Language of document : ECLI:EU:T:2013:596

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

14. November 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke FICKEN – Absolutes Eintragungshindernis – Marke, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt – Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑52/13

Efag Trade Mark Company GmbH & Co. KG mit Sitz in Schemmerhofen (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Wekwerth,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 18. Oktober 2012 (Sache R 493/2012-1) über die Anmeldung des Wortzeichens FICKEN als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung, zum Zeitpunkt der Beratung, des Präsidenten A. Dittrich, der Richterin I. Wiszniewska-Białecka (Berichterstatterin) und des Richters M. Prek,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 4. Februar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 17. Mai 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der Entscheidung vom 24. Juni 2013, die Einreichung einer Erwiderung nicht zu gestatten,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht der Berichterstatterin gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 26. Juli 2010 meldete die Klägerin, die Efag Trade Mark Company GmbH & Co. KG, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen FICKEN.

3        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen in den Klassen 25, 32, 33 und 43 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“;

–        Klasse 32: „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“;

–        Klasse 33: „alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“;

–        Klasse 43: „Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen, Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen“.

4        Mit Entscheidung vom 13. Januar 2012 wies der Prüfer die Anmeldung für die betreffenden Waren wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 zurück.

5        Am 12. März 2012 legte die Klägerin gegen diese Entscheidung Beschwerde beim HABM nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 ein.

6        Mit Entscheidung vom 18. Oktober 2012 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Sie stellte fest, dass nur die Waren der Klassen 25, 32 und 33 Gegenstand der Entscheidung des Prüfers gewesen seien. Sie war der Auffassung, dass die Marke aus einem vulgären und anstößigen Wort bestehe, das im deutschsprachigen Teil der Europäischen Union gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoße, und dass ihr daher das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 entgegenstehe. Hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 43 stellte die Beschwerdekammer fest, dass sie nicht Gegenstand der Entscheidung des Prüfers gewesen seien, und beschloss, die Anmeldung zur Prüfung zurückzuverweisen.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben,

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

8        Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen,

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

9        Die Klägerin führt als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 an.

10      Mit diesem Klagegrund wirft die Klägerin der Beschwerdekammer im Wesentlichen vor, die genannte Bestimmung zu weit ausgelegt zu haben. Die Beschwerdekammer habe zu Unrecht angenommen, dass die Vulgarität des Worts „ficken“ in einer seiner Bedeutungen ausreiche, um einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten zu begründen, und habe es versäumt, die Verkehrsauffassung zu ermitteln.

11      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, „die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen“. Nach Art. 7 Abs. 2 finden die Vorschriften des Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen.

12      Die Prüfung, ob ein Zeichen gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, muss im Hinblick auf die Wahrnehmung dieses Zeichens bei seiner Benutzung als Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise in der Union oder in einem Teil derselben vorgenommen werden. Dieser Teil kann gegebenenfalls aus einem einzigen Mitgliedstaat bestehen (Urteile des Gerichts vom 20. September 2011, Couture Tech/HABM [Darstellung des sowjetischen Staatswappens], T‑232/10, Slg. 2011, II‑6469, Randnr. 50, und vom 9. März 2012, Cortés del Valle López/HABM [¡Que buenu ye! HIJOPUTA], T‑417/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 12).

13      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass sich die maßgeblichen Verkehrskreise aus den deutschsprachigen Durchschnittsverbrauchern in der Union zusammensetzen, da es sich bei den betreffenden Waren um Gegenstände des täglichen Bedarfs handelt und das angemeldete Zeichen ein deutsches Wort ist.

14      Die angemeldete Wortmarke besteht aus dem deutschen Wort „ficken“, dessen erste Bedeutung nach mehreren von der Beschwerdekammer angeführten Wörterbüchern der deutschen Sprache eine vulgäre Ausdrucksweise für „koitieren“ oder „mit jemandem Geschlechtsverkehr haben“ ist.

15      Erstens macht die Klägerin, auch wenn sie einräumt, dass „ficken“ im Deutschen ein vulgäres Wort ist, das als derber Ausdruck für Geschlechtsverkehr verwendet wird, geltend, dass die Einstufung eines Worts als vulgär noch nicht ausreiche, um einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 festzustellen. Die Beschwerdekammer habe diese Bestimmung zu weit ausgelegt. Solange die Marke keine diskriminierende, beleidigende oder herabsetzende Botschaft vermittle, genüge ihr schlüpfriger oder vulgärer Charakter nicht, um einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten zu begründen. Das Kriterium für die Feststellung eines solchen Verstoßes sei, ob die Marke so anstößig sei, dass ihr Schutz inakzeptabel wäre.

16      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass ein Wort nicht diskriminierend, beleidigend oder herabsetzend zu sein braucht, damit ein Teil der maßgeblichen Verkehrskreise Anstoß daran nimmt. So kann ein Wort, das sich in einer derben Ausdrucksweise eindeutig auf die Sexualität bezieht und als vulgär eingestuft wird, von Verbrauchern als anstößig, obszön und abstoßend und somit als gegen die guten Sitten verstoßend wahrgenommen werden. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat die Beschwerdekammer mit der Einschätzung, dass ein derbes und anstößiges Wort als gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßend angesehen werden könne, diese Bestimmung nicht zu weit ausgelegt.

17      Zweitens wendet sich die Klägerin gegen die Beurteilung der Beschwerdekammer in Bezug auf die Wahrnehmung der Anmeldemarke durch die maßgeblichen Verkehrskreise. Sie wirft der Beschwerdekammer vor, ihre eigene Anschauung an die Stelle der des maßgeblichen Publikums gesetzt zu haben.

18      Nach der Rechtsprechung kann bei der Beurteilung, ob das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorliegt, weder auf die Wahrnehmung des Teils der maßgeblichen Verkehrskreise abgestellt werden, der unempfindlich ist, noch auf die Wahrnehmung des Teils dieser Kreise, der leicht Anstoß nimmt, sondern es müssen die Kriterien einer vernünftigen Person mit durchschnittlicher Empfindlichkeits‑ und Toleranzschwelle zugrunde gelegt werden (Urteil des Gerichts vom 5. Oktober 2011, PAKI Logistics/HABM [PAKI], T‑526/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 12, und Urteil ¡Que buenu ye! HIJOPUTA, oben in Randnr. 12 angeführt, Randnr. 21).

19      Die maßgeblichen Verkehrskreise können für die Prüfung des in Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Eintragungshindernisses nicht auf die Verkehrskreise begrenzt werden, an die sich die Waren und Dienstleistungen, auf die sich die Anmeldung bezieht, unmittelbar richten. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die von diesem Eintragungshindernis erfassten Zeichen nicht nur bei den Verkehrskreisen, an die sich die mit dem Zeichen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen richten, sondern auch bei anderen Personen Anstoß erregen, die dem Zeichen, ohne an den genannten Waren und Dienstleistungen interessiert zu sein, im Alltag zufällig begegnen (Urteil PAKI, oben in Randnr. 18 angeführt, Randnr. 18).

20      Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten ist auf die Marke selbst abzustellen, d. h. auf das Zeichen in Verbindung mit den Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen ist (Urteil des Gerichts vom 13. September 2005, Sportwetten/HABM – Intertops Sportwetten [INTERTOPS], T‑140/02, Slg. 2005, II‑3247, Randnr. 27).

21      Im vorliegenden Fall besteht die Anmeldemarke aus dem einzigen Wort „ficken“, das unstreitig ein derbes Wort ist, dessen erste Bedeutung sich auf den sexuellen Bereich bezieht. Da es sich zudem bei den betreffenden Waren um Gegenstände des täglichen Bedarfs handelt, wird das breite Publikum dieser Marke bei seinen Einkäufen, insbesondere in großen Supermärkten, begegnen.

22      Im Geschäftsverkehr wird dieses Wort in der Regel in geschriebener Form ohne einen zusätzlichen Bestandteil erscheinen, der auf eine andere Zielrichtung hindeuten könnte und durch den das Wort anders als in seiner offensichtlichen und üblichen Bedeutung verstanden werden könnte. In Ermangelung besonderer Umstände ist das Wort „ficken“ aus sich heraus geeignet, bei jeder normalen Person, die es hört oder liest und seine Bedeutung versteht, Anstoß zu erregen.

23      In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer die Wahrnehmung der Anmeldemarke durch die maßgeblichen Verkehrskreise im Hinblick auf die betreffenden Waren beurteilt. Sie hat hierzu ausgeführt, in Bezug auf alkoholische Getränke der Klassen 32 und 33 werde durch den bewusst hergestellten Zusammenhang zwischen Alkohol und Geschlechtsverkehr der Eindruck erweckt, das Getränk sei einer sexuellen Beziehung förderlich, was eine gerade für Jugendliche, aber auch allgemein gefährliche Assoziation sei. Hinsichtlich der Waren der Klasse 25 und der alkoholfreien Getränke der Klasse 32 handele es sich um Waren des täglichen Bedarfs, die in den Geschäften und Auslagen für jedermann sichtbar seien, und Personen jeden Alters, die das Wort „ficken“ als anstößig empfänden, könnten diese Waren und die darauf abgebildete Marke wahrnehmen. Die Klägerin hat nichts vorgetragen, um diese Feststellungen zu widerlegen.

24      Somit hat die Beschwerdekammer unter Berücksichtigung der objektiven Definition des Worts „ficken“, der betreffenden Waren sowie der Art und Weise ihrer Vermarktung zutreffend festgestellt, dass ein Durchschnittsverbraucher mit normaler Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle, der einem derben Wort mit sexueller Konnotation begegnet, dieses als vulgär und unanständig auffassen wird, d. h. als ein Wort, das Anstoß erregt und gegen die Regeln des Anstands und damit gegen die guten Sitten verstößt.

25      Daraus ergibt sich, dass die Klägerin zu Unrecht meint, die Beschwerdekammer habe ihre eigene Auffassung an die Stelle der des maßgeblichen Publikums gesetzt.

26      Drittens macht die Klägerin geltend, dass die Beschwerdekammer die Wahrnehmung besonders empfindlicher Verkehrskreise zugrunde gelegt habe. Das Wort „ficken“ werde heute nicht mehr als derart negativ empfunden, wie von der Beschwerdekammer dargestellt. Darüber hinaus werde es zunehmend im allgemeinen Sprachgebrauch, vor allem von Jugendlichen, benutzt. Eine Person mit normaler Empfindlichkeit werde die Marke FICKEN allenfalls geschmacklos finden, was keinen Verstoß gegen die guten Sitten begründe.

27      Mit diesem Vorbringen wirft die Klägerin der Beschwerdekammer im Wesentlichen vor, sich nicht auf die Wahrnehmung des Teils der Verkehrskreise gestützt zu haben, der keinen Anstoß an der Benutzung vulgärer Wörter mit sexueller Konnotation nimmt. Damit stellt sie nicht auf die Wahrnehmung der Anmeldemarke durch den deutschsprachigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren ab, sondern auf die einer Kategorie von Personen, die keinen oder wenig Anstoß an einem ordinären oder derben Sprachgebrauch nimmt. Dass ein Teil der maßgeblichen Verkehrskreise eine äußerst derbe Ausdrucksweise für akzeptabel halten mag, reicht jedoch nicht, um diese Wahrnehmung als die maßgebliche anzusehen. Es genügt nämlich der Hinweis, dass nach der oben in Randnr. 18 angeführten Rechtsprechung bei der Beurteilung, ob das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorliegt, nicht auf die Wahrnehmung des Teils der maßgeblichen Verkehrskreise abzustellen ist, der unempfindlich ist.

28      Viertens macht die Klägerin einige Argumente geltend, mit denen nachgewiesen werden soll, dass das Wort „ficken“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht als gegen die guten Sitten verstoßend aufgefasst werde.

29      Zunächst ist das Argument zurückzuweisen, dieses Wort finde Verwendung in Presse, Kultur und Literatur, da unstreitig ist, dass in Presse und Literatur vulgäre oder Anstoß erregende Wörter verwendet werden. Im Übrigen trägt die Klägerin weder vor, dass das Wort „ficken“ in der Presse oder Literatur in einem anderen Sinn benutzt werde als in seiner ersten Bedeutung, die einer vulgären Sprache entstammt, noch, dass diese Verwendung zu einer Banalisierung des Worts „ficken“ in einer anderen Bedeutung geführt habe.

30      Des Weiteren widerspricht die Klägerin der Beurteilung durch die Beschwerdekammer, das Wort „ficken“ könne auch eine Befehlsform und daher einen „abwertenden, beleidigenden und obszönen“ Begriff darstellen, da diese Verwendung im deutschen Sprachgebrauch völlig unüblich sei und dem Imperativ regelmäßig ein Ausrufezeichen nachfolge.

31      Dieses Argument ist zurückzuweisen, da die Beschwerdekammer sich auf die in verschiedenen Wörterbüchern der deutschen Sprache angeführte Bedeutung des Worts „ficken“ gestützt hat, als sie in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass derbe und vulgäre Ausdrücke aus dem sexuellen Bereich für den deutschsprachigen Durchschnittsverbraucher einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellten. Zum einen beruht die Schlussfolgerung der Beschwerdekammer, dass das Wort „ficken“ gegen die guten Sitten verstoße, entgegen dem Vorbringen der Klägerin, auf dem Sinngehalt dieses Worts und nicht darauf, dass es sich auch um ein in der Befehlsform verwendetes Verb handeln könnte. Zum anderen ist festzustellen, dass derbe und vulgäre Ausdrücke aus dem sexuellen Bereich für die Durchschnittsverbraucher anstößig, obszön und abstoßend sind.

32      Was zudem das Argument betrifft, dass das Wort „ficken“ in der deutschen Sprache nie als Beleidigung oder Schimpfwort gebraucht werde und keinen kränkenden Inhalt habe, so genügt der vulgäre und derbe Charakter dieses auf die Sexualität bezogenen Worts für den Schluss, dass es unanständig und obszön ist und Anstoß erregen kann. Für die Feststellung, dass ein Wort gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 verstößt, braucht nicht dargelegt zu werden, dass es als Schimpfwort oder als Beleidigung verwendet werden kann.

33      Ferner ist das Argument, das Wort „ficken“ im Deutschen habe weder die gleiche Konnotation noch werde es in gleicher Weise verwendet wie das Wort „fuck“ im Englischen, als unerheblich zurückzuweisen. Die Beschwerdekammer hat nämlich in der angefochtenen Entscheidung lediglich ergänzend ausgeführt, dass der vulgäre und derbe Charakter des Worts „ficken“ durch einen Vergleich mit seiner Übersetzung im Englischen bestätigt werde. Sie hat auch darauf hingewiesen, dass die Anmeldemarke anders als das englische Wort „fuck“ kein üblicher Fluch sei, sondern nur in einem sehr informellen, vulgären Umfeld benutzt werde.

34      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass eine vernünftige Person mit einer durchschnittlichen Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle das Wort „ficken“ als vulgär, anstößig, obszön und abstoßend wahrnimmt. Daher hat die Beschwerdekammer zutreffend entschieden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Anmeldemarke als im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßend ansehen werden.

35      Diese Schlussfolgerung wird durch die weiteren Argumente der Klägerin nicht in Frage gestellt.

36      Erstens macht die Klägerin geltend, das Wort „ficken“ habe noch andere Bedeutungen und sei als Familienname verbreitet. Die Beschwerdekammer habe diese anderen Bedeutungen bei ihrer Beurteilung der Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise außer Acht gelassen.

37      Es genügt der Hinweis, dass die maßgeblichen Verkehrskreise das Wort „ficken“ in seiner primären Bedeutung verstehen werden, nämlich nach den verschiedenen von der Beschwerdekammer zitierten Wörterbüchern als vulgären Ausdruck für „koitieren“, was die Klägerin im Übrigen nicht bestreitet. Daher ist es im vorliegenden Fall unerheblich, dass dieses Wort weitere Bedeutungen haben oder auch ein Familienname sein kann.

38      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat die Beschwerdekammer die anderen Bedeutungen des Worts „ficken“ nicht außer Acht gelassen. Sie hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass diese anderen Bedeutungen unwichtig seien, wenn die erste Bedeutung, die einem in den Sinn komme, vulgär erscheine, und dass die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass diese anderen Bedeutungen sich so stark in allen Bevölkerungsschichten durchgesetzt hätten, dass sie die ursprüngliche Bedeutung von „ficken“ in den Hintergrund oder sogar in Vergessenheit gedrängt hätten. Die Beschwerdekammer hat daher zutreffend festgestellt, dass „davon ausgegangen [wurde], dass die Benutzung des angemeldeten Wortes mit den von der [Klägerin] erwähnten Bedeutungen eher unter einer begrenzten Bevölkerungsschicht stattfindet, die wenig oder überhaupt nicht sensibel gegenüber dieser Art von Ausdrücken ist“ und dass es „nicht ausreichend [wäre], dass nur dieser Teil des Verkehrs den Begriff akzeptabel findet, um die Eintragung dieses Wortes zu erlauben“.

39      Zweitens trägt die Klägerin vor, dass die Beschwerdekammer das Recht auf freie Meinungsäußerung im Sinne des Art. 10 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Abwägung der schützenswerten Interessen im Rahmen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 hätte berücksichtigen müssen.

40      Hierzu genügt der Hinweis, dass die Ablehnung der Eintragung der Anmeldemarke der Klägerin nicht die Möglichkeit nimmt, ihre Waren unter dem Zeichen FICKEN zu vermarkten, und somit auch nicht das von ihr beanspruchte Recht auf freie Meinungsäußerung beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil ¡Que buenu ye! HIJOPUTA, oben in Randnr. 12 angeführt, Randnr. 26).

41      Drittens macht die Klägerin geltend, dass die Wortmarke FICKEN in das Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragen worden sei, nachdem das Bundespatentgericht entschieden habe, dass sie nicht gegen die guten Sitten verstoße.

42      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung über die Gemeinschaftsmarken ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht, mit dem ihm eigene Ziele verfolgt werden und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist (Urteil des Gerichts vom 5. Dezember 2000, Messe München/HABM [electronica], T‑32/00, Slg. 2000, II‑3829, Randnr. 47). Die Eintragungsfähigkeit eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke darf daher nur auf der Grundlage der einschlägigen Regelung beurteilt werden. Das HABM und gegebenenfalls der Unionsrichter sind daher an auf der Ebene der Mitgliedstaaten ergangene Entscheidungen, auch wenn sie diese berücksichtigen können, nicht gebunden, insbesondere nicht an solche Entscheidungen, mit denen die Eintragungsfähigkeit des Zeichens bejaht wird. Dies gilt selbst dann, wenn derartige Entscheidungen gemäß nationalen Rechtsvorschriften, die mit der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) harmonisiert wurden, oder in einem Land erlassen wurden, das zu dem Sprachraum gehört, in dem das fragliche Wortzeichen seinen Ursprung hat (Urteil des Gerichts vom 14. Juni 2007, Europig/HABM [EUROPIG], T‑207/06, Slg. 2007, II‑1961, Randnr. 42). Folglich kann eine nationale Entscheidung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in keinem Fall in Frage stellen. Das Argument der Klägerin, dass die Wortmarke FICKEN in Deutschland eingetragen worden sei, ist daher zu verwerfen.

43      Nach alledem ist der einzige Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 als unbegründet zurückzuweisen und somit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

44      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Efag Trade Mark Company GmbH & Co. KG trägt die Kosten.

Dittrich

Wiszniewska-Białecka

Prek

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. November 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.