Language of document : ECLI:EU:C:2016:391

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

2. Juni 2016(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Grundsatz der Gleichbehandlung und Verbot der Diskriminierung wegen des Alters – Richtlinie 2000/78/EG – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Art. 2, 3 und 6 – Ungleichbehandlung wegen des Alters – Nationale Regelung, die in bestimmten Fällen für Einkünfte aus Altersrenten eine höhere Besteuerung vorsieht als für Einkünfte aus Erwerbstätigkeit – Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 – Zuständigkeit der Europäischen Union im Bereich der direkten Steuern“

In der Rechtssache C‑122/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) mit Entscheidung vom 6. März 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 10. März 2015, in dem Verfahren auf Antrag von

C

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter), J.‑C. Bonichot, C. G. Fernlund und S. Rodin,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von C, vertreten durch K. Suominen und A. Kukkonen, asianajaja,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,

–        von Irland, vertreten durch J. Quaney und A. Joyce als Bevollmächtigte,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, C. Freire und M. Conceição Queirós als Bevollmächtigte,

–        der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, U. Persson, N. Otte Widgren, C. Meyer-Seitz, E. Karlsson und L. Swedenborg als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und I. Koskinen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 28. Januar 2016

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters, von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) sowie von Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Klage von C gegen die Entscheidung der finnischen Steuerverwaltung, ihm gegenüber eine Zusatzsteuer von 6 % auf den Anteil der Einkünfte aus Altersrenten (im Folgenden auch: Renteneinkünfte), der nach Abzug des Rentenfreibetrags 45 000 Euro pro Jahr übersteigt, festzusetzen.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Nach dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 findet diese „[keine] Anwendung auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels [157 AEUV] gegeben wurde“.

4        Nach Art. 1 dieser Richtlinie ist deren Zweck „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.

5        Art. 2 der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)      Im Sinne des Absatzes 1

a)      liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)      liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i)      diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …

…“

6        Art. 3 („Geltungsbereich“) der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Im Rahmen der auf die [Europäische Union] übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

c)      die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;

(3)      Diese Richtlinie gilt nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes.

…“

7        In Art. 6 der Richtlinie heißt es:

„(1)      Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

a)      die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

b)      die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

(2)      Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt.“

 Finnisches Recht

8        In § 124 Abs. 1 und 4 des Tuloverolaki (1992/1535) (Gesetz 1992/1535 über die Einkommensteuer) in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung heißt es:

„Natürliche Personen … müssen an den Staat eine Steuer auf steuerbare, auf Erwerbstätigkeit beruhende Einkünfte gemäß dem progressiven Einkommensteuertarif sowie eine Steuer auf steuerbare Kapitaleinkünfte gemäß dem Einkommensteuersatz entrichten. Natürliche Personen müssen außerdem nach Maßgabe von Abs. 4 eine Zusatzsteuer auf ihre Einkünfte aus Altersrenten an den Staat entrichten. Andere Steuerpflichtige müssen Einkommensteuer auf ihr steuerbares Einkommen gemäß dem Einkommensteuersatz entrichten.

Natürliche Personen müssen eine Zusatzsteuer von 6 % auf den Anteil der Einkünfte aus Altersrenten entrichten, der nach Abzug des Rentenfreibetrags 45 000 Euro übersteigt. Die Zusatzsteuer auf Einkünfte aus Altersrenten unterliegt den in diesem oder einem anderen Gesetz enthaltenen Bestimmungen über die an den Staat zu entrichtende Einkommensteuer auf Einkünfte, die auf Erwerbstätigkeit beruhen.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

9        C ist 1948 geboren, besitzt die finnische Staatsangehörigkeit und wohnt in Finnland. Die Steuerverwaltung setzte ihm gegenüber einen Quellensteuersatz fest, der für die Einkommensteuervorauszahlung für das Steuerjahr 2013 gelten sollte. Auf den Anteil seiner Renteneinkünfte, der nach Abzug des Rentenfreibetrags 45 000 Euro überstieg, setzte die Verwaltung hierbei gemäß § 124 Abs. 1 und 4 des Gesetzes 1992/1535 über die Einkommensteuer eine Zusatzsteuer von 6 % fest.

10      Wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, bezog C im Steuerjahr 2013 in Finnland eine Altersrente in Höhe von insgesamt 461 900,88 Euro, wovon 251 351,10 Euro als Einkommensteuervorauszahlung einbehalten wurden. Zusätzlich zu seiner Altersrente bezog C auch Einkünfte aus Erwerbstätigkeit für eine in Finnland geleistete Arbeit.

11      Mit Bescheid vom 11. März 2013 wies die Steuerverwaltung den Einspruch zurück, den C gegen die Festsetzung des Quellensteuersatzes, der für die Einkommensteuervorauszahlung für das Steuerjahr 2013 gelten sollte, eingelegt hatte.

12      C focht diesen Bescheid vor dem Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki, Finnland) an und machte geltend, dass die in § 124 Abs. 1 und 4 des Gesetzes 1992/1535 über die Einkommensteuer enthaltenen Bestimmungen über die Zusatzsteuer auf Renteneinkünfte nicht angewandt werden dürften, um den für seine Renteneinkünfte geltenden Quellensteuersatz zu bestimmen.

13      Das Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki) wies die Klage ab, gestützt auf die Feststellung, dass der Zweck dieser Bestimmungen, der gemäß den Gesetzesmaterialien darin bestehe, Steuerpflichtige mit hohen Renteneinkünften stärker zu besteuern, im öffentlichen Interesse liege und grundsätzlich zulässig und mit den allgemeinen Zielen des Steuerrechts vereinbar sei. Das Gericht stellte außerdem fest, dass das Unionsrecht – und somit auch die Charta – auf den Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar sei, da es in diesem Rechtsstreit um eine direkte Steuer gehe, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle.

14      C stellte beim Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht, Finnland) einen Antrag auf Zulassung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki). Das vorlegende Gericht neigt zu der Auffassung, dass die steuerrechtlichen Bestimmungen, um die es im Ausgangsverfahren geht, nicht die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 betreffen und, allgemeiner betrachtet, nicht als eine in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallende Maßnahme angesehen werden können. Insbesondere legen sie nach Ansicht des Gerichts kein Kriterium für die Bemessung des Arbeitsentgelts fest. Daher scheine es, anders als in dem Fall, der dem Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C‑617/10, EU:C:2013:105), zugrunde gelegen habe, keine Verbindung zwischen diesen Bestimmungen und dem materiellen Unionsrecht zu geben.

15      Dem Vorlagebeschluss zufolge bestehen die Ziele der im Ausgangsverfahren streitigen Regelung darin, Steuereinnahmen von leistungsfähigen Beziehern von Renteneinkünften zu erzielen, den Unterschied zwischen der steuerlichen Belastung von Renteneinkünften und von Einkünften aus Erwerbstätigkeit zu verringern und die Anreize für ältere Menschen, weiter im Arbeitsleben aktiv zu bleiben, zu verbessern.

16      Das vorlegende Gericht ist sich nicht sicher, ob diese gesetzlichen Bestimmungen in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, insbesondere in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78, wie er in deren Art. 3 definiert ist, und ob diese Bestimmungen gegebenenfalls eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 dieser Richtlinie darstellen.

17      Unter diesen Umständen hat das Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung wie die Bestimmungen des § 124 Abs. 1 und 4 des Gesetzes 1992/1535 über die Einkommensteuer, die eine Zusatzsteuer auf Renteneinkünfte betreffen, in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt und damit das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 21 Abs. 1 der Charta auf diesen Fall Anwendung findet?

Die Fragen 2 und 3 werden nur für den Fall gestellt, dass der Gerichtshof die Frage 1 dahin beantwortet, dass dieser Fall in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.

2.      Falls die erste Frage bejaht wird: Sind Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a oder b der Richtlinie 2000/78 und Art. 21 Abs. 1 der Charta dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie § 124 Abs. 1 und 4 des Gesetzes 1992/1535 über die Einkommensteuer, der eine Zusatzsteuer auf Renteneinkünfte betrifft, entgegenstehen, wonach auf die Renteneinkünfte einer natürlichen Person, deren Bezug zumindest mittelbar an das Alter der Person anknüpft, in bestimmten Situationen höhere Einkommensteuer erhoben wird als auf entsprechend hohe Einkünfte aus Erwerbstätigkeit erhoben würde?

3.      Falls die genannten Bestimmungen der Richtlinie 2000/78 und der Charta einer nationalen Regelung wie der Zusatzsteuer auf Renteneinkünfte entgegenstehen, bleibt im vorliegenden Fall zu prüfen, ob Art. 6 Abs. 1 der genannten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung wie die Zusatzsteuer auf Renteneinkünfte gleichwohl im Sinne dieser Vorschrift als objektiv und angemessen sowie durch ein legitimes Ziel, insbesondere ein rechtmäßiges Ziel aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung gerechtfertigt angesehen werden kann, da mit der Zusatzsteuer auf Renteneinkünfte, wie aus den Vorarbeiten zum Gesetz 1992/1535 über die Einkommensteuer hervorgeht, bezweckt wird, Steuereinnahmen von leistungsfähigen Beziehern von Renteneinkünften zu erzielen, den Unterschied zwischen der steuerlichen Belastung von Renteneinkünften und von Einkünften aus Erwerbstätigkeit zu verringern und die Anreize für ältere Menschen, weiter im Arbeitsleben aktiv zu bleiben, zu verbessern?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

18      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die eine Zusatzsteuer auf Renteneinkünfte betrifft, in den materiellen Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt und damit das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf den Ausgangsrechtsstreit Anwendung findet.

19      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl aus dem Titel und den Erwägungsgründen als auch aus dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78 ergibt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem dem Betroffenen ein wirksamer Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe – darunter das Alter – geboten wird (Urteil vom 26. September 2013, Dansk Jurist- og Økonomforbund, C‑546/11, EU:C:2013:603, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 erstreckt sich im Licht ihres Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 3 unter Berücksichtigung ihres 13. Erwägungsgrundes nicht auf die Systeme der Sozialversicherung und des sozialen Schutzes, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung von Art. 157 Abs. 2 AEUV gegeben wurde (Urteil vom 21. Januar 2015, Felber, C‑529/13, EU:C:2015:20, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Zwar ist der Begriff „Arbeitsentgelt“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 weit auszulegen. Dementsprechend hat der Gerichtshof festgestellt, dass dieser Begriff insbesondere alle gegenwärtigen oder künftigen in bar oder in Sachleistungen gewährten Vergütungen umfasst, vorausgesetzt, dass der Arbeitgeber sie dem Arbeitnehmer wenigstens mittelbar aufgrund des Arbeitsverhältnisses gewährt, sei es aufgrund eines Arbeitsvertrags, aufgrund von Rechtsvorschriften oder freiwillig (Urteil vom 12. Dezember 2013, Hay, C‑267/12, EU:C:2013:823, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem schließt der Umstand, dass bestimmte Leistungen nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden, nicht aus, dass sie den Charakter eines Entgelts im Sinne der oben genannten Vorschriften haben können (Urteil vom 9. Dezember 2004, Hlozek, C‑19/02, EU:C:2004:779, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass zu den als Entgelt qualifizierten Vergütungen gerade diejenigen vom Arbeitgeber aufgrund bestehender Arbeitsverhältnisse gezahlten Vergünstigungen gehören, die den Arbeitnehmern ein Einkommen sichern sollen, selbst wenn sie in besonderen Fällen keine in ihrem Arbeitsvertrag vorgesehene Tätigkeit ausüben. Außerdem kann der Entgeltcharakter derartiger Leistungen nicht schon deswegen in Zweifel gezogen werden, weil diese Leistungen auch sozialpolitischen Erwägungen Rechnung tragen (Urteil vom 9. Dezember 2004, Hlozek, C‑19/02, EU:C:2004:779, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Dementsprechend hat der Gerichtshof entschieden, dass Leistungen eines Versorgungssystems, das im Wesentlichen von der früheren Beschäftigung des Betroffenen abhängt, zu dessen früherem Entgelt gehören und unter Art. 157 Abs. 2 AEUV fallen (Urteil vom 7. Januar 2004, K. B., C‑117/01, EU:C:2004:7, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass eine nationale Regelung über den Steuersatz für Renteneinkünfte in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt.

25      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es im Ausgangsrechtsstreit nicht darum geht, nach welchen Modalitäten oder Voraussetzungen die Höhe der Bezüge, die dem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses mit seinem früheren Arbeitgeber gezahlt werden, zu bestimmen ist (Urteil vom 1. April 2008, Maruko, C‑267/06, EU:C:2008:179, Rn. 46), sondern um den Steuersatz für Renteneinkünfte. Eine solche Besteuerung gehört aber nicht zum Bereich des Dienstverhältnisses und somit auch nicht zu der in dessen Rahmen – auf den sich die Richtlinie 2000/78 ausschließlich bezieht – vorgenommenen Bemessung des „Entgelts“ im Sinne dieser Richtlinie und von Art. 157 Abs. 2 AEUV.

26      Eine Zusatzsteuer auf Renteneinkünfte wie die im Ausgangsverfahren streitige, die keinerlei Bezug zum Arbeitsvertrag hat, beruht unmittelbar und ausschließlich auf einer nationalen steuerrechtlichen Regelung, die für natürliche Personen gilt, deren Renteneinkünfte nach Abzug des Rentenfreibetrags 45 000 Euro übersteigen, wie unmittelbar aus dem Wortlaut von § 124 Abs. 1 und 4 des Gesetzes 1992/1535 über die Einkommensteuer hervorgeht.

27      Somit fällt eine nationale gesetzliche Regelung über eine Zusatzsteuer auf Renteneinkünfte, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78.

28      Was schließlich die Bestimmungen der Charta betrifft, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ersucht, genügt der Hinweis, dass die Charta nach ihrem Art. 51 Abs. 1 für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt.

29      Es steht aber fest, dass mit dem Einkommensteuergesetz keine Vorschrift des Unionsrechts durchgeführt wird und dass keine steuerrechtliche Richtlinie ersichtlich ist, die auf die Situation im Ausgangsrechtsstreit anwendbar sein könnte. Zudem fällt der Ausgangsrechtsstreit, wie aus Rn. 27 des vorliegenden Urteils hervorgeht, auch nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78. Somit können die Bestimmungen der Charta, nach deren Auslegung mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen gefragt wird, im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

30      In Anbetracht dieser Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehende, die eine Zusatzsteuer auf Renteneinkünfte vorsieht, nicht in den materiellen Geltungsbereich dieser Richtlinie und folglich auch nicht in den von Art. 21 Abs. 1 der Charta fällt.

 Zur zweiten und zur dritten Frage

31      In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage sind die zweite und die dritte Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

32      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die eine Zusatzsteuer auf Renteneinkünfte vorsieht, nicht in den materiellen Geltungsbereich dieser Richtlinie und folglich auch nicht in den von Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union fällt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Finnisch.