Language of document : ECLI:EU:C:2021:655

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

2. September 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Vertrag über die Energiecharta – Art. 26 – Unanwendbarkeit zwischen Mitgliedstaaten – Schiedsspruch – Gerichtliche Überprüfung – Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats – Streitigkeit zwischen einem Wirtschaftsteilnehmer eines Drittstaats und einem Drittstaat – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Art. 1 Nr. 6 des Vertrags über die Energiecharta – Begriff ‚Investition‘“

In der Rechtssache C‑741/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) mit Entscheidung vom 24. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Oktober 2019, in dem Verfahren

Republik Moldau

gegen

Komstroy LLC, Rechtsnachfolgerin von Energoalians,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras, E. Regan, L. Bay Larsen, N. Piçarra und A. Kumin, der Richter T. von Danwitz, M. Safjan, D. Šváby, C. Lycourgos und P. G. Xuereb, der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin) sowie des Richters I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Republik Moldau, vertreten durch M. Boccon Gibod, M. Ostrove, T. Naud und S. Salem, avocats,

–        der Komstroy LLC, Rechtsnachfolgerin von Energoalians, vertreten durch A. Lazimi, S. Nadeau Seguin, B. Le Bars und R. Kaminsky, avocats,

–        der französischen Regierung, vertreten durch A. Daniel als Bevollmächtigte,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und D. Klebs als Bevollmächtigte,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch J. Ruiz Sánchez und S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Aiello als Bevollmächtigten,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér als Bevollmächtigten,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch J. M. Hoogveld als Bevollmächtigten,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,

–        der schwedischen Regierung, vertreten durch C. Meyer-Seitz, A. Runeskjöld, M. Salborn Hodgson, H. Shev, H. Eklinder, R. Shahsavan Eriksson, O. Simonsson und J. Lundberg als Bevollmächtigte,

–        des Rates der Europäischen Union, vertreten durch B. Driessen und A. Lo Monaco als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Vidal Puig, A. Biolan, T. Maxian Rusche und O. Beynet als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. März 2021

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Nr. 6 und Art. 26 Abs. 1 des am 17. Dezember 1994 in Lissabon unterzeichneten Vertrags über die Energiecharta (ABl. 1994, L 380, S. 24, im Folgenden: VEC), der mit dem Beschluss 98/181/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 23. September 1997 (ABl. 1998, L 69, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaften genehmigt wurde.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Republik Moldau und der Komstroy LLC über die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts, das am 25. Oktober 2013 in Paris (Frankreich) einen Schiedsspruch erlassen hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Der VEC besteht aus einer Präambel und acht Teilen, zu denen ein Teil I („Begriffsbestimmungen und Zweck“), der die Art. 1 und 2 des Vertrags umfasst, ein Teil II („Handel“), der die Art. 3 bis 9 des Vertrags umfasst, ein Teil III („Förderung und Schutz von Investitionen“), der die Art. 10 bis 17 des Vertrags umfasst, und ein Teil V („Streitbeilegung“), der die Art. 26 bis 28 des Vertrags umfasst, gehören.

4        Nach der Präambel des VEC waren die Vertragsparteien beim Abschluss des Vertrags insbesondere „von dem Wunsch geleitet, den Grundgedanken der Europäischen Energiecharta‑Initiative zu verwirklichen, der darin besteht, das Wirtschaftswachstum durch Maßnahmen zur Liberalisierung der Investitionen und des Handels mit Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen zu fördern“.

5        Art. 1 („Begriffsbestimmungen“) VEC sieht vor:

„Im Sinne dieses Vertrags

5.      bedeutet ‚Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich‘ eine Wirtschaftstätigkeit betreffend die Aufsuchung, Gewinnung, Veredelung, Produktion, Lagerung, Beförderung über Land, Übertragung, Verteilung sowie den Handel und die Vermarktung oder den Verkauf von Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen mit Ausnahme derjenigen, die in Anlage NI enthalten sind, oder betreffend die Verteilung von Wärme auf mehrere Abnahmestellen;

6.      bedeutet ‚Investition‘ jede Art von Vermögenswert, der einem Investor unmittelbar oder mittelbar gehört oder von ihm kontrolliert wird und Folgendes einschließt:

a)      materielle und immaterielle Vermögensgegenstände, bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Eigentumsrechte jeder Art wie Pachtverträge, Hypotheken und Pfandrechte;

b)      eine Gesellschaft oder ein gewerbliches Unternehmen oder Anteilsrechte, Aktien oder sonstige Formen der Kapitalbeteiligung an einer Gesellschaft oder einem gewerblichen Unternehmen, Schuldverschreibungen und Verbindlichkeiten einer Gesellschaft oder eines gewerblichen Unternehmens;

c)      Geldforderungen und Ansprüche auf vertraglich begründete Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert haben und mit einer Investition zusammenhängen;

d)      geistiges Eigentum;

e)      Erträge;

f)      jedes kraft Gesetzes oder Vertrags verliehene Recht oder jede kraft Gesetzes erteilte Lizenz und Genehmigung zur Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten im Energiebereich.

Eine Änderung der Form, in der Vermögenswerte angelegt werden, ändert nichts an ihrem Wesen [als] Investition; der Begriff ‚Investition‘ schließt alle Investitionen ein, die bis zu dem Tag, an oder nach dem späteren der Tage vorgenommen sind oder werden, an denen der Vertrag für die Vertragspartei des Investors, der die Investition vornimmt, oder für die Vertragspartei, in deren Gebiet die Investition vorgenommen wird, in Kraft tritt (im Folgenden als ‚Tag des Inkrafttretens‘ bezeichnet); der Vertrag gilt jedoch nur für Angelegenheiten, die sich auf solche Investitionen nach dem Tag des Inkrafttretens auswirken.

‚Investition‘ bezieht sich auf jede Investition im Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich und auf Investitionen oder Klassen von Investitionen, die von einer Vertragspartei in ihrem Gebiet als ‚Charta-Effizienzvorhaben‘ bezeichnet und als solche dem Sekretariat notifiziert werden;

7.      bedeutet ‚Investor‘

a)      in Bezug auf eine Vertragspartei

i)      eine natürliche Person, welche die Staatsangehörigkeit oder Staatsbürgerschaft nach den Rechtsvorschriften dieser Vertragspartei besitzt oder dort ihren ständigen Aufenthalt hat;

ii)      eine Gesellschaft oder eine andere Organisation, die in Übereinstimmung mit den in dieser Vertragspartei geltenden Rechtsvorschriften gegründet ist;

b)      in Bezug auf einen ‚dritten Staat‘ eine natürliche Person, eine Gesellschaft oder eine andere Organisation, welche die unter Buchstabe a) für eine Vertragspartei angegebenen Voraussetzungen sinngemäß erfüllt“.

6        In Art. 26 („Beilegung von Streitigkeiten zwischen einem Investor und einer Vertragspartei“) VEC heißt es:

„(1)      Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor einer anderen Vertragspartei über eine Investition des Letzteren im Gebiet der Ersteren, die sich auf einen behaupteten Verstoß der ersteren Vertragspartei gegen eine Verpflichtung aus Teil III beziehen, sind nach Möglichkeit gütlich beizulegen.

(2)      Können solche Streitigkeiten nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem eine der Streitparteien um eine gütliche Beilegung ersucht hat, nach Absatz 1 beigelegt werden, so kann der Investor als Streitpartei die Streitigkeit auf folgende Weise beilegen lassen:

a)      durch die Zivil- oder Verwaltungsgerichte der an der Streitigkeit beteiligten Vertragspartei,

b)      im Einklang mit einem anwendbaren, zuvor vereinbarten Streitbeilegungsverfahren oder

c)      im Einklang mit den folgenden Absätzen.

(3)      a)      Vorbehaltlich nur der Buchstaben b) und c) erteilt jede Vertragspartei hiermit ihre uneingeschränkte Zustimmung, eine Streitigkeit einem internationalen Schieds- oder Vergleichsverfahren in Übereinstimmung mit diesem Artikel zu unterwerfen.

(4)      Beabsichtigt ein Investor, die Streitigkeit einer Beilegung nach Absatz 2 Buchstabe c) zu unterwerfen, so hat er ferner schriftlich seine Zustimmung zu erteilen, damit die Streitigkeit folgenden Stellen vorgelegt werden kann:

a)      i)      dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, das im Rahmen des am 18. März 1965 in Washington zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (im Folgenden als ‚ICSID-Übereinkommen‘ bezeichnet) errichtet wurde, falls sowohl die Vertragspartei des Investors als auch die an der Streitigkeit beteiligte Vertragspartei Vertragsparteien des ICSID-Übereinkommens sind, oder

ii)      dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, das im Rahmen des unter Buchstabe a) Ziffer i) genannten Übereinkommens nach den Regeln über die Zusatzeinrichtung für die Abwicklung von Klagen durch das Sekretariat des Zentrums … errichtet wurde, falls die Vertragspartei des Investors oder die an der Streitigkeit beteiligte Vertragspartei, aber nicht beide, Vertragspartei des ICSID-Übereinkommens ist,

b)      einem Einzelschiedsrichter oder einem Ad-hoc-Schiedsgericht, das nach der Schiedsordnung der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (im Folgenden als ‚UNCITRAL‘ bezeichnet) gebildet wird, oder

c)      einem Schiedsverfahren im Rahmen des Instituts für Schiedsverfahren der Stockholmer Handelskammer [(Schweden)].

(6)      Ein nach Absatz 4 gebildetes Schiedsgericht entscheidet über die strittigen Fragen in Übereinstimmung mit diesem Vertrag und den geltenden Regeln und Grundsätzen des Völkerrechts.

(8)      Schiedssprüche, die auch die Zuerkennung von Zinsen umfassen können, sind für die Streitparteien endgültig und bindend. …“

 Französisches Recht

7        Art. 1520 des Code de procédure civile (Zivilprozessgesetzbuch) regelt die Voraussetzungen für Klagen auf Aufhebung eines in Frankreich ergangenen Schiedsspruchs. Er sieht Folgendes vor:

„Eine Klage auf Aufhebung kann nur erhoben werden, wenn

1°      sich das Schiedsgericht zu Unrecht für zuständig oder unzuständig erklärt hat,

2°      das Schiedsgericht nicht ordnungsgemäß gebildet worden ist,

3°      das Schiedsgericht entschieden hat, ohne sich an die ihm übertragene Aufgabe zu halten,

4°      der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens nicht beachtet worden ist oder

5°      die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung (Ordre public) widerspricht.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

8        In Erfüllung einer Reihe von im Jahr 1999 geschlossenen Verträgen verkaufte Ukrenergo, ein ukrainischer Erzeuger, Strom an Energoalians, einen ukrainischen Versorger. Dieser verkaufte diesen Strom an Derimen weiter, eine auf den Britischen Jungferninseln eingetragene Gesellschaft, die ihrerseits den Strom an Moldtranselectro, ein öffentliches Unternehmen aus Moldawien, zur Ausfuhr nach Moldawien weiterverkaufte. Die zu liefernden Strommengen wurden jeden Monat unmittelbar zwischen Moldtranselectro und Ukrenergo festgelegt. Demnach wurde der genannte Strom von Ukrenergo an Moldtranselectro in den Jahren 1999 und 2000 – mit Ausnahme der Monate Mai bis Juli 1999 – gemäß den Bedingungen „DAF Incoterms 1990“ geliefert, d. h. bis zur Grenze zwischen der Ukraine und der Republik Moldau auf ukrainischer Seite.

9        Derimen zahlte Energoalians vollständig die Beträge, die für den auf diesem Weg gekauften Strom geschuldet wurden, wohingegen Moldtranselectro Derimen die für diesen Strom geschuldeten Beträge nur teilweise zahlte.

10      Am 30. Mai 2000 trat Derimen ihre Forderung gegen Moldtranselectro an Energoalians ab.

11      Moldtranselectro beglich ihre Schuld gegenüber Energoalians nur zum Teil, und zwar dadurch, dass sie Letzterer eigene Forderungen abtrat. Energoalians versuchte vergeblich, die Zahlung des Restbetrags dieser Schuld in Höhe von 16 287 185,94 US-Dollar (USD) (ungefähr 13 735 000 Euro) zunächst vor den moldawischen und sodann vor den ukrainischen Gerichten zu erwirken.

12      Da nach Ansicht von Energoalians bestimmte Handlungen der Republik Moldau in diesem Zusammenhang qualifizierte Verstöße gegen Verpflichtungen aus dem VEC darstellten, leitete sie das Ad-hoc-Schiedsverfahren gemäß Art. 26 Abs. 4 Buchst. b VEC ein.

13      Mit in Paris ergangenem Schiedsspruch vom 25. Oktober 2013 erklärte sich das zur Beilegung dieser Streitigkeit gebildete Ad-hoc-Schiedsgericht für zuständig und verurteilte die Republik Moldau auf der Grundlage des VEC zur Zahlung eines Geldbetrags an Energoalians, da es befand, dass die Republik Moldau gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen verstoßen habe.

14      Am 25. November 2013 erhob die Republik Moldau bei der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) Klage auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs und machte gemäß Art. 1520 des Zivilprozessgesetzbuchs einen Verstoß gegen eine Vorschrift des Ordre public – nämlich gegen die die Zuständigkeit dieses Schiedsgerichts betreffende Norm – geltend.

15      Mit Urteil vom 12. April 2016 hob die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) den Schiedsspruch mit der Begründung auf, dass sich das Schiedsgericht, das ihn erlassen habe, zu Unrecht für zuständig erklärt habe. Denn die Streitigkeit zwischen Energoalians und der Republik Moldau habe sich auf eine von Derimen an Energoalians abgetretene Forderung bezogen, die einzig den Verkauf von Strom betreffe. Da Energoalians in Moldawien jedoch keinerlei Beitrag erbracht habe, habe diese Forderung nicht als „Investition“ im Sinne des VEC angesehen werden und nicht die Zuständigkeit dieses Schiedsgerichts begründen können.

16      Auf das von Komstroy, die seit dem 6. Oktober 2014 die Rechtsnachfolgerin von Energoalians ist, eingelegte Rechtsmittel hin hob die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) mit Urteil vom 28. März 2018 das Urteil der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) vom 12. April 2016 mit der Begründung auf, dass letzteres Gericht den Begriff der Investition unter Hinzufügung einer im VEC nicht vorgesehenen Bedingung ausgelegt habe, und verwies die Parteien an die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) in anderer Besetzung zurück.

17      Die Republik Moldau trägt bei der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) vor, das Schiedsgericht habe seine Zuständigkeit verneinen müssen. Zunächst macht sie geltend, die von Derimen an Energoalians zedierte Forderung aus einem Vertrag über den Verkauf von Strom sei keine „Investition“ im Sinne von Art. 26 Abs. 1 VEC in Verbindung mit Art. 1 Nr. 6 VEC und könne daher nicht Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein, da ein solches Verfahren nur im Rahmen von Teil III des VEC vorgesehen sei, der gerade Investitionen betreffe. Sodann sei selbst unter der Annahme, dass diese Forderung eine „Investition“ im Sinne dieser Bestimmungen sein könne, diese Investition nicht von einem Unternehmen einer Vertragspartei des VEC getätigt worden, weil Derimen ein auf den Britischen Jungferninseln eingetragenes Unternehmen sei. Schließlich sei die den Verkauf von Strom betreffende Transaktion, auf die sich diese Forderung beziehe, nicht im „Gebiet“ Moldawiens getätigt worden, da der Strom nur bis an die Grenze zwischen der Ukraine und der Republik Moldau auf ukrainischer Seite verkauft und dorthin befördert worden sei.

18      Komstroy macht dagegen geltend, dass nach Art. 26 VEC das genannte Schiedsgericht zuständig sei, weil alle Voraussetzungen dieses Artikels in Bezug auf seine Zuständigkeit erfüllt seien.

19      Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass es zur Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts darüber befinden müsse, ob der Rechtsstreit zwischen der Republik Moldau und Energoalians eine Investition im Sinne des VEC betreffe und ob bejahendenfalls diese Investition von Energoalians und im „Gebiet“ Moldawiens getätigt worden sei.

20      Unter diesen Umständen hat die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 1 Nr. 6 VEC dahin auszulegen, dass eine Forderung, die sich aus einem Kaufvertrag über Strom ergibt, der nicht zu einem Beitrag des Investors im Empfangsstaat geführt hat, eine „Investition“ im Sinne dieses Artikels darstellen kann?

2.      Ist Art. 26 Abs. 1 VEC dahin auszulegen, dass der Erwerb einer Forderung eines anderen Wirtschaftsteilnehmers als der Vertragsstaaten durch einen Investor einer Vertragspartei eine Investition darstellt?

3.      Ist Art. 26 Abs. 1 VEC dahin auszulegen, dass eine einem Investor zustehende Forderung aus einem Kaufvertrag über Strom, der an die Grenze des Empfangsstaats geliefert wird, eine im Gebiet einer anderen Vertragspartei vorgenommene Investition darstellen kann, wenn der Investor in deren Hoheitsgebiet keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat?

 Zuständigkeit des Gerichtshofs

21      Der Rat der Europäischen Union, die ungarische, die finnische und die schwedische Regierung sowie Komstroy sind im Wesentlichen der Ansicht, dass die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung der Vorlagefragen zu verneinen sei, da das Unionsrecht auf die Streitigkeit des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar sei, weil deren Parteien außerhalb der Europäischen Union stünden.

22      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 267 AEUV der Gerichtshof für die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union zuständig ist.

23      Aus einer ständigen Rechtsprechung ergibt sich indessen, dass ein vom Rat gemäß den Art. 217 und 218 AEUV geschlossenes Übereinkommen für die Union eine Handlung eines Unionsorgans ist, dass die Bestimmungen eines solchen Übereinkommens ab dessen Inkrafttreten einen Bestandteil der Rechtsordnung der Union bilden und dass der Gerichtshof im Rahmen dieser Rechtsordnung dafür zuständig ist, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung dieses Übereinkommens zu entscheiden (Urteile vom 30. April 1974, Haegeman, 181/73, EU:C:1974:41, Rn. 3 bis 6, vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie, C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 30, und vom 22. November 2017, Aebtri, C‑224/16, EU:C:2017:880, Rn. 50).

24      Der Umstand, dass das betreffende Übereinkommen ein gemischtes Übereinkommen ist, das von der Union und einer großen Zahl von Mitgliedstaaten geschlossen wurde, kann als solcher die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache nicht ausschließen.

25      Es ist nämlich festzustellen, dass die Vorlagefragen den Begriff „Investition“ im Sinne des VEC betreffen.

26      Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon verfügt die Union gemäß Art. 207 AEUV in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen aber über eine ausschließliche Zuständigkeit und in Bezug auf andere Investitionen als Direktinvestitionen über eine geteilte Zuständigkeit (Gutachten 2/15 [Freihandelsabkommen mit Singapur] vom 16. Mai 2017, EU:C:2017:376, Rn. 82, 238 und 243).

27      Daher ist der Gerichtshof dafür zuständig, den VEC auszulegen, und zwar insbesondere im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens, wie in Rn. 24 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist.

28      Zwar ist der Gerichtshof grundsätzlich nicht dafür zuständig, im Rahmen einer nicht dem Unionsrecht unterliegenden Streitigkeit ein internationales Übereinkommen in Bezug auf seine Anwendung auszulegen. Dies gilt namentlich dann, wenn sich in einer solchen Streitigkeit ein Investor aus einem Drittstaat und ein anderer Drittstaat gegenüberstehen.

29      Allerdings hat der Gerichtshof zum einen entschieden, dass, wenn eine Vorschrift eines internationalen Übereinkommens sowohl auf dem Unionsrecht unterliegende als auch auf nicht dem Unionsrecht unterliegende Sachverhalte anwendbar ist, ein klares Interesse der Union daran besteht, dass diese Vorschrift unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden soll, einheitlich ausgelegt wird, um in der Zukunft voneinander abweichende Auslegungen zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Juli 1997, Giloy, C‑130/95, EU:C:1997:372, Rn. 23 bis 28, vom 16. Juni 1998, Hermès, C‑53/96, EU:C:1998:292, Rn. 32, und vom 14. Dezember 2000, Dior u. a., C‑300/98 und C‑392/98, EU:C:2000:688, Rn. 35).

30      In Anbetracht der Ausführungen in den Rn. 26 und 27 des vorliegenden Urteils ist dies sowohl bei Art. 1 Nr. 6 VEC als auch bei Art. 26 Abs. 1 VEC der Fall, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ersucht.

31      Insoweit ist insbesondere festzustellen, dass das vorlegende Gericht im Rahmen einer Rechtssache, die – wie ein Rechtsstreit zwischen einem Wirtschaftsteilnehmer eines Drittstaats und einem Mitgliedstaat – unmittelbar dem Unionsrecht unterliegt, veranlasst sein könnte, sich zur Auslegung dieser Bestimmungen des VEC zu äußern. Dies könnte nicht nur – wie hier – im Rahmen eines Antrags auf Aufhebung eines Schiedsspruchs eines Schiedsgerichts mit Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats möglich sein, sondern auch dann, wenn die Gerichte des beklagten Mitgliedstaats gemäß Art. 26 Abs. 2 Buchst. a VEC damit befasst gewesen wären.

32      Zum anderen ist jedenfalls festzustellen, dass die Parteien der Ausgangsstreitigkeit gemäß Art. 26 Abs. 4 Buchst. b VEC die Wahl getroffen haben, diese Streitigkeit einem nach der Schiedsordnung der UNCITRAL gebildeten Ad-hoc-Schiedsgericht vorzulegen, und sich gemäß dieser Schiedsordnung mit Paris als Schiedsort einverstanden erklärt haben.

33      Diese freie Wahl der Parteien hat zur Folge, dass französisches Recht unter den von ihm vorgesehenen Voraussetzungen und Grenzen als lex fori auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar wird. Insbesondere sind französische Gerichte gemäß Art. 1520 des Zivilprozessgesetzbuchs für Klagen zuständig, die auf Aufhebung eines in Frankreich ergangenen Schiedsspruchs wegen fehlender Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerichtet sind. Das Unionsrecht ist aber Bestandteil des in jedem Mitgliedstaat geltenden Rechts (Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 41).

34      Folglich führt der Umstand, dass der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats – hier in Frankreich – liegt, dazu, dass für die Zwecke des im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats eingeleiteten Verfahrens das Unionsrecht zur Anwendung kommt, dessen Beachtung das angerufene Gericht gemäß Art. 19 EUV zu gewährleisten hat.

35      Im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist es indessen allein Sache des mit dem Ausgangsrechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten des Ausgangsverfahrens sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegten Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteile vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C‑510/19, EU:C:2020:953, Rn. 25, und vom 15. April 2021, État belge [Nach der Überstellungsentscheidung eingetretene Umstände], C‑194/19, EU:C:2021:270, Rn. 22).

36      In den Urteilen vom 15. Juni 1999, Andersson und Wåkerås-Andersson (C‑321/97, EU:C:1999:307, Rn. 28 bis 32), und vom 15. Mai 2003, Salzmann (C‑300/01, EU:C:2003:283, Rn. 66 bis 70), hat der Gerichtshof zwar festgestellt, dass der Umstand, dass die Vorlagefrage von einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt wird, nicht ausreicht, um die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Auslegung des am 2. Mai 1992 unterzeichneten Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) zu begründen.

37      In den diesen Urteilen zugrunde liegenden Rechtssachen hatten die vorlegenden Gerichte das EWR-Abkommen jedoch auf Sachverhalte anzuwenden, die insofern nicht dem Unionsrecht unterlagen, als diese Sachverhalte im Gegensatz zum Sachverhalt des Ausgangsverfahrens einen Zeitraum vor dem Beitritt der fraglichen Staaten, zu denen diese Gerichte gehörten, zur Union betrafen. Der Gerichtshof hat indessen klargestellt, dass er seine Zuständigkeit zur Auslegung des Unionsrechts, dessen Bestandteil das EWR-Abkommen ist, die Anwendung des Unionsrechts in den neuen Mitgliedstaaten nur vom Zeitpunkt ihres Beitritts an erfasst (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juni 1999, Andersson und Wåkerås-Andersson, C‑321/97, EU:C:1999:307, Rn. 31, und vom 15. Mai 2003, Salzmann, C‑300/01, EU:C:2003:283, Rn. 69).

38      Nach alledem ist festzustellen, dass der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefragen zuständig ist.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

39      Mit seiner ersten Frage, deren Tragweite unter Berücksichtigung des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits zu beurteilen ist und die die Zuständigkeit des Ad-hoc-Schiedsgerichts betrifft, das den in Rn. 13 des vorliegenden Urteils genannten Schiedsspruch erlassen hat, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Nr. 6 VEC und Art. 26 Abs. 1 VEC dahin auszulegen sind, dass der von einem Unternehmen einer Vertragspartei des VEC getätigte Erwerb einer aus einem nicht mit einer Investition zusammenhängenden Stromliefervertrag stammenden Forderung, deren Inhaber ein Unternehmen eines Staats war, der nicht Vertragspartei des VEC ist, und die sich gegen ein öffentliches Unternehmen einer anderen Vertragspartei des VEC richtet, eine „Investition“ im Sinne dieser Bestimmungen darstellen kann, auch wenn diese Forderung zu keinem Beitrag seitens des Erwerbers im Gebiet der empfangenden Vertragspartei des VEC Anlass gegeben hat.

40      Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst – wie mehrere am Verfahren beteiligte Mitgliedstaaten vorgetragen haben – zu klären, welche Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor einer anderen Vertragspartei über eine Investition des Letzteren im Gebiet der Ersteren gemäß Art. 26 VEC einem Schiedsgericht vorgelegt werden können.

41      Insoweit ist klarzustellen, dass der Umstand, dass sich in der auf Art. 26 Abs. 2 Buchst. c VEC gestützten Streitigkeit des Ausgangsverfahrens ein Wirtschaftsteilnehmer eines Drittstaats und ein anderer Drittstaat gegenüberstehen, aus den in den Rn. 22 bis 38 des vorliegenden Urteils genannten Gründen zwar nicht die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung dieser Fragen ausschließt, doch kann daraus nicht abgeleitet werden, dass diese Vorschrift des VEC auch für eine Streitigkeit zwischen einem Wirtschaftsteilnehmer eines Mitgliedstaats und einem anderen Mitgliedstaat gilt.

42      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs darf eine internationale Übereinkunft die in den Verträgen festgelegte Zuständigkeitsordnung und damit die Autonomie des Rechtssystems der Union, deren Wahrung der Gerichtshof sichert, nämlich nicht beeinträchtigen. Dieser Grundsatz ist insbesondere in Art. 344 AEUV verankert; danach verpflichten sich die Mitgliedstaaten, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln (Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs wird die Autonomie des Unionsrechts sowohl gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten als auch gegenüber dem Völkerrecht durch die wesentlichen Merkmale der Union und ihres Rechts gerechtfertigt, die die Verfassungsstruktur der Union sowie das Wesen dieses Rechts selbst betreffen. Das Unionsrecht ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass es einer autonomen Quelle, den Verträgen, entspringt und Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten hat, sowie durch die unmittelbare Wirkung einer ganzen Reihe für ihre Staatsangehörigen und für sie selbst geltender Bestimmungen. Solche Merkmale haben zu einem strukturierten Netz von miteinander verflochtenen Grundätzen, Regeln und Rechtsbeziehungen geführt, das die Union selbst und ihre Mitgliedstaaten wechselseitig sowie die Mitgliedstaaten untereinander bindet (Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Gutachten 1/17 [CETA-Abkommen EU–Kanada] vom 30. April 2019, EU:C:2019:341, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Diese Autonomie besteht somit darin, dass die Union über einen eigenen verfassungsrechtlichen Rahmen verfügt. Hierzu gehören u. a. die Vorschriften des EU- und des AEU-Vertrags, zu denen insbesondere die Vorschriften über die Übertragung und Aufteilung von Zuständigkeiten, die Vorschriften über die Arbeitsweise der Unionsorgane und des Gerichtssystems der Union und die Grundregeln in speziellen Bereichen gehören, die so gestaltet sind, dass sie zur Verwirklichung des Integrationsprozesses im Sinne von Art. 1 Abs. 2 EUV beitragen (vgl. in diesem Sinne Gutachten 1/17 [CETA-Abkommen EU–Kanada] vom 30. April 2019, EU:C:2019:341, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Um sicherzustellen, dass die besonderen Merkmale und die Autonomie der so begründeten Rechtsordnung der Union erhalten bleiben, wurde mit den Verträgen ein Gerichtssystem geschaffen, das zur Gewährleistung der Kohärenz und der Einheitlichkeit der Auslegung des Unionsrechts dient. Nach Art. 19 EUV ist es Sache der nationalen Gerichte und des Gerichtshofs, die volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den wirksamen Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus ihm erwachsen, wobei der Gerichtshof die ausschließliche Zuständigkeit für die verbindliche Auslegung des Unionsrechts hat. Hierzu ist in diesem System insbesondere das Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV vorgesehen (Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 35 und 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und Gutachten 1/17 [CETA-Abkommen EU–Kanada] vom 30. April 2019, EU:C:2019:341, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Durch die Einführung eines Dialogs von Gericht zu Gericht gerade zwischen dem Gerichtshof und den Gerichten der Mitgliedstaaten soll dieses Verfahren, das das Schlüsselelement des so gestalteten Gerichtssystems ist, die einheitliche Auslegung des Unionsrechts gewährleisten und damit die Sicherstellung seiner Kohärenz, seiner vollen Geltung und seiner Autonomie sowie letztlich des eigenen Charakters des durch die Verträge geschaffenen Rechts ermöglichen (Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist die Frage zu prüfen, ob eine Streitigkeit zwischen einem Mitgliedstaat und einem Investor aus einem anderen Mitgliedstaat über eine Investition des Investors im zuerst genannten Mitgliedstaat einem Schiedsverfahren nach Art. 26 Abs. 2 Buchst. c VEC unterworfen werden kann.

48      Hierzu ist erstens festzustellen, dass nach Art. 26 Abs. 6 VEC das in Art. 26 Abs. 4 VEC vorgesehene Schiedsgericht über die strittigen Fragen in Übereinstimmung mit dem VEC und den geltenden Regeln und Grundsätzen des Völkerrechts entscheidet.

49      Wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist der VEC aber selbst ein Rechtsakt der Union.

50      Folglich hat ein Schiedsgericht wie das in Art. 26 Abs. 6 VEC genannte das Unionsrecht auszulegen oder sogar anzuwenden.

51      Daher ist zweitens zu prüfen, ob ein solches Schiedsgericht zum Gerichtssystem der Union gehört und, insbesondere, ob es als ein Gericht eines Mitgliedstaats im Sinne von Art. 267 AEUV angesehen werden kann. Aus der Zugehörigkeit eines von den Mitgliedstaaten geschaffenen Gerichts zum Gerichtssystem der Union folgt nämlich, dass seine Entscheidungen geeigneten Mechanismen zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts unterliegen (Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Allerdings stellt ein Ad-hoc-Schiedsgericht wie das in Art. 26 Abs. 6 VEC genannte ebenso wie das Schiedsgericht, um das es in der dem Urteil vom 6. März 2018, Achmea (C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 45), zugrunde liegenden Rechtssache ging, keinen Bestandteil des Gerichtssystems eines Mitgliedstaats – hier der Französischen Republik – dar. Im Übrigen ist gerade der Umstand, dass die Zuständigkeit dieses Schiedsgerichts ihren Merkmalen nach von der Gerichtsbarkeit der Gerichte der Vertragsparteien des VEC abweicht, einer der Hauptgründe für das Bestehen von Art. 26 Abs. 2 Buchst. c und Abs. 4 VEC. Dies gilt umso mehr aufgrund der Tatsache, dass das betreffende Schiedsgericht, wenn es zu den Gerichten einer Vertragspartei des VEC gehören würde, zu den in Art. 26 Abs. 2 Buchst. a VEC genannten Gerichten gezählt würde, wodurch Art. 26 Abs. 2 Buchst. c VEC seine praktische Wirksamkeit verlöre.

53      In Anbetracht dieses Merkmals eines solchen Schiedsgerichts kann dieses jedenfalls nicht als Gericht „eines Mitgliedstaats“ im Sinne von Art. 267 AEUV eingestuft werden und ist folglich nicht befugt, den Gerichtshof mit einem Vorabentscheidungsersuchen anzurufen (vgl. entsprechend Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 46 und 49).

54      Daher bleibt noch drittens zu prüfen, ob der Schiedsspruch eines solchen Gerichts insbesondere gemäß Art. 19 EUV der Überprüfung durch ein Gericht eines Mitgliedstaats unterliegt und ob diese Überprüfung geeignet ist, die umfassende Einhaltung des Unionsrechts sicherzustellen, damit gewährleistet wird, dass die unionsrechtlichen Fragen, die das Schiedsgericht zu behandeln haben könnte, gegebenenfalls im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens dem Gerichtshof vorgelegt werden können.

55      Insoweit ist festzustellen, dass Schiedssprüche nach Art. 26 Abs. 8 VEC für die Parteien der betreffenden Streitigkeit endgültig und bindend sind. Außerdem kann eine Streitigkeit wie die des Ausgangsverfahrens nach Art. 26 Abs. 4 VEC u. a. einem Ad-hoc-Schiedsgericht auf der Grundlage der UNCITRAL-Schiedsordnung vorgelegt werden, wobei dieses Schiedsgericht seine eigenen Verfahrensvorschriften im Einklang mit dieser Schiedsordnung festlegt.

56      Wie in Rn. 32 dieses Urteils ausgeführt, haben sich im vorliegenden Fall die Parteien der Streitigkeit des Ausgangsverfahrens gemäß Art. 26 Abs. 4 Buchst. b VEC dafür entschieden, diese Streitigkeit einem nach der UNCITRAL-Schiedsordnung gebildeten Ad-hoc-Schiedsgericht vorzulegen, und sich gemäß dieser Schiedsordnung somit mit Paris als Schiedsort einverstanden erklärt, wodurch auf das beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren, das die gerichtliche Überprüfung eines Schiedsspruchs dieses Schiedsgerichts zum Gegenstand hat, das französische Recht anwendbar geworden ist.

57      Diese gerichtliche Überprüfung kann das vorlegende Gericht jedoch nur insoweit ausüben, als das innerstaatliche Recht seines Mitgliedstaats dies gestattet. Art. 1520 des Zivilprozessgesetzbuchs sieht indessen nur eine beschränkte Überprüfung vor, die u. a. die Zuständigkeit des Schiedsgerichts betrifft.

58      Für die Handelsschiedsgerichtsbarkeit hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass die Erfordernisse der Wirksamkeit des Schiedsverfahrens es rechtfertigen, Schiedssprüche durch die Gerichte der Mitgliedstaaten nur in beschränktem Umfang zu überprüfen, soweit die grundlegenden Bestimmungen des Unionsrechts im Rahmen dieser Kontrolle geprüft werden können und gegebenenfalls Gegenstand einer Vorlage zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof sein können (Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Ein Schiedsverfahren wie das in Art. 26 VEC vorgesehene unterscheidet sich jedoch von einem Schiedsverfahren in Handelssachen. Während Letzteres nämlich auf der Parteiautonomie beruht, leitet sich Ersteres aus einem Vertrag her, in dem Mitgliedstaaten übereingekommen sind, der Zuständigkeit ihrer eigenen Gerichte und damit dem System von gerichtlichen Rechtsbehelfen, dessen Schaffung ihnen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen vorschreibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 34), Rechtsstreitigkeiten zu entziehen, die die Anwendung und Auslegung des Unionsrechts betreffen können. Daher lassen sich die in der vorstehenden Randnummer wiedergegebenen Überlegungen zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit nicht auf ein Schiedsverfahren wie das in Art. 26 Abs. 2 Buchst. c VEC vorgesehene übertragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 55).

60      Unter Berücksichtigung der in den Rn. 48 bis 59 des vorliegenden Urteils erörterten Merkmale des Schiedsgerichts ist festzustellen, dass, wenn die Bestimmungen von Art. 26 VEC, nach denen die Beilegung einer Streitigkeit einem Schiedsgericht aufgetragen werden kann, auf eine Streitigkeit zwischen einem Investor eines Mitgliedstaats und einem anderen Mitgliedstaat Anwendung finden könnten, dies bedeuten würde, dass mit dem Abschluss des VEC die Union und die an diesem Vertrag beteiligten Mitgliedstaaten einen Mechanismus geschaffen hätten, der es ausschließen kann, dass über eine solche Streitigkeit, obwohl sie die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts betreffen könnte, in einer Weise entschieden wird, die die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleistet (vgl. entsprechend Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 56).

61      Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine internationale Übereinkunft, die die Schaffung eines mit der Auslegung ihrer Bestimmungen betrauten Gerichts vorsieht, dessen Entscheidungen für die Organe, einschließlich des Gerichtshofs der Europäischen Union, bindend sind, grundsätzlich nicht mit dem Unionsrecht unvereinbar. Die Zuständigkeit der Union im Bereich der internationalen Beziehungen und ihre Fähigkeit zum Abschluss internationaler Übereinkünfte umfassen nämlich notwendigerweise die Möglichkeit, sich den Entscheidungen eines durch solche Übereinkünfte geschaffenen oder bestimmten Gerichts in Bezug auf die Auslegung und Anwendung ihrer Bestimmungen zu unterwerfen, sofern die Autonomie der Union und ihrer Rechtsordnung gewahrt bleibt (Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Allerdings kann die Ausübung der internationalen Zuständigkeit der Union nicht so weit gehen, dass in einer internationalen Übereinkunft eine Bestimmung vorgesehen werden könnte, nach der ein Rechtsstreit zwischen einem Investor eines Mitgliedstaats und einem anderen Mitgliedstaat über das Unionsrecht dem Gerichtssystem der Union entzogen werden könnte, so dass die volle Wirksamkeit des Unionsrechts nicht gewährleistet wäre.

63      Eine solche Möglichkeit wäre nämlich – wie der Gerichtshof in der dem Urteil vom 6. März 2018, Achmea (C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 58), zugrunde liegenden Rechtssache entschieden und der Generalanwalt in Nr. 83 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat – geeignet, die Erhaltung der Autonomie und des eigenen Charakters des durch die Verträge geschaffenen Rechts, die insbesondere durch das in Art. 267 AEUV vorgesehene Vorabentscheidungsverfahren gewährleistet wird, in Frage zu stellen.

64      Insoweit ist hervorzuheben, dass eine Bestimmung wie Art. 26 VEC trotz des multilateralen Charakters der internationalen Übereinkunft, zu der sie gehört, in Wirklichkeit die bilateralen Beziehungen zwischen zwei der Vertragsparteien in einer Weise regeln soll, die der Bestimmung des bilateralen Investitionsschutzabkommens entspricht, um das es in der dem Urteil vom 6. März 2018, Achmea (C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 58), zugrunde liegenden Rechtssache ging.

65      Folglich kann der VEC den Mitgliedstaaten zwar vorschreiben, in ihren Beziehungen zu Investoren aus Drittstaaten, die ebenfalls Vertragsparteien des VEC sind, im Hinblick auf deren Investitionen in diesen Staaten die im VEC vorgesehenen schiedsgerichtlichen Mechanismen einzuhalten, doch steht die Erhaltung der Autonomie und des eigenen Charakters des Unionsrechts dem entgegen, dass der VEC den Mitgliedstaaten untereinander dieselben Pflichten auferlegen kann.

66      Nach alledem ist Art. 26 Abs. 2 Buchst. c VEC dahin auszulegen, dass er auf Streitigkeiten zwischen einem Mitgliedstaat und einem Investor aus einem anderen Mitgliedstaat über eine Investition des Investors im zuerst genannten Mitgliedstaat nicht anwendbar ist.

67      Sodann ist festzustellen, dass der Begriff „Investition“ nach Art. 1 Nr. 6 Abs. 1 VEC „jede Art von Vermögenswert, der einem Investor unmittelbar oder mittelbar gehört oder von ihm kontrolliert wird“, bezeichnet, der eines der in den Buchst. a bis f dieser Bestimmung genannten Elemente einschließt. Ferner wird in Art. 1 Nr. 6 Abs. 3 VEC u. a. klargestellt, dass sich der Begriff „Investition“ „auf jede Investition im Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich [bezieht]“. Folglich wird in Abs. 1 dieser Bestimmung der Begriff „Investition“ als solcher definiert, während in Abs. 3 dieser Bestimmung klargestellt wird, dass nicht alle Investitionen, die der Definition in Abs. 1 entsprechen, in den Anwendungsbereich des VEC fallen, weil dieser nur Investitionen im Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich erfasst.

68      Daher ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Forderung aus einem Stromliefervertrag unter den Begriff „Investition“ im Sinne von Art. 1 Nr. 6 Abs. 1 VEC fällt, bevor – bejahendenfalls – in einem zweiten Schritt zu prüfen ist, ob eine solche Investition im Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich im Sinne von Unterabs. 3 dieser Bestimmung steht.

69      Zum Begriff „Investition“ in Art. 1 Nr. 6 Abs. 1 VEC ist festzustellen, dass er zwei kumulative Voraussetzungen aufweist. Erstens muss es sich um eine Art von Vermögenswert handeln, der einem Investor unmittelbar oder mittelbar gehört oder von ihm kontrolliert wird, und zweitens muss der Vermögenswert mindestens eines der in den Buchst. a bis f dieser Bestimmung genannten Elemente einschließen.

70      In Bezug auf die erste Voraussetzung ist festzustellen, dass sie im vorliegenden Fall erfüllt ist. Denn eine Forderung aus einem Stromliefervertrag stellt einen Vermögenswert dar, der einem Investor unmittelbar gehört, wobei klarzustellen ist, dass der in Art. 1 Nr. 7 VEC definierte und u. a. in Art. 26 Abs. 1 VEC verwendete Begriff „Investor“ in Bezug auf eine Vertragspartei wie die Ukraine namentlich jedwede Gesellschaft bezeichnet, die in Übereinstimmung mit den in dieser Vertragspartei geltenden Rechtsvorschriften gegründet ist. Mithin ist Komstroy als ein Investor anzusehen, dem ein Vermögenswert in Form einer Forderung aus einem Stromliefervertrag unmittelbar gehört. Hierbei kann der Umstand, dass Komstroy die Forderung von einem Unternehmen aus einem Staat, der nicht Vertragspartei des VEC ist, erworben hat, ihren Status als „Investor“ im Sinne des VEC nicht in Frage stellen, da eine Investition – wie der Generalanwalt in Nr. 138 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – schon nach Art. 1 Nr. 7 VEC von einem Wirtschaftsteilnehmer aus einem Staat, der nicht Vertragspartei des VEC ist, vorgenommen werden kann.

71      In Bezug auf die zweite Voraussetzung ist festzustellen, dass eine Forderung aus einem Stromliefervertrag auf den ersten Blick sowohl unter Art. 1 Nr. 6 Abs. 1 Buchst. c VEC als auch unter Art. 1 Nr. 6 Abs. 1 Buchst. f VEC fallen könnte.

72      Was erstens Art. 1 Nr. 6 Abs. 1 Buchst. f VEC betrifft, umfasst der Begriff „Investition“ im Sinne dieser Bestimmung „jedes kraft … Vertrags verliehene Recht … zur Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten im Energiebereich“. Eine Forderung kann als ein „kraft … eines Vertrags … [verliehenes] Recht“ angesehen werden. Wie der Generalanwalt in Nr. 122 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, kann eine Forderung aus einem bloßen Stromliefervertrag als solche jedoch nicht als für die Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich gewährt angesehen werden.

73      Was zweitens Art. 1 Nr. 6 Abs. 1 Buchst. c VEC betrifft, wird mit dieser Bestimmung klargestellt, dass „Geldforderungen und Ansprüche auf vertraglich begründete Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert haben und mit einer Investition zusammenhängen“, vom Begriff „Investition“ umfasst werden. Daher ist zu prüfen, ob eine Forderung aus einem Stromliefervertrag solchen Forderungen gleichgestellt werden kann.

74      Insoweit ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Forderung um eine betragsmäßig bezifferte Forderung handelt, da aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, dass sie eine Geldforderung ist und ihr Barwert 16 287 185,94 USD beträgt, wie in Rn. 11 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist.

75      Sodann ist festzustellen, dass diese Forderung auf einem Vertrag beruht, nämlich dem zwischen Moldtranselectro und Derimen geschlossenen Stromliefervertrag, der einen wirtschaftlichen Wert hat, da diese Lieferung gegen Zahlung eines Geldbetrags vereinbart wurde.

76      Somit bleibt drittens noch zu prüfen, ob die genannte Forderung aus einem Vertrag stammt, der mit einer Investition zusammenhängt.

77      Insoweit enthält die dem Gerichtshof vorliegende Akte keinen Anhaltspunkt dafür, dass der zwischen Moldtranselectro und Derimen geschlossene Stromliefervertrag mit einem anderen Vorgang zusammenhängt, ungeachtet dessen, ob es sich dabei um eine Investition handelt.

78      Das Vertragsverhältnis zwischen Moldtranselectro und Derimen betraf nämlich nur die Lieferung von Strom; die Erzeugung dieses Stroms übernahmen andere ukrainische Wirtschaftsbeteiligte, die ihn lediglich an Derimen verkauften.

79      In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass ein bloßer Liefervertrag eine geschäftliche Transaktion ist, die als solche keine „Investition“ im Sinne von Art. 1 Nr. 6 VEC darstellen kann, und zwar unabhängig von der Frage, ob ein Beitrag erforderlich ist, damit ein bestimmter Vorgang eine Investition darstellt.

80      Jede andere Auslegung dieser Bestimmung würde dazu führen, dass die im VEC vorgenommene klare Unterscheidung zwischen dem in Teil II geregelten Handel und den in Teil III geregelten Investitionen ihre praktische Wirksamkeit verlöre.

81      Diese Unterscheidung spiegelt aber das Ziel des VEC wider, wie es sich aus seiner Präambel ergibt und das darin besteht, „das Wirtschaftswachstum durch Maßnahmen zur Liberalisierung der Investitionen und des Handels mit Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen zu fördern“. Diese beiden Kategorien von Maßnahmen finden in der Struktur dieses Vertrags ihren Widerhall, der zum einen Investitionen und zum anderen den Handel regelt.

82      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 26 VEC auf Streitigkeiten über mutmaßliche Verletzungen der Pflichten anwendbar ist, die sich aus Teil III dieses Vertrags ergeben, der die Förderung und den Schutz von Investitionen betrifft, nicht aber aus dessen Teil II, der sich auf den Handel bezieht. Diese Unterscheidung spiegelt einen der Hauptgründe für das Vorliegen besonderer Schutzvorschriften für ausländische Investoren wider, der darin besteht, dass Investitionen dazu führen, dass Mittel im Ausland gebunden werden, die im Fall eines Rechtsstreits im Allgemeinen nicht leicht dorthin zurückgeführt werden können, woher sie kamen.

83      Im vorliegenden Fall lässt sich anhand der dem Gerichtshof zur Kenntnis gebrachten Informationen nicht ausschließen, dass Derimen die Lieferung des Stroms an Moldtranselectro hätte umleiten und ihn anderen Wirtschaftsteilnehmern anbieten können, und zwar insbesondere deshalb, weil jedenfalls die Erzeugung dieses Stroms von den Bestellungen abhing, die Moldtranselectro unmittelbar bei Ukrenergo aufgab, wohingegen Ukrenergo den Strom an Energoalians verkaufte, die ihn an Derimen weiterverkaufte. Somit hätte Derimen die Lieferung des Stroms an Moldtranselectro unterbrechen oder verringern können, ohne dass dies bedeutet hätte, dass ihre Mittel in Moldawien gebunden wären.

84      Da die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Forderung keine „Investition“ im Sinne von Art. 1 Nr. 6 Abs. 1 VEC darstellt, braucht nicht geprüft zu werden, ob die in Abs. 3 dieser Bestimmung aufgestellte und in den Rn. 67 und 68 des vorliegenden Urteils genannte Voraussetzung erfüllt ist.

85      Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 1 Nr. 6 VEC und Art. 26 Abs. 1 VEC dahin auszulegen sind, dass der von einem Unternehmen einer Vertragspartei des VEC getätigte Erwerb einer aus einem nicht mit einer Investition zusammenhängenden Stromliefervertrag stammenden Forderung, deren Inhaber ein Unternehmen eines Staats war, der nicht Vertragspartei des VEC ist, und die sich gegen ein öffentliches Unternehmen einer anderen Vertragspartei des VEC richtet, keine „Investition“ im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

 Zur zweiten und zur dritten Frage

86      In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage brauchen die zweite und die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

 Kosten

87      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 1 Nr. 6 und Art. 26 Abs. 1 des am 17. Dezember 1994 in Lissabon unterzeichneten Vertrags über die Energiecharta, der mit dem Beschluss 98/181/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 23. September 1997 im Namen der Europäischen Gemeinschaften genehmigt wurde, sind dahin auszulegen, dass der von einem Unternehmen einer Vertragspartei des Vertrags über die Energiecharta getätigte Erwerb einer aus einem nicht mit einer Investition zusammenhängenden Stromliefervertrag stammenden Forderung, deren Inhaber ein Unternehmen eines Staats war, der nicht Vertragspartei des Vertrags über die Energiecharta ist, und die sich gegen ein öffentliches Unternehmen einer anderen Vertragspartei des Vertrags über die Energiecharta richtet, keine „Investition“ im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.