SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA
vom 18. Dezember 2019(1)
Rechtssache C‑719/18
Vivendi SA
gegen
Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni,
Streithelfer:
Mediaset SpA
(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio [Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien])
„Vorabentscheidungsersuchen – Telekommunikation – Niederlassungsfreiheit – Kapitalverkehrsfreiheit – Art. 49 AEUV und 63 AEUV – Richtlinie 2002/21/EG – Nationale Regelung gegen marktbeherrschende Stellungen – Berechnung der Einkünfte in der elektronischen Kommunikation und im integrierten Kommunikationssystem – Begrenzung des Sektors der elektronischen Telekommunikation auf Märkte, die einer Vorabregulierung unterliegen – Verbuchung der Einkünfte verbundener Unternehmen – Differenzierte Einnahmegrenze für auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation tätige Unternehmen und andere Wirtschaftsteilnehmer – Art. 11 der Charta – Freiheit und Pluralismus in den Medien“
1. Das italienische Recht unterwirft Unternehmen, die auf dem Sektor der audiovisuellen Medien- und Rundfunkdienste tätig sind, gewissen Beschränkungen, indem es sie, um den Informationspluralismus zu gewährleisten, daran hindert, marktbeherrschende Stellungen auf ihm einzunehmen.
2. Zu diesen Beschränkungen gehört das Verbot, dass ein Unternehmen Einnahmen erzielt, die mehr als 20 % der Gesamteinkünfte des sogenannten „Integrierten Kommunikationssystems“ (im Folgenden: IC‑Kommunikationssystem)(2) erreichen. Dieser Prozentsatz verringert sich auf 10 %, wenn das Unternehmen gleichzeitig einen Anteil von mehr als 40 % der Gesamteinkünfte des Sektors der elektronischen Kommunikation erzielt.
3. In der vorliegenden Rechtssache wandte die Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (Aufsichtsbehörde für das Kommunikationswesen, im Folgenden: AGCom) die nationalen Vorschriften an und stellte fest, dass eine auf dem Mediensektor tätige französische Gesellschaft (Vivendi SA, im Folgenden: Vivendi) gegen sie verstoßen habe, indem sie eine wesentliche Beteiligung am Kapital einer auf demselben Sektor tätigen italienischen Gesellschaft (Mediaset Italia Spa, im Folgenden: Mediaset) erworben hatte. Vivendi hatte auf dem italienischen Sektor der elektronischen Kommunikation eine bedeutende Stellung inne, da sie die Kontrolle über die Telecom Italia SpA (im Folgenden: TIM) ausübte.
4. Das Gericht, das über die Klage von Vivendi gegen die Entscheidung der AGCom entscheidet, fragt den Gerichtshof, ob das nationale Recht insoweit mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
I. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
1. Richtlinie 2002/21/EG (3)
5. Art. 14 („Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht“) bestimmt:
„(1) Wenn die nationalen Regulierungsbehörden aufgrund der Einzelrichtlinien nach dem in Artikel 16 genannten Verfahren festzustellen haben, ob Betreiber über beträchtliche Marktmacht verfügen, gelten die Absätze 2 und 3 dieses Artikels.
(2) Ein Unternehmen gilt als ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht, wenn es entweder allein oder gemeinsam mit anderen eine der Beherrschung gleichkommende Stellung einnimmt, nämlich eine wirtschaftlich starke Stellung, die es ihm gestattet, sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich Verbrauchern zu verhalten.
Bei der Beurteilung der Frage, ob zwei oder mehr Unternehmen auf einem Markt gemeinsam eine beherrschende Stellung einnehmen, handeln die nationalen Regulierungsbehörden insbesondere im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht und berücksichtigen dabei weitestgehend die von der Kommission nach Artikel 15 veröffentlichten ‚Leitlinien zur Marktanalyse und zur Bewertung beträchtlicher Marktmacht‘. Die bei dieser Beurteilung heranzuziehenden Kriterien sind in Anhang II dieser Richtlinie aufgeführt.
(3) Verfügt ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt (dem ersten Markt) über beträchtliche Marktmacht, so kann es auch auf einem benachbarten Markt (dem zweiten Markt) als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht benannt werden, wenn die Verbindungen zwischen beiden Märkten es gestatten, diese vom ersten auf den zweiten Markt zu übertragen und damit die gesamte Marktmacht des Unternehmens zu verstärken. Infolgedessen können auf dem zweiten Markt Abhilfemaßnahmen nach den Artikeln 9, 10, 11 und 13 der Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie) getroffen werden, um die Übertragung dieser Marktmacht zu unterbinden; sollten sich diese Abhilfemaßnahmen als unzureichend erweisen, können Abhilfemaßnahmen nach Artikel 17 der Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie) auferlegt werden.“
6. Art. 15 („Verfahren für die Festlegung und Definition von Märkten“) bestimmt:
„(1) Nach Konsultation der Öffentlichkeit einschließlich der nationalen Regulierungsbehörden und unter weitestgehender Berücksichtigung der Stellungnahme des GEREK verabschiedet die Kommission nach dem in Artikel 22 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren eine Empfehlung betreffend relevante Produkt- und Dienstmärkte (Empfehlung). Darin werden diejenigen Märkte für elektronische Kommunikationsprodukte und ‑dienste festgelegt, deren Merkmale die Auferlegung von Verpflichtungen nach den Einzelrichtlinien rechtfertigen können, unbeschadet der Märkte, die in bestimmten Fällen nach dem Wettbewerbsrecht definiert werden können. Die Kommission definiert die Märkte im Einklang mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts.
Die Empfehlung wird regelmäßig von der Kommission überprüft.
(2) Die Kommission veröffentlicht spätestens zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie Leitlinien zur Marktanalyse und zur Bewertung beträchtlicher Marktmacht (nachstehend ‚Leitlinien‘ genannt), die mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts in Einklang stehen müssen.
(3) Die nationalen Regulierungsbehörden legen unter weitestgehender Berücksichtigung der Empfehlung und der Leitlinien die relevanten Märkte entsprechend den nationalen Gegebenheiten – insbesondere der innerhalb ihres Hoheitsgebiets relevanten geografischen Märkte – im Einklang mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts fest. Bevor Märkte definiert werden, die von denen in der Empfehlung abweichen, wenden die nationalen Regulierungsbehörden die in den Artikeln 6 und 7 genannten Verfahren an.
(4) Nach Konsultationen, auch mit den nationalen Regulierungsbehörden, kann die Kommission nach dem in Artikel 22 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle eine Entscheidung zur Festlegung länderübergreifender Märkte erlassen, wobei sie weitestgehend die Stellungnahme des GEREK berücksichtigt.“
7. Art. 16 („Marktanalyseverfahren“) der Richtlinie sieht vor:
„(1) Die nationalen Regulierungsbehörden führen eine Analyse der relevanten Märkte durch, wobei sie den in der Empfehlung festgelegten Märkten Rechnung tragen und weitestgehend die Leitlinien berücksichtigen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass diese Analyse gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den nationalen Wettbewerbsbehörden durchgeführt wird.
(2) Wenn eine nationale Regulierungsbehörde gemäß den Absätzen 3 oder 4 dieses Artikels gemäß Artikel 17 der Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie) oder gemäß Artikel 8 der Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie) feststellen muss, ob Verpflichtungen für Unternehmen aufzuerlegen, beizubehalten, zu ändern oder aufzuheben sind, ermittelt sie anhand der Marktanalyse gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels, ob auf einem relevanten Markt wirksamer Wettbewerb herrscht.
(3) Kommt eine nationale Regulierungsbehörde zu dem Schluss, dass dies der Fall ist, so erlegt sie weder eine der spezifischen Verpflichtungen nach Absatz 2 auf noch behält sie diese bei. Wenn bereits bereichsspezifische Verpflichtungen bestehen, werden sie für die Unternehmen auf diesem relevanten Markt aufgehoben. Den betroffenen Parteien ist die Aufhebung der Verpflichtungen innerhalb einer angemessenen Frist im Voraus anzukündigen.
(4) Stellt eine nationale Regulierungsbehörde fest, dass auf einem relevanten Markt kein wirksamer Wettbewerb herrscht, so ermittelt sie, welche Unternehmen allein oder gemeinsam über beträchtliche Marktmacht auf diesem Markt gemäß Artikel 14 verfügen, und erlegt diesen Unternehmen geeignete spezifische Verpflichtungen nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels auf bzw. ändert diese oder behält diese bei, wenn sie bereits bestehen.
(5) Im Falle länderübergreifender Märkte, die in der Entscheidung nach Artikel 15 Absatz 4 festgelegt wurden, führen die betreffenden nationalen Regulierungsbehörden gemeinsam die Marktanalyse unter weitestgehender Berücksichtigung der Leitlinien durch und stellen einvernehmlich fest, ob in Absatz 2 des vorliegenden Artikels vorgesehene spezifische Verpflichtungen aufzuerlegen, beizubehalten, zu ändern oder aufzuheben sind.
(6) Maßnahmen, die gemäß den Absätzen 3 und 4 getroffen werden, unterliegen den in den Artikeln 6 und 7 genannten Verfahren.“
2. Richtlinie 2010/13/EU(4)
8. Die Erwägungsgründe 5, 8 und 34 der Richtlinie 2010/13 lauten:
„(5) Audiovisuelle Mediendienste sind gleichermaßen Kultur- und Wirtschaftsdienste. Ihre immer größere Bedeutung für die Gesellschaften, die Demokratie – vor allem zur Sicherung der Informationsfreiheit, der Meinungsvielfalt und des Medienpluralismus –, die Bildung und die Kultur rechtfertigt die Anwendung besonderer Vorschriften auf diese Dienste.
…
(8) Es ist unerlässlich, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass Handlungen unterbleiben, die den freien Fluss von Fernsehsendungen beeinträchtigen bzw. die Entstehung beherrschender Stellungen begünstigen könnten, welche zu Beschränkungen des Pluralismus und der Freiheit der Fernsehinformation sowie der Information in ihrer Gesamtheit führen würden.
…
(34) Zur Förderung einer starken, wettbewerbsfähigen und integrierten europäischen audiovisuellen Industrie und zur Stärkung des Medienpluralismus in der gesamten Union sollte jeweils nur ein Mitgliedstaat für einen Anbieter audiovisueller Mediendienste zuständig sein und sollte der Informationspluralismus ein grundlegendes Prinzip der Union sein.“
9. Art. 1 Abs. 1 bestimmt:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:
a) ‚audiovisueller Mediendienst‘
i) eine Dienstleistung im Sinne der Artikel 56 und 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG ist. Bei diesen audiovisuellen Mediendiensten handelt es sich entweder um Fernsehprogramme gemäß der Definition unter Buchstabe e des vorliegenden Absatzes oder um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gemäß der Definition unter Buchstabe g des vorliegenden Absatzes,
ii) die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation“.
B. Nationales Recht
1. Decreto legislativo del 31 luglio 2005, n. 177, recante il „Testo unico dei servizi di media audiovisivi e radiofonici“(5)
10. In Art. 2 Abs. 1 Buchst. l wird das IC‑Kommunikationssystem mit folgenden Worten beschrieben:
„der Wirtschaftssektor, der folgende Tätigkeiten erfasst: Tageszeitungen und Zeitschriften; Jahresberichte und elektronische Berichte, auch durch das Internet; Radio und audiovisuelle Mediendienste; Kino; Außenwerbung; Öffentlichkeitsarbeit über Produkte und Dienstleistungen; Sponsoring“.
11. Art. 43 („Beherrschende Stellungen im integrierten Kommunikationssystem“) bestimmt:
„(1) Die Unternehmen, die im Rahmen des integrierten Kommunikationssystems tätig sind, sind verpflichtet, der Behörde die Vereinbarungen und Zusammenschlüsse mitzuteilen, damit sie anhand der in der von ihr selbst erlassenen Ad-hoc-Regelung geregelten Verfahren prüfen kann, ob die in den Absätzen 7, 8, 9, 10, 11 und 12 genannten Grundsätze beachtet werden.
(2) Sobald sie diesen Markt nach den Grundsätzen der Art. 15 und 16 der Richtlinie Nr. 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 festgelegt hat, überprüft die Regulierungsbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen in regelmäßigen Abständen, dass sich weder im Integrierten Kommunikationssystem noch auf den zu ihm gehörenden Märkten eine marktbeherrschende Stellung bildet und die in den Absätzen 7, 8, 9, 10, 11 und 12 festgelegten Grenzen eingehalten werden, wobei unter anderem außer den Einkünften das Wettbewerbsniveau innerhalb des Systems, Zugangsbeschränkungen zu diesem, die Dimensionen der wirtschaftlichen Effizienz des Unternehmens sowie quantitative Indikatoren der Verbreitung der Rundfunk- und Fernsehprogramme, der Verlagserzeugnisse sowie der Filmwerke und phonographischen Werke berücksichtigt wird.
…
(9) Unbeschadet des Verbots der Schaffung marktbeherrschender Stellungen in den einzelnen Märkten, die das Integrierte Kommunikationssystem darstellen, dürfen die Subjekte, die sich in das Registro degli operatori di comunicazione [(Register der Anbieter von Kommunikationsdiensten)] eintragen lassen müssen, das nach Art. 1 Abs. 6 Buchst. a Nr. 5 des Gesetzes Nr. 249 vom 31. Juli 1997 eingerichtet wurde, weder direkt noch indirekt über abhängige oder verbundene Gesellschaften im Sinne der Abs. 14 und 15 Einkünfte über 20 % der Gesamteinkünfte des IC‑Kommunikationssystems erreichen.
…
(11) Die Unternehmen, deren Einkünfte auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation im Sinne der Definition in Art. 18 des Decreto legislativo Nr. 259 vom 1. August 2003 – auch durch abhängige oder verbundene Gesellschaften – über 40 % der Gesamteinkünfte dieses Sektors betragen, dürfen im Allgemeinen Kommunikationssystem nicht mehr als 10 % der Einkünfte dieses Systems erzielen.
…
(14) Für die Zwecke dieses Texto unico ist insbesondere in Bezug auf Unternehmen, die keine Gesellschaften sind, in den in Art. 2359 Abs. 1 und 2 des Codice Civile [(Zivilgesetzbuch)] geregelten Fällen von einer Kontrolle auszugehen.“
2. Codice civile
12. Art. 2359 sieht vor:
„Als abhängige Gesellschaften gelten:
1. Gesellschaften, in denen eine andere Gesellschaft über eine Mehrheit der Stimmrechte verfügt, die in der ordentlichen Gesellschafterversammlung ausgeübt werden können;
2. Gesellschaften, in denen eine andere Gesellschaft über so viele Stimmrechte verfügt, dass sie zur Ausübung eines beherrschenden Einflusses in der ordentlichen Gesellschafterversammlung ausreichen;
3. Gesellschaften, die unter dem beherrschenden Einfluss einer anderen Gesellschaft aufgrund besonderer vertraglicher Bedingungen zu ihr stehen.
…
Als verbundene Gesellschaften gelten Gesellschaften, über die eine andere Gesellschaft einen beträchtlichen Einfluss ausübt. Ein solcher Einfluss wird vermutet, wenn in der ordentlichen Gesellschafterversammlung mindestens ein Fünftel oder, wenn die Aktien der Gesellschaft in geregelten Märkten notiert werden, ein Zehntel der Stimmrechte ausgeübt werden kann.“
II. Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
13. Vivendi ist eine Gesellschaft französischen Rechts, die in Paris in das Unternehmensregister eingetragen ist und an der Spitze eines Konzerns steht, der im Bereich der Medien sowie der Schaffung und Verbreitung audiovisueller Inhalte tätig ist.
14. Vivendi hält 23,94 % des Kapitals der TIM, der Gesellschaft, über die sie die Kontrolle ausübt(6), seit sie auf der Aktionärsversammlung am 4. Mai 2017 die Mehrheit im Vorstand erlangte(7).
15. Am 8. April 2016 schlossen Vivendi, Mediaset und Reti Televisive Italiane SpA eine Vereinbarung über strategische Zusammenarbeit, durch die Vivendi im Tausch gegen 3,5 % ihres eigenen Kapitals 3,5 % des Kapitals der Mediaset und 100 % des Kapitals von Mediaset Premium SpA erwarb.
16. Aufgrund von Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung begann Vivendi in Dezember 2016 eine Kampagne zum feindlichen Erwerb von Mediaset-Aktien. Am 22. Dezember 2016 besaß Vivendi bereits 28,8 % des Kapitals von Mediaset, was 29,94 % ihrer Stimmrechte entsprach. Diese qualifizierte Minderheitsbeteiligung ermöglichte es ihr jedoch nicht, die Kontrolle über diese Gesellschaft auszuüben, die weiterhin von der Fininvest-Gruppe(8) beherrscht wurde.
17. Am 20. Dezember 2016 meldete Mediaset der AGCom einen Verstoß von Vivendi gegen Art. 43 Abs. 11 des Testo unico durch den Erwerb dieser Aktien.
18. Mit Beschluss Nr. 178/17/CONS vom 18. April 2017(9) stellte die AGCom fest, dass Vivendi aufgrund der genannten Beteiligungen gegen Art. 43 Abs. 11 des Testo unico verstoßen habe, und erlegte ihr auf, diesen Verstoß binnen einer Frist von zwölf Monaten zu beheben.
19. Vivendi kam der Anordnung der AGCom nach und übertrug am 6. April 2018 19,19 % der Mediaset-Aktien (19,95 % der Stimmrechte) auf eine unabhängige Gesellschaft (Simon Fiduciaria SpA). Auf diese Weise behielt Vivendi eine unmittelbare Aktienbeteiligung an Mediaset mit weniger als 10 % der Stimmrechte in deren Aktionärsversammlung.
20. Dessen ungeachtet erhob Vivendi beim Tribunale Amministrativo Regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien) Klage auf Aufhebung des Beschlusses der AGCom.
21. Im Rahmen dieses Rechtsstreits hat das Gericht, das ihn entscheiden muss, dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 43 Abs. 11 des Decreto legislativo Nr. 177 vom 31. Juli 2005 in der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses geltenden Fassung ungeachtet dessen, dass die Mitgliedstaaten bestimmen können, wann die Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehaben (und ihnen infolgedessen besondere Pflichten auferlegen können), mit dem Unionsrecht und insbesondere mit dem Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV unvereinbar? In diesem Art. 43 Abs. 11 heißt es: „Die Unternehmen, deren Einkünfte auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation im Sinne der Definition in Art. 18 des Decreto legislativo Nr. 259 vom 1. August 2003 [(Codice delle comunicazioni elettroniche; Kodex für die elektronische Kommunikation)] – auch durch abhängige oder verbundene Gesellschaften – über 40 % der Gesamteinkünfte dieses Sektors betragen, dürfen im Sistema integrato delle comunicazioni [(IC‑Kommunikationssystem)] nicht mehr als 10 % der Einkünfte dieses Systems erzielen“; besteht die oben angeführte Unvereinbarkeit, soweit durch den genannten Art. 18 des Decreto legislativo Nr. 259 der fragliche Sektor auf Märkte begrenzt wird, die einer Vorabregulierung unterliegen können, obwohl es allgemeiner Erfahrung entspricht, dass die Informationen (deren Pluralismus die Norm bezweckt) mehr und mehr unter Verwendung des Internets, von Personalcomputern und Mobiltelefonen übermittelt werden, so dass es unangemessen werden kann, von diesem Sektor insbesondere die Dienstleistungen für Mobilfunkendkunden auszuschließen, nur weil sie im freien Wettbewerb sind? Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Regulierungsbehörde die Grenzen des Sektors der elektronischen Kommunikation für die Anwendung des genannten Art. 43 Abs. 11 beim zu prüfenden Verfahren selbst in der Weise gezogen hat, dass sie nur die Märkte berücksichtigt hat, für die seit dem Inkrafttreten des CCE (Codice delle comunicazioni elettroniche), also seit 2003 bis heute, zumindest einmal eine Analyse durchgeführt wurde, und zwar in Bezug auf Einkünfte, die sich bei der letzten, im Jahr 2015 durchgeführten sachdienlichen Veranlagung ergeben haben.
2. Stehen die Grundsätze zum Schutz der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit nach den Art. 49 und 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die Art. 15 und 16 der Richtlinie 2002/21/EG [über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste], die dem Pluralismus und der Freiheit der Meinungsäußerung dienen, und der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Anwendung einer nationalen Regelung über öffentliche audiovisuelle und Rundfunk-Mediendienste wie der in Art. 43 Abs. 11 und 14 entgegen, nach der sich die Einkünfte, die für die Bestimmung der zweiten 10%-Schwelle maßgebend sind, auch auf Unternehmen beziehen können, die weder abhängige Gesellschaften sind noch beherrschendem Einfluss ausgesetzt sind, sondern nur nach Art. 2359 des Codice civile (italienisches Zivilgesetzbuch) (auf den in Art. 43 Abs. 14 verwiesen wird) verbunden sind, obwohl ihnen gegenüber kein Einfluss auf die zu verbreitenden Informationen ausgeübt werden kann?
3. Stehen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit nach den Art. 49 und 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die Art. 15 und 16 der Richtlinie 2002/21/EG, die Grundsätze des Schutzes des Pluralismus bei den Informationsquellen und des Wettbewerbs im Fernsehsektor im Sinne der Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste und der Richtlinie 2002/21/EG einer nationalen Regelung wie dem Decreto legislativo Nr. 177/2005 entgegen, die in Art. 43 Abs. 9 und 11 für „Subjekte, die sich in das Registro degli operatori di comunicazione [(Register der Anbieter von Kommunikationsdiensten)] eintragen lassen müssen, das nach Art. 1 Abs. 6 Buchst. a Nr. 5 des Gesetzes Nr. 249 vom 31. Juli 1997 eingerichtet wurde“ (d. h. die Empfänger von Konzessionen oder Genehmigungen auf der Grundlage der geltenden Regelung durch die Regulierungsbehörde oder andere zuständige Behörden sowie Werbeagenturen aller Art, Verlage usw. nach Abs. 9), ganz andere Schwellen vorsieht als für Unternehmen, die auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation, wie oben (im Rahmen von Abs. 11) definiert, tätig sind (nämlich 20 % bzw. 10 %)?
22. Vivendi, Mediaset, die italienische Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und sind zur mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2019 erschienen.
III. Prüfung
A. Zulässigkeit der Vorlagefragen
23. Die italienische Regierung ist der Ansicht, dass die erste Frage hypothetisch sei, da Vivendi auch bei einer weniger engen Begrenzung dieses Markts wegen ihrer Kontrolle über TIM im Referenzjahr eine Quote von 45,9 % der Einkünfte des Sektors der elektronischen Kommunikation gehabt hätte. Sie hätte daher in jedem Fall die Schwelle von 40 % der Einkünfte überschritten.
24. Dem Einwand der Unzulässigkeit kann nicht stattgegeben werden, da sich die Frage des vorlegenden Gerichts gerade darauf bezieht, ob der Prozentsatz, der festgelegt worden ist, um den Zugang der auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation tätigen Unternehmen zum IC‑Kommunikationssystem zu beschränken, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
25. Mediaset ist der Auffassung, dass die Fragen des vorlegenden Gerichts unzulässig seien, da es weder den nationalen Rechtsrahmen klar und kohärent dargestellt noch dargelegt habe, weshalb verschiedene der unionsrechtlichen Bestimmungen, die es anführt, für die Entscheidung des Rechtsstreits relevant seien.
26. Auch dieser Einwand kann nicht durchgreifen, denn für Fragen, die das Unionsrecht betreffen, gilt eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit, die hier nicht widerlegt ist. Der Gerichtshof kann es nur dann ablehnen, über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts zu befinden, wenn die erbetene Auslegung oder Beurteilung der Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(10).
27. Keiner dieser Umstände liegt hier vor. Selbst wenn im Vorlagebeschluss bestimmte unionsrechtliche Vorschriften angeführt werden, ohne dass ihre Entscheidungserheblichkeit dargelegt wird, enthält er ausreichende Beurteilungskriterien, um die Rechtsprobleme hinsichtlich einer möglichen Unvereinbarkeit der italienischen Regelung mit den Vorschriften des Unionsrechts erfassen zu können. Der Gerichtshof ist mithin in der Lage, dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben.
B. Einschlägige europäische Vorschriften
1. Bestimmungen des AEUV
28. Die drei Vorlagefragen betreffen zwar dasselbe italienische Gesetz, fragen aber nach der Vereinbarkeit einiger seiner Vorschriften in ihrer Auslegung in dieser Rechtssache mit verschiedenen Bestimmungen des AEUV. Konkret bezieht sich die erste auf Art. 63 AEUV (Kapitalverkehrsfreiheit), während die anderen beiden die Art. 49 AEUV (Niederlassungsrecht) und 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) betreffen(11).
29. Zu letztgenannter Bestimmung reicht der Hinweis, dass Art. 56 AEUV in dieser Rechtssache nicht anwendbar ist, weil im Ausgangsrechtsstreit keine grenzüberschreitende Dienstleistung vorliegt.
30. Hingegen könnte sich die italienische Regelung grundsätzlich sowohl mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) als auch der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) im Konflikt befinden.
31. Für die Feststellung, ob eine nationale Regelung unter die eine oder andere Verkehrsfreiheit fällt, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen. Danach gilt(12):
– Art. 49 AEUV ist anwendbar, wenn es sich um eine nationale Regelung handelt, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen.
– Wenn die nationalen Bestimmungen Beteiligungen betreffen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, gilt hingegen Art. 63 AEUV(13).
32. Den Angaben im Vorlagebeschluss lässt sich entnehmen, dass der Erwerb der Aktien und die Übernahme der Kontrolle an TIM durch Vivendi mit der Wahrnehmung des Niederlassungsrechts zusammenhängen. Hingegen ließe sich der Erwerb eines bedeutenden Teils der Mediaset-Aktien entweder unter die Kapitalverkehrsfreiheit (wenn Vivendi die alleinige Absicht der Geldanlage hat) oder unter die Niederlassungsfreiheit (wenn Vivendi Einfluss auf die Verwaltung von Mediaset nehmen will) subsumieren.
33. Durch die italienische Regelung werden beide Freiheiten beschränkt, denn der Umstand, durch den Vivendi an erheblichen Investitionen in Mediaset-Aktien gehindert wird, ist ihre Beteiligung am Kapital und die daraus folgende Kontrolle der TIM, einer Gesellschaft mit einem hohen Anteil am italienischen Markt für elektronische Kommunikation(14).
34. Auch wenn das Ergebnis einer Gegenüberstellung der italienischen Regelung mit den Anforderungen an die Kapitalverkehrsfreiheit wegen der gleichlaufenden Rechtsprechung des Gerichtshofs zu beiden Freiheiten nicht erheblich von denen der Niederlassungsfreiheit abweichen würde, halte ich es angesichts der Besonderheiten des Ausgangsrechtsstreits für ratsam, die Vereinbarkeit mit den Vorschriften über das Niederlassungsrecht zu prüfen(15).
35. Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Vivendi und Mediaset ist die Absicht des französischen Konzerns, Einfluss auf die Verwaltung von Mediaset zu nehmen(16) und so einen erheblichen Anteil am italienischen Markt für Telekommunikation zu erlangen. Vivendi beabsichtigt mit dem Erwerb der Aktien des letztgenannten Unternehmens offenbar nicht nur eine einfache Geldanlage, um lediglich Gewinne zu erzielen.
36. Wenn dies der Fall ist, würde es sich um die Ausübung des Rechts eines französischen Unternehmens auf Niederlassung auf dem italienischen Medienmarkt handeln, die durch die Anwendung des italienischen Rechts durch die AGCom erschwert wird. Ich wiederhole, dass Vivendi mit dem Erwerb von 28,8 % des Kapitals der Mediaset, das ihr 29,94 % der Stimmrechte verleiht, offenbar tatsächlich im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs Einfluss auf die Leitung von Mediaset nehmen und in gewissem Umfang die Tätigkeiten dieses Unternehmens bestimmen will.
2. Richtlinien im Bereich der elektronischen Kommunikation und der audiovisuellen Mediendienste
37. Das vorlegende Gericht nimmt sowohl auf die Rahmenrichtlinie (insbesondere ihre Art. 15 und 16) als auch die Richtlinie 2010/13 über audiovisuelle Mediendienste Bezug.
38. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs werden in Fällen einer abschließenden Harmonisierung die Richtlinien vorzugsweise angewendet und verdrängen die Verwendung der primärrechtlichen Vorschriften (hier diejenigen, die die Verkehrsfreiheiten des Binnenmarkts betreffen). Sind die Harmonisierungsrichtlinien nicht abschließend, können sie in Verbindung mit dem Primärrecht angewandt werden.
39. In dieser Rechtssache ist daher zu klären, ob die Rahmenrichtlinie und die Richtlinie 2010/13 allein einschlägig sind oder vielmehr – selbst bei Berücksichtigung einiger Bestimmungen dieser beiden Richtlinien – die primärrechtlichen Vorschriften (besonders Art. 49 AEUV) vorrangig gelten.
40. Meiner Ansicht nach regeln beide Richtlinien die Materie nicht abschließend und räumen den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen beim Erlass nationaler Entscheidungen ein. Deren Prüfung hat im Licht von Art. 49 AEUV und der zu seiner Auslegung ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu erfolgen.
41. Konkret legt die Rahmenrichtlinie die Aufgaben fest, die den nationalen Regulierungsbehörden (im Folgenden: NRB) übertragen sind. Unter diesen Aufgaben ragt (Art. 16) die Analyse der relevanten Märkte heraus, aufgrund derer die NRB(17) Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf solchen Märkten spezifische Verpflichtungen, die auch als „Abhilfemaßnahmen“ bezeichnet werden, auferlegen können(18). Es handelt sich mithin um hoheitliche Funktionen, bei deren Wahrnehmung die NRB über eine weitreichende Befugnis verfügen, um die Regulierungsbedürftigkeit eines Marktes in jedem Einzelfall beurteilen zu können(19), unter Umständen mit Hilfe der Kommission(20).
42. Die Anwendung von Art. 43 Abs. 11 des Testo unico durch die AGCom in Bezug auf Vivendi könnte grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Rahmenrichtlinie fallen, aber wegen des Beurteilungsspielraums, die diese den NRB einräumt, muss ihre mögliche Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht im Licht der Erfordernisse des Art. 49 AEUV geprüft werden.
43. Zur Richtlinie 2010/13 hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine nationale Maßnahme, mit der ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, das bestimmte Aspekte der Ausstrahlung und Verbreitung audiovisueller Mediendienste verfolgt, nicht unter ihren Anwendungsbereich fällt, es sei denn, mit ihr wird eine zweite Kontrolle des Rundfunks zusätzlich zu der vom Sendemitgliedstaat durchzuführenden Kontrolle eingeführt(21).
44. Da die italienische Regelung (also Art. 43 des Testo unico, soweit er einem Unternehmen, dessen Einkünfte über 40 % der Gesamteinkünfte des Sektors der elektronischen Kommunikation betragen, verbietet, die Schwelle von 10 % im IC‑Kommunikationssystem zu überschreiten) weder Einfluss auf die Sendungen hat noch eine zweite Kontrolle der Radiosendungen nach sich zieht, entzieht sie sich dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2010/13. Diese nationale Regelung ist zudem darauf gerichtet, den Pluralismus der Kommunikationsmedien und die Informationsfreiheit zu schützen, bei denen es sich um im Allgemeininteresse liegende Ziele handelt.
45. Zusammenfassend ist in dieser Rechtssache die nationale Regelung aus der Perspektive des Art. 49 AEUV zu prüfen.
C. Beschränkungen des Niederlassungsrechts
46. Ich beabsichtige, zu prüfen, ob die italienische Regelung in ihrer Auslegung in dieser Rechtssache mit Art. 49 AEUV vereinbar ist, und die drei Vorlagefragen zur Vermeidung von Wiederholungen gemeinsam zu beantworten.
47. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs steht dieser Artikel jeder nationalen Maßnahme entgegen, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Solche Behinderungen können entstehen, wenn ein Unternehmen aufgrund nationaler Vorschriften davon abgehalten werden kann, untergeordnete Einheiten – wie etwa Betriebsstätten – in anderen Mitgliedstaaten zu gründen und seine Tätigkeiten über solche Einheiten auszuüben(22).
48. Die Beschränkung, die Vivendi gestützt auf den Testo unico auferlegt wurde, beeinträchtigt ihr Recht, sich in Italien niederzulassen, da sie sie daran hindert, Einfluss auf die Verwaltung von Mediaset auszuüben und gegebenenfalls die Kontrolle über sie zu übernehmen. Es handelt sich also nicht um eine unmittelbare Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit aus Gründen der Staatsangehörigkeit, sondern um eine mittelbare, die auf nationale Wirtschaftsteilnehmer und Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten unterschiedslos anwendbar ist.
49. Die beschränkende Wirkung der italienischen Regelung beruht auf der Kombination der drei von dem vorlegenden Gericht angeführten Umstände:
– einerseits der Verwendung eines eingeschränkten Begriffs des „Sektors der elektronischen Kommunikation“, der auf die Märkte beschränkt ist, die einer Vorabregulierung unterzogen werden können;
– andererseits der Anrechnung der Einkünfte der „verbundenen“ Gesellschaften (und nicht nur der „abhängigen“ Gesellschaften) zur Ermittlung der Marktanteile auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation und dem Mediensektor;
– schließlich der Festlegung differenzierter Schwellenbeträge (20 % und 10 % der Einnahmen des IC‑Kommunikationssystems) für den Erwerb von Medienbeteiligungen.
1. Die enge Eingrenzung des Sektors der elektronischen Kommunikation
50. Was den ersten Umstand betrifft, bedient sich die AGCom einer engen Definition des Sektors der elektronischen Kommunikation, die sich aus Art. 43 Abs. 11 des Testo unico in Verbindung mit Art. 18 des italienischen Kodex für die elektronische Kommunikation ergibt. Indem der Umfang des Sektors der elektronischen Kommunikation de facto verringert wird, kann ein einziges Unternehmen leichter 40 % der Einkünfte auf dem Sektor erzielen, wodurch seine Möglichkeiten, sich im Mediensektor in Italien zu etablieren, beschnitten werden.
51. Die Anwendung dieser beiden Bestimmungen durch die AGCom beschränkt, wie bereits ausgeführt worden ist, den Sektor der elektronischen Kommunikation auf die Märkte, die Gegenstand einer Vorabregulierung sein können(23), also diejenigen, für die seit dem Inkrafttreten des Kodex für die elektronische Kommunikation (2003) bis heute zumindest eine Analyse durchgeführt wurde und deren Einkünfte sich aus der letzten durchgeführten sachdienlichen Veranlagung (2015) ergeben.
52. Mit diesem Vorgehen nimmt die AGCom Märkte, die für die Informationsübertragung von wachsender Bedeutung sind, vom Sektor der elektronischen Kommunikation aus, wie den Markt für Dienstleistungen für Mobilfunkendkunden, bei dem es sich um einen vom Wettbewerb geprägten Markt handelt, auf dem es keiner Eingriffe der Mitgliedstaaten im Wege einer Vorabregulierung bedarf, oder den Märkten für andere elektronische Kommunikationsdienste, die mit dem Internet zusammenhängen, oder für Satellitenrundfunkdienste. Die einen wie die anderen sind zum wichtigsten Zugangsweg zu den Medien geworden, und es ist daher unlogisch, sie bei der Berechnung unberücksichtigt zu lassen.
53. Bei dieser engen Abgrenzung des Sektors der elektronischen Kommunikation wächst auf ihm das Gewicht eines Unternehmens aus einem anderen Mitgliedstaat (in diesem Fall Vivendi), das am Kapital eines Wirtschaftsteilnehmers wie TIM beteiligt ist, während sich gleichzeitig seine Möglichkeiten der Teilnahme auf dem Sektor der audiovisuellen Kommunikationsmedien verringern und auf diese Weise seine Etablierung in Italien erschwert wird.
2. Die Auswirkungen der „Verbindung“ zwischen Gesellschaften
54. In Bezug auf den zweiten Umstand berücksichtigt die AGCom im Rahmen der Prüfung der marktbeherrschenden Stellung eines konkreten Unternehmens nicht nur die Einnahmen der „abhängigen“, sondern auch die der „verbundenen“ Gesellschaften, auf die es einen „beherrschenden Einfluss“ im Sinne von Art. 2359 Abs. 3 des italienischen Zivilgesetzbuchs ausübt.
55. In der vorliegenden Rechtssache hat ihre Beteiligung an Mediaset es Vivendi de facto nicht ermöglicht, einen beherrschenden Einfluss auf Mediaset auszuüben(24), da Mediaset von der Fininvest-Gruppe abhängig ist, die ihren Aktionsbereich vorgibt und die Vivendi gegenübersteht. Es handelt sich jedoch um eine tatsächliche Frage, die nur das vorlegende Gericht zutreffend entscheiden kann.
56. Wenn es so wäre, wäre die Niederlassungsfreiheit von Vivendi in Italien durch die Anwendung der streitigen Vorschrift betroffen, denn wenn ihr die Einkünfte der „verbundenen“ Gesellschaften (wie Mediaset), auf deren Geschäftsstrategie sie keinen Einfluss ausüben kann, zugerechnet würden, würde ihre Möglichkeit, sich im IC‑Kommunikationssystem zu etablieren, verringert(25).
3. Die doppelte Einkunftsschwelle im audiovisuellen Sektor
57. Die Niederlassungsfreiheit von Vivendi in Italien wird auch dadurch beschränkt, dass ihr ein Verbot auferlegt wird, Einkünfte im IC‑Kommunikationssystem zu erzielen, das strenger ist als das, das für normale Kommunikationsanbieter gilt.
58. Letztgenannten(26) gestattet die nationale Regelung, bis zu 20 % der Einkünfte des IC‑Kommunikationssystems zu erzielen. Unternehmen, die einen Marktanteil von mehr als 40 % des Sektors für elektronische Kommunikation haben, dürfen hingegen nur 10 % der Einkünfte desselben IC‑Kommunikationssystems erzielen. Letztgenannte Vorschrift findet tatsächlich ausschließlich auf TIM Anwendung, die von Vivendi abhängig ist, denn nur sie erzielt Einkünfte auf dem Sektor für elektronische Kommunikation, die 40 % übersteigen.
59. Die Festlegung einer Obergrenze für Einkünfte für die Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit auf dem Mediensektor in Italien impliziert bereits für sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten in Italien. Diese Beschränkung ist umso einschneidender, als die Schwelle in der bereits dargestellten Art und Weise differenziert festgelegt wird, und benachteiligt ein Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat, das eine italienische Gesellschaft kontrolliert, stärker.
60. Folglich ist die durch Art. 49 AEUV geschützte Niederlassungsfreiheit von der abschreckenden Wirkung der italienischen Regelung, die – im dargestellten Sinne – die Möglichkeit für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten beschränkt, sich auf dem italienischen Mediensektor zu etablieren, betroffen.
61. Diese Beschränkung könnte jedoch auf legitime Gründe gestützt sein, die sie rechtfertigen, auf die ich sogleich eingehe.
D. Rechtfertigung der Beschränkung
62. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV nur durch Regelungen beschränkt werden, die durch die in Art. 52 AEUV ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen (öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit) oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und für alle im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats tätigen Personen oder Unternehmen gelten. Ferner ist die fragliche nationale Regelung nur dann gerechtfertigt, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist(27).
63. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die italienischen Vorschriften unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbar sind, die auf den Sektoren der elektronischen Kommunikation und der Medien in Italien tätig sind. Infolgedessen könnten sie durch eine der in Art. 52 AEUV vorgesehenen ausdrücklichen Ausnahmen oder einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein.
64. Sowohl Mediaset als auch die italienischen Behörden berufen sich auf den zwingenden Grund des Allgemeininteresses, der im Schutz des Pluralismus der Information bestehe, der sich auch aus dem Testo unico ergebe(28). Das vorlegende Gericht ist auch der Ansicht, dass die in Rede stehende Regelung durch den Schutz des Pluralismus der Information und der Medien gerechtfertigt sein könnte.
65. Gemäß Art. 11 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union werden „[d]ie Freiheit der Medien und ihre Pluralität … geachtet“. Die beiden Elemente sind unverzichtbar für die Existenz der Rechte auf Meinungsfreiheit und Information, die durch diesen Artikel geschützt werden, der von Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) inspiriert ist(29).
66. Im Protokoll Nr. 29 zum AEUV wird ebenfalls auf die Pluralität der Medien Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass „der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Mitgliedstaaten unmittelbar mit den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft sowie mit dem Erfordernis verknüpft ist, den Pluralismus zu wahren“.
67. Auch die Rahmenrichtlinie und die Richtlinie 2010/13 enthalten Bezugnahmen auf den Pluralismus der Medien. Auf ihn beziehen sich konkret der fünfte Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie(30) und die Erwägungsgründe 5 und 8 der Richtlinie 2010/13(31). Das Europäische Parlament hat die Bedeutung dieses Pluralismus für die Gewährleistung der Meinungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft hervorgehoben(32).
68. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) hat im Rahmen der Auslegung von Art. 10 EMRK eine relevante Rechtsprechung zur Bedeutung des Pluralismus der Medien entwickelt(33).
69. Der EGMR hat festgestellt, dass die in Art. 10 Abs. 1 verankerte Meinungsfreiheit einen der Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft und eine der Grundvoraussetzungen für ihren Fortschritt darstellt. Ohne Pluralismus gibt es keine Demokratie, und die Demokratie nährt sich aus der Meinungsfreiheit, und es ist daher unerlässlich, zu erlauben, dass unterschiedliche politische Vorhaben vorgeschlagen und diskutiert werden, einschließlich solcher, die die derzeitige Organisationsform eines Staats in Frage stellen, sofern sie nicht die Demokratie als solche gefährden(34).
70. Der EGMR fügt hinzu, dass es in einer demokratischen Gesellschaft für die Gewährleistung eines echten Pluralismus auf dem audiovisuellen Sektor nicht ausreicht, die Existenz mehrerer Fernsehsender oder die theoretische Möglichkeit des Zugangs zum audiovisuellen Markt für potenzielle Wirtschaftsteilnehmer vorzusehen. Es muss ein effektiver Marktzugang zulässig sein, um die inhaltliche Diversität der in ihrer Gesamtheit betrachteten Programme zu gewährleisten, die so weit wie möglich die Vielfalt der Meinungsrichtungen in der Gesellschaft, an die sich diese Programme richten, widerspiegeln muss(35).
71. Deshalb betrachtet er es als Verstoß gegen Art. 10 EMRK, wenn ein wirtschaftlicher oder politischer Sektor der Gesellschaft eine beherrschende Stellung hinsichtlich der audiovisuellen Medien erlangen und Druck auf die Verbreiter ausüben kann, um letztendlich ihre verlegerische Freiheit zu beschränken(36). Dasselbe gilt, wenn die beherrschende Stellung einer Rundfunkeinrichtung des Staats zukommt, die ein Monopol an den verfügbaren Frequenzen innehat(37).
72. Ausgehend von diesen normativen Elementen und Urteilen ist es logisch, dass der Gerichtshof nicht gezögert hat, den Pluralismus der Medien als zwingenden Grund des Allgemeininteresses einzustufen(38), dessen Schutz den Erlass nationaler Maßnahmen, die die Niederlassungsfreiheit (und andere Freiheiten des Binnenmarkts) beschränken, rechtfertigen kann(39). Zudem hat er seine Bedeutung in einer demokratischen Gesellschaft hervorgehoben(40).
73. Grundsätzlich ist Art. 43 des Testo unico geeignet, das Ziel des Schutzes des Pluralismus der Medien zu erreichen, da er verhindert, dass ein einziges Unternehmen selbst oder über seine Tochtergesellschaften einen relevanten (mehr als 20 %)(41) Anteil am Markt für Medien erlangen kann. Daher ist diese Regelung geeignet, den Pluralismus der Information in ihrer äußeren Dimension zu schützen.
74. Es ließe sich auch vertreten, dass angesichts der Nähe zwischen dem Sektor der elektronischen Kommunikation und dem Mediensektor bestimmte Grenzen gezogen werden, damit Unternehmen, die auf dem ersten bereits eine beherrschende Stellung innehaben (TIM z. ., die auf diesem Sektor führend ist), diesen Umstand nicht nutzen, um ihre Stellung auf dem Mediensektor zu stärken. Eine nationale Maßnahme, die in solchen Fällen den Zugang zum Mediensektor beschneidet und eine übermäßige Konzentration in den Händen eines Wirtschaftsteilnehmers verhindert, kann den Pluralismus der Information zumindest im Idealfall begünstigen.
75. Allerdings muss diese nationale Regelung nicht nur geeignet sein, dies zu erreichen, sie darf auch nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels des Schutzes des Informationspluralismus unbedingt notwendig ist. Mit anderen Worten: Sie muss den Filter der Verhältnismäßigkeit durchlaufen, den die Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelt hat(42).
E. Verhältnismäßigkeit der Beschränkung
76. Es ist zwar Sache des vorlegenden Gerichts, die Verhältnismäßigkeit der untersuchten Maßnahme im Hinblick auf die Ziele, die sie leiten, zu prüfen, aber der Gerichtshof kann ihm hierzu sachdienliche Hinweise geben.
77. Meiner Ansicht nach ist die Beachtung des Verhältnismäßigkeitserfordernisses im vorliegenden Fall zumindest fraglich, wenn man die Faktoren in Betracht zieht, die ich sogleich nenne.
78. Erstens nimmt die AGCom bei der Definition des Sektors der elektronischen Kommunikation eine sehr enge Auslegung von Art. 43 des Testo unico und Art. 18 des Kodex für elektronische Kommunikation vor, die nur schwer mit den Art. 15 und 16 der Rahmenrichtlinie und den Empfehlungen der Kommission für diesen Sektor vereinbar ist(43).
79. Die Kommission und Vivendi tragen vor, die derart erfolgte Abgrenzung der Märkte für elektronische Kommunikation stehe in keinem Zusammenhang mit dem Ziel, den Pluralismus auf dem konnexen, aber eigenständigen Mediensektor zu gewährleisten. Um den Bereich des Sektors für elektronische Kommunikation als solchen abzustecken, müsse man auf sämtliche auf ihm vorhandenen Märkte abstellen, und nicht nur auf die, die eine Vorabregulierung erforderten, weil auf ihnen kein ausreichendes Maß an Wettbewerb besteht.
80. Ich habe bereits ausgeführt(44), dass die Abgrenzung der Märkte für elektronische Kommunikation sämtliche auf ihm vorhandenen Märkte umfassen muss, insbesondere die Dienstleistungen für Mobilfunkendkunden, die Märkte für elektronische Kommunikationsdienste, die mit dem Internet zusammenhängen, sowie die Märkte für Satellitenrundfunkdienste, die zum bevorzugten Zugangsweg zu den Medien geworden sind.
81. Zweitens könnten die Verhältnismäßigkeitserfordernisse mit dem sehr geringen Prozentsatz an Einkünften (ungefähr 10 %) des IC‑Kommunikationssystems, der als Obergrenze für die Unternehmen vorgesehen ist, deren Einkünfte auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation 40 % der Gesamteinkünfte dieses Sektors übersteigen, unvereinbar sein.
82. Ich wiederhole, dass angesichts der wachsenden Konvergenz der elektronischen Kommunikation, der audiovisuellen Medien und der Informationstechnologien in der Tat eine Verbindung zwischen beiden Sektoren besteht(45). Das bedeutet aber nicht, dass die Unternehmen, die im Bereich der elektronischen Kommunikationsdienste tätig sind, zwingend über eine immanente Fähigkeit zur Einflussnahme auf dem Sektor der Informationsmedien oder der audiovisuellen Mediendienste verfügen(46). Diese Unternehmen kontrollieren die Übertragung und die Übermittlung von Inhalten, aber nicht unbedingt ihre Produktion, die eine redaktionelle Verantwortung impliziert(47). Es muss daher zwischen der Regulierung der Übertragung auf der einen und der Inhalte auf der anderen Seite getrennt werden(48).
83. Auf dieser Linie hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Richtlinien, aus denen der neue für elektronische Kommunikationsdienste geltende Rechtsrahmen besteht, eine klare Unterscheidung zwischen der Produktion von Inhalten, die eine redaktionelle Kontrolle voraussetzt, und der Übertragung von Inhalten ohne jede redaktionelle Kontrolle treffen, wobei die Inhalte und ihre Übertragung unter getrennte Regelungen fallen, die jeweils eigene Ziele verfolgen(49).
84. Daher muss die Kontrolle der elektronischen Kommunikation durch einen Wirtschaftsnehmer nicht unbedingt mit einer identischen Kontrolle über die Inhalte, die in seiner Infrastruktur zirkulieren, einhergehen: Für sie ist das Medium verantwortlich, das sie produziert und redaktionell verantwortlich ist.
85. Von diesem Standpunkt ausgehend muss die allgemein und abstrakt durch die italienische Regelung eingeführte Verknüpfung zwischen dem Besitz eines Marktanteils von mehr als 40 % auf dem Sektor für elektronische Kommunikation und der Gefahr für den Informationspluralismus geprüft werden. Ihre Auswirkungen dürften als unverhältnismäßig anzusehen sein, da sie automatisch verhindern, dass irgendein Unternehmen(50) – unabhängig von seinen Eigenschaften – mit diesem Marktanteil auf dem ersten Sektor 10 % der Einkünfte auf dem zweiten Sektor (also dem IC‑Kommunikationssystem) überschreiten kann.
86. Drittens gilt, dass grundsätzlich zwar keine Einwände gegen die Regelung des Art. 2359 des Zivilgesetzbuchs über verbundene Gesellschaften bestehen, aber nicht außer Acht gelassen werden darf, dass er lediglich eine Vermutung aufstellt: Es wird vermutet, dass ein erheblicher Einfluss einer Gesellschaft auf eine andere besteht, wenn Erstere 1/5 der Stimmrechte Letzterer bzw., wenn sie Aktien in geregelten Märkten besitzt, 1/10 dieser Rechte besitzt, ausüben kann.
87. Es wäre unverhältnismäßig, diese Vermutung wie eine unwiderlegliche Vermutung anzuwenden, um die Situation einer „abhängigen Gesellschaft“ der einer „verbundenen Gesellschaft“ anzugleichen, um die prüfungsgegenständliche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anwenden zu können, wenn sichergestellt werden kann – wie es vorliegend offenbar der Fall ist – dass die Gesellschaft (Vivendi) mit einem Anteil an Stimmrechten in einer anderen (Mediaset), der diese Zahl übersteigt, de facto nicht in der Lage ist, einen nennenswerten Einfluss auf Letztere auszuüben.
IV. Ergebnis
88. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien) vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:
Die durch Art. 49 AEUV geschützte Niederlassungsfreiheit steht einer nationalen Maßnahme entgegen, die es zur Wahrung des Informationspluralismus allen Unternehmen, deren Einkünfte auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation 40 % der Gesamteinkünfte auf diesem Sektor übersteigen, verbietet, eine Stellung zu erlangen, die 10 % der Einkünfte auf dem Medienmarkt übersteigt, wenn
– unter Sektor für elektronische Kommunikation ausschließlich der Sektor verstanden wird, der die Märkte umfasst, die einer Vorabregulierung unterliegen können, und
– das Verbot Unternehmen auferlegt wird, die an ein Hauptunternehmen gebunden sind, das nicht in der Lage ist, einen nennenswerten Einfluss über sie auszuüben; dies festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.