, wenn die Schiedsvereinbarung eine missbräuchliche Klausel zulasten des Verbrauchers enthält, auch wenn der Verbraucher diese Nichtigkeit nicht im Schiedsverfahren, sondern erst im Verfahren der Aufhebungsklage eingewandt hat.

55.      Der Gerichtshof hat seine Entscheidung damit begründet, dass das von Art. 6 der Richtlinie verfolgte Ziel nicht erreicht werden könnte, wenn das Gericht, das über eine Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruchs entscheidet, nur deshalb daran gehindert wäre, die Frage der Nichtigkeit dieses Schiedsspruchs zu prüfen, weil der Verbraucher die Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung nicht im Rahmen des Schiedsverfahrens vorgebracht hat(17). Diese Unterlassung des Verbrauchers könnte dann in keinem Fall durch Handlungen von Dritten kompensiert werden. Das durch die Richtlinie eingerichtete besondere Schutzsystem wäre nach Auffassung des Gerichtshofs endgültig beeinträchtigt(18).

C –    Untersuchung der Vorlagefrage

1.      Zur Prüfungskompetenz des Vollstreckungsrichters

56.      Ähnlich wie in der Rechtssache Mostaza Claro hat die vorliegende Rechtssache eine Schiedsvereinbarung zum Gegenstand, die vom vorlegenden Gericht als missbräuchlich erachtet wird(19). Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, festzustellen, ob eine Vertragsklausel die Kriterien erfüllt, um als missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 qualifiziert zu werden(20). Aus der Sicht des vorlegenden Gerichts stellt die streitgegenständliche Schiedsvereinbarung ein Hindernis für die Verteidigung und das Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln durch Frau Rodríguez Nogueira dar, was für eine Zuordnung nach Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie in Verbindung mit Buchst. q des Anhangs spricht.

57.      Die vorliegende Rechtssache unterscheidet sich allerdings von der Rechtssache Mostaza Claro darin, dass Frau Rodríguez Nogueira weder vor dem Schiedsgericht erschienen ist noch Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs eingereicht hat. Anders als in der Rechtssache Mostaza Claro stellt sich daher hier die Frage, ob der nationale Richter im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens den missbräuchlichen Charakter einer Klausel feststellen darf. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass sich in der Rechtssache Mostaza Claro die betroffenen Verbraucher ausdrücklich auf den missbräuchlichen Charakter der fraglichen Schiedsklausel beriefen, während das vorlegende Gericht danach fragt, ob der missbräuchliche Charakter einer solchen Klausel auch von Amts wegen bei der Entscheidung über einen Zwangsvollstreckungsantrag geprüft werden muss.

58.      Mit Ausnahme von Asturcom vertreten alle Verfahrensbeteiligten die Auffassung, dass der nationale Richter ebenfalls im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens die Kompetenz haben muss, den missbräuchlichen Charakter einer Schiedsklausel von Amts wegen festzustellen und sie für nichtig zu erklären. Dieser Auffassung ist ausdrücklich zuzustimmen.

59.      Meines Erachtens trägt diese Auslegung am ehesten dem Verbraucherschutzziel der Richtlinie 93/13 Rechnung. Sie entspricht auch dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, der von den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Anwendung „angemessener und wirksamer Mittel“ zum Schutz der Verbraucher vor der Verwendung missbräuchlicher Klauseln fordert. Von besonderer Bedeutung für die rechtliche Würdigung der Vorlagefrage ist dabei das vom Gemeinschaftsgesetzgeber hervorgehobene Erfordernis der Wirksamkeit nationaler Umsetzungsmaßnahmen. Es entspricht letztlich der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung von Richtlinien fordert, die Rechte der Einzelnen effektiv zu gewährleisten, wenn die Richtlinie solche einräumt(21).

60.      Die als „Verfahrensautonomie“ bekannte institutionelle und verfahrensmäßige Autonomie der Mitgliedstaaten steht dem keinesfalls entgegen. Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich vielmehr, dass es mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten ist, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen(22).

61.      Dies ist vor dem Hintergrund dessen zu betrachten, dass der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes nach ständiger Rechtsprechung ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, in den Art. 6 und 13 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist und auch von Art. 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union(23) bekräftigt worden ist(24). Hinzu kommt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das Recht auf Verteidigung „in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können“(25), also auch in Schiedsverfahren, geschützt ist(26).

62.      Das Zwangsvollstreckungsverfahren hat in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich nicht die materielle Prüfung, sondern ausschließlich die zwangsweise Durchsetzung eines Schiedsspruchs zum Gegenstand. Auch ist die Möglichkeit des Vollstreckungsschuldners, materiellrechtliche Einwendungen gegen den Vollstreckungstitel geltend zu machen, nach dem Zwangsvollstreckungsrecht der Mitgliedstaaten in der Regel beschränkt und nur von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig(27). Dennoch ist es meiner Ansicht nach geboten, dem nationalen Richter auch im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens eine entsprechende Prüfungskompetenz einzuräumen, soll das Verbraucherschutzziel der Richtlinie 93/13 nicht vereitelt werden(28).

63.      Die gegenteilige Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass der missbräuchliche Charakter einer Vertragsklausel letztlich zur Geltung kommen würde, und zwar unwiderruflich zum Nachteil des Verbrauchers. Damit würde eine Rechtslage geschaffen werden, die der Gemeinschaftsgesetzgeber im Hinblick auf die besondere Schutzwürdigkeit der wirtschaftlichen Interessen des Verbrauchers unbedingt verhindern wollte.

64.      Gerade der vorliegende Sachverhalt zeigt auf besonders eindrucksvolle Weise, dass es mit der Richtlinie 93/13 nicht vereinbar wäre, wenn der Vollstreckungsrichter keine entsprechende Prüfungskompetenz hätte. Dann nämlich müsste der Verbraucher, um von den negativen Folgen einer nichtigen Vertragsklausel verschont zu bleiben, sich unbedingt bereits vor dem Vollstreckungsverfahren, also in dem ihm vorausgehenden Prozess, gegen die betreffende Klausel zur Wehr setzen. Vorliegend hätte Frau Rodríguez Nogueira als Vollstreckungsschuldnerin sich also bereits an dem Schiedsverfahren beteiligen müssen, dessen Rechtmäßigkeit das vorlegende Gericht gerade bezweifelt – mit anderen Worten: Das nationale Recht würde vom Verbraucher erwarten, sich an einem nichtigen Verfahren zu beteiligen, um den Vertrag für nichtig erklären lassen zu können. Dieses Ergebnis wäre nicht hinnehmbar und zeigt, dass dem Vollstreckungsrichter eine entsprechende Prüfungskompetenz zustehen muss.

65.      Darüber hinaus erfordert die Erfüllung des Richtlinienziels, wie der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Ungleichheit zwischen Verbraucher und Gewerbetreibenden durch ein positives Eingreifen von dritter Seite, die von den Vertragsparteien unabhängig ist, ausgeglichen werden kann(29). Nach Auskunft des vorlegenden Gerichts werden durch das spanische Gesetz über das Schiedsverfahren die Schiedsgerichte weder verpflichtet noch ermächtigt, von Amts wegen die Schiedsvereinbarung zu prüfen und nichtige oder missbräuchliche Schiedsvereinbarungen für nichtig zu erklären(30).

66.      Aber auch in dem Fall, dass Schiedsgerichte hierzu verpflichtet oder ermächtigt wären, bestünden ernst zu nehmende Zweifel, ob ein Schiedsgericht stets als unabhängig und neutral angesehen werden könnte, zumal ein Schiedsrichter unter Umständen ein eigenes Interesse an der Aufrechterhaltung der Schiedsklausel, für die er zuständig ist, haben kann. Auf diesen Gesichtspunkt weist die Kommission zutreffend hin(31). Dies trifft etwa auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens zu, in der die Schiedsvereinbarung vom selben Verband verfasst worden ist, der mit der Durchführung des Schiedsverfahrens beauftragt worden ist. Demzufolge darf die Prüfung der Frage der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Schiedsklausel nicht ausschließlich dem Schiedsrichter überantwortet werden. Vielmehr muss diese Aufgabe einem Richter übertragen werden, der alle rechtsstaatlichen Garantien für richterliche Unabhängigkeit bietet.

67.      Erhebt jedoch der Betroffene, was gerade angesichts des nicht seltenen Fehlens geschäftlicher Erfahrung bei Verbrauchern nicht ausgeschlossen werden kann(32), keine Aufhebungsklage gegen den Schiedsspruch und erlangt dieser infolgedessen Rechtskraft, so wird der mit der Zwangsvollstreckung befasste Richter in der Regel die einzige und letzte Instanz sein, die zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Vertragsklausel überhaupt in der Lage sein wird(33). Folgerichtig muss die Gemeinschaftsrechtsordnung dem Vollstreckungsrichter gerade aufgrund seiner einzigartigen Stellung eine entsprechende Prüfungskompetenz zuerkennen. Den Mitgliedstaaten obliegt dann die Pflicht, sicherzustellen, dass der Vollstreckungsrichter über die notwendigen prozessualen Befugnisse verfügt, um den Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckung unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen.

68.      Ein Grund für die Ablehnung eines Antrags auf Durchführung der Zwangsvollstreckung kann sich grundsätzlich aus Erwägungen des Schutzes der öffentlichen Ordnung (ordre public) eines Mitgliedstaats ergeben. Eine entsprechende völkerrechtliche Regelung ist in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a des New Yorker Übereinkommens von 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche(34) sowie in Art. 29 Abs. 2 des Übereinkommens von 1966 zur Einführung eines Einheitlichen Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen des Europarats(35) enthalten. Einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehen in ihren Rechtsordnungen ähnliche Regelungen vor(36).

69.      Das positive Recht Spaniens räumt dem Vollstreckungsrichter nicht ausdrücklich die Befugnis ein, von Amts wegen die Wirksamkeit einer Schiedsklausel zu überprüfen. Darauf weist auch das vorlegende Gericht in seinem Vorlagebeschluss hin. Insofern sind die Kontrollbefugnisse eines spanischen Vollstreckungsrichters wie in den meisten Mitgliedstaaten der Gemeinschaft auch eingeschränkt und eher auf die Beachtung der Förmlichkeiten des Zwangsvollstreckungsverfahrens ausgerichtet. Gleichwohl ist festzustellen, dass in den vergangenen Jahren verschiedene mit der Vollstreckung von Schiedssprüchen betraute Gerichte Spaniens Anträge auf Anordnung der Zwangsvollstreckung mit der Begründung abgelehnt haben, dass die fraglichen Schiedssprüche nicht mit der öffentlichen Ordnung vereinbar seien(37). Ein beachtlicher Teil der Rechtsprechung(38) und des rechtswissenschaftlichen Schrifttums(39) in Spanien scheint diese Rechtsauffassung zu teilen. Eine neuere Rechtsprechungslinie kommt im Wesentlichen zu derselben Schlussfolgerung, wobei sie das Erfordernis des Verbraucherschutzes als Grund für eine entsprechende Prüfungskompetenz des Vollstreckungsrichters anführt(40). Dessen ungeachtet scheint die Rechtslage in Spanien mangels einer eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung bis heute nicht gänzlich geklärt zu sein.

70.      Die Rezeption eines im Völkerrecht, aber auch in den Rechtsordnungen einiger Mitgliedstaaten der Europäischen Union anerkannten Rechtsgrundsatzes, der die Vollstreckung aus einem gegen die öffentliche Ordnung verstoßenden Schiedsspruch verbietet, durch die Gemeinschaftsrechtsordnung erscheint mir vor dem Hintergrund dessen angebracht, dass der Gerichtshof die gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften der Richtlinie 93/13 im Urteil Mostaza Claro implizit zu Bestimmungen erklärt hat, die zur öffentlichen Ordnung gehören können(41). Aus diesem Umstand hat der Gerichtshof gefolgert, dass die Aufhebung eines diese Bestimmungen verletzenden Schiedsspruchs gerechtfertigt ist.

71.      Wie der Gerichtshof in jenem Urteil zum Ausdruck gebracht hat, gebietet die zwingende Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, nach der missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, „für den Verbraucher unverbindlich sind“, dass das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel prüft und damit dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhilft(42). Zum anderen stellt die Richtlinie 93/13, die den Verbraucherschutz verbessern soll, nach Auffassung des Gerichtshofs eine Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. t EG dar, die für die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinschaft und insbesondere für die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität in der ganzen Gemeinschaft unerlässlich ist(43).

72.      Mir ist sehr wohl bewusst, dass die hier vertretene Auslegung der Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 im Ergebnis auf eine Durchbrechung der Rechtskraft nach den Rechtsordnungen einiger Mitgliedstaaten hinauslaufen könnte, womit sich notwendigerweise die Frage stellt, wie diese Auslegung mit der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Rechtskraft gemeinschaftsrechtswidriger nationaler Rechtsakte und Urteile in Einklang zu bringen ist.

73.      In seinem Urteil Kapferer(44) hat der Gerichtshof auf die Bedeutung hingewiesen, die der Grundsatz der Rechtskraft sowohl in der Gemeinschaftsrechtsordnung als auch in den nationalen Rechtsordnungen hat, und dabei das Prinzip bestätigt, dass zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege Gerichtsentscheidungen, die nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar geworden sind, nicht mehr in Frage gestellt werden können sollten. Zudem hat der Gerichtshof, gestützt auf das Urteil Eco Swiss(45), entschieden, dass der sich aus Art. 10 EG ergebende Grundsatz der Zusammenarbeit es einem nationalen Gericht nicht gebietet, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften zu dem Zweck abzusehen, eine in Rechtskraft erwachsene gerichtliche Entscheidung zu überprüfen und aufzuheben, falls sich zeigt, dass sie gegen Gemeinschaftsrecht verstößt(46).

74.      Gleichwohl hat der Gerichtshof dieses Spannungsverhältnis zwischen Rechtssicherheit und Verbraucherschutz dadurch gelöst, dass er implizit klargestellt hat, dass der Grundsatz der Rechtskraft unter dem Vorbehalt steht, dass die Grundsätze der Gleichwertigkeit und der Effektivität beachtet werden. Bei der Ausgestaltung des Verfahrens für Klagen, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, haben die Mitgliedstaaten nämlich dafür zu sorgen, dass die betreffenden Modalitäten nicht ungünstiger sind als für gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen (Grundsatz der Gleichwertigkeit), und dass sie nicht so ausgestaltet sind, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen (Grundsatz der Effektivität)(47).

75.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen, vor allem in Anbetracht der Notwendigkeit eines effektiven Verbraucherschutzes(48) sowie angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofs(49), die ausdrücklich ein positives Eingreifen von dritter Seite, die von den Vertragsparteien unabhängig ist, verlangt, bin ich überzeugt, dass eine Durchbrechung der Rechtskraft ausnahmsweise erforderlich sein kann.

76.      Aus alledem folgt, dass das nationale Gericht einen Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckung aus einem in Abwesenheit des Verbrauchers ergangenen rechtskräftigen Schiedsspruch unter Aufhebung ebenjenes Schiedsspruchs abzulehnen hat, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass die Schiedsvereinbarung eine missbräuchliche Klausel zum Nachteil des Verbrauchers enthält(50).

2.      Prüfungspflicht des Vollstreckungsrichters

77.      Obwohl die Vorlagefrage in dieser Hinsicht nicht ganz klar ist, scheint das vorlegende Gericht offenbar den Gerichtshof darüber hinaus um Antwort auf die Frage zu ersuchen, ob der Vollstreckungsrichter nicht nur berechtigt, sondern darüber hinaus verpflichtet ist, von Amts wegen den missbräuchlichen Charakter einer Schiedsklausel zu prüfen.

78.      Dazu ist zunächst festzustellen, dass der Gerichtshof sowohl im Urteil Océano(51) als auch im Urteil Cofidis(52) von der „Befugnis“ bzw. „Möglichkeit“ des nationalen Gerichts gesprochen hat, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Klausel zu prüfen. Dies könnte auf den ersten Blick den Schluss zulassen, dass das nationale Gericht die Missbräuchlichkeit einer Klausel zwar prüfen darf, dazu jedoch nicht verpflichtet ist. Indes würde ein solches Verständnis jener Urteile dem Umstand kaum Rechnung tragen, dass im Mittelpunkt der Überlegungen des Gerichtshofs das Verbraucherschutzziel der Richtlinie 93/13 stand.

79.      Der Gerichtshof hat besonderen Wert darauf gelegt, zu betonen, dass eine entsprechende gerichtliche Prüfung geeignet ist, abschreckend zu wirken, und damit dazu beiträgt, dass der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch Gewerbetreibende in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird. Meines Erachtens wäre die angestrebte abschreckende Wirkung einer solchen Prüfung jedoch erheblich gemindert, wenn sie lediglich im Ermessen des Vollstreckungsrichters läge. Der Schutz der Verbraucher wäre dagegen, entsprechend den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts, gewährleistet, wenn das nationale Gericht zu einer solchen Prüfung rechtlich verpflichtet wäre(53).

80.      Dieser Gedanke scheint auch dem Urteil Mostaza Claro zugrunde zu liegen. Darin hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Stellenwert, den der Verbraucherschutz innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung besitzt, es rechtfertigt, dass „das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel prüfen und damit dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen muss“(54).

81.      Dementsprechend hat der Gerichtshof in jenem Urteil auch entschieden, dass „die Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass ein nationales Gericht, das über eine Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruchs zu entscheiden hat, die Frage der Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung prüft und den Schiedsspruch aufhebt, wenn die Schiedsvereinbarung eine missbräuchliche Klausel zu Lasten des Verbrauchers enthält, auch wenn der Verbraucher diese Nichtigkeit nicht im Schiedsverfahren, sondern erst im Verfahren der Aufhebungsklage eingewandt hat“. Wie bereits ausgeführt, hat der Gerichtshof seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften Bestimmungen darstellen, die zur öffentlichen Ordnung gehören(55).

82.      Aus den vorstehenden Ausführungen folgt somit, dass das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Gericht eine Prüfungspflicht auferlegt.

VII – Ergebnis

83.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Juzgado de Primera Instancia n°4 de Bilbao wie folgt zu antworten:

Aus dem Verbraucherschutzziel der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ergibt sich, dass das Gericht, das über einen Antrag auf Zwangsvollstreckung aus einem in Abwesenheit des Verbrauchers ergangenen rechtskräftigen Schiedsspruch zu entscheiden hat, die Frage der Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung von Amts wegen zu prüfen und in der Folge den Schiedsspruch aufzuheben hat, wenn die Schiedsvereinbarung seiner Auffassung nach eine missbräuchliche Klausel zum Nachteil des Verbrauchers enthält.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – ABl. L 95, S. 29.


3 – Urteil vom 26. Oktober 2006, Mostaza Claro (C‑168/05, Slg. 2006, I‑10421).


4 – Kohles, S., Das Recht der vorformulierten Vertragsbedingungen in Spanien – Die Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, Frankfurt am Main 2004, S. 56.


5 – Baier, K., Europäische Verbraucherverträge und missbräuchliche Klauseln – Die Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in Deutschland, Italien, England und Frankreich, Hamburg 2004, S. 2.


6 – Die Richtlinie 93/13 basiert wie die Richtlinie 85/577/EWG über außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, die Richtlinie 97/7/EG über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz sowie die Richtlinie 1999/44/EG über den Verbrauchsgüterkauf und Garantien für Verbrauchsgüter auch auf einem Mindestharmonisierungskonzept. Dieses Konzept wird im Vorschlag der Kommission vom 8. Oktober 2008 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher, KOM(2008) 614 endg., die diese vier Richtlinien zu einem einzigen horizontalen Rechtsinstrument zusammenführt, ausdrücklich aufgegeben. Der Richtlinienentwurf beruht nunmehr auf dem Konzept einer vollständigen Harmonisierung mit der Folge, dass die Mitgliedstaaten keine Rechtsvorschriften beibehalten oder einführen dürfen, die von denen der Richtlinie abweichen. Zweck des Vorschlags ist es, durch die vollständige Harmonisierung der für den Binnenmarkt relevanten wesentlichen Aspekte des Verbrauchervertragsrechts einen Beitrag zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts für Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern zu leisten und ein hohes, einheitliches Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten.


7 – Siehe zur Einschränkung der Vertragsfreiheit durch Rechtsakte der Gemeinschaft Basedow, J., „Die Europäische Union zwischen Marktfreiheit und Überregulierung – Das Schicksal der Vertragsfreiheit“, Sonderdruck aus Bitburger Gespräche Jahrbuch 2008/I, München 2009. Nach Ansicht des Autors ist das sekundäre Gemeinschaftsrecht, soweit es private Verträge zum Gegenstand habe, ganz überwiegend zwingender Natur. Die allermeisten Vorschriften schränken die Vertragsfreiheit ein, nur wenige weisen ausdrücklich auf die Möglichkeit der Parteien hin, einen bestimmten Gegenstand vertraglich zu regeln. In der Rechtswissenschaft wird die Vertragsfreiheit als wichtigster Ausfluss der Privatautonomie und damit als individualrechtliche Verbürgung verstanden. Zur Privatautonomie siehe rechtsvergleichend im deutschen Schrifttum Larenz, K., Wolf, M., Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 9. Aufl., München 2004, Randnr. 2, im österreichischen Recht Koziol, H., Welser, R., Grundriss des bürgerlichen Rechts. Band I: Allgemeiner Teil – Sachenrecht – Familienrecht, 11. Aufl., Wien 2000, S. 84, im französischen Recht Aubert, J.-L., Savaux, É., Les obligations. 1. Acte juridique, 12. Aufl., Paris 2006, S. 72, Randnr. 99, und im spanischen Recht Díez-Picazo, L./Gullón, A., Sistema de derecho civil, Band I, 10. Aufl., Madrid 2002, S. 369 f. Letztere erklären, dass die Privatautonomie ihre rechtliche Grenze in den zwingenden Normen sowie in den Normen der öffentlichen Ordnung findet.


8 – Urteil vom 27. Juni 2000, Océano (C‑240/98 bis C‑244/98, Slg. 2000, I‑4941).


9 – Urteil vom 21. November 2002, Cofidis (C‑473/00, Slg. 2002, I‑10875).


10 – In Fn. 3 angeführt.


11 – Urteile Océano (in Fn. 8 angeführt, Randnr. 25) und Mostaza Claro (in Fn. 3 angeführt, Randnr. 25).


12 – Urteile Océano (in Fn. 8 angeführt, Randnr. 27) und Mostaza Claro (in Fn. 3 angeführt, Randnr. 26).


13 – Urteile Océano (in Fn. 8 angeführt, Randnr. 28), Cofidis (in Fn. 9 angeführt, Randnr. 32) und Mostaza Claro (in Fn. 3 angeführt, Randnr. 27).


14 – In Fn. 8 angeführt, Randnr. 29.


15 – In Fn. 9 angeführt, Randnr. 38.


16 – In Fn. 3 angeführt, Randnr. 39.


17 – Ebd., Randnr. 30.


18 – Ebd., Randnr. 31.


19 – Vgl. dritter Erwägungsgrund des Vorlagebeschlusses.


20 – Vgl. Urteile vom 1. April 2004, Freiburger Kommunalbauten (C‑237/02, Slg. 2004, I‑3403, Randnr. 22), und Mostaza Claro (in Fn. 3 angeführt, Randnr. 23).


21 – Vgl. Urteile vom 22. Juni 1989, Fratelli Constanzo (103/88, Slg. 1989, 1839, Randnrn. 29 ff.), und vom 30. Mai 1991, Emmott (C‑208/90, Slg. 1991, I‑4269 Randnrn. 20 ff.). In diesem Sinne auch Schroeder, W., EUV/EGV – Kommentar (hrsg. von Rudolf Streinz), Art. 249, Randnr. 96, S. 2183. Zur Pflicht der Mitgliedstaaten, die praktische Wirksamkeit (effet utile) einer Richtlinie bei ihrer Umsetzung in nationales Recht zu gewährleisten, vgl. Urteil vom 8. April 1976, Royer (48/75, Slg. 1976, 497).


22 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Dezember 1976, Rewe (33/76, Slg. 1976, 1989, Randnr. 5) und Comet (45/76, Slg. 1976, 2043, Randnr. 13), vom 14. Dezember 1995, Peterbroeck (C‑312/93, Slg. 1995, I‑4599, Randnr. 12), sowie die Urteile vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, Slg. 2001, I‑6297, Randnr. 29), vom 11. September 2003, Safalero (C‑13/01, Slg. 2003, I‑8679, Randnr. 49), vom 13. März 2007, Unibet (C‑432/05, Slg. 2007, I‑2271, Randnr. 39), vom 7. Juni 2007, Van der Weerd u. a. (C‑222/05 bis C‑225/05, Slg. 2007, I‑4233, Randnr. 28), und vom 12. Februar 2008, Kempter (C‑2/06, Slg. 2008, I‑411, Randnr. 57).


23 – ABl. C 364, S. 1.


24 – Urteile vom 15. Mai 1986, Johnston (222/84, Slg. 1986, 1651, Randnrn. 18 und 19), vom 15. Oktober 1987, Heylens u. a. (222/86, Slg. 1987, 4097, Randnr. 14), vom 27. November 2001, Kommission/Österreich (C‑424/99, Slg. 2001, I‑9285, Randnr. 45), vom 25. Juli 2002, Unión de Pequeños Agricultores/Rat (C‑50/00 P, Slg. 2002, I‑6677, Randnr. 39), und vom 19. Juni 2003, Eribrand (C‑467/01, Slg. 2003, I‑6471, Randnr. 61).


25 – Vgl. Urteile vom 29. Juni 1994, Fiskano/Kommission (C‑135/92, Slg. 1994, I‑2885, Randnr. 39), und vom 24. Oktober 1996, Kommission/Lisrestal u. a. (C‑32/95 P, Slg. 1996, I‑5373, Randnr. 21).


26 – Vgl. Nr. 59 der Schlussanträge von Generalanwalt Tizzano vom 27. April 2006 in der Rechtssache Mostaza Claro (Urteil in Fn. 3 angeführt).


27 – Das Vollstreckungsorgan wird sich in der Regel an den Vollstreckungstitel halten und nicht selbst prüfen, ob der vollstreckbare Anspruch besteht, denn darüber entscheidet das Prozessgericht (vgl. Béguin, J./Ortscheidt, J./Seraglini, C. „La convention d'arbitrage“, La Semaine juridique – Édition Générale, Juni 2007, Nr. 26, S. 17). Ausnahmen können sich je nach Rechtsordnung im Fall der Erfüllung und der Stundung ergeben, wenn der Vollstreckungsschuldner sie mit bestimmten Urkunden beweisen kann. Dem Vollstreckungsschuldner stehen grundsätzlich Rechtsbehelfe zur Verfügung, mit denen er Verfahrensfehler des Vollstreckungsorgans rügen kann. Je nach Rechtsordnung stehen ihm Klagearten zur Verfügung, mit deren Hilfe er materielle Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung geltend machen kann (vgl. Schellhammer, K., Zivilprozess, 10. Aufl., Heidelberg 2003, S. 109 f., Randnrn. 219 und 223; Lackmann, R., Zwangsvollstreckungsrecht mit Grundzügen des Insolvenzrechts, 6. Aufl., München 2003, S. 80, Randnr. 210).


28 – In diesem Sinne auch Jordans, R., „Anmerkung zu EuGH Rs. C‑168/05 – Elisa Maria Mostaza Claro gegen Centro Móvil Milenium SL“, Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht, 2007, S. 50. Obwohl Rügen, die bereits im Schiedsverfahren erhoben werden können, grundsätzlich im Verfahren um die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs präkludiert seien, ist der Autor der Auffassung, dass Ausnahmen denkbar seien, wenn ein Verstoß gegen den ordre public vorliege.


29 – Siehe Nr. 50 dieser Schlussanträge.


30 – Vgl. vierter Erwägungsgrund des Vorlagebeschlusses.


31 – Vgl. Randnr. 37 des Schriftsatzes der Kommission. Picó i Junoy, J., „El abuso del arbitraje por parte de ciertas instituciones arbitrales“, DiarioLa Ley, Jahr XXVI, Nr. 6198, weist ebenfalls auf die Gefahr der Parteilichkeit eines Schiedsgerichts hin. Der Autor sieht darin ausnahmsweise einen Grund für die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der Zwangsvollstreckung, sofern Anhaltspunkte für Parteilichkeit vorliegen.


32 – Siehe Nr. 51 dieser Schlussanträge.


33 – In diesem Sinne Picó i Junoy, J., a. a. O. (Fn. 31).


34 – Erhältlich auf der Website der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law, UNCITRAL) http://www.uncitral.org. Das Übereinkommen bestimmt in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a Folgendes: „Recognition and enforcement of an arbitral award may also be refused if the competent authority in the country where recognition and enforcement is sought finds that: … (b) The recognition or enforcement of the award would be contrary to the public policy of that country“. Picó i Junoy, J., a. a. O. (Fn. 31), ist der Ansicht, dass das spanische Recht im Licht dieser völkerrechtlichen Vorschrift ausgelegt werden muss. Demnach müsse das nationale Gericht den Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckung unter Aufhebung des Schiedsspruchs ablehnen.


35 – Erhältlich auf der Website des Europarats. Das Übereinkommen sieht in Art. 29 Folgendes vor: „(1) An arbitral award may be enforced only when it can no longer be contested before arbitrators and when an enforcement formula has been apposed to it by the competent authority on the application of the interested party. (2) The competent authority shall refuse the application if the award or its enforcement is contrary to ordre public or if the dispute was not capable of settlement by arbitration“.


36 – In Deutschland sind die maßgeblichen Regelungen in der Zivilprozessordnung (ZPO) enthalten. Gemäß § 1060 Abs. 1 ZPO findet die Zwangsvollstreckung statt, wenn der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt ist. § 1060 Abs. 2 ZPO besagt, dass der Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen ist, wenn einer der in § 1059 Abs. 2 bezeichneten Aufhebungsgründe vorliegt. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO sieht einen besonderen Aufhebungsgrund vor. Danach kann der Schiedsspruch aufgehoben werden, wenn das Gericht feststellt, dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, dass der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Die Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind im Verfahren der Vollstreckbarerklärung – von Amts wegen (Senat, BGHZ 142, 204, 206) – auch nach Ablauf der für den Aufhebungsantrag bestimmten Fristen (§ 1059 Abs. 3 ZPO) zu berücksichtigen. In Belgien sieht Art. 1710 Abs. 1 des Gerichtsgesetzes (Code Judiciaire) vor, dass die Zwangsvollstreckung eines Schiedsspruchs nur auf Antrag der interessierten Partei vom Präsidenten des erstinstanzlichen Gerichts angeordnet werden darf. Art. 1710 Abs. 3 schreibt vor, dass der Präsident den Antrag abzulehnen hat, wenn der Schiedsspruch u. a. im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung (ordre public) steht.


37 – Vgl. z. B. Beschlüsse der Audiencia Provincial de Madrid (sección 14) vom 28. Juli 2005 (rec num. 302/2005) und vom 29. Juli 2005 (rec. num. 155/2005).


38 – Vgl. Urteil des Tribunal Supremo vom 6. Noviembre 2007 (Urteil Nr. 8/2007). Darin erklärt der Tribunal Supremo, dass die dem Vollstreckungsrichter eingeräumten Befugnisse ihn dazu ermächtigen, die Beachtung des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts sowie anderer Gründe der öffentlichen Ordnung zu überprüfen. Der Tribunal Supremo zieht allerdings keine Vorschriften heran, um seine Rechtsauffassung zu begründen.


39 – Vgl. Picó i Junoy, J., a. a. O. (Fn. 31), Lorca Navarrete, A. M., „Los motivos de la denominada acción de anulación contra el laudo arbitral en la vigente ley de arbitraje“, Diario La Ley, Nr. 6005.


40 – Vgl. z. B. Beschlüsse der Audiencia Provincial de Madrid (sección 21) vom 10. Juni 2008 (rec num. 694/2007), vom 19. Juni 2007 und vom 24. Mai 2007.


41 – Urteil Mostaza Claro (in Fn. 3 angeführt, Randnr. 38). Das wird im rechtwissenschaftlichen Schrifttum auch so verstanden. Vgl. Jordans, R., a.a.O. (Fn. 28), S. 50, der das Urteil so versteht, dass der Gerichtshof die Missbräuchlichkeit der jeweiligen Klausel als so schwerwiegend angesehen hat, dass er diese dem ordre public zugeordnet hat. Nach Ansicht von Loos, M., „Case: ECJ – Mostaza Claro“, European Review of Contract Law, 2007, Band 4, S. 443, hat der Gerichtshof den zwingenden Richtlinienbestimmungen zum Verbraucherschutz den Rang von Normen des ordre public wie bereits zuvor den Wettbewerbsbestimmungen eingeräumt. Poissonnier, G./Tricoit, J.‑P., „La CJCE confirme sa volonté de voir le juge national mettre en oeuvre le droit communautaire de la consommation“, Petites affiches, September 2007, Nr. 189, S. 15, räumen ein, dass der Gerichtshof, anders als die Kommission, nicht ausdrücklich die gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutznormen zu Normen des ordre public erklärt hat. Sie sind dennoch der Auffassung, dass die Ausführungen des Gerichtshofs in diesem Urteil in dieser Richtung verstanden werden können. Nach Ansicht von Courbe, P./Brière, C./Dionisi-Peyrusse, A./Jault-Seseke, F./Legros, C., „Clause compromissoire et réglementation des clauses abusives: CJCE, 26 octobre 2006“, Petites affiches, 2007, Nr. 152, S. 14, hat diese Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Folge, dass die Verbraucherschutznormen der Richtlinie 93/13 zu Normen des ordre public werden.


42 – Urteil Mostaza Claro (in Fn. 3 angeführt, Randnr. 38).


43 – Ebd., Randnr. 37.


44 – Urteil vom 16. März 2006, Kapferer (C‑234/04, Slg. 2006, I‑2585, Randnr. 20).


45 – Urteil vom 1. Juni 1999, Eco Swiss (C‑126/97, Slg. 1999, I‑3055, Randnrn. 46 und 47).


46 – Urteil Kapferer (in Fn. 44 angeführt, Randnr. 24).


47 – Urteil Kapferer (in Fn. 44 angeführt, Randnr. 22).


48 – Siehe Nr. 59 dieser Schlussanträge.


49 – Siehe Nr. 50 dieser Schlussanträge.


50 – So auch Azparren Lucas, A., „Intervención judicial en el arbitraje – La apreciación de oficio de cláusulas abusivas y de la nulidad del convenio arbitral“, Diario La Ley, Jahr XXVIII, Nr. 6789, der das Urteil Mostaza Claro kommentiert und der Meinung ist, dass die Antwort auf die Frage der vorliegenden Rechtssache im Wesentlichen auf denselben Argumenten beruhen sollte wie in der Rechtssache Mostaza Claro. Seiner Ansicht nach stützt sich der Gerichtshof in jenem Urteil auf den Grundsatz der Wirksamkeit, wonach die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung gewährten Rechte nicht übermäßig erschwert werden darf.


51 – In Fn. 8 angeführt, Randnr. 25


52 – In Fn. 9 angeführt, Randnrn. 32, 33 und 35.


53 – In diesem Sinne auch Van Huffel, M., „La condition procédurale des règles de protection des consommateurs: les enseignements des arrets Océano, Heininger et Cofidis de la Cour de Justice“, Revue européenne de droit de la consommation, 2003, S. 97, der die Auffassung vertritt, dass die vom Gerichtshof angestrebten Ziele nur zu erreichen wären, wenn der nationale Richter verpflichtet wäre, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel festzustellen.


54 – Urteil Mostaza Claro (in Fn. 3 angeführt, Randnrn. 35 bis 38). Siehe die unterschiedlichen Sprachfassungen des Urteils, so etwa die spanische („deba apreciar de oficio“), die deutsche („von Amts wegen … prüfen muss“), die französische („soit tenu d’apprécier d’office“), die englische („being required to assess of its own motion“), die italienische („sia tenuto a valutare d’ufficio“), die niederländische („ambtshalve dient te beoordelen“) und die portugiesische („deva apreciar oficiosamente“) Sprachfassung.


55 – Urteil Mostaza Claro (in Fn. 3 angeführt, Randnr. 38). Das wird im rechtswissenschaftlichen Schrifttum auch so verstanden. Vgl. Jordans, R., a. a. O. (Fn. 28), und Poissonnier, G./Tricoit, J.‑P., a. a. O. (Fn. 41).