Language of document : ECLI:EU:C:2023:717

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

LAILA MEDINA

vom 28. September 2023(1)

Verbundene Rechtssachen C309/22 und C310/22

Pesticide Action Network Europe (PAN Europe)

gegen

College voor de toelating van gewasbeschermingsmiddelen en biociden,

Beteiligte:

Adama Registrations BV (Adama),

BASF Nederland BV

(Vorabentscheidungsersuchen des College van Beroep voor het bedrijfsleven [Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie, Niederlande])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Angleichung der Rechtsvorschriften – Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 – Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln – Bewertung für die Zwecke der Zulassung – Kriterien – Endokrinschädliche Eigenschaften – Verordnung (EU) 2018/605 – Übergangsregelung – Anwendung der Kriterien auf laufende Verfahren – Neuester Stand von Wissenschaft und Technik – Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt der Anwendung oder des Erlasses des Bescheids – Vorsorgeprinzip“






1.        Mit den vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen des College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie, Niederlande) wird um Auslegung der Art. 2 der Verordnung (EU) 2018/605(2), Art. 4 Abs. 1 und 3 und Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009(3) und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) ersucht.

2.        Wie die Europäische Umweltagentur (EUA) erklärt hat, führt „die Verschmutzung durch [Pflanzenschutzmittel (Pestizide)] zu einem Verlust an biologischer Vielfalt in Europa. Sie verursacht erhebliche Rückgänge bei Insektenpopulationen, die ihre entscheidende Rolle bei der Nahrungsmittelproduktion bedrohen“, und „die Exposition des Menschen gegenüber chemischen Pestiziden steht im Zusammenhang mit chronischen Krankheiten wie Krebs sowie Herz‑, Atemwegs- und neurologischen Erkrankungen“(4). Die vorliegenden Rechtssachen sind insofern von großer Bedeutung, als sie die Frage aufwerfen, ob die Mitgliedstaaten im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln die Möglichkeit haben müssen, neueste wissenschaftliche und technische Erkenntnisse über die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf unser Leben zu berücksichtigen.

3.        Die Europäische Union strebt in diesem Zusammenhang im Rahmen der Agenda des europäischen Grünen Deals (insbesondere der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“) an, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 50 % zu reduzieren, um „ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem“ sicherzustellen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach einer Schätzung des Europäischen Parlaments von 2018 nicht weniger als 500 verschiedene Pflanzenschutzmittel (Pestizide) gab, die EU-weit zugelassen waren und vermarktet wurden(5). Vor diesem Hintergrund werde ich versuchen, die mit den vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen aufgeworfenen Fragen zu erörtern.

4.        Die erste Klage des Ausgangsverfahren (Rechtssache C‑309/22) wurde vom Pesticide Action Network Europe (PAN Europe) gegen das College voor de toelating van gewasbeschermingsmiddelen en biociden (Ausschuss für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden, Niederlande, im Folgenden: Zulassungsausschuss) daraufhin erhoben, dass Letzterer den von PAN Europe eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses zurückgewiesen hatte, mit dem die Zulassung des Inverkehrbringens des Pflanzenschutzmittels Pitcher, das den Wirkstoff Fludioxonil enthält, in den Niederlanden erfolgt war.

5.        Die zweite Klage des Ausgangsverfahrens (Rechtssache C‑310/22) wurde von PAN Europe gegen den Zulassungsausschuss daraufhin erhoben, dass Letzterer den von PAN Europe eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses zurückgewiesen hatte, mit dem die Zulassung des Inverkehrbringens des Pflanzenschutzmittels Dagonis, das den Wirkstoff Difenoconazol enthält, in den Niederlanden erfolgt war.

6.        Hintergrund der vorliegenden Rechtssachen ist, dass die in den Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Wirkstoffe in beiden Fällen – also im Fall von Pitcher und von Dagonis – angeblich endokrinschädliche Eigenschaften haben. Endokrine Disruptoren sind derzeit in hohem Maße Gegenstand der Diskussion und Besorgnis. Es sind umfangreiche Nachweise zusammengetragen worden, die darauf hinweisen, dass bestimmte (natürliche oder künstlich hergestellte) Stoffe die Funktion von Hormonen im Organismus beeinflussen und schädliche Wirkungen haben. Gleichwohl bleiben erhebliche Herausforderungen zu überwinden, insbesondere weil die genaue Wirkung endokrinschädlicher Chemikalien im Zusammenhang mit Krankheiten beim Menschen oder anderen Organismen schwer zu bewerten ist. Diese chemischen Stoffe, die in vielen Produkten vorhanden sind, die im Alltag verwendet werden, weisen eine chemische Struktur auf, die den vom Organismus auf natürliche Weise hergestellten Hormonen ähnlich ist; sobald sie mit dem Hormonsystem in Berührung kommen, können sie dessen reguläres Funktionieren stören(6).

7.        Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen ist der Gerichtshof aufgerufen, zur Verteilung der Zuständigkeiten der an der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln beteiligten Behörden nach der Verordnung Nr. 1107/2009 insbesondere im Hinblick auf die Frage Stellung zu nehmen, ob und inwieweit in diesem Zulassungsverfahren die neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse zu berücksichtigen sind.

8.        Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegenden Rechtssachen mit der Rechtssache C‑308/22, PAN Europe (Closer), in Zusammenhang stehen, die vom selben nationalen Gericht vorgelegt wurde. Meine Schlussanträge in jener Rechtssache werden ebenfalls heute vorgelegt; beide sind in Verbindung miteinander zu sehen.

I.      Kurze Darstellung des Sachverhalts, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

A.      Rechtssache C309/22 (zu Pitcher)

9.        Pitcher, ein Pflanzenschutzmittel, ist ein Fungizid(7) für den professionellen Gebrauch, das zur Tauchbehandlung bestimmter Blumenzwiebeln und ‑knollen sowie zur Behandlung bestimmter mehrjähriger Blumenzuchtkulturen bestimmt ist. Es besteht aus einem Gemisch der Wirkstoffe Fludioxonil und Folpet sowie sieben Hilfsstoffen.

10.      Zum Zeitpunkt der Vorlage des Vorabentscheidungsersuchens war die Gültigkeit der Genehmigung für Fludioxonil als Wirkstoff in der Europäischen Union bis zum 31. Oktober 2022 verlängert worden(8). Die Gültigkeit der Genehmigung für Folpet als Wirkstoff in der Europäischen Union war ebenfalls bis zum 31. Juli 2022 verlängert worden(9).

11.      Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts war zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt über die Erneuerungsanträge für die Genehmigung dieser Wirkstoffe noch nicht entschieden worden.

12.      Ein Pflanzenschutzmittel „[wird] nur zugelassen, wenn [u. a. s]eine Wirkstoffe … genehmigt [sind]“(10).

13.      Am 15. September 2015 beantragte Adama Registrations BV (Adama) in den Niederlanden eine erste Zulassung für das Inverkehrbringen von Pitcher.

14.      Mit Bescheid vom 4. Oktober 2019 erteilte der Zulassungsausschuss für Pitcher eine niederländische Zulassung für das Inverkehrbringen und versah diese mit einer Frist bis zum 31. Juli 2021.

15.      Der von PAN Europe gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde vom Zulassungsausschuss mit Bescheid vom 2. September 2020 zurückgewiesen.

16.      Gegen diese Entscheidung erhob PAN Europe daraufhin Klage auf Nichtigerklärung beim College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie), dem vorlegenden Gericht.

17.      Vor dem vorlegenden Gericht macht PAN Europe geltend, dass der Zulassungsausschuss die Zulassung für das Inverkehrbringen von Pitcher in den Niederlanden fehlerhaft erteilt habe, weil es dessen endokrinschädliche Eigenschaften nicht bewertet habe, obwohl der Wirkstoff Fludioxonil solche Eigenschaften habe. Nach Ansicht von PAN Europe muss der Zulassungsausschuss bei der Entscheidung über die Zulassung die endokrinschädlichen Eigenschaften eines Pflanzenschutzmittels unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag bewerten.

18.      Da nach Auffassung des College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie) für die Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit eine Auslegung von Art. 2 der Verordnung 2018/605 sowie der Art. 4 Abs. 3 und Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 erforderlich ist, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Führt Art. 2 der Verordnung 2018/605, auch unter Berücksichtigung von Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 in Verbindung mit deren Art. 4 Abs. 3, dazu, dass die zuständige Behörde die neuen Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften auch in Beurteilungs- und Entscheidungsverfahren über Zulassungsanträge anwenden muss, über die am 10. November 2018 noch nicht entschieden worden war?

2.      Bei Verneinung der ersten Frage: Ist die zuständige Behörde angesichts des achten Erwägungsgrundes der Verordnung 2018/605 verpflichtet, Beurteilungs- und Entscheidungsverfahren über Zulassungsanträge bis zur Stellungnahme der Europäischen Kommission zu den Auswirkungen dieser Verordnung für jedes laufende Verfahren gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 auszusetzen?

3.      Bei Verneinung der zweiten Frage: Darf sich die zuständige Behörde darauf beschränken, eine Beurteilung nur anhand von zum Zeitpunkt des Antrags bekannten Daten vorzunehmen, auch wenn der dabei berücksichtigte Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids nicht mehr aktuell ist?

B.      Rechtssache C310/22 (zu Dagonis)

19.      Dagonis, ein Pflanzenschutzmittel, ist ein Fungizid, das u. a. zur Bekämpfung des Echten Mehltaus und der Septoria-Spelzenbräune bestimmt ist. Es enthält die Wirkstoffe Difenoconazol und Fluxapyroxad.

20.      Difenoconazol wurde mit der Richtlinie 2008/69/EG(11) mit Wirkung ab 1. Januar 2009 in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG(12) aufgenommen. Nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1107/2009 wurde diese Aufnahme von Difenoconazol mit der Verordnung (EU) Nr. 540/2011 in eine Genehmigung dieses Wirkstoffs gemäß der genannten Verordnung Nr. 1107/2009 umgewandelt(13). Die Laufzeit der Genehmigung für Difenoconazol wurde mehrfach verlängert, u. a. mit der Verordnung 2021/1449 bis zum 31. Dezember 2022.

21.      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass Difenoconazol durch die Verordnung (EU) 2015/408(14) als Substitutionskandidat eingestuft sei.

22.      Der Wirkstoff Fluxapyroxad wurde mit der Verordnung (EU) Nr. 589/2012(15) mit Wirkung ab 1. Januar 2013 als Wirkstoff genehmigt; die Genehmigung galt bis zum 31. Dezember 2022.

23.      Die BASF Nederland BV (im Folgenden: BASF) beantragte in mehreren Mitgliedstaaten eine Zulassung für Dagonis. Der Antrag auf Zulassung in den Niederlanden wurde am 22. Januar 2016 eingereicht.

24.      Das Vereinigte Königreich prüfte die Zulassung von Dagonis als berichterstattender Mitgliedstaat für die Zone Mitte (zu der die Niederlande gehören). Die Niederlande waren dabei betroffener Mitgliedstaat.

25.      Mit Bescheid vom 3. Mai 2019 erteilte der Zulassungsausschuss für Dagonis eine Zulassung für das Inverkehrbringen in den Niederlanden, und zwar für die Behandlung von Kartoffeln, Erdbeeren und unterschiedlichen Gemüsen, Kräutern und Blumen, mit einer Frist bis zum 31. Dezember 2020.

26.      Gegen diesen Bescheid legte PAN Europe beim Zulassungsausschuss Widerspruch ein.

27.      Mit Bescheid vom 13. November 2019, durch den dieser Widerspruch für teilweise begründet und teilweise unbegründet erklärt wurde, wurde der Bescheid vom 3. Mai 2019 unter Anpassung der Begründung aufrechterhalten.

28.      Gegen den Bescheid vom 13. November 2019 erhob PAN Europe Klage auf Nichtigerklärung beim vorlegenden Gericht.

29.      PAN Europe machte im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass die Entscheidung des Zulassungsausschusses zur Zulassung von Dagonis fehlerhaft sei, weil dessen endokrinschädliche Eigenschaften vom Zulassungsausschuss nicht berücksichtigt worden seien, obwohl auf der Grundlage des von BASF vorgelegten Dossiers und sechs von PAN Europe vorgelegter Studien bekannt sei, dass der Wirkstoff Difenoconazol solche Eigenschaften habe.

30.      Da nach Auffassung des College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie) für die Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit eine Auslegung des Unionsrechts erforderlich ist, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 in Verbindung mit deren Anhang II Nr. 3.6.5, dass endokrinschädliche Eigenschaften, die ein Wirkstoff womöglich aufweist, bei der Beurteilung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels auf nationaler Ebene nicht mehr geprüft werden?

2.      Bei Bejahung der ersten Frage: Bedeutet das, dass die wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse zu endokrinschädlichen Eigenschaften, die beispielsweise den Verordnungen Nrn. 283/2013 und 2018/605 zugrunde liegen, in die Beurteilung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels nicht einbezogen werden? Wie verhält sich dies zu der Anforderung gemäß Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009, wonach diese Beurteilung unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik vorzunehmen ist?

3.      Bei Bejahung der ersten Frage: In welcher Form verfügt dann eine Nichtregierungsorganisation wie PAN Europe über einen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 47 der Charta, um gegen die Genehmigung eines Wirkstoffs gerichtlich vorzugehen?

4.      Bei Verneinung der ersten Frage: Bedeutet das, dass bei der Beurteilung eines Zulassungsantrags der neueste Stand von Wissenschaft und Technik bezüglich dieser endokrinschädlichen Eigenschaften zu dem betreffenden Zeitpunkt maßgeblich ist?

II.    Verfahren vor dem Gerichtshof

31.      PAN Europe, BASF, die griechische, die niederländische und die tschechische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.

III. Würdigung

32.      Dem Ersuchen des Gerichtshofs entsprechend, werden die vorliegenden Schlussanträge sich ausschließlich auf die jeweilige Frage 1 in diesen verbundenen Rechtssachen konzentrieren.

A.      Einleitung

33.      Das vorlegende Gericht führt in der Rechtssache C‑309/22 an, dass für die Entscheidung über den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens zunächst eine Vorfrage zu beantworten sei, nämlich, ob in die Prüfung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels auf nationaler Ebene die Beurteilung endokrinschädlicher Eigenschaften einzubeziehen sei. Diese Frage habe es dem Gerichtshof bereits in der Rechtssache C‑310/22 vorgelegt.

34.      Wenn die Vorfrage zu bejahen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 der Verordnung 2018/605, auch unter Berücksichtigung von Art. 29 Abs. 1 Buchst. e in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009, dazu führt, dass die zuständige Behörde die neuen Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften auch in Beurteilungs- und Entscheidungsverfahren über Zulassungsanträge anwenden muss, über die am 10. November 2018 (Zeitpunkt, ab dem diese Verordnung galt) noch nicht entschieden worden war. Der Zulassungsantrag für Pitcher wurde nämlich vor diesem Zeitpunkt gestellt (15. September 2015), während die Entscheidung des Zulassungsausschusses hierüber nach diesem Zeitpunkt erging (4. Oktober 2019). Folglich wurde die Verordnung 2018/605 anwendbar, als über diesen Antrag noch nicht entschieden war.

35.      Die vorgenannte „Vor“-Frage der Rechtssache C‑309/22 – die der Frage 1 der Rechtssache C‑310/22 entspricht – und die Frage 1 der Rechtssache C‑309/22 sind meines Erachtens zusammen zu prüfen.

36.      Für die Entscheidung über die vorliegende Rechtssache braucht der in Frage 1 der Rechtssache C‑309/22 angeführte Art. 2 der Verordnung 2018/605 indes vom Gerichtshof nicht ausgelegt zu werden(16).

37.      Erstens heißt es in dieser Bestimmung: „Die durch die … Verordnung [2018/605] geänderten Nummern 3.6.5 und 3.8.2 von Anhang II der Verordnung [Nr. 1107/2009] gelten ab dem [10. November] 2018; davon ausgenommen sind Verfahren, bei denen der Ausschuss bis zum [10. November] 2018 über einen Verordnungsentwurf abgestimmt hat.“ Nach einem allgemein anerkannten Grundsatz sind Gesetzesänderungen, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf die künftigen Wirkungen unter dem alten Recht entstandener Sachverhalte anwendbar(17). Da die Voraussetzungen der Ausnahme nach Art. 2 letzter Absatz der Verordnung 2018/605 in der vorliegenden Rechtssache nicht erfüllt sind und für das Zulassungsverfahren für Pitcher (das eine solche Abstimmung nicht vorsieht) nicht gelten, könnten die neuen Kriterien zu berücksichtigen sein.

38.      Zweitens geht es in dem vorgenannten Anhang II um „Verfahren und Kriterien für die Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten gemäß Kapitel II“ der Verordnung Nr. 1107/2009 (mit anderen Worten regeln Anhang II und Kapitel II insbesondere die Genehmigung von Wirkstoffen und nicht die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die vielmehr in Kapitel III dieser Verordnung geregelt ist). Diese Ausnahme soll daher für die Identifizierung von Wirkstoffen mit endokrinschädlichen Eigenschaften zum Zweck der Genehmigung eines Wirkstoffs gelten. Sie soll nicht für die Prüfung des Risikos möglicher schädlicher Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels wegen eines bestimmten, in ihm enthaltenen Wirkstoffs gelten; sie gilt auch nicht für die Bewertung eines solchen Risikos zum Zweck des Erlasses einer Entscheidung zum Inverkehrbringen eines solchen Mittels.

39.      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, sind daher die Fragen 1 in den Rechtssachen C‑309/22 und C‑310/22 zusammen zu beantworten und dahin auszulegen, dass mit ihnen im Wesentlichen danach gefragt wird, ob Art. 29 Abs. 1 Buchst. e in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 und Anhang II Nr. 3.6.5 der Verordnung Nr. 1107/2009 dahin auszulegen sind, dass die zuständige Behörde des Mitgliedstaats in Beurteilungs- und Entscheidungsverfahren über Zulassungsanträge für Pflanzenschutzmittel die möglichen endokrinschädlichen Eigenschaften, u. a. durch Anwendung neuer Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften, zu bewerten hat.

40.      BASF, die niederländische und die griechische Regierung sowie die Kommission sind im Wesentlichen der Ansicht, dass die endokrinschädlichen Wirkungen, die ein Wirkstoff haben könne, bei der Prüfung eines Antrags auf Zulassung eines diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmittels – auf nationaler Ebene – nicht zu bewerten seien. Jeder andere Ansatz würde die Systematik der Verordnung Nr. 1107/2009, die Unterscheidung zwischen der Bewertung der inhärenten Eigenschaften von Wirkstoffen auf der Unionsebene und der Beurteilung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf der Ebene der Mitgliedstaaten und die durch diese Verordnung festgelegte Zuständigkeitsverteilung außer Acht lassen. Außerdem habe der Unionsgesetzgeber die Folgen einer Entscheidung, mit der ein Antrag auf Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs abgelehnt werde, und die Auswirkungen auf die Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln auf Basis dieses Wirkstoffs konkret und verbindlich geregelt.

41.      Das vorlegende Gericht ist dagegen der Auffassung (die auch von PAN Europe und der tschechischen Regierung unterstützt wird), dass die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, die über einen Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels entscheide, dann, wenn sie über neueste relevante wissenschaftliche und technische Erkenntnisse verfüge, aus denen sich ergebe, dass ein Risiko schädlicher Auswirkungen des in diesem Mittel enthaltenen Wirkstoffs bestehe, nicht tatenlos zusehen dürfe, sondern verpflichtet sei, das Risiko solcher Auswirkungen zu bewerten und die richtigen Schlussfolgerungen aus dieser Bewertung zu ziehen.

42.      Richtig ist, dass die Verordnung Nr. 1107/2009 unterscheidet zwischen der Genehmigung von Wirkstoffen auf der Unionsebene durch von der Kommission erlassene Verordnungen und den von den Mitgliedstaaten erteilten Zulassungen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die genehmigte Wirkstoffe enthalten.

43.      Zu prüfen ist daher, ob die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels die endokrinschädlichen Eigenschaften eines in diesem Mittel enthaltenen genehmigten Wirkstoffs bewerten müssen. Wenn eine solche Bewertung nicht ausgeschlossen ist, stellt sich die Frage, ob diese Behörden diese Bewertung unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Genehmigung des betreffenden Wirkstoffs oder der zum Zeitpunkt der Prüfung des Antrags auf Zulassung des Pflanzenschutzmittels zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse vorzunehmen haben.

44.      Zunächst sind nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden(18).

B.      Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009

45.      Nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1107/2009 „[wird u]nbeschadet des Artikels 50 … ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen, wenn es entsprechend den einheitlichen Grundsätzen gemäß Absatz 6 folgende Anforderungen erfüllt: … Seine Wirkstoffe, Safener und Synergisten sind genehmigt“ (Hervorhebung nur hier).

46.      Art. 29 Abs. 1 Buchst. e sieht jedoch auch vor, dass ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen wird, wenn „e[s] … unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Artikel 4 Absatz 3 [erfüllt]“.

47.      Zum Wortlaut dieser Bestimmung hat der Gerichtshof bereits im Urteil Blaise(19) bestätigt, dass „[w]as das Verfahren zur Zulassung eines Pflanzenschutzmittels anbelangt, … die Berücksichtigung der Kumulations- und Synergieeffekte der Bestandteile dieses Mittels ebenfalls verpflichtend [ist], da nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 zu den Anforderungen, die an die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels gestellt werden, diejenige zählt, dass es unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Art. 4 Abs. 3 dieser Verordnung erfüllt“.

48.      Nach Art. 4 („Genehmigungskriterien für Wirkstoffe“) Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 müssen Pflanzenschutzmittel als Folge der Verwendung entsprechend der guten Pflanzenschutzpraxis und unter der Voraussetzung realistischer Verwendungsbedingungen u. a. die Anforderung nach Buchst. b erfüllen, dass „[s]ie … keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, … unter Berücksichtigung bekannter Kumulations- und Synergieeffekte, soweit es von der [Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)] anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt – … haben“. Die Formulierung „[s]ie dürfen keine …schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen … haben“ zeigt deutlich, dass der Unionsgesetzgeber sich insoweit für ein „Null-Risiko“-Erfordernis entschieden hat.

49.      Insoweit ist festzustellen, dass die Bedeutung der Berücksichtigung „neuester“ oder „neuer“ wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse die gesamte Verordnung Nr. 1107/2009 durchzieht, da sie im Wortlaut einer Vielzahl von Bestimmungen hervorgehoben wird: Art. 4 Abs. 1 (Genehmigungskriterien für Wirkstoffe), Art. 6 Buchst. f (Bedingungen und Einschränkungen), Art. 11 Abs. 2 (Entwurf des Bewertungsberichts), Art. 12 Abs. 2 (Schlussfolgerung der EFSA), Art. 21 Abs. 1 (Überprüfung der Genehmigung), Art. 29 Abs. 1 Buchst. e (Anforderungen für die Zulassung zum Inverkehrbringen), Art. 36 Abs. 1 (Prüfung zur Zulassung), Art. 44 Abs. 3 Buchst. d (Aufhebung oder Änderung einer Zulassung), Art. 78 Abs. 1 (Änderungen und Durchführungsmaßnahmen) und Anhang IV (Vergleichende Bewertung gemäß Artikel 50).

50.      In der Tat hat der Gerichtshof im Urteil Blaise (Rn. 94) hervorgehoben, dass „die zuständigen Behörden insbesondere die zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten sowie die neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung zu berücksichtigen [haben]“ (Hervorhebung nur hier).

51.      Aus dem Wortlaut von Art. 29 Abs. 1 Buchst. e in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1107/2009 folgt, dass für die Zulassung erforderlich ist, i) dass ein Pflanzenschutzmittel keine schädlichen Auswirkungen insbesondere auf die Gesundheit von Menschen oder von Tieren hat (dass in der Formulierung von Art. 29 Abs. 1 Buchst. e auf Art. 4 Abs. 3 verwiesen wird, bestätigt die große Bedeutung des Schutzes der Gesundheit von Menschen und Tieren), woraus wiederum folgt, dass ii) diese Zulassung auf dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik beruhen muss. Insoweit beinhaltet die Formulierung „neuester Stand von Wissenschaft und Technik“ in Art. 29 Abs. 1 Buchst. e, dass diese Erkenntnisse die „aktuellsten“ oder „letzten“ sein müssen, was durch den schnellen Fortschritt neuer wissenschaftlicher und technischer (sowie technologischer) Entwicklungen gerechtfertigt ist.

52.      Ich werde jetzt die Ziele der Verordnung Nr. 1107/2009 und anschließend den Kontext dieser Verordnung untersuchen.

C.      Ziele der Verordnung Nr. 1107/2009 und Bedeutung des Vorsorgeprinzips

53.      Der Gerichtshof hatte bereits Gelegenheit, zum Ziel der Verordnung Nr. 1107/2009 und zu dem ihr zugrunde liegenden Vorsorgeprinzip Stellung zu nehmen(20). Auf diese Rechtsprechung wird im Folgenden verwiesen.

54.      Zum einen besteht das Ziel der Verordnung Nr. 1107/2009 nach Art. 1 Abs. 3 und 4 sowie dem achten Erwägungsgrund der Verordnung insbesondere in der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt(21).

55.      Insoweit hat der Gerichtshof festgestellt, dass „diese Bestimmungen auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, das eine der Grundlagen der Politik eines hohen Schutzniveaus ist, die die Union gemäß Art. 191 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV im Bereich der Umwelt verfolgt, um zu verhindern, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt beeinträchtigen“(22).

56.      Der Gerichtshof hat in der Tat wiederholt betont, dass „[e]ine korrekte Anwendung [des Vorsorgep]rinzips in dem von dieser Verordnung erfassten Bereich … erstens die Bestimmung der möglicherweise negativen Auswirkungen der Anwendung der in ihren Anwendungsbereich fallenden Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel auf die Gesundheit und zweitens eine umfassende Bewertung des Gesundheitsrisikos auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung [erfordert]“(23).

57.      Zum anderen hat der Gerichtshof festgestellt, dass „[der Unionsgesetzgeber, d]a der Zweck der Verordnung Nr. 1107/2009, wie ihr Art. 1 Abs. 1 und 2 vorsieht, darin besteht, Bestimmungen über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und die Genehmigung der in diesen Mitteln enthaltenen Wirkstoffe im Hinblick auf ihr Inverkehrbringen festzulegen, … somit einen normativen Rahmen schaffen [musste], der es den zuständigen Behörden ermöglicht, dann, wenn sie über diese Zulassung und diese Genehmigung entscheiden, über hinreichende Angaben zu verfügen, um die sich aus der Verwendung dieser Wirkstoffe und dieser Pflanzenschutzmittel für die Gesundheit ergebenden Gefahren in zufriedenstellender Weise, zu beurteilen[(24)]“(25).

58.      Daraus folgt meines Erachtens, dass diese Verordnung einem Mitgliedstaat zwar verwehrt, eine Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel zu gewähren, das einen nicht genehmigten Wirkstoff enthält, ein Mitgliedstaat gleichwohl aber nicht verpflichtet ist, ein Pflanzenschutzmittel zuzulassen, das Wirkstoffe enthält, die sämtlich genehmigt sind, wenn wissenschaftliche oder technische Erkenntnisse vorliegen, die negative Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt, die sich aus der Verwendung dieser Pflanzenschutzmittel ergeben, erkennen lassen.

59.      Im 24. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 wird nämlich klargestellt, dass die Bestimmungen für eine Zulassung ein hohes Schutzniveau gewährleisten müssen und dass insbesondere bei Erteilung einer Zulassung für Pflanzenschutzmittel das Ziel, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen, „Vorrang“ vor dem anderen Ziel dieser Verordnung, die Pflanzenproduktion zu verbessern, haben sollte(26).

60.      Daher sollte, wie in diesem Erwägungsgrund ausgeführt, bevor ein Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht wird, nicht nur nachgewiesen werden, dass es einen offensichtlichen Vorteil für die Pflanzenproduktion bringt, sondern vor allem, dass es keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder von Tieren hat(27).

61.      Wie von der tschechischen Regierung vorgetragen, würde der Mitgliedstaat, wenn die zuständige Behörde des Mitgliedstaats diesen neuesten Stand von Wissenschaft und Technik allein deshalb nicht berücksichtigen würde, weil der betreffende Wirkstoff zuvor nach dem Verfahren gemäß Kapitel II der Verordnung Nr. 1107/2009 genehmigt wurde, gegen die Anforderung zur Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. e dieser Verordnung verstoßen. Außerdem stände eine solche Auslegung zum Ziel der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit und gerade auch zum Wesen des Vorsorgeprinzips im Widerspruch.

62.      Der Gerichtshof hat in der Tat bereits festgestellt, dass „die Bestimmungen [dieser Verordnung] auf dem Vorsorgeprinzip beruhen und dem nicht entgegenstehen, dass die Mitgliedstaaten dieses Prinzip anwenden, wenn wissenschaftliche Ungewissheit besteht, ob die in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassenden Pflanzenschutzmittel Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt bergen“(28).

63.      Was insbesondere die Frage der wissenschaftlichen Ungewissheit betrifft, stimme ich mit Generalanwalt Mischo überein, soweit er in einer Art. 36 AEUV betreffenden Rechtssache die Ansicht vertreten hat, dass „ein plausibles Gesundheitsrisiko genüg[t], damit ein Mitgliedstaat aufgrund des Vorsorgeprinzips [erforderliche] Maßnahmen … treffen kann. Je größer im Übrigen die wissenschaftliche Ungewissheit ist, desto umfassender ist auch der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten, denen der Schutz der öffentlichen Gesundheit obliegt.“(29)

64.      In diesem Zusammenhang ist auf den zeitlichen Rahmen einzugehen, innerhalb dessen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wirkstoffe genehmigt wurden. Im Fall des Produkts Pitcher (Rechtssache C‑309/22) handelt es sich bei den in Rede stehenden Wirkstoffen um Fludioxonil und Folpet. Fludioxonil wurde erstmals am 1. November 2008(30) und Folpet am 1. Oktober 2007 genehmigt(31). Im Fall des Produkts Dagonis (Rechtssache C‑310/22) handelt es sich bei den in Rede stehenden Wirkstoffen um Difenoconazol und Fluxapyroxad. Difenoconazol wurde erstmals am 1. Januar 2009(32) und Fluxapyroxad am 1. Januar 2013 genehmigt(33).

65.      Somit sind seit diesen Genehmigungen zwischen 10 und 16 Jahren vergangen. Es liegt auf der Hand, dass die wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse – in Bezug auf die endokrinschädlichen Eigenschaften und Auswirkungen dieser Wirkstoffe (und der diese Stoffe enthaltenden Pflanzenschutzmittel) sowie andere Wirkungen – sich über einen so langen Zeitraum hinweg notwendigerweise fortentwickelt haben werden. Selbst wenn diese Genehmigungen dem zyklischen Ansatz folgend überprüft würden, ändert dies nichts an dem Argument, dass es bei der Entscheidung der Mitgliedstaaten über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln wie Pitcher und Dagonis zum Schutz insbesondere der Gesundheit von Mensch und Tier und der Umwelt wichtig und nach dem Vorsorgeprinzip erforderlich ist, die aktuellen (d. h. die neuesten) wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse zu berücksichtigen.

66.      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass sowohl durch den Wortlaut von Art. 29 Abs. 1 Buchst. e in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 als auch durch die Ziele dieser Verordnung und das ihr zugrunde liegende Vorsorgeprinzip bestätigt wird, dass für die Zulassung erforderlich ist, dass das Pflanzenschutzmittel keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren hat. Hieraus wiederum folgt, dass die Zulassung auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnisse zu erfolgen hat und nicht auf der Grundlage überholter oder nicht mehr aktueller Erkenntnisse.

D.      Kontext der Verordnung Nr. 1107/2009 und Auswirkungen der vollständigen Harmonisierung der Genehmigung von Wirkstoffen auf die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln durch die Mitgliedstaaten

67.      Nach Ansicht der Kommission würde eine Bewertung der endokrinschädlichen Eigenschaften eines Wirkstoffs im Rahmen des nationalen Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel der vollständigen Harmonisierung der Genehmigung von Wirkstoffen auf Unionsebene (die zum Erlass von EU-weit geltenden Durchführungsverordnungen der Kommission führt) zuwiderlaufen. Eine unabhängige Überprüfung der inhärenten Eigenschaften eines Wirkstoffs auf der Ebene der Mitgliedstaaten würde dieses System gefährden.

68.      Zwar gehören Art. 4 und Art. 29 zu verschiedenen Kapiteln der Verordnung Nr. 1107/2009. Die erstere Bestimmung ist in Kapitel II und die letztere in Kapitel III enthalten. Das Verfahren für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nach der Verordnung sieht nämlich eine voneinander gesonderte Genehmigung von Wirkstoffen auf Unionebene (nach Kapitel II) einerseits und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf nationaler Ebene (nach Kapitel III dieser Verordnung) andererseits vor.

69.      Wie jedoch vom Gerichtshof bereits klargestellt, handelt es sich bei diesen zwar um gesonderte, nicht miteinander zu verwechselnde Verfahren, sie wurden jedoch vom Unionsgesetzgeber beide in der Verordnung Nr. 1107/2009 geregelt und sind eng miteinander verknüpft(34), was auch dadurch bestätigt wird, dass in Art. 29 Abs. 1 Buchst. e klar auf Art. 4 Abs. 3 verwiesen wird.

70.      Es reicht schon aus, die Rechtsprechung des Urteils GranoSalus heranzuziehen, da der Gerichtshof dort bereits auf das Verhältnis zwischen der Genehmigung eines Wirkstoffs durch die Kommission und der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels, das diesen Stoff enthält, durch die Behörden der Mitgliedstaaten eingegangen ist.

71.      Ebenso wie in diesem Urteil(35) ist meines Erachtens erstens darauf hinzuweisen, dass sich aus der Verordnung Nr. 1107/2009 ergibt, dass die Mitgliedstaaten, bevor sie einem Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels stattgeben, eine unabhängige, objektive und transparente Bewertung dieses Antrags vornehmen müssen, um unter Berücksichtigung der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung insbesondere festzustellen, dass dieses Produkt unschädlich ist.

72.      Zweitens(36) ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die vorherige Genehmigung der in Rede stehenden, in den betreffenden Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Wirkstoffe durch die Kommission nur eine der kumulativen Voraussetzungen darstellt, die der Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels gestellt wird, vor Erteilung der Zulassung zu prüfen hat.

73.      Drittens(37) ist meines Erachtens darauf hinzuweisen, dass zwar die Genehmigung von Wirkstoffen der in den vorliegenden Rechtssachen in Rede stehenden Art durch die Kommission vom betreffenden Mitgliedstaat nicht überprüft werden kann, dass es jedoch diesem Mitgliedstaat obliegt, vor Erteilung der Zulassung der betreffenden Pflanzenschutzmittel zunächst zu prüfen, ob die anderen Voraussetzungen nach Art. 29 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 erfüllt sind.

74.      Wie oben in den Nrn. 46 und 47 erwähnt, wird durch den Verweis in Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 eine eindeutige Verknüpfung mit der Folge hergestellt, dass die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung zu prüfen sind. Art. 29 Abs. 1 Buchst. e ist daher erstens in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 und zweitens im Licht von Art. 1 Abs. 4 dieser Verordnung auszulegen(38).

75.      Daraus folgt, dass die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels und die Erneuerung oder Verlängerung einer solchen Zulassung nicht als rein automatische Durchführung der von der Kommission erteilten Genehmigung eines in diesem Mittel enthaltenen Wirkstoffs angesehen werden können(39). Folglich wird durch das Urteil GranoSalus belegt, dass das Vorbringen der Kommission in der vorliegenden Rechtssache deshalb nicht haltbar ist, weil die Verordnung Nr. 1107/2009 den betreffenden Mitgliedstaat verpflichtet, die Gesundheit von Menschen und Tieren zu schützen. Dieses Urteil verdeutlicht ferner, dass die Verordnung Nr. 1107/2009 sowie die nach dieser Verordnung bestehenden Zuständigkeiten und Pflichten der Kommission und der Mitgliedstaaten so auszulegen sind, dass ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie für die Umwelt als übergeordnetes Ziel dieser Verordnung ebenso wie das in Art. 191 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV festgelegte Ziel gewährleistet wird.

76.      In diesem Zusammenhang trägt die niederländische Regierung vor, dass Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 sich auf die Wirkungen des Pflanzenschutzmittels auf den Menschen und nicht auf die endokrinschädlichen Eigenschaften eines Wirkstoffs beziehe. Daher sei eine zuständige Behörde nicht verpflichtet, bei der Prüfung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels wissenschaftliche und technische Erkenntnisse über endokrinschädliche Eigenschaften zu berücksichtigen; eine solche Verpflichtung ergebe sich nicht aus Art. 29 Abs. 1 Buchst. e.

77.      Diese Begründung halte ich für nicht überzeugend. Es ist nämlich unnatürlich, Eigenschaften und ihre Wirkungen in einer solchen Weise voneinander zu trennen, soweit der Unionsgesetzgeber sie als zwei Seiten der gleichen Medaille betrachtet hat. Was die Bewertung endokrinschädlicher Eigenschaften nach der Verordnung Nr. 1107/2009 angeht, sieht, wie von der Kommission vorgetragen, Art. 4 in Verbindung mit Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 u. a. vor, dass bei einem Wirkstoff nur dann davon ausgegangen werden kann, dass er keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder von Tieren hat, wenn festgestellt wird, dass er keine endokrinschädlichen Eigenschaften besitzt(40).

78.      Das Vorbringen der niederländischen Regierung widerspricht auch dem mit dem Bewertungsverfahren gerade verfolgten Ziel. Das Ziel des Nachweises, dass ein Wirkstoff solche Eigenschaften hat, besteht gerade darin, zu verhindern, dass dieser Stoff zu schädlichen Auswirkungen insbesondere auf die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie auf die Umwelt führt. Wenn daher die in den vorliegenden Rechtssachen in Rede stehenden Wirkstoffe endokrinschädliche Eigenschaften haben, können diese Stoffe nur dann genehmigt und die sie enthaltenen Pflanzenschutzmittel nur dann zugelassen werden, wenn keine negativen Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt bestehen(41).

79.      Mit anderen Worten hat die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, unabhängig davon, dass ein Wirkstoff auf Unionsebene durch eine von der Kommission erlassene Verordnung genehmigt ist und die Gültigkeit dieser Genehmigung (noch) nicht förmlich in Frage gestellt wird, unter Berücksichtigung neuester und zuverlässiger Informationen, die darauf hinweisen, dass dieser Wirkstoff endokrinschädliche Eigenschaften haben könnte, i) das Risiko schädlicher Auswirkungen des diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmittels zu berücksichtigen und ii) dieses Risiko nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. e und Art. 4 Abs. 3 dieser Verordnung bei ihrer Entscheidung über das Inverkehrbringen dieses Mittels auf dem Markt dieses Mitgliedstaats zu bewerten.

80.      Im Ausgangsverfahren der Rechtssache C‑310/22 hat PAN Europe offenbar eine nicht abschließende Liste von mindestens sechs unabhängigen wissenschaftlichen Studien zum Wirkstoff Difenoconazol vorgelegt, die beunruhigende Ergebnisse in Bezug auf die endokrinschädlichen Auswirkungen dieses Stoffs aufzeigen. Dagonis, das Difenoconazol und einen anderen Wirkstoff (Fluxapyroxad) sowie eine Reihe (unbekannter) als Beistoffe dienender Chemikalien enthält, kann aufgrund einer möglichen sich gegenseitig verstärkenden Wirkung zu noch größeren Schäden führen als Difenoconazol allein.

81.      Daher darf, wie von PAN Europe zu Recht hervorgehoben, dann, wenn Menschen oder Tieren oder der Umwelt durch die Zulassung beispielsweise von Dagonis, soweit es Difenoconazol enthält, wahrscheinlich erheblicher Schaden entstehen könnte, dem Zulassungsausschuss nicht die Möglichkeit offenstehen, sich dafür zu entscheiden, diese Auswirkungen außer Acht zu lassen und das Pflanzenschutzmittel einfach zuzulassen. Dies gilt umso mehr im Hinblick darauf, dass Difenoconazol im Jahr 2008 (vor 15 Jahren) bewertet wurde. Zudem wurden die endokrinschädlichen Eigenschaften von Difenoconazol zu jenem Zeitpunkt nicht bewertet. Die Bewertung durch die zuständige Behörde muss auf der Grundlage der aktuellsten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse erfolgen. Wie bereits erwähnt, ist bei der Bewertung eines Pflanzenschutzmittels nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 der neueste Stand von Wissenschaft und Technik zu berücksichtigen.

82.      Insoweit wird im ersten Erwägungsgrund der Verordnung 2018/605 die Notwendigkeit zum Ausdruck gebracht, insbesondere sicherzustellen, dass in Verkehr gebrachte Stoffe oder Produkte keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben.

83.      Verfügt die zuständige Behörde des Mitgliedstaats über neueste relevante wissenschaftliche und technische Erkenntnisse (einschließlich Daten), die darauf hindeuten, dass ein Risiko besteht, dass der betreffende Wirkstoff schädliche Auswirkungen haben könnte – beispielsweise, dass er, wie in der vorliegenden Rechtssache, das endokrine System schädigen könnte – muss sie das Risiko schädlicher Auswirkungen des diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmittels berücksichtigen und dieses Risiko nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. e in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 in seiner Auslegung im Licht von Art. 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 bewerten und aus dieser Bewertung die richtigen Schlussfolgerungen für eine zu erlassende Entscheidung über die Zulassung dieses Mittels auf dem Markt dieses Mitgliedstaats ziehen.

84.      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt daher, dass durch den Kontext von Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 bestätigt wird, dass die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels voraussetzt, dass i) es keine schädlichen Auswirkungen insbesondere auf die Gesundheit von Menschen hat und ii) seine Zulassung auf der Grundlage des neuesten (d. h. des aktuellsten) Stands von Wissenschaft und Technik erfolgt.

85.      Wie von der tschechischen Regierung zu Recht vorgetragen, ist dieser Auslegung erst recht dann zu folgen, wenn der betreffende „neueste Stand von Wissenschaft und Technik“ bereits in Rechtsvorschriften des Unionsrechts, nämlich einer Änderung von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009, zum Ausdruck kommt. Es dürfte kaum vertretbar sein, die Ansicht zu vertreten, dass es zwar erforderlich sei, neue wissenschaftliche und technische Erkenntnisse anzuwenden, die die Kommission als hinreichend schwerwiegend ansieht, um auf der Unionsebene (d. h. für Wirkstoffe) den Erlass einer neuen Verordnung zu rechtfertigen, dass aber auf der Ebene der Mitgliedstaaten (d. h. für diese Wirkstoffe enthaltende Pflanzenschutzmittel) vor diesen Erkenntnissen die Augen zu verschließen und weiterhin überholte Leitlinien anzuwenden seien.

E.      Verordnung 2018/605 und Übergangsregelung

86.      Um dem vorlegenden Gericht eine vollständige Antwort zu geben, werde ich jetzt auf die Frage nach den Auswirkungen der Übergangsregelung eingehen. Seit dem 10. November 2018 sind die im Anhang der Verordnung 2018/605 enthaltenen Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften, die schädliche Auswirkungen auf den Menschen haben können, anzuwenden; dies gilt mit Ausnahme von Verfahren, bei denen bis zum 10. November 2018 über einen Verordnungsentwurf abgestimmt wurde. Aus dem achten Erwägungsgrund dieser Verordnung geht hervor, dass die Kommission die Auswirkungen der Verordnung 2018/605 auf Verfahren gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 prüfen wird. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob das Inkrafttreten der Verordnung 2018/605 Folgen für laufende Bewertungen von Zulassungsanträgen hat und daher in Bezug auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anträge hätte berücksichtigt werden müssen. Insbesondere stelle sich die Frage, ob der Zulassungsausschuss die neuen Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften hätte anwenden müssen, die dem (neuen) Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids (und nicht dem Stand zum Zeitpunkt der Antragstellung) entsprächen.

87.      Nach Ansicht der Kommission steht die Anwendung der neuen Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften, die dem neuen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen, zu der mit der Verordnung 2018/605 eingeführten Übergangsregelung im Widerspruch.

88.      Insoweit dürfte meines Erachtens zunächst darauf hinzuweisen sein, dass aus den Erwägungsgründen 1(42) und 8(43) der Verordnung 2018/605 hervorgeht, dass eine gewisse Dringlichkeit besteht, schnell zu handeln und neue wissenschaftliche Entwicklungen zu berücksichtigen. Wie in Nr. 82 der vorliegenden Stellungnahme dargelegt, wird im ersten Erwägungsgrund der Verordnung 2018/605 nämlich die Notwendigkeit zum Ausdruck gebracht, insbesondere sicherzustellen, dass in Verkehr gebrachte Stoffe oder Produkte keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben; um eben dies zu gewährleisten, beruht die Verordnung Nr. 1107/2009 auf dem Vorsorgeprinzip. Daher steht der Standpunkt des Zulassungsausschusses, wonach die neuen Endokrinschädigungskriterien außer Acht zu lassen seien, bis die Genehmigung der Wirkstoffe im Rahmen der Erneuerung der Genehmigung überprüft werde, offenbar im Widerspruch zum Ziel der Verordnung Nr. 1107/2009, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten. Ferner verstößt sie offenbar gegen das Vorsorgeprinzip.

89.      Nach dem achten Erwägungsgrund der Verordnung 2018/605 sollten die neuen Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften zwar so rasch wie möglich gelten, zugleich jedoch sollte auch die Zeit berücksichtigt werden, die die Mitgliedstaaten und die EFSA für die Vorbereitung der Anwendung dieser Kriterien benötigen. Dieser Gesichtspunkt kann eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats jedoch nicht dazu verpflichten, den Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels nach alten und überholten Kriterien zu bewerten, die nicht mehr dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen.

90.      Aufgrund der Anforderung, die neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse anzuwenden – die sich, wie in Nr. 83 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, aus Art. 29 Abs. 1 Buchst. e in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 in seiner Auslegung im Licht von Art. 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 ergibt, ist die zuständige Behörde verpflichtet, proaktiv einen besseren Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren und der Umwelt anzustreben. Daher ist der Inhalt der neuen Kriterien für die Bewertung der Endokrinschädigung als Bestandteil der letzten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse bei der Entscheidung über einen Zulassungsantrag zu berücksichtigen.

91.      Auch würde in Anbetracht der Anforderung, die letzten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse heranzuziehen, sowohl dem Ziel der Verordnung Nr. 1107/2009 als auch dem Vorsorgeprinzip besser Rechnung getragen, wenn die neuen Kriterien zu Wirkungen endokrinschädlicher Eigenschaften auf die Gesundheit von Menschen und Tieren herangezogen werden.

92.      Das Vorbringen der Kommission ist nicht überzeugend(44), da es zu Art. 1 Abs. 4 und zum achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 im Widerspruch steht. Diese Bestimmungen stellen klar, dass diese Verordnung i) auf dem Vorsorgeprinzip beruht und ii) den Mitgliedstaaten freistellt, dieses Prinzip anzuwenden, wenn wissenschaftliche Ungewissheit besteht, ob die in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassenden Pflanzenschutzmittel Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt bergen(45). Hierdurch sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle einschlägigen und zuverlässigen neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse, unabhängig von der Quelle oder Unterlage, aus der sie stammen, zu berücksichtigen, um die Einhaltung von Art. 29 Abs. 1 Buchst. e dieser Verordnung zu gewährleisten.

93.      Was die Frage angeht, ob die zuständige Behörde verpflichtet ist, Beurteilungs- und Entscheidungsverfahren über Zulassungsanträge bis zur Stellungnahme der Kommission zu den Auswirkungen der Verordnung 2018/605 für jedes laufende Verfahren gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 auszusetzen, ist zwar richtig, dass die Kommission nach dem achten Erwägungsgrund der Verordnung 2018/605 die Auswirkungen dieser Verordnung auf alle laufenden Verfahren zur Genehmigung von Wirkstoffen auf der Unionsebene prüfen wird. Aus diesem Erwägungsgrund ergibt sich jedoch nicht, dass die Kommission die Auswirkungen dieser Verordnung auf alle laufenden Anträge auf Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in den Mitgliedstaaten prüfen würde. Außerdem enthält die Verordnung Nr. 1107/2009 keine Regelung dazu, welcher Art die Verpflichtungen in Bezug auf die Bewertung von Zulassungsanträgen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art genau sind, die der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats bis zur Stellungnahme der Kommission zu den Folgen der Verordnung 2018/605 für alle laufenden Verfahren gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 obliegen. Die niederländische Regierung hat vorgetragen, dass es nicht Sache der Kommission, sondern des Unionsgesetzgebers sei, Änderungen in Bezug auf die Verpflichtungen vorzunehmen, die den Mitgliedstaaten im Rahmen der Prüfung von Zulassungsanträgen nach Kapitel III der Verordnung Nr. 1107/2009 oblägen.

94.      Mit anderen Worten wird einem Mitgliedstaat weder durch die Verordnung Nr. 1107/2009 noch durch die Verordnung 2018/605 die ihm im Rahmen der Prüfung, ob Pflanzenschutzmittel auf seinem Markt in Verkehr gebracht werden, obliegende Zuständigkeit genommen, die richtigen Maßnahmen zur Einhaltung aller Anforderungen nach Art. 29 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 zu ergreifen, um seine Bevölkerung vor möglichen schädlichen Auswirkungen dieser Mittel zu schützen, die unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik festgestellt worden sind.

IV.    Ergebnis

95.      Ich schlage dem Gerichtshof vor, die jeweils ersten in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Art. 29 Abs. 1 Buchst. e in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 sowie Anhang II Nr. 3.6.5 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates

ist dahin auszulegen, dass die für die Prüfung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels in diesem Mitgliedstaat zuständige Behörde eines Mitgliedstaats dann, wenn sie über einschlägige und zuverlässige Informationen verfügt, die, unabhängig von der Quelle dieser Informationen, auf dem neuesten (d. h. dem aktuellsten) Stand von Wissenschaft und Technik beruhen und darauf hinweisen, dass ein in dem betreffenden Mittel enthaltener Wirkstoff das endokrine System schädigen könnte, das Risiko schädlicher Auswirkungen, die dieses Produkt wahrscheinlich hat, zu berücksichtigen, dieses Risiko zu bewerten und über diesen Antrag anhand aller in Art. 29 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Anforderungen richtig zu entscheiden hat.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Verordnung der Kommission vom 19. April 2018 zur Änderung von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 durch die Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften (ABl. 2018, L 101, S. 33).


3      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. 2009, L 309, S. 1).


4      EEA Briefing [Stellungnahme der EUA], „How pesticides impact human health and ecosystems in Europe [Wie sich Pestizide auf die menschliche Gesundheit und die Ökosysteme in Europa auswirken]“, 26. April 2023.


5      Europäisches Parlament, Bericht über das Zulassungsverfahren der EU für Pestizide (2018/2153 [INI]), S. 16 (18. Dezember 2018).


6      Europäisches Parlament (Dinu, A.), „Endocrine Disruptors: An Overview of Latest Developments at European Level in the Context of Plant Protection Products [Endokrine Disruptoren: Überblick über die letzten Entwicklungen auf der europäischen Ebene im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmitteln]“, Brüssel, Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, 2019, S. 5 und 42. Vgl. auch Kalofiri, P., Balias, G., Tekos, F., „The EU endocrine disruptors’ regulation and the glyphosate controversy“, Toxicology Reports, Bd. 8, 2021, S. 1193 bis 1199.


7      Von der EUA definiert als „Chemikalien, die dazu verwendet werden, Pilze zu töten oder ihre Entwicklung zu unterbinden, die Pflanzenkrankheiten wie z. B. Lagerfäule, Sämlingskrankheiten, Wurzelfäule, Bakterielle Welke, Krautfäule, Rostkrankheit, Branden, Mehltau sowie Viruskrankheiten verursachen. Diese können durch die frühzeitige und kontinuierliche Anwendung ausgewählter Fungizide bekämpft werden, die Krankheitserreger entweder abtöten oder ihre Entwicklung hemmen“.


8      Durchführungsverordnung (EU) 2021/1449 der Kommission vom 3. September 2021 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für die Wirkstoffe 2-Phenylphenol (einschließlich seiner Salze, z. B. Natriumsalz), 8-Hydroxychinolin, Amidosulfuron, Bifenox, Chlormequat, Chlortoluron, Clofentezin, Clomazon, Cypermethrin, Daminozid, Deltamethrin, Dicamba, Difenoconazol, Diflufenican, Dimethachlor, Etofenprox, Fenoxaprop-P, Fenpropidin, Fludioxonil, Flufenacet, Fosthiazat, Indoxacarb, Lenacil, MCPA, MCPB, Nicosulfuron, Paraffinöle, Paraffinöl, Penconazol, Picloram, Propaquizafop, Prosulfocarb, Quizalofop-P-ethyl, Quizalofop-P-tefuryl, Schwefel, Tetraconazol, Triallat, Triflusulfuron und Tritosulfuron (ABl. 2021, L 313, S. 20).


9      Durchführungsverordnung (EU) 2021/745 der Kommission vom 6. Mai 2021 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 im Hinblick auf die Verlängerung der Genehmigungszeiträume für die Wirkstoffe Aluminiumammoniumsulfat, Aluminiumsilicat, Beflubutamid, Benthiavalicarb, Bifenazat, Boscalid, Bromoxynil, Calciumcarbonat, Captan, Kohlendioxid, Cymoxanil, Dimethomorph, Ethephon, Teebaumextrakt, Famoxadon, Rückstände aus der Fettdestillation, Fettsäuren C7 bis C20, Flumioxazin, Fluoxastrobin, Flurochloridon, Folpet, Formetanat, Gibberellinsäure, Gibberellin, Heptamaloxyloglucan, hydrolysierte Proteine, Eisensulfat, Metazachlor, Metribuzin, Milbemectin, Paecilomyces lilacinus Stamm 251, Phenmedipham, Phosmet, Pirimiphos-methyl, Pflanzenöl/Rapsöl, Kaliumhydrogencarbonat, Propamocarb, Prothioconazol, Quarzsand, Fischöl, Repellents (Geruch) tierischen oder pflanzlichen Ursprungs/Schafsfett, S-Metolachlor, geradkettige Lepidopterenpheromone, Tebuconazol und Harnstoff (ABl. 2021, L 160, S. 89).


10      Vgl. Art. 29 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1107/2009.


11      Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. 1991, L 230, S. 1).


12      Richtlinie der Kommission vom 1. Juli 2008 zur Änderung der Richtlinie 91/414 des Rates zwecks Aufnahme der Wirkstoffe Clofentezin, Dicamba, Difenoconazol, Diflubenzuron, Imazaquin, Lenacil, Oxadiazon, Picloram und Pyriproxyfen (ABl. 2008, L 172, S. 9).


13      Durchführungsverordnung der Kommission vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe (ABl. 2011, L 153, S. 1).


14      Durchführungsverordnung der Kommission vom 11. März 2015 zur Durchführung des Artikels 80 Absatz 7 der Verordnung Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Erstellung einer Liste mit Substitutionskandidaten (ABl. 2015, L 67, S. 18).


15      Durchführungsverordnung der Kommission vom 4. Juli 2012 zur Genehmigung des Wirkstoffs Fluxapyroxad gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung Nr. 540/2011 der Kommission (ABl. 2012, L 175, S. 7).


16      Siehe jedoch meine Anmerkungen zu Verordnung 2018/605 in den Nrn. 86 ff. der vorliegenden Schlussanträge.


17      So festgestellt im Urteil vom 4. Juli 1973, Westzucker (1/73, EU:C:1973:78, Rn. 5). Dieser Rechtsgrundsatz hatte in jener Rechtssache zur Folge, dass die geänderten Bestimmungen der in Rede stehenden Verordnung nicht nur für nach Inkrafttreten dieser Bestimmungen erteilte Lizenzen mit Vorausfestsetzung für die Ausfuhr von Zucker galten, sondern auch für die vor diesem Zeitpunkt erteilten Lizenzen, sofern das beabsichtigte Ausfuhrgeschäft noch nicht durchgeführt und die Änderung des Interventionspreises noch nicht eingetreten war.


18      Urteil vom 19. Januar 2023, Pesticide Action Network Europe (C‑162/21, EU:C:2023:30, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung; im Folgenden: Urteil Pesticide Action Network Europe).


19      Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 71; im Folgenden: Urteil Blaise).


20      Art. 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009. Vgl. De Grove-Valdeyron, N., „Le principe de précaution, nouvel instrument du droit communautaire de la santé“, Revue des Affaires Européennes, Nr. 2, 2003, S. 265.


21      Vgl. Urteil Pesticide Action Network Europe (Rn. 46). Vgl. mit kritischer Bewertung Robinson, C., Portier, C. J., Čavoški, A., Mesnage, R., Roger, A., Clausing, P., Whaley, P., Muilerman, H., Lyssimachou, A., „Achieving a High Level of Protection from Pesticides in Europe: Problems with the Current Risk Assessment Procedure and Solutions“, European Journal of Risk Regulation (EJRR), Bd. 11, Nr. 3, 2020, S. 450. Vgl. auch Villaverde, J. J., Sevilla-Morán, B., Sandín-España, P., López-Goti, C., Alonso-Prados, J. L., „Challenges of Biopesticides Under … Regulation (EC) No 1107/2009: An Overview of New Trends in Residue Analysis“, Studies in Natural Products Chemistry, Bd. 43, 2014, S. 437.


22      Vgl. Urteil Pesticide Action Network Europe (Rn. 47).


23      Hervorhebung nur hier. Vgl. Urteil Blaise (Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24      Dies steht im Einklang mit den Ausführungen in Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge und der Rechtsprechung, wonach das Vorsorgeprinzip „bedeutet, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden. Wenn es sich als unmöglich erweist, das Vorliegen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unschlüssig sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die Gesundheit der Bevölkerung jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintreten sollte, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen“ (Urteil Blaise, Rn. 43).


25      Vgl. Urteil Blaise (Rn. 47).


26      Vgl. Urteil Pesticide Action Network Europe(Rn. 48).


27      Vgl. Urteil Pesticide Action Network Europe(Rn. 49).


28      Urteil vom 6. Mai 2021, Bayer CropScience/Kommission (C‑499/18 P, EU:C:2021:367, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).


29      Vgl. seine Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Dänemark (C‑192/01, EU:C:2002:760, Nr. 102 der englischen Fassung sowie Nr. 103 der französischen Originalfassung). Das Vorsorgeprinzip ist naturgemäß (als Grundsatz) keine starre, sondern eine flexible Rechtsnorm. Es ist daher streng einzelfallbezogen anzuwenden (De Sadeleer, N., „Grandeur et servitudes du principe de précaution en matière de sécurité alimentaire et de santé publique“, in Nihoul, P., Mahieu, S. [Hrsg.], La sécurité alimentaire et la réglementation des OGM, Brüssel, Larcier, 2005, S. 344. Vgl. auch De Sadeleer, N., „The Precautionary principe in EC Health and Environmental Law“, European Law Journal, Bd. 12, Nr. 2, 2006, S. 139).


30      Vgl. https://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/eu-pesticides-database/start/screen/active-substances/details/37; die Geltungsdauer der Genehmigung läuft am 31. Oktober 2023 ab.


31      Vgl. https://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/eu-pesticides-database/start/screen/active-substances/details/742; die Geltungsdauer der Genehmigung läuft am 15. Februar 2025 ab.


32      Vgl. https://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/eu-pesticides-database/start/screen/active-substances/details/631; die Geltungsdauer der Genehmigung läuft am 31. Dezember 2023 ab.


33      Vgl. https://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/eu-pesticides-database/start/screen/active-substances/details/989; die Geltungsdauer der Genehmigung läuft am 31. Mai 2025 ab.


34      Vgl. Urteil Blaise (Rn. 64) und Urteil vom 28. Oktober 2020, Associazione GranoSalus/Kommission (C‑313/19 P, EU:C:2020:869, Rn. 35; im Folgenden: Urteil GranoSalus).


35      Vgl. Urteile GranoSalus (Rn. 53) und Blaise (Rn. 66 und 94). Vgl. zu dieser Rechtsprechung und zum Vorsorgeprinzip Leonelli, G. C., „Judicial review of compliance with the precautionary principle from Paraquat to Blaise: ‚Quantitative thresholds‘, risk assessment, and the gap between regulation and regulatory implementation“, German Law Journal, 2021, Nr. 22, S. 184. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass „die EU-Regulierung von Pestiziden den übergeordneten Grundsätzen des Vorsorgeprinzips nicht immer gerecht wird. Die Umsetzung der in der [Verordnung Nr. 1107/2009] festgelegten regulatorischen Vorschriften für die Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln steht nicht immer im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip …; die Umsetzung dieses Systems führt möglicherweise nicht zu einer abschließenden Bewertung der relevanten Risiken, die ein vorsorgliches Risikomanagement ermöglicht. Dies erhellt in gewissem Maße das Zusammenspiel komplexer regulatorischer Vorschriften und ihrer Umsetzung auf verschiedenen räumlichen Ebenen; … die Untersuchung der [genannten Verordnung] zeigt die Diskrepanz zwischen den Vorschriften eines regulatorischen Rahmens und ihrer Umsetzung auf“ (S. 213).


36      Vgl. Urteil GranoSalus (Rn. 54).


37      Vgl. Urteil GranoSalus  (Rn. 55).


38      „Die Bestimmungen dieser Verordnung beruhen auf dem Vorsorgeprinzip, mit dem sichergestellt werden soll, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt nicht beeinträchtigen. Insbesondere ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, das Vorsorgeprinzip anzuwenden, wenn wissenschaftliche Ungewissheit besteht, ob die in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassenden Pflanzenschutzmittel Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt bergen.“


39      Vgl. auch Urteil GranoSalus (Rn. 58).


40      Vgl. insbesondere Anhang II Nr. 3.6.5.


41      Oder allenfalls dann, wenn dieses Risiko vernachlässigbar ist (Anhang II Nr. 3.6.5).


42      „Unter Berücksichtigung der Ziele der Verordnung … Nr. 1107/2009 – Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt, insbesondere Sicherstellung, dass in Verkehr gebrachte Stoffe oder Produkte keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben … – sollten wissenschaftliche Kriterien zur Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften von Wirkstoffen … festgelegt werden.“


43      „Die Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften entsprechen dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik und ermöglichen eine exaktere Identifizierung von Wirkstoffen mit [solchen] Eigenschaften. Die neuen Kriterien sollten daher so rasch wie möglich gelten, wobei auch die Zeit berücksichtigt werden sollte, die die Mitgliedstaaten und die [EFSA] für die Vorbereitung der Anwendung dieser Kriterien benötigen.“


44      Vgl. ferner das juristische Schrifttum, in dem die Haltung der Kommission in früheren Fällen kritisiert wird, da sie sich auf einen engen, nachweisbasierten Ansatz gestützt habe, mit dem die weit verbreitete öffentliche Wahrnehmung außer Acht gelassen worden sei, dass die ungewissen Risiken, die z. B. von Glyphosat ausgingen, gesellschaftlich unannehmbar seien, und das Argument übergangen worden sei, dass die bestehenden Risikomanagementmaßnahmen nicht ausreichten, um das auf der Unionsebene beabsichtigte Niveau der öffentlichen Gesundheit und des Umweltschutzes zu erreichen (Leonelli, G. C., „The glyphosate saga and the fading democratic legitimacy of European Union risk regulation“, Maastricht Journal of European and Comparative Law, Bd. 25, Nr. 5, S. 582 bis 606).


45      Vgl. die in Fn. 28 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung.