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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

EVGENI TANCHEV

vom 3. April 2019(1)

Rechtssache C654/17 P

Bayerische Motoren Werke AG und Freistaat Sachsen

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Beihilfe mit regionaler Zielsetzung zur Förderung großer Investitionsvorhaben – Beihilfe Deutschlands für ein Vorhaben von BMW zur Herstellung von Elektrofahrzeugen in Leipzig – Beschluss, mit dem die Beihilfemaßnahme für mit dem Binnenmarkt teilweise unvereinbar erklärt wird – Angemessenheit der Beihilfe – Verordnung (EG) Nr. 800/2008 – Streithilfe vor dem Gericht“






Inhaltsverzeichnis


I. Rechtlicher Rahmen

II. Vorgeschichte des Rechtsstreits

III. Verfahren vor dem Gericht, Beschluss vom 11. Mai 2015 und angefochtenes Urteil

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge

V. Zum Rechtsmittel

A. Erster Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

2. Würdigung

a) Zulässigkeit

b) Begründetheit

1) Erster Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

2) Zweiter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

3) Dritter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

4) Vierter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

B. Zweiter Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 288 AEUV, Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 AGVO sowie gegen das Diskriminierungsverbot

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

2. Würdigung

a) Zulässigkeit

b) Begründetheit

1) Erster Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

i) Einleitung

ii) Die Kommission ist für die Vereinbarkeitsprüfung von Beihilfen unabhängig von deren Höhe ausschließlich zuständig

iii) Eine Beihilfe, die die Voraussetzungen der AGVO erfüllt, ist keine bestehende Beihilfe

iv) Die Vereinbarkeit darf anhand des in der Mitteilung von 2009 aufgestellten Kriteriums der Angemessenheit beurteilt werden

v) Ergebnis

2) Zweiter Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

VI. Zum Anschlussrechtsmittel

A. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

B. Würdigung

1. Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels

a) Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels gegen den Beschluss vom 11. Mai 2015

b) Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels gegen das angefochtene Urteil, soweit dieses eine Entscheidung über die Zulassung zur Streithilfe enthält

c) Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels gegen das angefochtene Urteil, soweit darin die allein vom Freistaat Sachsen vorgetragenen Argumente berücksichtigt worden seien

d) Keine Verpflichtung des Gerichtshofs, über die Zulässigkeit der erstinstanzlichen Streithilfe von Amts wegen zu entscheiden

2. Begründetheit

a) Erster Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs

b) Zweiter Rechtsmittelgrund: fehlerhafte Qualifizierung der Tatsachen

c) Dritter Rechtsmittelgrund: Verletzung der Beweislastregeln

VII. Kosten

VIII. Ergebnis


1.        Mit dem vorliegenden Rechtsmittel beantragt die Bayerische Motoren Werke AG (im Folgenden: BMW), der Gerichtshof möge das Urteil des Gerichts(2) aufheben, mit dem die Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 4531 final der Kommission über die staatliche Beihilfe, die die Bundesrepublik Deutschland zugunsten von BMW für die Errichtung einer neuen Produktionsanlage zur Herstellung zweier neuer Fahrzeugmodelle, des Elektrofahrzeugs i3 und des Hybridfahrzeugs i8, in Leipzig (Deutschland) zu gewähren beabsichtigte (im Folgenden: streitiger Beschluss)(3), abgewiesen wurde.

2.        Die Kommission vertrat im streitigen Beschluss die Ansicht, BMW sei durch die Verfügbarkeit der staatlichen Beihilfe zu der Entscheidung veranlasst worden, in Leipzig anstelle eines anderen in Betracht gezogenen Standorts, nämlich München (Deutschland), zu investieren, wo das Vorhaben internen Unternehmensunterlagen zufolge 17 Mio. Euro weniger Kosten als in Leipzig verursacht hätte. Die Kommission stellte fest, dass die in Höhe von rund 45 Mio. Euro angemeldete Beihilfe mit dem Binnenmarkt nur bis zur Höhe des Differenzbetrags zwischen den Investitionskosten für BMW in Leipzig und den Investitionskosten für BMW in München, d. h. nur bis zum Betrag von 17 Mio. Euro, vereinbar sei. Die den Betrag von 17 Mio. Euro übersteigende Beihilfe wurde für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt.

3.        Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht die Klage ab, mit der BMW beantragt hatte, den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit darin der über den Betrag von 17 Mio. Euro hinausgehende Betrag der angemeldeten Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wurde.

4.        Das vor dem Gerichtshof eingelegte Rechtsmittel wirft insbesondere die Frage nach der Angemessenheit der Beihilfe auf. In dieser Rechtssache stellt sich auch die Frage nach der Zulässigkeit von Streithilfen vor dem Gericht. Die Kommission hat nämlich Anschlussrechtsmittel eingelegt, mit dem sie beantragt, erstens den Beschluss des Gerichts(4) über die Zulassung des Freistaats Sachsen (Deutschland), in dem die Stadt Leipzig liegt, als Streithelfer und zweitens das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin Argumente berücksichtigt werden, die allein der Streithelfer vorgebracht hat, und somit über die Zulässigkeit der Streithilfe entschieden wird.

I.      Rechtlicher Rahmen

5.        Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung, im Folgenden: AGVO)(5) bestimmt:

„Regionale Investitionsbeihilfen zugunsten großer Investitionsvorhaben sind bei der Kommission anzumelden, wenn der Gesamtförderbetrag aus sämtlichen Quellen 75 % des Beihilfehöchstbetrags überschreitet, den eine Investition mit beihilfefähigen Kosten in Höhe von 100 Mio. [Euro] erhalten könnte, würde die zum Bewilligungszeitpunkt geltende, in der genehmigten Fördergebietskarte festgelegte Regel-Obergrenze für Beihilfen zugunsten großer Unternehmen zugrunde gelegt.“

6.        Art. 13 Abs. 1 AGVO sieht vor:

„Regionale Investitions- und Beschäftigungsbeihilferegelungen sind im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und von der Anmeldepflicht gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag freigestellt, wenn die Voraussetzungen dieses Artikels erfüllt sind.

…“

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits

7.        Am 30. November 2010 unterrichtete Deutschland die Kommission von seiner Absicht, BMW eine Beihilfe in Form einer Investitionszulage mit einem Gesamtbetrag von bis zu 45 257 273 Euro(6) nach dem Investitionszulagengesetz 2010 vom 7. Dezember 2008 in geänderter Fassung (im Folgenden: InvZulG)(7) für die Errichtung einer Produktionsanlage zur Herstellung des Elektrofahrzeugs i3 und des Hybridfahrzeugs i8 in Leipzig zu gewähren.

8.        Am 13. Juli 2011 beschloss die Kommission, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten.

9.        Am 9. Juli 2014 erließ die Kommission den streitigen Beschluss, mit dem sie, wie oben in Nr. 2 erwähnt, feststellte, dass die angemeldete Beihilfe mit dem Binnenmarkt nur bis zu dem der Differenz zwischen den Investitionskosten in Leipzig und den Investitionskosten in München entsprechenden Betrag von 17 Mio. Euro vereinbar sei. Der 17 Mio. Euro übersteigende Teil der angemeldeten Beihilfe, d. h. der Betrag von 28 257 273 Euro, war mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

III. Verfahren vor dem Gericht, Beschluss vom 11. Mai 2015 und angefochtenes Urteil

10.      Am 19. September 2014 erhob BMW Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, soweit darin der 17 Mio. Euro übersteigende Beihilfebetrag für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wurde. BMW beantragte hilfsweise, den streitigen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als darin der Teil der Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wurde, der 17 Mio. Euro, aber nicht den von der Anmeldepflicht gemäß Art. 6 Abs. 2 AGVO ausgenommenen Betrag überstieg (der im vorliegenden Fall 22,5 Mio. Euro beträgt).

11.      Am 16. Januar 2015 beantragte der Freistaat Sachsen, als Streithelfer zur Unterstützung von BMW zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 11. Mai 2015 gab der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts dem Streithilfeantrag des Freistaats Sachsen statt. Nach Ansicht des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts hatte der Freistaat Sachsen ein berechtigtes Interesse am Ausgang des am Gericht anhängigen Rechtsstreits im Sinne von Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, da die Kommission dadurch, dass sie die Beihilfe nur in Höhe von 17 Mio. Euro für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt habe, dem Freistaat Sachsen die mit einer Bewilligung des angemeldeten Beihilfebetrags verbundenen wirtschaftlichen Vorteile vorenthalten habe, weshalb der streitige Beschluss konkrete Auswirkungen auf die Wirtschaft der betreffenden Region gehabt habe.

12.      Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht die Klage auf teilweise Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses ab.

13.      Das Gericht wies den ersten Klagegrund zurück, mit dem ein Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV gerügt worden war. Das Gericht entschied erstens, dass die Kommission ihre Pflicht zu einer sorgfältigen und unvoreingenommenen Prüfung im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens nicht verletzt habe und dass sie das förmliche Prüfverfahren mit der Begründung habe eröffnen dürfen, dass die Möglichkeit nicht auszuschließen sei, dass die in Punkt 68 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007–2013 (im Folgenden: Leitlinien)(8) festgelegten Schwellenwerte überschritten worden seien. Das Gericht befand zweitens, dass die Kommission auch im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens eine sorgfältige und unvoreingenommene Prüfung vorgenommen habe und dass sie habe prüfen dürfen, ob die in ihrer Mitteilung betreffend die Kriterien für die eingehende Prüfung staatlicher Beihilfen mit regionaler Zielsetzung zur Förderung großer Investitionsvorhaben (im Folgenden: Mitteilung von 2009)(9) aufgestellten Voraussetzungen erfüllt seien, und zwar unabhängig von einer etwaigen Überschreitung der vorerwähnten Schwellenwerte. Drittens habe die Kommission nicht deshalb einen offensichtlichen Fehler begangen, weil sie die Mitteilung von 2009 angewandt habe.

14.      Das Gericht wies den zweiten Klagegrund zurück, mit dem ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV gerügt worden war. Erstens habe die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Beihilfe nach Nr. 22 Ziff. 2 der Mitteilung von 2009 einen Anreizeffekt gehabt habe, da sie BMW bei der Standortwahl veranlasst habe, die Investition in Leipzig anstatt in München vorzunehmen. Zweitens habe die Kommission fehlerfrei festgestellt, dass die Differenz zwischen den Investitionskosten in Leipzig und den Investitionskosten in München 17 Mio. Euro betrage und dass die Beihilfe nur bis zu diesem Betrag angemessen sei. Drittens habe die Kommission den 17 Mio. Euro übersteigenden Teil der Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären dürfen, ohne eine wirtschaftliche Analyse durchführen und dartun zu müssen, dass dieser Teil der Beihilfe sich negativ auf den Wettbewerb auswirken würde. Viertens habe die Kommission zu Recht festgestellt, dass die von Deutschland nach der vollzogenen Anmeldung der Beihilfe vorgelegte Schätzung der tatsächlichen Kosten nicht habe berücksichtigt werden können.

15.      Schließlich wies das Gericht den hilfsweise vorgebrachten dritten Klagegrund zurück, mit dem gerügt worden war, dass die Kommission gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV und die AGVO verstoßen habe, indem sie die Beihilfe nur bis zu dem Betrag von 17 Mio. Euro, d. h. bis zu einem geringeren als dem von der Anmeldepflicht gemäß Art. 6 Abs. 2 AGVO ausgenommenen Betrag (im vorliegenden Fall 22,5 Mio. Euro), für vereinbar erklärt habe. Regionalbeihilfen, die wie im Streitfall die in Art. 6 Abs. 2 AGVO festgelegte Schwelle zur Einzelanmeldung überschritten, seien nicht nach der AGVO, sondern anhand der in der Mitteilung von 2009 aufgestellten Kriterien zu beurteilen. Die Kommission habe nicht ihre Befugnisse überschritten, indem sie den Beihilfebetrag auf einen geringeren als den von der Anmeldepflicht ausgenommenen Betrag begrenzt habe, denn bei einer von der Anmeldepflicht befreiten Beihilfe werde nur vermutet, dass sie mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge

16.      Mit seinem Rechtsmittel beantragt BMW, unterstützt vom Freistaat Sachsen,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit darin der Beihilfebetrag von 28 257 273 Euro, d. h der über 17 Mio. Euro hinausgehende Betrag der angemeldeten Beihilfe, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird;

–        hilfsweise, den streitigen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als darin der Beihilfebetrag, der nicht über den von der Anmeldepflicht gemäß Art. 6 Abs. 2 AGVO ausgenommenen Betrag hinausgeht, verboten und für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird, soweit dieser Beihilfebetrag 17 Mio. Euro übersteigt;

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17.      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen;

–        BMW zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

18.      Mit ihrem Anschlussrechtsmittel beantragt die Kommission,

–        den Beschluss vom 11. Mai 2015 aufzuheben;

–        die Entscheidung über die Zulässigkeit der Streithilfe und über die Einbeziehung der vom Freistaat Sachsen zusätzlich zu BMW vorgetragenen Argumente im angefochtenen Urteil aufzuheben;

–        als Gericht des ersten Rechtszugs über den Antrag auf Zulassung als Streithelfer zu entscheiden und diesen Antrag als unbegründet abzulehnen;

–        BMW zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

19.      Der Freistaat Sachsen beantragt,

–        das Anschlussrechtsmittel zurückzuweisen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

20.      BMW beantragt,

–        das Anschlussrechtsmittel zurückzuweisen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

21.      In der Sitzung vom 23. Januar 2019 haben BMW, die Kommission und der Freistaat Sachsen mündlich verhandelt.

V.      Zum Rechtsmittel

22.      BMW macht zwei Rechtsmittelgründe geltend. Erstens habe das Gericht mit der Feststellung, dass die Kommission den Beihilfebetrag auf 17 Mio. Euro habe begrenzen dürfen, ohne im Wege einer wirtschaftlichen Analyse zu prüfen, ob der 17 Mio. Euro übersteigende Teil der Beihilfe zu einer Wettbewerbsverfälschung führen würde, gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV verstoßen. Zweitens habe das Gericht mit der Feststellung, dass die Kommission den Beihilfebetrag fehlerfrei auf einen Betrag habe begrenzen dürfen, der geringer sei als der von der Anmeldepflicht gemäß Art. 6 Abs. 2 AGVO ausgenommene Betrag (22,5 Mio. Euro), gegen Art. 288 AEUV, Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 AGVO sowie gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen.

A.      Erster Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV

1.      Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

23.      Mit seinem ersten Rechtsmittelgrund macht BMW geltend, das Gericht habe insoweit gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV verstoßen, als es in den Rn. 145 bis 149 des angefochtenen Urteils angenommen habe, dass die Kommission die Beihilfe auf 17 Mio. Euro, d. h. den der Differenz zwischen den Investitionskosten in Leipzig und den Investitionskosten in München entsprechenden Betrag, habe begrenzen dürfen, ohne zu prüfen, ob der 17 Mio. Euro übersteigende Teil der Beihilfe zu einer Wettbewerbsverfälschung führen würde.

24.      Der erste Rechtsmittelgrund gliedert sich in vier Teile.

25.      Im ersten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes trägt BMW vor, es könne nicht vermutet werden, dass jeder Beihilfebetrag, der den gemäß Nr. 33 der Mitteilung von 2009 für verhältnismäßig erachteten Betrag übersteige – d. h. jeder über den Differenzkostenbetrag hinausgehende Beihilfebetrag –, eine Wettbewerbsverfälschung bewirke. Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV verbiete nämlich nur Beihilfen, die „die Handelsbedingungen … in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft“. Die Kommission habe deshalb den die Kostendivergenz übersteigenden Beihilfebetrag nicht für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären dürfen, ohne zuvor den relevanten Markt abzugrenzen und die Marktstellung des Beihilfeempfängers zu beurteilen.

26.      Im zweiten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes führt BMW aus, die Feststellung des Gerichts in Rn. 149 des angefochtenen Urteils, wonach die Kommission nicht habe zu prüfen brauchen, ob der 17 Mio. Euro übersteigende Teil der Beihilfe den Wettbewerb verfälsche, stehe nicht im Einklang mit der Rechtsprechung.

27.      Im dritten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes meint BMW, das Gericht hätte beanstanden müssen, dass die Kommission es unterlassen habe, die Zweifel hinsichtlich der genauen Abgrenzung des relevanten Marktes und der Stellung des Beihilfeempfängers auf diesem Markt auszuräumen.

28.      Im vierten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes trägt BMW vor, die Feststellung des Gerichts, dass eine Beihilfe in Höhe von 17 Mio. Euro für die Auslösung der Entscheidung, in Leipzig zu investieren, ausreichend gewesen sei, beruhe auf einer Verfälschung der Tatsachen. Diese Entscheidung sei nämlich vielmehr aufgrund einer Förderzusage in Höhe von knapp 50 Mio. Euro getroffen worden.

29.      Die Kommission hält den ersten Rechtsmittelgrund für insgesamt unzulässig und für teilweise unbegründet.

30.      Nach Ansicht der Kommission ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unzulässig, da es sich um einen neuen Klagegrund handle. Mit dem ersten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes rüge BMW vor dem Gerichtshof, dass das Gericht mit der Feststellung, wonach die Kommission die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht habe zu beurteilen brauchen, gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen habe. Vor dem Gericht habe BMW jedoch einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV und nicht gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gerügt.

31.      Nach Ansicht der Kommission ist auch der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unzulässig. Entweder rüge der Rechtsmittelführer einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV, was einen neuen Klagegrund darstelle und als solcher unzulässig sei. Oder der Rechtsmittelführer rüge einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV. Im letzteren Fall ergebe sich aber aus der Rechtsprechung, die der Rechtsmittelführer anführe, dass dieser in Wirklichkeit die Qualifizierung der fraglichen staatlichen Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV beanstande, was wiederum einen neuen Klagegrund darstelle. Jedenfalls sei der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unbegründet, da die Kommission, um den 17 Mio. Euro übersteigenden Beihilfebetrag für mit dem Binnenmarkt unvereinbar zu erklären, nicht habe prüfen müssen, ob der Wettbewerb durch diesen Betrag verfälscht würde.

32.      Nach Ansicht der Kommission ist der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unzulässig. Soweit der Rechtsmittelführer wieder einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV rüge, handle es sich um einen neuen Klagegrund. Soweit er sich auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV berufe, erfülle seine Rüge nicht die Voraussetzungen von Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs. Jedenfalls sei der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unbegründet.

33.      Die Kommission hält den vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes für unzulässig, weil der Rechtsmittelführer nicht die von ihm beanstandeten Randnummern des angefochtenen Urteils bezeichnet habe. Jedenfalls sei der vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unbegründet, da das Gericht in Rn. 154 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Unterlagen, aus denen angeblich hervorgehe, dass die Differenz zwischen den Investitionskosten in Leipzig und den Investitionskosten in München knapp 50 Mio. Euro und nicht 17 Mio. Euro betragen habe, erst erstellt worden seien, nachdem die Entscheidung, in Leipzig zu investieren, getroffen worden sei, so dass sich die Kommission nicht darauf habe stützen können. Außerdem sei es Sache des betroffenen Mitgliedstaats, alle Auskünfte zu erteilen, damit die Kommission überprüfen könne, ob die Vereinbarkeitskriterien erfüllt seien.

34.      BMW entgegnet, der erste Rechtsmittelgrund sei zulässig.

35.      Der Freistaat Sachsen schließt sich dem Vortrag von BMW in vollem Umfang an. Er macht geltend, das Gericht habe gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV verstoßen. Erstens habe die Kommission zu Unrecht angenommen, dass der plausible Produktmarkt das niedrigste Niveau beinhalten solle, für das statistische Daten verfügbar seien, womit vorliegend der Elektroautomarkt gemeint sei, und zu Unrecht davon abgesehen, den räumlich relevanten Markt abzugrenzen. Das Gericht habe rechtsfehlerhaft festgestellt, dass es nicht erforderlich gewesen sei, eine Marktabgrenzung vorzunehmen, da die Kommission das förmliche Prüfverfahren habe eröffnen können, obwohl die in Punkt 68 der Leitlinien aufgestellten Schwellenwerte nicht überschritten worden seien. Zweitens habe das Gericht mit der Feststellung, dass die Kommission den Beihilfebetrag auf den Kostendifferenzbetrag habe begrenzen dürfen, die Begriffe des Anreizeffekts und der Angemessenheit der Beihilfe in unzulässiger Weise vermengt. Drittens habe das Gericht rechtsfehlerhaft entschieden, dass die Kommission die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb nur dann prüfen müsse, wenn sie zuvor festgestellt habe, dass die Beihilfe notwendig sei.

2.      Würdigung

36.      Die Kommission hat im streitigen Beschluss den Teil der angemeldeten Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt, der die Differenz zwischen den Investitionskosten in Leipzig und den Investitionskosten in München überstieg, d. h. den 17 Mio. Euro überschreitenden Teil der angemeldeten Beihilfe. Mit seinem ersten Rechtsmittelgrund macht BMW geltend, das Gericht habe insoweit gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV verstoßen, als es festgestellt habe, dass die Kommission den Beihilfebetrag auf den Differenzkostenbetrag habe begrenzen dürfen, ohne im Wege einer wirtschaftlichen Analyse zu prüfen, ob der diesen Differenzkostenbetrag übersteigende Teil der Beihilfe zu einer Wettbewerbsverfälschung führe.

a)      Zulässigkeit

37.      Erstens ist der Einwand zurückzuweisen, mit dem die Kommission die Unzulässigkeit des ersten, des zweiten und des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes mit der Begründung geltend macht, dass darin ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gerügt werde und diese Rüge nicht vor dem Gericht vorgebracht worden sei. Es ist zwar richtig, dass in der Rechtsmittelschrift auf Abs. 1 von Art. 107 AEUV verwiesen wird und dass ein Verstoß gegen diesen Absatz vor dem Gericht nicht gerügt worden ist. Die Rechtsmittelschrift enthält jedoch auch eine Bezugnahme auf Abs. 3 von Art. 107 AEUV, dessen Verletzung vor dem Gericht geltend gemacht worden ist. Aus dem die Prüfung der Angemessenheit der Beihilfe betreffenden Vorbringen von BMW ergibt sich, dass mit dem ersten Rechtsmittelgrund ein Verstoß gegen Abs. 3 von Art. 107 AEUV und nicht gegen dessen Abs. 1 geltend gemacht wird.

38.      Zweitens ist der Einwand zurückzuweisen, mit dem die Kommission die Unzulässigkeit des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes mit der Begründung geltend macht, entgegen den Erfordernissen des Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs seien dazu keine Argumente vorgebracht worden. BMW macht im dritten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes geltend, wenn die Kommission eine Beihilfemaßnahme für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären wolle, müsse sie den Nachweis erbringen, dass diese sich negativ auf den Wettbewerb auswirke, und zu diesem Zweck den relevanten Markt abgrenzen und die Stellung des Beihilfeempfängers auf diesem Markt beurteilen. Damit bringt BMW Argumente vor, um seine Rüge zu untermauern, wonach die Kommission dadurch gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV verstoßen habe, dass sie die Zweifel hinsichtlich der Marktabgrenzung nicht ausgeräumt habe.

39.      Zurückzuweisen ist auch der Einwand, mit dem die Kommission die Unzulässigkeit des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes mit der Begründung geltend macht, darin würden entgegen den Erfordernissen des Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs nicht die beanstandeten Randnummern des angefochtenen Urteils bezeichnet. Im ersten Rechtsmittelgrund wird auf die Rn. 145 bis 149 des angefochtenen Urteils verwiesen. In diesen Randnummern hat das Gericht entschieden, wenn die Kommission eine Beihilfemaßnahme auf den für angemessen erachteten Betrag begrenzen wolle, brauche sie nicht nachzuweisen, dass der diesen Betrag übersteigende Teil der Beihilfe sich negativ auf den Wettbewerb auswirken und die Marktstellung des Beihilfeempfängers stärken würde. Daher ist der oben in Nr. 38 zusammengefasste dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes vorschriftsgemäß gegen die Rn. 145 bis 149 des angefochtenen Urteils gerichtet.

40.      Drittens muss meines Erachtens der Einwand durchgreifen, mit dem die Kommission den vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes für unzulässig hält, weil darin nicht die beanstandeten Randnummern des angefochtenen Urteils bezeichnet würden. Im vierten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes macht BMW nämlich geltend, die Feststellung des Gerichts, dass die Entscheidung, in Leipzig zu investieren, aufgrund einer Förderzusage von 17 Mio. Euro und nicht knapp 50 Mio. Euro getroffen worden sei, beruhe auf einer Verfälschung der Tatsachen und der Beweismittel. Das Gericht behandelt diese Frage in den Rn. 154 bis 161 des angefochtenen Urteils. Der erste Rechtsmittelgrund verweist jedoch nur auf die Rn. 145 bis 149 des angefochtenen Urteils.

41.      Ich komme zu dem Ergebnis, dass der erste, der zweite und der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zulässig sind, während der vierte Teil dieses Rechtsmittelgrundes unzulässig ist.

b)      Begründetheit

1)      Erster Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

42.      Mit dem ersten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes macht BMW geltend, das Gericht habe insoweit gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV verstoßen, als es angenommen habe, dass die Kommission habe vermuten dürfen, dass der die Differenz zwischen den Investitionskosten in Leipzig und den Investitionskosten in München übersteigende Teil der angemeldeten Beihilfe den Wettbewerb verfälsche. Die Kommission hätte den Nachweis erbringen müssen, dass dieser Teil der Beihilfe eine Wettbewerbsverfälschung bewirken würde, und hätte zu diesem Zweck eine wirtschaftliche Analyse vornehmen müssen.

43.      Nach meiner Meinung sollte der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückgewiesen werden.

44.      Nach der Mitteilung von 2009 braucht die Kommission, wenn sie eine Beihilfemaßnahme für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären will, nicht nachzuweisen, dass diese Maßnahme den Wettbewerb verfälschen würde.

45.      In der Mitteilung von 2009 sind die Kriterien aufgeführt, anhand deren die Vereinbarkeitsprüfung von Regionalbeihilfen für große Investitionsvorhaben(10) zu erfolgen hat, wenn wie im vorliegenden Fall(11) ein förmliches Prüfverfahren eröffnet worden ist(12). Nach dieser Mitteilung muss die Kommission die positiven Auswirkungen, die Regionalbeihilfen „insbesondere im Bereich der Förderung der Kohäsion durch Anwerbung von Investitionen für benachteiligte Gebiete“ haben können, und die „[etwaigen] negativen Auswirkungen“ auf Wettbewerber des Beihilfeempfängers und auf andere Regionen gegeneinander abwägen(13).

46.      Zum einen hat die Kommission die positiven Auswirkungen einer Regionalbeihilfe zu würdigen. Diese Beihilfe soll erstens einen Beitrag zur Verringerung der Entwicklungsabstände zwischen den verschiedenen Gebieten der EU leisten, zweitens das für die Erreichung dieses Ziels geeignete Instrument sein, drittens einen Anreizeffekt haben und viertens angemessen sein(14). Was insbesondere die dritte Voraussetzung betrifft, so gibt es zwei Szenarien, in denen sie erfüllt sein kann: Entweder würde die Investition ohne die Beihilfe überhaupt nicht getätigt (Szenario 1), oder die Investition würde ohne die Beihilfe an einem anderen Standort getätigt (Szenario 2). Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die Beihilfe einen Anreizeffekt auf der Grundlage des Szenarios 2 hatte, da die Investition ohne eine Beihilfe in München und nicht in Leipzig getätigt worden wäre(15). Was die vierte Voraussetzung anbelangt, so wird bei Szenario 2 davon ausgegangen, dass die Beihilfe den Grundsatz der Angemessenheit erfüllt, wenn sie der Differenz zwischen den Kosten, die dem Empfänger für die Investition in das Fördergebiet entstehen, und den Kosten, die ihm für die Investition in ein anderes Gebiet entstehen würden, entspricht. Im vorliegenden Fall wurde der Beihilfebetrag auf 17 Mio. Euro begrenzt, da sich die Differenz zwischen den Investitionskosten in Leipzig und den Investitionskosten in München für BMW auf 17 Mio. Euro belief(16).

47.      Zum anderen sind die in der vorstehenden Nr. 46 beschriebenen positiven Auswirkungen gegen die negativen Auswirkungen abzuwägen, die eine Beihilfe auf den Wettbewerb, namentlich in Bezug auf Schaffung von Marktmacht und die Schaffung oder Aufrechterhaltung ineffizienter Marktstrukturen, sowie auf den Handel haben kann(17).

48.      Nach der Mitteilung von 2009 kann die Kommission eine solche Abwägung jedoch nur dann vornehmen, wenn sie festgestellt hat, dass die Beihilfe, wie oben in Nr. 46 dargelegt, notwendig ist, um die Investition in dem betreffenden Fördergebiet durchzuführen. Nr. 52 dieser Mitteilung lautet nämlich: „Hat die Kommission festgestellt, dass eine … [B]eihilfe als Anreiz für ein großes Investitionsvorhaben in einem bestimmten Gebiet notwendig ist, wägt sie die positiven und negativen Auswirkungen gegeneinander ab.“(18)

49.      Umgekehrt kann die Kommission, wenn sie feststellt, dass eine Beihilfe nicht notwendig ist, diese für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären, ohne zu prüfen, ob sie den Wettbewerb verfälscht.

50.      Daraus folgt, dass eine für die Investition in dem betreffenden Fördergebiet nicht notwendige Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt werden kann, selbst wenn es (vom betroffenen Mitgliedstaat beigebrachte) Belege dafür gibt, dass sie den Wettbewerb nicht verfälschen oder dass sie ihn fördern würde. Die Auswirkungen einer nicht für notwendig befundenen Beihilfe auf den Wettbewerb, seien sie negativ oder positiv, finden nach der Mitteilung von 2009 schlichtweg keine Berücksichtigung.

51.      Ich möchte betonen, dass die Bezugnahme in Nr. 52 der Mitteilung von 2009 auf eine Beihilfe, von der festgestellt wurde, dass sie „als Anreiz für ein großes Investitionsvorhaben in einem bestimmten Gebiet notwendig ist“, als Verweis auf eine Beihilfe zu verstehen ist, bei der festgestellt wurde, dass sie nicht nur einen Anreizeffekt hat, sondern auch angemessen ist. Ist die Beihilfe notwendig, aber unangemessen hoch, kann der den angemessenen Betrag übersteigende Teil der Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt werden, selbst wenn er nachweislich zu keiner Wettbewerbsverfälschung führen würde. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des den angemessenen Betrag übersteigenden Teils der Beihilfe eine fehlende Anreizwirkung anzunehmen ist. Außerdem wäre die Auffassung, fehlende negative Auswirkungen einer Beihilfe auf den Wettbewerb könnten deren übermäßig hohen Betrag ausgleichen, so dass dieser für vereinbar erklärt werden müsse, mit der Logik von Regionalbeihilfen unvereinbar.

52.      Ich komme zu dem Ergebnis, dass die Kommission nach der Mitteilung von 2009 den Betrag der angemeldeten Beihilfe auf die Differenz zwischen den Investitionskosten in der betreffenden Region und den Investitionskosten an dem alternativen Standort begrenzen darf, ohne nachweisen zu müssen, dass der diese Kostendivergenz übersteigende Teil der Beihilfe zu einer Wettbewerbsverfälschung führen würde.

53.      Ich stelle fest, dass BMW die Rechtmäßigkeit der Mitteilung von 2009 nicht in Frage gestellt hat.

54.      Das Gericht hat daher keinen Fehler begangen, als es in Rn. 146 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass von der Kommission bei dem Teil der Beihilfe, den sie für zu hoch erachtete, da er die Differenz zwischen den Investitionskosten in Leipzig und den Investitionskosten in München überstieg, „vermutet werden“ durfte, er werde den Wettbewerb verfälschen, und dass sie diesen Teil der Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären durfte, ohne verpflichtet zu sein, zuvor „etwaige … positive Folgen zu prüfen“.

2)      Zweiter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

55.      Mit dem zweiten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes macht BMW geltend, die Feststellung des Gerichts, wonach die Kommission den die Kostendivergenz übersteigenden Teil der Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar habe erklären dürfen, ohne darzutun, dass dieser Teil den Wettbewerb verfälsche, sei mit der Rechtsprechung unvereinbar.

56.      Nach meiner Meinung sollte der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückgewiesen werden.

57.      BMW beruft sich auf das Urteil in der Rechtssache Wam, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass es der Kommission „[obliege], zu prüfen, ob die … Beihilfen … den Wettbewerb verfälschen könnten“(19). Diese Aussage bezieht sich jedoch auf die Qualifizierung einer Beihilfemaßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV und nicht auf die Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt. Außerdem hat der Gerichtshof in der Rechtssache Wam in der auf die Randnummer mit der vorstehend zitierten Aussage folgenden Randnummer entschieden, dass die Kommission „nicht gehalten … sei, eine wirtschaftliche Analyse der tatsächlichen Lage auf dem betroffenen Markt … anzustellen“, um eine staatliche Maßnahme als staatliche Beihilfe zu qualifizieren(20).

58.      Zwar hätte sich das Gericht in Rn. 149 des angefochtenen Urteils nicht auf das letztgenannte Zitat des Urteils in der Rechtssache Wam stützen dürfen, da dieses Zitat die Qualifizierung einer staatlichen Maßnahme als staatliche Beihilfe, nicht aber die Vereinbarkeitsprüfung von Beihilfen betrifft. Gleichwohl bleibt es dabei, dass das Gericht in Rn. 146 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden hat, die Kommission dürfe eine unverhältnismäßig hohe Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären, ohne die etwaigen positiven Auswirkungen dieser Beihilfe auf den Wettbewerb prüfen zu müssen, mit anderen Worten, ohne eine dahin gehende wirtschaftliche Analyse anstellen zu müssen.

59.      BMW beruft sich auch auf das Urteil in der Rechtssache Smurfit Kappa, das eine Regionalbeihilfe für ein großes Investitionsvorhaben (die Errichtung einer Papierfabrik in der Region Brandenburg-Nordost) betraf. Zwar hat das Gericht in diesem Urteil festgestellt, die Kommission habe, um die Beihilfe für vereinbar zu erklären, zu Unrecht „lediglich geprüft, ob sich die Nachteile des subventionierten Vorhabens im Hinblick auf Wettbewerbsverzerrungen in Grenzen halten, nicht aber, ob die Vorteile für die regionale Entwicklung stärker ins Gewicht fallen als die genannten Nachteile, seien diese auch noch so gering“(21). Ich weise jedoch darauf hin, dass das Gericht in seinem Urteil in der Rechtssache Smurfit Kappa selbst erwähnt hat, dass die Mitteilung von 2009 bei Erlass der in diesem Urteil beanstandeten Entscheidung noch nicht erlassen worden war(22).

60.      BMW führt überdies das Urteil in der Rechtssache Kotnik an, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass „[d]er Erlass einer Mitteilung … die Kommission … nicht von ihrer Pflicht [entbindet], die spezifischen außergewöhnlichen Umstände zu prüfen, auf die sich ein Mitgliedstaat in einem bestimmten Fall bei dem Ersuchen um unmittelbare Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV beruft, und ihre Ablehnung eines solchen Antrags zu begründen“(23). Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Kommission im vorliegenden Fall verpflichtet gewesen wäre, die Vereinbarkeit der streitigen Beihilfe nicht anhand der Mitteilung von 2009, sondern gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV zu beurteilen. Werden in einer Mitteilung nämlich Kriterien für die Vereinbarkeitsprüfung einer bestimmten Beihilfe aufgestellt, so kann die Vereinbarkeit unmittelbar gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV nur auf Ersuchen des betroffenen Mitgliedstaats beurteilt werden, der rechtlich hinreichend belegen muss, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die unmittelbare Anwendung dieser Bestimmung erforderlich machen(24). Im vorliegenden Fall wurde nicht vorgetragen, Deutschland habe die unmittelbare Anwendung von Art. 107 Abs. 3 AEUV verlangt.

61.      Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen ist.

3)      Dritter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

62.      Mit dem dritten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes rügt BMW, das Gericht habe insoweit gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV verstoßen, als es nicht beanstandet habe, dass die Kommission davon abgesehen habe, die den relevanten Markt und die Stellung des Beihilfeempfängers auf diesem Markt betreffenden Zweifel auszuräumen. Hätte die Kommission den relevanten Markt ermittelt, hätte sie festgestellt, dass der Beihilfeempfänger über keine Macht auf diesem Markt verfügt habe, weshalb es nicht notwendig gewesen sei, den Betrag der angemeldeten Beihilfe auf 17 Mio. Euro zu begrenzen.

63.      Zwar heißt es in Nr. 37 der Mitteilung von 2009: „Zur Bewertung der Marktanteile und potenzieller Überkapazitäten auf einem strukturbedingt schrumpfenden Markt muss die Kommission den sachlich und räumlich relevanten Markt abgrenzen.“ Diese Nummer befindet sich jedoch in dem die negativen Auswirkungen der Beihilfe betreffenden Abschnitt 3 der Mitteilung von 2009. Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Auswirkungen nicht beurteilt zu werden brauchen, wenn die Beihilfe für unverhältnismäßig hoch erachtet wurde. In dieser Situation „muss“ die Kommission den relevanten Markt nicht abgrenzen.

64.      Infolgedessen ist der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

4)      Vierter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

65.      Mit dem vierten Teil seines ersten Rechtsmittelgrundes wirft BMW dem Gericht vor, die Tatsachen und Beweismittel verfälscht zu haben, als es feststellte, dass die Entscheidung, in Leipzig zu investieren, aufgrund einer Förderzusage von 17 Mio. Euro und nicht knapp 50 Mio. Euro getroffen worden sei.

66.      Wie oben in Nr. 40 dargelegt, halte ich den vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes für unzulässig. Sollte der Gerichtshof ihn aber für zulässig erachten, werde ich aufzeigen, dass er jedenfalls unbegründet ist.

67.      Insoweit genügt der Hinweis, dass Unternehmensunterlagen vom Dezember 2009 die Schätzung enthielten, wonach sich die Kostendivergenz zwischen den beiden Standorten auf 17 Mio. Euro belief(25), und dass Deutschland erst im September 2012, d. h., nachdem die Kommission am 30. November 2010 von dem Investitionsvorhaben in Leipzig unterrichtet worden war(26), geltend machte, es sollten Zusatzkosten in Höhe von 29 Mio. Euro auf den ursprünglichen Betrag von 17 Mio. Euro aufgeschlagen werden(27). Aus diesem Grund hat das Gericht mit seiner Feststellung in Rn. 160 des angefochtenen Urteils, dass die Entscheidung, in Leipzig zu investieren, aufgrund einer Kostendivergenz in Höhe von 17 Mio. Euro getroffen worden sei und die Zusatzkosten in Höhe von 29 Mio. Euro nicht zu berücksichtigen seien, weder die Tatsachen noch die Beweismittel verfälscht.

68.      Ich komme zu dem Ergebnis, dass der erste Rechtsmittelgrund zum Teil als unzulässig (hinsichtlich des vierten Teils) und zum Teil als unbegründet (hinsichtlich des ersten, des zweiten und des dritten Teils) zurückgewiesen werden sollte.

B.      Zweiter Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 288 AEUV, Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 AGVO sowie gegen das Diskriminierungsverbot

1.      Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

69.      Der zweite Rechtsmittelgrund stützt den Hilfsantrag, der darauf abzielt, den streitigen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als darin der Teil der Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird, der 17 Mio. Euro, nicht aber die Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO übersteigt, die im vorliegenden Fall bei 22,5 Mio. Euro liegt.

70.      Der zweite Rechtsmittelgrund gliedert sich in zwei Teile.

71.      Im ersten Teil seines zweiten Rechtsmittelgrundes trägt BMW vor, das Gericht habe erstens gegen Art. 288 AEUV und zweitens gegen Art. 3 sowie Art. 13 Abs. 1 AGVO verstoßen, indem es den streitigen Beschluss insoweit aufrechterhalten habe, als darin der Beihilfebetrag auf einen geringeren als den anmeldefreien Betrag begrenzt worden sei.

72.      BMW rügt erstens einen Verstoß des Gerichts gegen Art. 288 AEUV. Indem das Gericht den streitigen Beschluss insoweit aufrechterhalten habe, als darin der Beihilfebetrag auf einen geringeren als den in Art. 6 Abs. 2 AGVO festgelegten Betrag begrenzt worden sei, habe es unter Verstoß gegen Art. 288 AEUV zugelassen, dass ein Beschluss eine Verordnung außer Kraft setze. Dies stehe im Widerspruch zu den Zielen der Regionalförderung und zur Systematik der AGVO.

73.      BMW beanstandet zweitens einen Verstoß des Gerichts gegen Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 AGVO. Eine Beihilfe unterhalb des in Art. 6 Abs. 2 AGVO festgelegten Schwellenwerts müsse als mit dem Binnenmarkt vereinbar und insoweit als bestehende Beihilfe im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates(28) angesehen werden.

74.      Im zweiten Teil seines zweiten Rechtsmittelgrundes trägt BMW vor, das Gericht habe dadurch, dass es den streitigen Beschluss insoweit aufrechterhalten habe, als darin der Beihilfebetrag auf einen geringeren als den anmeldefreien Betrag begrenzt worden sei, gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Jeder Wettbewerber von BMW habe nämlich eine Beihilfe in Höhe des in Art. 6 Abs. 2 AGVO festgelegten Betrags erhalten können.

75.      Die Kommission hält den zweiten Rechtsmittelgrund für unzulässig, da es sich um einen neuen Klagegrund handle, jedenfalls aber für unbegründet.

76.      Nach Ansicht der Kommission ist der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes unbegründet. Eine von der Anmeldepflicht gemäß Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 AGVO freigestellte Beihilfe sei keine bestehende Beihilfe im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 659/1999. Vor allem sei sie keine genehmigte Beihilfe im Sinne von Ziff. ii dieser Bestimmung.

77.      Die Kommission hält auch den zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes für unbegründet. Erstens sei die Argumentation von BMW rein hypothetisch. Zweitens würde der hypothetische Wettbewerber eine Beihilfe in Höhe des in Art. 6 Abs. 2 AGVO festgelegten Betrags nur dann erhalten, wenn alle Voraussetzungen der AGVO erfüllt seien. Drittens wäre BMW nicht in derselben Situation wie dieser Wettbewerber, da Letzterer eine freigestellte Beihilfe, BMW aber eine genehmigte Beihilfe erhielte. Sollte tatsächlich eine Ungleichbehandlung vorliegen, wäre diese viertens dem betroffenen Mitgliedstaat, nicht aber der Kommission zuzurechnen.

78.      BMW entgegnet, der erste und der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes seien zulässig, da sie keine neuen Klagegründe darstellten.

79.      Nach Ansicht des Freistaats Sachsen hat das Gericht erstens gegen Art. 288 AEUV und zweitens gegen Art. 3 sowie Art. 13 Abs. 1 AGVO verstoßen, indem es den streitigen Beschluss insoweit aufrechterhalten habe, als darin der Beihilfebetrag auf einen geringeren als den anmeldefreien Betrag begrenzt worden sei. Eine Beihilfe, die den in Art. 6 Abs. 2 AGVO festgelegten Schwellenwert nicht übersteige, könne keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwerfen. Beihilfen sollten gemäß der Fußnote zu Nr. 56 der Mitteilung von 2009 bis zu diesem Schwellenwert gewährt werden. Eine andere Lösung würde zu einer Schlechterstellung angemeldeter Beihilfen führen sowie den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zuwiderlaufen.

2.      Würdigung

80.      Der zweite Rechtsmittelgrund stützt den Hilfsantrag, der darauf abzielt, den streitigen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als darin der Teil der Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird, der 17 Mio. Euro, nicht aber den in Art. 6 Abs. 2 AGVO festgelegten Schwellenwert übersteigt. Mit diesem Rechtsmittelgrund rügt BMW erstens einen Verstoß gegen Art. 288 AEUV sowie Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 AGVO und zweitens eine Verletzung des Diskriminierungsverbots.

a)      Zulässigkeit

81.      Die Kommission hält den ersten und den zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes für unzulässig, da sie vor dem Gericht nicht vorgebracht worden seien.

82.      Nach meinem Dafürhalten sollten die beiden Unzulässigkeitseinwände zurückgewiesen werden.

83.      Die Kommission macht erstens geltend, bei dem gerügten Verstoß gegen Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 AGVO handle es sich um einen neuen Klagegrund.

84.      Zwar hat BMW in seiner Klage vor dem Gericht nur einen Verstoß gegen die AGVO gerügt. BMW hat nicht präzisiert, gegen welche Bestimmungen der AGVO die Kommission verstoßen haben soll. Insbesondere hat BMW weder Art. 3 noch Art. 13 Abs. 1 AGVO erwähnt. Die von BMW vor dem Gericht erhobene Rüge, wonach „auch im Falle einer Notifizierung stets ein Betrag bis zur Höhe der Anmeldeschwelle als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen ist“, lässt sich jedoch nur als Verweis auf Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 AGVO verstehen, denn in diesen Bestimmungen ist geregelt, dass eine Beihilfe, die die Voraussetzungen der AGVO erfüllt (insbesondere eine Beihilfe, die unter der Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO liegt), mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. In dem gerügten Verstoß gegen Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 AGVO kann daher kein neuer Klagegrund gesehen werden.

85.      Die Kommission behauptet zweitens, BMW habe die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 288 AEUV vor dem Gericht nicht erhoben.

86.      BMW argumentiert vor dem Gerichtshof wie folgt: Mit der AGVO sei den Mitgliedstaaten die Kompetenz für die Prüfung übertragen worden, ob eine Beihilfe, die den in Art. 6 Abs. 2 AGVO festgelegten Schwellenwert nicht übersteige, mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, wodurch die Kommission diese Kompetenz verloren habe. Wenn die Kommission also wie im vorliegenden Fall diese Kompetenz ausübe und die Vereinbarkeit einer diesen Schwellenwert nicht übersteigenden Beihilfe mit dem Binnenmarkt prüfe, verstoße ihr Beschluss gegen Art. 288 AEUV. Aus dieser Bestimmung ergebe sich nämlich, dass Verordnungen anders als Beschlüsse allgemeine Geltung hätten und deshalb im Rang über Beschlüssen ständen.

87.      Zwar hat BMW vor dem Gericht keinen Verstoß gegen Art. 288 AEUV gerügt. In seiner Klage vor dem Gericht hat BMW jedoch argumentiert: Die Begrenzung des Beihilfebetrags auf einen geringeren als den anmeldefreien Betrag „überschreitet … die Befugnisse der Kommission und begrenzt rechtswidrig die Kompetenz [Deutschlands], eine Beihilfe in nicht anmeldepflichtiger Höhe aus der genehmigten Beihilferegelung des InvZulG zu gewähren“. Obwohl Art. 288 AEUV somit nicht erwähnt worden ist, kann die Rüge, wonach die Kommission keine Befugnis zur Vereinbarkeitsprüfung des den Schwellenwert gemäß Art. 6 Abs. 2 AGVO nicht übersteigenden Teils der Beihilfe gehabt habe und die Normenhierarchie verletzt worden sei, nicht als ein neuer Klagegrund betrachtet werden.

88.      Die Kommission macht drittens geltend, bei dem gerügten Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot handle es sich um ein neues Vorbringen.

89.      Insoweit genügt der Hinweis, dass BMW in seiner Klage vor dem Gericht geltend gemacht hat, falls das Gericht feststellen sollte, dass die Kommission mit der Begrenzung der Beihilfe auf einen unter der Anmeldeschwelle liegenden Betrag keinen Fehler begangen habe, „würde BMW in rechtswidriger Weise gegenüber Beihilfeempfängern diskriminiert, die den nach dem InvZulG anmeldefreien Betrag von 22,5 Millionen [Euro] erhalten“. Die Rüge eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot ist folglich nicht neu.

90.      Damit ist der zweite Rechtsmittelgrund meines Erachtens zulässig.

b)      Begründetheit

91.      Mit seinem hilfsweise vorgebrachten zweiten Rechtsmittelgrund macht BMW geltend, die in Höhe von 45 257 273 Euro angemeldete Beihilfe hätte bis zur Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO, die im vorliegenden Fall 22,5 Mio. Euro betrage(29), für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden müssen. Die Kommission habe die Beihilfe aber nur bis zu 17 Mio. Euro für vereinbar erklärt, d. h. bis zur Differenz zwischen den Investitionskosten in Leipzig und den Investitionskosten in München. Mit der Feststellung, dass die Kommission die angemeldete Beihilfe fehlerfrei bis zu 17 Mio. Euro, nicht aber 22,5 Mio. Euro für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt habe, habe das Gericht erstens gegen Art. 288 AEUV sowie Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 AGVO und zweitens gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen.

1)      Erster Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

i)      Einleitung

92.      Die streitige Beihilfe hätte BMW zufolge bis zur Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden müssen, weil die Kommission nicht dafür zuständig sei, die Vereinbarkeit von Beihilfen zu beurteilen, deren Betrag diesen Schwellenwert nicht übersteige. Mit dem Erlass der AGVO sei diese Zuständigkeit nämlich auf die Mitgliedstaaten übergegangen. Wenn der Betrag einer Beihilfe die Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO nicht überschreite und nach den Feststellungen des betroffenen Mitgliedstaats alle Voraussetzungen der AGVO erfüllt seien, sei diese Beihilfe also mit dem Binnenmarkt vereinbar. Die Kommission dürfe die Vereinbarkeit dieser Beihilfe nicht beurteilen, geschweige denn ihre Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt feststellen. Überschreite hingegen der Betrag einer Beihilfe die Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO, dürfe die Kommission nur die Vereinbarkeit des Teils der Beihilfe beurteilen, der diese Schwelle übersteige, und nur diesen Teil für unvereinbar erklären. Den unter diesem Schwellenwert verbleibenden Teil der Beihilfe müsse die Kommission für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären. Das Gericht habe folglich zu Unrecht festgestellt, dass die Kommission im streitigen Beschluss die Beihilfe auf einen unter der Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO liegenden Betrag habe begrenzen dürfen.

93.      Die Kommission macht geltend, sie sei für die Vereinbarkeitsprüfung von Beihilfen ausschließlich zuständig. Es sei insoweit irrelevant, ob der Beihilfebetrag die Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO überschreite. Zum einen könne die Kommission deshalb, wenn der Betrag einer Beihilfemaßnahme diese Schwelle nicht überschreite und der betroffene Mitgliedstaat alle Voraussetzungen der AGVO für erfüllt halte, gleichwohl die Unvereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt feststellen. Denn eine Beihilfe, die nach Ansicht des betroffenen Mitgliedstaats alle Voraussetzungen der AGVO erfülle, könne nicht als eine genehmigte Beihilfe betrachtet werden. Zum anderen könne die Kommission, wenn der Betrag einer Beihilfemaßnahme die Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO überschreite, die Vereinbarkeit des Gesamtbetrags dieser Beihilfe beurteilen. Sie könne diese Beihilfe insgesamt für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären.

94.      Aus den nachstehend dargelegten Gründen bin ich der Meinung, dass der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen ist. Meines Erachtens ist die Kommission für die Vereinbarkeitsprüfung von Beihilfemaßnahmen auch dann zuständig, wenn deren Betrag die Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO nicht überschreitet. Daraus folgt, dass die Kommission, wenn der Betrag einer Beihilfemaßnahme wie im vorliegenden Fall diese Schwelle überschreitet, die Vereinbarkeit des Gesamtbetrags dieser Beihilfe beurteilen darf und nicht verpflichtet ist, die Beihilfe bis zur Höhe des anmeldefreien Betrags für vereinbar zu erklären.

ii)    Die Kommission ist für die Vereinbarkeitsprüfung von Beihilfen unabhängig von deren Höhe ausschließlich zuständig

95.      Nach der Rechtsprechung obliegt die Durchführung des mit Art. 108 Abs. 3 AEUV errichteten Systems der vorbeugenden genauen Prüfung neuer Beihilfevorhaben zum einen der Kommission und zum anderen den nationalen Gerichten, wobei ihnen einander ergänzende, aber unterschiedliche Rollen zufallen. Während für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt ausschließlich die Kommission zuständig ist, die dabei der Kontrolle der Unionsgerichte unterliegt, wachen die nationalen Gerichte bis zur endgültigen Entscheidung der Kommission über die Wahrung der Rechte der Einzelnen bei eventuellen Verstößen der staatlichen Behörden gegen das in Art. 108 Abs. 3 AEUV aufgestellte Verbot(30).

96.      Ich teile nicht die Auffassung von BMW, dass mit Erlass der AGVO die Zuständigkeit für die Vereinbarkeitsprüfung von Beihilfen, deren Betrag die Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO nicht überschreitet, auf die Mitgliedstaaten übertragen worden sei.

97.      Insoweit weise ich darauf hin, dass die AGVO allgemeine Vereinbarkeitskriterien vorsieht, die auf der Erfahrung der Kommission auf den in den Anwendungsbereich der AGVO fallenden Gebieten beruhen(31). Nach Art. 3 AGVO ist eine Beihilfemaßnahme(32), die die Voraussetzungen des Kapitels I der AGVO erfüllt und den einschlägigen Bestimmungen des Kapitels II der AGVO entspricht, „im Sinne von [Art. 107 Abs. 3 AEUV] mit dem [Binnenmarkt] vereinbar und von der Anmeldepflicht nach [Art. 108 Abs. 3 AEUV] freigestellt“. Art. 13 Abs. 1 AGVO, der Regionalbeihilfen betrifft, hat einen ähnlichen Wortlaut. Dagegen muss eine Beihilfemaßnahme, die die Voraussetzungen der AGVO nicht erfüllt, bei der Kommission angemeldet werden, die eine Einzelbeurteilung ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV vornimmt. Diese Beihilfe darf nicht durchgeführt werden, solange die Kommission keine abschließende Entscheidung getroffen hat. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrag einer Beihilfemaßnahme die Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO übersteigt, die im vorliegenden Fall bei 22,5 Mio. Euro liegt(33).

98.      Der betroffene Mitgliedstaat hat zu beurteilen, ob eine Beihilfemaßnahme die Voraussetzungen der AGVO erfüllt und ob sie folglich ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission durchgeführt werden darf. Wie die Kommission in ihrem Vorschlag, aus dem die Ermächtigungsverordnung hervorgehen sollte(34), ausgeführt hat, kommt im Erlass von Gruppenfreistellungsverordnungen wie der AGVO die „Dezentralisierung der Beihilfekontrolle“(35) zum Ausdruck.

99.      Stellt der betroffene Mitgliedstaat fest, dass eine Beihilfemaßnahme die Voraussetzungen der AGVO erfülle, so hindert dies die Kommission jedoch nicht daran, zu überprüfen, ob diese Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind, und, wenn dies nicht der Fall sein sollte, diese Beihilfemaßnahme für mit dem Binnenmarkt unvereinbar zu erklären.

100. Erstens wurde der Kommission die Zuständigkeit für die Vereinbarkeitsprüfung von Beihilfemaßnahmen nämlich durch Art. 107 Abs. 3 AEUV übertragen. Ich vermag nicht zu erkennen, auf welche Weise eine Verordnung wie die AGVO der Kommission eine Zuständigkeit entzogen haben könnte, die ihr durch das Primärrecht zuerkannt wurde.

101. Wenn also ein Beteiligter wie etwa ein Wettbewerber des Beihilfeempfängers eine Beschwerde einlegt, mit der er z. B. geltend macht, eine staatliche Maßnahme sei, da sie die Voraussetzungen der AGVO nicht erfülle, unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV durchgeführt worden, hat die Kommission die Beschwerde zu prüfen(36). Dies ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999(37).

102. Soweit zweitens der betroffene Mitgliedstaat feststellt, dass eine Beihilfemaßnahme die Voraussetzungen der AGVO erfülle, ist diese Feststellung keine Vereinbarkeitserklärung. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen der AGVO erfüllt sind, wendet ein nationales Gericht allgemeine Vereinbarkeitskriterien an, die die Kommission aufgrund ihrer Erfahrung aufgestellt hat(38). Es nimmt keine Einzelbeurteilung der Beihilfemaßnahme nach Art. 107 Abs. 3 AEUV oder bei Regionalbeihilfen für große Investitionsvorhaben nach der Mitteilung von 2009 vor. Nur die letztgenannte Beurteilung, für die die Kommission ausschließlich zuständig ist, kann zu einer Vereinbarkeitserklärung führen(39). Wie es in der Bekanntmachung über die Durchsetzung heißt, muss sich ein nationales Gericht „auf die Prüfung der Frage beschränken, ob alle Voraussetzungen der [AGVO] erfüllt sind. Ist Letzteres nicht der Fall, so darf sich das Gericht nicht zur Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme mit dem [Binnenmarkt] äußern, da für die Beurteilung dieser Frage ausschließlich die Kommission zuständig ist“(40).

103. Die Feststellung eines nationalen Gerichts, wonach ein Beihilfevorhaben die Voraussetzungen der AGVO erfüllt, läuft somit auf eine bloße Vermutung der Vereinbarkeit hinaus, eine „Vermutung, dass die Beihilfe … mit dem Binnenmarkt vereinbar ist“, wie das Gericht in Rn. 177 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden hat.

iii) Eine Beihilfe, die die Voraussetzungen der AGVO erfüllt, ist keine bestehende Beihilfe

104. Eine Beihilfe, die nach den Feststellungen des betroffenen Mitgliedstaats die Voraussetzungen der AGVO erfüllt, stellt folglich, wie die Kommission geltend macht und entgegen dem Vorbringen von BMW, keine „bestehende Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 659/1999 dar. Nach Ziff. ii dieser Bestimmung können bestehende Beihilfen insbesondere Beihilfen sein, „die von der Kommission oder vom Rat genehmigt wurden“. Eine Beihilfe, die nach Ansicht des betroffenen Mitgliedstaats die Voraussetzungen der AGVO erfüllt, ist nicht „genehmigt“ worden, denn ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt wird nur vermutet. Sie ist nicht „von der Kommission oder vom Rat“(41) genehmigt worden, da die Beurteilung von dem betroffenen Mitgliedstaat vorgenommen wurde. Dazu möchte ich bemerken, dass ein Mitgliedstaat, nach dessen Ansicht eine Beihilfemaßnahme die Voraussetzungen der AGVO erfüllt, der Kommission nur eine Kurzbeschreibung dieser Maßnahme vorzulegen braucht(42). Diese Kurzbeschreibung ist offensichtlich nicht mit den Auskünften zu vergleichen, die bei der Anmeldung einer Beihilfemaßnahme erteilt werden müssen(43).

105. Eine Beihilfe, von der der betroffene Mitgliedstaat zu Unrecht angenommen hat, sie erfülle die Voraussetzungen der AGVO, ist folglich ein „neue Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999. Als neue Beihilfe muss sie bei der Kommission angemeldet werden(44), die ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt beurteilen wird.

106. Daher hat das Gericht in Rn. 176 des angefochtenen Urteils fehlerfrei festgestellt, dass die streitige Beihilfe keine genehmigte bestehende Beihilfe war.

107. Im Übrigen lässt sich entgegen dem Vorbringen von BMW der Fußnote zu Nr. 56 der Mitteilung von 2009 nicht entnehmen, dass Deutschland im vorliegenden Fall befugt bliebe, Beihilfen bis zur Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO zu gewähren.

108. Die Fußnote zu Nr. 56 der Mitteilung von 2009 lautet: „Werden Beihilfen auf der Grundlage einer bestehenden Regionalbeihilferegelung gewährt, behält der Mitgliedstaat allerdings die Möglichkeit, derartige Beihilfen bis zu einer Höhe zu gewähren, die dem zulässigen Höchstbetrag entspricht, der im Rahmen der anwendbaren Bestimmungen für eine Investition mit beihilfefähigen Ausgaben von 100 Mio. [Euro] gewährt werden darf.“

109. Die nach dieser Fußnote dem Mitgliedstaat verbleibende Befugnis gilt für Beihilfen, die aufgrund einer „bestehenden“ Beihilferegelung gewährt werden, d. h. insbesondere für Beihilfen, die Gegenstand einer Genehmigungsentscheidung der Kommission im Sinne von Art. 1 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung Nr. 659/1999 waren. Diese Befugnis greift nicht, wenn eine Beihilfe aufgrund einer freigestellten Beihilferegelung, d. h. aufgrund einer Regelung gewährt wird, deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt nur vermutet wird, weil sie nach Ansicht des betroffenen Mitgliedstaats die Voraussetzungen der AGVO erfüllt. Eine freigestellte Beihilferegelung ist keine „bestehende“ Beihilfe.

110. Im vorliegenden Fall bildet das InvZulG die Rechtsgrundlage für die angemeldete Beihilfe(45). Deutschland vertrat die Auffassung, das InvZulG erfülle die Voraussetzungen der AGVO und sei von der Anmeldepflicht freigestellt sowie mit dem Binnenmarkt vereinbar(46). Das InvZulG ist somit keine bestehende Beihilferegelung, und BMW kann nicht unter Berufung auf die Fußnote zu Nr. 56 der Mitteilung von 2009 behaupten, Deutschland sei weiterhin berechtigt, Beihilfen bis zur Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO zu gewähren.

111. Entgegen dem Vorbringen von BMW ergibt sich aus dem Urteil in der Rechtssache Diputación Foral de Álava nicht, dass die Kommission nur für die Beurteilung des diese Schwelle übersteigenden Teils der Beihilfe zuständig wäre. In diesem Urteil hat das Gericht entschieden, dass die im Rahmen einer genehmigten Beihilferegelung gewährte Beihilfe „insoweit eine neue Beihilfe war, als [sie] über die in der Genehmigungsentscheidung der Kommission festgelegte Höchstgrenze hinausging“(47). In der Rechtssache Diputación Foral de Álava hatte die Kommission jedoch eine Entscheidung erlassen, mit der sie die streitige Beihilferegelung genehmigt hatte. Im Gegensatz dazu fehlt es im vorliegenden Fall an einer solchen Entscheidung. Daher konnte die Kommission, wie das Gericht in Rn. 181 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt hat, die Vereinbarkeit des Gesamtbetrags der streitigen Beihilfe beurteilen, ohne die im Urteil in der Rechtssache Diputación Foral de Álava aufgestellten Grundsätze zu verletzen.

112. Das Gericht hat folglich in Rn. 179 des angefochtenen Urteils fehlerfrei festgestellt, dass die Kommission durch die Fußnote zu Nr. 56 der Mitteilung von 2009 nicht an der Prüfung der Angemessenheit der streitigen Beihilfe gehindert gewesen sei, da diese Beihilfe „als Einzelbeihilfe und nicht als eine nach einer genehmigten Regionalbeihilferegelung gewährte Beihilfe zu beurteilen war“.

113. Ich komme zu dem Schluss, dass die Kommission für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfemaßnahme auch dann zuständig ist, wenn der Betrag dieser Beihilfe die Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO nicht überschreitet.

114. Daraus folgt, dass die Kommission, wenn der Betrag der angemeldeten Beihilfe wie im vorliegenden Fall diese Schwelle überschreitet, die Vereinbarkeit des Gesamtbetrags der Beihilfe beurteilen darf und entgegen dem Vorbringen von BMW die Beihilfe nicht bis zur Höhe des anmeldefreien Betrags für vereinbar erklären muss.

115. Daraus folgt auch, dass die Kommission, wie ich sogleich zeigen werde, diese Vereinbarkeitsprüfung nicht nur anhand der in der AGVO aufgestellten Kriterien, sondern auch anhand anderer Kriterien, wie sie etwa in der Mitteilung von 2009 festgelegt sind, vornehmen darf.

iv)    Die Vereinbarkeit darf anhand des in der Mitteilung von 2009 aufgestellten Kriteriums der Angemessenheit beurteilt werden

116. Insoweit ist auf das Urteil in der Rechtssache Freistaat Sachsen(48) zu verweisen.

117. In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass die Kommission, wenn der Betrag der Beihilfe die in einer Gruppenfreistellungsverordnung(49) festgelegte Einzelanmeldeschwelle übersteige, diese Beihilfe nicht nur anhand der in dieser Verordnung niedergelegten Kriterien, sondern auch anhand anderer unionsrechtlicher Kriterien oder Bestimmungen beurteilen dürfe. Erstens könne auf die in dieser Gruppenfreistellungsverordnung vorgesehenen Kriterien abgestellt werden, da die materiell-rechtlichen Bestimmungen dieser Verordnung im Gegensatz zu der Vorschrift über die Freistellung von der Anmeldepflicht Anwendung fänden. Zweitens könnten Kriterien, die nicht in dieser Gruppenfreistellungsverordnung vorgesehen seien, angewendet werden. Insoweit hat der Gerichtshof auf den vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 68/2001 verwiesen, dem zufolge die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Beihilfevorhaben anzumelden, durch diese Verordnung nicht berührt wird, wobei „[d]ie angemeldeten Regelungen … von der Kommission in erster Linie anhand der nachstehenden Kriterien … bzw. in Übereinstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen der für bestimmte Wirtschaftssektoren eingeführten Gemeinschaftsrahmen und leitlinien [geprüft werden]“(50). Nach Ansicht des Gerichtshofs bedeutet die Verwendung des Ausdrucks „in erster Linie“ im vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 68/2001, dass die Beihilfe insbesondere, aber nicht ausschließlich, im Licht der in dieser Verordnung niedergelegten Kriterien zu untersuchen gewesen sei(51). Die Kommission habe daher auf ein in der Verordnung Nr. 68/2001 nicht vorgesehenes Kriterium zurückgreifen und verlangen dürfen, dass die Beihilfe für die Durchführung der in Rede stehenden Ausbildungsmaßnahmen erforderlich gewesen sei(52).

118. Ebenso darf die Kommission im vorliegenden Fall verlangen, dass die streitige Beihilfe, um für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt zu werden, das Kriterium in Nr. 33 der Mitteilung von 2009 erfüllt, d. h., dass der Betrag dieser Beihilfe auf die Differenz zwischen den Investitionskosten in Leipzig und den Investitionskosten in München (17 Mio. Euro) begrenzt ist. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es im siebten Erwägungsgrund der AGVO ähnlich wie im vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 68/2001 heißt, dass die Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit haben sollten, Regionalbeihilfen anzumelden, und dass sich die Kommission „[b]ei der rechtlichen Würdigung solcher Beihilfen … insbesondere auf diese Verordnung sowie auf die Kriterien [stützt], die in spezifischen, von der Kommission angenommenen Leitlinien oder Gemeinschaftsrahmen festgelegt sind“(53).

119. Das Gericht hat deshalb mit der Feststellung in Rn. 173 des angefochtenen Urteils, wonach die streitige Beihilfe nach der Mitteilung von 2009, den Leitlinien und Art. 107 Abs. 3 AEUV zu beurteilen war, keinen Fehler begangen.

v)      Ergebnis

120. Mit der Feststellung, dass die Kommission die Beihilfe auf einen von der Anmeldepflicht in Art. 6 Abs. 2 AGVO nicht erfassten Betrag habe begrenzen dürfen, hat das Gericht folglich nicht gegen Art. 3 und Art. 13 Abs. 1 AGVO verstoßen, da aufgrund dieser Bestimmungen nur vermutet wird, dass eine Beihilfe, die die Voraussetzungen der AGVO erfüllt, mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Übersteigt der Betrag einer Beihilfemaßnahme die Anmeldeschwelle, so hindern diese Bestimmungen die Kommission nicht daran, die Vereinbarkeit dieser Maßnahme anhand anderer als der in der AGVO aufgestellten Kriterien zu beurteilen und aufgrund solcher Kriterien die Vereinbarkeit der Beihilfe bis zu einem Betrag festzustellen, der unter der Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO liegt.

121. Da der streitige Beschluss im Einklang mit der AGVO steht, hat das Gericht auch nicht gegen Art. 288 AEUV verstoßen.

122. Demnach ist der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes meines Erachtens zurückzuweisen.

2)      Zweiter Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

123. Mit dem zweiten Teil seines zweiten Rechtsmittelgrundes rügt BMW, das Gericht habe insoweit gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, als es festgestellt habe, dass die Kommission die BMW gewährte Beihilfe auf einen geringeren als den anmeldefreien Betrag habe begrenzen dürfen, obwohl jeder Wettbewerber von BMW aufgrund des InvZulG eine Beihilfe bis zur Höhe des Schwellenwerts nach Art. 6 Abs. 2 AGVO habe erhalten können.

124. Dazu genügt der Hinweis, dass eine Beihilfe, die einem hypothetischen Wettbewerber von BMW nach dem InvZulG ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission gewährt würde, keine bestehende Beihilfe im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 659/1999 wäre. Im Gegensatz dazu wurde im vorliegenden Fall die BMW gewährte Beihilfe von der Kommission im streitigen Beschluss für vereinbar erklärt (wenn auch nur bis zu 17 Mio. Euro), so dass sie eine bestehende Beihilfe ist. Wie die Kommission bemerkt, befinden sich dieser hypothetische Wettbewerber und BMW somit nicht in einer vergleichbaren Lage, weshalb der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen ist.

125. Der zweite Rechtsmittelgrund muss daher meines Erachtens insgesamt als unbegründet zurückgewiesen werden. Folglich kann das Rechtsmittel nicht durchgreifen.

VI.    Zum Anschlussrechtsmittel

A.      Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

126. Die Kommission hat ein Anschlussrechtsmittel eingelegt. Sie beantragt die Aufhebung des Beschlusses vom 11. Mai 2015, mit dem der Freistaat Sachsen als Streithelfer zur Unterstützung der Klage auf teilweise Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses zugelassen worden war, und der im angefochtenen Urteil enthaltenen Entscheidung, mit der die Streithilfe für zulässig erklärt und das Vorbringen des Streithelfers berücksichtigt worden sei. Die Kommission beantragt außerdem, der Gerichtshof möge in der Sache abschließend entscheiden und den Streithilfeantrag des Freistaats Sachsen ablehnen.

127. Die Kommission hält ihr Anschlussrechtsmittel für zulässig.

128. In diesem Zusammenhang trägt die Kommission vor, der Beschluss vom 11. Mai 2015 und die im angefochtenen Urteil enthaltene Entscheidung über die Zulässigkeit der Streithilfe könnten nach Art. 178 Abs. 1 oder Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs Gegenstand eines Anschlussrechtsmittels sein. Die Entscheidung, mit der das Gericht eine Streithilfe zu Unrecht zugelassen habe, könne im Rahmen des Rechtsmittels gegen das Endurteil wegen eines Verfahrensfehlers, der die Interessen der Kommission beeinträchtige, angegriffen werden. Indem das Gericht in den Rn. 20, 21, 27, 31, 55, 57, 77, 97, 98, 124, 152, 163, 176, 177 und 180 des angefochtenen Urteils die Argumente des Freistaats Sachsen berücksichtigt habe, seien der Streitstoff vor dem Gericht erweitert und die verfahrensrechtlichen Interessen der Kommission beeinträchtigt worden.

129. Die Kommission stützt ihr Anschlussrechtsmittel auf drei Rechtsmittelgründe.

130. Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe insoweit gegen Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs verstoßen, als es in Rn. 20 des Beschlusses vom 11. Mai 2015 festgestellt habe, dass der Freistaat Sachsen wegen der sich aus der Investition am Standort Leipzig mutmaßlich ergebenden wirtschaftlichen Auswirkungen ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits habe und deshalb als Streithelfer vor dem Gericht auftreten könne. Ein Beteiligter habe nur dann ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, wenn dieses Ergebnis eine Änderung seiner Rechtsstellung herbeiführen könne.

131. Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund trägt die Kommission vor, selbst wenn der Gerichtshof davon ausgehen sollte, dass ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits vor dem Gericht wirtschaftlicher Natur sein könne, habe das Gericht rechtsfehlerhaft festgestellt, dass der Freistaat Sachsen über ein solches Interesse verfüge. Dieser hätte ein berechtigtes Interesse nur an einer Klage haben können, die darauf gerichtet gewesen wäre, den streitigen Beschluss insgesamt für nichtig zu erklären, nicht nur insoweit, als darin der 17 Mio. Euro übersteigende Beihilfebetrag für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erachtet worden sei.

132. Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund rügt die Kommission, das Gericht habe die Beweislastregeln verletzt, da es vom Freistaat Sachsen nicht verlangt habe, sein angebliches wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits zu beweisen.

133. Der Freistaat Sachsen hält das Anschlussrechtsmittel für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Das Anschlussrechtsmittel sei unzulässig, da erstens die Entscheidung des Gerichts, einem Streithilfeantrag stattzugeben, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 178 Abs. 1 oder Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs falle und zweitens Art. 57 Abs. 1 der Satzung ein Rechtsmittel nur für den Fall der Zurückweisung eines Streithilfeantrags durch das Gericht vorsehe, nicht aber für den Fall, dass es die Streithilfe zulasse. Jedenfalls sei das Anschlussrechtsmittel unbegründet, da es für die Zulassung einer Person zur Streithilfe in einem Rechtsstreit vor dem Gericht ausreiche, dass diese ein wirtschaftliches Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits habe.

134. Nach Ansicht von BMW ist das Anschlussrechtsmittel unzulässig, da die Kommission nicht substantiiert darlege, inwieweit das Gericht ihre verfahrensrechtlichen Interessen dadurch beeinträchtigt habe, dass es im angefochtenen Urteil die Argumente des Freistaats Sachsen berücksichtigt habe. Im Übrigen gehe das Anschlussrechtsmittel ins Leere, da diese Argumente nicht nur vom Freistaat Sachsen, sondern auch von BMW vorgebracht worden seien. Jedenfalls sei das Anschlussrechtsmittel unbegründet.

B.      Würdigung

135. Mit ihrem Anschlussrechtsmittel beantragt die Kommission die Aufhebung erstens des Beschlusses vom 11. Mai 2015 und zweitens des angefochtenen Urteils, soweit in diesem Urteil die Streithilfe für zulässig erklärt worden sei und soweit in seinen Rn. 20, 21, 27, 31, 55, 57, 77, 97, 98, 124, 152, 163, 176, 177 und 180 die allein vom Freistaat Sachsen vorgetragenen Argumente (im Gegensatz zu den vom Freistaat Sachsen und von BMW vorgetragenen Argumenten) berücksichtigt worden seien.

136. Nach Ansicht von BMW und des Freistaats Sachsen ist das Anschlussrechtsmittel unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

137. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Gerichtshof, wenn er das Rechtsmittel, wie von mir vorgeschlagen, zurückweisen sollte, die Auffassung vertreten könnte, dass sich das Anschlussrechtsmittel erledigt habe.

138. Das Anschlussrechtsmittel ist im vorliegenden Fall nämlich auf die Aufhebung des angefochtenen Urteils gerichtet, soweit dieses eine Entscheidung über die Zulassung zur Streithilfe enthält und soweit darin folglich die Argumente des Streithelfers berücksichtigt werden. Sollte der Gerichtshof feststellen, dass das Gericht dabei einen Fehler begangen hat, hätte dies nicht die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge. Dieses Urteil kann nur aufgehoben werden, wenn der Gerichtshof feststellt, dass das Gericht zu Unrecht einen Antrag oder einen Klage- oder Verteidigungsgrund zurückgewiesen hat, der von einer Partei, nicht von einem Streithelfer gestellt bzw. vorgebracht wurde. Ein Streithelfer darf nämlich weder eigene Anträge stellen noch eigene Klage- oder Verteidigungsgründe vorbringen(54). Sollte der Gerichtshof also meinen, dass das Rechtsmittel zurückzuweisen sei, hätte das angefochtene Urteil auch dann Bestand, wenn der Gerichtshof feststellen würde, dass das Gericht dem Streithilfeantrag des Freistaats Sachsen zu Unrecht stattgegeben habe(55). Es ist zu betonen, dass die Kommission selbst vorgetragen hat, falls der Gerichtshof feststelle, dass das Gericht mit der Zulassung des Freistaats Sachsen als Streithelfer einen Rechtsfehler begangen habe, sollte das angefochtene Urteil nicht aufgehoben werden (wobei durch diese Feststellung aber der Fehler des Verfahrens vor dem Gericht behoben werde).

139. Gleichwohl werde ich der Vollständigkeit halber das Anschlussrechtsmittel prüfen. Ich halte es für unzulässig und, abgesehen davon, dass es ins Leere geht, jedenfalls für unbegründet.

1.      Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels

140. Der Freistaat Sachsen hält das Anschlussrechtsmittel für unzulässig, da erstens Art. 57 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs ein Rechtsmittel nur für den Fall der Zurückweisung eines Streithilfeantrags durch das Gericht vorsehe, nicht aber für den Fall, dass das Gericht die Streithilfe zulasse, und zweitens eine solche Zulassung nicht als eine anschlussrechtsmittelfähige Entscheidung im Sinne von Art. 178 Abs. 1 oder Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs angesehen werden könne.

141. Das Anschlussrechtsmittel ist meines Erachtens in vollem Umfang unzulässig. Ich werde im Folgenden die Gründe darlegen, die mich zu dieser Auffassung bewogen haben.

142. In diesem Zusammenhang prüfe ich erstens die Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels gegen den Beschluss vom 11. Mai 2015, zweitens die Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels gegen das angefochtene Urteil, soweit dieses eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Streithilfe enthält, und drittens die Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels gegen das angefochtene Urteil, soweit das Gericht darin die angeblich nur vom Freistaat Sachsen vorgebrachten Argumente berücksichtigt hat. Schließlich werde ich auf das Vorbringen der Kommission eingehen, wonach der Gerichtshof von Amts wegen über die Zulässigkeit eines Antrags auf Zulassung zur Streithilfe vor dem Gericht entscheiden müsse, wenn der erstinstanzliche Streithelfer vor dem Gerichtshof ein Anschlussrechtsmittel einlege oder wie im vorliegenden Fall Erklärungen vor dem Gerichtshof abgebe.

a)      Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels gegen den Beschluss vom 11. Mai 2015

143. Nach meiner Meinung ist das Anschlussrechtsmittel der Kommission gegen den Beschluss vom 11. Mai 2015, mit dem das Gericht dem Streithilfeantrag des Freistaats Sachsen stattgegeben hat, unzulässig, da eine Entscheidung, mit der eine Streithilfe zugelassen wird, keinem Rechtsmittel unterliegt.

144. Dazu heißt es in Art. 178 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, dass die Anschlussrechtsmittelanträge auf die „Aufhebung der Entscheidung des Gerichts“ gerichtet sein müssen. Nach Art. 178 Abs. 2 der Verfahrensordnung können Anschlussrechtsmittelanträge auch auf die Aufhebung „einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage vor dem Gericht“ gerichtet sein.

145. Der Beschluss vom 11. Mai 2015 fällt erstens nicht unter Art. 178 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, da es sich um eine Entscheidung über die Zulässigkeit einer Streithilfe vor dem Gericht, nicht aber um eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage vor dem Gericht handelt.

146. Zweitens fällt dieser Beschluss meines Erachtens auch nicht unter Art. 178 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs.

147. Dazu ist Art. 178 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs in Verbindung mit Art. 56 Abs. 1 der Satzung zu lesen(56). Diese Bestimmung definiert die rechtsmittelfähigen Entscheidungen wie folgt: erstens „Endentscheidungen des Gerichts“, zweitens Entscheidungen des Gerichts, „die über einen Teil des Streitgegenstands ergangen sind“, und drittens Entscheidungen, „die einen Zwischenstreit beenden, der eine Einrede der Unzuständigkeit oder Unzulässigkeit zum Gegenstand hat“.

148. Eine Entscheidung, mit der eine Streithilfe zugelassen wird, kann nicht als Endentscheidung im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs(57) angesehen werden. Sie kann auch nicht als Entscheidung betrachtet werden, die nur über einen Teil des Streitgegenstands ergangen ist(58). Es stellt sich jedoch die Frage, ob in der Entscheidung über die Zulassung einer Streithilfe eine Entscheidung, die einen Zwischenstreit über eine Einrede der Unzulässigkeit beendet, gesehen werden kann, da die vorerwähnte Bestimmung nicht klarstellt, ob sie die Unzulässigkeit der Klage oder die Unzulässigkeit der Streithilfe betrifft.

149. Nach der Rechtsprechung kann eine Entscheidung, mit der das Gericht eine gegen die Klage erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückgewiesen hat, mit einem Rechtsmittel (und einem Anschlussrechtsmittel) angegriffen werden, auch wenn das Gericht die Klage als unbegründet abgewiesen hat(59). In dieser Entscheidung kann eine Entscheidung im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs, die einen Zwischenstreit über eine Einrede der Unzulässigkeit beendet, gesehen werden.

150. Dagegen wurden die folgenden Entscheidungen als nicht rechtsmittelfähig angesehen: die Entscheidung des Präsidenten des Gerichts, zwei Rechtssachen nicht miteinander zu verbinden(60), der Beschluss, durch den das Gericht der Kommission aufgibt, bestimmte Dokumente vorzulegen(61), der Beschluss, mit dem sich das Gericht für den öffentlichen Dienst für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß Art. 8 Abs. 2 des Anhangs der Satzung des Gerichtshofs an das Gericht verweist(62), der Beschluss, mit dem das Gericht für den öffentlichen Dienst die Streichung bestimmter diffamierender Passagen eines Schriftsatzes anordnet(63), die Entscheidung, mit der der Kanzler des Gerichts dem Kläger nicht gestattet, sich von einem „Trade Mark and Design Litigator“ vertreten zu lassen(64), der Beschluss, mit dem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wird(65), die Entscheidung, mit der ein Antrag auf Ablehnung eines Richters zurückgewiesen wird(66), und die Entscheidung, mit der das Gericht das Verfahren aussetzt, bis der Gerichtshof das Urteil in dem bei ihm anhängigen Verfahren verkündet, in dem dieselbe Maßnahme wie im Verfahren vor dem Gericht angefochten wird(67). Bei diesen Entscheidungen handelt es sich daher nicht um Entscheidungen über einen verfahrensrechtlichen Zwischenstreit im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs (sonst wären sie rechtsmittelfähig).

151. In einer Entscheidung über die Zulassung zur Streithilfe kann meines Erachtens keine Entscheidung gesehen werden, die einen Zwischenstreit über eine Einrede der Unzulässigkeit im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs beendet. Zwar kann eine Entscheidung über die Zulassung zur Streithilfe anders als die meisten der in der vorstehenden Nr. 150 genannten Entscheidungen nicht als eine bloße organisatorische Maßnahme bezeichnet werden, denn der erstinstanzliche Streithelfer darf Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts einlegen(68) und wird für den Fall, dass eine Partei des Verfahrens vor dem Gericht Rechtsmittel einlegen sollte, im Verfahren vor dem Gerichtshof als Partei behandelt(69). Dies ändert jedoch nichts daran, dass die oben in Nr. 149 angeführten Entscheidungen, die für rechtsmittelfähig erachtet worden sind, die Zulässigkeit der Klage, nicht der Streithilfe betreffen. Daraus folgt nach meiner Meinung, dass eine Entscheidung über die Zulassung zur Streithilfe nicht als Entscheidung über einen verfahrensrechtlichen Zwischenstreit anzusehen ist und deshalb nicht unter Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs fällt.

152. Drittens ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 57 Abs. 1 der Satzung ein Rechtsmittel gegen die einen Streithilfeantrag ablehnende Entscheidung eingelegt werden kann, und zwar von der Person, deren Antrag auf Zulassung zur Streithilfe abgelehnt worden ist. Aus dieser Bestimmung ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Entscheidung, mit der einem Antrag auf Zulassung zur Streithilfe stattgegeben wird, nicht rechtsmittelfähig ist.

153. Dies steht viertens im Einklang mit dem akzessorischen Charakter der Streithilfe. Nach Art. 40 Abs. 4 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 132 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung kann die Streithilfe nur die völlige oder teilweise Unterstützung der Anträge einer Partei zum Gegenstand haben(70). Außerdem darf der Streithelfer keine Klage- und Verteidigungsgründe geltend machen, die nicht von der durch die Streithilfe unterstützten Partei vorgebracht worden sind(71). Sollte jemand also zu Unrecht als Streithelfer zugelassen werden, würde dies den Streitgegenstand des Verfahrens nicht ändern.

154. Das gegen den Beschluss vom 11. Mai 2015 eingelegte Anschlussrechtsmittel ist daher unzulässig.

b)      Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels gegen das angefochtene Urteil, soweit dieses eine Entscheidung über die Zulassung zur Streithilfe enthält

155. Mit dem Anschlussrechtsmittel wird die Aufhebung nicht nur des Beschlusses vom 11. Mai 2015, sondern auch des angefochtenen Urteils beantragt, soweit dieses eine Entscheidung enthält, mit der dem Antrag des Freistaats Sachsen auf Zulassung als Streithelfer stattgegeben wurde.

156. Ich stimme mit der Kommission darin überein, dass das angefochtene Urteil eine (stillschweigende) Entscheidung enthält, mit der die Streithilfe zugelassen wird. Andernfalls würden in diesem Urteil die Argumente des Freistaats Sachsen nicht erwähnt.

157. Im Gegensatz zur Kommission bin ich jedoch der Ansicht, dass diese Entscheidung nicht rechtsmittelfähig ist.

158. Wie ich in den vorstehenden Nrn. 148 bis 151 dargelegt habe, stellt eine Entscheidung des Gerichts, einem Streithilfeantrag stattzugeben, keine „Entscheidung“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs dar. Dabei kommt es für die Frage, ob eine Entscheidung des Gerichts als „Entscheidung“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, nicht darauf an, ob sie in einem separaten Rechtsakt wie dem Beschluss vom 11. Mai 2015 enthalten oder Teil des angefochtenen Urteils ist.

159. Zudem gelten die in Nr. 153 dieser Schlussanträge zu dem Anschlussrechtsmittel gegen den Beschluss vom 11. Mai 2015 dargelegten Gründe auch für das Anschlussrechtsmittel gegen das angefochtene Urteil, soweit dieses eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Streithilfe enthält.

160. Daher ist das Anschlussrechtsmittel gegen das angefochtene Urteil, soweit dieses eine Entscheidung enthält, mit der dem Streithilfeantrag des Freistaats Sachsen stattgegeben wurde, unzulässig.

161. Dies bedeutet aber nur, dass die einem Streithilfeantrag stattgebende Entscheidung des Gerichts nicht Gegenstand eines Rechtsmittels sein kann, da sie keine „Entscheidung“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs ist. Das heißt nicht, dass die Zulässigkeit einer erstinstanzlichen Streithilfe vor dem Gerichtshof überhaupt nicht in Frage gestellt werden könnte.

162. In der Tat kann die Zulässigkeit der erstinstanzlichen Streithilfe mit einem Rechtsmittelgrund beanstandet werden, mit dem ein Fehler des Verfahrens vor dem Gericht im Sinne von Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs gerügt wird. Dieser Rechtsmittelgrund wird vom Gerichtshof jedoch nur geprüft werden, wenn er im Rahmen eines Rechtsmittels vorgebracht wird, das zulässig ist. Dieses Rechtsmittel ist nur zulässig, wenn mit ihm die Aufhebung einer „Entscheidung“ des Gerichts im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs beantragt wird. Mit anderen Worten, sein Streitgegenstand muss eine andere Entscheidung als diejenige sein, mit der dem Streithilfeantrag stattgegeben wurde, denn die Letztere ist, wie ich vorstehend aufgezeigt habe, keine „Entscheidung“ im Sinne dieser Bestimmung.

163. So hat der Gerichtshof z. B. in der Rechtssache Gaki-Kakouri den Rechtsmittelgrund geprüft, mit dem gerügt worden war, das Gericht habe dadurch, dass es das Beweisangebot einer Partei zurückgewiesen habe, gegen Art. 85 Abs. 3 seiner Verfahrensordnung, den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und den Grundsatz der Waffengleichheit verstoßen. In dieser Rechtssache wurde mit dem Rechtsmittel aber nicht die Aufhebung der den Beweis ablehnenden Entscheidung des Gerichts begehrt. Mit dem Rechtsmittel wurde die Aufhebung der Entscheidung beantragt, mit der das Gericht im Tenor seines Urteils die Klage auf Nichtigerklärung der Weigerung des Gerichtshofs abgewiesen hatte, der Klägerin, der Witwe eines ehemaligen Richters am Gerichtshof, eine Hinterbliebenenversorgung zu gewähren(72).

164. Im vorliegenden Fall macht die Kommission geltend, die im angefochtenen Urteil enthaltene Entscheidung, mit der das Gericht dem Streithilfeantrag des Freistaats Sachsen stattgegeben habe, sei nicht nur rechtsmittelfähig(73), sondern stelle auch einen Verfahrensfehler im Sinne von Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs dar. Dazu ist festzustellen, dass der Rechtsmittelgrund, mit dem die dem Streithilfeantrag stattgebende Entscheidung als verfahrensfehlerhaft gerügt wird, im Rahmen eines Anschlussrechtsmittels vorgebracht wird, das auf die Aufhebung genau dieser Entscheidung gerichtet ist. Im Gegensatz dazu wurde in der Rechtssache Gaki-Kakouri der Rechtsmittelgrund, mit dem die den Beweis ablehnende Entscheidung als verfahrensfehlerhaft gerügt wurde, im Rahmen eines Rechtsmittels vorgebracht, das auf die Aufhebung einer im Urteilstenor enthaltenen anderen Entscheidung des Gerichts gerichtet war. Daher kann der Gerichtshof im vorliegenden Fall die Rüge, mit der ein Fehler des Verfahrens vor dem Gericht geltend gemacht wird, nicht prüfen, denn sie wird im Rahmen eines Anschlussrechtsmittels vorgebracht, das unzulässig ist, weil es nicht auf die Aufhebung einer „Entscheidung“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs(74) gerichtet ist.

c)      Zulässigkeit des Anschlussrechtsmittels gegen das angefochtene Urteil, soweit darin die allein vom Freistaat Sachsen vorgetragenen Argumente berücksichtigt worden seien

165. Schließlich wird mit dem Anschlussrechtsmittel die Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt, soweit in dessen Rn. 20, 21, 27, 31, 55, 57, 77, 97, 98, 124, 152, 163, 176, 177 und 180 die allein vom Freistaat Sachsen vorgetragenen Argumente berücksichtigt worden seien.

166. Ich vermag nicht zu erkennen, wie es möglich sein sollte, dass das Gericht, wenn es Argumenten – nicht Klage- oder Verteidigungsgründen oder Anträgen – stattgibt oder diese zurückweist, eine „Entscheidung“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs erlässt. Das Anschlussrechtsmittel gegen das angefochtene Urteil, soweit darin angeblich die allein vom Freistaat Sachsen vorgetragenen Argumente berücksichtigt wurden, ist somit unzulässig.

167. Auf jeden Fall geht es ins Leere. In den von der Kommission angeführten Randnummern des angefochtenen Urteils entscheidet das Gericht nämlich entweder nicht über Argumente des Streithelfers(75), oder es berücksichtigt Argumente, die der Streithelfer und BMW vorgebracht haben(76), oder aber es weist die allein vom Freistaat Sachsen vorgebrachten Argumente zurück(77).

d)      Keine Verpflichtung des Gerichtshofs, über die Zulässigkeit der erstinstanzlichen Streithilfe von Amts wegen zu entscheiden

168. In seinem Urteil in der Rechtssache Stadtwerke Schwäbisch Hall hat der Gerichtshof entschieden, wenn er mit einem Rechtsmittel gemäß Art. 56 seiner Satzung befasst sei, müsse er gegebenenfalls von Amts wegen über die Zulässigkeit der erstinstanzlichen Klage entscheiden(78).

169. Die Kommission macht unter Berufung auf dieses Urteil geltend, der Gerichtshof sei verpflichtet, von Amts wegen über die Zulässigkeit eines Antrags auf Zulassung zur Streithilfe vor dem Gericht zu entscheiden, wenn der erstinstanzliche Streithelfer vor dem Gerichtshof ein Anschlussrechtsmittel einlege oder Erklärungen abgebe.

170. Dem ist nicht zu folgen.

171. Im vorliegenden Fall stellt die Kommission die Zulässigkeit einer Streithilfe vor dem Gericht in Frage, nicht aber die in der Rechtssache Stadtwerke Schwäbisch Hall und in der späteren Rechtsprechung(79) behandelte Zulässigkeit der Klage vor dem Gericht. Sollte der Gerichtshof feststellen, dass das Gericht einem Streithilfeantrag zu Unrecht stattgegeben hat, wäre dies meines Erachtens für die Zulässigkeit der Klage vor dem Gericht folgenlos(80).

172. Zwar hat der erstinstanzliche Streithelfer, wenn das Gericht seinem Streithilfeantrag zu Unrecht stattgeben sollte, die Möglichkeit, gegen das Urteil des Gerichts Rechtsmittel einzulegen und vor dem Gerichtshof Rechtsmittelgründe geltend zu machen, die von der Partei nicht vorgebracht werden, die er in erster Instanz mit seiner Streithilfe unterstützt hat(81). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs jede Person einem beim Gericht anhängigen Rechtsstreit beitreten kann, sofern sie ein berechtigtes Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits glaubhaft machen kann. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass nach Art. 56 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs erstinstanzliche Streithelfer ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts nur dann einlegen können, wenn dieses Urteil sie unmittelbar berührt. Meines Erachtens kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Person, die kein berechtigtes Interesse am Ausgang des beim Gericht anhängigen Rechtsstreits hat und die daher diesem Rechtsstreit nicht beitreten darf, durch das Urteil des Gerichts unmittelbar berührt würde. Auf jeden Fall können die anderen am Verfahren vor dem Gerichtshof Beteiligten zu den Erklärungen des erstinstanzlichen Streithelfers Stellung nehmen.

173. Ich komme zu dem Ergebnis, dass das Anschlussrechtsmittel in vollem Umfang unzulässig ist.

174. Der Vollständigkeit halber werde ich aber darlegen, dass es jedenfalls unbegründet ist.

2.      Begründetheit

175. Die Kommission stützt ihr Anschlussrechtsmittel auf drei Rechtsmittelgründe, mit denen sie jeweils einen Verstoß gegen Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs, eine fehlerhafte Qualifizierung der Tatsachen und eine Verletzung der Beweislastregeln rügt.

a)      Erster Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs

176. Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe insoweit gegen Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs verstoßen, als es in Rn. 20 des Beschlusses vom 11. Mai 2015 festgestellt habe, dass der Freistaat Sachsen ein Interesse am Ausgang des beim Gericht anhängigen Rechtsstreits habe, weil ihm aufgrund des streitigen Beschlusses durch die Begrenzung der Beihilfe auf 17 Mio. Euro die wirtschaftlichen Vorteile aus einer Beihilfe, die rund 45 Mio. Euro betragen hätte, entgangen seien.

177. Gemäß Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs kann jede Person einem bei den Gerichten der Europäischen Union anhängigen Rechtsstreit beitreten, sofern sie ein berechtigtes Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits glaubhaft machen kann.

178. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Begriff „berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits“ im Sinne dieser Bestimmung nach dem Gegenstand des Rechtsstreits selbst zu bestimmen und als ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran zu verstehen, wie die Klageanträge selbst beschieden werden, und nicht als ein Interesse an den geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln oder Argumenten. Unter dem „Ausgang des Rechtsstreits“ ist die beantragte Endentscheidung zu verstehen, wie sie sich im Tenor des Urteils niederschlagen würde. Insoweit ist insbesondere zu prüfen, ob derjenige, der einen Antrag auf Zulassung als Streithelfer stellt, von der angefochtenen Handlung unmittelbar betroffen ist und ob sein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits erwiesen ist. Grundsätzlich kann ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits nur dann als hinreichend unmittelbar angenommen werden, wenn dieser Ausgang eine Änderung der Rechtsstellung des Antragstellers bewirken könnte(82).

179. Nach Ansicht der Kommission kann ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne von Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs nur ein rechtliches Interesse, nicht aber ein wirtschaftliches Interesse sein.

180. Der Freistaat Sachsen und BMW halten ein wirtschaftliches Interesse für ausreichend. Sie berufen sich auf den Beschluss in der Rechtssache Ramondín, in dem der Comunidad Autónoma de La Rioja ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits zuerkannt worden sei, in dem es um die Nichtigerklärung der Entscheidung ging, mit der die Kommission die vom Territorio Histórico de Álava erlassene Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt hatte. In diesem Beschluss hat der Präsident des Gerichtshofs festgestellt, dass die Comunidad Autónoma de La Rioja an das Territorio Histórico de Álava grenze und dass Ramondín, einem in La Rioja seit 1971 ansässigen Unternehmen, nach einer Verlagerung seines Standorts nach Álava die fragliche Beihilferegelung zugutekomme(83).

181. Zwar verlangt die oben in Nr. 178 zitierte Rechtsprechung, wie die Kommission betont, dass die Rechtsstellung des Streithilfeantragstellers durch den Ausgang der betreffenden Rechtssache geändert wird oder geändert werden kann.

182. Nach dieser Rechtsprechung besteht dieses Erfordernis jedoch nur „grundsätzlich“. Ich weise darauf hin, dass der Comunidad Autónoma de La Rioja in der Rechtssache Ramondín ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits zuerkannt wurde, weil die fragliche Beihilferegelung dazu führte, dass einige in La Rioja ansässige Unternehmen ihren Standort verlagerten, und weil sie die Wettbewerbsposition der Unternehmen beeinträchtigte, die in La Rioja verblieben. Im vorliegenden Fall führt der streitige Beschluss zur Errichtung einer neuen Produktionsanlage in Sachsen, und Streithilfeantragsteller ist genau der Freistaat Sachsen. Dies findet im Kontext einer Regionalbeihilfe statt, wobei der Streithilfeantragsteller die Förderregion ist, deren wirtschaftliche Entwicklung durch die betreffende Beihilfe verbessert wird. In dieser Situation kann meines Erachtens davon ausgegangen werden, dass ein hinreichend unmittelbares wirtschaftliches Interesse besteht. Der Sachverhalt in der vorliegenden Rechtssache unterscheidet sich vom Sachverhalt in der Rechtssache Provincia di Ascoli Piceno, in der der Gerichtshof einer italienischen Region, deren Wirtschaftsstruktur angeblich im Wesentlichen von der Schuhherstellung abhing, ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines Rechtsstreits abgesprochen hat, in dessen Rahmen die Nichtigerklärung einer Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in China beantragt wurde(84).

183. Zwar hatte die Comunidad Autónoma de La Rioja in der Rechtssache Ramondín, wie die Kommission bemerkt, bei ihr eine Beschwerde eingelegt, während der Freistaat Sachsen dies im vorliegenden Fall nicht getan hat. Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Ramondín auf diesen Umstand aber nicht abgestellt. Im Übrigen zählen die Teilnahme am Verwaltungsverfahren und die Einlegung einer Beschwerde nach der Rechtsprechung zu den Umständen, mit denen ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft gemacht werden kann(85). Das bedeutet jedoch nicht, dass die Einlegung einer Beschwerde ein zwingendes Erfordernis für die Glaubhaftmachung eines solchen Interesses wäre.

184. Der erste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

b)      Zweiter Rechtsmittelgrund: fehlerhafte Qualifizierung der Tatsachen

185. Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, selbst wenn der Gerichtshof davon ausgehen sollte, dass ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne von Art. 40 Abs. 1 seiner Satzung auch ein wirtschaftliches Interesse sein könne, habe das Gericht zu Unrecht festgestellt, dass der Freistaat Sachsen ein solches Interesse habe. Der Freistaat Sachsen habe ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines Rechtsstreits, in dem es um die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses insgesamt ginge. Er habe kein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, bei dem die Klage darauf gerichtet sei, den streitigen Beschluss nur insoweit für nichtig zu erklären, als darin der 17 Mio. Euro übersteigende Beihilfebetrag für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erachtet worden sei.

186. Der zweite Rechtsmittelgrund kann meines Erachtens nicht durchgreifen. Ich bin der Ansicht, dass der Freistaat Sachsen ein berechtigtes Interesse daran hat, in den Genuss der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Beihilfe zu gelangen, die dreimal so hoch ist wie die im streitigen Beschluss für vereinbar erklärte Beihilfe.

187. Der zweite Rechtsmittelgrund ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

c)      Dritter Rechtsmittelgrund: Verletzung der Beweislastregeln

188. Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, indem das Gericht vom Freistaat Sachsen nicht verlangt habe, sein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits zu beweisen, habe es die Regel verletzt, wonach grundsätzlich derjenige, der sich zur Stützung eines Anspruchs auf Tatsachen berufe, diese zu beweisen habe.

189. Ich weise darauf hin, dass das Gericht in Rn. 19 des Beschlusses vom 11. Mai 2015 ausgeführt hat, der Freistaat Sachsen habe vorgetragen, dass durch die fragliche Beihilfe 800 neue Arbeitsplätze und Synergien mit der regionalen Automobilindustrie geschaffen würden sowie der Transfer von Wissen begünstigt und der Innovationsprozess beschleunigt werde. Zwar hat der Freistaat Sachsen dieses Tatsachenvorbringen nicht bewiesen. Die Kommission hat in ihrer Stellungnahme zum Antrag auf Zulassung zur Streithilfe diese Tatsachenbehauptungen jedoch nicht bestritten, und das Gericht hat in Rn. 20 des Beschlusses vom 11. Mai 2015 festgestellt, dass sie unbestritten seien. Unter diesen Umständen hat das Gericht nach meinem Dafürhalten die Beweislastregeln nicht verletzt.

190. Der dritte Rechtsmittelgrund ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

191. Ich komme somit zu dem Schluss, dass das Anschlussrechtsmittel zurückzuweisen ist.

VII. Kosten

192. Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

193. Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da BMW mit seinem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission einen Kostenantrag gestellt hat, sind ihm neben seinen eigenen Kosten die der Kommission für das Verfahren zur Hauptsache entstandenen Kosten aufzuerlegen. Nach Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof einer erstinstanzlichen Streithilfepartei, die am Rechtsmittelverfahren teilnimmt, ihre eigenen Kosten auferlegen. Da der Freistaat Sachsen am Rechtsmittelverfahren teilgenommen hat, hat er seine eigenen Kosten für das Verfahren zur Hauptsache zu tragen.

194. In Bezug auf das Anschlussrechtsmittel sind der Kommission, da sie mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und der Freistaat Sachsen einen Kostenantrag gestellt hat, neben ihren eigenen Kosten die dem Freistaat Sachsen für das Anschlussrechtsmittel entstandenen Kosten aufzuerlegen. Da BMW an dem das Anschlussrechtsmittel betreffenden Verfahren teilgenommen hat, hat es seine eigenen Kosten für das Anschlussrechtsmittel zu tragen.

VIII. Ergebnis

195. Demgemäß schlage ich dem Gerichtshof vor, zu entscheiden, dass

–        das Rechtsmittel zurückgewiesen wird;

–        das Anschlussrechtsmittel zurückgewiesen wird;

–        die Bayerische Motoren Werke AG ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission für das Hauptrechtsmittel trägt;

–        der Freistaat Sachsen seine eigenen Kosten für das Hauptrechtsmittel trägt;

–        die Europäische Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten des Freistaats Sachsen für das Anschlussrechtsmittel trägt;

–        die Bayerische Motoren Werke AG ihre eigenen Kosten für das Anschlussrechtsmittel trägt.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Urteil vom 12. September 2017, Bayerische Motoren Werke/Kommission (T‑671/14, EU:T:2017:599, im Folgenden: angefochtenes Urteil).


3      Beschluss vom 9. Juli 2014 über die staatliche Beihilfe SA.32009 (11/C) (ex 10/N), die Deutschland zugunsten der BMW AG für ein großes Investitionsvorhaben in Leipzig gewähren will (ABl. 2016, L 113, S. 1).


4      Beschluss vom 11. Mai 2015, Bayerische Motoren Werke/Kommission (T‑671/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:322, im Folgenden: Beschluss vom 11. Mai 2015).


5      ABl. 2008, L 214, S. 3.


6      Es sei darauf hingewiesen, dass die Beihilfe in Höhe von 49 Mio. Euro angemeldet und dieser Betrag nach einer Änderung der Anmeldung durch Deutschland auf 48,125 Mio. Euro (was einem abgezinsten Wert von 45 257 273 Euro entspricht) herabgesetzt worden war (vgl. Erwägungsgründe 22 und 189 des streitigen Beschlusses).


7      BGBl. 2008 I S. 2350. Das InvZulG war nach Ref.‑Nr. X 167/08 (ABl. 2009, C 280, S. 7) gruppenweise freigestellt.


8      ABl. 2006, C 54, S. 13. Nach Punkt 68 der Leitlinien muss die Kommission das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV eröffnen, wenn erstens der für ein großes Investitionsvorhaben gewährte Betrag der Regionalbeihilfe „mehr als 75 % des Höchstbetrags ausmacht, der für ein Investitionsvorhaben mit förderfähigen Ausgaben von 100 Mio. [Euro] nach den … geltenden [Höchstsätzen für Regionalbeihilfen] gezahlt werden könnte“, und wenn zweitens entweder der Beihilfeempfänger für mehr als 25 % des Verkaufs des betreffenden Produkts verantwortlich ist oder die durch das Investitionsvorhaben geschaffene Kapazität mehr als 5 % des Marktes beträgt.


9      ABl. 2009, C 223, S. 3.


10      Große Investitionsvorhaben sind Vorhaben mit förderfähigen Ausgaben über 50 Mio. Euro (vgl. Punkt 60 der Leitlinien).


11      Vgl. Erwägungsgründe 2 bis 4 des streitigen Beschlusses.


12      Wie vorstehend erwähnt, muss die Kommission das förmliche Prüfverfahren bei Überschreitung der in Punkt 68 der Leitlinien vorgesehenen Schwellenwerte eröffnen (vgl. oben, Fn. 8). In Fn. 63 der Leitlinien heißt es, die Kommission werde „die Kriterien … weiter präzisieren“, die in dieser Situation auf die Vereinbarkeitsprüfung Anwendung fänden. Diese Präzisierung wurde von der Kommission in Form der Mitteilung von 2009 vorgenommen (vgl. Nr. 8 dieser Mitteilung).


13      Vgl. Nr. 2 der Mitteilung von 2009.


14      Vgl. Nrn. 11 bis 36 der Mitteilung von 2009.


15      Vgl. Nr. 22 der Mitteilung von 2009 und 173. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses.


16      Vgl. Nr. 33 der Mitteilung von 2009 sowie Erwägungsgründe 175 und 189 des streitigen Beschlusses.


17      Vgl. Nrn. 37 bis 51 der Mitteilung von 2009.


18      Hervorhebung nur hier.


19      Urteil vom 30. April 2009, Kommission/Wam (C‑494/06 P, EU:C:2009:272, Rn. 57).


20      Urteil vom 30. April 2009, Kommission/Wam (C‑494/06 P, EU:C:2009:272, Rn. 58).


21      Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission (T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 94).


22      Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission (T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 95).


23      Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a. (C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 41).


24      Urteil vom 8. März 2016, Griechenland/Kommission (C‑431/14 P, EU:C:2016:145, Rn. 72 bis 75).


25      Vgl. Erwägungsgründe 85 und 175 des streitigen Beschlusses.


26      Vgl. erster Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses.


27      Vgl. Erwägungsgründe 101 und 176 des streitigen Beschlusses.


28      Verordnung vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von [Artikel 108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1).


29      Siehe unten, Fn. 33.


30      Urteile vom 21. November 1991, Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires und Syndicat national des négociants et transformateurs de saumon (C‑354/90, EU:C:1991:440, Rn. 8 bis 11), vom 5. Oktober 2006, Transalpine Ölleitung in Österreich (C‑368/04, EU:C:2006:644, Rn. 36 bis 38), vom 21. November 2013, Deutsche Lufthansa (C‑284/12, EU:C:2013:755, Rn. 27 und 28), und vom 23. Januar 2019, Fallimento Traghetti del Mediterraneo (C‑387/17, EU:C:2019:51, Rn. 54 und 55).


31      Vgl. vierter Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates vom 7. Mai 1998 über die Anwendung der Artikel 92 und 93 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen (ABl. 1998, L 142, S. 1, im Folgenden: Ermächtigungsverordnung). Die Ermächtigungsverordnung ermächtigt die Kommission zum Erlass von Gruppenfreistellungsverordnungen für bestimmte Gruppen von Beihilfen. Die AGVO wurde auf der Grundlage der Ermächtigungsverordnung erlassen.


32      Die AGVO gilt für staatliche Maßnahmen, die staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen (vgl. Art. 2 Abs. 1 AGVO).


33      Nach Art. 6 Abs. 2 AGVO sind Regionalbeihilfen zugunsten großer Investitionsvorhaben „bei der Kommission anzumelden, wenn der Gesamtförderbetrag aus sämtlichen Quellen 75 % des Beihilfehöchstbetrags überschreitet, den eine Investition mit beihilfefähigen Kosten in Höhe von 100 Mio. [Euro] erhalten könnte“, sofern die in dem betreffenden Fördergebiet geltende Obergrenze für Regionalbeihilfen zugrunde gelegt wird. Es ist unstreitig, dass das in Rede stehende Beihilfeprojekt ein großes Investitionsvorhaben, d. h. ein Vorhaben mit förderfähigen Kosten über 50 Mio. Euro, ist (siehe oben, Fn. 10). Die bei Gewährung der Beihilfe für Leipzig geltende Obergrenze für Regionalbeihilfen belief sich auf 30 % (vgl. elfter Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses und Fördergebietskarte für Deutschland: 2007–2013, ABl. 2006, C 295, S. 6). Die Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 AGVO betrug somit 22,5 Mio. Euro (75 % × 30 % × 100 Mio. Euro) (vgl. 201. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses und Rn. 182 des angefochtenen Urteils).


34      Siehe oben, Fn. 31.


35      Vgl. Abschnitt 3.2 der Begründung des von der Kommission am 15. Juli 1997 vorgelegten Vorschlags für eine Verordnung (EG) des Rates über die Anwendung der Artikel 92 und 93 des EG-Vertrags auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen (KOM[97] 396 endg.). Nach deren Abschnitt 3.1 würde durch den Erlass von Gruppenfreistellungsverordnungen „die Effizienz der Beihilfekontrolle erhöht, da die Kommission von der Aufgabe entbunden würde, sowohl Beihilferegelungen als auch Einzelfälle zu prüfen, zumal ihr eine Vielzahl von Beihilfevorhaben oder Änderungen von Beihilfen notifiziert wird, die aufgrund ihrer Übereinstimmung mit den von der Kommission festgelegten Kriterien mit dem [Binnenmarkt] vereinbar sind“. Vgl. auch Nr. 2.1 der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die Anwendung von Artikel 92 und 93 des EG-Vertrages auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen“ (ABl. 1998, C 129, S. 70).


36      Urteil vom 9. September 2009, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission (T‑30/01 bis T‑32/01 und T‑86/02 bis T‑88/02, EU:T:2009:314, Rn. 260).


37      Nach Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 „prüft“ die Kommission jede Beschwerde, vorausgesetzt, sie wurde von einem Beteiligten im Sinne von Art. 1 Buchst. h dieser Verordnung eingelegt, der hierfür das in Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Verordnung genannte Formular ausfüllt.


38      Siehe oben, Nr. 95.


39      Vgl. Sinnaeve, I., „Block Exemptions for State aid: More Scope for State Aid Control by Member States and Competitors“, Common Market Law Review, Bd. 38 (2001), Heft 6, S. 1479 (S. 1495). Vgl. auch Berghofer, M., „The General Block Exemption Regulation: A Giant on Feet of Clay“, European State Aid Law Quarterly, Bd. 8 (2009), Heft 3, S. 323 (S. 328 und Fn. 55).


40      Vgl. Rn. 16 der Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte („Bekanntmachung über die Durchsetzung“) (ABl. 2009, C 85, S. 1).


41      Die Bezugnahme auf die Genehmigung durch den Rat verweist auf die Befugnis des Rates nach Art. 108 Abs. 2 Unterabs. 3 AEUV, eine staatliche Maßnahme unter „außergewöhnlichen Umständen“ für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären.


42      Vgl. Art. 9 Abs. 1 und Anhang III der AGVO.


43      Vgl. das Formular in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 (ABl. 2004, L 140, S. 1).


44      Sollte sie durchgeführt worden sein, müsste sie als „rechtswidrige Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 659/1999 behandelt werden (Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2018:768, Nr. 107).


45      Vgl. zwölfter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses.


46      Die in Art. 9 Abs. 1 AGVO erwähnte Kurzbeschreibung wurde der Kommission vorgelegt, die sie im Amtsblatt veröffentlichte (Angaben der Mitgliedstaaten über staatliche Beihilfen, die auf der Grundlage der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt werden, ABl. 2009, C 280, S. 5).


47      Urteil vom 6. März 2002, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission (T‑127/99, T‑129/99 und T‑148/99, EU:T:2002:59, Rn. 229).


48      Urteil vom 21. Juli 2011, Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission (C‑459/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:515).


49      Die in der Rechtssache Freistaat Sachsen anwendbare Gruppenfreistellungsverordnung war die Verordnung (EG) Nr. 68/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf Ausbildungsbeihilfen (ABl. 2001, L 10, S. 20).


50      Hervorhebung nur hier.


51      Urteil vom 21. Juli 2011, Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission (C‑459/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:515, Rn. 31).


52      Urteil vom 21. Juli 2011, Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission (C‑459/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:515, Rn. 33).


53      Hervorhebung nur hier.


54      Siehe unten, Nr. 153.


55      Vgl. entsprechend Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 12. Oktober 2000, Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Rat (C‑299/00 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2000:566).


56      Zwar gilt Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs für Rechtsmittel, nicht für Anschlussrechtsmittel. Da die Satzung aber keine besondere Vorschrift über Anschlussrechtsmittel enthält, sehe ich keinen Grund, warum die Vorschriften über Rechtsmittel nicht auch für Anschlussrechtsmittel gelten sollten.


57      Mit einer Endentscheidung im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs schließt das Gericht das bei ihm anhängige Verfahren ab. Die folgenden Entscheidungen sind meines Erachtens als Endentscheidungen zu betrachten: das Urteil, das der Klage stattgibt oder sie abweist, die Entscheidung, mit der das Gericht die Hauptsache für erledigt erklärt (Urteil vom 18. November 2010, ArchiMEDES/Kommission, C‑317/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:700, Rn. 94 und 95), ein Versäumnisurteil (Urteile vom 13. November 2008, Kommission/Alexiadou, C‑436/07 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:623, Rn. 7, vom 21. April 2015, Anbouba/Rat, C‑605/13 P, EU:C:2015:248, Rn. 14, und vom 9. Juni 2015, Navarro/Kommission, T‑556/14 P, EU:T:2015:368, Rn. 5) und ein Urteil, mit dem ein Wiederaufnahmeantrag zurückgewiesen wird (Urteile vom 18. März 1999, de Compte/Parlament, C‑2/98 P, EU:C:1999:158, Rn. 15 bis 23, und vom 8. Juli 1999, DSM/Kommission, C‑5/93 P, EU:C:1999:364, Rn. 30).


58      Eine über einen Teil des Streitgegenstands ergehende Entscheidung des Gerichts kann z. B. eine Entscheidung sein, mit der das Gericht feststellt, dass die außervertragliche Haftung der Union begründet ist, aber nicht über die Schadenshöhe entscheidet (vgl. u. a. Urteil vom 16. Juli 2009, Kommission/Schneider Electric, C‑440/07 P, EU:C:2009:459).


59      Urteile vom 21. Januar 1999, Frankreich/Comafrica u. a. (C‑73/97 P, EU:C:1999:13), vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer (C‑23/00 P, EU:C:2002:118, Rn. 50), vom 23. März 2004, Europäischer Bürgerbeauftragter/Lamberts (C‑234/02 P, EU:C:2004:174, Rn. 31 bis 33), vom 22. Februar 2005, Kommission/max.mobil (C‑141/02 P, EU:C:2005:98, Rn. 45 bis 52), vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission (C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 37), und vom 10. September 2009, Kommission/Ente per le Ville vesuviane und Ente per le Ville vesuviane/Kommission (C‑445/07 P und C‑455/07 P, EU:C:2009:529, Rn. 40). Ich möchte klarstellen, dass diese Situation in Bezug auf Anschlussrechtsmittel jetzt in den Geltungsbereich von Art. 178 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs fällt, da nach dieser Bestimmung anders als nach Art. 169 Abs. 1 der Verfahrensordnung (der Rechtsmittel betrifft) das Anschlussrechtsmittel nicht gegen die Entscheidung des Gerichts „in der Gestalt der Entscheidungsformel“ gerichtet sein muss.


60      Urteil vom 8. Januar 2002, Frankreich/Monsanto und Kommission (C‑248/99 P, EU:C:2002:1, Rn. 46), und Beschluss vom 28. November 2008, Combescot/Kommission (C‑526/07 P, EU:C:2008:665, Rn. 36).


61      Beschluss vom 4. Oktober 1999, Kommission/ADT Projekt (C‑349/99 P, EU:C:1999:475).


62      Urteil vom 4. September 2008, Gualtieri/Kommission (T‑413/06 P, EU:T:2008:309, Rn. 21 bis 29); Beschlüsse vom 8. Juli 2010, Marcuccio/Kommission (T‑166/09 P, EU:T:2010:299, Rn. 26 bis 33), und vom 12. Juni 2012, Strack/Kommission (T‑65/12 P, EU:T:2012:285, Rn. 8 bis 15).


63      Beschluss vom 14. Dezember 2007, Nijs/Rechnungshof (T‑311/07 P, EU:T:2007:394).


64      Beschluss vom 10. Juli 2009, Hasbro (C‑59/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:452).


65      Beschluss vom 12. Februar 2015, Meister/Kommission (C‑327/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:99, Rn. 22 und 23).


66      Beschluss vom 29. Oktober 2015, De Nicola/EIB (T‑377/15 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:851).


67      Beschluss vom 26. November 2003, Associazione bancaria italiana u. a./Kommission (C‑366/03 P bis C‑368/03 P, C‑390/03 P, C‑391/03 P und C‑394/03 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2003:638).


68      Vorausgesetzt, dass das Urteil des Gerichts ihn gemäß Art. 56 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs „unmittelbar berührt“.


69      Urteil vom 11. Februar 1999, Antillean Rice Mills u. a./Kommission (C‑390/95 P, EU:C:1999:66, Rn. 20).


70      Urteil vom 10. November 2016, DTS Distribuidora de Televisión Digital/Kommission (C‑449/14 P, EU:C:2016:848, Rn. 121). Wie Generalanwalt Roemer ausgeführt hat, kennt „unser Verfahrensrecht keine Hauptintervention, der zufolge ein Dritter selbständige Ansprüche gegen beide Parteien des Hauptverfahrens verfolgen kann“ (Schlussanträge des Generalanwalts Roemer in den verbundenen Rechtssachen Belgien/Vloeberghs und Hohe Behörde, 9/60‑TO und 12/60‑TO, EU:C:1962:17, S. 386).


71      Urteile vom 7. Oktober 2014, Deutschland/Rat (C‑399/12, EU:C:2014:2258, Rn. 27), vom 10. November 2016, DTS Distribuidora de Televisión Digital/Kommission (C‑449/14 P, EU:C:2016:848, Rn. 121), und vom 25. Oktober 2017, Kommission/Rat (WRC‑15) (C‑687/15, EU:C:2017:803, Rn. 23).


72      Urteil vom 14. April 2005, Gaki-Kakouri/Gerichtshof (C‑243/04 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:238, Rn. 33 und 34).


73      Wie ich oben in den Nrn. 157 bis 160 dargelegt habe, ist diese Entscheidung nicht rechtsmittelfähig, so dass das Anschlussrechtsmittel unzulässig ist, soweit es auf die Aufhebung dieser Entscheidung gerichtet ist.


74      Weder in der Entscheidung, mit der das Gericht dem Streithilfeantrag des Freistaats Sachsen stattgegeben hat, noch in seiner Entscheidung, mit der die Argumente des Freistaats Sachsen zurückgewiesen wurden, kann eine „Entscheidung“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs gesehen werden (siehe oben, Nr. 158, und unten, Nr. 166).


75      Die Rn. 20, 21 und 27 zu dem „Verfahren und Anträge der Parteien“ überschriebenen Teil des angefochtenen Urteils. Die Rn. 31, 57, 77, 152 und 163 dieses Urteils enthalten lediglich eine Zusammenfassung der Argumentation des Streithelfers. In Rn. 55 stellt das Gericht fest, es brauche nicht auf das Vorbringen des Freistaats Sachsen eingegangen zu werden.


76      Vgl. Rn. 124, 176 und 177 des angefochtenen Urteils.


77      Vgl. Rn. 97, 98 und 180 des angefochtenen Urteils.


78      Urteil vom 29. November 2007, Stadtwerke Schwäbisch Hall u. a./Kommission (C‑176/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:730, Rn. 18).


79      Urteil vom 23. April 2009, Sahlstedt u. a./Kommission (C‑362/06 P, EU:C:2009:243, Rn. 21 bis 23), Beschluss vom 23. September 2009, Complejo Agrícola/Kommission (C‑415/08 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:574, Rn. 21 und 22), Beschluss vom 23. September 2009, Calebus/Kommission (C‑421/08 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:575, Rn. 21 und 22), Urteil vom 27. Oktober 2011, Österreich/Scheucher-Fleisch u. a. (C‑47/10 P, EU:C:2011:698, Rn. 97); Beschlüsse vom 15. Februar 2012, Internationaler Hilfsfonds/Kommission (C‑208/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:76, Rn. 34), und vom 5. September 2013, ClientEarth/Rat (C‑573/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:564, Rn. 20); Urteile vom 27. Februar 2014, Stichting Woonlinie u. a./Kommission (C‑133/12 P, EU:C:2014:105, Rn. 32), und vom 20. September 2018, Spanien/Kommission (C‑114/17 P, EU:C:2018:753, Rn. 48).


80      Die Streithilfe ist nämlich zum Rechtsstreit zwischen den Hauptparteien akzessorisch, nicht umgekehrt. Wird die Klage für unzulässig erklärt, ist die Streithilfe gegenstandslos (Beschluss vom 19. Juli 2017, Lysoform Dr. Hans Rosemann und Ecolab Deutschland/ECHA, C‑663/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:568, Rn. 47 und 48).


81      Urteil vom 11. Februar 1999, Antillean Rice Mills u. a./Kommission (C‑390/95 P, EU:C:1999:66, Rn. 21 und 22).


82      Beschlüsse des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2015, Metalleftiki kai Etairia Larymnis Larko/Kommission (C‑385/15 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2015:681, Rn. 6 und 7), vom 1. März 2016, Cousins Material House/Kommission (C‑635/15 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2016:166, Rn. 5 und 6), und vom 17. Mai 2018, United States of America/Apple Sales International u. a. (C‑12/18 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2018:330, Rn. 7 und 8); Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 11. Juni 2018, Comune di Milano/Rat (C‑182/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:445, Rn. 8), vom 20. September 2018, Crédit Mutuel Arkéa/EZB (C‑152/18 P und C‑153/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:765, Rn. 6 bis 8), vom 9. Oktober 2018, Polen/Kommission (C‑181/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:826, Rn. 5 und 6), und vom 9. Oktober 2018, PGNiG Supply & Trading/Kommission (C‑117/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:897, Rn. 5 und 6).


83      Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 6. März 2003, Ramondín und Ramondín Cápsulas/Kommission (C‑186/02 P, EU:C:2003:141, Rn. 9 und 10).


84      Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. Januar 2008, Provincia di Ascoli Piceno und Comune di Monte Urano/Sun Sang Kong Yuen Shoes Factory u. a. (C‑461/07 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2008:46, Rn. 17).


85      Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 11. Juni 2018, Comune di Milano/Rat (C‑182/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:445, Rn. 16).