Language of document : ECLI:EU:T:2008:550

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

4. Dezember 2008 (*)

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Einfrieren von Geldern – Nichtigkeitsklage – Verteidigungsrechte – Gerichtliche Überprüfung“

In der Rechtssache T‑284/08

People’s Mojahedin Organization of Iran mit Sitz in Auvers‑sur‑Oise (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwalt J.‑P. Spitzer und D. Vaughan, QC, dann Rechtsanwalt J.‑P. Spitzer, D. Vaughan und M.‑E. Demetriou, Barrister,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten zunächst durch G.‑J. Van Hegleson, M. Bishop und E. Finnegan, dann durch M. Bishop und E. Finnegan als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und A.‑L. During als Bevollmächtigte,

und durch

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Aalto und S. Boelaert als Bevollmächtigte,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses 2008/583/EG des Rates vom 15. Juli 2008 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2007/868/EG (ABl. L 188, S. 21), soweit er die Klägerin betrifft,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood (Berichterstatter) sowie der Richter D. Šváby und L. Truchot,

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2008

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Für eine Darstellung der wichtigsten Punkte der Vorgeschichte des vorliegenden Rechtsstreits wird auf die Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 2006, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat (T‑228/02, Slg. 2006, II‑4665, Randnrn. 1 bis 26, im Folgenden: Urteil OMPI), und vom 23. Oktober 2008, People’s Mojahedin Organization of Iran/Rat (T‑256/07, Slg. 2008, II‑0000, Randnrn. 1 bis 37, im Folgenden: Urteil PMOI), verwiesen.

2        Mit Urteil vom 7. Mai 2008 wies der Court of Appeal (England & Wales) des Vereinigten Königreichs (im Folgenden: Court of Appeal) einen Antrag des Secretary of State for the Home Department (Innenminister des Vereinigten Königreichs, im Folgenden: Home Secretary) auf Zulassung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung der Proscribed Organisations Appeal Commission (Beschwerdeausschuss für verbotene Organisationen, Vereinigtes Königreich, im Folgenden: POAC) vom 30. November 2007 zurück, mit der einer Beschwerde gegen den Beschluss des Home Secretary vom 1. September 2006, die Aufhebung des Verbots der People’s Mojahedin Organization of Iran (im Folgenden: Klägerin oder PMOI) als einer am Terrorismus beteiligten Organisation abzulehnen, stattgegeben und der Home Secretary angewiesen wurde, dem Parlament des Vereinigten Königreichs den Entwurf einer Verordnung (Order) über die Streichung der Klägerin von der Liste der im Vereinigten Königreich nach dem Terrorism Act 2000 (Gesetz über den Terrorismus von 2000) verbotenen Organisationen vorzulegen.

3        In dieser Entscheidung bezeichnete die POAC u. a. die im Beschluss des Home Secretary vom 1. September 2006, mit dem er eine Aufhebung des Verbots der Klägerin abgelehnt hatte, enthaltene Schlussfolgerung, wonach die Klägerin zu dieser Zeit weiterhin eine am Terrorismus beteiligte („concerned in terrorism“) Organisation im Sinne des Terrorism Act 2000 sei, als abwegig („perverse“). Nach Ansicht der POAC konnte ein vernünftiger Entscheidungsträger sowohl im September 2006 als auch danach redlicherweise nur zu der Überzeugung gelangen, dass die PMOI keines der für die Aufrechterhaltung ihres Verbots erforderlichen Kriterien mehr erfüllt habe. Mit anderen Worten, die POAC war aufgrund des ihr vorliegenden Materials zu dem Ergebnis gelangt, dass die PMOI im September 2006 nicht mehr an Terrorismus beteiligt gewesen sei und dies sich auch zu der Zeit, als die POAC ihre Entscheidung erließ, weiterhin so verhalten habe (Urteil PMOI, Randnrn. 168 und 169).

4        Aus der Entscheidung der POAC (Randnr. 10) geht hervor, dass das genannte Material auch Informationen zu Ereignissen im Zusammenhang mit der PMOI in Frankreich umfasste. Unter anderem erwähnte die POAC, dass am 17. Juni 2003 die Büroräume des Conseil national de la résistance iranienne (Nationalrat des iranischen Widerstands, im Folgenden: CNRI) bei Paris durchsucht, etliche Mitglieder des CNRI verhört und mehrere von ihnen vorläufig festgenommen worden seien, die Behörden jedoch, obwohl ein beachtlicher Geldbetrag gefunden worden sei, kein Ermittlungsverfahren eingeleitet hätten.

5        Mit seinem oben genannten Urteil bestätigte der Court of Appeal die Auffassung der POAC. Er wies überdies darauf hin, dass die vom Home Secretary vorgelegten vertraulichen Informationen seine Schlussfolgerung bestätigten, dass der Home Secretary redlicherweise nicht davon habe ausgehen können, dass die PMOI vorhabe, sich künftig erneut dem Terrorismus zuzuwenden.

6        Mit Verordnung (Order) vom 23. Juni 2008, in Kraft getreten am 24. Juni 2008, strich daher der Home Secretary die PMOI von der Liste der nach dem Terrorism Act 2000 verbotenen Organisationen. Die beiden Kammern des Parlaments des Vereinigten Königreichs stimmten der Streichung zu.

7        Mit seinem Beschluss 2008/583/EG vom 15. Juli 2008 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2007/868/EG (ABl. L 188, S. 21, im Folgenden: angefochtener Beschluss) beließ der Rat gleichwohl neben anderen Namen auch den der Klägerin auf der Liste, die der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344, S. 70) als Anhang beigefügt ist (im Folgenden: streitige Liste).

8        Der fünfte Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, der unstreitig die PMOI betrifft, lautet:

„Im Falle einer Vereinigung hat der Rat berücksichtigt, dass der Beschluss einer zuständigen Behörde, der als Rechtfertigung für die Aufnahme dieser Vereinigung in die Liste diente, seit dem 24. Juni 2008 nicht mehr in Kraft ist. Der Rat ist jedoch auf neue Erkenntnisse bezüglich dieser Vereinigung aufmerksam gemacht worden. Der Rat hat die Ansicht vertreten, dass diese neuen Erkenntnisse die Aufnahme dieser Vereinigung in die Liste rechtfertigen.“

9        Der angefochtene Beschluss wurde der Klägerin mit Begleitschreiben des Rates vom 15. Juli 2008 mitgeteilt (im Folgenden: Mitteilungsschreiben). In diesem Schreiben hieß es:

„Der Rat hat erneut entschieden, [die PMOI] in die Liste aufzunehmen. … Dem Rat ist bekannt, dass der Beschluss der zuständigen Behörde, der als Grundlage für die Aufnahme [der PMOI] in die Liste diente, seit dem 24. Juni nicht mehr in Kraft ist. Dem Rat sind jedoch neue Informationen mitgeteilt worden, die für diese Aufnahme relevant sind.“

10      In der dem Mitteilungsschreiben beigefügten Begründung (im Folgenden: Begründung) führte der Rat aus:

„Bei der [PMOI] handelt es sich um eine Gruppe, die 1965 mit dem ursprünglichen Ziel gegründet wurde, die Kaiserherrschaft zu stürzen. Ihre Mitglieder waren an der Ausschaltung mehrerer tausend ‚Agenten‘ des alten Regimes beteiligt und gehörten zu den führenden Tätern bei der Geiselnahme in der US‑Botschaft in Teheran. Obwohl die PMOI ursprünglich zu den radikalsten Gruppen der islamischen Revolution zählte, ging sie nach ihrem Verbot in den Untergrund und führte gegen das in Teheran regierende Regime zahlreiche Angriffe durch. Die Organisation war so für Terroranschläge verantwortlich, etwa für den Anschlag auf den Sitz der Partei der Islamischen Republik am 28. Juni 1981, bei dem mehr als hundert der wichtigsten führenden Persönlichkeiten des Regimes (Minister, Abgeordnete, hohe Beamte) getötet wurden, und für die Ermordung des Präsidenten Rajai und seines Premierministers Javad Bahonar am 30. August 1981. Im April 1992 verübte die PMOI Terroranschläge gegen diplomatische Vertretungen und Einrichtungen des Iran in 13 Ländern. Während des Wahlkampfs für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 1993 bekannte sie sich zu zahlreichen Anschlägen auf Erdölanlagen, darunter auf die größte Raffinerie im Iran. Im April 1999 übernahm die PMOI die Verantwortung für den Mord an Ali Sayyad Shirazi, dem stellvertretenden Stabschef der iranischen Streitkräfte. In den Jahren 2000 und 2001 bekannte sich die Organisation zur Beteiligung ihrer Mitglieder an Kommandounternehmen gegen die iranische Armee und Regierungsgebäude nahe der iranisch-irakischen Grenze, und am 5. Februar 2000 verübte sie einen Mörserangriff gegen öffentliche Gebäude in Teheran. Ferner werden derzeit Mitglieder der Organisation in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wegen Straftaten verfolgt, die der Finanzierung ihrer Aktivitäten dienen sollten. Diese Taten fallen unter Art. 1 Abs. 3 Buchst. a, c, d, f, g, h und i des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP und wurden zu den in dessen Art. 1 Abs. 3 Ziff. i und iii genannten Zwecken begangen.

Die [PMOI] fällt unter Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001.

Im April 2001 leitete die Antiterror-Abteilung der Staatsanwaltschaft beim Tribunal de grande instance de Paris wegen ‚Bildung einer kriminellen Vereinigung zur Vorbereitung terroristischer Straftaten‘ gemäß dem französischen Gesetz 96/647 vom 22. Juli 1996 ein Ermittlungsverfahren ein. Durch die Ermittlungen im Rahmen dieses Verfahrens gerieten mutmaßliche Mitglieder der [PMOI] in den Verdacht, für eine Reihe von Straftaten verantwortlich zu sein, die alle als Haupttat oder Beihilfe in Zusammenhang mit einem gemeinsamen Vorhaben stehen, das auf eine erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung durch Einschüchterung oder Terror abzielt. Außer diesem Tatvorwurf betrifft dieses Verfahren ferner die ‚Finanzierung einer terroristischen Vereinigung‘ gemäß dem französischen Gesetz 2001/1062 über die Sicherheit im Alltag vom 15. November 2001.

Am 19. März und 13. November 2007 erhob die Antiterror-Abteilung der Staatsanwaltschaft Paris gegen mutmaßliche Mitglieder der [PMOI] ergänzende Anschuldigungen. Dies erschien geboten, um den neuen Erkenntnissen nachzugehen, die sich aus den zwischen 2001 und 2007 durchgeführten Ermittlungen ergeben hatten, und betraf vor allem den Tatbestand der ‚Verschleierung des aus Betrug zum Nachteil besonders verletzlicher Personen oder aus Bandenbetrug unmittelbar oder mittelbar Erlangten‘ in Zusammenhang mit einer terroristischen Unternehmung gemäß dem französischen Gesetz 2003/706 vom 2. August 2003.

Damit fasste eine zuständige Behörde einen Beschluss gegen die [PMOI] im Sinne des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931.

Der Rat stellt fest, dass dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen ist und im Jahr 2007 als Teil der Bekämpfung von Finanzierungsaktivitäten terroristischer Vereinigungen ausgeweitet wurde. Der Rat ist der Ansicht, dass die Gründe für die Aufnahme der [PMOI] in die Liste der von den Maßnahmen nach Art. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 betroffenen Personen und Organisationen gültig bleiben.

Aufgrund dieser Erwägungen hat der Rat beschlossen, die [PMOI] weiterhin den Maßnahmen gemäß Art. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 zu unterwerfen.“

 Verfahren

11      Mit Klageschrift, die am 21. Juli 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

12      Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin beantragt, im beschleunigten Verfahren nach Art. 76a der Verfahrensordnung des Gerichts zu entscheiden. Der Rat hat am 30. Juli 2008 zu diesem Antrag Stellung genommen und am 10. September 2008 seine Klagebeantwortung eingereicht. Am 22. September 2008 hat das Gericht (Siebte Kammer) dem Antrag stattgegeben und daraufhin das schriftliche Verfahren geschlossen.

13      Das Gericht (Siebte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und es hat im Rahmen einer Beweisaufnahme nach Art. 65 der Verfahrensordnung mit Beschluss vom 26. September 2008 den Rat aufgefordert, sämtliche sich auf den Erlass des angefochtenen Beschlusses, soweit er die Klägerin betrifft, beziehenden Schriftstücke vorzulegen, wobei indessen die Übermittlung dieser Unterlagen an die Betroffene in diesem Verfahrensstadium vorbehalten blieb, soweit sich der Rat auf ihre Vertraulichkeit berufen sollte.

14      Der Rat ist diesem Beweisbeschluss zunächst mit einem am 10. Oktober 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schreiben nachgekommen. Seiner Antwort waren acht Schriftstücke beigefügt, von denen sieben als nicht vertraulich eingestuft waren und an die Klägerin weitergeleitet worden sind. Die Klägerin hat Gelegenheit erhalten, zu den sieben Schriftstücken und zur vertraulichen Behandlung des achten schriftlich Stellung zu nehmen. Das hat sie mit am 5. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben getan.

15      In einem zweiten Schritt ist der Rat dem Beweisbeschluss mit einem am 6. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schreiben nachgekommen. Seiner Antwort waren vier neue Schriftstücke beigefügt, die der Klägerin übermittelt worden sind.

16      Mit Beschluss vom 10. November 2008 hat der Präsident der Siebten Kammer des Gerichts nach Anhörung der Parteien die Französische Republik und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

17      Das Gericht (Siebte Kammer) hat den Rat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung mit Schreiben der Kanzlei vom 11. November 2008 aufgefordert, sich zu bestimmten neuen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen in der am 5. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahme der Klägerin schriftlich zu äußern und außerdem alle in seinem Besitz befindlichen Unterlagen – einschließlich der Sitzungs‑ und Abstimmungsprotokolle – vorzulegen, die das Verfahren der Abstimmung über den Erlass des angefochtenen Beschlusses beschreiben oder betreffen. Der Rat ist dem mit am 21. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben nachgekommen.

18      Im Rahmen derselben prozessleitenden Maßnahmen sowie nach Art. 24 der Satzung des Gerichtshofs hat das Gericht (Siebte Kammer) mit Schreiben der Kanzlei vom 11. November 2008 das Vereinigte Königreich ersucht, seine schriftliche Stellungnahme zu den Tatsachenbehauptungen einzureichen, die die Klägerin in ihrem am 5. November 2008 bei der Kanzlei eingegangenen Schreiben über das Verfahren des Erlasses des angefochtenen Beschlusses aufgestellt hatte. Das Vereinigte Königreich ist dieser Aufforderung mit am 20. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben nachgekommen.

19      Mit Schreiben, das am 24. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin zum Sitzungsbericht Stellung genommen. Der Rat hat auf diese Stellungnahme mit am 28. November 2008 bei der Kanzlei eingegangenem Schreiben erwidert.

20      Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 3. Dezember 2008 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

21      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

22      Der Rat beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

23      Die Französische Republik und die Kommission unterstützen den ersten Antrag des Rates.

 Entscheidungsgründe

24      Die Klägerin stützt ihren Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses auf fünf Klagegründe. Als ersten Klagegrund führt sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler an. Als zweiten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931, gegen Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 und gegen die Beweislastregeln. Der dritte Klagegrund betrifft eine Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz. Der vierte Klagegrund hat eine Verletzung der Verteidigungsrechte und der Begründungspflicht zum Gegenstand. Mit dem fünften Klagegrund wird ein Ermessens‑ oder Verfahrensmissbrauch geltend gemacht.

25      Überdies hat die Klägerin in ihrem Schreiben, das am 5. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, als sechsten Klagegrund die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift gerügt. Das Gericht hält diesen neuen Klagegrund für zulässig. Zum einen ist er auf rechtliche und tatsächliche Gründe gestützt, die im Sinne von Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Zum anderen betrifft er zwingendes Recht und kann somit von Amts wegen geprüft werden, da er die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift zum Inhalt hat, die unmittelbar die Voraussetzungen betrifft, unter denen der angefochtene Rechtsakt der Gemeinschaft erlassen wurde.

26      Das Gericht wird zunächst diesen sechsten, dann den vierten und schließlich den zweiten und dritten Klagegrund prüfen.

 Zum sechsten Klagegrund: Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift

27      Die Klägerin hat in ihrer am 5. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen schriftlichen Stellungnahme zu den ersten sieben Schriftstücken, die der Rat aufgrund der Anordnung der Beweisaufnahme vom 26. September 2008 vorgelegt hat, u. a. einen neuen Klagegrund geltend gemacht, mit dem sie rügt, dass das im Rat befolgte Verfahren der Abstimmung im Fall aller Entwürfe von Gemeinschaftsbeschlüssen über das Einfrieren von Geldern rechtswidrig gewesen sei.

28      Die Klägerin stützt diese Rüge auf eine Erklärung, die Lord Malloch-Brown, der Minister of State to the Foreign and Commonwealth Office (Staatssekretär im Ministerium für Auswärtiges und Angelegenheiten des Commonwealth, im Folgenden: Staatssekretär), am 22. Juli 2008 vor dem House of Lords (Oberhaus des Vereinigten Königreichs) abgegeben hat. Der Staatssekretär hat laut der im Hansard veröffentlichten amtlichen Mitschrift auf die Frage, aus welchen Gründen sich die Regierung des Vereinigten Königreichs bei der Abstimmung im Rat am 15. Juli 2008, die zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt habe, trotz der Entscheidung der POAC und des Urteils des Court of Appeal lediglich enthalten habe, statt dem Verbleib der PMOI auf der streitigen Liste zu widersprechen, folgende Antwort gegeben:

„Wir waren entschlossen, uns an diese Entscheidung des [Court of Appeal] zu halten, und deshalb konnten wir nicht die [französische] Regierung unterstützen, die neue, zuvor nicht verfügbare Informationen vorgelegt hat, auf deren Grundlage sie die Unterstützung zahlreicher Regierungen in Europa gewinnen konnte. Was die Frage angeht, warum wir uns enthalten haben, statt dem Verbleib [der PMOI] auf der Liste entgegenzutreten, so liegt die Schwierigkeit darin, dass es sich um eine Gesamtliste mit allen terroristischen Organisationen handelt, und Sie müssen für oder gegen diese Liste stimmen. Wir standen also vor der sehr unangenehmen Situation, dass entweder die alte Liste beibehalten worden wäre, was nicht gut gewesen wäre, weil die PMOI auf ihr geblieben wäre, oder dass wir keine Liste terroristischer Organisationen in Europa mehr gehabt hätten. Wir waren der Auffassung, dass dies eine unannehmbare Bedrohung für das Volk des Vereinigten Königreichs ebenso wie für den übrigen Kontinent dargestellt hätte.“

29      Die Klägerin hält die Tatsache – sofern sie sich als wahr erweise –, dass die Mitgliedstaaten nicht gegen die Fortführung einer bestimmten Organisation auf der streitigen Liste stimmen könnten, für völlig unvereinbar mit der einschlägigen Gemeinschaftsregelung sowie der Pflicht des Rates und der Mitgliedstaaten, die Frage, ob der Verbleib der Betroffenen auf der streitigen Liste gerechtfertigt sei, im Einzelnen und von Fall zu Fall zu prüfen. Außerdem lasse sich der Erklärung des Staatssekretärs entnehmen, dass das Vereinigte Königreich (und gewiss auch einige andere Mitgliedstaaten), wenn es über jede Organisation einzeln hätte abstimmen können, gegen den Verbleib der Klägerin auf der streitigen Liste gestimmt hätte, was nach der in der Verordnung Nr. 2580/2001 vorgesehenen Einstimmigkeitsregel zur Streichung der Klägerin von der Liste geführt hätte.

30      Mit diesem Klagegrund macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass ein innerhalb des Rates befolgtes Abstimmungsverfahren „en bloc“ über eine Gesamtliste, das nicht die Möglichkeit einer individuellen Stimmabgabe zu den betroffenen Personen oder Organisationen vorsehe, bei der regelmäßigen Überprüfung der Gemeinschaftsmaßnahmen zum Einfrieren von Geldern einen so schweren Fehler für den gesamten Prozess des Erlasses dieser Maßnahmen darstelle, dass er als ein Ermessens‑ und Verfahrensmangel, als Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift und als Verstoß gegen Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 sowie Art. 1 Abs. 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 anzusehen sei. Aufgrund dieser Ausführungen hat das Gericht die oben in den Randnrn. 17 und 18 angeführten prozessleitenden Maßnahmen erlassen.

31      Der Rat hat demgegenüber in seiner am 21. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahme ausgeführt, dass im Rahmen der gemäß Art. 1 Abs. 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 in regelmäßigen Abständen, mindestens halbjährlich, durchgeführten Überprüfung der Namen der Personen und Organisationen, die auf der Liste im Anhang der Verordnung Nr. 2580/2001 angeführt seien, jedes Ratsmitglied berechtigt sei, sich zu jedem Namen einzeln zu äußern und Position zu beziehen. Außerdem müsse jeder Name auf der Liste einstimmig genehmigt werden, so dass bei Widerspruch eines Mitgliedstaats gegen den Verbleib einer bestimmten Person oder Organisation auf der Liste die für diesen Verbleib erforderliche Einstimmigkeit nicht vorliege. Zum Beweis für seine Ausführungen beruft sich der Rat auf die Sitzungsprotokolle seiner Arbeitsgruppe für den Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 (im Folgenden: Arbeitsgruppe GSt 2001/931) vom 2. und 24. Juni sowie 2. Juli 2008, die seiner Antwort vom 10. Oktober 2008 auf den Beweiserhebungsbeschluss vom 26. September 2008 als Anlagen 1, 3 und 4 beigefügt sind.

32      Im Übrigen hat sich das Vereinigte Königreich in seiner am 20. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen schriftlichen Stellungnahme zu den Tatsachenbehauptungen der Klägerin über das Verfahren des Erlasses des angefochtenen Beschlusses auf den Hinweis beschränkt, dass „im Hinblick darauf, dass das Ersuchen des [Gerichts] das Verhalten der Ratsmitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieses Organs [betrifft], der Rat selbst am besten dazu in der Lage [ist], jede Frage zur Verabschiedung von Rechtsvorschriften innerhalb des Rates zu beantworten“.

33      Unter diesen Umständen kann das Gericht unabhängig davon, welche Bedeutung und Tragweite der Erklärung des Staatssekretärs vom 22. Juli 2008 vor dem House of Lords beizumessen ist, nur feststellen, dass es in Anbetracht der zu den Akten gereichten Unterlagen keinen objektiven Anhaltspunkt gibt, der die These der Klägerin erhärten könnte, dass die im Rat vertretenen Mitgliedstaaten „für oder gegen“ eine „Gesamtliste“ zu stimmen gezwungen seien, ohne die Möglichkeit zu haben, sich einzeln und von Fall zu Fall zu der Frage zu äußern, ob die Aufnahme oder das Belassen einer bestimmten Person oder Organisation auf der Liste gerechtfertigt ist oder bleibt.

34      Vielmehr geht aus den vom Rat eingereichten Unterlagen hervor, dass solche Prüfungen oder Überprüfungen im Einzelfall tatsächlich in der Arbeitsgruppe GSt 2001/931 stattfinden. Insbesondere lässt sich dem Protokoll dieser Arbeitsgruppe vom 2. Juli 2008 entnehmen, dass den Delegationen der Mitgliedstaaten eine zusätzliche Frist bis zum 4. Juli 2008 gewährt wurde, um mitzuteilen, ob sie „im Licht der von einem Mitgliedstaat vorgelegten Zusatzinformationen und der unter ihnen verteilten überarbeiteten Begründung … Einwände gegen die Auflistung einer der Gruppen auf der vorgeschlagenen neuen Grundlage“ hätten. Da dieser Hinweis offensichtlich speziell auf den Fall der Klägerin zielte, ist festzustellen, dass sich die Mitgliedstaaten ausdrücklich die Möglichkeit vorbehielten, dem Verbleib der Klägerin auf der streitigen Liste zu widersprechen, sich aber letztlich dafür entschieden, von dieser Befugnis keinen Gebrauch zu machen.

35      Nach alledem ist der sechste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

36      Insoweit ist unstreitig, dass der Rat den angefochtenen Beschluss erließ, ohne der Klägerin zuvor die seiner Meinung nach ihren Verbleib auf der Liste rechtfertigenden neuen Informationen oder Aktenstücke zur Kenntnis zu bringen, die sich auf das von der Antiterror-Abteilung der Staatsanwaltschaft beim Tribunal de grande instance de Paris im April 2001 eingeleitete Ermittlungsverfahren und die beiden ergänzenden Anschuldigungen vom März und November 2007 bezogen. Erst recht wurde es der Klägerin nicht ermöglicht, sich dazu vor Erlass des angefochtenen Beschlusses sachgerecht zu äußern.

37      Es ist daher festzustellen, dass der angefochtene Beschluss, was die Wahrung der Verteidigungsrechte anbelangt, unter Verstoß gegen die vom Gericht im Urteil OMPI niedergelegten Grundsätze erlassen wurde (vgl. u. a. Randnrn. 120, 126 und 131).

38      Der Rat macht jedoch erstens geltend, dass das Gericht bei seinen im Urteil OMPI enthaltenen Ausführungen zu den Folgebeschlüssen über das Einfrieren von Geldern nicht die besondere Situation berücksichtigt habe, in der er sich im vorliegenden Fall befunden habe. Das Gericht sei dort davon ausgegangen, dass der Beschluss der zuständigen nationalen Behörde, auf den die erstmalige Entscheidung über das Einfrieren von Geldern gestützt worden sei, weiterhin in Kraft sei, ohne die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass dieser Beschluss widerrufen oder zurückgenommen werden könne, obwohl der Rat neue Informationen erhalten habe, die den Verbleib des Betroffenen auf der streitigen Liste rechtfertigten. So habe es sich im Fall der Klägerin im Juni 2008 verhalten. Unter den Umständen des vorliegenden Falls sei der Rat davon ausgegangen, dass das von der Gemeinschaft im Einklang mit der Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen verfolgte Ziel von allgemeinem Interesse nur mittels einer sofortigen Ersetzung des seinerzeit geltenden Beschlusses durch einen neuen Ratsbeschluss habe erreicht werden können, der auf die neuen Informationen zu stützen gewesen sei, die er kurz zuvor mit Dringlichkeit geprüft habe. Damit habe er den einzig möglichen Ausgleich hergestellt zwischen dem Erfordernis einerseits, die Rücknahme des als Grundlage für den erstmaligen Beschluss über das Einfrieren der Gelder der Klägerin dienenden Beschlusses der zuständigen nationalen Behörde ordnungsgemäß zu berücksichtigen, und dem weiteren Erfordernis andererseits, dafür Sorge zu tragen, dass diese Gelder angesichts der neuen Informationen eingefroren blieben, die ihm mitgeteilt worden seien und die die Beibehaltung der restriktiven Maßnahmen gegenüber der Klägerin gerechtfertigt hätten. Jede Unterbrechung der Anwendung dieser Maßnahmen hätte es der Klägerin sofort erlaubt, auf ihre Gelder zuzugreifen, wodurch der angefochtene Beschluss seine Effektivität verloren hätte. Nichts im Urteil OMPI spreche dafür, dass er im Hinblick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles nicht zu einer solchen Vorgehensweise berechtigt gewesen wäre.

39      Das Gericht ist der Auffassung, dass sich aus dieser Argumentation des Rates mitnichten ergibt, dass es ihm, wie behauptet, unmöglich gewesen wäre, den angefochtenen Beschluss in einem Verfahren zu erlassen, das die Verteidigungsrechte der Klägerin gewahrt hätte.

40      Genauer gesagt ist die geltend gemachte Dringlichkeit keineswegs erwiesen. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Rat nicht verpflichtet war, die Klägerin nach dem Erlass der Entscheidung der POAC vom 30. November 2007 sofort von der streitigen Liste zu streichen, konnte er sich jedenfalls seit dem 7. Mai 2008, als das Urteil des Court of Appeal erging, endgültig nicht mehr auf den Beschluss des Home Secretary stützen, der als Grundlage für die erstmalige Entscheidung über das Einfrieren der Gelder der Klägerin gedient hatte. Zwischen dem 7. Mai 2008 und dem Erlass des angefochtenen Beschlusses am 15. Juli 2008 verstrichen jedoch mehr als zwei Monate. Insoweit erklärt der Rat nicht, warum es ihm nicht möglich gewesen sein soll, unmittelbar nach dem 7. Mai 2008 die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die Klägerin entweder von der streitigen Liste zu streichen oder aufgrund neuer Erkenntnisse weiterhin auf der Liste aufzuführen.

41      Selbst wenn überdies als wahr unterstellt würde, dass die französischen Behörden den Rat über das im April 2001 in Paris eingeleitete Ermittlungsverfahren erstmals im Juni 2008 unterrichteten, erklärt dies nicht, warum diese neuen Informationen, wenn der Rat sie zulasten der Klägerin zu berücksichtigen beabsichtigte, ihr nicht sogleich mitgeteilt werden konnten. Dies gilt umso mehr, als die mündliche Verhandlung in der Rechtssache, die zum Urteil PMOI führte, mit Beschluss des Gerichts vom 12. Juni 2008 wiedereröffnet worden war und als Schlusstermin für die Äußerung der Verfahrensbeteiligten zum Urteil des Court of Appeal sowie zur Stellungnahme der Klägerin zu diesem Urteil der 7. Juli 2008 festgelegt worden war. Während dieser ganzen Zeit hätte der Rat der Klägerin und gegebenenfalls dem Gericht im Rahmen des Verfahrens in der Rechtssache, die zum Urteil PMOI führte, die „neuen Erkenntnisse“ mitteilen können. Insoweit ist hervorzuheben, dass der Rat in jener Rechtssache in seinem am 7. Juli 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsatz ausdrücklich erklärte, dass er beabsichtige, schnellstmöglich zu „neuen Erkenntnissen“ Stellung zu nehmen, die ihm mitgeteilt worden seien. Es ist jedoch ebenso festzuhalten, dass der Rat der Klägerin diese neuen Erkenntnisse nicht mitteilte, ohne sich auf irgendeinen Grund zu berufen, aus dem ihm dies tatsächlich oder rechtlich unmöglich sei, und dies, obwohl das Gericht mit dem Urteil OMPI einen früheren Beschluss des Rates gerade deshalb für nichtig erklärt hatte, weil dieser nicht Gegenstand einer solchen vorherigen Mitteilung gewesen war.

42      Es ist hinzuzufügen, dass sich weder das Urteil des Court of Appeal noch die Verordnung des Home Secretary vom 23. Juni 2008 automatisch und unmittelbar auf den seinerzeit geltenden Beschluss 2007/868 über das Einfrieren der Gelder auswirkten. Nach dem für Rechtsakte der Gemeinschaft geltenden Grundsatz der Vermutung ihrer Rechtmäßigkeit galt dieser Beschluss trotz des Wegfalls seines nationalen „Substrats“ mit Gesetzeskraft fort, solange er nicht zurückgenommen, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt oder infolge eines Vorabentscheidungsersuchens oder einer Rechtswidrigkeitseinrede für ungültig erklärt worden war (vgl. Urteil PMOI, Randnr. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Es ist daher sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend, zu behaupten, dass infolge des Inkrafttretens der Verordnung des Home Secretary und der mehr oder weniger gleichzeitigen Mitteilung neuer Erkenntnisse durch die französischen Behörden so dringend ein neuer Beschluss über das Einfrieren der Gelder hätte erlassen werden müssen, dass es nicht möglich gewesen wäre, die Verteidigungsrechte der Klägerin zu wahren.

44      Darüber hinaus könnte nach Auffassung des Gerichts darin, dass es der Rat in voller Kenntnis der Sachlage, und ohne sich hierfür auf eine vernünftige Begründung stützen zu können, im vorliegenden Fall unterließ, ein Verfahren zu befolgen, das aber im Urteil OMPI klar festgelegt worden war, ein relevanter Anhaltspunkt für die Prüfung des fünften Klagegrundes liegen, mit dem eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmissbrauch geltend gemacht wird.

45      Zweitens macht der Rat geltend, dass die der Klägerin übermittelte Begründung es ihr erlaube, ihr Recht auf Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs auszuüben, und dem Gemeinschaftsrichter, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen. Die Klägerin habe auch die Möglichkeit gehabt, unter Wahrung ihrer Verteidigungsrechte zu der Begründung Stellung zu nehmen, da der Rat die Klageschrift unverzüglich den Delegationen der Mitgliedstaaten zugeleitet habe.

46      Diese Argumentation, die die Gewährleistung der Verteidigungsrechte im Rahmen des Verwaltungsverfahrens mit der Rechtsgarantie verwechselt, die sich aus dem Anspruch auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsbehelf gegen den am Ende des Verwaltungsverfahrens erlassenen beschwerenden Rechtsakt ergibt, hat das Gericht bereits im Urteil OMPI (Randnr. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung) ausdrücklich zurückgewiesen.

47      Zusammenfassend stellt das Gericht fest, dass die durch den angefochtenen Beschluss verfügte Aufrechterhaltung des Einfrierens der Gelder der Klägerin ein Verfahren abschloss, in dem die Verteidigungsrechte der Klägerin nicht eingehalten worden waren. Diese Feststellung kann nur zur Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses führen, soweit er die Klägerin betrifft.

48      Obwohl es unter diesen Umständen nicht erforderlich ist, über die anderen Klagegründe zu entscheiden, wird das Gericht den zweiten und den dritten Klagegrund wegen ihrer Bedeutung für das Grundrecht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gleichwohl prüfen.

 Zum zweiten und zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931, gegen Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 und gegen die Beweislastverteilung sowie Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

49      Insoweit erinnert das Gericht zunächst daran, dass es in den Urteilen OMPI und PMOI präzisiert hat, a) welches die Voraussetzungen für die Durchführung von Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunktes 2001/931 und Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 sind, b) welche Beweislast in diesem Kontext der Rat trägt und c) welchen Umfang die gerichtliche Kontrolle in diesem Bereich hat.

50      Wie das Gericht in den Randnrn. 115 und 116 des Urteils OMPI und in Randnr. 130 des Urteils PMOI ausgeführt hat, werden die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, von denen die Anwendung einer Maßnahme des Einfrierens von Geldern auf eine Person, Vereinigung oder Körperschaft abhängt, durch Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 bestimmt. Nach dieser Vorschrift erstellt, überprüft und ändert der Rat einstimmig und im Einklang mit Art. 1 Abs. 4, 5 und 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 die Liste der dieser Verordnung unterfallenden Personen, Vereinigungen oder Körperschaften. Die fragliche Liste muss somit gemäß Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 auf der Grundlage genauer Informationen bzw. der einschlägigen Akten erstellt werden, aus denen sich ergibt, dass eine zuständige Behörde, gestützt auf ernsthafte und schlüssige Beweise oder Indizien, gegenüber den betreffenden Personen, Vereinigungen oder Körperschaften einen Beschluss gefasst hat, bei dem es sich um die Aufnahme von Ermittlungen oder um Strafverfolgung wegen einer terroristischen Handlung oder des Versuchs, eine solche Handlung zu begehen, daran teilzunehmen oder sie zu erleichtern, oder um eine Verurteilung für derartige Handlungen handelt. Der Ausdruck „zuständige Behörde“ bezeichnet eine Justizbehörde oder, sofern die Justizbehörden keine Zuständigkeit in diesem Bereich haben, eine entsprechende zuständige Behörde in diesem Bereich. Außerdem müssen gemäß Art. 1 Abs. 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 die Namen von Personen oder Körperschaften, die in der Liste aufgeführt sind, mindestens einmal pro Halbjahr einer regelmäßigen Prüfung unterzogen werden, um sicherzustellen, dass ihr Verbleib auf der Liste nach wie vor gerechtfertigt ist.

51      In Randnr. 117 des Urteils OMPI und in Randnr. 131 des Urteils PMOI hat das Gericht aus diesen Vorschriften gefolgert, dass das Verfahren, das nach der einschlägigen Regelung zum Einfrieren von Geldern führen kann, auf zwei Ebenen stattfindet, auf nationaler und auf Gemeinschaftsebene. Zunächst muss eine zuständige nationale Behörde, in der Regel eine Justizbehörde, einen Beschluss, auf den die Definition des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 zutrifft, gegenüber dem Betroffenen fassen. Handelt es sich um einen Beschluss über die Aufnahme von Ermittlungen oder der Strafverfolgung, so muss dieser auf ernsthafte und schlüssige Beweise oder Indizien gestützt sein. Sodann muss der Rat auf der Grundlage genauer Informationen oder der einschlägigen Akten, aus denen sich ergibt, dass ein solcher Beschluss gefasst wurde, einstimmig beschließen, den Betroffenen auf die streitige Liste zu setzen. In der Folge muss sich der Rat regelmäßig, mindestens einmal pro Halbjahr, vergewissern, dass der Verbleib des Betroffenen auf der Liste nach wie vor gerechtfertigt ist. Insoweit ist die Überprüfung, ob ein Beschluss einer nationalen Behörde vorliegt, auf den die genannte Definition zutrifft, eine wesentliche Voraussetzung für den Erlass des Ausgangsbeschlusses über das Einfrieren von Geldern durch den Rat, während die Überprüfung der weiteren Entwicklung hinsichtlich dieses Beschlusses auf nationaler Ebene für den Erlass eines Folgebeschlusses über das Einfrieren von Geldern unerlässlich ist.

52      In Randnr. 123 des Urteils OMPI und in Randnr. 132 des Urteils PMOI hat das Gericht außerdem daran erinnert, dass nach Art. 10 EG das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen durch die Verpflichtung zu beiderseitiger loyaler Zusammenarbeit bestimmt wird (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 16. Oktober 2003, Irland/Kommission, C‑339/00, Slg. 2003, I‑11757, Randnrn. 71 und 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser Grundsatz ist allgemein anwendbar und gilt u. a. im Rahmen des in Titel VI des EU-Vertrags geregelten Bereichs der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (gemeinhin als „Justiz und Inneres“ [JI] bezeichnet), der im Übrigen vollständig auf der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Organen beruht (Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juni 2005, Pupino, C‑105/03, Slg. 2005, I‑5285, Randnr. 42).

53      In Randnr. 124 des Urteils OMPI und in Randnr. 133 des Urteils PMOI hat das Gericht ausgeführt, dass im Fall der Anwendung des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 und des Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 – Bestimmungen, die eine besondere Form der Zusammenarbeit zwischen dem Rat und den Mitgliedstaaten bei der gemeinsamen Bekämpfung des Terrorismus schaffen – aus diesem Grundsatz für den Rat die Verpflichtung folgt, sich zumindest dann, wenn es sich um eine Justizbehörde handelt, so weit wie möglich auf die Beurteilung durch die zuständige nationale Behörde zu verlassen, insbesondere hinsichtlich des Vorliegens der „ernsthaften und schlüssigen Beweise oder Indizien“, auf die sich ihr Beschluss stützt.

54      Wie in Randnr. 134 des Urteils PMOI entschieden wurde, ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass zwar die Beweislast dafür, dass das Einfrieren der Gelder einer Person, Vereinigung oder Körperschaft nach den einschlägigen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist oder bleibt, dem Rat obliegt, doch ist der Gegenstand dieser Beweislast auf der Ebene des Gemeinschaftsverfahrens zum Einfrieren von Geldern relativ beschränkt. Im Fall eines Ausgangsbeschlusses über das Einfrieren von Geldern betrifft sie im Wesentlichen das Vorliegen genauer Informationen oder einschlägiger Akten, aus denen sich ergibt, dass eine nationale Behörde gegenüber dem Betroffenen einen Beschluss gefasst hat, der der Definition des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 entspricht. Darüber hinaus bezieht sich die Beweislast im Fall eines Folgebeschlusses nach Überprüfung im Wesentlichen auf die Frage, ob das Einfrieren der Gelder unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des konkreten Falles und insbesondere der Folgemaßnahmen aufgrund des Beschlusses der zuständigen nationalen Behörde nach wie vor gerechtfertigt ist.

55      Was die vom Gericht ausgeübte Kontrolle angeht, hat dieses in Randnr. 159 des Urteils OMPI und in Randnr. 137 des Urteils PMOI anerkannt, dass der Rat hinsichtlich der bei der Verhängung von wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen auf der Grundlage der Art. 60 EG, 301 EG und 308 EG in Übereinstimmung mit einem im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik angenommenen Gemeinsamen Standpunkt zu berücksichtigenden Umstände über ein weites Ermessen verfügt. Dieses Ermessen betrifft insbesondere die Zweckmäßigkeitserwägungen, auf denen diese Beschlüsse beruhen. Das Gericht erkennt zwar einen Ermessensspielraum des Rates in diesem Bereich an (vgl. Randnr. 138 des Urteils PMOI), doch bedeutet dies nicht, dass es die Auslegung der maßgeblichen Daten durch dieses Organ nicht überprüfen darf. Der Gemeinschaftsrichter muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung der Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen. Im Rahmen dieser Kontrolle darf er jedoch nicht die Zweckmäßigkeitsbeurteilung seitens des Rates durch seine eigene ersetzen (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, Slg. 2007, I‑9947, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, dass weder die Informationen, die sich aus dem angefochtenen Beschluss, seiner Begründung und dem Mitteilungsschreiben ergeben, noch die in den beiden Antworten des Rates auf den Beweiserhebungsbeschluss vom 26. September 2008 enthaltenen Informationen die vorstehend wiedergegebenen Beweisanforderungen erfüllen, so dass nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen ist, dass der angefochtene Beschluss im Einklang mit Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 und Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 erlassen wurde.

57      Insbesondere hat der Rat dem Gericht weder konkrete Informationen noch ein Aktenstück übermittelt, aus denen hervorginge, dass das von der Antiterror-Abteilung der Staatsanwaltschaft beim Tribunal de grande instance de Paris im April 2001 eingeleitete Ermittlungsverfahren und die beiden ergänzenden Anschuldigungen vom März und November 2007 gegenüber der Klägerin, wie der Rat ohne sonstige Untermauerung seines Vorbringens behauptet, einen die Definition des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 erfüllenden Beschluss darstellen.

58      Insoweit sind die wichtigsten Passagen der ersten Antwort des Rates auf den Beweiserhebungsbeschluss vom 26. September 2008 vollständig wiederzugeben:

„3.      Es fanden vier Sitzungen der Arbeitsgruppe GSt [2001/931] statt, um den Erlass des fraglichen Beschlusses durch den Rat vorzubereiten, soweit der Beschluss die Klägerin betraf. Diese Sitzungen fanden am 2. Juni, 13. Juni, 24. Juni und 2. Juli 2008 statt. …

6.      Die Französische Republik hat für diese Sitzungen ferner an die Delegationen drei Dokumente ausgegeben, in denen die vorgeschlagene neue Grundlage für die Aufnahme der Klägerin in die Liste beschrieben und ihr Vorschlag begründet wird. Das dritte Dokument enthielt teilweise den Text der vom Rat angenommenen Begründung, die bereits zu den Akten des vorliegenden Verfahrens genommen worden ist. Im Zeitpunkt ihrer Ausgabe wurden diese Dokumente von der Französischen Republik als vertraulich eingestuft. Der Rat hat die Französische Republik über den Beschluss des Gerichts unterrichtet, und diese prüft gegenwärtig die Frage der Freigabe der Dokumente. Dem Rat ist jedoch mitgeteilt worden, dass eine Entscheidung hierüber, da die Erfordernisse des nationalen Rechts eingehalten werden müssten, nicht binnen der von der Kanzlei gesetzten Frist getroffen werden könne. Der Rat ist daher derzeit nicht in der Lage, in Bezug auf diese Dokumente dem Beschluss des Gerichts nachzukommen, da er nicht befugt ist, sie – selbst auf vertraulicher Basis – an das Gericht weiterzuleiten. Er bittet das Gericht hierfür höflich um Verständnis und wird es unverzüglich über jede Entscheidung der Französischen Republik über die fraglichen Dokumente unterrichten.

11.      Der Rat möchte insbesondere darauf hinweisen, dass er keinerlei zusätzliches Beweismaterial im Zusammenhang mit den Ermittlungen der französischen Justiz über das in der Begründung dargelegte hinaus erhalten hat. Seiner Kenntnis nach muss solches zusätzliches Beweismaterial während der Dauer der Ermittlungen nach französischem Recht vertraulich bleiben. Der Rat hat alle ihm zur Verfügung gestellten wesentlichen Informationen über das Ermittlungsverfahren wiedergegeben. Eines der oben unter Nr. 6 genannten Dokumente enthielt eine detailliertere Liste der von den Ermittlungen betroffenen Straftaten, jedoch fallen diese alle unter die in der Begründung gegebene allgemeine Beschreibung (nämlich als eine Reihe von Straftaten, die als Haupttat oder Beihilfe in Zusammenhang mit einer gemeinschaftlichen Unternehmung stehen, die auf eine erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung durch Einschüchterung und Terror zielt, sowie als Finanzierung einer terroristischen Vereinigung und die Verschleierung des aus Betrug zum Nachteil besonders verletzlicher Personen oder aus Bandenbetrug unmittelbar oder mittelbar Erlangten in Zusammenhang mit einer terroristischen Unternehmung).

12.      Abgesehen von den Angaben, die die Art der von den Ermittlungen betroffenen Straftaten, den Tag der Einleitung des Ermittlungsverfahrens sowie den Zeitpunkt der Ergänzungen der Tatvorwürfe betreffen, verfügt der Rat über keine weiteren Informationen zum Ermittlungsverfahren. Die genaue Identität der Beschuldigten wurde ihm nicht mitgeteilt, und er weiß nur, dass es sich bei diesen Personen, wie in der Begründung angegeben, um mutmaßliche Mitglieder der Klägerin handelt. Ebenso wenig besitzt er Informationen über mögliche künftige Schritte in dem Ermittlungsverfahren. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dem Rat beim Erlass des angefochtenen Beschlusses über die in der Begründung genannten Beweise hinaus kein weiteres im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ‚gegen die Klägerin beigebrachtes‘ Beweismaterial zur Verfügung stand.“

59      Angesichts des tatsächlichen Vorbringens der Klägerin und der von ihr erhobenen Rügen vermögen weder diese Erläuterungen des Rates noch die von ihm eingereichten Unterlagen den angefochtenen Beschluss rechtlich, insbesondere im Hinblick auf Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001, zu begründen.

60      Dies gilt selbst dann, wenn man die zweite Antwort des Rates auf den Beweiserhebungsbeschluss vom 26. September 2008 berücksichtigt, in deren Anhang er die nicht vertrauliche Fassung der drei oben in Randnr. 58 genannten Dokumente vorgelegt hat, mit denen ihm die französischen Behörden im Juni 2008 Informationen über das im April 2001 in Paris eingeleitete und im Jahr 2007 erweiterte Ermittlungsverfahren mitgeteilt hatten, auf deren Grundlage der angefochtene Beschluss erlassen wurde.

61      Insoweit hat die Klägerin u. a. geltend gemacht, dass das in Frankreich im April 2001 eingeleitete Ermittlungsverfahren ein Verfahren gegen „Unbekannt“ gewesen sei, das unter Umständen gegen bestimmte ihrer Mitglieder oder Sympathisanten gerichtet gewesen sein könne, aber nicht gegen die PMOI als solche.

62      Tatsächlich ist festzustellen, dass sich die französischen Behörden in dem ersten der drei oben in Randnr. 58 angeführten Schriftstücke vom 9. Juni 2008 auf die Mitteilung beschränkten, „dass gegen 17 möglicherweise [der PMOI] angehörende Personen am 9. April 2001 ein Ermittlungsverfahren eröffnet“ worden sei, dass „dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen“ sei und dass „derzeit gegen 24 Beschuldigte ermittelt“ werde. Jedoch wurde keine Erklärung dafür gegeben, warum die französischen Behörden daraus in demselben Schriftstück den Schluss zogen, dass „dieses Verfahren einen gegen [die PMOI] gerichteten Beschluss einer zuständigen Behörde gemäß Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 darstellt“.

63      Der Rat erwidert auf dieses als solches unbestrittene Vorbringen der Klägerin, dass eine solche Situation in Zusammenhang mit dem Einfrieren von Geldern einer Vereinigung wie der Klägerin nicht nur denkbar, sondern sogar logisch und angemessen sei. Zum einen könnten Straftaten wie die Bildung einer kriminellen Vereinigung zur Vorbereitung terroristischer Handlungen, die Finanzierung einer terroristischen Vereinigung und Geldwäsche in Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung nicht von der Vereinigung selbst, sondern nur von den ihr angehörenden natürlichen Personen begangen werden. Zum anderen könne die Klägerin selbst nicht strafrechtlich verfolgt werden, weil sie keine juristische Person sei.

64      Diese Ausführungen stehen zunächst in Widerspruch zum Wortlaut von Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931, wonach ein Beschluss „gegenüber den betreffenden Personen, Vereinigungen oder Körperschaften“ gefasst wird.

65      Selbst wenn diese Vorschrift nicht wörtlich auszulegen wäre, müssten der Rat oder die betreffende zuständige nationale Behörde, damit der Argumentation des Rates gefolgt werden könnte, spezifische und konkrete Gründe dafür angeben, warum im vorliegenden Fall Handlungen, die Individuen zur Last gelegt werden, welche Mitglieder oder Sympathisanten der PMOI sein sollen, der PMOI selbst zur Last zu legen sind. Wie bereits ausgeführt, fehlt eine solche Erläuterung im vorliegenden Fall vollständig.

66      Mangels genauerer Informationen ist es auch nicht möglich, die Richtigkeit und Erheblichkeit der in der Begründung enthaltenen Behauptung zu überprüfen, dass mehrere mutmaßliche Mitglieder der Klägerin derzeit wegen Straftaten im Zusammenhang mit einer terroristischen Unternehmung verfolgt würden. Insoweit hat die Klägerin in ihrer Klageschrift geltend gemacht, dass ihr entgegen den Ausführungen in der Begründung, sehe man von dem 2001 in Frankreich eingeleiteten Ermittlungsverfahren ab, nichts darüber bekannt sei, dass eines ihrer Mitglieder oder einer ihrer Sympathisanten in einem Mitgliedstaat wegen der Finanzierung terroristischer oder sonstiger strafbarer Handlungen, die sich auf die Klägerin bezögen, verfolgt würde. Im Übrigen sei kein Mitglied oder Sympathisant der PMOI jemals einer Straftat im Zusammenhang mit Terrorismus oder dessen Finanzierung schuldig gesprochen worden. Der Rat hat diese Behauptungen in seiner Klagebeantwortung keineswegs widerlegt.

67      In Bezug auf die ergänzenden Anschuldigungen vom 19. März und 13. November 2007 macht die Klägerin außerdem geltend, dass diese sie in keiner Weise beträfen und auf sie nicht einmal Bezug nähmen. In seiner ersten Antwort auf die Anordnung einer Beweisaufnahme räumt der Rat ein, dass er über die Identität der von diesen Maßnahmen betroffenen Personen nicht unterrichtet worden sei und nur wisse, dass sie mutmaßliche Mitglieder der PMOI seien. Auch hier ist in keiner Weise erläutert worden, welcher Zusammenhang zwischen den fraglichen Personen und der Klägerin besteht und aus welchen Gründen es gerechtfertigt sein könnte, die Handlungen dieser Personen der Klägerin anzulasten.

68      Weiter ist darauf hinzuweisen, dass nichts in den Akten die Feststellung gestattet, dass das im April 2001 in Frankreich eingeleitete Ermittlungsverfahren – selbst wenn man davon ausginge, dass es ein Verfahren einer „Justizbehörde“ ist, was die Klägerin ebenfalls bestreitet – nach der Beurteilung dieser Behörde, wie von Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 vorgeschrieben, auf ernsthafte und schlüssige Beweise oder Indizien gestützt wäre.

69      Insoweit haben die französischen Vertreter im Rat zwar in Punkt 3 Buchst. b zweiter Gedankenstrich des vom 26. Juni 2008 datierenden letzten der drei oben in Randnr. 58 genannten Dokumente behauptet, dass die Existenz dieses Ermittlungsverfahrens „beweist, dass die Justizbehörden über die nach Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunktes [2001/931] erforderlichen ‚ernsthaften und schlüssigen Indizien‘ verfügen, die [die PMOI] mit terroristischen Handlungen der jüngeren Vergangenheit in Zusammenhang bringen“.

70      Diese Beurteilung ist aber nicht nur nicht die der zuständigen nationalen Justizbehörde, sondern in einem Schreiben an den Rat vom 3. November 2008, das der zweiten Antwort des Rates auf den Beweiserhebungsbeschluss vom 26. September 2008 als Anlage 4 beigefügt ist, hat das französische Ministerium für auswärtige und europäische Angelegenheiten (ministère des Affaires étrangères et européennes français, MAEE) unter Bezugnahme speziell auf Punkt 3 Buchst. b zweiter Gedankenstrich des letzten der oben in Randnr. 58 genannten Dokumente auch mitgeteilt, dass es seiner Meinung nach „angebracht und rechtmäßig erscheint, klarzustellen, dass es sich um Schlussfolgerungen handelt, die das MAEE aus den von der Staatsanwaltschaft beim Tribunal de grande instance de Paris gemäß Art. 11 [Abs. 3] des Code de procédure pénale [französische Strafprozessordnung] mitgeteilten objektiven Elementen des französischen Verfahrens gezogen hat und für die nur das MAEE verantwortlich ist“.

71      Schließlich weist das Gericht darauf hin, dass es der Rat auf Ersuchen der französischen Behörden abgelehnt hat, Punkt 3 Buchst. a des letzten der oben in Randnr. 58 genannten drei Dokumente „freizugeben“, der die von den französischen Behörden für bestimmte Delegationen der Mitgliedstaaten erstellte „Zusammenfassung der wesentlichen Punkte“ enthält, die „den Verbleib der [PMOI] auf der europäischen Liste rechtfertigen“. Laut dem erwähnten Schreiben des MAEE an den Rat vom 3. November 2008 haben die in Frage stehenden Informationen „einen die nationale Verteidigung berührenden sicherheitsrelevanten Charakter und unterliegen daher gemäß Art. 413‑9 des Code pénal [französisches Strafgesetzbuch] Schutzmaßnahmen zur Beschränkung ihrer Verbreitung“, so dass „das MAEE nicht in der Lage ist, ihre Mitteilung an das Gericht zu genehmigen“.

72      Soweit der Rat behauptet, dass er an den von den französischen Behörden geltend gemachten Grundsatz der Vertraulichkeit gebunden sei, ist nicht nachvollziehbar, warum gegen diesen Grundsatz durch die Mitteilung des in Frage stehenden Akteninhalts an den Gemeinschaftsrichter verstoßen würde, aber durch seine Mitteilung an den Rat selbst und anschließend die Regierungen der 26 übrigen Mitgliedstaaten nicht verstoßen wurde.

73      Jedenfalls ist der Rat nach Auffassung des Gerichts nicht berechtigt, seinen Beschluss über das Einfrieren der Gelder auf von einem Mitgliedstaat mitgeteilte Informationen oder Aktenstücke zu stützen, wenn dieser Mitgliedstaat nicht gewillt ist, ihre Übermittlung an den Gemeinschaftsrichter zu gestatten, dem die Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses obliegt.

74      Insoweit ist daran zu erinnern, dass das Gericht im Urteil OMPI (Randnr. 154) bereits für Recht erkannt hat, dass sich die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses über das Einfrieren von Geldern auf die Beurteilung der Tatsachen und Umstände erstreckt, die zu seiner Begründung herangezogen wurden, sowie auf die Prüfung der Beweismittel und Informationen, auf die sich diese Beurteilung stützt, wie dies der Rat ausdrücklich in seinen Schriftsätzen in der Rechtssache eingeräumt hatte, die zum Urteil vom 21. September 2005, Yusuf und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (T‑306/01, Slg. 2005, II‑3533), führte, das im Rechtsmittelverfahren durch das Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2008, Kadi und Al Bakaraat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg. 2008, I‑0000), aufgehoben worden ist. Das Gericht muss sich auch von der Wahrung der Verteidigungsrechte und von der Erfüllung des insoweit bestehenden Begründungserfordernisses sowie gegebenenfalls von der Berechtigung der zwingenden Erwägungen überzeugen, auf die sich der Rat ausnahmsweise beruft, um hiervon abweichen zu können.

75      Im vorliegenden Fall erweist sich diese Kontrolle umso mehr als unverzichtbar, als sie die einzige Verfahrensgarantie darstellt, die einen gerechten Ausgleich zwischen den Erfordernissen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und dem Grundrechtsschutz schaffen kann. Da die Beschränkungen, denen die Verteidigungsrechte der Betroffenen vom Rat unterworfen werden, durch eine genaue, unabhängige und unparteiische gerichtliche Kontrolle auszugleichen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2006, Eurofood, C‑341/04, Slg. 2006, I‑3813, Randnr. 66), muss der Gemeinschaftsrichter die Rechtmäßigkeit und die Begründetheit der Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern kontrollieren können, ohne dass ihm die Geheimhaltungsbedürftigkeit oder die Vertraulichkeit der vom Rat herangezogenen Beweise und Informationen entgegengehalten werden könnte (Urteil OMPI, Randnr. 155).

76      Im vorliegenden Fall hat die Weigerung des Rates und der französischen Behörden, auch nur allein dem Gericht die in Punkt 3 Buchst. a des letzten der drei oben in Randnr. 58 genannten Dokumente enthaltenen Informationen zur Kenntnis zu bringen, somit zur Folge, dass das Gericht seine Kontrolle der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht ausüben kann.

77      Daraus folgt, dass unter den vorstehend beschriebenen Umständen des vorliegenden Falles die Mitteilung nur der in den Antworten des Rates auf den Beweiserhebungsbeschluss vom 26. September 2008 und in deren Anlagen enthaltenen Informationen es weder der Klägerin noch dem Gericht erlaubt, sich zu vergewissern, dass der angefochtene Beschluss im Einklang mit Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 erlassen wurde und keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler enthält.

78      Demnach ist zum einen festzustellen, dass nicht rechtlich hinreichend erwiesen ist, dass der angefochtene Beschluss im Einklang mit Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 und Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 erlassen wurde, und zum anderen, dass schon die Umstände als solche, unter denen der angefochtene Beschluss erlassen wurde, das Grundrecht der Klägerin auf eine effektive gerichtliche Kontrolle verletzen.

79      Somit sind der zweite und der dritte Klagegrund begründet.

 Kosten

80      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

81      Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss 2008/583/EG des Rates vom 15. Juli 2008 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2007/868/EG wird für nichtig erklärt, soweit er die People’s Mojahedin Organization of Iran betrifft.

2.      Der Rat trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten der People’s Mojahedin Organization of Iran.

3.      Die Französische Republik und die Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

Forwood

Šváby

Truchot

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Dezember 2008.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.