Language of document : ECLI:EU:T:2009:146

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

7. Mai 2009(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke OMNICARE – Ältere nationale Bildmarke OMNICARE – Ablehnung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“

In der Rechtssache T‑277/06

Omnicare, Inc. mit Sitz in Covington, Kentucky (Vereinigte Staaten von Amerika), Prozessbevollmächtigte: zunächst M. Edenborough, Barrister, und O. Patterson, Solicitor, dann M. Edenborough,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), zunächst vertreten durch S. Laitinen, dann durch G. Schneider als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Astellas Pharma GmbH mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin A. Franke,

betreffend eine Klage gegen die zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Yamanouchi Pharma GmbH und der Omnicare, Inc. ergangene Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 24. Juli 2006 (Sache R 446/2006‑2) und die Entscheidung, mit der der Antrag der Omnicare, Inc. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi, der Richterin E. Cremona und des Richters S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter),

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund der am 9. Oktober 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 30. Januar 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 15. Januar 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der Schriftsätze der Beteiligten vom 19. April 2007 sowie vom 5. und vom 8. Januar 2009, mit denen diese mitgeteilt haben, dass sie nicht an der Sitzung teilnehmen werden,

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Art. 78 Abs. 1 bis 5 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) bestimmt in seiner geänderten Fassung:

„(1) Der Anmelder, der Inhaber der Gemeinschaftsmarke oder jeder andere an einem Verfahren vor dem Amt Beteiligte, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden ist, gegenüber dem Amt eine Frist einzuhalten, wird auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Verhinderung nach dieser Verordnung den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsmittels zur unmittelbaren Folge hat.

(2) Der Antrag ist innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen. Die versäumte Handlung ist innerhalb dieser Frist nachzuholen. Der Antrag ist nur innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist zulässig. Ist der Antrag auf Verlängerung der Eintragung nicht eingereicht worden oder sind die Verlängerungsgebühren nicht entrichtet worden, so wird die in Artikel 47 Absatz 3 Satz 3 vorgesehene Frist von sechs Monaten in die Frist von einem Jahr eingerechnet.

(3) Der Antrag ist zu begründen, wobei die zur Begründung dienenden Tatsachen glaubhaft zu machen sind. Er gilt erst als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden ist.

(4) Über den Antrag entscheidet die Dienststelle, die über die versäumte Handlung zu entscheiden hat.

(5) Dieser Artikel ist nicht auf die in Absatz 2 sowie in Artikel 42 Absätze 1 und 3 und Artikel 78a genannten Fristen anzuwenden.“

2        Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94 lautet:

„(1) Dem Anmelder, dem Inhaber einer Gemeinschaftsmarke oder einem anderen an einem Verfahren vor dem Amt Beteiligten, der eine gegenüber dem Amt einzuhaltende Frist versäumt hat, kann auf Antrag Weiterbehandlung gewährt werden, wenn mit dem Antrag die versäumte Handlung nachgeholt wird. Der Antrag auf Weiterbehandlung ist nur zulässig, wenn er innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf der versäumten Frist gestellt wird. Der Antrag gilt erst als gestellt, wenn die Weiterbehandlungsgebühr gezahlt worden ist.

(2) Dieser Artikel gilt weder für die in Artikel 25 Absatz 3, Artikel 27, Artikel 29 Absatz 1, Artikel 33 Absatz 1, Artikel 36 Absatz 2, Artikel 42, Artikel 43, Artikel 47 Absatz 3, Artikel 59, Artikel 60a, Artikel 63 Absatz 5, Artikel 78 und Artikel 108 genannten noch für die in diesem Artikel und für die in der Durchführungsverordnung gemäß Artikel 157 Absatz 1 vorgesehenen Fristen, um nach der Anmeldung eine Priorität gemäß Artikel 30, eine Ausstellungspriorität gemäß Artikel 33 oder einen Zeitrang gemäß Artikel 34 in Anspruch zu nehmen.

(3) Über den Antrag entscheidet die Stelle, die über die versäumte Handlung zu entscheiden hat.

(4) Gibt das Amt dem Antrag statt, so gelten die mit Fristversäumnis verbundenen Folgen als nicht eingetreten.

(5) Weist das Amt den Antrag zurück, so wird die Gebühr erstattet.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

3        Am 26. Juni 1996 meldete die Klägerin, die Omnicare, Inc., die Wortmarke OMNICARE für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung an.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 90/1999 vom 15. November 1999 veröffentlicht.

5        Am 3. Februar 2000 erhob die Yamanouchi Pharma GmbH – deren Rechtsnachfolgerin die Astellas Pharma GmbH, Streithelferin im vorliegenden Rechtszug, ist – gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke und stützte sich dabei auf die am 19. Juli 1995 eingetragene deutsche Bildmarke Nr. 39 401 348 für Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 42 des Abkommens von Nizza, die nachstehend abgebildet ist:

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6        Der Widerspruch war auf alle von der älteren Eintragung erfassten Dienstleistungen gestützt und richtete sich gegen sämtliche in der Anmeldung genannten Waren.

7        Der Widerspruch stützte sich auf die zwischen der Anmeldemarke und der älteren Marke bestehende Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94.

8        Mit Entscheidung vom 30. November 2005 wies die Widerspruchsabteilung die Anmeldung in vollem Umfang zurück und erlegte der Klägerin die Kosten des Verfahrens auf.

9        Die Entscheidung vom 30. November 2005 wurde den Parteien am selben Tag zugestellt.

10      Am 23. März 2006 reichte die Klägerin eine Begründung für die Beschwerde ein, die sie beim HABM gemäß den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung eingelegt hatte, und nahm dabei auf eine Beschwerdeschrift Bezug, die sie am 30. Januar 2006 gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung eingereicht haben will.

11      Am 27. März 2006 informierte die Kanzlei der Beschwerdekammern die Klägerin darüber, dass sie die Beschwerdeschrift nicht erhalten habe.

12      Am 30. März 2006 reichte die Klägerin die Beschwerdeschrift sowie erneut die Beschwerdebegründung ein.

13      Am 12. Mai 2006 teilte die Kanzlei der Beschwerdekammern der Klägerin mit, dass ihre Beschwerde vermutlich für unzulässig erklärt werde, weil die Beschwerdeschrift nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung eingereicht worden sei. Die Klägerin wurde aufgefordert, sich hierzu binnen zwei Monaten zu äußern und alle entsprechenden Beweise vorzulegen.

14      Am 30. Mai 2006 beantragte die Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 78 der Verordnung Nr. 40/94.

15      Zur Begründung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand legte sie Kopien der Beschwerdeschrift, die sie dem HABM am 30. Januar 2006 per Fax übermittelt haben will, und der am 23. März 2006 eingereichten Beschwerdebegründung vor. Außerdem gab sie an, dass sie die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründung am 30. März 2006 nochmals eingereicht habe, nachdem ihr das HABM am 27. März 2006 mitgeteilt habe, dass die Beschwerdeschrift nicht bei ihm eingegangen sei.

16      Überdies führte sie aus, die Nichteinhaltung der Beschwerdefrist sei auf menschliches und/oder technisches Versagen beim Absenden der Unterlagen mit dem Faxgerät zurückzuführen; für diese Behauptung benannte sie zwei Zeugen.

17      Die Zweite Beschwerdekammer lehnte den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Entscheidung vom 24. Juli 2006 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) ab.

18      Die Beschwerdekammer stellte insoweit Folgendes fest:

„20. Die Beschwerdeführerin räumt ein, vom HABM am 27. März 2006 darüber informiert worden zu sein, dass es die angeblich am 30. Januar 2006, d. h. am letzten Tag der Beschwerdefrist, per Fax übermittelte Beschwerdeschrift nicht erhalten habe. Die Beschwerdeschrift wurde nach allen erforderlichen Nachprüfungen am 30. März 2006 erneut eingereicht. Somit muss die Beschwerdeführerin Kenntnis von der zuvor versäumten Handlung gehabt haben.

21. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde am 30. Mai 2006, also innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses (d. h. der Unkenntnis davon, dass das Faxgerät die Beschwerdeschrift am 30. Januar 2006 nicht übertragen hat), gestellt. Er ist somit zulässig.

24. Aus Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 in ihrer geänderten Fassung in Verbindung mit dem durch die Verordnung (EG) Nr. 422/2004 des Rates eingefügten Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94, insbesondere dessen Abs. 2, geht hervor, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen ist, wenn es sich bei der versäumten Frist um die Beschwerdefirst des Art. 59 der Verordnung Nr. 40/94 handelt. Gemäß diesen neuen Bestimmungen scheint der Gesetzgeber bestrebt gewesen zu sein, eine Lücke des Art. 78 Abs. 5 zu schließen, die diese Bestimmung vor ihrer Änderung aufwies und die die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lediglich ausschloss, wenn es sich bei der nicht eingehaltenen Frist um die Widerspruchsfrist des Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 handelte (vgl. in diesem Sinne die Entscheidung vom 22. Mai 2003, in den verbundenen Sachen R‑388/2002‑2 und R‑393/2002‑2, CosmoOne Hellas MarketSite/Cosmopolitan Television u. a.). Während es sich bei der Widerspruchsfrist (des Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94) und der Beschwerdefrist (des Art. 59 der Verordnung Nr. 40/94) um durch die Verordnung Nr. 40/94 selbst festgelegte Ausschlussfristen handelt, schien dem früheren System, nach dem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur im ersten Fall, nicht aber im zweiten ausgeschlossen war, die innere Schlüssigkeit zu fehlen, so dass die Kammern ihm skeptisch gegenüberstanden (vgl. die Entscheidungen vom 22. Mai 2003 in der Sache R‑194/2003‑2, Met-L-Chek/Met-L-Check, und vom 24. Oktober 2003 in der Sache R‑937/2002‑2, Paragon/Paragon). Diese fehlende Schlüssigkeit korrigierte der Gesetzgeber mit der Verordnung Nr. 422/2004, die die Ausschlussfristen der Verordnung Nr. 40/94 entweder unmittelbar in Art. 78 Abs. 5 in seiner geänderten Fassung oder mittelbar durch Verweisung auf die Bestimmungen des neuen Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94 für den Fall, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen ist, dadurch festlegt, dass sie die Ausschlussfrist für den Widerspruch mit der Beschwerdefrist gleichsetzt.

25. Aus den oben angeführten Bestimmungen, die durch die am 25. Juli 2005 in Kraft getretene Verordnung Nr. 422/2004 geändert oder eingefügt wurden, geht hervor, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen ist, wenn es sich bei der versäumten Frist um die Beschwerdefrist des Art. 59 der Verordnung Nr. 40/94 handelt.

26. Folglich ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzulehnen, weil er die verspätete Einreichung der Beschwerdeschrift betrifft.“

 Verfahren und Anträge der Beteiligten

19      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang aufzuheben;

–        den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an die Beschwerdekammer zurückzuverweisen;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

20      Das HABM stellt die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts und beantragt,

–        für den Fall, dass das Gericht die von der Beschwerdekammer vorgenommene Auslegung von Art. 78 für rechtsfehlerfrei hält:

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen;

–        für den Fall, dass es die von der Beschwerdekammer vorgenommene Auslegung von Art. 78 für rechtsfehlerhaft hält:

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

21      Die Streithelferin beantragt, die Klage abzuweisen und der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

22      Da keiner der Beteiligten an der Sitzung vom 13. Januar 2009 teilgenommen hat, hat das Gericht nach Eröffnung des mündlichen Verfahrens beschlossen, dass es einer Eröffnung der Verhandlung im Sinne von Art. 56 der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz nicht bedarf, und das mündliche Verfahren geschlossen.

 Rechtliche Würdigung

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

23      Die Klägerin beruft sich auf einen Verstoß der Beschwerdekammer gegen Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94.

24      Sie ist der Auffassung, dass Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 –nach dessen geänderter Fassung „[d]ieser Artikel … nicht auf die in Absatz 2 sowie in Artikel 42 Absätze 1 und 3 und Artikel 78a genannten Fristen anzuwenden [ist]“ – bedeute, dass kein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werden könne, wenn er die Nichteinhaltung einer der in diesen Bestimmungen genannten Fristen betreffe.

25      Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 sehe dagegen nicht vor, dass dieser Artikel nicht auf die Fristen der insbesondere in Art. 78a der Verordnung genannten Bestimmungen anzuwenden sei.

26      Zu diesem fehlerhaften Ergebnis sei die Beschwerdekammer jedoch gelangt.

27      Nach Ansicht der Klägerin geht die Beschwerdekammer davon aus, dass Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nicht nur auf die Fristen, die ausdrücklich in den vier von dieser Vorschrift erfassten Bestimmungen genannt sind, sondern auch auf alle anderen Fristen anwendbar sei, die mittelbar in jedem der in diesen vier Bestimmungen aufgezählten Artikel genannt seien.

28      Die Klägerin führt aus, dass Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nach seinem Wortlaut ausschließlich auf die Fristen anwendbar sei, die in den vier in ihm erwähnten Bestimmungen „genannt“ seien, nicht aber auf die mittelbar in diesen vier Bestimmungen erwähnten Fristen.

29      So sei die Beschwerdefrist nicht in Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94, sondern nur in deren Art. 59 erwähnt. Für sie sei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher nicht ausgeschlossen.

30      Das HABM ist im Wesentlichen der Auffassung, dass diese Auslegung des Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nicht unbegründet sei.

31      Das HABM führt aus, dass es in Art. 78 der Verordnung Nr. 40/94 um die Wiederherstellung von Rechten nach einer mit einem Fall höherer Gewalt vergleichbaren Situation und in Art. 78a dieser Verordnung um die Weiterbehandlung gehe.

32      Nach Ansicht des HABM ist es folgerichtig, anzunehmen, dass diese Situationen nicht gleich behandelt werden können und dürfen, auch wenn sie gemeinsame Merkmale aufweisen.

33      Zwar sei klar, dass die nicht fristgerechte Einlegung eines Widerspruchs, wie Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 ausdrücklich bestimme, nicht geheilt werden könne; aber es sei nicht ebenso offensichtlich, dass dasselbe für die verspätete Einlegung einer Beschwerde gelte.

34      Nach Ansicht des HABM ist fast sicher davon auszugehen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die zahlreichen in Art. 78a Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 genannten Bestimmungen alle den Fall betreffen, dass die Weiterbehandlung unmöglich wird. Dagegen sei es bei Weitem nicht so offensichtlich, dass davon auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfasst werden solle. Wahrscheinlicher sei, dass der Gesetzgeber, wenn er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte ausschließen wollen, dies wie für die Widerspruchsverfahren so unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hätte, dass kein Raum für Zweifel daran bliebe, welche Haltung in den in der fraglichen Bestimmung genannten Fällen einzunehmen sei.

35      Das HABM bringt vor, dass für diese Auslegung überdies die Mitteilung Nr. 6/05 des Präsidenten des Amtes vom 16. September 2005 über Rechtsbehelfe bei Fristversäumnis (ABl. des HABM 2005, S. 1402) spreche, in der Folgendes ausgeführt werde:

„Durch Bezugnahme auf Artikel 78a schließt Artikel 78 Absatz 5 die Frist für die Beantragung der Weiterbehandlung sowie zur Zahlung der Weiterbehandlungsgebühr aus. Somit ist durch diese Bestimmung ein doppelter Rechtsschutz für dieselbe Frist ausgeschlossen. Artikel 78 Absatz 5 schließt nicht die Fristen aus, die Artikel 78a als Fristen nennt, die von der Weiterbehandlung ausgeschlossen sind.“

36      Das HABM hat daher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Zweiten Beschwerdekammer eingenommenen Haltung.

37      Zudem betont das HABM, dass eine andere Beschwerdekammer in der Sache R 628/2006‑2, Sidescan, in einer Entscheidung vom 13. September 2006 über die verspätete Einlegung einer Beschwerde festgestellt habe, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig sei.

38      Schließlich weist das HABM darauf hin, dass das Gericht in mehreren Urteilen, etwa in dem vom 17. September 2003, Classen Holding/HABM – International Paper (BECKETT EXPRESSION) (T‑71/02, Slg. 2003, II‑3181), die Frage der formellen Anforderungen für die Einreichung einer Beschwerdebegründung und die Frist eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach der früher geltenden Regelung geprüft habe.

39      Die Streithelferin führt im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdekammer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgewiesen habe und dass nicht, wie von der Klägerin geltend gemacht, zwischen den unmittelbar und den mittelbar von Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 erfassten Fristen zu unterscheiden sei.

40      Sie ist daher der Auffassung, dass Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 auch Art. 59 erfasst.

41      Zudem sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unzulässig, weil er die Voraussetzungen des Art. 78 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 nicht erfülle, der bestimme, dass der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen sei.

42      Die Streithelferin erinnert daran, dass das HABM am 27. März 2006 mit der Klägerin telefonisch Kontakt aufgenommen habe, um ihr mitzuteilen, dass es die Beschwerdeschrift nicht erhalten habe. Somit sei die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 27. Mai 2006 abgelaufen. Da der 27. Mai 2006 ein Samstag gewesen sei, habe die Frist am 29. Mai 2006 geendet. Der Antrag sei am 30. Mai 2006 und damit verspätet gestellt worden.

 Würdigung durch das Gericht

43      Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 422/2004 des Rates vom 19. Februar 2004 (ABl. L 70, S. 1) geänderten Fassung bestimmt: „Dieser Artikel ist nicht auf die in Absatz 2 sowie in Artikel 42 Absätze 1 und 3 und Artikel 78a genannten Fristen anzuwenden.“

44      Weder die Erwägungsgründe der Verordnung Nr. 422/2004 noch die Vorarbeiten für die Verordnung geben Aufschluss über die Regelungsabsicht des Gesetzgebers.

45      Die in der geänderten Fassung von Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 enthaltene Wendung „die in … Artikel 78a genannten Fristen“ kann jedoch nicht dahin ausgelegt werden, dass auch die Fristen, die in den von Art. 78a Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 erfassten Bestimmungen genannt werden, vom Anwendungsbereich des Art. 78 der Verordnung ausgeschlossen wären. Diese Fristen sind gerade nicht in Art. 78a der Verordnung Nr. 40/94 „genannt“.

46      Somit ist die Ansicht der Beschwerdekammer, dass die Ausschlussfrist für die Einlegung eines Widerspruchs und die Beschwerdefrist gleich zu behandeln seien und dass für beide eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen sei, rechtsfehlerhaft.

47      Die Erwägung der Beschwerdekammer, der Gesetzgeber habe 2004 klarstellen wollen, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Art. 59 der Verordnung Nr. 40/94 ausgeschlossen sei, wird zunächst einmal dadurch widerlegt, dass Art. 59 nicht ausdrücklich in der Liste der Ausnahmen erwähnt wird. Hätte der Gesetzgeber eine entsprechende Unsicherheit ausräumen wollen, hätte man vernünftigerweise erwarten können, dass er dies ausdrücklich tut, zumal er ja gerade Abs. 5 von Art. 78 der Verordnung Nr. 40/94 änderte.

48      Sodann wird die Argumentation der Beschwerdekammer, die sich auf einen Ausschluss durch eine mehrstufige Regelung stützt, dadurch in Frage gestellt, dass Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 auch in Art. 78a der Verordnung genannt wird. Träfe die Argumentation der Beschwerdekammer zu, hätten logischerweise in Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 alle Verweise auf deren Art. 42 Abs. 1 bis 3 gestrichen werden müssen. Dass dies offensichtlich nicht der Fall ist, bekräftigt die Ansicht, dass die Beschränkungen des Art. 78 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nicht deren Art. 59 betreffen.

49      Schließlich ist Abs. 5 von Art. 78 der Verordnung Nr. 40/94 eng auszulegen, weil er die den Parteien durch diesen Artikel gewährten Verfahrensrechte beschränkt. Die von der Beschwerdekammer vorgenommene Auslegung würde dagegen diesem Grundsatz zuwiderlaufen, so dass ihr nicht gefolgt werden kann.

50      Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.

51      In Bezug auf die von der Streithelferin geltend gemachte Verspätung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daran zu erinnern, dass ein Streithelfer gemäß Art. 134 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung in seiner Klagebeantwortung Anträge stellen kann, die auf Aufhebung oder Abänderung der Entscheidung der Beschwerdekammer in einem in der Klageschrift nicht geltend gemachten Punkt gerichtet sind, und Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen kann, die in der Klageschrift nicht geltend gemacht worden sind.

52      Die Streithelferin hat jedoch nicht die Abänderung der angefochtenen Entscheidung, sondern die Abweisung der Klage beantragt.

53      Überdies sind die Parteien in ihren Schriftsätzen auf diese Frage der Zulässigkeit des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht eingegangen, und da die Streithelferin und die Klägerin mitgeteilt haben, dass sie nicht an der Sitzung teilnehmen wollen, konnte das Gericht den Beteiligten nicht ermöglichen, diese Problematik vor ihm zu erörtern.

54      Nach alledem ist der Klage stattzugeben und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zur Entscheidung an das HABM zurückzuverweisen.

 Kosten

55      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

56      Da das HABM unterlegen ist, sind ihm, wie von der Klägerin beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

57      Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 24. Juli 2006 (Sache R 446/2006‑2) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Omnicare, Inc.

3.      Die Astellas Pharma GmbH trägt ihre eigenen Kosten.

Azizi

Cremona

Frimodt Nielsen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Mai 2009.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.