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Verbundene Rechtssachen T‑318/06 bis T‑321/06

Alberto Jorge Moreira da Fonseca, Lda

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftsbildmarken GENERAL OPTICA in unterschiedlichen Farben – Ältere geschäftliche Bezeichnung Generalóptica – Relatives Eintragungshindernis – Örtliche Bedeutung des älteren Zeichens – Art. 8 Abs. 4 und Art. 52 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 40/94“

Leitsätze des Urteils

1.      Gemeinschaftsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Eintragung entgegen Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 4 und 52 Abs. 1 Buchst. c)

2.      Gemeinschaftsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Eintragung entgegen Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 4 und 52 Abs. 1 Buchst. c)

3.      Gemeinschaftsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Eintragung entgegen Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 4 und 52 Abs. 1 Buchst. c)

4.      Gemeinschaftsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Eintragung entgegen Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 2 Buchst. a und 4 sowie Art. 52 Abs. 1 Buchst. c)

1.      Nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke kann eine Gemeinschaftsmarke, wenn ein anderes Zeichen als eine Marke schon vorhanden ist, für nichtig erklärt werden, wenn das andere Zeichen kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt: es muss im geschäftlichen Verkehr benutzt werden, von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung sein, das Kennzeichenrecht muss nach dem Recht des Mitgliedstaats erworben worden sein, in dem das Zeichen vor dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke benutzt wurde, und schließlich muss dieses Zeichen seinem Inhaber die Befugnis verleihen, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen. Diese vier Voraussetzungen beschränken die Zahl der sonstigen Zeichen, die geltend gemacht werden können, um die Gültigkeit einer Gemeinschaftsmarke für das gesamte Gemeinschaftsgebiet gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 anzugreifen.

Die ersten beiden Voraussetzungen der Benutzung und der Bedeutung des geltend gemachten Zeichens ergeben sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94 und sind daher im Licht des Gemeinschaftsrechts auszulegen. So stellt die Verordnung Nr. 40/94 einheitliche Maßstäbe für die Benutzung der Zeichen und ihre Bedeutung auf, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die dem durch diese Verordnung aufgestellten System zugrunde liegen.

Demgegenüber ergibt sich aus der Wendung „wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht des Mitgliedstaats“, dass die beiden weiteren, in Art. 8 Abs. 4 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 40/94 genannten Voraussetzungen im Unterschied zu den vorangehenden gemäß dieser Verordnung nach Kriterien zu beurteilen sind, die das Recht festlegt, dem das geltend gemachte Kennzeichen unterliegt. Dieser Verweis auf das Recht, dem das geltend gemachte Kennzeichen unterliegt, ist deshalb völlig gerechtfertigt, weil die Verordnung Nr. 40/94 für außerhalb des Systems der Gemeinschaftsmarke stehende Zeichen die Möglichkeit einräumt, sie gegen eine Gemeinschaftsmarke anzuführen. Somit lässt sich nur anhand des Rechts, dem das geltend gemachte Zeichen unterliegt, feststellen, ob dieses älter als die Gemeinschaftsmarke ist und ob es ein Verbot der Benutzung einer jüngeren Marke rechtfertigen kann.

(vgl. Randnrn. 32-34)

2.      Nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. c und Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke kann eine Gemeinschaftsmarke aufgrund einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung für nichtig erklärt werden.

Zur Auslegung der Voraussetzung, die die Bedeutung des Kennzeichens betrifft und der zufolge dieses Zeichen von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung sein muss, ist zunächst festzustellen, dass Zweck dieser Bestimmung ist, die Konflikte zwischen Zeichen dadurch zu begrenzen, dass ein älteres Zeichen, das nicht hinreichend wichtig oder bedeutsam ist, es nicht erlaubt, sich der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke zu widersetzen oder deren Gültigkeit in Frage zu stellen.

Die Bedeutung eines Zeichens, das zur Kennzeichnung bestimmter Geschäftstätigkeiten benutzt wird, muss in Bezug auf die Kennzeichnungsfunktion bestimmt werden, die ihm zukommt. Aufgrund dessen muss erstens die geografische Bedeutung des Zeichens berücksichtigt werden, d. h. das Gebiet, auf dem das Zeichen zur Kennzeichnung der wirtschaftlichen Tätigkeit seines Inhabers benutzt wird, wie aus einer wörtlichen Auslegung von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94 hervorgeht. Zweitens ist die wirtschaftliche Bedeutung des Zeichens zu berücksichtigen, die nach der Dauer, während der es seine Funktion im geschäftlichen Verkehr erfüllt hat, und der Intensität seiner Benutzung, nach dem Kreis der Adressaten – nämlich Verbraucher, Wettbewerber oder sogar Lieferanten –, denen das fragliche Zeichen als unterscheidungskräftiges Element bekannt ist, oder nach der Verbreitung des Zeichens z. B. über Werbung und Internet zu bewerten ist.

Die Relevanz der Prüfung der wirtschaftlichen Dimension wird bei einer teleologischen Auslegung der Voraussetzung der Bedeutung des geltend gemachten Zeichens verständlich. So verfolgt diese Voraussetzung den Zweck, die Möglichkeit von Konflikten auf solche mit wirklich wichtigen Zeichen zu beschränken. Um die tatsächliche Wichtigkeit des geltend gemachten Zeichens im betreffenden Gebiet festzustellen, ist somit nicht lediglich eine rein formale Würdigung vorzunehmen, sondern es sind die Auswirkungen dieses Zeichens im fraglichen Gebiet entsprechend seiner Benutzung als unterscheidungskräftiges Element zu prüfen.

Die Tatsache, dass ein Zeichen seinem Inhaber ein ausschließliches Recht für das gesamte nationale Hoheitsgebiet verleiht, reicht als solche für den Nachweis seiner überörtlichen Bedeutung im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94 nicht aus.

Was das Gebiet angeht, das für die Feststellung der überörtlichen Bedeutung des geltend gemachten Zeichens maßgeblich ist, so ist zu berücksichtigen, dass die Zeichen, die mit einer Gemeinschaftsmarke kollidieren können, ausschließliche Rechte verleihen, die ihren Ursprung in Rechtsnormen haben, die in unterschiedlichen Gebieten gelten. Daraus folgt, dass für die Prüfung der Tragweite dieser ausschließlichen Rechte das Gebiet maßgeblich ist, in dem diese Rechtsnormen jeweils zur Anwendung kommen. Entweder für dieses Gebiet in seiner Gesamtheit oder für einen Teil hiervon verleiht nämlich eine Norm ausschließliche Rechte, die mit einer Gemeinschaftsmarke kollidieren können.

Vom Standpunkt des Gemeinschaftsrechts aus betrachtet ist das fragliche Zeichen in dem maßgeblichen Gebiet von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung, wenn sich seine Wirkung nicht auf einen geringen Teil dieses Gebiets wie z. B. im Allgemeinen eine Stadt oder eine Provinz beschränkt. Allerdings ist es nicht möglich, von vornherein abstrakt zu bestimmen, auf welchen Teil eines Gebiets abzustellen ist, um entscheiden zu können, dass ein Zeichen von überörtlicher Bedeutung ist. Deshalb ist die Bedeutung des Zeichens konkret anhand der Umstände des jeweiligen Falls zu beurteilen.

Letztlich muss, um sich der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke erfolgreich widersetzen oder um eine Nichtigerklärung erwirken zu können, dargetan werden, dass das geltend gemachte Zeichen entsprechend seiner Benutzung, vom Standpunkt der betroffenen Dritten aus betrachtet, nicht lediglich für einen geringen Teil des maßgeblichen Gebiets von Bedeutung ist.

(vgl. Randnrn. 36-42)

3.      Nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. c und Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke kann eine Gemeinschaftsmarke aufgrund einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung für nichtig erklärt werden.

Die Verordnung Nr. 40/94 lässt dem Inhaber die Wahl der Beweismittel, um darzutun, dass das von ihm geltend gemachte Zeichen von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung ist. Eine solche Bedeutung lässt sich durch ein Netz von Filialen, die im gesamten betroffenen Gebiet wirtschaftlich tätig sind, aber auch einfacher beispielsweise durch Rechnungen, die außerhalb der Region erstellt worden sind, in der er seinen Sitz hat, durch Presseberichte, die deutlich machen, in welchem Grad das geltend gemachte Zeichen dem Publikum bekannt ist, oder durch Hinweise in Reiseführern auf die Niederlassung belegen.

(vgl. Randnr. 43)

4.      Nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. c und Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke kann eine Gemeinschaftsmarke aufgrund einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung für nichtig erklärt werden.

Der Nachweis der Benutzung des geltend gemachten Zeichens ist eine der Voraussetzungen für die Gewährung des Schutzes nach Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 40/94, und allein die Inhaber von im geschäftlichen Verkehr benutzten Zeichen können somit einen derartigen Schutz beanspruchen.

Hierin liegt ein wichtiger Unterschied zu den in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a in der Verordnung Nr. 40/94 genannten Gemeinschaftsmarken und nationalen Marken, die im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens oder eines Nichtigkeitsverfahrens geltend gemacht werden. Gemäß Art. 43 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94, der Regel 22 und der Regel 40 Abs. 6 der Verordnung Nr. 2868/95 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 ist die Benutzung dieser Marken nur in dem Fall darzutun, in dem der Anmelder oder Inhaber der Gemeinschaftsmarke dies verlangt. In diesem Fall muss das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) den Widersprechenden oder den Antragsteller, der die Nichtigerklärung begehrt, dazu auffordern, binnen einer bestimmten Frist den Nachweis der Benutzung zu erbringen.

(vgl. Randnr. 52)