Language of document : ECLI:EU:T:2007:96

Rechtssache T‑364/05

Saint-Gobain Pam SA

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke PAM PLUVIAL – Ältere nationale Bildmarken PAM – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Nachweis der Benutzung − Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 40/94“

Leitsätze des Urteils

1.      Gemeinschaftsmarke – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – Prüfung des Widerspruchs – Nachweis der Benutzung der älteren Marke

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 43 Abs. 2 und 3)

2.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

3.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

4.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

1.      Gemäß Art. 43 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke gilt für die Zwecke der Prüfung eines gemäß Art. 42 der genannten Verordnung eingelegten Widerspruchs die ältere Marke als ernsthaft benutzt, solange der Anmelder nicht vor dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) verlangt, dass eine solche Benutzung nachgewiesen wird.

Ein solches Verlangen, das ausdrücklich und rechtzeitig erfolgen muss, kann nicht erstmals vor der Beschwerdekammer gestellt werden.

Dieses Verlangen, das dazu führt, dass der Widersprechende die Beweislast für die ernsthafte Benutzung seiner Marke (oder für das Vorliegen berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung) trägt, da sein Widerspruch sonst zurückgewiesen wird, ändert nämlich den Inhalt des Widerspruchsverfahrens, das um eine spezifische Vorfrage ergänzt wird, die vor der Entscheidung über den Widerspruch selbst beantwortet werden muss. Es obliegt aber den Widerspruchsabteilungen, in erster Instanz über den Widerspruch im Sinne der verschiedenen Verfahrenshandlungen und ‑anträge der Parteien, einschließlich gegebenenfalls des Verlangens eines Beweises der ernsthaften Benutzung der älteren Marke, zu entscheiden. Bestünde die Möglichkeit, ein solches Verlangen erstmals vor der Beschwerdekammer zu stellen, die nur für Entscheidungen über Beschwerden gegen Entscheidungen der Widerspruchsabteilungen zuständig und nicht befugt ist, selbst in erster Instanz über einen neuen Widerspruch zu entscheiden, so würde dies implizieren, dass die Beschwerdekammer ein ganz spezifisches Verlangen zu prüfen hätte, das mit neuen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen verbunden wäre und den Rahmen des Widerspruchsverfahrens, wie es der Widerspruchsabteilung vorlag und von ihr behandelt wurde, überschreiten würde.

Mit der funktionalen Kontinuität zwischen den verschiedenen Instanzen des Amtes kann nicht gerechtfertigt werden, dass ein solches Verlangen erstmals bei der Beschwerdekammer gestellt wird, da die funktionale Kontinuität in keiner Weise impliziert, dass die Beschwerdekammer eine andere Sache prüft als diejenige, die der Widerspruchsabteilung vorgelegen hat, nämlich eine Sache, deren Umfang um die ergänzende Vorfrage der ernsthaften Benutzung der älteren Marke erweitert worden wäre.

(vgl. Randnrn. 32, 34-37, 39-41)

2.      Im Rahmen der Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem die fraglichen Waren zueinander stehen; zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung, der Umstand, dass sie regelmäßig in denselben Verkaufsstellen angeboten werden, sowie ihr Charakter als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren. Insoweit handelt es sich bei einander ergänzenden Waren um Produkte, zwischen denen ein enger Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass eines von ihnen für die Verwendung des anderen unerlässlich oder wichtig ist, so dass die Verbraucher denken könnten, die Verantwortung für die Herstellung beider Waren liege bei demselben Unternehmen.

(vgl. Randnrn. 92, 94-95)

3.      Im Rahmen der Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke kann eine zusammengesetzte Marke als einer anderen Marke, die mit einem der Bestandteile der zusammengesetzten Marke identisch oder diesem ähnlich ist, ähnlich angesehen werden, wenn dieser Bestandteil das dominierende Element in dem von der zusammengesetzten Marke hervorgerufenen Gesamteindruck ist. Das ist dann der Fall, wenn dieser Bestandteil allein schon geeignet ist, das Bild dieser Marke, das die angesprochenen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, so zu prägen, dass alle übrigen Bestandteile der Marke in dem durch diese hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter oder mehrere bestimmte Bestandteile einer zusammengesetzten Marke dominierend sind, sind die Eigenschaften jedes einzelnen dieser Bestandteile insbesondere in der Weise zu berücksichtigen, dass sie mit den Eigenschaften der anderen Bestandteile verglichen werden. In zweiter Linie kann auch auf die jeweilige Rolle der einzelnen Bestandteile bei der Gesamtgestaltung der zusammengesetzten Marke abgestellt werden.

(vgl. Randnr. 97)

4.      Für den spanischen Durchschnittsverbraucher besteht eine Verwechslungsgefahr zwischen dem Wortzeichen PAM PLUVIAL, dessen Eintragung als Gemeinschaftsmarke für „Metallrohre“ und „Verbindungsstücke (nicht aus Metall) für Rohre (nicht aus Metall)“ der Klassen 6 und 17 im Sinne des Abkommens von Nizza beantragt wird, und der zuvor in Spanien für „Baumaterialien“ der Klasse 19 eingetragenen Bildmarke, deren zentraler und dominierender Bestandteil der Wortbestandteil „PAM“ ist.

Zum einen sind nämlich die einander gegenüberstehenden Marken bildlich und klanglich ähnlich, wobei der dominierende Bestandteil „PAM“ der älteren Marke, da er kurz ist und gut im Gedächtnis bleibt, im Spanischen keine spezielle Bedeutung hat und am Anfang der angemeldeten Marke steht, auch der dominierende Bestandteil der angemeldeten Marke PAM PLUVIAL ist, und zum anderen sind die Waren, die von den einander gegenüberstehenden Marken erfasst werden, ähnlich und ergänzen einander; deshalb schließt der in der angemeldeten Marke enthaltene Begriff „pluvial“ die Verwechslungsgefahr nicht aus, denn dieser Bestandteil kann beim Durchschnittsverbraucher die Vorstellung hervorrufen, dass die angemeldete Marke sich von einer Hauptmarke „pam“ ableitet und eine besondere Produktreihe bezeichnet, die Teil der „Markenfamilie PAM“ ist.

(vgl. Randnrn. 98-100, 105)