Language of document : ECLI:EU:C:2019:391

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

8. Mai 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Agrarpolitik – Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) – Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 – Zeitliche Geltung – Art. 72 – Dauerhaftigkeit investitionsbezogener Vorhaben – Erhebliche Veränderung bei dem kofinanzierten Vorhaben – Mittels eines aus dem ELER kofinanzierten Investitionsvorhaben erworbenes und von dem Begünstigten der Förderung an einen Dritten vermietetes Objekt – Finanzierung, Verwaltung und Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik – Verordnung (EG) Nr. 1306/2013 – Art. 54 und 56 – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen zu Unrecht gezahlte Beträge zurückzufordern – Begriff ‚Unregelmäßigkeit‘ – Einleitung des Wiedereinziehungsverfahrens“

In der Rechtssache C‑580/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Riigikohus (Staatsgerichtshof, Estland) mit Entscheidung vom 27. September 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Oktober 2017, in dem Verfahren

Mittetulundusühing Järvelaev

gegen

Põllumajanduse Registrite ja Informatsiooni Amet (PRIA)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zehnten Kammer sowie der Richter F. Biltgen und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der estnischen Regierung, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Aquilina und E. Randvere, als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 72 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. 2005, L 277, S. 1), Art. 33 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 2005, L 209, S. 1), Art. 71 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 320) und Art. 56 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 549).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Mittetulundusühing Järvelaev (im Folgenden: Järvelaev) und dem Põllumajanduse Registrite ja Informatsiooni Amet (Landwirtschaftliches Register- und Informationsamt) (im Folgenden: PRIA). Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die Wiedereinziehung von Beträgen, die im Kontext eines aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) im Rahmen des in der Verordnung Nr. 1698/2005 genannten Schwerpunkts „Leader“ kofinanzierten Vorhabens an Järvelaev gezahlt wurden.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Verordnung Nr. 1698/2005

3        Die Erwägungsgründe 61 und 62 der Verordnung Nr. 1698/2005 lauten:

„(61)      Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip sollten für die Zuschussfähigkeit der Ausgaben bis auf bestimmte Ausnahmen die einschlägigen einzelstaatlichen Bestimmungen gelten.

(62)      Um die Effizienz, Gerechtigkeit und nachhaltige Wirkung der Unterstützung aus dem ELER sicherzustellen, sollten Bestimmungen festgelegt werden, mit denen die Dauerhaftigkeit der investitionsbezogenen Vorhaben gewährleistet und vermieden wird, dass dieser Fonds zur Einführung unlauteren Wettbewerbs verwendet wird.“

4        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung heißt es:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

h)      ‚Begünstigter‘: einen Wirtschaftsbeteiligten oder eine Einrichtung bzw. ein Unternehmen des öffentlichen oder privaten Rechts, der/die mit der Durchführung der Vorhaben betraut ist oder dem/der die finanzielle Unterstützung gewährt wird;

…“

5        Art. 71 („Zuschussfähigkeit der Ausgaben“) der Verordnung Nr. 1698/2005 bestimmt in Abs. 3 Unterabs. 1:

„Die Regeln für die Zuschussfähigkeit der Ausgaben werden vorbehaltlich der in dieser Verordnung vorgesehenen besonderen Modalitäten für bestimmte Maßnahmen der Entwicklung des ländlichen Raums auf nationaler Ebene festgelegt.“

6        Art. 72 („Dauerhaftigkeit investitionsbezogener Vorhaben“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Unbeschadet der Regeln über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Artikel 43 bis 49 des Vertrags trägt der Mitgliedstaat dafür Sorge, dass ein investitionsbezogenes Vorhaben nur dann tatsächlich aus dem ELER kofinanziert wird, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem die Verwaltungsbehörde die Finanzierung beschlossen hat, bei diesem Vorhaben keine erhebliche Veränderung erfolgt ist,

a)      die seine Art oder die Durchführungsbedingungen beeinträchtigt oder die einem Unternehmen oder einer öffentlichen Körperschaft einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft oder

b)      die darauf zurückzuführen ist, dass sich die Art der Besitzverhältnisse bei einer Infrastruktur geändert hat oder dass eine Produktionstätigkeit aufgegeben worden ist oder sich deren Standort geändert hat.

(2)      Die unzulässig gezahlten Beträge werden gemäß Artikel 33 der Verordnung [Nr. 1290/2005] wieder eingezogen.“

7        In Art. 74 („Aufgaben der Mitgliedstaaten“) der Verordnung Nr. 1698/2005 heißt es:

„(1)      Zum wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft erlassen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Einklang mit Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung [Nr. 1290/2005].

(2)      Die Mitgliedstaaten benennen für jedes Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums

a)      die Verwaltungsbehörde, die das betreffende Programm verwaltet; hierbei kann es sich um eine staatliche oder eine private Stelle handeln oder um den Mitgliedstaat selbst, wenn er diese Aufgabe durchführt,

b)      die zugelassene Zahlstelle im Sinne des Artikels 6 der Verordnung [Nr. 1290/2005],

c)      die bescheinigende Stelle im Sinne des Artikels 7 der Verordnung [Nr. 1290/2005].

…“

 Verordnung Nr. 1290/2005

8        Art. 33 der Verordnung Nr. 1290/2005 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten nehmen die finanziellen Berichtigungen vor, die sich aus den Unregelmäßigkeiten und Versäumnissen ergeben, die bei den Maßnahmen oder den Entwicklungsprogrammen für den ländlichen Raum aufgedeckt wurden, indem sie die betreffende finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft ganz oder teilweise streichen. Die Mitgliedstaaten berücksichtigen die Art und Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeiten sowie die Höhe des finanziellen Verlustes für den ELER.

(2)      Sind die Gemeinschaftsmittel bereits an den Begünstigten gezahlt worden, so werden sie von der zugelassenen Zahlstelle nach ihren eigenen Wiedereinziehungsverfahren wieder eingezogen und gemäß Absatz 3 Buchstabe c wieder verwendet.

(10)      Wenn die Kommission eine finanzielle Berichtigung vornimmt, berührt dies nicht die Verpflichtungen des Mitgliedstaats, die im Rahmen seiner eigenen finanziellen Beteiligung gezahlten Beträge nach Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags [(ABl. 1999, L 83, S. 1)] zurückzufordern.“

 Verordnung (EG) Nr. 1974/2006

9        Art. 48 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1698/2005 (ABl. 2006, L 368, S. 15) bestimmt:

„Für die Anwendung von Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung [Nr. 1698/2005] tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass alle von ihnen geplanten Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum überprüft und kontrolliert werden können. Zu diesem Zweck legen die Mitgliedstaaten Kontrollmaßnahmen fest, die ihnen hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die Förderkriterien und sonstigen Verpflichtungen eingehalten werden.“

 Verordnung Nr. 1303/2013

10      Art. 71 („Dauerhaftigkeit der Vorhaben“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1303/2013 sieht vor:

„Für ein Vorhaben, das Investitionen in die Infrastruktur oder produktive Investitionen beinhaltet, wird der Beitrag der [Europäischen Struktur- und Investitionsfonds] zurückgezahlt, wenn binnen fünf Jahren nach der Abschlusszahlung an den Begünstigten oder gegebenenfalls binnen des in den Bestimmungen für staatliche Beihilfen festgelegten Zeitraums Folgendes zutrifft:

a)      Aufgabe oder Verlagerung einer Produktionstätigkeit an einen Standort außerhalb des Programmgebiets;

b)      Änderung der Eigentumsverhältnisse bei einer Infrastruktur, wodurch einer Firma oder einer öffentlichen Einrichtung ein ungerechtfertigter Vorteil entsteht; oder

c)      erhebliche Veränderung der Art, der Ziele oder der Durchführungsbestimmungen des Vorhabens, die seine ursprünglichen Ziele untergraben würden.

Im Hinblick auf das Vorhaben rechtsgrundlos gezahlter Beträge werden vom Mitgliedstaat anteilig im Verhältnis zu dem Zeitraum, in dem die Voraussetzungen nicht erfüllt wurden, wieder eingezogen.

Die Mitgliedstaaten können den in Unterabsatz 1 festgelegten Zeitraum in Fällen, die die Erhaltung von Investitionen oder von geschaffenen Arbeitsplätzen in KMU betreffen, auf drei Jahre verkürzen.“

11      Art. 152 („Übergangsbestimmungen“) Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Diese Verordnung berührt weder die Fortsetzung noch die Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Einstellung, der Unterstützung, die von der Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 [des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 (ABl. 2006, L 210, S. 25)] oder einer anderen Rechtsvorschrift, die am 31. Dezember 2013 für diese Unterstützung galt, genehmigt wurde. Jene Verordnung bzw. derartige andere Rechtsvorschriften finden daher bis zur Beendigung der Unterstützung oder der betreffenden Vorhaben nach dem 31. Dezember 2013 weiterhin Anwendung. Im Sinne dieses Absatzes umfasst ‚Unterstützung‘ operationelle Programme und Großprojekte.“

 Verordnung (EU) Nr. 1305/2013

12      Art. 88 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1698/2005 (ABl. 2013, L 347, S. 487) sieht vor:

„Die Verordnung [Nr. 1698/2005] wird aufgehoben.

Die Verordnung [Nr. 1698/2005] gilt weiterhin für Vorhaben, die gemäß von der Kommission im Rahmen der genannten Verordnung vor dem 1. Januar 2014 genehmigten Programmen durchgeführt werden.“

 Verordnung Nr. 1306/2013

13      Art. 54 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten fordern Beträge, die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen zu Unrecht gezahlt wurden, von dem Begünstigten innerhalb von 18 Monaten nach dem Zeitpunkt zurück, zu dem ein Kontrollbericht oder ähnliches Dokument, in dem festgestellt wird, dass eine Unregelmäßigkeit stattgefunden hat, gebilligt wurde und gegebenenfalls der Zahlstelle oder der für die Wiedereinziehung zuständigen Stelle zugegangen ist. Die betreffenden Beträge werden zeitgleich mit dem Wiedereinziehungsbescheid im Debitorenbuch der Zahlstelle verzeichnet.“

14      Art. 56 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Werden Unregelmäßigkeiten und Versäumnisse bei den Vorhaben oder den Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums aufgedeckt, so nehmen die Mitgliedstaaten die finanziellen Berichtigungen vor, indem sie die betreffende finanzielle Beteiligung der Union ganz oder teilweise streichen. Die Mitgliedstaaten berücksichtigen die Art und Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeiten sowie die Höhe des finanziellen Verlustes für den ELER.“

15      In Art. 119 der Verordnung Nr. 1306/2013 heißt es:

„(1)      Die Verordnungen (EWG) Nr. 352/78 [des Rates vom 20. Februar 1978 über die Zuweisung der im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik gestellten verfallenen Kautionen, Sicherheiten oder Garantien (ABl. 1978, L 50, S. 1)], (EG) Nr. 165/94 [des Rates vom 24. Januar 1994 über die finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft an den Kontrollen durch Fernerkundung sowie zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. 1994, L 24, S. 6)], (EG) Nr. 2799/98 [des Rates vom 15. Dezember 1998 über die agromonetäre Regelung nach Einführung des Euro (ABl. 1998, L 349, S. 1)], (EG) Nr. 814/2000 [des Rates vom 17. April 2000 über Informationsmaßnahmen im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 2000, L 100, S. 7)], [Nr. 1290/2005] und (EG) Nr. 485/2008 [des Rates vom 26. Mai 2008 über die von den Mitgliedstaaten vorzunehmende Prüfung der Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft sind (ABl. 2008, L 143, S. 1)], werden aufgehoben.

Artikel 31 der Verordnung [Nr. 1290/2005] und die einschlägigen Durchführungsbestimmungen gelten jedoch bis zum 31. Dezember 2014.

(2)      Verweise auf die aufgehobenen Verordnungen gelten als Verweise auf die vorliegende Verordnung nach der Entsprechungstabelle in Anhang III.“

16      In Art. 121 der Verordnung Nr. 1306/2013 heißt es:

„(1)      Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt ab 1. Januar 2014.

(2)      Jedoch gelten

a)      die Artikel 7, 8, 16, 25, 26 und 43 ab dem 16. Oktober 2013;

b)      die Artikel 18 und 40 für die ab dem 16. Oktober 2013 getätigten Ausgaben;

c)      Artikel 52 ab dem 1. Januar 2015.

…“

17      Aus Art. 119 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1306/2013 in Verbindung mit der Entsprechungstabelle in Anhang III dieser Verordnung ergibt sich, dass Verweise auf Art. 33 der Verordnung Nr. 1290/2005 als Verweise auf die Art. 54 und 56 der Verordnung Nr. 1306/2013 zu verstehen sind.

 Estnisches Recht

18      § 111 Abs. 1 des Euroopa Liidu ühise põllumajanduspoliitika rakendamise seadus (Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union) vom 19. November 2014 (RT I 2014, 3) lautet:

„Stellt sich nach Auszahlung einer Förderung heraus, dass die Fördermittel aufgrund von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen rechtsgrundlos gezahlt wurden, u. a. wenn sie nicht zweckgerichtet verwendet wurden, werden die Fördermittel von dem – gegebenenfalls in einem Auswahlverfahren ausgewählten – Begünstigten ganz oder teilweise gemäß den in den Verordnungen [Nrn. 1303/2013 und 1306/2013] sowie in sonstigen einschlägigen Unionsverordnungen festgelegten Voraussetzungen und Fristen wieder eingezogen.“

19      § 131 dieses Gesetzes bestimmt:

„Fördermittel, die auf der Grundlage des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union, das vor dem 1. Januar 2015 in Kraft war, gewährt wurden, werden nach den im vorliegenden Gesetz festgelegten Voraussetzungen und Verfahren wieder eingezogen.“

20      In § 35 Abs. 2 des Põllumajandusministri määrus nr 92 – Leader-meetme raames antava kohaliku tegevusgrupi toetuse ja projektitoetuse saamise nõuded, toetuse taotlemise ja taotluse menetlemise täpsem kord (Erlass Nr. 92 des Landwirtschaftsministers über die Voraussetzungen der Bewilligung einer im Rahmen einer Leader-Maßnahme gewährten Förderung durch die lokale Aktionsgruppe und einer Projektförderung, genaueres Verfahren der Beantragung der Förderung und der Bearbeitung des Antrags) vom 27. September 2010 (RT I 2010, 71, 538, im Folgenden: Erlass Nr. 92) heißt es:

„Von der Stellung des Antrags auf Projektförderung an bis nach Ablauf von fünf Jahren nach der Auszahlung der letzten Rate der Förderung durch das PRIA teilt der Antragsteller oder der Begünstigte dem PRIA und der lokalen Aktionsgruppe unverzüglich schriftlich Änderungen seiner Postanschrift und seiner Kontaktdaten sowie zur Einholung der Zustimmung des PRIA und der lokalen Aktionsgruppe Folgendes mit:

1)      Mit dem Vorhaben oder dem Investitionsobjekt verbundene Änderungen. Hält es das PRIA oder die lokale Aktionsgruppe für erforderlich, ist u. a. eine Abschrift des neuen Preisangebots oder eine Berechnung der voraussichtlichen Kosten des geplanten Vorhabens vorzulegen.

2)      Sonstige Umstände, die mit dem Erhalt oder der Verwendung der Projektförderung zusammenhängen, aufgrund deren die Angaben im Antrag nicht mehr vollständig oder richtig sind.

…“

21      § 36 Abs. 3 Nr. 1 dieses Erlasses sieht vor:

„Der Begünstigte ist verpflichtet, das mittels der Projektförderung erworbene Investitionsobjekt für mindestens fünf Jahre ab der Auszahlung der letzten Rate der Förderung durch das PRIA zielgemäß zu erhalten und zu verwenden.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

22      Järvelaev ist eine Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, deren Ziel die Bewahrung der Segeltraditionen auf dem See Võrtsjärv (Estland) ist. Sie beantragte Fördermittel im Rahmen der Maßnahmen des in der Verordnung Nr. 1698/2005 genannten Schwerpunkts „Leader“ für den Erwerb eines traditionellen Fischereisegelboots mit der dazugehörigen Ausrüstung.

23      In ihrem Förderantrag äußerte Järvelaev auch ihre Absicht, nach dem Erwerb des fraglichen Segelboots Arbeitsplätze in der Region zu schaffen und eine Besatzung einzustellen sowie das PRIA und die lokale Aktionsgruppe von jeder Änderung der Verwendung des Segelboots in Kenntnis zu setzen. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen zwar keine gesetzliche Vorgabe war, dass sie jedoch eines der Kriterien war, nach denen die Priorität der Anträge für den Erhalt von Fördermitteln festgelegt wurde.

24      Die beantragte Förderung wurde Järvelaev mit Bescheid des Generaldirektors des PRIA vom 6. September 2011 bewilligt.

25      Bei einer am 4. Dezember 2014 bei Järvelaev durchgeführten Kontrolle stellte das PRIA fest, dass Järvelaev das Fischereisegelboot durch Vertrag vom 1. Juli 2014 für fünf Jahre an eine andere Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die Mittetulundusühing Kaleselts (im Folgenden: Kaleselts), vermietet hatte.

26      Daher forderte das PRIA von Järvelaev mit Bescheid vom 27. Januar 2015 die Rückzahlung der tatsächlich gezahlten Fördermittel mit der Begründung, dass diese nicht ziel- und zweckgemäß verwendet worden seien. Das PRIA wies insbesondere darauf hin, dass Järvelaev gemäß § 36 Abs. 3 Nr. 1 des Erlasses Nr. 92 verpflichtet sei, das mittels der Projektförderung erworbene Investitionsobjekt für mindestens fünf Jahre ab der Auszahlung der letzten Rate der Förderung zu erhalten und zu verwenden.

27      Der von Järvelaev gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde durch Bescheid des PRIA vom 14. April 2015 zurückgewiesen.

28      Järvelaev erhob beim Tartu Halduskohus (Verwaltungsgericht Tartu, Estland) Klage auf Nichtigerklärung des Bescheids des PRIA vom 27. Januar 2015. Järvelaev machte geltend, dass zum einen die nationalen Rechtsvorschriften den Förderungsempfänger nicht zu einer ausschließlich persönlichen Verwendung des Förderobjekts verpflichteten und zum anderen der in dem Förderantrag bezeichnete Zweck der Schaffung von Arbeitsplätzen gegenüber dem Hauptzweck – der Verwendung des Segelboots zur Entwicklung und Vermarktung von Dienstleistungen des ländlichen Tourismus – untergeordnet sei, so dass dieser erstgenannte Zweck nicht unbedingt verwirklicht zu werden brauche. Da Järvelaev Schwierigkeiten gehabt habe, selbst Arbeitnehmer einzustellen, werde durch die Vermietung des Fischereisegelboots an eine andere Vereinigung gewährleistet, dass das Boot zu dem im Fördervertrag vorgesehenen Zweck verwendet werde, womit den Anforderungen des Erlasses Nr. 92 genügt sei.

29      Am 11. Januar 2016 wies das Tartu Halduskohus (Verwaltungsgericht Tartu) die Klage unter Hinweis darauf ab, dass die Abweichung der tatsächlichen Verwendung des Fischereisegelboots von den Zusagen von Järvelaev im Förderantrag es rechtfertige, dass das PRIA die im Rahmen dieser Förderung ausgezahlten Beträge wieder einziehe.

30      Järvelaev legte beim Tartu Ringkonnakohus (Bezirksgericht Tartu, Estland) Berufung ein. Vor diesem Gericht legte Järvelaev als ergänzende Beweismittel drei während des Berufungsverfahrens geschlossene Arbeitsverträge vor und machte geltend, dass der Nebenzweck des Vorhabens, die Schaffung von Arbeitsplätzen, während der fünfjährigen Laufzeit dieses Vorhabens erzielt werden könne.

31      Am 20. Oktober 2016 wies das Tartu Ringkonnakohus (Bezirksgericht Tartu) diese ergänzenden Beweismittel zurück und bestätigte die Entscheidung des Tartu Halduskohus (Verwaltungsgericht Tartu).

32      Järvelaev legte beim Riigikohus (Staatsgerichtshof, Estland) eine Kassationsbeschwerde mit dem Antrag ein, die Entscheidungen des Tartu Halduskohus (Verwaltungsgericht Tartu) und des Tartu Ringkonnakohus (Bezirksgericht Tartu) aufzuheben.

33      Järvelaev trug vor, aus dem Wortlaut von § 36 Abs. 3 Nr. 1 des Erlasses Nr. 92 könne nicht der eindeutige Schluss gezogen werden, dass der Begünstigte einer Projektförderung das mit Hilfe dieser Förderung erworbene Objekt persönlich verwenden müsse, und machte geltend, dass im vorliegenden Fall dem Mieter nicht der ausschließliche Besitz an dem Segelboot eingeräumt worden sei und Järvelaev selbst die Rechnungen für dessen Nutzung ausgestellt habe. Außerdem sei Järvelaev nicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen verpflichtet gewesen. Die in dem Förderantrag genannte Schaffung von Arbeitsplätzen sei eine Prognose zu den sich aus der Bewilligung des Antrags möglicherweise ergebenden Auswirkungen, keine feste Zusage.

34      Schließlich habe Järvelaev den Mietvertrag über das Segelboot im Lauf des gerichtlichen Verfahrens gekündigt.

35      Unter diesen Umständen hat der Riigikohus (Staatsgerichtshof) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist bei der Wiedereinziehung einer im Rahmen einer Leader-Maßnahme bewilligten Projektförderung, wenn die Förderung am 6. September 2011 bewilligt wurde, die letzte Rate am 19. November 2013 ausgezahlt wurde, der Verstoß am 4. Dezember 2014 festgestellt wurde und der Wiedereinziehungsbescheid am 27. Januar 2015 erging, hinsichtlich der Anforderung der Dauerhaftigkeit des Vorhabens Art. 72 der Verordnung Nr. 1698/2005 des Rates oder Art. 71 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates anzuwenden? Ist unter diesen Umständen Grundlage der Wiedereinziehung Art. 33 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1290/2005 des Rates oder Art. 56 der Verordnung Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates?

2.      a)      Falls die erste Frage dahin beantwortet wird, dass die Verordnung Nr. 1698/2005 Anwendung findet: Ist die Vermietung eines mittels einer im Rahmen einer Leader-Maßnahme gewährten Projektförderung erworbenen Investitionsobjekts (Segelboot) durch die Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die die Förderung erhalten hat, an eine andere Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die das Segelboot für das gleiche Vorhaben verwendet, für das dem Begünstigten die Förderung gewährt wurde, als erhebliche Veränderung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1698/2005 anzusehen, die die Art oder die Durchführungsbedingungen des Vorhabens beeinträchtigt oder die einem Unternehmen einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft? Muss die Zahlstelle eines Mitgliedstaats feststellen, worin der Vorteil konkret bestand, damit die Bedingung des ungerechtfertigten Vorteils erfüllt ist? Falls dies bejaht wird: Kann der ungerechtfertigte Vorteil darin bestehen, dass der tatsächliche Nutzer des Investitionsobjekts, wenn er selbst einen Antrag mit gleichem Inhalt gestellt hätte, die Projektförderung nicht erhalten hätte?

b)      Falls die erste Frage dahin beantwortet wird, dass die Verordnung Nr. 1303/2013 Anwendung findet: Ist die Vermietung eines mittels einer im Rahmen einer Leader-Maßnahme gewährten Projektförderung erworbenen Investitionsobjekts (Segelboot) durch die Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die die Förderung erhalten hat, an eine andere Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die das Segelboot in der gleichen Weise verwendet, für die dem Begünstigten die Förderung gewährt wurde, als erhebliche Veränderung der Art, der Ziele oder der Durchführungsbestimmungen des Vorhabens im Sinne von Art. 71 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1303/2013 anzusehen, die seine ursprünglichen Ziele untergraben würden?

3.      a)      Falls die erste Frage dahin beantwortet wird, dass die Verordnung Nr. 1698/2005 Anwendung findet: Ist die Vermietung eines mittels einer im Rahmen einer Leader-Maßnahme gewährten Projektförderung erworbenen Investitionsobjekts (Segelboot) durch den Begünstigten an eine andere Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die das Segelboot für das gleiche Vorhaben verwendet, für die dem Begünstigten die Förderung gewährt wurde, als erhebliche Veränderung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1698/2005 anzusehen, die darauf zurückzuführen ist, dass sich die Art der Besitzverhältnisse bei einer Infrastruktur geändert hat oder dass eine Produktionstätigkeit aufgegeben worden ist oder sich deren Standort geändert hat, wenn man dabei berücksichtigt, dass das Eigentum an dem Segelboot unverändert geblieben ist, die Begünstigte aber nicht mehr unmittelbare, sondern mittelbare Besitzerin des Segelboots ist und Mieteinnahmen anstelle von Einnahmen aus der Erbringung der im Antrag beschriebenen Dienstleistung erzielt?

b)      Falls die erste Frage dahin beantwortet wird, dass die Verordnung Nr. 1303/2013 Anwendung findet: Ist die Vermietung eines mittels einer im Rahmen einer Leader-Maßnahme gewährten Projektförderung erworbenen Investitionsobjekts (Segelboot) durch die Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die die Förderung erhalten hat, an eine andere Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die das Segelboot für das gleiche Vorhaben verwendet, für das dem Begünstigten die Förderung gewährt wurde, als Änderung der Eigentumsverhältnisse bei einer Infrastruktur, wodurch einer Firma ein ungerechtfertigter Vorteil entsteht, im Sinne von Art. 71 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1303/2013 anzusehen, wenn man dabei berücksichtigt, dass das Eigentum an dem Segelboot unverändert geblieben ist, die Begünstigte aber nicht mehr unmittelbare, sondern mittelbare Besitzerin des Segelboots ist und Mieteinnahmen anstelle von Einnahmen aus der Erbringung der im Antrag beschriebenen Dienstleistung erzielt? Muss die Zahlstelle eines Mitgliedstaats feststellen, worin der Vorteil konkret bestand, damit die Bedingung des ungerechtfertigten Vorteils erfüllt ist? Falls dies bejaht wird: Kann der ungerechtfertigte Vorteil darin bestehen, dass der tatsächliche Nutzer des Investitionsobjekts, wenn er selbst einen Antrag mit gleichem Inhalt gestellt hätte, die Projektförderung nicht erhalten hätte?

4.      Darf dem Begünstigten durch einen innerstaatlichen Erlass, der eine Leader-Maßnahme regelt, die Verpflichtung, das Investitionsobjekt für fünf Jahre zu erhalten, mit strengeren Vorgaben als in Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 oder Art. 71 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1303/2013 auferlegt werden?

5.      Falls die vierte Frage verneint wird: Stehen die Bestimmung eines innerstaatlichen Erlasses, wonach der Begünstigte einer Projektförderung verpflichtet ist, das mittels der Projektförderung erworbene Investitionsobjekt für mindestens fünf Jahre nach der Auszahlung der letzten Rate der Förderung zu erhalten und zielgemäß zu verwenden, und die Auslegung dieser Bestimmung, wonach der Begünstigte das Investitionsobjekt persönlich verwenden muss, im Einklang mit Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 bzw. Art. 71 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1303/2013?

6.      Ist es als Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 33 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1290/2005 bzw. Art. 56 der Verordnung Nr. 1306/2013 anzusehen, wenn der Begünstigte ein Vorhaben nicht durchführt, das nach einem innerstaatlichen Erlass, der eine Leader-Maßnahme regelt, nicht verpflichtend war, auf das der Begünstigte aber in der in seinem Förderantrag dargelegten „Zusammenfassung der Ziele und Tätigkeiten des Vorhabens und der Investition“ hingewiesen hatte und das eines der Kriterien war, auf deren Grundlage die Anträge zum Zweck ihrer Platzierung in einer Rangliste bewertet wurden?

7.      Falls die sechste Frage bejaht wird: Wird die Wiedereinziehung dadurch rechtswidrig, dass sie vor dem Ablauf von fünf Jahren seit der letzten Auszahlung geltend gemacht wird und der Begünstigte den Verstoß im Lauf des Gerichtsverfahrens über die Wiedereinziehung behebt?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

36      Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Dauerhaftigkeit eines Investitionsvorhabens, das wie im Ausgangsverfahren für den Programmplanungszeitraum 2007–2013 bewilligt und aus dem ELER kofinanziert wurde, anhand von Art. 72 der Verordnung Nr. 1698/2005 oder von Art. 71 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1303/2013 zu beurteilen ist. Es fragt sich auch, ob die Wiedereinziehung von im Rahmen dieses Vorhabens zu Unrecht gezahlten Beträgen, wenn sie nach dem Ende des genannten Programmplanungszeitraums, d. h. nach dem 1. Januar 2014 erfolgt, auf der Grundlage von Art. 33 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1290/2005 oder von Art. 56 der Verordnung Nr. 1306/2013 vorzunehmen ist.

37      Erstens ist hinsichtlich der Bestimmungen, anhand deren die Dauerhaftigkeit eines für den Programmplanungszeitraum 2007–2013 bewilligten und aus dem ELER kofinanzierten Investitionsvorhabens zu beurteilen ist, darauf hinzuweisen, dass eine im Rahmen eines derartigen Vorhabens gezahlte Förderung zur Erreichung der Ziele bewilligt wurde, die mit der Verordnung Nr. 1698/2005 angestrebt werden, die die allgemeinen Bestimmungen zum Funktionieren des ELER im genannten Zeitraum enthält. Daraus folgt, dass die Dauerhaftigkeit eines solchen Vorhabens zwangsläufig anhand der Bestimmungen dieser Verordnung zu beurteilen ist.

38      Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch widerlegt, dass die Verordnung Nr. 1698/2005 mit Wirkung vom 1. Januar 2014 durch die Verordnung Nr. 1305/2013 aufgehoben wurde. Gemäß Art. 88 Abs. 2 der letztgenannten Verordnung galt die Verordnung Nr. 1698/2005 nämlich weiterhin für Vorhaben, die gemäß von der Kommission im Rahmen dieser Verordnung vor dem 1. Januar 2014 genehmigten Programmen durchgeführt wurden.

39      Zweitens ist zu der Frage, welche Verordnung auf die Wiedereinziehung von im Rahmen eines für den Programmplanungszeitraum 2007–2013 bewilligten und aus dem ELER kofinanzierten Investitionsvorhabens zu Unrecht gezahlten Beträgen anwendbar ist, wenn die Wiedereinziehung wie im Ausgangsverfahren nach dem 1. Januar 2014 erfolgt, darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1306/2013, durch die die Verordnung Nr. 1290/2005 aufgehoben wurde, gemäß ihrem Art. 121 Abs. 1 Unterabs. 1 am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, d. h. am 20. Dezember 2013, in Kraft trat und gemäß ihrem Art. 121 Abs. 1 Unterabs. 2 seit dem 1. Januar 2014 gilt.

40      Zwar sollten abweichend von diesen Bestimmungen Art. 31 der Verordnung Nr. 1290/2005 und die einschlägigen Durchführungsbestimmungen gemäß Art. 119 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1306/2013 bis zum 31. Dezember 2014 gelten. Ebenso sollten gemäß Art. 121 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1306/2013 bestimmte Artikel dieser Verordnung erst ab einem späteren Zeitpunkt gelten.

41      Die Wiedereinziehung von Beträgen, die im Rahmen von für den Programmplanungszeitraum 2007–2013 bewilligten und aus dem ELER kofinanzierten Investitionsvorhaben zu Unrecht gezahlt wurden, fällt jedoch unter keine dieser abweichenden Bestimmungen.

42      Auf die erste Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass die Dauerhaftigkeit eines Investitionsvorhabens, das wie im Ausgangsverfahren für den Programmplanungszeitraum 2007–2013 bewilligt und aus dem ELER kofinanziert wurde, anhand von Art. 72 der Verordnung Nr. 1698/2005 zu beurteilen ist. Erfolgt die Wiedereinziehung von im Rahmen dieses Vorhabens zu Unrecht gezahlten Beträgen nach Ende des genannten Programmplanungszeitraums, d. h. nach dem 1. Januar 2014, ist sie auf der Grundlage von Art. 56 der Verordnung Nr. 1306/2013 vorzunehmen.

 Zu den Fragen 2 a und 3 a

43      Mit der Frage 2 a und der Frage 3 a, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass der Begünstigte einer Förderung, die wie im Ausgangsverfahren im Kontext einer aus dem ELER im Rahmen des in der Verordnung Nr. 1698/2005 genannten Schwerpunkts „Leader“ kofinanzierten Investitionsvorhabens gezahlt wurde, das mittels dieser Förderung erworbene Objekt an einen Dritten vermietet, der es für die gleiche Tätigkeit verwendet, die der Begünstigte dieser Förderung ausüben sollte, eine erhebliche Veränderung bei diesem kofinanzierten Investitionsvorhaben im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. a oder b der Verordnung Nr. 1698/2005 darstellt. Es möchte auch wissen, ob die zuständige nationale Behörde zur Beurteilung, ob ein ungerechtfertigter Vorteil im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung vorliegt, feststellen muss, worin der ungerechtfertigte Vorteil konkret besteht. Schließlich fragt sich das vorlegende Gericht, ob der ungerechtfertigte Vorteil darin bestehen kann, dass der tatsächliche Nutzer des Investitionsobjekts, wenn er selbst eine Förderung beantragt hätte, die Förderung nicht erhalten hätte.

44      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nicht Aufgabe des Gerichtshofs ist, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Veränderungen konkret zu beurteilen. Diese Beurteilung fällt nämlich in die alleinige Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts. Die Aufgabe des Gerichtshofs ist darauf beschränkt, diesem eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Auslegung des Unionsrechts zu geben. Allerdings kann der Gerichtshof die einschlägigen Gesichtspunkte ermitteln, die das vorlegende Gericht bei seiner Beurteilung leiten können (vgl. entsprechend für Art. 30 Abs. 4 der Verordnung [EG] Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds [ABl. 1999, L 161, S. 1] Urteil vom 14. November 2013, Comune di Ancona, C‑388/12, EU:C:2013:734, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Im Übrigen waren die beiden in Art. 30 Abs. 4 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 1260/1999 enthaltenen Voraussetzungen durch die beiordnende Konjunktion „und“ verbunden, während dies bei den beiden in Art. 72 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 1698/2005 genannten Voraussetzungen nicht der Fall ist, so dass diese beiden Voraussetzungen nicht kumulativ erfüllt sein müssen, damit eine erhebliche Veränderung des betreffenden Investitionsvorhabens im Sinne der letztgenannten Vorschrift vorliegt.

46      Somit stellt Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 vielmehr eine Reihe alternativer Voraussetzungen auf, nämlich zwei in Buchst. a und zwei in Buchst. b, von denen jede für sich genommen die Schlussfolgerung begründen kann, dass bei einem kofinanzierten Investitionsvorhaben innerhalb der in Art. 72 Abs. 1 vorgesehenen Frist von fünf Jahren eine erhebliche Veränderung im Sinne dieser Vorschrift erfolgt ist.

47      Da der Unionsgesetzgeber die Eigenschaft „erheblich“ in Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 hinzugefügt hat, um die betreffende Veränderung zu kennzeichnen, muss diese Veränderung, damit sie in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt, einen gewissen Umfang aufweisen (vgl. entsprechend Urteil vom 14. November 2013, Comune di Ancona, C‑388/12, EU:C:2013:734, Rn. 35).

48      Somit ist erstens zu ermitteln, ob die betreffende Veränderung die in Art. 72 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1698/2005 genannten Voraussetzungen erfüllt, wonach sie entweder auf die Änderung der Art der Besitzverhältnisse bei einer Infrastruktur oder darauf zurückzuführen sein muss, dass der Standort einer Produktionstätigkeit aufgegeben worden ist oder sich geändert hat. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen sind nämlich die Gesichtspunkte zu bewerten, die der streitigen Veränderung zugrunde liegen und so die Gründe für diese Veränderung bilden (vgl. entsprechend Urteil vom 14. November 2013, Comune di Ancona, C‑388/12, EU:C:2013:734, Rn. 21).

49      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung nicht hervor, dass der Standort einer Produktionstätigkeit aufgegeben worden ist oder sich geändert hat. Auch nachdem es vermietet worden war, wurde das im Rahmen des im Ausgangsverfahren in Frage stehenden Investitionsvorhabens erworbene Objekt nämlich weiterhin für die gleiche Tätigkeit verwendet, die in dem Förderantrag vorgesehen war.

50      Was im Übrigen das Vorliegen einer etwaigen Änderung der Art der Besitzverhältnisse bei einer Infrastruktur betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Voraussetzung im Unterschied zu der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils geprüften Voraussetzung nicht die Verwendung der fraglichen Infrastruktur betrifft, sondern die Eigenschaft, in der ihr Eigentümer sie besitzt. Dass ein Eigentümer bestimmte Rechte an einer Infrastruktur, gegebenenfalls auch das Recht, sie für einen bestimmten Zeitraum ausschließlich zu nutzen, im Rahmen eines Vertragsverhältnisses einem Dritten überträgt, beinhaltet somit für sich genommen keine Änderung der Art der Besitzverhältnisse bei dieser Infrastruktur.

51      Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die von Järvelaev auf Kaleselts im Rahmen des zwischen ihnen vereinbarten Mietverhältnisses übertragenen Rechte rein vertraglicher Natur waren, was gleichwohl vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist.

52      Zweitens ist zu prüfen, ob die festgestellte Veränderung unter eine der in Art. 72 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung genannten Fallgruppen fällt, d. h., die Art oder die Durchführungsbedingungen des Investitionsvorhabens beeinträchtigt oder einem Unternehmen oder einer öffentlichen Körperschaft einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft, wobei diese beiden Fallgruppen die Wirkungen der fraglichen Veränderung betreffen (vgl. entsprechend Urteil vom 14. November 2013, Comune di Ancona, C‑388/12, EU:C:2013:734, Rn. 22).

53      Daher ist, bevor entschieden werden kann, ob eine erhebliche Veränderung vorliegt oder nicht, zu prüfen, ob die betreffende Veränderung einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft hat und/oder die Art oder die Durchführungsbedingungen beeinträchtigt sind (vgl. entsprechend Urteil vom 14. November 2013, Comune di Ancona, C‑388/12, EU:C:2013:734, Rn. 32).

54      Hinsichtlich der Voraussetzung, die sich auf die Art und die Durchführungsbedingungen des fraglichen Investitionsvorhabens bezieht, ist das Ziel der Maßnahme zu berücksichtigen, in deren Rahmen dieses Vorhaben finanziert wurde, nämlich die Entwicklung und Vermarktung von Dienstleistungen des ländlichen Tourismus.

55      Dieses Ziel ist Teil eines allgemeineren Ziels des Schwerpunkts „Leader“, das in der Förderung der regionalen Entwicklung in den ländlichen Gebieten besteht. Mit diesem Programm sollten nach Art. 61 der Verordnung Nr. 1698/2005 u. a. gebietsbezogene lokale Entwicklungsstrategien, die für genau umrissene ländliche Gebiete bestimmt sind, finanziert werden. Daraus ergibt sich, dass die Veränderungen bei dem Vorhaben, das Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, im Hinblick auf diesen Zweck, nämlich vor allem die Entwicklung eines vorab bestimmten Gebiets durch die Förderung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem ländlichen Tourismus zu gewährleisten, beurteilt werden müssen.

56      Da die Förderung, um die es im Ausgangsverfahren geht, hauptsächlich einem Ziel der Entwicklung eines vorab bestimmten Gebiets diente, bedeutet der bloße Umstand, dass im Laufe der Durchführung des von dem im Ausgangsverfahren in Frage stehenden kofinanzierten Investitionsvorhaben erfassten Projekts das mit diesem Projekt betraute Subjekt, nämlich Järvelaev, durch ein anderes, nämlich Kaleselts, ersetzt wurde, für sich genommen nicht, dass das fragliche Ziel nicht erreicht worden wäre und damit eine Veränderung der Art oder der Durchführungsbedingungen dieses Vorhabens von einem gewissen Umfang erfolgt wäre.

57      Dass das im Rahmen eines kofinanzierten Investitionsvorhabens erworbene Objekt vermietet wurde, lässt somit noch nicht den Schluss zu, dass eine Veränderung der Art oder der Durchführungsbedingungen des Investitionsvorhabens im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1698/2005 vorliegt.

58      Dass der Eigentümer zur Verwirklichung eines Vorhabens in dieser Weise durch einen Mieter ersetzt wird und dass, wie im vorliegenden Fall vom vorlegenden Gericht im Rahmen seiner sechsten Frage erwähnt, die im Auswahlverfahren zur Bewilligung der Förderung ursprünglich vorgesehene Schaffung von Arbeitsplätzen ausbleibt, sind jedoch Umstände, die den Schluss rechtfertigen können, dass bei einem Vorhaben eine solche Veränderung der Art oder der Durchführungsbedingungen erfolgt ist, wenn sie die Eignung der betreffenden Maßnahme, das ihr zugewiesene Ziel zu erreichen, signifikant mindern, was zu prüfen Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 14. November 2013, Comune di Ancona, C‑388/12, EU:C:2013:734, Rn. 37).

59      Was schließlich die in Art. 72 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1698/2005 vorgesehene Bedingung betrifft, wonach die Dauerhaftigkeit eines kofinanzierten Vorhabens u. a. voraussetzt, dass einem Unternehmen oder einer öffentlichen Körperschaft kein ungerechtfertigter Vorteil verschafft wurde, ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Bestimmung auf einen Vorteil bezieht, der einem Unternehmen gewährt wurde, so dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Schaffung eines solchen Vorteils zugunsten des Eigentümers der Infrastruktur oder zugunsten der Vereinigung, die diese im Rahmen des von diesem Eigentümer gewährten Mietrechts verwendet, eine erhebliche Veränderung des fraglichen Vorhabens im Sinne dieser Bestimmung darstellen könnte.

60      Gleichwohl muss der Begünstigte der Förderung, auch wenn Umstände gegeben sind, die auf den ersten Blick auf das Vorliegen eines ungerechtfertigten Vorteils hinweisen, die Möglichkeit haben, nachzuweisen, dass die Vermietung des mit Hilfe der Fördermittel erworbenen Objekts ihm selbst oder dessen tatsächlichem Verwender keinen Vorteil verschafft hat.

61      Was den Begünstigten der Förderung betrifft, sind das Vorliegen und der Umfang eines solchen Vorteils anhand der etwaigen Differenz zwischen den – finanziellen oder sonstigen – Vorteilen, die diesem Begünstigten aus dem Vorhaben, wie es ursprünglich geplant war, erwachsen sollten, und den Vorteilen, die ihm aus diesem Vorhaben in geänderter Form erwachsen, zu beurteilen. Somit wird das vorlegende Gericht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens insbesondere zu prüfen haben, ob die Einnahmen, die die Vereinigung Järvelaev durch den Betrieb des mit Hilfe der fraglichen Kofinanzierung erworbenen Segelboots hätte erzielen können, mit den Beträgen vergleichbar gewesen wären, die ihr von Kaleselts als Vergütung für die Vermietung des Segelboots gezahlt werden, da nur eine Differenz von gewissem Umfang im Sinne der in Rn. 47 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung eine erhebliche Veränderung des Vorhabens im Sinne von Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 wäre.

62      Im Übrigen ist nicht ausgeschlossen, dass die Vermietung des betreffenden Objekts seinem tatsächlichen Verwender einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft, da dieser Verwender Dank der Verwendung eines von einer anderen Vereinigung mittels einer Förderung erworbenen Gegenstands in der Lage ist, Einnahmen zu erzielen, die er nicht erlangt hätte, wenn er dieses Objekt nicht hätte verwenden können. Außerdem kann ein ungerechtfertigter Vorteil auch festgestellt werden, wenn die Höhe der Miete nicht zu Marktbedingungen festgelegt wurde. Das vorlegende Gericht wird daher zu prüfen haben, ob die von Kaleselts gezahlte Miete in einer Höhe vereinbart wurde, die wesentlich von dem Betrag abweicht, den sie gegebenenfalls gezahlt hätte, wenn sie ein gleichartiges Boot von einem anderen Eigentümer als Järvelaev gemietet hätte.

63      Zu der Frage, ob es für die Feststellung, dass ein ungerechtfertigter Vorteil im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 1698/2005 vorliegt, erforderlich ist, dass die zuständige nationale Behörde feststellt, worin dieser Vorteil konkret besteht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 74 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1698/2005 zum wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen und für jedes Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum die zuständigen Behörden benennen und hierbei die Funktionen der mit der Verwaltung betrauten Stelle und die Funktionen anderer Stellen festlegen.

64      Außerdem sieht Art. 48 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 vor, dass die Mitgliedstaaten für die Anwendung von Art. 74 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 dafür Sorge tragen, dass alle von ihnen geplanten Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum überprüft und kontrolliert werden können, und dass die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck Kontrollmaßnahmen festlegen, die ihnen hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die Förderkriterien und sonstigen Verpflichtungen eingehalten werden.

65      Einer zuständigen nationalen Behörde wird es unmöglich sein, das Vorliegen eines ungerechtfertigten Vorteils in einem Einzelfall angemessen zu prüfen, wenn sie nicht in der Lage ist, konkret festzustellen, worin dieser Vorteil besteht. Insbesondere wird es ihr ohne eine solche Feststellung unmöglich sein, zu beurteilen, ob ein Vorteil gerechtfertigt oder ungerechtfertigt ist.

66      Hat die zuständige nationale Behörde zu ermitteln, ob einem Unternehmen oder einer öffentlichen Körperschaft ein ungerechtfertigter Vorteil im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1698/2005 verschafft wurde, hat sie folglich zwangsläufig festzustellen, worin der ungerechtfertigte Vorteil konkret besteht.

67      Was die Bedeutung betrifft, die dem Umstand zuzumessen ist, dass der tatsächliche Verwender des im Rahmen des betreffenden kofinanzierten Investitionsvorhabens erworbenen Objekts die Förderung nicht erhalten hätte, wenn er selbst einen Förderantrag gestellt hätte, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Umstand bei der in der vorstehenden Randnummer genannten Beurteilung, ob ein Vorteil, den eine Organisation erhalten hat, die zur Verwirklichung des Vorhabens an die Stelle des Begünstigten einer Förderung getreten ist und eine mit Hilfe dieser Förderung kofinanzierte Infrastruktur verwendet, gerechtfertigt oder ungerechtfertigt ist, nicht ausschlaggebend sein kann. Ist erwiesen, dass diese Organisation selbst eine identische Förderung hätte erhalten können, wenn sie einen Förderantrag gestellt hätte, was das vorlegende Gericht im vorliegenden Fall zu prüfen haben wird, könnte dies dafür sprechen, dass kein ungerechtfertigter Vorteil vorliegt, dies ändert aber nichts daran, dass das Vorliegen eines solchen Vorteils anhand der in der vorstehenden Randnummer genannten Beurteilung zu bestimmen ist.

68      Auf die Frage 2 a und die Frage 3 a, ist zu antworten, dass der Umstand, dass der Begünstigte einer Förderung, die wie im Ausgangsverfahren im Kontext einer aus dem ELER im Rahmen des in der Verordnung Nr. 1698/2005 genannten Schwerpunkts „Leader“ kofinanzierten Investitionsvorhabens gezahlt wurde, das mittels dieser Förderung erworbene Objekt an einen Dritten vermietet, der es für die gleiche Tätigkeit verwendet, die der Begünstigte dieser Förderung ausüben sollte, eine erhebliche Veränderung bei diesem kofinanzierten Investitionsvorhaben im Sinne von Art. 72 Abs. 1 dieser Verordnung darstellen kann, was das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher einschlägiger tatsächlicher und rechtlicher Gesichtspunkte nach Maßgabe der in Art. 72 Abs. 1 Buchst. a und b genannten alternativen Voraussetzungen zu prüfen hat. Um festzustellen, ob ein ungerechtfertigter Vorteil, der einem Unternehmen oder einer öffentlichen Körperschaft verschafft wurde, im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung vorliegt, hat die zuständige nationale Behörde unter der Kontrolle der zuständigen nationalen Gerichte zu ermitteln, worin der ungerechtfertigte Vorteil konkret besteht. Die Frage, ob der tatsächliche Verwender der Förderung diese angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Umstände erhalten hätte, wenn er selbst einen Förderantrag gestellt hätte, ist zwar relevant, aber nicht ausschlaggebend für die Anwendung von Art. 72 Abs. 1 Buchst. a der genannten Verordnung.

 Zu den Fragen 2 b und 3 b

69      Angesichts der Antwort auf die erste Frage sind die Frage 2 b und die Frage 3 b nicht zu beantworten.

 Zur vierten und zur fünften Frage

70      Mit der vierten und der fünften Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 dahin auszulegen ist, dass er einer innerstaatlichen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Frage stehenden entgegensteht, die den Begünstigten einer im Rahmen eines aus dem ELER kofinanzierten Investitionsvorhabens gezahlten Förderung verpflichtet, das im Rahmen dieses Investitionsvorhabens erworbene Objekt für mindestens fünf Jahre ab der Zahlung der letzten Rate der Förderung persönlich zu erhalten und zu verwenden.

71      Zunächst ist zum einen festzustellen, dass die estnische Regierung der Auffassung ist, dass das dem Begünstigten einer Förderung nach Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 auferlegte Verbot, innerhalb von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem die Finanzierung beschlossen wurde, erhebliche Veränderungen an dem Investitionsvorhaben vorzunehmen, nicht in allen Fällen ausreiche, um eine wirksame Kontrolle der Durchführung des Vorhabens und der zielgemäßen Verwendung der Förderung zu gewährleisten. Dieser Fünfjahreszeitraum beginne nämlich häufig bereits bevor der Begünstigte der Förderung überhaupt über das im Rahmen des kofinanzierten Investitionsvorhabens erworbene Objekt verfüge. Zudem räume der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten einen gewissen Ermessensspielraum ein, da aus der genannten Vorschrift nicht gefolgert werden könne, dass der Überwachungszeitraum nicht länger sein könne als fünf Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem die Finanzierung beschlossen wurde.

72      Zum anderen verpflichtet die Republik Estland den Begünstigten, offenbar ebenfalls mit dem Ziel, eine wirksame und kontinuierliche Aufsicht zu gewährleisten, dieses Objekt in diesem Zeitraum von fünf Jahren persönlich zu erhalten und zu verwenden, während Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 nicht ausdrücklich vorsieht, dass der Begünstigte das mittels dieser Förderung erworbene Objekt in dem genannten Zeitraum persönlich verwenden muss.

73      Was erstens die Verpflichtung des Begünstigten einer von der Verordnung Nr. 1698/2005 erfassten Förderung betrifft, ein im Rahmen dieser Förderung erworbenes Objekt wie das Fischereisegelboot im Ausgangsverfahren für eine gewisse Zeit persönlich zu erhalten und zu verwenden, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 72 Abs. 1 dieser Verordnung ein kofinanziertes Investitionsvorhaben nicht mehr aus dem ELER kofinanziert wird, wenn bei diesem Vorhaben innerhalb des in dieser Vorschrift genannten Zeitraums eine erhebliche Veränderung erfolgt, die die Voraussetzungen von Buchst. a und b dieser Vorschrift erfüllt.

74      Die Frage, ob die Vermietung eines solchen Objekts durch den Begünstigten die Kofinanzierung durch den ELER gemäß Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 entfallen lässt, ist durch eine Einzelfallprüfung zu ermitteln. Wie sich aus der Antwort des Gerichtshofs auf die Frage 2 a und die Frage 3 a ergibt, ist zu prüfen, ob diese Vermietung zu einer Veränderung bei dem kofinanzierten Investitionsvorhaben führen kann, die eine der in Art. 72 Abs. 1 Buchst. a oder b genannten Voraussetzungen erfüllt, und wenn ja, ob diese Veränderung erheblich ist.

75      Daraus folgt, dass eine innerstaatliche Regelung, die die endgültige Erlangung einer Förderung in allen Fällen daran knüpft, dass der Begünstigte das durch diese Förderung finanzierte Objekt persönlich in Besitz hat und verwendet, ohne die Prüfung zuzulassen, ob die Vermietung dieses Objekts in einem konkreten Fall eine erhebliche Veränderung bei dem kofinanzierten Investitionsvorhaben im Sinne von Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 darstellt, mit dieser Vorschrift nicht im Einklang steht.

76      Zwar sind die Mitgliedstaaten nach Art. 74 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 befugt, alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union in Bezug auf die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den ELER zu erlassen. Außerdem geht aus Art. 71 Abs. 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung hervor, dass die Mitgliedstaaten für die Festlegung der Regeln für die Zuschussfähigkeit der Ausgaben in diesem Bereich zuständig sind.

77      Keine dieser beiden Vorschriften ist jedoch maßgeblich für die Beurteilung der Vereinbarkeit der Verpflichtung, die Gegenstand der vierten und der fünften Frage ist, mit Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005.

78      Art. 74 in Titel VI („Verwaltung, Kontrolle und Information“) der Verordnung Nr. 1698/2005 bezieht sich nämlich auf die Überprüfungen, die die Mitgliedstaaten durchzuführen haben, um sich zu vergewissern, dass die Vorschriften, nach denen sich die Rechtmäßigkeit der aus dem ELER kofinanzierten Vorhaben bestimmt, zu denen Art. 72 dieser Verordnung gehört, eingehalten werden.

79      Art. 71 der Verordnung Nr. 1698/2005 bezieht sich auf die Voraussetzungen der Zuschussfähigkeit, anhand deren die Ausgaben im Hinblick auf die Kofinanzierung aus dem ELER zu beurteilen sind, wobei diese Voraussetzungen von den in Art. 72 dieser Verordnung bezüglich der Dauerhaftigkeit investitionsbezogener Vorhaben vorgesehenen Voraussetzungen zu unterscheiden sind. Da der genannte Art. 72 keine Bestimmung enthält, die derjenigen in Art. 71 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1698/2005 entspricht, ist daher festzustellen, dass die Voraussetzungen bezüglich der Dauerhaftigkeit der betreffenden Vorhaben nicht durch das innerstaatliche Recht, sondern ausschließlich durch diese Verordnung, insbesondere deren Art. 72 festgelegt werden.

80      Diese Auslegung des genannten Art. 72 wird nicht dadurch widerlegt, dass der Begriff „Begünstigter“ in Art. 2 Buchst. h der Verordnung Nr. 1698/2005 dahin definiert ist, dass er „einen Wirtschaftsbeteiligten oder eine Einrichtung bzw. ein Unternehmen des öffentlichen oder privaten Rechts, der/die mit der Durchführung der Vorhaben betraut ist oder dem/der die finanzielle Unterstützung gewährt wird“, meint. Die Wendung „mit der Durchführung betraut“ in dieser Bestimmung ist nämlich zusammen mit dem maßgeblichen rechtlichen Rahmen und dem Ziel der Maßnahme zu betrachten, in deren Rahmen sich das Investitionsvorhaben einfügt und die auf die Entwicklung vorab bestimmter Gebiete gerichtet ist. Somit ist in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Dauerhaftigkeit des betreffenden Vorhabens anhand der in Art. 72 Abs. 1 dieser Verordnung niedergelegten Voraussetzungen, insbesondere derjenigen bezüglich der Art und der Bedingungen der adäquaten Durchführung des betreffenden Vorhabens zur Erreichung des fraglichen Ziels, zu beurteilen.

81      Was zweitens den Zeitraum von mindestens fünf Jahren ab der Zahlung der letzten Rate der Förderung betrifft, in dem der Begünstigte nach den innerstaatlichen Vorschriften verpflichtet ist, das fragliche Objekt persönlich zu erhalten und zu verwenden, andernfalls die gezahlte Förderung zurückerstatten muss, ist festzustellen, dass gemäß Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 ein Vorhaben nur dann tatsächlich aus dem ELER kofinanziert wird, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem die nationale Verwaltungsbehörde die Finanzierung beschlossen hat, bei diesem Vorhaben keine erhebliche Veränderung im Sinne dieser Bestimmung erfolgt ist, und dieser Zeitraum somit in der Regel kürzer ist als der nach der innerstaatlichen Regelung vorgesehene Zeitraum.

82      Daher ist auf die vierte und die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 dahin auszulegen ist, dass er einer innerstaatlichen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Frage stehenden entgegensteht, die den Begünstigten einer im Rahmen eines aus dem ELER kofinanzierten Investitionsvorhabens gezahlten Förderung verpflichtet, das im Rahmen dieses Investitionsvorhabens erworbene Objekt für mindestens fünf Jahre ab der Zahlung der letzten Rate der Förderung persönlich zu erhalten und zu verwenden.

 Zur sechsten Frage

83      Mit der sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 dahin auszulegen ist, dass es eine Unregelmäßigkeit im Sinne dieser Vorschrift darstellt, wenn der Begünstigte einer im Rahmen eines aus dem ELER kofinanzierten und unter den in der Verordnung Nr. 1698/2005 genannten Schwerpunkt „Leader“ fallenden Investitionsvorhabens bewilligten Förderung einen der von ihm in seinem Förderantrag angegebenen Aspekte des Vorhabens, der eines der Kriterien darstellte, auf deren Grundlage die Förderanträge zur Einstufung nach ihrer Priorität bewertet wurden, nicht durchgeführt hat, auch wenn dieses Kriterium nach den einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht vorgeschrieben war.

84      Wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt, steht im vorliegenden Fall fest, dass, während die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu den Kriterien gehörte, anhand deren die Förderanträge nach ihrer Priorität eingestuft wurden, Järvelaev in ihrem Antrag selbst ihre Absicht geäußert hatte, Arbeitsplätze in der Region zu schaffen und eine Besatzung für ihr Fischereisegelboot einzustellen.

85      Hierzu ist festzustellen, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen weder nach der Verordnung Nr. 1698/2005 noch, so das vorlegende Gericht, nach den estnischen Rechtsvorschriften eine Voraussetzung für die Bewilligung einer Förderung war. Außerdem geht aus der Vorlageentscheidung nicht hervor, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen eine im Rahmen der im Ausgangsverfahren in Frage stehenden Förderung vereinbarte vertragliche Bedingung war. Dies hat jedoch das vorlegende Gericht gegebenenfalls zu überprüfen.

86      Folglich kann das Ausbleiben der Schaffung von Arbeitsplätzen im Rahmen der Durchführung eines aus dem ELER kofinanzierten Investitionsvorhabens für sich genommen nicht als Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 angesehen werden.

87      Gleichwohl macht die estnische Regierung in ihren Erklärungen geltend, dass sich Järvelaev durch die Unterzeichnung des Finanzierungsvertrags verpflichtet habe, das Projekt in der im Förderantrag beschriebenen Weise durchzuführen. Wie in den Rn. 23 und 84 des vorliegenden Urteils ausgeführt, waren die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region und die Einstellung einer Besatzung für das Fischereisegelboot aber in dem Förderantrag genannt.

88      Das vorlegende Gericht wird gegebenenfalls zu überprüfen haben, ob Järvelaev nach den einschlägigen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts tatsächlich die Verpflichtung übernommen hat, dafür zu sorgen, dass diese beiden Aspekte, nämlich die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region und die Einstellung einer Besatzung für ihr Fischereisegelboot verwirklicht würden.

89      Jedenfalls kann im Einklang mit den Ausführungen in Rn. 58 des vorliegenden Urteils nicht ausgeschlossen werden, dass das Unterbleiben der Durchführung eines im Förderantrag angegebenen Gesichtspunkts – unter der Annahme, dass dieser im Hinblick auf das angestrebte Ziel erheblich ist – eine erhebliche Veränderung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 des Investitionsvorhabens in der Gestalt, in der ihm die Kofinanzierung bewilligt wurde, darstellt. Das vorlegende Gericht wird gegebenenfalls die Tragweite eines solchen Unterbleibens der Durchführung nach Maßgabe der in dieser Bestimmung niedergelegten Voraussetzungen zu prüfen haben.

90      Sollte eine solche Prüfung ergeben, dass die Nichtumsetzung des im Ausgangsverfahren in Frage stehenden Kriteriums eine solche erhebliche Veränderung darstellte, wäre sie als Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 56 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 anzusehen.

91      Zwar müssen nach Art. 72 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1698/2005 die in Bezug auf ein Investitionsvorhaben, bei dem eine erhebliche Veränderung erfolgt ist, zu Unrecht gezahlten Beträge gemäß Art. 33 der Verordnung Nr. 1290/2005 wieder eingezogen werden, doch ergibt sich aus Art. 119 in Verbindung mit Anhang III der Verordnung Nr. 1306/2013, dass Verweise auf Art. 33 der Verordnung Nr. 1290/2005 als Verweise u. a. auf Art. 56 der Verordnung Nr. 1306/2013 gelten.

92      Nach alledem ist auf die sechste Frage zu antworten, dass Art. 56 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 dahin auszulegen ist, dass es eine Unregelmäßigkeit im Sinne dieser Vorschrift darstellt, wenn der Begünstigte einer im Rahmen eines aus dem ELER kofinanzierten und unter den in der Verordnung Nr. 1698/2005 genannten Schwerpunkt „Leader“ fallenden Investitionsvorhabens bewilligten Förderung einen der von ihm in seinem Förderantrag angegebenen Aspekte des Vorhabens, der eines der Kriterien darstellte, auf deren Grundlage die Förderanträge zur Einstufung nach ihrer Priorität bewertet wurden, nicht durchgeführt hat, auch wenn dieses Kriterium nach den einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht vorgeschrieben war, sofern die Nichtdurchführung eines solchen Aspekts eine erhebliche Veränderung des Investitionsvorhabens im Sinne von Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 bewirkt; dies zu prüfen ist Aufgabe des vorlegenden Gerichts.

 Zur siebten Frage

93      Eingangs ist angesichts der Feststellungen in den Rn. 81 und 82 des vorliegenden Urteils davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Bezugnahme auf einen Zeitraum von fünf Jahren ab der letzten Zahlung in der siebten Frage den in Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 genannten Zeitraum meint.

94      Somit möchte das vorlegende Gericht mit der siebten Frage schließlich wissen, ob Art. 56 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 dahin auszulegen ist, dass er der Einleitung eines Verfahrens zur Wiedereinziehung einer zu Unrecht gezahlten Förderung vor dem Ende der Frist von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem die Verwaltungsbehörde die Finanzierung beschlossen hat, entgegensteht. Es fragt sich zudem, ob diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass sie der Fortsetzung eines solchen Wiedereinziehungsverfahrens entgegensteht, wenn der Begünstigte den Verstoß, der die Einleitung dieses Verfahrens rechtfertigte, im Lauf des Verfahrens beendet.

95      Erstens ist zu der Möglichkeit eines Mitgliedstaats, ein Verfahren zur Wiedereinziehung einer zu Unrecht gezahlten Förderung vor Ende der Frist von fünf Jahren ab der Zahlung der letzten Rate der Förderung einzuleiten, darauf hinzuweisen, dass ein Mitgliedstaat, der eine Unregelmäßigkeit feststellt, die zu Unrecht gezahlte Förderung gemäß Art. 54 Abs. 1 und Art. 56 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 zurückfordern muss. Insbesondere muss der Mitgliedstaat den Betrag von dem Begünstigten innerhalb von 18 Monaten nach dem Zeitpunkt zurückfordern, zu dem ein Kontrollbericht oder ähnliches Dokument, in dem festgestellt wird, dass eine Unregelmäßigkeit stattgefunden hat, gebilligt wurde und gegebenenfalls der Zahlstelle oder der für die Wiedereinziehung zuständigen Stelle zugegangen ist.

96      Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten berechtigt und im Interesse einer wirtschaftlichen Haushaltsführung der Union verpflichtet sind, die Beträge so bald wie möglich wiedereinzuziehen. Daher hat der Umstand, dass die Rückzahlung vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem die Verwaltungsbehörde die Finanzierung beschlossen hat, gefordert wird, keine Auswirkungen auf diese Wiedereinziehung.

97      Zweitens ist zu der Frage, ob das Unionsrecht einer Fortsetzung des Wiedereinziehungsverfahrens entgegensteht, wenn der Begünstigte den Verstoß, der die Einleitung dieses Verfahrens rechtfertigte, im Lauf des Verfahrens beendet, wie von der Kommission geltend gemacht, festzustellen, dass, wenn dem Begünstigten die Möglichkeit eingeräumt würde, eine bei der Durchführung des Vorhabens begangene Unregelmäßigkeit während des gerichtlichen Verfahrens, das die Wiedereinziehung betrifft, zu beheben, andere Begünstigte dazu verleitet werden könnten, Verstöße zu begehen, da sie die Gewissheit hätten, diesen Verstoß, nachdem er von den zuständigen nationalen Behörden entdeckt wurde, nachträglich beheben zu können. Folglich kann der Umstand, dass der Begünstigte sich während eines gerichtlichen Verfahrens, das die Wiedereinziehung betrifft, bemüht, den Verstoß zu beenden, oder ihn sogar beendet, keine Auswirkung auf diese Wiedereinziehung haben.

98      Somit ist auf die siebte Frage zu antworten, dass Art. 56 der Verordnung Nr. 1306/2013 dahin auszulegen ist, dass er der Einleitung eines Verfahrens zur Wiedereinziehung einer zu Unrecht gezahlten Förderung vor dem Ende der Frist von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem die Verwaltungsbehörde die Finanzierung beschlossen hat, nicht entgegensteht. Ebenso wenig steht er der Fortsetzung eines solchen Wiedereinziehungsverfahrens entgegen, wenn der Begünstigte den Verstoß, der die Einleitung dieses Verfahrens rechtfertigte, im Lauf des Verfahrens beendet.

 Kosten

99      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Dauerhaftigkeit eines Investitionsvorhabens, das wie im Ausgangsverfahren für den Programmplanungszeitraum 2007–2013 bewilligt und aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) kofinanziert wurde, ist anhand von Art. 72 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums zu beurteilen. Erfolgt die Wiedereinziehung von im Rahmen dieses Vorhabens zu Unrecht gezahlten Beträgen nach Ende des genannten Programmplanungszeitraums, d. h. nach dem 1. Januar 2014, ist sie auf der Grundlage von Art. 56 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates vorzunehmen.

2.      Der Umstand, dass der Begünstigte einer Förderung, die wie im Ausgangsverfahren im Kontext einer aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) im Rahmen des in der Verordnung Nr. 1698/2005 genannten Schwerpunkts „Leader“ kofinanzierten Investitionsvorhabens gezahlt wurde, das mittels dieser Förderung erworbene Objekt an einen Dritten vermietet, der es für die gleiche Tätigkeit verwendet, die der Begünstigte dieser Förderung ausüben sollte, kann eine erhebliche Veränderung bei diesem kofinanzierten Investitionsvorhaben im Sinne von Art. 72 Abs. 1 dieser Verordnung darstellen, was das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher einschlägiger tatsächlicher und rechtlicher Gesichtspunkte nach Maßgabe der in Art. 72 Abs. 1 Buchst. a und b genannten alternativen Voraussetzungen zu prüfen hat. Um festzustellen, ob ein ungerechtfertigter Vorteil, der einem Unternehmen oder einer öffentlichen Körperschaft verschafft wurde, im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung vorliegt, hat die zuständige nationale Behörde unter der Kontrolle der zuständigen nationalen Gerichte zu ermitteln, worin der ungerechtfertigte Vorteil konkret besteht. Die Frage, ob der tatsächliche Verwender der Förderung diese angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Umstände erhalten hätte, wenn er selbst einen Förderantrag gestellt hätte, ist zwar relevant, aber nicht ausschlaggebend für die Anwendung von Art. 72 Abs. 1 Buchst. a der genannten Verordnung.

3.      Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Frage stehenden entgegensteht, die den Begünstigten einer im Rahmen eines aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) kofinanzierten Investitionsvorhabens gezahlten Förderung verpflichtet, das im Rahmen dieses Investitionsvorhabens erworbene Objekt für mindestens fünf Jahre ab der Zahlung der letzten Rate der Förderung persönlich zu erhalten und zu verwenden.

4.      Art. 56 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 ist dahin auszulegen, dass es eine Unregelmäßigkeit im Sinne dieser Vorschrift darstellt, wenn der Begünstigte einer im Rahmen eines aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) kofinanzierten und unter den in der Verordnung Nr. 1698/2005 genannten Schwerpunkt „Leader“ fallenden Investitionsvorhabens bewilligten Förderung einen der von ihm in seinem Förderantrag angegebenen Aspekte des Vorhabens, der eines der Kriterien darstellte, auf deren Grundlage die Förderanträge zur Einstufung nach ihrer Priorität bewertet wurden, nicht durchgeführt hat, auch wenn dieses Kriterium nach den einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht vorgeschrieben war, sofern die Nichtdurchführung eines solchen Aspekts eine erhebliche Veränderung des Investitionsvorhabens im Sinne von Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 bewirkt; dies zu prüfen ist Aufgabe des vorlegenden Gerichts.

5.      Art. 56 der Verordnung Nr. 1306/2013 ist dahin auszulegen, dass er der Einleitung eines Verfahrens zur Wiedereinziehung einer zu Unrecht gezahlten Förderung vor dem Ende der Frist von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem die Verwaltungsbehörde die Finanzierung beschlossen hat, nicht entgegensteht. Ebenso wenig steht er der Fortsetzung eines solchen Wiedereinziehungsverfahrens entgegen, wenn der Begünstigte den Verstoß, der die Einleitung dieses Verfahrens rechtfertigte, im Lauf des Verfahrens beendet.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Estnisch.