URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)
15. September 1998 (1)
„Landwirtschaft - Finanzierung der Interventionsmaßnahmen - Aussetzung
jeglicher Zahlung für die Lagerung einer Partie Olivenöl, bis die Merkmale
dieses Öls überprüft worden sind - Nichtigkeits- und Schadensersatzklage“
In der Rechtssache T-54/96
Oleifici Italiani SpA, Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Ostuni (Italien),
Fratelli Rubino Industrie Olearie SpA, Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz
in Bari (Italien),
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Antonio Tizzano, Gian Michele Roberti und
Francesco Sciaudone, Neapel, Zustellungsanschrift: 36, place du Grand Sablon,
Brüssel,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater
Eugenio de March als Bevollmächtigten, Beistand: Rechtsanwalt Alberto Dal Ferro,
Vicenza, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst,
Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Nichtigerklärung des Schreibens der Kommission vom 7. Februar 1996, das
u. a. an die italienischen Behörden und die italienische Interventionsstelle Azienda
di Stato per gli Interventi nel Mercato Agricolo gerichtet war und mit dem die
Sperrung jeglicher Zahlung für die Lagerung der Olivenöle für die Wirtschaftsjahre
1991/92 und 1992/93 bis zur Überprüfung des Wachsgehalts der Öle angeblich
angeordnet worden ist, und wegen Ersatz des den Klägerinnen durch das Verhalten
der Kommission angeblich entstandenen Schadens
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kalogeropoulos sowie der Richter
C. W. Bellamy und J. Pirrung,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10.
Juni 1998,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
Die Finanzierung der Interventionsmaßnahmen bei Olivenöl
- 1.
- Die Verordnung Nr. 136/66/EWG des Rates vom 22. September 1966 über die
Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette (ABl. 1966, Nr. 172,
S. 3025; nachstehend: Grundverordnung) sieht u. a. eine finanzielle Unterstützung
der Olivenölproduktion durch die Gemeinschaft vor (vierte Begründungserwägung).
Sie hat zu diesem Zweck eine Regelung eingeführt, nach der die dazu bestimmte
Interventionsstelle in jedem Olivenöl erzeugenden Mitgliedstaat das ihr angebotene
Olivenöl mit Ursprung in der Gemeinschaft aufkauft. Der Interventionspreis hängt
von der Qualität des Öles ab, die durch die Verweisung auf die Bezeichnungen und
Begriffsbestimmungen im Anhang der Verordnung festgelegt ist. Dieser Anhang
enthält in der Reihenfolge abnehmender Qualität folgende Bezeichnungen:
1. Jungfernöl ...
a) extra ...
b) fein ...
c) handelsüblich ...
d) Lampant-Öl ...
2. ...
3. ...
4. Oliventresteröl ...
5. ...
6. ...
7. ...
- 2.
- Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21.
April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13)
finanziert der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft
(nachstehend: EAGFL) gemäß Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b die Interventionen
zur Regulierung der Agrarmärkte, die nach Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen
der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte vorgenommen werden.
- 3.
- Die Mitgliedstaaten bezeichnen gemäß Artikel 4 dieser Verordnung die
Dienststellen und Einrichtungen, die sie dazu ermächtigen, die Zahlungen zur
Begleichung der durch diese Interventionen bedingten Ausgaben vorzunehmen
(Absatz 1), während die Kommission den Mitgliedstaaten die erforderlichen Mittel
zur Verfügung stellt, damit die von diesen bezeichneten Einrichtungen diese
Zahlungen gemäß den Gemeinschaftsvorschriften und den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften vornehmen (Absatz 2).
- 4.
- Nach Artikel 5 Absatz 2 dieser Verordnung entscheidet die Kommission zu Beginn
des Jahres über einen Vorschuß für die bezeichneten Einrichtungen und im Laufe
des Jahres über zusätzliche Zahlungen zur Deckung der von diesen Einrichtungen
zu tragenden Ausgaben (Buchstabe a); vor Ende des darauffolgenden Jahres
schließt die Kommission die Rechnungen dieser Einrichtungen ab (Buchstabe b).
- 5.
- Auf der Grundlage der Verordnung Nr. 729/70 erließ der Rat die Verordnung
(EWG) Nr. 1883/78 vom 2. August 1978 über die allgemeinen Regeln für die
Finanzierung der Interventionen durch den Europäischen Ausrichtungs- und
Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie (ABl. L 216, S. 1), nach
der die Ankäufe von Olivenöl durch eine Interventionsstelle und die damit
verbundenen Maßnahmen, insbesondere die Lagerverträge sowie die
Sachmaßnahmen im Zusammenhang mit der Lagerung der Interventionserzeugnisse
nach der Verordnung Nr. 729/70 finanziert werden können.
Die Kontrolle der Qualität des zur Intervention angebotenen Olivenöls
- 6.
- Nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 treffen die Mitgliedstaaten
gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen
Maßnahmen, um sich zu vergewissern, daß die durch den EAGFL finanziertenMaßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, und um
Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen. Gemäß Artikel 9 Absatz 1
dieser Verordnung stellen die Mitgliedstaaten der Kommission alle für das
Funktionieren des EAGFL erforderlichen Auskünfte zur Verfügung und treffen alle
Maßnahmen, die geeignet sind, etwaige Kontrollen zu erleichtern, deren
Durchführung die Kommission im Rahmen der Abwicklung der gemeinschaftlichen
Finanzierung als zweckmäßig erachtet.
- 7.
- Die Kommission legte in ihrer Verordnung (EWG) Nr. 3472/85 vom 10. Dezember
1985 (ABl. L 333, S. 5) die Einzelheiten für den Ankauf und die Lagerung von
Olivenöl durch die Interventionsstellen fest. Nach Artikel 1 dieser Verordnung in
der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1859/88 der Kommission vom 30. Juni
1988 (ABl. L 166, S. 13) ist u. a. die Intervention auf Olivenöl der in Nummer 1
des Anhangs der Grundverordnung genannten Art beschränkt, d. h. auf Jungfernöl
(extra, fein, handelsüblich, Lampant-Öl), dessen Gehalt an Wasser,
Fremdbestandteilen oder Säuren einen bestimmten Prozentsatz nicht überschreitet.
- 8.
- Nach Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung Nr. 3472/85 wird das angebotene Olivenöl
nur angenommen, wenn die Interventionsstelle anhand gemeinschaftlicher
Analysemethoden festgestellt hat, daß es eine Reihe bestimmter Stoffe nicht
enthält. Diese Analysen müssen von unabhängigen Labors durchgeführt werden.
Stellt die Interventionsstelle fest, daß das zur Intervention angebotene Öl nicht der
Güteklasse entspricht, in der es angeboten wird, kann das betreffende Angebot
zurückgezogen werden. In diesem Fall gehen die etwaigen Kosten für die
Einlagerung, Lagerung und Auslagerung des angebotenen Öls zu Lasten des Bieters
(Absatz 6).
- 9.
- Am 11. Juli 1991 erließ die Kommission die Verordnung (EWG) Nr. 2568/91 über
die Merkmale von Olivenölen und Oliventresterölen sowie die Verfahren zu ihrer
Bestimmung (ABl. L 248, S. 1). Diese Verordnung soll eine bessere Unterscheidung
der im Anhang der Grundverordnung genannten Olivenölarten ermöglichen und
die Reinheit und Qualität der betreffenden Erzeugnisse gewährleisten (zweite
Begründungserwägung). Nach Artikel 1 dieser Verordnung sind Olivenöle im Sinne
der Grundverordnung nur solche, deren Merkmale mit den in Anhang I dieser
Verordnung genannten Merkmalen übereinstimmen. Nach Artikel 2 der
Verordnung werden diese Merkmale nach den in den einzelnen Anhängen dieser
Verordnung genannten Analyseverfahren bestimmt. Ursprünglich war in der
Verordnung Nr. 2568/91 keine Bestimmung des Wachsgehalts der Öle vorgesehen.
Vorgesehen war dagegen die Bestimmung alipathischer Alkohole nach dem
Verfahren des Anhangs IV.
- 10.
- Später erließ die Kommission am 29. Januar 1993 die Verordnung (EWG) Nr.
183/93 zur Änderung der Verordnung Nr. 2568/91 (ABl. L 22, S. 58), in deren
zweiter Begründungserwägung sie feststellte: „Aufgrund neuerer Erkenntnisse
müssen die Analyseverfahren angepaßt und präzisiert werden.“ Das Kriterium der
alipathischen Alkohole wurde ersetzt durch die Bestimmung des Wachsgehalts,wobei darauf hingewiesen wurde, daß dieses Verfahren „insbesondere zur
Unterscheidung zwischen abgepreßtem und extrahiertem Olivenöl (Oliventresteröl)
verwendet werden“ kann. Die Verordnung Nr. 183/93 ist gemäß ihrem Artikel 2 am
20. Februar 1993 in Kraft getreten. Das neue Verfahren zur Bestimmung des
Wachsgehalts „gilt jedoch ab 1. Juli 1993 für das ab diesem Zeitpunkt abgefüllte
Olivenöl“.
- 11.
- Um eine bessere Kontrolle der Qualität des zur Intervention angebotenen Öls zu
gewährleisten und die dazu eingesetzten Analyseverfahren zu vervollständigen,
paßte die Kommission die Verordnung Nr. 3472/85 schließlich entsprechend an. Sie
erließ am 29. Juni 1994 die Verordnung (EG) Nr. 1509/94 zur Änderung der
Verordnung Nr. 3472/85 (ABl. L 162, S. 31) und legte fest, daß das Öl namentlich
anhand des Verfahrens zur Bestimmung des Wachsgehalts zu überprüfen ist.
Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt
- 12.
- Die Klägerinnen gehören zu den Privatunternehmen, die von der Azienda di Stato
per gli Interventi nel Mercato Agricolo (italienische Interventionsstelle,
nachstehend: AIMA) mit der Lagerung und allgemein mit der Durchführung der
Interventionsmaßnahmen auf dem italienischen Olivenölmarkt betraut werden.
- 13.
- Die Klägerinnen lagerten in den Wirtschaftsjahren 1991/92 und 1992/93 mehrere
tausend Tonnen Olivenöl ein. Sie tragen, ohne daß die Kommission dem
widersprochen hätte, vor, daß
- die betreffenden Öle vor dem Erlaß der Verordnung Nr. 1509/94 und
teilweise vor dem der Verordnung Nr. 183/93 eingelagert worden seien,
- die AIMA nach der Durchführung der Kontrollen und Analysen festgestellt
habe, daß die angebotenen Öle den Anforderungen entsprächen, und den
Eigentümern der Öle die entsprechenden Beträge normal ausgezahlt habe,
- die Ergebnisse dieser Analysen und Kontrollen der Kommission mitgeteilt
worden seien, die seinerzeit keine Einwände erhoben habe.
- 14.
- Im November 1993 leitete der EAGFL eine Untersuchung nach Artikel 9 der
Verordnung Nr. 729/70 über Quantität und Qualität der in Italien zur Intervention
angebotenen Olivenöle ein. Im Rahmen dieser Überprüfung wurden bei der
Klägerin Oleifici Italiani SpA (nachstehend: Oleifici Italiani) im Beisein von
Vertretern der nationalen Behörden Ölproben entnommen, von denen eine an ein
staatliches Analyselabor in Spanien geschickt wurde.
- 15.
- Die im Januar 1994 namentlich anhand des Verfahrens zur Bestimmung des
Wachsgehalts durchgeführten Analysen ergaben nach den Feststellungen des
Analyselabors „einen Wachsgehalt über der zulässigen Höchstgrenze“ und „Spurenvon Tresteröl“; im übrigen entsprach das überprüfte Öl den in den geltenden
gemeinschaftlichen Vorschriften festgelegten anderen Kriterien.
- 16.
- Die Kommission kam aufgrund dessen zu dem Ergebnis, daß im Widerspruch zu
den Erklärungen 31,5 % der Ölproben nicht die Qualität von Jungfernöl gehabt
hätten, 46 % Lampant-Öl und nicht, wie angegeben, Jungfernöl der Stufe extra
gewesen seien und 15,2 % zwar Jungfernöl, aber immer noch von geringerer
Qualität als ursprünglich angegeben gewesen seien; nur 4,8 % der Ölproben seien
als der für sie angegebenen Qualität entsprechend eingestuft worden. Mit Schreiben
der Generaldirektion Landwirtschaft (VI) der Kommission vom 1. März 1994
wurden diese Ergebnisse den italienischen Behörden mitgeteilt. Nach dem Hinweis
auf „nicht hinnehmbare Schwächen im gesamten [italienischen] Kontrollsystem der
staatlichen Intervention bei Olivenöl“, erklärte die Kommission, daß ihre
Dienststellen „die Finanzierung sämtlicher Ausgaben, die sämtliche von der AIMA
aufgekauften Mengen betreffen, ablehnen müssen; ausgenommen hiervon sind
kleine Mengen, bei denen nach den Analyseergebnissen die Qualität der
angegebenen entspricht“.
- 17.
- Aufgrund des Schriftwechsels und einer Sitzung mit der AIMA zwischen März 1994
und Januar 1995 erklärte sich die Kommission mit Schreiben vom 27. Februar 1995
mit dem Antrag der AIMA einverstanden, bei einem italienischen Labor eine
Kontrollanalyse in Auftrag zu geben.
- 18.
- Diese für April 1995 vorgesehene Analyse wurde jedoch nicht durchgeführt, da
Ende März 1995 die italienischen Gerichte Ermittlungen bezüglich der betroffenenÖle aufnahmen und die Dienststellen der Kommission es für zweckmäßig hielten,
diesen Gerichten die vom EAGFL entnommenen Proben zur Verfügung zu stellen.
- 19.
- Zudem ließ die Klägerin Oleifici Italiani im Juni 1995 von sich aus durch das
genannte spanische Labor Ölproben untersuchen, bei denen es sich nach den
Angaben der Klägerin um die gleichen Öle wie die im Jahr 1994 untersuchten
handelte. Die Analyse führte zu dem Ergebnis, daß es sich um „Lampant-Öle
handelt, die frei von jeder betrügerischen Beimischung sind. Der hohe Gehalt an
Wachs [läßt sich] dadurch erklären, daß es sich um alte Öle [handelt].“
- 20.
- Das im Rahmen der Ermittlungen der italienischen Gerichte erstellte Gutachten
vom 30. Oktober 1995 führte im wesentlichen zu dem gleichen Ergebnis. Dort
wurde festgestellt, daß
- in Fällen, in denen ein zu hoher Gehalt nur bei Wachs und nicht bei den
anderen Parametern festgestellt werde, wie dies bei den vorliegenden Ölen
der Fall sei, die Veränderung auf natürlichen chemischen Reaktionen und
nicht auf Beimischungen beruhen könne;
- die Analysewerte, die sich ergeben hätten, keinen Anhaltspunkt dafür
lieferten, daß die Öle ausgetauscht oder vermischt worden seien.
- 21.
- Nachdem die Kommission im September 1995 von der Klägerin Oleifici Italiani
vom zweiten Prüfbericht des spanischen Labors unterrichtet worden war, ging sie
in ihrem Schreiben vom 2. Oktober 1995 an die AIMA auf diesen Bericht ein, nach
dem der übermäßige Gehalt an Wachs nicht auf irgendeine betrügerische
Beimischung zurückzuführen war, sondern sich durch die Alterung der Öle erklären
ließ. Die Kommission kam aufgrund dessen zu dem Ergebnis, daß „unter diesen
Umständen die Öle, die dieser zweiten Prüfung unterzogen worden sind, von der
Intervention kaum ausgeschlossen werden können“, und ersuchte die AIMA, ihr
„die Mengen und Lager der Öle mit den gleichen Analyseergebnissen mitzuteilen,
damit die Öle so schnell wie möglich verkauft werden können“.
- 22.
- Die Kommission bezog sich in ihrem Schreiben vom 23. November 1995 an die
AIMA außerdem auf das im Rahmen der Ermittlungen der italienischen Gerichte
erstellte Gutachten vom 30. Oktober, wonach im Falle der Klägerin Oleifici Italiani
keiner der untersuchten Bestandteile auf einen Austausch der analysierten Öle
schließen lasse. Die Kommission ersuchte die AIMA „infolgedessen, ihr so schnell
wie möglich die Gutachten über die geprüften Partien zukommen zu lassen, die
behördlich angeordnete Zahlungssperre aufzuheben und unverzüglich sämtliche
fälligen Ausgleichsbeträge an die Bieter zu zahlen, bei denen die Prüfberichte zu
den gleichen Ergebnissen wie bei Oleifici Italiani gekommen sind“.
- 23.
- Die AIMA antwortete auf das Ersuchen der Kommission mit Schreiben vom 30.
November 1995, dem das im Rahmen der Ermittlungen der italienischen Gerichte
erstellte Gutachten vom 30. Oktober 1995 beigefügt war. Außerdem teilte die
AIMA der Kommission mit, daß sie, sofern die Kommission keine Einwände
erhebe, die den Bietern geschuldeten Ausgleichsbeträge für insgesamt 17 639 291
Tonnen Öl, bei denen ein Austausch nicht festgestellt worden sei, unverzüglich
auszahlen werde.
- 24.
- Die Kommission erwiderte hierauf mit Fax vom 7. Dezember 1995 (VI/046436),
daß sie gegen die unverzügliche Auszahlung der Ausgleichsbeträge für die
Lagerung der von der AIMA genannten 17 639 291 Tonnen nichts einzuwenden
habe. Vor dem Gericht erklärte die Kommission ihre Haltung damit, daß sie
geglaubt habe, daß die betreffenden Analysen unter Einhaltung der geltenden
Gemeinschaftsregelung durchgeführt worden seien und als zuverlässig hätten
angesehen werden können. Sie habe dem im Rahmen der gerichtlichen
Ermittlungen erstellten Gutachten, das ihr von der AIMA mit Schreiben vom 30.
November 1995 übermittelt worden sei, dann aber entnommen, daß dort der
Wachsgehalt der analysierten Ölproben nicht festgestellt worden sei.
- 25.
- Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit des von der Klägerin Oleifici Italiani bei dem
spanischen Labor in Auftrag gegebenen Gegengutachtens ersuchte die Kommission
dieses Labor mit Schreiben vom 6. Februar 1996 um nähere Angaben, woher das
analysierte Öl stamme (Lager, Eigentümer), wie die Proben aufgemacht gewesenseien (Behälter, Etikettierung) und ob die Klägerin eine vollständige Analyse oder
nur den Nachweis bestimmter Merkmale der Öle verlangt habe.
- 26.
- Mit Schreiben vom selben Tage wandte sich die Kommission auch an die Klägerin
Oleifici Italiani und bat sie um nähere Angaben zu den dem Labor übersandten
Proben und zum Umfang der verlangten Analysen.
- 27.
- Das spanische Labor antwortete auf die Fragen der Kommission mit Schreiben vom
8. Februar 1996 und erklärte, daß es die Herkunft der Proben nicht habe feststellen
können, da diese in einem unversiegelten Glasfläschchen mit
Plastikschraubverschluß ohne Etikett übersandt worden seien; daher sei klar
gewesen, daß die Analyse nur zur persönlichen Information habe verwendet werden
können. Zudem habe sich der Analyseauftrag in erster Linie auf den Wachsgehalt
bezogen, und eine Prüfung hinsichtlich des Parameters des Säuregrads sei nicht
verlangt worden.
- 28.
- Die Klägerin Oleifici Italiani betonte dagegen in ihrem Antwortschreiben vom 9.
Februar 1996, daß es sich bei den von dem spanischen Labor untersuchten Proben
um die im November 1993 entnommenen gehandelt habe. Jedenfalls sei die
Überprüfung dieser Identität nicht so wichtig, sondern es müsse vor allem zur
Kenntnis genommen werden, daß das Labor sich nicht in der Lage gesehen habe,
eine Vermischung mit Tresteröl allein auf der Grundlage des anomalen
Wachswertes zu bescheinigen, da die anderen analytischen Parameter keine
anomalen Werte ergeben hätten.
- 29.
- In diesem Zusammenhang richtete der Generaldirektor der Generaldirektion VI
vor Eingang der beiden vorgenannten Antwortschreiben am 7. Februar 1996 ein
Schreiben an die Ständige Vertretung Italiens bei der Europäischen Union und
sandte eine Kopie davon an mehrere italienische Ministerien und Gerichte sowie
an die AIMA. Das Schreiben lautet:
„Nach dem umfangreichen Schriftwechsel hierzu möchte ich Ihnen nachstehend
einen Vorschlag übermitteln, um den durch die Untersuchung der Gemeinschaft
entstandenen Streit zu beenden.
In meinem Schreiben VI/009568 vom 27. Februar 1995 hatte ich eine Untersuchung
der in unserem Besitz befindlichen Proben unter Beteiligung der betroffenen
Parteien vorgeschlagen. Als alles hierfür bereit war, beschlagnahmte die Guardia
di Finanza die fraglichen Öle. Es wurde daher als zweckmäßig angesehen, das
Verwaltungsverfahren auszusetzen und sich auf das Gutachten zu verlassen, mit
dessen Erstellung die Staatsanwaltschaft Neapel einen von ihr ausgesuchten
Gutachter beauftragt hatte.
Dieser Gutachter kam zu dem Ergebnis, daß es sich um Jungfernöle und damit
interventionsfähige Öle handele.
Eine genaue Untersuchung des Falles führte zu der Feststellung, daß der vom
Gericht Neapel bestellte Gutachter es nicht für sinnvoll gehalten hatte, den
Wachsgehalt in den streitigen Proben zu untersuchen, da er der Ansicht war, daß
dieser Gehalt für die Feststellung der tatsächlichen Qualität der untersuchten Öle
nicht entscheidend sei, was im Widerspruch zu den Gemeinschaftsvorschriften steht.
Zur Begründung berief sich der Sachverständige auf das Ergebnis der
Untersuchungen, die das Laboratorio Arbitral Madrid im Auftrag der Oleifici
Italiani bei drei, nicht näher bezeichneten Proben durchgeführt hatte; das Labor
war zu dem Ergebnis gekommen, daß das untersuchte Öl trotz des hohen
Wachsgehalts Jungfernöl sei.
Die Dienststellen der Kommission können das Durcheinander nicht hinnehmen, das
durch all diese Analysen entstanden ist, und halten es für zweckmäßig, die Sache
an dem Punkt wieder aufzugreifen, an dem sie sich bei der Beschlagnahme der Öle
im April 1995 befand.
Unabhängig von den gerichtlichen Aspekten, die in die ausschließliche
Zuständigkeit des Mitgliedstaats fallen, ist eine Entscheidung über die
Interventionsfähigkeit der betreffenden Öle erforderlich. Die Dienststellen der
Kommission schlagen den Behörden des Mitgliedstaats erneut vor, das Notwendige
zu veranlassen, um die im Besitz des EAGFL befindlichen Proben einer
Gegenanalyse durch ein im gemeinsamen Einvernehmen zu bestimmendes
unabhängiges Labor zu unterziehen, um die tatsächliche Qualität der fraglichen Öle
zu ermitteln. Der Mitgliedstaat wird hiermit aufgefordert, diese Analysen
durchzuführen, die betroffenen Parteien darüber zu informieren und
zwischenzeitlich jede Kaution und/oder Zahlung, die diese Öle betreffen,
einzufrieren.
Für diese Kontrollanalyse, die sich insbesondere auf den Wachsgehalt und seine
zwischenzeitliche Entwicklung beziehen muß, schlagen die Dienststellen der
Kommission das Labor für Fette in Clichy (Frankreich) vor.“
- 30.
- Die AIMA teilte der Kommission in ihrer Antwort auf dieses Schreiben am 16.
Februar 1996 mit, daß das Strafgericht nach Abschluß der in Italien durchgeführten
gerichtlichen Ermittlungen mit Beschluß vom 15. November 1995 die Freigabe des
Öls und die Auslieferung der Partien an die Berechtigten angeordnet habe. Von
diesem Zeitpunkt an könne jede grundlose Verzögerung seitens der AIMA bei der
Erfüllung der von ihr eingegangenen Verpflichtungen strafrechtliche Konsequenzen
für ihre Beamten haben. Zudem habe der italienische Staatsrat mit Beschluß vom
2. Februar 1996 das Rechtsmittel, das die AIMA im Zusammenhang mit der
Ablehnung der Erstattung der als Verwaltungskosten zu zahlenden
Ausgleichszahlungen eingelegt habe, mit der Begründung zurückgewiesen, daß die
genannten gerichtlichen Ermittlungen nichts ergeben hätten, was den Schluß
zulasse, daß die Öle mit einem anderen Öl geringerer Qualität ausgetauscht odervermengt worden wären. Infolgedessen könne sich die AIMA der Auszahlung der
den Berechtigten noch zu zahlenden Beträge nicht entziehen.
- 31.
- Am 19. Februar 1996 forderten die Klägerinnen die Kommission auf, das Schreiben
vom 7. Februar 1996 zurückzuziehen und ihren Anspruch auf Auszahlung der für
die fraglichen Öle fälligen Beträge zu bestätigen. Diese Aufforderung wurde von
der Kommission nicht beantwortet.
- 32.
- Daher haben die Klägerinnen mit Klageschrift, die am 17. April 1996 in das
Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, die vorliegende Klage
erhoben.
Verfahren und Ereignisse nach der Anrufung des Gerichts
- 33.
- Nach der Klageerhebung hat sich der Generaldirektor der Generaldirektion VI mit
Schreiben vom 23. April 1996 wegen des Olivenöls, das in den Wirtschaftsjahren
1991/92 und 1992/93 zur Intervention geliefert worden war und dessentwegen der
EAGFL im November 1993 Ermittlungen aufgenommen hatte, erneut an die
AIMA gewandt. In diesem Schreiben hat die Kommission
- ihr Schreiben vom 1. März 1994 bezüglich der Richtigkeit der ersten
Analysen des spanischen Labors bestätigt, was bedeutete, daß die AIMA die
für die betreffenden Aufkäufe zu Unrecht geleisteten Zahlungen
zurückfordern sollte,
- festgestellt, daß die betreffenden Öle als nicht interventionsfähig anzusehen
seien und damit nicht zum Interventionsbestand gehörten: Die AIMA könne
ab sofort über die Öle verfügen und über ihren Verkauf entscheiden;
- auf die Entscheidung des italienischen Staatsrats vom 2. Februar 1996 Bezug
genommen und festgestellt: „Das Schreiben vom 7.2.1995 [gemeint:
7.12.1995], ref. VI/046436 wird nicht zurückgenommen, mit dem die
Zahlung der Lagerkosten für die Zurückbehaltung des betreffenden
Olivenöls bis zum Zeitpunkt dieses Schreibens genehmigt worden ist“;
andererseits wurde die AIMA aufgefordert, von diesem Zeitpunkt an keine
Beträge mehr zum Ausgleich der Lagerkosten für Rechnung des EAGFL
zu zahlen, soweit die betreffenden Olivenöle der AIMA zur Verfügung
ständen.
- 34.
- Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen,
die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat
jedoch im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen nach Artikel 64 der
Verfahrensordnung die Parteien aufgefordert, vor der Sitzung eine Reihe von
Fragen schriftlich zu beantworten; dem haben die Parteien ordnungsgemäß Folge
geleistet.
- 35.
- Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 10. Juni 1998 mündlich
verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
- 36.
- Die Klägerinnen beantragen,
- die Entscheidung der Kommission im Schreiben des Generaldirektors
Legras der Generaldirektion Landwirtschaft (Generaldirektion VI) -
Direktion G, Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die
Landwirtschaft (EAGFL) - vom 7. Februar 1996 (Nr. prot. VI/000513) für
nichtig zu erklären, mit der die Sperrung jeder Zahlung für die Lagerung
von Olivenöl während der Wirtschaftsjahre 1991/92 und 1992/93 angeordnet
worden ist;
- die Kommission zum Ersatz des den Klägerinnen aufgrund des
rechtswidrigen Verhaltens der Kommission entstandenen Schadens zu
verurteilen;
- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
- 37.
- Die Kommission beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit des Nichtigkeitsantrags
- 38.
- Die Kommission trägt erstens vor, ihr Schreiben vom 7. Februar 1996 könne nicht
Gegenstand einer Nichtigkeitsklage im Sinne des Artikels 173 EG-Vertrag sein, da
es keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeuge, die die Interessen der
Klägerinnen beeinträchtigen könnten (Beschluß des Gerichtshofes vom 8. März
1991 in den Rechtssachen C-66/91 und C-66/91 R, Emerald Meats/Kommission, Slg.
1991, I-1143, Randnr. 26, und Beschluß des Gerichts vom 21. Oktober 1993 in den
Rechtssachen T-492/93 und T-492/93 R, Nutral/Kommission, Slg. 1993, II-1023,
Randnr. 24). Dieses Schreiben falle nämlich in den Bereich der Zusammenarbeit
zwischen den Dienststellen der Kommission und den italienischen Behörden, die
mit der Durchführung der Gemeinschaftsregelung betraut seien. Das angefochtene
Schreiben sei in Wirklichkeit nur eine vorbereitende Handlung für die
Entscheidung über den EAGFL-Rechnungsabschluß gewesen, durch die die zu
Lasten des Letztgenannten gehenden Ausgaben endgültig festgelegt würden. Der
Gerichtshof habe ausdrücklich festgestellt, daß die Kommission ihren Standpunkt
bezüglich der Interventionsmaßnahmen von Mitgliedstaaten im Rahmen der
Tätigkeiten des EAGFL nicht vor Abschluß der Jahresrechnung festlegen könne(Urteil des Gerichtshofes vom 6. Oktober 1993 in der Rechtssache C-55/91,
Italien/Kommission, Slg. 1993, I-4813, Randnr. 36).
- 39.
- Der angefochtene Rechtsakt begründe allein keine Verpflichtung des betroffenen
Mitgliedstaats und erst recht keine Verpflichtung der Klägerinnen. Die
Verpflichtung der italienischen Behörden, Zahlungen zu sperren, die nicht
gerechtfertigt seien, ergebe sich unmittelbar aus Artikel 8 der Verordnung Nr.
729/70. Im übrigen sei es Sache der Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet für die
Durchführung der Gemeinschaftsregelungen im Rahmen der gemeinsamen
Agrarpolitik zu sorgen (Urteil des Gerichtshofes vom 23. November 1995 in der
Rechtssache C-476/93 P, Nutral/Kommission, Slg. 1995, I-4125, Randnr. 21, und
Beschluß Nutral/Kommission, a. a. O., Randnr. 26). Infolgedessen könnten nur die
in dem entsprechenden Bereich von den nationalen Behörden getroffenen
Maßnahmen verbindliche Rechtswirkungen haben, die die Interessen der
Klägerinnen beeinträchtigen könnten (Beschluß Nutral/Kommission, a. a. O.,
Randnr. 28).
- 40.
- Die Kommission ist zweitens der Ansicht, daß der angefochtene Rechtsakt die
Klägerinnen nicht unmittelbar im Sinne des Artikels 173 Absatz 4 des Vertrages
betreffe. In Wirklichkeit könne nur die Maßnahme des innerstaatlichen Rechts,
durch die die zuständigen nationalen Behörden die Ausgleichszahlungen für die
Lagerkosten gesperrt hätten, als Beeinträchtigung der Klägerinnen angesehen
werden. Die Gemeinschaftsregelung im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik
nehme nämlich eine strenge Trennung zwischen der Kommission und den
Mitgliedstaaten auf der einen Seite und zwischen den Mitgliedstaaten und den
Wirtschaftsteilnehmern auf der anderen Seite vor. Es sei daher Sache der
nationalen Behörden, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um
Unregelmäßigkeiten zu verhindern, indem sie gegebenenfalls die Auszahlung von
Beträgen sperrten, die nicht gerechtfertigt seien.
- 41.
- Schließlich macht die Kommission geltend, daß der angefochtene Rechtsakt
jedenfalls nach ihrem Schreiben vom 23. April 1996 keine Rechtswirkung mehr
entfalte. Selbst wenn man der Argumentation der Klägerinnen folgen würde,
wonach die verschiedenen Schreiben der Dienststellen der Kommission an die
AIMA auch Entscheidungen darstellten, die die Klägerinnen unmittelbar und
individuell beträfen, was nicht der Fall sei, hätte das Schreiben vom 23. April dem
angefochtenen Schreiben vom 7. Februar 1996 jede Wirkung genommen.
- 42.
- Die Klägerinnen halten dem entgegen, das Schreiben der Kommission vom 7.
Februar 1996 habe Rechtswirkungen entfaltet, die ihre Interessen unmittelbar und
individuell betroffen hätten. Daß die Verordnungen Nrn. 729/70 und 3472/85 den
Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumten, Unregelmäßigkeiten bei EAGFL-Mitteln zu verhindern und zu verfolgen, schließe nicht aus, daß die von der
Kommission in diesem Bereich getroffenen Maßnahmen unmittelbare Wirkungen
in der Rechtssphäre des einzelnen haben könnten. Im vorliegenden Fall habe die
Kommission sich keineswegs darauf beschränkt, der nationalen Interventionsstellebloße Hinweise zu geben, sondern zwingende Maßnahmen erlassen, die speziell die
Situation der Klägerinnen betroffen hätten.
- 43.
- Die Klägerinnen verweisen dazu insbesondere auf die Schreiben vom 2. Oktober
und 23. November 1995, mit denen die Kommission die AIMA angewiesen habe,
die betreffenden Zahlungen vorzunehmen, sowie auf das Schreiben vom 7. Februar
1996, mit dem die Kommission der AIMA befohlen habe, jede Zahlung für die
betreffenden Öle zu sperren. Es sei daher offenkundig, daß die AIMA hinsichtlich
der Zahlungen für die Lagerung der betreffenden Öle über keinen
Ermessensspielraum verfügt habe, sondern sich an die Anweisungen der
Kommission habe halten müssen.
- 44.
- Infolgedessen sei die von der Kommission angeführte Rechtsprechung auf den
vorliegenden Fall nicht übertragbar. So sei im Urteil Nutral/Kommission nur über
Maßnahmen von nationalen Behörden entschieden worden, denen es freigestanden
habe, den Hinweisen der Kommission zu folgen oder nicht. Ebenso habe der
Beschluß Emerald Meats/Kommission eine Mitteilung der Kommission betroffen,
in der diese lediglich die Absicht ihrer Dienststellen angekündigt habe, bestimmte
Maßnahmen zu erlassen; diese Absicht könne nicht als eine verbindliche
Entscheidung angesehen werden. Im vorliegenden Fall sei die Situation dagegen
völlig anders, da der angefochtene Rechtsakt den nationalen Behörden hinsichtlich
der Vornahme der betreffenden Zahlungen keinen Spielraum lasse.
- 45.
- Gegenüber der Ansicht der Kommission, die Entscheidungsautonomie der AIMA
werde dadurch belegt, daß diese ihren Anweisungen vom 23. November 1995 nicht
gefolgt sei, machen die Klägerinnen geltend, die bloße Verzögerung beim Vollzug
einer Entscheidung bedeute keineswegs, daß die nationale Behörde frei über den
Vollzug entscheiden könne. Im übrigen sei der Umstand, daß die Zahlung der
AIMA trotz des Schreibens vom 23. November 1995 nicht unverzüglich und
vollständig erfolgt sei, aller Wahrscheinlichkeit nach gerade auf die drückende
Unsicherheit zurückzuführen, die durch die Unentschlossenheit der Dienststellen
der Kommission geherrscht habe.
- 46.
- Soweit die Kommission geltend mache, nach dem Schreiben vom 23. April 1996 sei
der Rechtsstreit nunmehr erledigt, nähmen die Klägerinnen zur Kenntnis, daß in
diesem Stadium die Kommission darauf bestehe, dieses letzte Schreiben als
endgültig und streitbeendend anzusehen. Angesichts der Tatsache, daß die
Kommission ihre Meinung hinsichtlich der streitigen Zahlungen bereits mehrfach
geändert habe, bestehe jedoch die auf den Klägerinnen immer noch lastende
drückende Unsicherheit weiter. Im Rahmen ihrer Schadensersatzklage tragen die
Klägerinnen vor, nach dem Schreiben vom 23. April 1996 seien die Lagerkosten
vom EAGFL offensichtlich nur bis zu diesem Zeitpunkt übernommen worden.
Dieses Schreiben könne daher zu weiteren Streitigkeiten hinsichtlich der Frage
führen, wer für Kosten im Zusammenhang mit der Verlängerung der Lagerung
verantwortlich sei.
- 47.
- Zu diesem Punkt stellt die Kommission in ihrer Gegenerwiderung fest, daß die
genannte Begrenzung dadurch gerechtfertigt gewesen sei, daß aufgrund der ihr zur
Verfügung stehenden Informationen nicht mehr zweifelhaft gewesen sei, daß das
betreffende Öl vom 23. April 1996 an von den Interventionsbeständen
auszuschließen sei.
Würdigung durch das Gericht
- 48.
- Zunächst ist zu prüfen, ob das streitige Schreiben vom 7. Februar 1996 eine
Handlung ist, die mit einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 des Vertrages
angefochten werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist
dazu zu untersuchen, ob dieses Schreiben - das formell an die Ständige Vertretung
Italiens bei der Europäischen Union gerichtet und in Kopie mehreren italienischen
Behörden, darunter der AIMA, nicht aber den Klägerinnen übersandt worden ist
- verbindliche Rechtswirkungen erzeugt hat, die die Interessen der Klägerinnen
unmittelbar beeinträchtigen konnten, indem sie deren Rechtsposition eindeutig
verändert haben (vgl. Beschluß Emerald Meats/Kommission, a. a. O., Randnr. 26,
Urteil Nutral/Kommission, a. a. O., Randnr. 28, und Urteil des Gerichtshofes vom
22. April 1997 in der Rechtssache C-395/95 P, Geotronics/Kommission, Slg. 1997,
I-2271, Randnr. 10).
- 49.
- Dazu ist der Wortlaut des Schreibens unter Berücksichtigung des tatsächlichen und
rechtlichen Zusammenhangs auszulegen, in dem dieses verfaßt und den
italienischen Behörden mitgeteilt worden ist. Dabei ist die objektive Bedeutung zu
ermitteln, die das Schreiben zum Zeitpunkt seiner Versendung für einen sorgfältig
und umsichtig handelnden Wirtschaftsteilnehmer, der für Rechnung einer
nationalen Interventionsstelle im Olivenölsektor tätig ist, vernünftigerweise haben
konnte.
- 50.
- Das angefochtene Schreiben ist von Herrn Legras, einem Generaldirektor der
Kommission, unterzeichnet und beschränkt sich ausdrücklich auf die Wiedergabe
des Standpunkts allein der Dienststellen der Generaldirektion VI. So heißt es z. B.:
„Die Dienststellen der Kommission können das Durcheinander nicht hinnehmen, das
... entstanden ist“, und „halten es für zweckmäßig, die Sache an dem Punkt wieder
aufzugreifen, an dem sie sich ... im April 1995 befand“. Zudem enthält das
Schreiben nur einen „Vorschlag, den ... entstandenen Streit zu beenden“, und weiter
heißt es: „Die Dienststellen der Kommission schlagen den Behörden des
Mitgliedstaats erneut vor, das Notwendige zu veranlassen“. In diesem Rahmen wird
der Mitgliedstaat aufgefordert, „zwischenzeitlich“ jede Zahlung bezüglich der
betreffenden Öle zu sperren. Der Sprachgebrauch in diesem Schreiben ist somit
nicht der eines verbindliches Rechtsakts, durch den den italienischen Behörden die
endgültige Schließung der Akten vorgeschrieben werden sollte und der auf diese
Weise die Rechtsposition der Klägerinnen beeinträchtigt hätte.
- 51.
- Daß das streitige Schreiben keine Entscheidung ist, wird durch den rechtlichen
Kontext bestätigt, in dem es steht. Nach den Bestimmungen über die Beziehungenzwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten ist es nämlich in Ermangelung
einer gegenteiligen gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift Sache der Mitgliedstaaten,
in ihrem Hoheitsgebiet für die Durchführung der Gemeinschaftsregelungen
namentlich im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik zu sorgen (Urteil des
Gerichtshofes vom 7. Juli 1987 in der Rechtssachen 89/86 und 91/86, Étoile
commerciale und CNTA/Kommission, Slg. 1987, 3005, Randnr. 11). Insbesondere
fällt die Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über die
gemeinsamen Marktorganisationen in die Zuständigkeit der dazu bestimmten
nationalen Stellen. Die Dienststellen der Kommission sind zum Erlaß von
Entscheidungen über die Durchführung dieser Bestimmungen nicht befugt, sondern
können lediglich ihre Meinung dazu äußern, die die nationalen Stellen nicht bindet,
da derartige Meinungsäußerungen in den Bereich der internen Zusammenarbeit
zwischen der Kommission und den mit der Durchführung der
Gemeinschaftsregelung auf diesem Gebiet betrauten nationalen Stellen gehören
(vgl. in diesem Sinne u. a. die Urteile des Gerichtshofes vom 27. März 1980 in der
Rechtssache 133/79, Sucrimex und Westzucker/Kommission, Slg. 1980, 1299,
Randnrn. 16 und 22, vom 10. Juni 1982 in der Rechtssache 217/81,
Interagra/Kommission, Slg. 1982, 2233, Randnr. 8, und vom 18. Oktober 1984 in
der Rechtssache 109/83, Eurico/Kommission, Slg. 1984, 3581, Randnr. 20).
- 52.
- Gleiches gilt für die durch die Artikel 4 und 5 der Verordnung Nr. 729/70 speziell
eingeführte Finanzierungsregelung. Es sind nämlich die Mitgliedstaaten selbst, die
im Rahmen ihrer eigenen finanziellen Mittel entsprechend den Bedürfnissen ihrer
zahlenden Dienststellen die für die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik
erforderlichen Mittel bereitstellen müssen, da die Kommission diese Ausgaben
durch Gewährung pauschaler Vorschüsse und ergänzender Zahlungen nur
refinanziert (vgl. dazu die Erläuterungen in der fünften Begründungserwägung der
Verordnung [EWG] Nr. 3183/87 des Rates vom 19. Oktober 1987 über besondere
Regeln für die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik [ABl. L 304, S. 1], die
erste Begründungserwägung der Verordnung [EWG] Nr. 2048/88 des Rates vom
24. Juni 1988 zur Änderung der Verordnung Nr. 729/70 [ABl. L 185, S. 1], die erste
Begründungserwägung der Verordnung [EWG] Nr. 2776/88 der Kommission vom
7. September 1988 über die von den Mitgliedstaaten zu übermittelnden Angaben
im Hinblick auf die Übernahme der vom Europäischen Ausrichtungs- und
Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie [EAGFL], finanzierten
Ausgaben [ABl. L 249, S. 9] und Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung Nr. 729/70 in
der Fassung der Verordnung [EG] Nr. 1287/95 des Rates vom 22. Mai 1995 [ABl.
L 125, S. 1]).
- 53.
- Nach dieser Finanzierungsregelung legt die Kommission erst durch die
Entscheidung über den Abschluß der Jahresrechnung nach Artikel 5 Absatz 2
Buchstabe b der Verordnung Nr. 729/70 gegenüber den Mitgliedstaaten endgültig
und abschließend fest, welche Ausgaben der staatlichen Interventionsstellen im
Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik zu Lasten des EAGFL übernommen
werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 29. Januar 1998 in derRechtssache C-61/95, Griechenland/Kommission, Slg. 1998, I-207, Randnr. 39). So
hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. Oktober 1993 in der Rechtssache
Italien/Kommission (a. a. O., Randnr. 36) festgestellt, daß die Kommission sich zu
dieser Finanzierung vor Abschluß der Jahresrechnung nicht rechtsverbindlichäußern könne.
- 54.
- Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, ist infolgedessen der
streitgegenständliche Schriftwechsel einschließlich des angefochtenen Schreibens im
Rahmen einer internen und informellen Zusammenarbeit geführt worden, die
keinen Anhaltspunkt für eine Entscheidung bietet, sondern die laufende
Verwaltung der Finanzkonten erleichtern und die endgültige Feststellung der
Ausgaben vorbereiten soll, die als zu Lasten des EAGFL gehend anerkannt werden
können. Angesichts dieses rechtlichen Kontextes konnten die Klägerinnen als
sorgfältige und umsichtige Wirtschaftsteilnehmer, die von der AIMA mit der
Durchführung der einschlägigen Interventionsmaßnahmen betraut worden waren,
sich über die Rechtsnatur dieses Schriftwechsels und insbesondere des
angefochtenen Schreibens nicht im unklaren sein.
- 55.
- Nach Ansicht der Klägerinnen betrifft dieses Schreiben sie jedoch deshalb
unmittelbar, weil die AIMA über keinen Ermessensspielraum verfügt habe, sondern
die Anweisungen der Kommission, die fraglichen Zahlungen zu sperren, habe
befolgen müssen. In der Sitzung haben sie dazu auf das Urteil des Gerichtshofes
vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-386/96 P (Dreyfus/Kommission, Slg. 1998,
I-0000) verwiesen.
- 56.
- Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes beeinträchtigt eine
Gemeinschaftsmaßnahme nur dann unmittelbar die Rechtsposition eines einzelnen,
wenn sie ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei
Ermessensspielraum läßt, da ihre Durchführung rein automatisch erfolgt und sich
allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt (Urteil Dreyfus/Kommission, a. a. O.,
Randnr. 43, und die dort zitierte Rechtsprechung). Das gleiche gilt, wenn für die
Adressaten nur eine rein theoretische Möglichkeit besteht, dem Gemeinschaftsakt
nicht nachzukommen, weil der Wille, diesem Akt nachzukommen, keinem Zweifel
unterliegt (ebenda, Randnr. 44, und die dort zitierte Rechtsprechung).
- 57.
- Wie vorstehend festgestellt, hatte das angefochtene Schreiben, das eine bloß
formlose Meinungsäußerung darstellt, keine verbindlichen Rechtswirkungen
gegenüber der AIMA, so daß diese im Hinblick auf den Vorschlag, die streitigen
Zahlungen zu sperren, frei war, entweder die Meinung der Dienststellen der
Kommission unberücksichtigt zu lassen und diese Zahlungen vorzunehmen, um
später dann die Erstattung durch den EAGFL zu verlangen, oder die Beträge an
die Klägerinnen allein aufgrund ihrer vertraglichen Verpflichtungen auszuzahlen,
ohne deren Erstattung durch die Gemeinschaft zu verlangen, oder keine Zahlungen
zu leisten, bis die Klägerinnen die Maßnahmen getroffen hatten, die sie für
zweckmäßig hielten. Die AIMA entschied sich für die letzte Möglichkeit, und diesesüberlegte, selbständige Vorgehen kann daher nicht der Kommission zugerechnet
werden.
- 58.
- Daß das angefochtene Schreiben sich nicht unmittelbar auf das Verhalten der
AIMA ausgewirkt hat, wird dadurch bestätigt, daß es die laufenden finanziellen
Beziehungen zwischen dem EAGFL und der AIMA nicht unmittelbar beeinflußt
hat. Wie die Kommission in der Sitzung bestätigt hat, ohne daß die Klägerinnen ihr
insoweit widersprochen hätten, zahlte der EAGFL bis Mai 1996 auf die
monatlichen Anträge der AIMA weiterhin die monatlichen Vorschüsse für die
Ausgaben für die Lagerung der streitigen Olivenöle; die Zahlung dieser Vorschüsse
wurde erst nach dem Schreiben vom 23. April 1996 (vgl. vorstehend, Randnr. 33)
eingestellt. Im übrigen hat sich die AIMA auch nicht durch andere Schreiben der
Dienststellen der Kommission gebunden gefühlt, in denen sie aufgefordert worden
war, die streitigen Zahlungen vorzunehmen und in denen die Erstattung der
entsprechenden Kosten akzeptiert worden war: Es handelt sich dabei um die
Schreiben vom 2. Oktober, 23. November und 7. Dezember 1995 sowie um das
vom 23. April 1996.
- 59.
- Im übrigen hat der Gerichtshof in seinem Urteil Étoile commerciale und
CNTA/Kommission (a. a. O., Randnrn. 9, 13 und 14) Nichtigkeitsklagen für
unzulässig erklärt, die von Privatpersonen gegen die Entscheidung der Kommission
eingereicht worden waren, die die Festsetzung des Betrages, der im Rahmen des
von der Französischen Republik vorgelegten Rechnungsabschlusses für das
Haushaltsjahr 1981 als zu Lasten des EAGFL gehend anerkannt wurde, und die
Ablehnung der Übernahme der von den Klägerinnen verlangten Beihilfen zu
Lasten des EAGFL betraf. In diesem Fall hatte die nationale Interventionsstelle
aufgrund der Entscheidung der Kommission entschieden, von der Möglichkeit der
Rückforderung der Beihilfen Gebrauch zu machen, die sie sich bei deren
Gewährung vorbehalten hatte. Der Gerichtshof hat festgestellt, daß die
Entscheidung über den Rechnungsabschluß nur die finanziellen Beziehungen
zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat berührt und die
Rückforderung der bereits bezahlten Beträge, wenn sie denn unter
Berücksichtigung dieser Entscheidung erging, nicht die unmittelbare Folge dieser
Entscheidung, sondern des Umstands war, daß die Interventionsstelle die endgültige
Gewährung der Beihilfen davon abhängig gemacht hatte, daß diese letztlich vom
EAGFL übernommen würden. Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, daß die
angefochtene Entscheidung die Rechtsposition der Klägerinnen nicht unmittelbar
beeinträchtigt hat. Diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des Gerichts erst recht
auf einfache Meinungsäußerungen der Dienststellen der Kommission gegenüber
nationalen Behörden in dem informellen Stadium vor dem Rechnungsabschluß
anzuwenden, das nur der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung der
Kommission dient.
- 60.
- In dem dem Urteil Dreyfus/Kommission zugrunde liegenden Fall, der eine Nothilfe
der Gemeinschaft für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion zur Finanzierung derEinfuhr bestimmter Erzeugnisse betraf, hatte die Kommission die Finanzierung
eines Kaufvertrags über Weizen zwischen der Klägerin und einer russischen
öffentlichen Einrichtung abgelehnt; hiergegen hatte die Klägerin Nichtigkeitsklage
erhoben. Zwar hatte die nur an die russische öffentliche Einrichtung gerichtete
streitige Entscheidung nach Auffassung des Gerichtshofes unmittelbare
Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Klägerin, doch beruhte dieses Urteil
darauf, daß die Lieferung in dem besonderen sozioökonomischen Kontext des
Falles nur aus finanziellen Mitteln der Gemeinschaft bezahlt werden konnte, so daß
das Bestehen des Liefervertrags von der Gewährung der Gemeinschaftsfinanzierung
abhing (Randnrn. 49 bis 53 des Urteils). Im vorliegenden Fall sind diese
besonderen tatsächlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
- 61.
- Nach alledem hat das streitige Schreiben vom 7. Februar 1996 keine verbindlichen
Rechtswirkungen gehabt, die die Interessen der Klägerinnen unmittelbar hätten
beeinträchtigen können. Somit ist der Antrag auf Nichtigerklärung als unzulässig
zurückzuweisen.
Zum Antrag auf Schadensersatz
- 62.
- Nach der Rechtsprechung ist eine Schadensersatzklage gemäß den Artikeln 178
und 215 Absatz 2 des Vertrages ein selbständiger Rechtsbehelf, der im System der
Klagemöglichkeiten eine besondere Funktion hat. Daher kann die vorstehend
festgestellte Unzulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung des Schreibens vom
7. Februar 1996 allein nicht zur Unzulässigkeit des vorliegenden Antrags auf Ersatz
des Schadens führen, der den Klägerinnen angeblich durch das rechtswidrige
Verhalten entstanden ist, das die Kommission von Anfang an ihnen gegenüber
gezeigt habe (vgl. in diesem Sinne Beschluß des Gerichts vom 3. Februar 1998 in
der Rechtssache T-68/96, Polyvios/Kommission, Slg. 1998, II-153, Randnr. 32)
- 63.
- Die Klägerinnen haben den ihnen durch die Sperrung der streitigen Zahlungen
angeblich entstandenen Schaden in ihrer Klageschrift auf 3 792 703 336 LIT bzw.
auf 1 851 456 540 LIT und in ihrer Erwiderung auf 4 653 624 967 LIT bzw. auf
2 166 553 836 LIT beziffert. Zu diesen Beträgen verlangen sie zusätzlich
Verzugszinsen zu einem Satz von 10 % jährlich, gesetzliche Zinsen zu 10 %, um
dem Währungsverfall Rechnung zu tragen, sowie mehrere Beträge aufgrund des
Ausfalls von Erträgen aus ihrem jeweiligen Kapital zu den einzelnen
Fälligkeitszeitpunkten.
- 64.
- Später haben die Klägerinnen auf eine schriftliche Frage des Gerichts geantwortet,
daß die Firma Oleifici Italiani im August 1997 die für die Lagerung der
betreffenden Öle verlangten Ausgleichszahlungen vollständig erhalten habe. In der
Sitzung haben sie hinzugefügt, die Firma Fratelli Rubino Industrie Olearie habe in
der Zwischenzeit eine erste Anzahlung auf den Hauptbetrag sowie die Bestätigung
seitens der AIMA erhalten, daß ihr der Rest in Kürze vollständig und endgültig
ausgezahlt werde. Die Klägerinnen haben daraufhin erklärt, daß ihr Schaden sich
um diese Beträge verringert habe, so daß ihr Antrag in Wirklichkeit nur noch aufden Betrag gerichtet sei, der dem Vermögensschaden entspreche, der durch den
verspäteten Eingang der fälligen Zahlungen entstanden sei.
- 65.
- Das Gericht hält diese Beschränkung des Schadensersatzantrags während des
Verfahrens für eine an sich zulässige Anpassung, da sie nur der Entwicklung des
Umfangs des von den Klägerinnen geltend gemachten Schadens Rechnung trägt.
- 66.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft
jedoch an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen geknüpft: Das den
Gemeinschaftsorganen vorgeworfene Verhalten muß rechtswidrig sein, es muß ein
tatsächlicher und sicherer Schaden entstanden sein und zwischen dem Verhalten
des betreffenden Organs und dem angeblichen Schaden muß ein unmittelbarer
ursächlicher Zusammenhang bestehen (vgl. z. B. die Urteile des Gerichts vom 28.
April 1998 in der Rechtssache T-184/95, Dorsch Consult/Rat und Kommission, Slg.
1998, II-667, Randnrn. 59 und 60, und die dort zitierte Rechtsprechung, sowie vom
18. September 1995 in der Rechtssache T-168/94, Blackspur u. a./Rat und
Kommission, Slg. 1995, II-2627, Randnrn. 38 und 40, und die dort zitierte
Rechtsprechung, sowie Urteil des Gerichtshofes vom 4. Oktober 1979 in den
Rechtssachen 64/76, 113/76, 167/78, 239/78, 27/79, 28/79 und 45/79, Dumortier
Frères u. a./Rat, Slg. 1979, 3091, Randnr. 21), wobei die beweispflichtigen
Klägerinnen nachweisen müssen, daß diese Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind
(Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 1995 in der Rechtssache T-185/94,
Geotronics/Kommission, Slg. 1995, II-2795, Randnr. 39).
- 67.
- Im vorliegenden Fall ist zum Bestehen eines unmittelbaren ursächlichen
Zusammenhangs zwischen dem der Kommission vorgeworfenen Verhalten und dem
angeblichen Schaden festzustellen, daß die Ablehnung, die streitigen Lagerkosten
auszugleichen, vom Verhalten der Dienststellen der Kommission im Rahmen ihrer
informellen Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden unabhängig ist und
die wohlüberlegte selbständige Entscheidung dieser Behörden war (vgl. vorstehend
Randnrn. 54 und 57). Infolgedessen ist der von den Klägerinnen geltend gemachte
Schaden diesen nationalen Behörden zuzurechnen und ist nicht unmittelbar durch
das der Kommission vorgeworfene Verhalten verursacht worden. Wie der
Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache Étoile commerciale und
CNTA/Kommission (a. a. O., Randnrn. 16 bis 21) festgestellt hat, ist der
Gemeinschaftsrichter für eine Entscheidung über den Ersatz dieses Schadens
gemäß den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 des Vertrages nicht zuständig.
- 68.
- Was den den Klägerinnen durch die verzögerte Auszahlung der verlangten Beträge
tatsächlich entstandenen Schaden angeht, ist festzustellen, daß die Klägerinnen den
Schadensersatzantrag, den sie während des Verfahrens beschränkt haben, nicht
beziffert haben.
- 69.
- Außerdem legt die Kommission jedenfalls erst mit ihrer Entscheidung über den
Rechnungsabschluß für die Jahre 1991, 1992 und 1993 endgültig fest, ob undgegebenenfalls in welchem Umfang der EAGFL die streitigen Lagerungskosten
übernimmt (vgl. vorstehend, Randnr. 53). Infolgedessen kann erst unter
Berücksichtigung dieser Entscheidung festgestellt werden, ob der von den
Klägerinnen geltend gemachte Schaden tatsächlich und sicher besteht. Wie die
Kommission in einer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts klargestellt
hat, sind die Gespräche mit den italienischen Behörden über die Rechnungen, die
die streitigen Ölpartien betreffen, noch nicht abgeschlossen, so daß noch keine
Entscheidung über den Abschluß dieser besonderen Rechnungen vorliegt. Somit
ist die Geltendmachung eines angeblich durch das Verhalten der Kommission
entstandenen Schadens derzeit als verfrüht anzusehen. Daher liegt ein tatsächlicher
und sicherer, den Klägerinnen bereits entstandener Schaden nicht vor.
- 70.
- Infolgedessen ist der Schadensersatzantrag ebenfalls zurückzuweisen.
- 71.
- Nach allem ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
- 72.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen
unterlegen sind, sind ihnen ihre eigenen Kosten sowie gesamtschuldnerisch die der
Kommission aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
- 1.
- Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
- Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten sowie gesamtschuldnerisch die
der Kommission.
KalogeropoulosBellamy
Pirrung
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. September 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
A. Kalogeropoulos