Language of document : ECLI:EU:C:2004:42

Sommaires

Rechtssache C-353/01 P


Olli Mattila
gegen
Rat der Europäischen Union und Kommission der Europäischen Gemeinschaften


„Rechtsmittel – Zugang zu Dokumenten – Beschlüsse 93/731/EG und 94/90/EGKS, EG, Euratom – Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses im Bereich der internationalen Beziehungen – Teilweiser Zugang“


Leitsätze des Urteils

1.
Nichtigkeitsklage – Befugnisse des Gemeinschaftsrichters – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Anordnung an ein Organ – Unzulässigkeit

(Artikel 230 EG)

2.
Rechtsmittel – Gründe – Bloße Wiederholung der vor dem Gericht vorgetragenen Gründe und Argumente – Unzulässigkeit – Beanstandung der vom Gericht vorgenommenen Auslegung oder Anwendung des Gemeinschaftsrechts – Zulässigkeit

(Artikel 225 EG; Satzung des Gerichtshofes, Artikel 58 Absatz 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofes, Artikel 112 § 1 Buchstabe c)

3.
Rat – Kommission – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den Dokumenten dieser Organe – Beschlüsse 93/731 und 94/90 – Ausnahmen vom Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten – Rechtswidrigkeit – Heilung des Begründungsmangels im Verlauf des streitigen Verfahrens – Unzulässigkeit

(Beschluss 93/731 des Rates; Beschluss 94/90 der Kommission)

1.
Im Rahmen der auf Artikel 230 EG gestützten Rechtmäßigkeitskontrolle sind die Gemeinschaftsgerichte nicht befugt, Anordnungen zu erlassen. Folglich ist ein Rechtsmittel unzulässig, mit dem beantragt wird, dass der Gerichtshof den Rat und die Kommission auffordern soll, ihren Standpunkt zu überdenken und dem Rechtsmittelführer Zugang zu den betreffenden Dokumenten zu gewähren oder ihm nach Entfernung der Stellen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die internationalen Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft schädigen können, wenigstens teilweisen Zugang zu diesen Dokumenten zu gewähren.

(vgl. Randnrn. 15-16)

2.
Aus den Artikeln 225 EG, 58 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes und 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes folgt, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss. Ein Rechtsmittel, das nur die bereits vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe und Argumente einschließlich derjenigen wiederholt oder wörtlich wiedergibt, die auf ein ausdrücklich vom Gericht zurückgewiesenes Tatsachenvorbringen gestützt waren, genügt nicht den Begründungserfordernissen, die sich aus diesen Vorschriften ergeben. Jedoch können im ersten Rechtszug geprüfte Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn der Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte nämlich ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente stützen, so würde dies dem Rechtsmittelverfahren einen Teil seiner Bedeutung nehmen.

(vgl. Randnrn. 25-27)

3.
Der Rat und die Kommission sind nach den Beschlüssen 93/731 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten bzw. 94/90 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten und entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, zu prüfen, ob ein teilweiser Zugang zu den nicht unter die Ausnahmen fallenden Informationen zu gewähren ist. Tun sie das nicht, ist eine Entscheidung, mit der der Zugang zu einem Dokument abgelehnt wird, als rechtsfehlerhaft für nichtig zu erklären, auch wenn angesichts der vom Rat und von der Kommission im Verlauf des streitigen Verfahrens vor dem Gericht abgegebenen Erklärungen und unter Berücksichtigung der Natur der in Rede stehenden Dokumente dieser Rechtsfehler keinen Einfluss auf das Ergebnis der Beurteilung durch diese Organe gehabt hat.
Erlaubte man dem Rat und der Kommission, dem Betroffenen die Gründe für die Weigerung, ihm teilweisen Zugang zu einem Dokument zu gewähren, erstmals vor dem Gemeinschaftsrichter mitzuteilen, würde den Verfahrensgarantien, die in den Beschlüssen 93/731 und 94/90 ausdrücklich vorgesehen sind, ihre praktische Wirksamkeit genommen und wäre das Recht des Betroffenen darauf, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, jede ihn beschwerende Entscheidung mit einer Begründung versehen ist, damit er erkennen kann, ob die Entscheidung sachlich richtig ist oder ob sie unter einem Mangel leidet, aufgrund dessen ihre Rechtmäßigkeit in Frage gestellt werden kann, schwer beeinträchtigt.

(vgl. Randnrn. 30-32)