URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)
15. September 1998 (1)
„Staatliche Beihilfen - Förmliches Prüfungsverfahren nach Artikel 93 Absatz 2
des Vertrages - Bedingte Entscheidung über die Genehmigung einer Beihilfe in
Form einer in Tranchen aufgeteilten Kapitalzuführung - Nichterfüllte
Voraussetzung für die Zahlung der zweiten Tranche - Nachträgliche
Genehmigung der Zahlung der zweiten Tranche - Nichtigkeitsklage“
In der Rechtssache T-140/95
Ryanair Ltd, Gesellschaft irischen Rechts mit Sitz in Dublin,
Prozeßbevollmächtigte: Solicitors Trevor Soames und Alan Ryan,
Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Arendt und Medernach, 8-10, rue
Mathias Hardt, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Nicholas Khan
und Anders Christian Jessen, beide Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
unterstützt durch
Irland, vertreten durch Chief State Solicitor Michael Buckley als Bevollmächtigten,
Beistand: Joseph Finnegan, SC, Irish Bar, Zustellungsanschrift: Irische Botschaft,
28, route d'Arlon, Luxemburg,
und durch
Aer Lingus Group plc, Gesellschaft irischen Rechts mit Sitz in Dublin,
Prozeßbevollmächtigte: Paul Gallagher, SC, Irish Bar, und Solicitors James
O'Dwyer und Patrick McGovern, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts
René Faltz, 6, rue Heine, Luxemburg,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 21. Dezember 1994
(ABl. 1994, C 399, S. 1), mit der es der irischen Regierung erlaubt wurde, die
zweite Tranche der mit der Entscheidung 94/118/EG der Kommission vom 21.
Dezember 1993 über eine Beihilfe Irlands zugunsten des Aer-Lingus-Konzerns
(ABl. 1994, L 54, S. 30) genehmigten Beihilfe an die Aer Lingus auszuzahlen,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kalogeropoulos sowie der Richter C. P. Briët,
C. W. Bellamy, A. Potocki und J. Pirrung,
Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27.
Mai 1998,
folgendes
Urteil
Sachverhalt
- 1.
- Im August 1993 unterrichtete die irische Regierung die Kommission gemäß Artikel
93 Absatz 3 des Vertrages von ihrer Absicht, dem Aer-Lingus-Konzern im Rahmeneines „Strategy for the Future“ genannten Umstrukturierungsplans (im folgenden:
Cahill-Plan) 175 Millionen IRL Eigenkapital zuzuführen. Diese Kapitalzufuhr sollte
in drei Tranchen erfolgen, und zwar 75 Millionen IRL im Jahr 1993 und jeweils 50
Millionen IRL in den Jahren 1994 und 1995.
- 2.
- Am 21. Dezember 1993, nach Abschluß eines gemäß Artikel 93 Absatz 2 des
Vertrages eingeleiteten Verfahrens, an dem die Gesellschaft irischen Rechts
Ryanair Ltd mit Sitz in Dublin beteiligt war, erließ die Kommission die
Entscheidung 94/118/EG über eine Beihilfe Irlands zugunsten des
Aer-Lingus-Konzerns (ABl. 1994, L 54, S. 30; im folgenden: Entscheidung von
1993).
- 3.
- Artikel 1 des verfügenden Teils dieser Entscheidung von 1993 hat folgenden
Wortlaut:
„Die Umstrukturierungsbeihilfe für Aer Lingus in Form der Zufuhr von 175
Millionen irischen Pfund Kapital in drei Tranchen in den Jahren 1993, 1994 und
1995 wird gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) als mit dem Gemeinsamen
Markt vereinbar angesehen, vorausgesetzt, daß sich die irische Regierung an ihre
Zusage hält,
a) die zweite und die dritte Tranche nicht zu zahlen, falls Aer Lingus die
Senkung ihrer Kosten um 50 Millionen irische Pfund jährlich nicht
bewerkstelligt, und durch eine unabhängige Stelle überprüfen läßt, daß die
Kostensenkungen in vollem Umfang durchgeführt werden;
b) der Kommission über den Fortschritt des Umstrukturierungsprogramms
sowie über die finanzielle und die wirtschaftliche Entwicklung des
Aer-Lingus-Konzerns und seiner Unternehmen, insbesondere hinsichtlich
der in dem Schreiben vom 24. November 1993 erwähnten
Produktivitätsverbesserungen, Bericht zu erstatten. Der Bericht wird
mindestens vier Wochen vor der Zahlung der zweiten und der dritten
Tranche der Beihilfe in den Jahren 1994 und 1995 vorgelegt, damit die
Kommission gegebenenfalls dazu Stellung nehmen kann;
...
d) die Betriebsflotte der Aer Lingus mit Ausnahme der Transatlantikstrecken,
wo zur Erhaltung der Kapazität zusätzliche Flugzeuge erforderlich sein
können, während der Laufzeit des Umstrukturierungsplans nicht zu
erweitern;
...
g) daß der Öffentlichkeit im Kalenderjahr 1994 auf Linienflugdiensten der Aer
Lingus nicht mehr als 3,42 Millionen Sitzplätze auf den Strecken zwischen
dem Vereinigten Königreich und Irland insgesamt und nicht mehr als 1,43
Millionen Sitzplätze auf der Strecke Dublin-London Heathrow für dasselbe
Jahr zum Kauf angeboten werden;
h) daß Mitte 1994 gemäß Vereinbarung zwischen der Kommission und Irland
unabhängige Sachverständige ernannt werden, um die aktuellen und die
voraussichtlichen Ergebnisse für 1994 zu prüfen. Sollte sich das Wachstum
des Marktes Vereinigtes Königreich/Irland bewahrheiten, so werden die in
Buchstabe g) genannten Zahlen entsprechend diesem Wachstum angepaßt.
Gleichzeitig wird eine unabhängige Bewertung des aktuellen und des
voraussichtlichen Marktwachstums für 1995 vorgenommen, um die dem
Gesamtwachstum des Marktes entsprechende zusätzliche Kapazität der Aer
Lingus zu ermitteln;
...“
- 4.
- Am 23. Dezember 1993 zeichnete die irische Regierung neue Aktien der Aer
Lingus Group plc im Wert von 75 Millionen IRL.
- 5.
- Am 3. November 1994 legte die irische Regierung den ersten Jahresbericht gemäß
Artikel 1 Buchstabe b der Entscheidung von 1993 vor. Auf Ersuchen der
Kommission machte sie am 17. November 1994 weitere Angaben.
- 6.
- Am 30. November 1994 erließ die Kommission gemäß Artikel 1 Buchstabe h der
Entscheidung von 1993 die Entscheidung 94/997/EG über die Genehmigung der
angepaßten Zahlen für die in der Entscheidung von 1993 festgelegten
Beschränkungen der Sitzplatzkapazität der Aer Lingus (ABl. L 379, S. 21). Mit
dieser Entscheidung erhöhte die Kommission die in Artikel 1 Buchstabe g der
Entscheidung von 1993 festgelegte Zahl der Sitzplätze, die Aer Lingus in den
Jahren 1994 und 1995 auf den Strecken zwischen Irland und dem Vereinigten
Königreich sowie auf der Strecke zwischen Dublin und London Heathrow zum
Kauf anbieten durfte.
- 7.
- Am 8. Dezember 1994 fand auf Antrag der Klägerin ein Treffen zwischen ihr und
den Dienststellen der Kommission statt, bei dem insbesondere geprüft werden
sollte, ob Aer Lingus der Entscheidung von 1993 nachgekommen war.
- 8.
- Am 21. Dezember 1994 erließ die Kommission in Form eines an die irische
Regierung gerichteten Schreibens die Entscheidung „Zahlung der zweiten Tranche
in Höhe von 50 Millionen Irischen Pfund im Rahmen der mit Entscheidung [von]
1993 genehmigten Beihilfe C 34/93“ (ABl. 1994, C 399, S. 1; im folgenden: streitige
Entscheidung).
- 9.
- In dieser Entscheidung stellt die Kommission fest, daß der Aer-Lingus-Konzern die
in Artikel 1 Buchstabe a der Entscheidung von 1993 festgelegte Kostensenkung in
Höhe von 50 Millionen IRL nicht verwirklicht habe. Nach einer Prüfung der
Durchführung des Umstrukturierungsprogramms insbesondere in bezug auf die
Fluglinie selbst und auf Team Aer Lingus, eine vor allem Wartungsleistungen
erbringende Tochtergesellschaft (im folgenden: Team), sowie der finanziellen
Situation des Konzerns, des vorgesehenen Verkaufs der Copthorne-Hotelkette und
der Rentabilität verschiedener von Aer Lingus betriebener Streckengruppen
gelangte sie zu dem Ergebnis (Absatz 25),
„daß der Stand der Umstrukturierung und die bereits erzielten Ergebnisse
befriedigend sind, obwohl das jährliche Kostensenkungsziel nur von der
Fluggesellschaft und nicht vom ganzen Konzern verwirklicht wurde; letzteres ist auf
die genannten besonderen Umstände zurückzuführen, die beim
Umstrukturierungsplan nicht voraussehbar waren. Daher hat die Kommission
beschlossen, in Abweichung von ihrer Entscheidung [von 1993] die irische
Regierung zu ermächtigen, die zweite Tranche der Beihilfe an Aer Lingus
auszuzahlen. Um die Wirksamkeit der Entscheidung vom 21. Dezember 1993
sicherzustellen, ist Irland zu folgendem verpflichtet, bevor die dritte Tranche
gezahlt werden kann:
- Irland hat bis zum 30. Juni 1995 der Kommission einen Bericht über den
Stand der Umsetzung des Umstrukturierungsprogramms bei Team und
dessen finanzielle und wirtschaftliche Entwicklung vorzulegen; der Bericht
hat die finanziellen Vorausschätzungen zu umfassen, auf denen die Strategie
der Gesellschaft basiert. Das Umstrukturierungsprogramm für Team ist
ohne jede weitere Verzögerung auf der Grundlage einer angemessenen
Unternehmensstrategie und einer gesunden Kapitalstruktur durchzuführen.
- Gemäß Artikel 1 Buchstabe b) der Entscheidung [von 1993] hat Irland der
Kommission spätestens acht Wochen vor Zahlung der dritten Tranche 1995
einen Bericht vorzulegen, in dem im einzelnen ausgewiesen ist, wie die
jährliche Kostensenkung von 50 Millionen Irischen Pfund erreicht werden
soll. Dieser Bericht hat folgendes zu umfassen: eine Erklärung darüber, wie
durch besondere Managementmaßnahmen die Kostensenkungen erreicht
werden sollen, ausführliche und vollständig evaluierte jährliche finanzielle
Vorausschätzungen für den Konzern und seine Gesellschaften bis zum 31.
Dezember 1999 (sowie für den zwölfmonatigen Übergangszeitraum bis zum
31. März 1995, entsprechend dem geänderten Ende des Geschäftsjahrs), aus
dem die Auswirkungen der Umstrukturierungsmaßnahmen, des
überarbeiteten Planes für Team und des bis dahin erfolgten Verkaufs der
Copthorne-Hotel-Kette hervorgehen. Außerdem sollte der Bericht eine
Analyse der Streckengruppen-Rentabilität umfassen.“
- 10.
- Am 22. Dezember 1994 zeichnete die irische Regierung neue Aktien der Aer
Lingus Group plc im Wert von 50 Millionen IRL.
- 11.
- Das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 399 vom 31. Dezember 1994, das
den Text der streitigen Entscheidung enthält, wurde am 13. April 1995
veröffentlicht.
Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten
- 12.
- Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 5. Juli 1995 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
- 13.
- Mit am 18. Dezember 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz
hat die Kommission die in ihrer Klagebeantwortung erhobene Einrede der
Unzulässigkeit, die sie auf den Ablauf der Klagefrist gestützt hatte,
zurückgenommen und in ihrer Gegenerwiderung vom 25. März 1996 ausgeführt,
ihre Beamten hätten die Klägerin darauf hingewiesen, daß die Klagefrist nach
Artikel 173 des Vertrages mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der streitigen
Entscheidung in Lauf gesetzt werde.
- 14.
- Mit Beschlüssen vom 14. Februar 1996 hat der Präsident der Zweiten erweiterten
Kammer Irland und die Aer Lingus Group plc als Streithelfer zur Unterstützung
der Anträge der Kommission zugelassen.
- 15.
- Das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters
beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu
eröffnen.
- 16.
- Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 27. Mai 1998 mündlich
verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
- 17.
- Die Klägerin beantragt,
- die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären;
- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 18.
- Die Kommission und die Streithelfer beantragen,
- die Klage abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zulässigkeit
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
- 19.
- Aer Lingus macht geltend, daß die Klage nach Ablauf der in Artikel 173 Absatz 5
EG-Vertrag vorgesehenen Frist erhoben worden sei. Die Kommission habe in ihrer
Klagebeantwortung vorgetragen, daß die Klägerin im Dezember 1994, spätestens
aber mit Eingang eines Schreibens der Kommission vom 12. Januar 1995 Kenntnis
von der streitigen Entscheidung gehabt habe, daß sie jedoch nicht innerhalb
angemessener Frist eine Kopie des vollständigen Wortlauts der streitigen
Entscheidung angefordert habe.
- 20.
- Die Klägerin trägt vor, daß ihre Klage zulässig sei, da die Veröffentlichung der
streitigen Entscheidung im Amtsblatt vom 13. April 1995 die in Artikel 173 Absatz
5 des Vertrages vorgesehene Frist in Lauf gesetzt habe.
Würdigung durch das Gericht
- 21.
- Nach Artikel 37 Absatz 4 der EG-Satzung des Gerichtshofes, der nach Artikel 46
dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, können mit denStreithilfeanträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden. Der Streithelfer
muß zudem nach Artikel 116 § 3 der Verfahrensordnung den Rechtsstreit in der
Lage annehmen, in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet.
- 22.
- Da die Beklagte ihre Einrede der Unzulässigkeit mit am 18. Dezember 1995
eingegangenem Schreiben, also bevor Aer Lingus als Streithelferin zur
Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden ist,
zurückgenommen hat, ist Aer Lingus nicht zur Erhebung einer
Unzulässigkeitseinrede berechtigt, und das Gericht braucht demnach die von ihr
hierzu vorgebrachten Angriffsmittel nicht zu prüfen (Urteil des Gerichts vom 27.
November 1997 in der Rechtssache T-290/94, Kaysersberg/Kommission, Slg. 1994,
II-2137, Randnr. 76).
- 23.
- Da es sich jedoch um eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung handelt, kann das
Gericht die Zulässigkeit der Klage nach Artikel 113 der Verfahrensordnung
jederzeit von Amts wegen prüfen.
- 24.
- Nach Artikel 173 Absatz 5 des Vertrages ist die Klage binnen zwei Monaten zu
erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der
betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung
dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis
erlangt hat.
- 25.
- Bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung hat das Kriterium des Zeitpunkts
der Kenntniserlangung von der Handlung als Beginn der Klagefrist subsidiären
Charakter gegenüber den Zeitpunkten der Bekanntgabe oder der Mitteilung der
Handlung (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 10. März 1998 in der Rechtssache C-122/95, Deutschland/Rat, Slg. 1998, I-973, Randnr. 35, und in bezug auf staatliche
Beihilfen Schlußanträge des Generalanwalts Capotorti zum Urteil des Gerichtshofesvom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79, Philip Morris/Kommission, Slg.
1980, 2671, 2695).
- 26.
- Es steht fest, daß im vorliegenden Fall die streitige Entscheidung im Amtsblatt
veröffentlicht worden ist. Da diese Entscheidung eine Ausnahme von der
Entscheidung von 1993 zuläßt, die ihrerseits veröffentlicht worden ist, und da die
Kommissionsbeamten die Klägerin darauf hingewiesen haben, daß die Klagefrist
mit der Veröffentlichung der streitigen Entscheidung in Lauf gesetzt werde, konnte
die Klägerin erwarten, daß die streitige Entscheidung im Amtsblatt veröffentlicht
werde.
- 27.
- Folglich ist die Klagefrist im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Veröffentlichung,
d. h. am 13. April 1995, in Lauf gesetzt worden.
- 28.
- Die Zweimonatsfrist des Artikels 173 Absatz 5 des Vertrages, die nach Artikel 102
§ 1 der Verfahrensordnung vom Ablauf des vierzehnten Tages nach der
Veröffentlichung der Maßnahme im Amtsblatt an berechnet und nach Artikel 102
§ 2 der Verfahrensordnung mit Rücksicht auf die räumliche Entfernung für einen
in Irland ansässigen Kläger um zehn Tage verlängert wird, ist am 7. Juli 1995
abgelaufen. Folglich ist die am 5. Juli 1995 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangene Klage fristgerecht erhoben worden.
- 29.
- Die Klage ist daher zulässig.
Begründetheit
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
Vorbringen der Klägerin
- 30.
- In ihrer Klageschrift macht die Klägerin zwei Hauptklagegründe geltend, nämlich
erstens die Verletzung wesentlicher Formvorschriften insoweit, als die Kommission
weder das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages erneut eingeleitet
noch die Klägerin vor dem Erlaß der streitigen Entscheidung angehört habe, und
zweitens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission, nach deren
Meinung die Zahlung der zweiten Beihilfetranche gemäß Artikel 92 Absatz 3
Buchstabe c des Vertrages als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen
sei. Die Klägerin erhebt darüber hinaus eine Reihe weiterer Rügen.
- 31.
- Zum ersten Klagegrund, der Verletzung wesentlicher Formvorschriften, macht die
Klägerin geltend, daß die Kommission die streitige Entscheidung nicht habe
erlassen können, ohne das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages
erneut einzuleiten oder zumindest die Klägerin erneut anzuhören. Die Zahlung der
zweiten Tranche der Beihilfe sei nämlich durch Artikel 1 Buchstabe a der
Entscheidung von 1993 untersagt gewesen, da die darin vorgesehene jährliche
Kostensenkung von 50 Millionen IRL nicht verwirklicht worden sei.Dementsprechend habe die zweite Tranche nicht gezahlt werden können, ohne daß
die Kommission aufgrund einer erneuten Prüfung aller Umstände des Einzelfalls
eine neue Entscheidung erlassen habe, in der festgestellt worden sei, daß diese
Zahlung gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages mit dem
Gemeinsamen Markt vereinbar sei.
- 32.
- Die Klägerin verweist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach die
Kommission verpflichtet sei, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages
einzuleiten, wenn sie bei der ersten Prüfung der Beihilfe nicht alle Schwierigkeiten
hinsichtlich der Beurteilung der Vereinbarkeit dieses Vorhabens mit dem
Gemeinsamen Markt habe ausräumen können (Urteil des Gerichtshofes vom 19.
Mai 1993 in der Rechtssache C-198/91, Cook/Kommission, Slg. 1993, I-2487,
Randnr. 29). Im vorliegenden Fall habe jedoch die erste Prüfung der Vereinbarkeit
der zweiten Beihilfetranche mit dem Gemeinsamen Markt durch die Kommission
nicht alle Schwierigkeiten ausräumen können und tatsächlich nicht ausgeräumt,
insbesondere was die Frage angehe, ob die Voraussetzungen des Artikels 92 Absatz
3 Buchstabe c des Vertrages erfüllt seien.
- 33.
- Die Klägerin begründet ihre Behauptung, daß die Kommission Zweifel an der
Vereinbarkeit der zweiten Beihilfetranche mit dem Gemeinsamen Markt hätte
haben müssen, auf eine Reihe von Angaben in bezug auf Team, die
Regionalverbindungen in das Vereinigte Königreich, die Flugzeuge BAe 146, die
finanzielle Situation des Aer-Lingus-Konzerns und der Fluglinie sowie den Verkauf
der Copthorne-Hotelkette.
- 34.
- Die Klägerin stützt sich auf die gleichen Angaben, um ihren zweiten Klagegrund
zu untermauern, wonach der Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler
unterlaufen sei, als sie entschieden habe, daß die Zahlung der zweiten
Beihilfetranche im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages als mit
dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen sei.
- 35.
- Das gesamte Vorbringen der Klägerin ist im Rahmen dieser beiden Klagegründe
zusammenzufassen.
- Team
- 36.
- In bezug auf die Tochtergesellschaft Team macht die Klägerin geltend, aus der
streitigen Entscheidung gehe hervor, daß die Kommission selbst Zweifel am
Vorliegen der Voraussetzungen des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages
und insbesondere derjenigen gehabt habe, daß die Beihilfe zur Förderung der
Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige dienen sollte. Sie hebt insoweit hervor, daß
die Kommission in Absatz 14 der streitigen Entscheidung die Auffassung vertrete,
es „könnte sich der Umstand, daß das Problem der anhaltenden Verluste von
Team nicht bewältigt wurde, auf den Umstrukturierungsplan auswirken“.
- 37.
- Die Kommission habe damit eingeräumt, daß sie nicht wisse, ob Team die
erforderlichen Kostensenkungen vornehmen werde. Folglich habe sie nicht prüfen
können, ob die zweite Beihilfetranche tatsächlich für die Zwecke der
„Umstrukturierung“ verwendet werde und ob sie die „Entwicklung gewisser
Wirtschaftszweige“ im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages
fördere.
- 38.
- Im übrigen beweise auch der Umstand, daß die Kommission die irischen Behörden
in der streitigen Entscheidung verpflichtet habe, ihr bis zum 30. Juni 1995 einen
Bericht über den Stand der Umsetzung des Umstrukturierungsprogramms bei
Team und über die Strategie vorzulegen, die zur Bewältigung der Schwierigkeiten
der Gesellschaft längerfristig ins Auge gefaßt worden sei, daß die Kommission zum
Zeitpunkt der streitigen Entscheidung nicht habe nachweisen können, daß die
Beihilfe die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige im Sinne von Artikel 92 Absatz
3 Buchstabe c des Vertrages habe fördern können.
- 39.
- Zudem sei der Cahill-Plan, soweit er Team betreffe, im Anschluß an einen im
Sommer 1994 ausgebrochenen Streik und auf Empfehlungen des Labour Court
vom November 1994, die Kostensenkungen und insbesondere weitere Entlassungen
verhindert hätten, aufgegeben worden. Somit habe zum Zeitpunkt der streitigen
Entscheidung Aer Lingus ebensowenig wie die irische Regierung gewußt, ob Team
umstrukturiert werden könne. Zur Begründung dieser Behauptung zitiert die
Klägerin einige Äußerungen des Vorsitzenden von Aer Lingus in deren am 31.
März 1995 genehmigtem Jahresbericht für den Zeitraum bis zum 31. Dezember
1994 sowie eine Erklärung, die der Minister für Transport, Energie und
Kommunikation am 21. Februar 1995 vor dem Dail [Abgeordnetenhaus] abgegeben
habe.
- 40.
- Folglich seien Team und dementsprechend Aer Lingus zum Zeitpunkt der
streitigen Entscheidung nicht wirtschaftlich lebensfähig gewesen und habe kein
Umstrukturierungsplan vorgelegen, der ihre wirtschaftliche Lebensfähigkeit hätte
gewährleisten können. Da ein solcher Umstrukturierungsplan gefehlt habe, sei die
Kommission nicht befugt gewesen, die zweite Beihilfetranche zu genehmigen (vgl.
z. B. Leitlinien der Kommission für die Anwendung der Artikel 92 und 93 EG-Vertrag sowie des Artikels 61 des EWR-Abkommens auf staatliche Beihilfen im
Luftverkehr, ABl. 1994, C 350, S. 5, Nr. 38), und sie sei erst recht nicht in der Lage
gewesen, die Schwierigkeiten so auszuräumen, daß es ihr möglich gewesen wäre,
das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 nicht einzuleiten.
- 41.
- Die Klägerin wendet sich außerdem gegen folgende Feststellung in der streitigen
Entscheidung (Absatz 13):
„Nach den letzten Vorausschätzungen geht die Aer Lingus davon aus, daß das
Team 1995 auf Betriebsebene wieder in die Gewinnzone vorstößt.“
- 42.
- Die Bedingungen für die Wiederaufnahme der Arbeit, die nach der Intervention
des Labour Court vereinbart worden seien, hätten nämlich die Durchführung des
Cahill-Plans und damit die Kostensenkung verhindert, die erforderlich gewesen
wären, damit Team in die Gewinnzone habe vorstoßen können.
- 43.
- Aus den gleichen Gründen wendet sich die Klägerin gegen die nach der zitierten
Passage der streitigen Entscheidung getroffene Feststellung, daß „[d]iese Annahme
... darauf [beruht], daß die Grundkosten der Gesellschaft weiter gesenkt werden
und es zu mehr Wartungsverträgen mit Dritten kommt“.
- 44.
- Nach Auffassung der Klägerin hat Team wegen des Widerstands der
Gewerkschaften 1994 keine Kostensenkung vorgenommen. Sie zitiert hierzu einen
Presseartikel (Irish Independent vom 27. März 1995), wonach der Minister für
Transport, Energie und Kommunikation erklärt habe, daß das Personal bei Team
zu keiner Zeit aus weniger als 1 750 Personen bestanden habe. Auch seien Team
wegen des Streiks von 1994 ihre sämtlichen Wartungsverträge mit Dritten
einschließlich der Verträge, die sie mit Virgin Atlantic Airways und mit Federal
Express geschlossen habe, verlorengegangen.
- 45.
- Die Klägerin vertritt schließlich die Meinung, daß die Feststellung in Absatz 25 der
streitigen Entscheidung, wonach die Probleme von Team beim
Umstrukturierungsplan nicht voraussehbar gewesen seien, offensichtlich falsch sei.
Ungeachtet der in der Entscheidung von 1993 aufgestellten Behauptung, daß das
Kostensenkungsprogramm zwischen der Gesellschaft und den Gewerkschaften
ausgehandelt worden sei, sei es zu keiner Übereinstimmung mit den
Gewerkschaften von Team gekommen. Es sei daher absehbar gewesen, daß es der
Geschäftsleitung von Team nicht gelungen sei, ein solches Abkommen zu schließen.
- Wettbewerb bei den Regionalverbindungen in das Vereinigte Königreich
- 46.
- Die Klägerin führt aus, daß die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob die
zweite Beihilfetranche als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen sei,
die Schwierigkeiten in bezug auf die Tätigkeit von Aer Lingus auf den Strecken
zwischen Dublin und den Regionalflughäfen im Vereinigten Königreich nicht habe
ausräumen können.
- 47.
- Die Klägerin trägt vor, nach der streitigen Entscheidung (S. 3 und 4) habe die
Tätigkeit von Aer Lingus auf diesen Strecken Verluste gebracht und die Strategie,
der sie folge, „gründe ... sich offensichtlich auf kurzfristige Erwägungen“ (Absatz
21). Unter diesen Umständen hätte die Kommission prüfen müssen, ob Aer Lingus
in der Lage gewesen sei, ihre Tätigkeit auf diesen Strecken so umzustrukturieren,
daß sie gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c eine gewisse wirtschaftliche
Lebensfähigkeit hätte erreichen können. Statt dessen habe die Kommission einfach
eine neue Bedingung vorgeschrieben, wonach „[d]ie irische Regierung ... die
Tätigkeit auf den Strecken längerfristig zu begründen haben [wird]“, und Irlandaufgefordert, der Kommission ausführliche Angaben über die Rentabilität der
betreffenden Verbindungen zu liefern, „um zu zeigen, daß die Beihilfe wie
ursprünglich geplant nicht zur Subventionierung einer Strecke oder einerStreckengruppe eingesetzt wurde, die aller Wahrscheinlichkeit nach in absehbarer
Zukunft nicht rentabel wird“ (Absatz 22).
- 48.
- Daraus gehe hervor, daß die Kommission zur Zeit des Erlasses der streitigen
Entscheidung daran gezweifelt habe, ob die Tätigkeit von Aer Lingus auf den
Regionalverbindungen in das Vereinigte Königreich längerfristig wirtschaftlich
lebensfähig sei, und daß die Kommission daher nicht habe prüfen können, ob die
Beihilfe die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige fördere.
- 49.
- Zudem hätten die betreffenden Verbindungen dadurch Verluste gebracht, daß Aer
Lingus nach der Entscheidung von 1993 auf ihrer Verbindung Dublin/Birmingham,
deren Bedienung die Klägerin im November 1993 begonnen habe, die Zahl der
zum Niedrigtarif verfügbaren Plätze beträchtlich erhöht habe, was die Klägerin
veranlaßt habe, eine förmliche Beschwerde gemäß Artikel 86 des Vertrages an die
Kommission zu richten. Auf den Verbindungen Dublin/Glasgow und
Dublin/Manchester, auf denen sich Aer Lingus ebenfalls im Wettbewerb mit der
Klägerin befunden habe, sei Aer Lingus ebenso vorgegangen. Aer Lingus habe
daher eine Politik verfolgt, die durch niedrige Tarife und ein erhöhtes Angebot
gekennzeichnet gewesen sei, um entgegen den in der Entscheidung von 1993
wiedergegebenen Beteuerungen der irischen Regierung den größtmöglichen
Marktanteil insbesondere auf dem Freizeitmarkt, auf dem die Klägerin
hauptsächlich tätig sei, zu erreichen.
- 50.
- Die Klägerin trägt darüber hinaus vor, daß die in der streitigen Entscheidung
(Absatz 21) gegebene Begründung für die „kurzfristige“ Strategie, der Aer Lingus
auf diesen Strecken folge, nämlich daß „... beispielsweise über Zubringerstrecken
mehr Fahrgäste aus dem Vereinigten Königreich auf ihre Nordatlantikrouten
geschleust werden [sollen]“, offensichtlich unzutreffend sei, da nur zwei von
sechzehn täglichen Flügen von Dublin nach Birmingham, Manchester und Glasgow
Fluggäste für die Transatlantikverbindungen beförderten.
- Neue Flugzeuge BAe 146
- 51.
- Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe zum Zeitpunkt des Erlasses der
streitigen Entscheidung gewußt, daß Aer Lingus beabsichtigt habe, die Beihilfe zum
Erwerb einer Flotte von drei Flugzeugen BAe 146-300 mit 110 Plätzen,
insbesondere für den Einsatz auf den Regionalverbindungen Vereinigtes
Königreich-Irland, zu verwenden, um ihre Flotte von vier Maschinen des Typs Saab
SF 340 mit 34 Plätzen zu ersetzen. In der streitigen Entscheidung (Absatz 22) habe
die Kommission jedoch festgestellt, daß „die Ersetzung kleiner Turboprop-Flugzeuge durch Jets auf den Strecken nach dem Vereinigten Königreich die Frage
aufwerfen [könnte], ob das zusätzliche Kapazitätsangebot angemessen ist“. Die
Kommission habe daher Irland aufgefordert (gleicher Absatz), ihr ausführlicheAngaben über die Rentabilität der betreffenden Verbindungen zu liefern, um zu
zeigen, daß die Beihilfe „nicht zur Subventionierung einer Strecke ... eingesetzt
wurde, die aller Wahrscheinlichkeit nach in absehbarer Zukunft nicht rentabel
wird“. Folglich sei sich die Kommission über die Frage im unklaren gewesen, ob
die Beihilfe eine Überkapazität schaffe oder vergrößere, die die
Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise
verändern könne (Urteil Philip Morris/Kommission, a. a. O., Randnr. 26, und Urteil
des Gerichtshofes vom 8. März 1988 in den Rechtssachen 62/87 und 72/87, Exécutif
régional wallon und Glaverbel/Kommission, Slg. 1988, 1573, Randnrn. 30 und 31).
- 52.
- Ferner verfüge Aer Lingus, da sie in dem am 31. Dezember 1994 abgelaufenen
Geschäftsjahr einen Verlust vor Steuern in Höhe von 128,8 Millionen IRL erlitten
habe, nicht über die zum Erwerb der Flugzeuge BAe 146 ausreichende Liquidität,
und sie habe die zweite Beihilfetranche dafür verwenden müssen. Im übrigen
ergebe sich aus dem Jahresbericht von Aer Lingus, daß diese eine Rückstellung in
Höhe von 6,5 Millionen IRL für die Kosten im Zusammenhang mit der Aufhebung
der Verträge für die vier Saab SF 340 vorgenommen habe. Dies hätte Aer Lingus
ohne die fragliche Beihilfe nicht tun können.
- 53.
- Die Klägerin führt außerdem Statistiken zum Nachweis dafür an, daß eine
Ausweitung der Kapazität auf den betreffenden Strecken vollständig unangebracht
gewesen wäre, berücksichtige man u. a. den Rückgang des Fluggastverkehrs von
Aer Lingus auf diesen Strecken und die geringen Auslastungsquoten. In einem
solchen Fall von Überkapazitäten sei die Kommission nicht befugt, eine Beihilfe
gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages zu genehmigen (Urteile des
Gerichtshofes Philip Morris/Kommission und Exécutif régional wallon und
Glaverbel/Kommission, sowie vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-303/88,
Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1433, Randnr. 38).
- 54.
- Schließlich macht die Klägerin geltend, die Anschaffung der Flugzeuge BAe 146
habe gegen Artikel 1 Buchstabe d der Entscheidung von 1993 verstoßen. Diese
Bestimmung sei nämlich dahin auszulegen, daß es Aer Lingus während der ganzen
Laufzeit des Umstrukturierungsplans untersagt gewesen sei, die
Gesamtsitzplatzkapazität ihrer Flotte zu erhöhen. Da es in der Entscheidung von
1993 heiße, die irische Regierung habe bestätigt, daß Aer Lingus ihre Marktanteile
nicht ausweiten und keine Expansionspolitik verfolgen werde, und außerdem der
Marktanteil nicht von der Anzahl der auf einer besonderen Strecke eingesetzten
Flugzeuge, sondern von der Zahl der verfügbaren Sitze abhänge, könne Artikel 1
Buchstabe d nur so ausgelegt werden, daß er habe sicherstellen sollen, daß Aer
Lingus die Gesamtzahl der in ihrer Betriebsflotte angebotenen Sitze nicht erhöhe.
Wäre es anders, so könnte Aer Lingus unbeschränkt eine „Überexpansionspolitik“
betreiben.
- Finanzlage der Fluggesellschaft und des Aer-Lingus-Konzerns
- 55.
- Nach Auffassung der Klägerin ist der Kommission ein offensichtlicher
Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie in der streitigen Entscheidung angenommen
habe, daß das Kostensenkungsziel in Höhe von 50 Millionen IRL von der
Fluggesellschaft von Aer Lingus verwirklicht worden sei.
- 56.
- Die Entscheidung von 1993 habe 1 280 Entlassungen bei der Fluggesellschaft
vorgesehen, obwohl der Jahresbericht von Aer Lingus für das am 31. Dezember
1994 beendete Geschäftsjahr angebe, daß lediglich 841 Entlassungen vorgenommen
worden seien. Nach Ansicht der Klägerin handelt es sich, selbst wenn man die
Behauptung der Kommission gelten lasse, daß 935 Beschäftigte im Rahmen des
Personalabbauplans das Unternehmen verlassen hätten, gleichwohl um eine Zahl,
die weniger als zwei Drittel dessen ausmache, was im Cahill-Plan vorgesehen
gewesen sei.
- 57.
- Die Einführung marktgerechter Preise bei den für Wartungsdienste an Team
gezahlten Entgelten und die sich aus den gestiegenen Verlusten von Team
ergebende Vorausschau, auf die die streitige Entscheidung Bezug nehme,
bedeuteten wahrscheinlich, daß die Entgelte an einem niedrigeren Niveau als dem
des Marktes ausgerichtet gewesen seien. Dieses Beibehalten der Praxis von
Transferpreisen stelle die Umstrukturierung der Luftfahrtgesellschaft in Frage. Es
zeige außerdem, daß die tatsächlichen Kosten der Luftfahrtgesellschaft - und somit
jede Kostensenkung - nicht hätten bestimmt werden können.
- 58.
- Im übrigen sei die Schlußfolgerung in der streitigen Entscheidung, daß „die
Ergebnisse im Luftfahrtgeschäft, entsprechend dem Endziel der Umstrukturierung,
unter Beweis stellen, daß der Konzern das Potential besitzt, eine tragfähige Position
zu erlangen“ (Absatz 23), weder mit einer Erläuterung noch mit der Angabe von
der Kommission ausgewerteter Daten versehen. Eine solche Erläuterung sei
insbesondere wegen der üblicherweise undurchsichtigen Buchführungspraktiken von
Aer Lingus erforderlich gewesen.
- 59.
- Die offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Schlußfolgerung der Kommission, daß der
Aer-Lingus-Konzern das Potential besitze, eine tragfähige Position zu erlangen,
zeige sich im übrigen im Ausmaß der Betriebsbeihilfe, die die Luftfahrtgesellschaft
1994 in Anspruch genommen habe und die durch die außergewöhnlichen
Positionen von 30 Millionen IRL („Neupositionierung - Luftfahrtgeschäft und
Team“) sowie von 5,4 Millionen IRL („Weiteres“) offengelegt worden sei, die in
seinen für das am 31. Dezember 1994 beendete Geschäftsjahr veröffentlichten
Bilanzen aufgeführt seien. Außerdem habe Aer Lingus ausweislich ihrer Bilanzen
während der 12 Monate bis zum 31. März 1993 Verluste vor Steuern in Höhe von
147 Millionen IRL (unter Ausschluß der Verbuchung einer Investition in eine
Gesellschaft zur Vermietung von Luftfahrzeugen auf dem Gewinn- und
Verlustkonto) und während der 21 Monate bis zum 31. Dezember 1994 in Höhe
von 128,8 Millionen IRL erlitten. Diese Zahlen stünden im Widerspruch zu den
Vorausschätzungen im Cahill-Plan über einen Verlust in den 12 Monaten bis zum31. März 1994 in Höhe von 63 Millionen IRL und über einen Gewinn in den 12
Monaten bis zum 31. März 1995 in Höhe von 1 Million IRL.
- Verkauf der Copthorne-Hotelkette
- 60.
- Die Klägerin weist darauf hin, daß der Verkauf der Copthorne-Hotelkette durch
Aer Lingus in der Entscheidung von 1993 als integrierender Bestandteil des Cahill-Plans genannt worden sei. In der streitigen Entscheidung (Absatz 18) sei diese
Kette als das Kernstück der Veräußerung von Vermögenswerten entsprechend dem
Umstrukturierungsprogramm beurteilt worden.
- 61.
- Allerdings habe die Kommission in der streitigen Entscheidung angegeben, daß der
Verkauf hinausgeschoben worden sei und somit das Erreichen von
Verschuldungsgrad und Zinsdeckungsquote von März 1997 bis Mitte 1999 verzögert
werde. Im übrigen habe sie bloß ausgeführt (Absatz 19), daß „die Hotelkette ...
umgehend verkauft werden sollte, sobald auf dem Markt angemessene
Bedingungen herrschen“, und daher Aer Lingus von jeder Verpflichtung befreit, die
Copthorne-Hotels innerhalb einer bestimmten Frist zu verkaufen. Dies werde durch
den Jahresbericht von Aer Lingus für das am 31. Dezember 1994 beendete
Geschäftsjahr bestätigt, in dem es heiße, daß die Geschäftsleitung von Aer Lingus
„die auf den Rat von Fachleuten gestützte Absicht [hat], dieses Investitionsgut in
absehbarer Zukunft zu behalten, um den größtmöglichen Verkaufserlös für dieses
Investitionsgut zu gewährleisten“.
- 62.
- Demnach habe die Kommission nicht zu dem Ergebnis kommen können, daß die
Gewährung der zweiten Beihilfetranche die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige
fördern werde. Sie habe nämlich weder gewußt, wann, noch, ob Aer Lingus
überhaupt eine gesunde Bilanz erreichen werde. Folglich habe die Beihilfe nicht
als Umstrukturierungsbeihilfe genehmigt werden können. Außerdem habe der
Umstand, daß Aer Lingus ihre hohe Verschuldung nicht durch die Veräußerung
der Hotelkette gesenkt habe, zu einer Verwendung der staatlichen Beihilfe für die
Tilgung ihrer kurzfristigen Schulden einschließlich der hohen Kreditkosten geführt.
Aus diesem weiteren Grund sei die zweite Beihilfetranche keine echte
Umstrukturierungsbeihilfe gewesen.
- 63.
- Jedenfalls wäre die Veräußerung der Copthorne-Hotels für eine Erholung der
Bilanz von Aer Lingus nicht ausreichend gewesen. Die Zeitung The Sunday
Independent vom 10. Juli 1994 habe berichtet: „Die mit der Aufstellung der
Ergebnisse beschäftigten Buchhaltungsexperten befürchten offenbar, daß der Wert
der Aer Lingus gehörenden Copthorne-Hotelkette in der Bilanz zu hoch angegeben
wird.“ Aer Lingus habe insoweit in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung für das am
31. Dezember 1994 beendete Geschäftsjahr 17,2 Millionen IRL abgeschrieben. Der
Kommission sei daher ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie zu
dem Ergebnis gekommen sei, daß die Veräußerung der Copthorne-Hotels die
Verschuldung von Aer Lingus auf das ursprünglich vorgesehene Niveau senkenwerde, und von Aer Lingus nicht verlangt habe, weiteres Anlagevermögen im Wert
von 17,2 Millionen IRL zu veräußern. Die Kommission habe es zudem versäumt,
zu erläutern, wie der vorgesehene Verschuldungsgrad und die vorgesehene
Zinsdeckungsquote hätten erreicht werden können.
- 64.
- Die Klägerin zieht aus alledem den Schluß, daß die Kommission entweder nicht in
der Lage gewesen sei, die Schwierigkeiten in bezug auf die Vereinbarkeit der
zweiten Beihilfetranche mit dem Gemeinsamen Markt auszuräumen, und daß sie
daher eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften begangen habe, als sie nicht
das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eingeleitet habe, oder daß
ihr ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei, als sie in der streitigen
Entscheidung festgestellt habe, daß die zweite Beihilfetranche mit dem
Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Folglich seien die beiden Hauptklagegründe,
nämlich die Verletzung wesentlicher Formvorschriften und der offensichtliche
Beurteilungsfehler, stichhaltig.
- 65.
- Neben ihren beiden Hauptklagegründen erhebt die Klägerin zusätzlich folgende
Rügen:
- Aus der streitigen Entscheidung gehe hervor, daß die Kommission weder
jemals die Auswirkungen der betreffenden Beihilfe auf den Wettbewerb
tatsächlich geprüft noch die Wettbewerbsentwicklung seit ihrer
Entscheidung von 1993 berücksichtigt habe;
- Irland habe gegen Artikel 1 Buchstabe b der Entscheidung von 1993
verstoßen, der der irischen Regierung aufgegeben habe, darüber zu wachen,daß Aer Lingus den Cahill-Plan so durchführe, wie er der Kommission
mitgeteilt worden sei;
- der Kommission sei ein Rechtsfehler unterlaufen, als sie bei der ungeachtet
des Verstoßes gegen Artikel 1 Buchstabe a der Entscheidung von 1993
erfolgten Genehmigung der zweiten Beihilfetranche notwendigerweise ein
anderes Kriterium angewandt habe, als in dieser Entscheidung angewandt
worden sei;
- die streitige Entscheidung weise insbesondere hinsichtlich folgender
Gesichtspunkte einen Begründungsmangel auf: die Aufforderung der
Kommission an die irische Regierung, ihr bis zum 30. Juni 1995 einen
ergänzenden Bericht über Team und Aer Lingus zu liefern; die
Schlußfolgerung, daß der Aer-Lingus-Konzern das Potential besitze, eine
tragfähige Position zu erlangen; die Schlußfolgerung, daß die zweite
Beihilfetranche mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein könne, ohne
daß es einen Umstrukturierungsplan gebe, der auf die langfristige
Wiederherstellung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit von Aer Lingus
abziele; der Grund, weshalb die Kommission von Aer Lingus nicht verlangt
habe, die Copthorne-Hotels zu verkaufen; die Schlußfolgerung, daß dieBeihilfe ungeachtet der Finanzlage des Aer-Lingus-Konzerns und der
Luftfahrtgesellschaft habe genehmigt werden können; die zur
Verwirklichung des Umstrukturierungsplans erforderliche Frist.
Vorbringen der Kommission und der Streithelfer
- 66.
- Die Kommission macht zunächst geltend, daß die streitige Entscheidung in
Wirklichkeit ein Instrument mit Doppelcharakter sei, da sie eine Ausnahme von
Artikel 1 Buchstabe a der Entscheidung von 1993 und zugleich Erläuterungen
enthalte, die gemäß Artikel 1 Buchstabe b dieser Entscheidung gegeben worden
seien. Solche Erläuterungen stellten keine Handlung dar, die mit einer Klage im
Sinne von Artikel 191 des Vertrages angefochten werden könne, und könnten
daher nicht Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung sein (Urteil des
Gerichtshofes vom 14. Januar 1981 in der Rechtssache 35/80, Denkavit Nederland,
Slg. 1981, 45, Randnr. 35).
- 67.
- Die Vereinbarkeit der Beihilfe als Umstrukturierungsbeihilfe gemäß Artikel 92
Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages sei sachlich in der Entscheidung von 1993
geprüft worden. Die Zahlung von 175 Millionen IRL an Aer Lingus sei bereits
durch diese Entscheidung genehmigt worden.
- 68.
- Beabsichtige die Kommission die Freigabe einer neuen Beihilfetranche gemäß
einem bereits genehmigten Umstrukturierungsplan, so sei sie folglich nicht befugt
und erst recht nicht verpflichtet, erneut zu prüfen, ob die Zahlung dieser neuen
Tranche mit Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages vereinbar sei (vgl.
Urteil des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-47/91,
Italien/Kommission, Slg. 1994, I-4635). Sie sei zur Vornahme einer solchen Prüfung
nur berechtigt, wenn sie in ihre ursprüngliche Genehmigung insoweit einen
speziellen Vorbehalt aufgenommen habe oder wenn sie aus einer früheren Prüfung
den Schluß ziehe, daß die in der ursprünglichen Entscheidung festgelegten
Bedingungen nicht vollständig erfüllt seien.
- 69.
- Demnach wäre eine neue Entscheidung nur dann erforderlich gewesen, wenn die
in Artikel 1 Buchstabe a der Entscheidung von 1993 vorgesehene Kostensenkung
um 50 Millionen IRL nicht verwirklicht worden wäre. Bei ihrer erneuten Prüfung
der Vereinbarkeit der Beihilfe in diesem speziellen Fall wäre die Kommission
verpflichtet gewesen, die bereits in der Entscheidung von 1993 berücksichtigten
Umstände sowie die Verpflichtungen zu berücksichtigen, die diese frühere
Entscheidung dem betreffenden Staat habe auferlegen können (Urteil des
Gerichtshofes vom 3. Oktober 1991 in der Rechtssache C-261/89,
Italien/Kommission, Slg. 1991, I-4437). Somit sei die Kommission nicht verpflichtet
gewesen, den Umstrukturierungsplan erneut unter sämtlichen Aspekten zu prüfen.
Es sei ausreichend gewesen, sich auf die Bestandteile zu konzentrieren, die sich seit
der ursprünglichen Beurteilung geändert hätten.
- 70.
- Im übrigen sei die Kommission nur dann verpflichtet, das Verfahren nach Artikel
93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten, wenn sie Zweifel an der Vereinbarkeit einer
Beihilfe habe und wenn diese Zweifel bei der Vorprüfung nicht ausgeräumt werden
könnten. Die Kommission behauptet, daß, welche Zweifel sie zu Beginn auch
immer gehabt habe, diese zu keiner Zeit ernster Natur gewesen seien und daß die
Vorprüfung sie jedenfalls ausgeräumt habe.
- 71.
- Die Kommission trägt vor, sie habe vor Erlaß der streitigen Entscheidung einen
Bericht der irischen Regierung vom 3. November 1994 erhalten, der bestätigt habe,
daß die in der Entscheidung von 1993 genannten Bedingungen erfüllt seien (mit
Ausnahme der Kostensenkung um 50 Millionen IRL auf Konzernebene), sowie
einen Bericht von Aer Lingus über den Stand der Umsetzung des
Umstrukturierungsprogramms und einen Bericht von Arthur Andersen & Co, die
die irische Regierung als unabhängige Buchhaltungsexperten mit der Prüfung der
von Aer Lingus gelieferten finanziellen Informationen beauftragt habe. Zudem
habe die Kommission die gelieferten Informationen selbst geprüft, indem sie
Coopers & Lybrand, Berater mit einschlägiger Erfahrung, eingeschaltet habe, die
ihren Bericht am 9. Dezember 1994 eingereicht hätten.
- 72.
- Aus diesen Berichten gehe hervor, daß hinsichtlich der verschiedenen im Cahill-Plan vorgesehenen Umstrukturierungsmaßnahmen erhebliche Fortschritte erzielt
worden seien. Die Prüfungen durch Arthur Andersen & Co und durch Coopers &
Lybrand hätten insbesondere gezeigt, daß die Rentabilität der Luftfahrtgesellschaft
sowie die Rückführung der Schulden über die Planziele hinaus gegangen seien.
Obwohl die außergewöhnlichen Positionen - wegen der gegenüber den
Vorausschätzungen höheren Kosten des Personalabbaus - höher gewesen seien als
vorgesehen, seien die Berater zu dem Ergebnis gelangt, daß die Ergebnisse trotz
der Schwierigkeiten und Verzögerungen in bezug auf Team mit dem Ziel der
Rückkehr von Aer Lingus zur wirtschaftlichen Lebensfähigkeit im Einklang
stünden.
- 73.
- Was die jährliche Kostensenkung um 50 Millionen IRL betreffe, so habe die
Luftfahrtgesellschaft nach den Berichten der Fachleute eine Kostensenkung um
61,1 Millionen IRL verwirklicht. Auf Konzernebene sei das Ziel von 50 Millionen
IRL allerdings nicht erreicht worden, weil bestimmte Einsparungen der
Luftfahrtgesellschaft auf Kosten von Team erzielt worden seien. Während nämlich
vor der Änderung der 1993 zwischen der Luftfahrtgesellschaft und Team
geschlossenen Wartungsverträge die Luftfahrtgesellschaft Team höhere als die
marktüblichen Entgelte gezahlt habe, was eine Quersubventionierung von Team
gewesen sei, habe sie nach der Änderung der Verträge die von Team geleisteten
Wartungsarbeiten zu marktüblichen Entgelten vergütet. Da die Kommission der
Ansicht gewesen sei, daß die von der Luftfahrtgesellschaft im Rahmen ihres
Vertrages mit Team erzielten Einsparungen nicht als eine echte Kostensenkung für
den Konzern hätten angesehen werden können, sei sie zu dem Ergebnis gelangt,
daß die tatsächliche Kostensenkung auf Konzernebene 42,4 Millionen IRL betragen
habe, d. h. 7,6 Millionen IRL weniger als das Ziel von 50 Millionen IRL. Unterdiesem Vorbehalt habe die Kommission die Auffassung vertreten, daß Aer Lingus
die Ziele des Cahill-Plans weitgehend verwirklicht habe und daß alle übrigen
Bedingungen der Entscheidung von 1993 erfüllt gewesen seien.
- 74.
- Unter diesen Umständen habe die Kommission angesichts der Komplexität einer
Reorganisation wie der von Aer Lingus vorgenommenen und des Umstands, daß
jede Reorganisation naturgemäß auf Voraussagen gestützt sei, von denen sich
einige als falsch erweisen könnten, festgestellt, daß die tatsächlichen Abweichungen
vom Cahill-Plan relativ gering gewesen seien und nur eine einzige der
Voraussetzungen für die Genehmigung der Umstrukturierungsbeihilfe betroffen
hätten, so daß weder die Verwirklichung des Cahill-Plans noch dessen Ziel, nämlich
die Wiederherstellung des Aer-Lingus-Konzerns als wirtschaftlich lebensfähiger und
auf finanziellem Gebiet eigenständiger Einheit, bedroht gewesen seien.
- 75.
- Speziell zur Frage, ob die Beihilfe die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige im
Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages fördere, sei die
Kommission zu dem Ergebnis gelangt, daß sich das Umstrukturierungsprogramm
auf einem guten Weg befinde und daß das Gesamtziel noch erreicht werden könne,
selbst wenn das Kostensenkungsziel nicht vollständig verwirklicht gewesen sei.
- 76.
- Was die Auswirkungen der Beihilfe auf die Handelsbedingungen angehe, so habe
der Umstand, daß die Umstrukturierungskosten höher gewesen seien als
vorgesehen, den Wettbewerb zwischen Verkehrsunternehmen nicht beeinträchtigt.
Der größte Teil der ersten Beihilfetranche (57 Millionen IRL von 75 Millionen) sei
für die Finanzierung des Personalabbaus und die damit zusammenhängenden
Kosten aufgewandt worden, und der Restbetrag sei zur Rückführung der Schulden
verwendet worden. Daß das Kostensenkungsziel von 50 Millionen IRL nicht
erreicht worden sei, habe keinerlei nachteilige Folgen für diejenigen gehabt, die mit
Aer Lingus im Wettbewerb stünden.
- 77.
- Schließlich bestreitet die Kommission die Stichhaltigkeit der speziellen Argumente
der Klägerin in bezug auf Team, die Regionalverbindungen in das Vereinigte
Königreich, die Flugzeuge BAe 146, die Finanzlage der Luftfahrtgesellschaft und
des Aer-Lingus-Konzerns sowie die Copthorne-Hotelkette. Sie ist der Meinung, daß
die Entscheidung keinen Begründungsmangel aufweise.
- 78.
- Aer Lingus und Irland unterstützen das Vorbringen der Kommission. Aer Lingus
trägt u. a. vor, bei Team habe es keinen Streik gegeben sondern vielmehr eine
durch die Geschäftsleitung verursachte betrieblich bedingte Arbeitslosigkeit eines
Großteils der Beschäftigten. Der Umstrukturierungsplan werde künftig vollständig
umgesetzt, da die dritte Beihilfetranche von der Kommission in ihrer Entscheidung
vom 20. Dezember 1995 mit dem Titel „Zahlung der dritten Tranche der mit der
Entscheidung der Kommission [von] 1993 genehmigten Beihilfe an Aer Lingus“
(ABl. 1996, C 70, S. 2) freigegeben worden sei. Die Copthorne-Hotels seien 1995
verkauft worden. In bezug auf die Flugzeuge BAe 146 trägt Aer Lingus ergänzendvor, sie habe diese erst im Mai und Juni 1995 in Dienst gestellt. Die für die
Flugzeuge BAe 146 entrichteten Monatsmieten seien geringer als die früheren
finanziellen Lasten im Zusammenhang mit den Saab-Flugzeugen, an deren Stelle
sie getreten seien.
Würdigung durch das Gericht
Natur des angefochtenen Rechtsakts
- 79.
- Zunächst ist das Argument der Kommission zu prüfen, daß die streitige
Entscheidung einen „Doppelcharakter“ aufweise und bestimmte Feststellungen in
bezug auf die Nichteinhaltung der in Artikel 1 Buchstabe a der Entscheidung von
1993 genannten Bedingung durch Aer Lingus und bloße, nicht mit einer Klage
anfechtbare „Erläuterungen“ enthalte, die die Kommission zu weiteren Aspekten
der Entwicklung des Umstrukturierungsplans und des Aer-Lingus-Konzerns gemäß
Artikel 1 Buchstabe b dieser Entscheidung gegeben habe.
- 80.
- Insoweit geht aus der streitigen Entscheidung hervor, daß die Kommission vor der
Genehmigung der zweiten Beihilfetranche nicht nur die Gründe geprüft hat, aus
denen Aer Lingus die in Artikel 1 Buchstabe a der Entscheidung von 1993
genannte Bedingung nicht einhalten konnte, sondern auch den Stand der
Umsetzung des Umstrukturierungsplans unter allen seinen Aspekten in bezug auf
die Finanzlage des Aer-Lingus-Konzerns und der Luftfahrtgesellschaft, die auf den
Regionalverbindungen in das Vereinigte Königreich verfolgte Strategie, die
Vorschläge für Änderungen an der Aer-Lingus-Flotte sowie den Stand des
Vorhabens, die Copthorne-Hotelkette zu verkaufen. Außerdem ergibt sich aus
Absatz 25 der streitigen Entscheidung, daß die Kommission nur „aus dieser“
Gesamtbeurteilung der genannten Aspekte von ihrer Entscheidung von 1993
abgewichen ist und die irische Regierung ermächtigt hat, die zweite Beihilfetranche
an Aer Lingus auszuzahlen.
- 81.
- Aus dem gleichen Absatz der streitigen Entscheidung geht ferner hervor, daß es bei
den Irland zusätzlich auferlegten Verpflichtungen nicht nur um die in Artikel 1
Buchstabe a der Entscheidung von 1993 genannte Kostensenkung um 50 Millionen
IRL, sondern auch um sämtliche Einzelheiten der Beurteilung geht, die die
Kommission in dieser Entscheidung dargelegt hat.
- 82.
- Demnach können die anderen Gründe der streitigen Entscheidung als die
unmittelbar mit der in Artikel 1 Buchstabe a der Entscheidung von 1993 genannten
Kostensenkung um 50 Millionen IRL zusammenhängenden nicht als bloße
„Erläuterungen“ ohne Rechtsfolgen angesehen werden, sondern sind integrierender
Bestandteil des angefochtenen Rechtsakts. Daraus folgt auch, daß die gesamte
streitige Entscheidung schon aufgrund ihrer Natur die Klägerin beschwert.
- 83.
- Folglich unterliegt die gesamte streitige Entscheidung unter den Voraussetzungen
des Artikels 173 Absatz 2 des Vertrages der Nachprüfung durch das Gericht.
Zum Klagegrund der Verletzung wesentlicher Formvorschriften
- 84.
- Es ist unstreitig, daß Irland sich gemäß der Bedingung des Artikels 1 Buchstabe a
der Entscheidung von 1993 verpflichtet hatte, die zweite Beihilfetranche nicht
freizugeben, wenn es Aer Lingus nicht gelinge, das Ziel der jährlichen
Kostensenkung um 50 Millionen IRL zu verwirklichen. Aus Abschnitt VI der
Entscheidung von 1993 geht ferner hervor, daß die in ihrem Artikel 1 Buchstabe
a genannten Bedingungen auferlegt wurden, „[um sicherzustellen], daß [die
Beihilfe] die Handelsbedingungen nicht in einem Maße beeinträchtigt, das demgemeinsamen Interesse zuwiderläuft“. Laut Abschnitt V Absatz 21 Nummer 4
dieser Entscheidung war die in dem Plan vorgesehene Kostensenkung für die
Kommission „eine wesentliche Voraussetzung“ für die Zahlung der zweiten und der
dritten Tranche der Beihilfe.
- 85.
- Daher stellt sich die Frage, welches Verwaltungsverfahren die Kommission
anzuwenden hat, wenn sie im Anschluß an ein Verfahren nach Artikel 93 Absatz
2 gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages eine in Tranchen
aufgeteilte staatliche Beihilfe vorbehaltlich der Erfüllung einer Reihe von
Bedingungen genehmigt hat, sich später jedoch herausstellt, daß eine der
Bedingungen nicht erfüllt ist.
- 86.
- Das Gericht vertritt zunächst die Auffassung, daß die Nichteinhaltung einer
Bedingung, die in einer Entscheidung über die Genehmigung einer Beihilfe gemäß
Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages vorgesehen ist, dazu führt, daß die
weiteren Tranchen der Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar
anzusehen sind. Daher können die folgenden Tranchen nicht freigegeben werden,
ohne daß die Kommission eine neue Entscheidung erläßt, mit der eine
ausdrückliche Ausnahme von der fraglichen Bedingung zugelassen wird.
- 87.
- Die Kommission hat also zuerst zu prüfen, ob eine solche Ausnahme gewährt
werden kann, und sich dabei zu vergewissern, daß die folgenden Beihilfetranchen
unter den Voraussetzungen des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages
noch mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind (vgl. analog Urteil des
Gerichtshofes vom 5. Oktober 1994, Italien/Kommission, Randnrn. 24 bis 26).
Gelangt die Kommission aufgrund einer solchen Prüfung zu der Überzeugung, daß
die folgenden Beihilfetranchen nicht mehr mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar
sind, oder erlaubt die Prüfung es ihr nicht, sämtliche bei der Beurteilung der
Vereinbarkeit der folgenden Tranchen mit dem Gemeinsamen Markt aufgetretenen
Schwierigkeiten auszuräumen, so hat sie alle erforderlichen Stellungnahmen
einzuholen und dazu das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages
einzuleiten oder gegebenenfalls erneut einzuleiten (vgl. analog Urteile des
Gerichtshofes, Cook/Kommission, Randnr. 29, und vom 2. April 1998 in der
Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval, Slg. 1998, I-1719, Randnrn. 38 bis
40). Außerdem ist in einem solchen Fall analog zu Artikel 93 Absatz 3 desVertrages die Zahlung der betreffenden Beihilfe auszusetzen, bis die Kommission
ihre endgültige Entscheidung erläßt.
- 88.
- Das Gericht vertritt ferner die Auffassung, daß die Kommission, sobald sie am
Ende eines Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 eine mit Bedingungen versehene
Entscheidung über die Genehmigung einer Beihilfe erlassen hat, nicht über den
Rahmen ihrer ursprünglichen Entscheidung hinausgehen kann, ohne erneut ein
solches Verfahren einzuleiten. Ist also eine der Bedingungen, von denen die
Genehmigung einer Beihilfe abhängig war, nicht erfüllt, so kann die Kommission
normalerweise nur dann ohne erneute Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93
Absatz 2 des Vertrages eine von dieser Bedingung abweichende Entscheidung
erlassen, wenn es sich um relativ geringfügige Abweichungen von der
ursprünglichen Bedingung handelt, so daß sie keine Zweifel an der weiteren
Vereinbarkeit der betreffenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt hat.
- 89.
- Hinzu kommt, daß die Kommission, da es sich vorliegend um eine bereits
grundsätzlich genehmigte Beihilfe handelt, die in aufeinanderfolgenden Tranchen
über einen relativ langen Zeitraum in Verbindung mit einem
Umstrukturierungsplan gezahlt wird, dessen Ergebnisse erst nach einer Reihe von
Jahren erreicht werden können, hinsichtlich des Einsatzes einer solchen Beihilfe
über eine bestimmte Verwaltungs- und Kontrollbefugnis verfügen muß, die es ihr
insbesondere ermöglicht, mit Entwicklungen fertig zu werden, die beim Erlaß der
ursprünglichen Entscheidung nicht vorhersehbar waren. Es ist daher nicht
ausgeschlossen, daß die Kommission im Licht einer nach der ursprünglichen
Entscheidung eingetretenen Änderung äußerer Umstände insbesondere die
Bedingungen für die Modalitäten der Umsetzung des Umstrukturierungsplans oder
seiner Kontrolle durch sie ohne erneute Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93
Absatz 2 des Vertrages anpassen kann, sofern allerdings derartige Anpassungen
keine Zweifel an der Vereinbarkeit der betreffenden Beihilfe mit dem
Gemeinsamen Markt hervorrufen.
- 90.
- Es ist daher zu prüfen, ob die Klägerin dargetan hat, daß die Kommission über den
Rahmen der Entscheidung von 1993 hinausgegangen ist, ohne das Verfahren nach
Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages erneut einzuleiten, oder daß die Beurteilungen,
auf die sie sich in der streitigen Entscheidung gestützt hat, Schwierigkeiten
aufwarfen, die geeignet waren, die erneute Einleitung eines solchen Verfahrens zu
rechtfertigen (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203, Randnr. 34). Nach ständiger
Rechtsprechung verfügt die Kommission bei der Anwendung der Artikel 93 Absatz
3 und 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages über ein weites Ermessen, dessen
Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt. Die Kontrolle durch
das Gericht hat sich daher auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die
Kommission die Grenzen ihres Ermessens bei der Beurteilung des Sachverhalts
nicht überschritten oder aber einen Ermessens- oder Verfahrensmißbrauch
begangen hat (vgl. Urteil Matra/Kommission, Randnrn. 23 bis 25). Diese
Rechtsprechung ist analog auf den vorliegenden Fall anwendbar.
- 91.
- Zur Frage, ob die Kommission über den Rahmen der Entscheidung von 1993
hinausgegangen ist, indem sie eine Ausnahme von der Bedingung des Artikels 1
Buchstabe a dieser Entscheidung zugelassen hat, weist das Gericht erstens darauf
hin, daß die Kommission der streitigen Entscheidung zufolge auf der Grundlage der
Prüfungen durch Arthur Andersen & Co und durch Coopers & Lybrand folgende
Feststellungen getroffen hat:
- „die Ergebnisse im Luftfahrtgeschäft, entsprechend dem Endziel der
Umstrukturierung, [stellen] unter Beweis ... , daß der Konzern das Potential
besitzt, eine tragfähige Position zu erlangen, die zur Entwicklung der
Luftfahrttätigkeit in einem Randgebiet der Gemeinschaft beitragen kann“,
so daß, „[v]orbehaltlich der genannten Punkte, die in erster Linie
strukturelle und strategische Änderungen betreffen, ... die Kommission
daher zu dem Schluß [gelangt], daß die Aer Lingus diejenigen Ziele, deren
Verwirklichung vernünftigerweise zu erwarten war, in dem betreffenden
Zeitraum erreicht hat“ (Absatz 23);
- den in Artikel 1 der Entscheidung von 1993 außer in Buchstabe a
niedergelegten Auflagen sei nachgekommen worden (Absatz 24);
- „der Stand der Umstrukturierung und die bereits erzielten Ergebnisse [sind]
befriedigend ... , obwohl das jährliche Kostensenkungsziel nur von der
Fluggesellschaft und nicht vom ganzen Konzern verwirklicht wurde; letzteres
ist auf die genannten besonderen Umstände zurückzuführen“ (Absatz 25).
- 92.
- Das Gericht weist zweitens darauf hin, daß die Kommission in der streitigen
Entscheidung Aer Lingus nicht von der Einhaltung der in Artikel 1 Buchstabe a der
Entscheidung von 1993 auferlegten Bedingung dispensiert hat, sondern lediglich die
Frist zur Erfüllung dieser Bedingung verlängert hat. Aus der streitigen
Entscheidung insgesamt geht nämlich hervor, daß die Kommission, auch wenn sie
vom Wortlaut des Artikels 1 Buchstabe a der Entscheidung von 1993 abgewichen
ist, dem zufolge vor der für Ende 1994 vorgesehenen Zahlung der zweiten
Beihilfetranche eine jährliche Kostensenkung um 50 Millionen IRL verwirklicht sein
sollte, den Umstand betont hat, daß diese Bedingung vor der für Ende 1995
vorgesehenen Zahlung der dritten Beihilfetranche erfüllt sein müsse.
- 93.
- Drittens ist der Zweck der in Artikel 1 Buchstabe a der Entscheidung von 1993
genannten Bedingung sehr weitgehend beachtet worden, auch wenn die Schwelle
einer jährlichen Kostensenkung um 50 Millionen IRL nicht erreicht worden ist. Die
Erklärung der Kommission, daß die Luftfahrtgesellschaft Ende 1994 eine
Kostensenkung um 61 Millionen IRL verwirklicht hat, ist nicht zu bezweifeln. Da
dieses Ergebnis der Luftfahrtgesellschaft allerdings teilweise auf eine Senkung der
im Wartungsvertrag zwischen der Luftfahrtgesellschaft und Team vereinbarten
Preise (vgl. Randnr. 73) zurückzuführen ist, was einen Anstieg der Verluste bei
Team zur Folge hatte, ist die Kommission zu der Schlußfolgerung gelangt, daß dietatsächliche Kostensenkung auf Konzernebene 42,4 Millionen IRL betragen hat.
Demnach lagen die auf Konzernebene Ende 1994 erzielten Kostensenkungen nur
um 7,6 Millionen IRL unter der formalen Schwelle von 50 Millionen IRL. Nach
Auffassung des Gerichts ist die Abweichung im Vergleich zu der in Artikel 1
Buchstabe a der Entscheidung von 1993 genannten Bedingung relativ gering.
- 94.
- Viertens ist, was nicht bestritten wird, der Umstand, daß die Schwelle einer
jährlichen Kostensenkung um 50 Millionen IRL nicht erreicht worden ist, im
wesentlichen dem Arbeitskampf bei Team in der zweiten Jahreshälfte 1994
zuzuschreiben. Auch wenn es bedauerlich ist, daß die Verhandlungen zwischen Aer
Lingus und den Gewerkschaften im Rahmen des Cahill-Plans nicht die Vertreter
der Beschäftigten von Team einbezogen haben, ist das Gericht der Auffassung, daß
der Arbeitskampf, der bei Team 1994 stattgefunden hat, und die anschließende
Befassung des Labour Court keine Ereignisse waren, die beim Erlaß der
Entscheidung von 1993 vorhersehbar waren.
- 95.
- Fünftens stellt die streitige Entscheidung nicht nur eine Ausnahme von Artikel 1
Buchstabe a der Entscheidung von 1993 dar, sondern sie enthält auch strengere
Bedingungen als die, die ursprünglich in Artikel 1 Buchstabe b dieser Entscheidung
vorgesehen waren. Die streitige Entscheidung stellt nämlich neue Bedingungen auf,
die Aer Lingus verpflichten, bis zum 30. Juni 1995 einen ausführlichen Bericht über
den Stand der Umsetzung des Umstrukturierungsprogramms bei Team vorzulegen
und dieses Programm unverzüglich durchzuführen sowie der Kommission
mindestens acht Wochen vor der Zahlung der dritten Beihilfetranche einen
detaillierten Finanzbericht insbesondere zur Kostensenkung um 50 Millionen IRL,
zum Verkauf der Copthorne-Hotelkette und zur Rentabilität der verschiedenen
Streckengruppen von Aer Lingus vorzulegen.
- 96.
- Demnach ist die Kommission durch die Zulassung einer zeitlich beschränkten
Ausnahme von Artikel 1 Buchstabe a der Entscheidung von 1993 nicht über den
Rahmen dieser Entscheidung hinausgegangen. Tatsächlich hat sie die in Artikel 1
Buchstaben a und b der Entscheidung von 1993 genannten Bedingungen neu
ausbalanciert, insbesondere um mit einer nicht vorhergesehenen Entwicklung der
Lage seit dem Erlaß dieser Entscheidung fertig zu werden und die Gesichtspunkte
zu berücksichtigen, die durch die detaillierte Prüfung des bis Ende 1994 erzielten
Fortschritts bei dem Umstrukturierungsplan, die die Kommission mit ihren
Experten vorgenommen hatte, zutage getreten waren. Nach Auffassung des
Gerichts entsprach ein solches Vorgehen im übrigen der Zielsetzung des durch die
Entscheidung von 1993 genehmigten Umstrukturierungsplans, nämlich die
wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Aer-Lingus-Konzerns und insbesondere der
Luftfahrtgesellschaft wiederherzustellen.
- 97.
- Somit war die Kommission zum Erlaß der streitigen Entscheidung berechtigt, soweit
sie in der Lage war, sämtliche bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der
betreffenden Tranche mit dem Gemeinsamen Markt aufgetretenen Schwierigkeiten
auszuräumen.
- 98.
- Es ist daher zu prüfen, ob trotz der Erwägungen, die das Gericht bereits dargelegt
hat, die von der Klägerin geltend gemachten speziellen Gesichtspunkte die
Kommission zu Zweifeln an der Vereinbarkeit der zweiten Beihilfetranche mit dem
Gemeinsamen Markt hätten veranlassen müssen, die sie gezwungen hätten, das
Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages erneut einzuleiten.
- Team
- 99.
- Was die Argumente der Klägerin in bezug auf Team betrifft (vgl. oben, Randnrn.
36 ff.), so hat die Kommission in der streitigen Entscheidung zwar erklärt, daß „sich
der Umstand, daß das Problem der anhaltenden Verluste von Team nicht bewältigt
wurde, auf den Umstrukturierungsplan auswirken [könnte]“. Jedoch lag Ende 1994
kein angemessener, zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit von
Team bestimmter Umstrukturierungsplan vor, wie die Äußerungen des
Vorsitzenden von Aer Lingus und des Ministers für Transport, Energie und
Kommunikation (vgl. oben, Randnr. 39) wie auch der Umstand bestätigen, daß die
Kommission selbst verlangt hat, daß ihr ein solcher Plan bis zum 30. Juni 1995
vorgelegt wird.
- 100.
- Darüber hinaus ist unstreitig, daß die Kommission zur Bewältigung dieser
Schwierigkeiten beschlossen hat, Irland die neue, in der streitigen Entscheidung
genannte Bedingung (Absatz 25 erster Gedankenstrich) aufzuerlegen, wonach
Irland zum einen vor Zahlung der dritten Beihilfetranche „bis zum 30. Juni 1995
der Kommission einen Bericht über den Stand der Umsetzung des
Umstrukturierungsprogramms bei Team und dessen finanzielle und wirtschaftliche
Entwicklung vorzulegen [hatte]; der Bericht [sollte] die finanziellen
Vorausschätzungen ... umfassen, auf denen die Strategie der Gesellschaft
basiert[e]“, und zum anderen das Umstrukturierungsprogramm für Team „ohne
jede weitere Verzögerung auf der Grundlage einer angemessenen
Unternehmensstrategie und einer gesunden Kapitalstruktur durchzuführen“ hatte.
- 101.
- Indem sich die Kommission bemüht hat, die Probleme bei Team auf diese Weise
statt durch Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages zu
lösen, hat sie nach Auffassung des Gerichts nicht die Grenzen ihrer Befugnis zur
Verwaltung und Kontrolle einer in Tranchen aufgeteilten Beihilfe überschritten.
- 102.
- Erstens sieht das Gericht nämlich keinen Grund, die Erklärung in den Schriftsätzen
der Kommission in Zweifel zu ziehen, daß nach der Wiederaufnahme der Arbeit
bei Team im Anschluß an die Empfehlungen des Labour Court Kostensenkungen
im Umfang von 18 Millionen IRL bei Team vorgenommen worden seien, so daß
Team für das Ziel einer jährlichen Kostensenkung um 50 Millionen IRL durch den
Aer-Lingus-Konzern kein Hindernis mehr dargestellt habe.
- 103.
- Zweitens hat die Klägerin keine konkreten Einzelheiten vorgetragen, die die
streitige Entscheidung in Frage stellen könnten, soweit es darin heißt, daß unterBerücksichtigung der letzten Vorausschätzungen von Aer Lingus und der neuen
Wartungsverträge Team „1995 wieder in die Gewinnzone vorstößt“. Aus den
Schriftsätzen der Kommission geht insbesondere hervor, daß seit 1992/93 bis Ende
1994 250 Betriebsangehörige von Team mit einem Kostenaufwand von 24 Millionen
IRL entlassen worden waren. Ebensowenig hat die Klägerin die von der
Kommission dem Gericht vorgelegte Liste der Wartungsverträge, über die Team
Ende 1994 verfügte, beanstandet.
- 104.
- Drittens ist zwar der Arbeitskampf von 1994 durch die Umsetzung des Cahill-Plans
bei Team ausgelöst worden, jedoch steht auch fest, daß sich die anschließende
Notwendigkeit, Anfang 1995 für Team einen neuen Plan auszuarbeiten, aus zwei
anderen, äußeren und nicht vorhersehbaren Faktoren ergeben hat, nämlich aus den
Schwankungen des Wechselkurses gegenüber dem Dollar und aus einer Rezession
auf dem globalen Markt der Wartungsdienste (vgl. die Erklärungen des
Vorsitzenden von Aer Lingus hierzu im Jahresbericht von Aer Lingus für den am
31. Dezember 1994 beendeten Zeitraum).
- 105.
- Viertens geht es bei Team nur um eine subsidiäre Tätigkeit des Aer-Lingus-Konzerns, die 12 % seines Umsatzes ausmacht.
- 106.
- Demnach vertritt das Gericht die Auffassung, daß die Kommission, insbesondere
angesichts der subsidiären Bedeutung von Team im Verhältnis zu den gesamten
Tätigkeiten des Aer-Lingus-Konzerns und der Unvorhersehbarkeit der Faktoren,
die für Team verlustbringend waren, zu Recht entschieden hat, daß die durch die
Lage bei Team aufgetretenen Schwierigkeiten durch die Auferlegung der
erwähnten neuen Bedingung ausgeräumt werden konnten, ohne daß es erforderlich
gewesen wäre, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages erneut
einzuleiten.
- 107.
- Diese Lösung ermöglichte es der Kommission nämlich, sich zu vergewissern, daß
die Probleme bei Team nicht den Umstrukturierungsplan für den gesamten
Konzern in Frage stellten und daß der Erfolg des Umstrukturierungsplans auch
nicht durch die Aussetzung der Zahlung der zweiten Beihilfetranche gefährdet
würde, zu der die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des
Vertrages geführt hätte.
- Regionalverbindungen in das Vereinigte Königreich
- 108.
- Was die Argumente der Klägerin in bezug auf die Regionalverbindungen in das
Vereinigte Königreich betrifft (vgl. oben, Randnrn. 46 ff.), so geht aus der streitigen
Entscheidung hervor, daß zur Zeit ihres Erlasses diese Verbindungen Verluste
brachten, anders als die Dienste von Aer Lingus nach Nordamerika, die
Verbindung Dublin/London und die europäischen Verbindungen, deren Ergebnisse
zufriedenstellend waren (Absatz 21). Außerdem geht aus der Entscheidung von
1993 hervor (Abschnitt II Absatz 1 Nummer 5), daß die irische Regierung bemerkt
hatte, daß die Kapitalzufuhr „nicht der Subventionierung von Strecken dienen soll,auf denen Verluste gemacht werden“, und daß sie „[i]m Anschluß an die
Umstrukturierung ... von der Fluggesellschaft verlangen [wird], daß sie jedes
größere Streckenbündel rentabel betreibt“.
- 109.
- Es ist jedoch festzustellen, daß Artikel 1 der Entscheidung von 1993 keine
ausdrückliche Bedingung dahin enthält, daß eine Streckengruppe von Aer Lingus
niemals Verluste bringen darf.
- 110.
- Im übrigen hat sich die irische Regierung nicht - auch nicht stillschweigend -
verpflichtet, dafür zu sorgen, daß sämtliche verlustbringenden Verbindungen von
Aer Lingus vor der Zahlung der zweiten Beihilfetranche, also im ersten Jahr nach
Genehmigung des Umstrukturierungsplans, dessen Umsetzung auf drei Jahre
angelegt war, eingestellt würden.
- 111.
- Darüber hinaus ergibt sich aus den Schriftsätzen der Verfahrensbeteiligten, daß sich
die Wettbewerbssituation auf den Regionalverbindungen in das Vereinigte
Königreich seit Erlaß der streitigen Entscheidung insbesondere aufgrund der
Einführung neuer Dienste durch die Klägerin selbst entwickelt hat.
- 112.
- Unter diesen Umständen hat die Kommission vor dem Gericht ausgeführt, sie habe
auf der Grundlage der in ihrem Auftrag von Coopers & Lybrand Ende 1994
erstellten Studie gemeint, daß eine Entscheidung darüber, ob die von Aer Lingus
auf den Regionalverbindungen in das Vereinigte Königreich verfolgte Strategie
langfristig gerechtfertigt sei, verfrüht sei.
- 113.
- Sie hat daher in der streitigen Entscheidung ausgeführt (Absätze 21 und 22):
„Die irische Regierung wird die Tätigkeit auf den Strecken längerfristig zu
begründen haben. Dies hat dadurch zu geschehen, daß die Einnahmen den
vollständig zugewiesenen Kosten für die Strecke gegenübergestellt werden und
berücksichtigt wird, daß das eingesetzte Kapital einen angemessenen Ertrag zu
erwirtschaften hat. In dieser Hinsicht wird 1995 ein entscheidendes Jahr sein, indem
es bestätigt, daß sich die Aer Lingus weiter in die richtige Richtung bewegt und auf
dem Weg zur längerfristig gesicherten wirtschaftlichen Lebensfähigkeit befindet.
Die Aer Lingus wird daher zeigen müssen, daß sie auf diesen Strecken mit einer
akzeptablen Rentabilität tätig sein kann ...“
- 114.
- Auch wenn die in der streitigen Entscheidung erwähnte Strategie, wonach die
Regionalverbindungen in das Vereinigte Königreich als Zubringer für die
Nordatlantikverbindungen von Aer Lingus benutzt werden, nur zum Teil eine
Rechtfertigung für die Hinnahme anhaltender Verluste auf den betreffenden
Regionalverbindungen darstellt, so kann das Gericht doch nicht aufgrund der
Angaben der Klägerin die Erklärung der Kommission unberücksichtigt lassen, daß
es damals ihrer Meinung nach verfrüht gewesen sei, sich zur langfristigenBerechtigung der von Aer Lingus auf diesen Verbindungen verfolgten Politik zu
äußern.
- 115.
- Angesichts all dieser Umstände, insbesondere der Entwicklung der
Wettbewerbssituation seit dem Erlaß der Entscheidung von 1993 sowie der
Tatsache, daß die Regionalverbindungen in das Vereinigte Königreich nur einen
Teil der Luftverkehrstätigkeit von Aer Lingus darstellen, ist das Gericht der
Auffassung, daß die Klägerin nicht dargetan hat, daß die Kommission ihr Ermessen
bei der Verwaltung und Kontrolle einer in Tranchen aufgeteilten Beihilfe
überschritten hat, als sie es für angemessen hielt, die beim Betrieb der
Regionalverbindungen in das Vereinigte Königreich durch Aer Lingus
möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten dadurch auszuräumen, daß sie vor
Zahlung der dritten Beihilfetranche eine ausführliche Begründung für den
langfristigen Betrieb dieser Verbindungen forderte, statt vor Zahlung der zweiten
Tranche das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten.
- 116.
- Die von der Kommission gewählte Lösung hat es ihr nämlich ermöglicht, sich auf
geeignete Weise zu vergewissern, daß die betreffenden Verbindungen vor Zahlung
der dritten Tranche, also in der zur Durchführung des Umstrukturierungsplans
vorgesehenen Zeit, rentabel würden, ohne Gefahr zu laufen, daß der Erfolg dieses
Planes durch erneute Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des
Vertrages in Frage gestellt würde.
- Flugzeuge BAe 146
- 117.
- Nach Auffassung des Gerichts kann dem Argument der Klägerin nicht gefolgt
werden, daß die Anschaffung der drei Flugzeuge BAe 146 mit 110 Plätzen durch
Aer Lingus, um vier Maschinen des Typs Saab SF 340 mit 34 Plätzen zu ersetzen,
wegen der sich daraus ergebenden Erhöhung der Zahl der Sitze unter Verstoß
gegen Artikel 1 Buchstabe d der Entscheidung von 1993 erfolgt sei (vgl. oben,
Randnr. 54).
- 118.
- Das Gericht ist nämlich der Ansicht, daß die in dieser Bestimmung genannte
Verpflichtung, „die Betriebsflotte der Aer Lingus ... nicht zu erweitern“, nur die
Zahl der Flugzeuge betraf, über die die Gesellschaft beim Erlaß der Entscheidung
von 1993 verfügte.
- 119.
- Diese Auslegung steht insbesondere im Einklang mit dem Inhalt der Entscheidung
von 1993, die
- folgende Äußerung der irischen Regierung anführt (Abschnitt II Absatz 1
Nummer 5): „Aer Lingus wird ihre Betriebsflotte innerhalb des
Umstrukturierungszeitraums nicht erweitern, mit Ausnahme der
transatlantischen Strecken, auf denen in der Spitzensaison im Sommer
zusätzliche Flugzeuge benötigt werden könnten, um das Kapazitätsniveauaufrechtzuerhalten, falls der gegenwärtig eingesetzte Flugzeugtyp B-747-100
durch kleineres Fluggerät ersetzt wird“;
- (in einer Fußnote) angibt, um welche Flugzeuge es sich damals handelte.
- 120.
- Dagegen ist die Zahl der Sitze in Artikel 1 Buchstabe g der Entscheidung von 1993
genannt, die gegebenenfalls nach Abschluß des Verfahrens gemäß Artikel 1
Buchstabe h angepaßt wird. Diese Bestimmungen geben die Verpflichtung der
irischen Regierung (Abschnitt II Absatz 1 Nummer 5 der Entscheidung von 1993)
wieder, die Zahl der zum Verkauf angebotenen Sitze bei den Linienflügen von Aer
Lingus auf den Strecken zwischen Irland und dem Vereinigten Königreich zu
beschränken.
- 121.
- Da die Ersetzung der vier Maschinen des Typs Saab SF 340 durch drei Flugzeuge
BAe 146 zu einer Verkleinerung der Flotte von Aer Lingus um eine Einheit führt,
liegt kein Verstoß gegen Artikel 1 Buchstabe d der Entscheidung von 1993 vor.
Was den Umstand angeht, daß sich die Zahl der Sitze dadurch erhöht hat, so
genügt die Feststellung, daß Aer Lingus die Obergrenzen des Artikels 1 Buchstabe
g der Entscheidung von 1993 in der gemäß ihrem Artikel 1 Buchstabe h durch die
Entscheidung der Kommission vom 30. November 1994 geänderten Fassung (vgl.
oben, Randnr. 6) nicht überschritten hat.
- 122.
- Was das Argument der Klägerin betrifft, daß die Verwendung der Beihilfe die
Überkapazität auf den fraglichen Strecken vergrößert habe, obwohl die
Auslastungsquoten von Aer Lingus auf einigen dieser Strecken damals relativ
niedrig gewesen seien, so hat die Klägerin nach Auffassung des Gerichts nicht
dargetan, daß die Beihilfe verwendet worden ist, um den Erwerb der fraglichen
Flugzeuge zu unterstützen. Aus der Verhandlung vor dem Gericht geht nämlich
hervor, daß Aer Lingus die Flugzeuge BAe 146 nicht gekauft, sondern gemietet hat.
Im übrigen hat die Klägerin nichts vorgetragen, was die Ausführungen der
Kommission und von Aer Lingus entkräften könnte, wonach die Flugzeuge BAe
146 zu einem geringeren Mietzins gemietet worden sind, als für die Maschinen des
Typs Saab SF 340 gezahlt wurden.
- 123.
- Die Tatsache allein, daß Aer Lingus in ihrem Jahresbericht für das am 31.
Dezember 1994 beendete Geschäftsjahr eine Rückstellung in Höhe von 6,5
Millionen IRL für die Kosten im Zusammenhang mit der Aufhebung der Verträge
über die Maschinen des Typs Saab SF 340 vorgenommen hat, ist noch kein
Nachweis dafür, daß die in der Entscheidung von 1993 genannte Beihilfe als
Betriebsbeihilfe verwendet worden ist. Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen
ausgeführt hat, ohne daß ihr die Klägerin widersprochen hätte, wurde der Großteil
der ersten Beihilfetranche (57 Millionen IRL von 75 Millionen IRL) für die
Finanzierung des Personalabbaus verwendet und der Rest für die Rückführung der
Schulden.
- 124.
- Die Klägerin hat auch die Erklärung von Aer Lingus nicht bestritten, daß die neuen
Flugzeuge BAe 146 erst im Mai und Juni 1995, also sechs Monate nach Erlaß der
streitigen Entscheidung, in Dienst gestellt worden seien.
- 125.
- Demnach reicht der Umstand, daß die Kommission in der streitigen Entscheidung
Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit einer Erhöhung der Kapazität der Aer
Lingus auf einigen Verbindungen nach dem Vereinigten Königreich geäußert und
daß sie angegeben hat, sie werde angesichts der betreffenden Kapazitätsausweitung
vor einer Genehmigung der dritten Beihilfetranche einige ausführliche
Informationen zur Rentabilität der Verbindungen Irland/Vereinigtes Königreich
anfordern, nicht zum Nachweis dafür aus, daß sie die Vereinbarkeit der zweiten
Beihilfetranche mit dem Gemeinsamen Markt bezweifelt hätte.
- Finanzlage des Aer-Lingus-Konzerns und der Luftfahrtgesellschaft
- 126.
- Zu den Argumenten der Klägerin in bezug auf die Finanzlage des Aer-Lingus-Konzerns und der Luftfahrtgesellschaft (vgl. oben, Randnrn. 55 ff.) stellt das
Gericht zunächst fest, daß die Angabe der Klägerin, das Kostensenkungsziel von
50 Millionen IRL sei von der Luftfahrtgesellschaft nicht verwirklicht worden, im
Widerspruch zu der Erklärung der Kommission steht, die Gesellschaft habe eineKostensenkung um 61 Millionen IRL erreicht. Auch läßt sich den Akten kein
Anhaltspunkt für die Angabe der Klägerin entnehmen, daß die zwischen Team und
der Luftfahrtgesellschaft ausgehandelten Transferpreise an einem niedrigeren
Niveau als dem des Marktes ausgerichtet gewesen seien.
- 127.
- Ebensowenig kann die bloße Tatsache, daß Aer Lingus nach ihren Büchern für die
am 31. März 1993 und 31. Dezember 1994 beendeten Geschäftsjahre, insbesondere
was Team angeht, erhebliche Verluste erlitten hat, den Nachweis erbringen, daß
der Kommission ein Fehler unterlaufen ist, indem sie in der streitigen Entscheidung
(Absatz 10) auf der Grundlage der Berichte von Arthur Andersen & Co und
Coopers & Lybrand feststellt, daß „sich die Rentabilität im Fluggeschäft noch
stärker als im Programm vorgesehen verbesserte ... Die wirtschaftliche
Lebensfähigkeit dürfte nunmehr früher als im Programm veranschlagt eintreten,
nämlich 1994 ... [D]ieser Trend [ist] als ermutigend anzusehen, so daß eine
erfolgreiche Durchführung des Umstrukturierungsprogramms ... erwartet werden
kann.“
- 128.
- Aus den Büchern von Aer Lingus für das am 31. Dezember 1994 beendete
Geschäftsjahr, dem für die Zwecke der streitigen Entscheidung maßgebenden
Zeitraum, geht nämlich hervor, daß der Aer-Lingus-Konzern einen Gewinn vor
Steuern und außergewöhnlichen Positionen in Höhe von 71,1 Millionen IRL erzielt
hat. Der Gewinn der Luftfahrtgesellschaft nach Steuern, jedoch vor Abzug der
außergewöhnlichen Positionen lag bei 40,9 Millionen IRL. Demnach hat die
Klägerin keineswegs dargetan, daß die Lage der Luftfahrtgesellschaft Ende 1994
nicht zufriedenstellend war.
- 129.
- Auch wenn der Aer-Lingus-Konzern Ende 1994 noch keine gesunde Finanzlage
erreicht hatte, so steht doch fest, daß dies durch eine Kombination von Faktoren
zu erklären war, insbesondere durch die anhaltenden Verluste bei Team, die
gegenüber den Planungen höheren Umstrukturierungskosten und die Verschiebung
des Verkaufs der Copthorne-Hotels. Im übrigen sind die Konzernverluste für das
am 31. Dezember 1994 beendete Geschäftsjahr von 129,9 Millionen IRL nach
Steuern und außergewöhnlichen Positionen zum großen Teil durch einmalige
außergewöhnliche Positionen in Höhe von 139,2 Millionen IRL zu erklären.
- 130.
- Was insbesondere die gegenüber den Planungen höheren Umstrukturierungskosten
angeht, so ergibt sich aus der streitigen Entscheidung (Absatz 15), daß dieser
Sachverhalt „vor allem durch den Personalabbau [entstand], der kostspieliger als
erwartet ausfiel; die anderen Zusatzkosten stammen hauptsächlich aus der
Veräußerung von Flugzeugen, die Überkapazitäten darstellten“. Sodann erkennt
die Kommission in der streitigen Entscheidung an (Absatz 16), daß „die
Mehrkosten größtenteils umstrukturierungsbedingt sind und, soweit sie
Entlassungsabfindungen betreffen, den Wettbewerb zwischen Luftfahrtunternehmen
nicht beeinträchtigen“. Die Klägerin hat nichts vorgetragen, was diese
Schlußfolgerung der Kommission in Frage stellen könnte.
- 131.
- Somit genügen die Argumente der Klägerin zur Finanzlage von Aer Lingus nicht
für den Nachweis, daß die Kommission Zweifel an der Vereinbarkeit der Zahlung
der zweiten Beihilfetranche mit dem Gemeinsamen Markt hätte haben müssen.
Vielmehr zeigen die gegenüber den Vorausschätzungen höheren
Umstrukturierungskosten wie auch die Veräußerung von überzähligen Flugzeugen,
daß die im Cahill-Plan vorgegebene Umstrukturierung tatsächlich umgesetzt worden
war. Unter diesen Umständen liegt es auf der Hand, daß Aer Lingus die zweite
Beihilfetranche erst recht benötigte, um gemäß dem von der Kommission
genehmigten Plan die Umstrukturierung abzuschließen und ihre Schulden zu
reduzieren.
- 132.
- Ebensowenig ist die Tatsache, daß die Kommission die Bedingung des Artikels 1
Buchstabe b der Entscheidung von 1993 tatsächlich verschärft hat, indem sie
verlangte, ihr acht Wochen vor Zahlung der dritten Beihilfetranche einen Bericht
vorzulegen, in dem im einzelnen die jährliche Kostensenkung um 50 Millionen IRL,
die Kosteneinsparungen durch besondere Managementmaßnahmen und die
finanziellen Vorausschätzungen bis zum 31. Dezember 1999 geschildert werden
(Absatz 25 zweiter Gedankenstrich der streitigen Entscheidung), als solche für den
Nachweis geeignet, daß die Kommission Zweifel an der Vereinbarkeit der zweiten
Beihilfetranche mit dem Gemeinsamen Markt hegte. Vielmehr soll diese neue
Bedingung, die die Kommission im Rahmen ihrer Befugnis zur Verwaltung und
Kontrolle einer in Tranchen aufgeteilten Beihilfe gestellt hat, nur sicherstellen, daß
Aer Lingus die bis dahin erzielten Fortschritte wahrt, und die Kommission imstande
ist, rechtzeitig vor Zahlung der dritten Beihilfetranche die Finanzlage von Aer
Lingus neu zu beurteilen.
- Verkauf der Copthorne-Hotelkette
- 133.
- Zu den Argumenten der Klägerin, die sich darauf beziehen, daß die Copthorne-Hotels zur Zeit des Erlasses der streitigen Entscheidung noch nicht gemäß dem
Cahill-Plan verkauft gewesen seien (vgl. oben, Randnrn. 60 ff.), ist zu bemerken,
daß
- die Entscheidung von 1993 keine bestimmte Frist für den Verkauf der
Copthorne-Hotels vorgegeben hat;
- Aer Lingus in der streitigen Entscheidung (Absatz 19) daran erinnert
worden ist, daß „die Hotelkette ... umgehend verkauft werden sollte, sobald
auf dem Markt angemessene Bedingungen herrschen“;
- die Copthorne-Hotelkette unstreitig vor Zahlung der dritten Tranche
verkauft worden ist.
- 134.
- Somit hat die Klägerin nicht dargetan, daß die Tatsache, daß die Copthorne-Hotels
nicht vor Zahlung der zweiten Beihilfetranche verkauft worden sind, geeignet war,
Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Tranche mit dem Gemeinsamen Markt zu
wecken, so daß die Kommission das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des
Vertrages erneut hätte einleiten müssen.
- 135.
- Nach alledem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß die Kommission unter den
gegebenen Umständen das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages
erneut hätte einleiten müssen. Desgleichen vertritt das Gericht die Auffassung, daß
die Kommission nicht verpflichtet war, die Klägerin vor Erlaß der streitigen
Entscheidung anzuhören (vgl. Urteil Kommission/Sytraval, Randnr. 58).
- 136.
- Somit ist der Klagegrund der Verletzung wesentlicher Formvorschriften
zurückzuweisen.
Zum Klagegrund des offensichtlichen Beurteilungsfehlers
- 137.
- Die Klägerin stützt ihren Klagegrund, wonach der Kommission bei der Beurteilung
der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Artikel 92
Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages ein offensichtlicher Beurteilungsfehler
unterlaufen ist, im wesentlichen auf Argumente, die sie bereits in bezug auf Team,
die Regionalverbindungen in das Vereinigte Königreich, die Flugzeuge BAe 146,
die Finanzlage der Luftfahrtgesellschaft und des Konzerns sowie den Verkauf der
Copthorne-Hotelkette herangezogen hat. Aus allen bisherigen Ausführungen ergibt
sich, daß die Klägerin einen solchen offensichtlichen Beurteilungsfehler weder in
der Frage, ob die Beihilfe geeignet war, die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige
zu fördern, noch in derjenigen, ob die Beihilfe in einer dem gemeinschaftlichen
Interesse zuwiderlaufenden Weise verwendet wurde, nachgewiesen hat. Es ist
hervorzuheben, daß die Kommission, soweit durch ihre Prüfung Ende 1994bestimmte Schwierigkeiten bei der Durchführung des Umstrukturierungsplans
insbesondere in bezug auf Team und die Regionalverbindungen in das Vereinigte
Königreich zutage getreten sind, mit Recht zusätzliche Bedingungen auferlegt hat,
die gewährleisten sollten, daß die Beihilfe weiterhin mit dem Gemeinsamen Markt
vereinbar war.
- 138.
- Folglich ist der Klagegrund des offensichtlichen Beurteilungsfehlers in bezug auf die
Vereinbarkeit der zweiten Beihilfetranche mit dem Gemeinsamen Markt
zurückzuweisen.
Zu den übrigen Rügen der Klägerin
- 139.
- Zu den übrigen Rügen der Klägerin (vgl. oben, Randnr. 65) stellt das Gericht fest,
daß die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin die Auswirkungen der
betreffenden Beihilfe auf den Wettbewerb insbesondere in bezug auf die
verschiedenen Streckengruppen von Aer Lingus geprüft hat, wie sich aus der
streitigen Entscheidung selbst ergibt.
- 140.
- Das Gericht kann keinen Rechtsfehler bei der Anwendung von Artikel 92 Absatz
3 Buchstabe c des Vertrages durch die Kommission entdecken.
- 141.
- Nach Auffassung des Gerichts ist Artikel 1 Buchstabe b der Entscheidung von 1993
nicht dahin auszulegen, daß damit Aer Lingus eine Rechtspflicht auferlegt wird, den
Cahill-Plan in allen Einzelheiten durchzuführen, ohne die Möglichkeit zu haben, ihn
aufgrund von Umständen, die zur Zeit seines Erlasses unvorhergesehen waren,
anzupassen. Das auf einen Verstoß gegen Artikel 1 Buchstabe b der Entscheidung
von 1993 gestützte Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.
- 142.
- Was die Begründung der streitigen Entscheidung betrifft, so muß nach ständiger
Rechtsprechung die nach Artikel 190 des Vertrages vorgeschriebene Begründung
die Überlegungen des Organs so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die
Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und
das zuständige Gericht seine Kontrolle ausüben kann (vgl. Urteil
Kommission/Sytraval, Randnr. 63).
- 143.
- Die Prüfung durch das Gericht hat keinen Begründungsmangel erkennen lassen,
der zur Nichtigerklärung der Entscheidung führen könnte.
- 144.
- Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
- 145.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringenunterlegen ist, sind ihr auf die entsprechenden Anträge der Kommission und der
Streithelferin Aer Lingus die Kosten dieser beiden Verfahrensbeteiligten
aufzuerlegen.
- 146.
- Nach Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten
und Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen
Kosten. Demnach trägt Irland seine Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
- 1.
- Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
- Die Klägerin trägt die Kosten der Kommission und der Aer Lingus Group
plc.
- 3.
- Irland trägt seine eigenen Kosten.
KalogeropoulosBriët
Bellamy
Potocki Pirrung
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. September 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
A. Kalogeropoulos