Language of document : ECLI:EU:T:2009:140

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

6. Mai 2009(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Kupfer‑Industrierohre – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Festsetzung von Preisen und Aufteilung der Märkte – Geldbußen – Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafen – Größe des betreffenden Marktes – Abschreckende Wirkung – Dauer der Zuwiderhandlung – Zusammenarbeit“

In der Rechtssache T‑116/04

Wieland-Werke AG mit Sitz in Ulm (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Bechtold und U. Soltész,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch É. Gippini Fournier und H. Gading, dann durch É. Gippini Fournier, O. Weber und K. Mojzesowicz als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen einer Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K (2003) 4820 endg. der Kommission vom 16. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/38.240 – Industrierohre) oder Herabsetzung der in Art. 2 Buchst. a der Entscheidung gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Papasavvas und N. Wahl (Berichterstatter),

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2008

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Wieland-Werke AG (im Folgenden: Wieland oder Klägerin) ist ein nicht börsennotiertes deutsches Unternehmen mit Sitz in Ulm. Die Klägerin ist die Muttergesellschaft eines weltweiten Konzerns, der hauptsächlich in der Herstellung, dem Verkauf und dem Vertrieb von Halbfertigerzeugnissen und Spezialerzeugnissen aus Kupfer und Kupferlegierungen tätig ist.

2        Auf die Mitteilung von Informationen der Mueller Industries Inc. hin führte die Kommission im März 2001 in den Räumlichkeiten der Gesellschaften KME Germany AG (vormals KM Europa Metal AG), KME France SAS (vormals Tréfimétaux SA), KME Italy SpA (vormals Europa Metalli SpA) (im Folgenden zusammen: KME oder KME-Gruppe), Outokumpu Oyj und Luvata Oy (vormals Outokumpu Copper Products Oy) (im Folgenden zusammen: Outokumpu) und der Klägerin unangemeldete Nachprüfungen nach Art. 14 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), durch.

3        Am 9. April 2001 bot Outokumpu der Kommission eine Zusammenarbeit im Sinne der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit) an. Am 30. Mai 2001 übersandte sie ein Schreiben zu diesem Thema.

4        Am 30. September 2002 beantragte Wieland in ihrer Antwort auf ein an die KME-Gruppe und sie selbst gerichtetes Auskunftsverlangen der Kommission nach Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 aus dem Juli 2002 die Anwendung der Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit.

5        Auf dasselbe Auskunftsverlangen hin beantragte die KME-Gruppe am 15. Oktober 2002 für sich selbst die Anwendung dieser Mitteilung.

6        Nachdem sie eine Untersuchung, die weitere Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von Outokumpu und KME umfasste, durchgeführt, an Treffen mit Vertretern von Outokumpu, der KME-Gruppe und Wieland teilgenommen und gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 weitere Auskünfte von der KME-Gruppe und Wieland verlangt hatte, leitete die Kommission im Juli 2003 das Zuwiderhandlungsverfahren ein und erließ eine an die KME-Gruppe, die Klägerin und Outokumpu gerichtete Mitteilung der Beschwerdepunkte. Eine Anhörung fand nicht statt, nachdem die angesprochenen Unternehmen hierauf verzichtet hatten.

7        Am 16. Dezember 2003 erließ die Kommission die Entscheidung K (2003) 4820 endg. in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E‑1/38.240 – Industrierohre) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 28. April 2004 (ABl. L 125, S. 50) veröffentlicht wurde.

8        Der angefochtenen Entscheidung zufolge haben die in der Vereinigung für die Qualität von Rohren für den Bereich der Klima- und Kältetechnik (Cuproclima Quality Association, im Folgenden: Cuproclima) organisierten Hersteller, darunter die Klägerin, ihre Zusammenarbeit gegen Ende der 80er Jahre auf Wettbewerbsfragen ausgedehnt.

9        Die Treffen, die Cuproclima zweimal im Jahr abgehalten habe, seien ein regelmäßiger Anlass gewesen, um im Anschluss an die offizielle Tagesordnung über Preise zu diskutieren und Preise sowie andere kommerzielle Bedingungen für Industrierohre festzulegen. Diese gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Treffen seien durch bilaterale Kontakte zwischen den betreffenden Unternehmen ergänzt worden. Die Unternehmen hätten Preisziele und andere kommerzielle Bedingungen für Industrierohre abgesprochen, Preiserhöhungen koordiniert, Kunden und Marktanteile zugeteilt sowie die Durchsetzung ihrer wettbewerbswidrigen Absprachen überwacht, indem sie eine Regelung bezüglich der Marktführerschaft getroffen und vertrauliche Informationen ausgetauscht hätten.

10      Die angefochtene Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

„Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben durch ihre Beteiligung, während der angegebenen Zeiträume, an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen in Form von Preisabsprachen und Marktaufteilung in der Industrierohrbranche gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und, ab 1. Januar 1994, Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen verstoßen:

a)      [Wieland] vom 3. Mai 1988 bis 22. März 2001;

b)      Outokumpu …: allein vom 3. Mai 1988 bis 30. Dezember 1988 und gesamtschuldnerisch haftend mit [Luvata] vom 31. Dezember 1988 bis 22. März 2001;

c)      [Luvata]: vom 31. Dezember 1988 bis 22. März 2001 (gesamtschuldnerisch haftend mit [Outokumpu]);

d)      [KME Germany]: allein vom 3. Mai 1988 bis 19. Juni 1995 und gesamtschuldnerisch haftend mit [KME France] und [KME Italy] vom 20. Juni 1995 bis 22. März 2001;

e)      [KME Italy]: gesamtschuldnerisch haftend mit [KME France] vom 3. Mai 1988 bis 19. Juni 1995 und gesamtschuldnerisch haftend mit [KME Germany] und [KME France] vom 20. Juni 1995 bis 22. März 2001;

f)      [KME France]: gesamtschuldnerisch haftend mit [KME Italy] vom 3. Mai 1988 bis 19. Juni 1995 und gesamtschuldnerisch haftend mit [KME Germany] und [KME Italy] vom 20. Juni 1995 bis 22. März 2001.

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen werden folgende Geldbußen festgesetzt:

a)      [Wieland]: 20,79 Mio. EUR;

b)      Outokumpu … und [Luvata], gesamtschuldnerisch haftend: 18,13 Mio. EUR;

c)      [KME Germany], [KME France] und [KME Italy], gesamtschuldnerisch haftend: 18,99 Mio. EUR;

d)      [KME Germany]: 10,41 Mio. EUR;

e)      [KME Italy] und [KME France] gesamtschuldnerisch haftend: 10,41 Mio. EUR.“

11      In einem ersten Schritt stufte die Kommission zur Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße die Zuwiderhandlung, die hauptsächlich in der Festsetzung von Preisen und der Aufteilung von Märkten bestanden habe, als eine ihrem Wesen nach besonders schwere Zuwiderhandlung ein (Randnr. 294 der angefochtenen Entscheidung).

12      Bei der Feststellung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigte die Kommission auch, dass das Kartell das gesamte Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) betreffe (Randnr. 316 der angefochtenen Entscheidung). Sie untersuchte ferner die tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung und stellte fest, die Vereinbarung habe „unter dem Strich Marktwirkungen gezeitigt“ (Randnr. 314 der angefochtenen Entscheidung).

13      Für diese letzte Feststellung stützte sie sich insbesondere auf folgende Gesichtspunkte: Erstens berücksichtigte sie in Bezug auf die Umsetzung der Vereinbarung, dass sich die Teilnehmer gegenseitig über Absatzzahlen und Preisniveaus unterrichtet hätten (Randnr. 300 der angefochtenen Entscheidung). Zweitens fänden sich in der Akte Hinweise darauf, dass die Preise in Zeiträumen einer schwächeren Umsetzung der Vereinbarungen gefallen und in anderen Zeiträumen stark gestiegen seien (Randnr. 310 der angefochtenen Entscheidung). Drittens nahm die Kommission auf den von den Mitgliedern der Vereinbarungen gemeinsam gehaltenen Marktanteil von 75 % bis 85 % Bezug (Randnr. 310 der angefochtenen Entscheidung). Viertens stellte die Kommission fest, dass die jeweiligen Marktanteile der Teilnehmer der Vereinbarung – trotz der Kundenfluktuation zwischen ihnen – während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung relativ stabil geblieben seien (Randnr. 312 der angefochtenen Entscheidung).

14      Schließlich berücksichtigte die Kommission im Rahmen der Feststellung der Schwere der Zuwiderhandlung noch, dass die Branche der Kupfer-Industrierohre einen wichtigen Industriezweig darstelle, dessen Marktwert bezogen auf den EWR mit 288 Millionen Euro veranschlagt werde (Randnr. 318 der angefochtenen Entscheidung).

15      Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände stellte die Kommission fest, dass die in Rede stehende Zuwiderhandlung besonders schwer sei (Randnr. 320 der angefochtenen Entscheidung).

16      In einem zweiten Schritt nahm die Kommission eine differenzierte Behandlung der betreffenden Unternehmen entsprechend ihrer Möglichkeit vor, den Wettbewerb aufgrund ihrer tatsächlichen Wirtschaftskraft erheblich zu schädigen. In dieser Hinsicht stellte die Kommission einen Unterschied zwischen den Anteilen am Kupferrohrmarkt im EWR fest, die die KME-Gruppe, Marktführerin im EWR mit [vertraulich](1) % Marktanteil, einerseits und Outokumpu und Wieland mit [vertraulich] bzw. 13,4 % Marktanteil andererseits halten. In Anbetracht dieses Unterschieds wurde der Ausgangsbetrag der Geldbuße für Outokumpu und für Wieland auf 33 % der Geldbuße für die KME-Gruppe festgesetzt, also auf 11,55 Millionen Euro für Outokumpu und für Wieland und 35 Millionen Euro für die KME-Gruppe (Randnrn. 327 und 328 der angefochtenen Entscheidung).

17      In einem dritten Schritt erhöhte die Kommission, um der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, die Geldbuße in einer Höhe festzusetzen, die ihre abschreckende Wirkung sicherstellt, den Ausgangsbetrag der gegen Outokumpu verhängten Geldbuße um 50 % auf 17,33 Millionen Euro, da der weltweite Gesamtumsatz von Outokumpu von über 5 Milliarden Euro auf eine diese Erhöhung rechtfertigende Größe und Wirtschaftskraft hindeute (Randnr. 334 der angefochtenen Entscheidung).

18      In einem vierten Schritt bewertete die Kommission die Zuwiderhandlung, die sich über einen Zeitraum vom 3. Mai 1988 bis 22. März 2001 erstreckte, im Hinblick auf ihre Dauer als „lang“. Unter Berücksichtigung der Dauer der Zuwiderhandlung hielt sie es für angemessen, den Ausgangsbetrag der gegen die betreffenden Unternehmen verhängten Geldbußen für jedes Jahr der Teilnahme am Kartell um 10 % zu erhöhen. Daher wurde der Ausgangsbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße um 125 % erhöht und der Grundbetrag folglich auf 25,99 Millionen Euro festgesetzt (Randnrn. 338, 342 und 347 der angefochtenen Entscheidung).

19      In einem fünften Schritt wurde der Grundbetrag der gegen Outokumpu verhängten Geldbuße im Hinblick auf den erschwerenden Umstand um 50 % erhöht, dass sie als Adressatin der Entscheidung 90/417/EGKS der Kommission vom 18. Juli 1990 in einem Verfahren nach Artikel 65 [EGKS] betreffend eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von europäischen Herstellern von kaltgewalzten, nichtrostenden, flachen Stahlerzeugnissen (ABl. L 220, S. 28) Wiederholungstäterin sei (Randnr. 354 der angefochtenen Entscheidung).

20      In einem sechsten Schritt berücksichtigte die Kommission als mildernden Umstand, dass sie ohne die Zusammenarbeit von Outokumpu das rechtswidrige Verhalten nur für einen Zeitraum von vier Jahren hätte beweisen können, und reduzierte daher den Grundbetrag ihrer Geldbuße um 22,22 Millionen Euro, so dass der Grundbetrag der Geldbuße entspricht, die für einen solchen Zeitraum gegen sie verhängt worden wäre (Randnr. 386 der angefochtenen Entscheidung).

21      In einem siebten Schritt schließlich ermäßigte die Kommission gemäß Abschnitt D der Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit den Betrag der Geldbußen für Outokumpu um 50 %, für Wieland um 20 % und für die KME-Gruppe um 30 % (Randnrn. 402, 408 und 423 der angefochtenen Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

22      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 24. März 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

23      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Achten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

24      Die Parteien haben in der Sitzung vom 5. März 2008 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

25      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären oder, hilfsweise, die in Art. 2 Buchst. a dieser Entscheidung verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

26      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Gründe

27      Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Klage zunächst die Rechtswidrigkeit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 geltend, da diese Bestimmung gegen den Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafen verstoße. Ferner bringt sie vier Klagegründe vor, mit denen sie eine fehlerhafte Berechnung des Volumens des von der Zuwiderhandlung betroffenen Marktes, eine nicht angemessene Berücksichtigung der Größe der betreffenden Unternehmen, eine fehlerhafte Erhöhung des Betrags der Geldbuße aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung und eine sie benachteiligende Anwendung der Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit geltend macht.

28      Was die Klagegründe betrifft, die sich auf die Berechnung des Betrags der Geldbuße beziehen, ist zum einen daran zu erinnern, dass aus den Randnrn. 290 bis 387 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass die Geldbußen wegen der Zuwiderhandlung von der Kommission gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verhängt wurden, und zum anderen daran, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zwar nicht ausdrücklich auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [EGKS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), Bezug nimmt, es aber unstreitig ist, dass sie den Betrag der Geldbußen unter Anwendung der dort dargelegten Methode bestimmt hat.

29      Die Leitlinien können zwar nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden, stellen aber eine Verhaltensnorm dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Praxis enthält und von der die Kommission im Einzelfall nur unter Angabe von Gründen abweichen kann (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C‑397/03 P, Slg. 2006, I‑4429, Randnr. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Es ist somit Sache des Gerichts, im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der mit der angefochtenen Entscheidung verhängten Geldbußen zu prüfen, ob die Kommission ihr Ermessen gemäß der in den Leitlinien dargelegten Methode ausgeübt hat, und, soweit es feststellt, dass sie davon abgewichen ist, ob diese Abweichung gerechtfertigt und rechtlich hinreichend begründet ist. Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof die Gültigkeit zum einen des Prinzips der Leitlinien selbst und zum anderen der darin angegebenen Methode bestätigt hat (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 252 bis 255, 266 bis 267, 312 und 313).

31      Die aus dem Erlass der Leitlinien resultierende Selbstbeschränkung des Ermessens der Kommission ist nämlich nicht unvereinbar mit dem Fortbestand eines erheblichen Ermessens der Kommission. Die Leitlinien enthalten verschiedene Spielräume, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit den Vorschriften der Verordnung Nr. 17 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof auszuüben (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 267).

32      Darüber hinaus ist in Bereichen wie dem der Ermittlung des Betrags einer verhängten Geldbuße gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17, in dem die Kommission über einen Beurteilungsspielraum verfügt, was beispielsweise den Erhöhungssatz zu Abschreckungszwecken angeht, die Rechtmäßigkeitskontrolle dieser Beurteilungen auf die Prüfung beschränkt, dass kein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 18. Juli 2005, Scandinavian Airlines System/Kommission, T‑241/01, Slg. 2005, II‑2917, Randnr. 79).

33      Im Übrigen greifen das Ermessen der Kommission und die diesem von ihr selbst gezogenen Grenzen grundsätzlich nicht der Ausübung der dem Gemeinschaftsrichter zustehenden Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung vor (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 538), die ihn ermächtigt, die von der Kommission verhängte Geldbuße aufzuheben, zu ermäßigen oder zu erhöhen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, Slg. 2007, I‑1331, Randnrn. 60 bis 62, Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 2003, General Motors Nederland und Opel Nederland/Kommission, T‑368/00, Slg. 2003, II‑4491, Randnr. 181).

 Zur Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17

 Vorbringen der Parteien

34      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 wie auch seine Anwendung durch die Kommission in ihrer Entscheidungspraxis gegen den Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafen verstießen, da die Kommission bei der Festsetzung des Betrags von Geldbußen über einen fast unbegrenzten Handlungsspielraum verfüge und der Betrag der in Rede stehenden Geldbuße folglich auf zufällige Weise bestimmt worden sei. Damit sei die der Klägerin auferlegte Verpflichtung zur Zahlung von 20,79 Millionen Euro rechtswidrig.

35      Die Gemeinschaftsnormen hätten den Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafen zu beachten, der bei Normen mit Sanktionscharakter von essenzieller Bedeutung sei. Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften hätten gemäß diesem Grundsatz klar, eindeutig und für die Betroffenen vorhersehbar zu sein, und dies gelte in besonderem Maße für Vorschriften mit finanziellen Auswirkungen.

36      Die gemeinschaftsrechtlichen Normen müssten außerdem nicht nur das sanktionierte Verhalten, sondern auch die daraus abzuleitenden Rechtsfolgen für den Einzelnen vorhersehbar festlegen. Auch wenn ein angemessener Beurteilungsspielraum für die Verwaltung nötig sein könne, dürfe dieser Spielraum jedoch nicht unbegrenzt sein, was erst recht gelte, wenn es sich um eine sekundärrechtliche Norm oder um eine strafrechtliche oder „strafrechtsähnliche“ Maßnahme handele.

37      Aus offiziellen Erklärungen der Kommission und aus der weiten Auslegung des Begriffs des Strafverfahrens durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) ergebe sich, dass die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 auferlegten Geldbußen den Charakter strafrechtlicher Normen hätten. Die Klägerin stützt diese Feststellung auch auf die Gemeinschaftsrechtsprechung (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1970, ACF Chemiefarma/Kommission, 41/69, Slg. 1970, 661, Randnrn. 172 ff., und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, Brugg Rohrsysteme/Kommission, T‑15/99, Slg. 2002, II‑1613, Randnr. 123).

38      Die Verordnung Nr. 17, in der nur angegeben werde, dass bei der Bestimmung des Bußgeldbetrags „die Schwere und die Dauer“ des Verstoßes zu berücksichtigen seien, genüge nicht den Erfordernissen der Klarheit und Vorhersehbarkeit einer Rechtsvorschrift. Der Rat sei nämlich nicht seiner in Art. 83 EG vorgesehenen Verpflichtung nachgekommen, die der Kommission übertragene Befugnis deutlich zu begrenzen.

39      Auch sehe Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 keine nominelle Obergrenze für den Bußgeldbetrag vor, wodurch diese Vorschrift der Kommission erlaube, Geldbußen von eintausend Euro bis hin zu – im Fall bestimmter Weltkonzerne – zweistelligen Milliardenbeträgen zu verhängen. Dies bedeute, dass nicht das Gesetz den Betrag der Geldbuße vorbestimme, sondern dass dieser ausschließlich von der Kommission bestimmt werde. Damit drohe die Gefahr einer willkürlichen und nicht mehr nachprüfbaren Festsetzung der Geldbuße. Folglich verstoße diese Bestimmung gegen eine höherrangige Norm des Gemeinschaftsrechts (Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafen) sowie gegen Grundrechte auf dem Gebiet der Bestimmtheit strafrechtlicher Normen, die sich aus der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und der Rechtsprechung des EGMR ergäben.

40      Die Bestimmung des Art. 15 Abs. 4 der Verordnung Nr. 17, wonach Bußgeldentscheidungen nicht strafrechtlicher Art seien, ändere hieran nichts, da zum einen jede gemeinschaftsrechtliche Norm, ob sie strafrechtlicher Art sei oder nicht, den Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafen zu beachten habe und da es zum anderen nach der Rechtsprechung des EGMR nicht auf die Bezeichnung eines Rechtsakts ankomme, sondern auf seinen Inhalt.

41      Die Leitlinien könnten den Mangel an Bestimmtheit und Klarheit der Verordnung Nr. 17 nicht heilen. Der Ausgangsbetrag der Geldbußen für als „besonders schwer“ qualifizierte Verstöße werde nämlich willkürlich und unabhängig vom Unternehmensumsatz festgesetzt. Jedenfalls seien die Leitlinien kein „Gesetz“ im Sinne der EMRK. Sie bänden nur die Kommission selbst und nicht die Gerichte, die die Befugnis zur uneingeschränkten Nachprüfung der Entscheidungen der Kommission hätten.

42      Weil aber die Gerichte die Zuständigkeit zur endgültigen Festsetzung von Geldbußen besäßen, seien sie nicht an die Leitlinien gebunden und komme diesen bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Strafnorm im Sinne von Art. 7 EMRK keine Bedeutung zu. Zudem habe das Gericht jüngst bestätigt, dass der rechtliche Rahmen für die Bestimmung des Betrags von Geldbußen allein in der Verordnung Nr. 17 definiert sei.

43      Auch die Tatsache, dass der von der Kommission festgesetzte Bußgeldbetrag von dem mit einem umfassenden Nachprüfungsrecht ausgestatteten Gemeinschaftsrichter überprüft werden könne, ändere nichts an der Rechtswidrigkeit des Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17.

44      Im Übrigen könne ein Verstoß einer Bestimmung gegen den Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafen nicht einfach dadurch geheilt sein, dass bei der Anwendung dieser Bestimmung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Gleichbehandlungsgebot beachtet worden seien.

45      Auch wenn Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 zum Zeitpunkt der Formulierung dieser Bestimmung mit dem Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafen vereinbar gewesen sein möge, sei dies nicht mehr der Fall, da die Umsätze der Unternehmen heute viel höher seien als damals.

46      Schließlich müsse die Kommission unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 jedenfalls bei der Festsetzung des Betrags der Geldbußen von ihrem Handlungsspielraum im Licht des Grundsatzes der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafen Gebrauch machen. So hätte sie in ihrer Entscheidungspraxis und mit den Leitlinien für einen gewissen Grad an Transparenz und Vorhersehbarkeit der Bußgeldfestsetzung sorgen müssen. Dies habe sie jedoch zugunsten der Abschreckungswirkung der Sanktion unterlassen.

47      Die Kommission beantragt, den Klagegrund der Klägerin zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

48      In Bezug auf das Vorbringen, die Kommission hätte in ihrer Entscheidungspraxis und mit den Leitlinien für einen gewissen Grad an Transparenz und Vorhersehbarkeit der Bußgeldfestsetzung sorgen müssen, ist festzustellen, dass dieses Argument keine konkrete rechtliche Rüge der Verordnung Nr. 17 oder der angefochtenen Entscheidung beinhaltet, sondern Wünsche im Hinblick auf die praktische Politikausübung der Kommission formuliert. Daher ist dieses Vorbringen als ins Leere gehend zurückzuweisen.

49      In der Sache genügt die Feststellung, dass aus den Urteilen des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission (T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnrn. 66 bis 88), und vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission (T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Randnrn. 69 bis 92), eindeutig hervorgeht, dass der von der Klägerin erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit nicht stattgegeben werden kann. Diese Rechtsprechung ist im Übrigen vor Kurzem durch das Urteil des Gerichtshofs vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission und Rat (C‑266/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 36 bis 63), bestätigt worden.

50      Die Einrede der Rechtswidrigkeit ist daher zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: Keine angemessene Berücksichtigung der Größe der von der Zuwiderhandlung betroffenen Branche

 Vorbringen der Parteien

51      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe, indem sie ein Marktvolumen von 288 Millionen Euro veranschlagt habe, die Größe des betroffenen Marktes und damit die Schwere der Zuwiderhandlung überzeichnet, was zu einer zu hohen Geldbuße geführt habe. Zudem sei die Begründung der Kommission in Bezug auf die Berechnung ihrer Umsätze unzureichend und verstoße folglich gegen Art. 253 EG.

52      Der Gesamtpreis der Produkte im Industrierohrsektor setze sich normalerweise aus dem nach dem Kurs an der Londoner Metallbörse (London Metal Exchange, im Folgenden: LME) bestimmten Kupferpreis und den Bearbeitungskosten, die der Wertschöpfung des Herstellers entsprächen (im Folgenden: Bearbeitungsspanne), zusammen. Die für die Herstellung von Industrierohren aus Kupfer notwendigen Einsatzmetalle würden entweder vom Kunden bereitgestellt oder vom Rohrhersteller selbst beschafft und dann im Vollpreis weiterberechnet.

53      Die Größe des betroffenen Marktes sei für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und die Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße entscheidend.

54      Gestützt auf das Vorstehende bringt die Klägerin vor, die Kommission hätte, da die Zuwiderhandlung allein die Bearbeitungsspanne betreffe (30 % bis 40 % des Endpreises), 60 % bis 70 % vom Gesamtpreis der in Rede stehenden Produkte bei der Beurteilung der Größe des betroffenen Marktes abziehen müssen, was zur Festsetzung eines niedrigeren Ausgangsbetrags der Geldbuße geführt hätte. Der Kupferpreis entziehe sich ihrer Kontrolle, da er an der LME festgelegt werde. Der Kupferpreis sei nämlich nur ein im Wesentlichen an den Kunden weitergegebener durchlaufender Posten. Wenn die Kartellteilnehmer versucht hätten, den Metallpreis zu erhöhen, hätten sich ihre Kunden das Kupfer bei anderen Unternehmen beschafft.

55      Was die Belieferung mit Kupfer angehe, sei die Klägerin somit als Vermittlerin tätig geworden. Die Kommission hätte daher den Marktumsatz auf dieselbe Weise berechnen müssen, wie sie den Umsatz von Vermittlern im Rahmen der Fusionskontrolle berechne. Da die Metallkosten ein sehr großer Teil der Gesamtkosten seien, könne die Kommission sie im Übrigen nicht genauso behandeln wie Lieferungs- und Verpackungskosten, die regelmäßig nur einen zu vernachlässigenden Teil der Gesamtkosten ausmachten. Folglich hätte die Kommission bei zutreffender Beurteilung der Größe des in Rede stehenden Marktes und damit der Schwere des Kartells nur den von der in Rede stehenden Zuwiderhandlung betroffenen Teil des Preises, also die Bearbeitungsspanne, berücksichtigen dürfen. Die Kommission habe das Gegenteil getan, indem sie bei der Berechnung des relevanten Umsatzes einen zu formalistischen Ansatz gewählt habe.

56      Die Klägerin macht auch geltend, dass die Kommission gegen ihre Begründungspflicht verstoßen habe, indem sie in Randnr. 319 der angefochtenen Entscheidung auf das Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission (T‑45/98 und T‑47/98, Slg. 2001, II‑3757), verwiesen habe, um die Einbeziehung des Metallpreises in die auf dem in Rede stehenden Markt erzielten Umsätze zu rechtfertigen. Dieses Urteil sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da aus ihm nur hervorgehe, dass eine Vereinbarung, die sich nur auf einen Teil des Endpreises beziehe, gegen das Wettbewerbsrecht verstoße, was im vorliegenden Verfahren unstreitig sei. Im vorliegenden Fall gehe es darum, den für die Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße maßgeblichen Umsatz festzustellen.

57      Die Kommission beantragt, den Klagegrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

58      Was erstens die Behauptung der unzureichenden Begründung angeht, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Begründung einer Einzelfallentscheidung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, weil die Frage, ob sie den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand des Wortlauts des fraglichen Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand des Zusammenhangs, in dem dieser Rechtsakt erlassen wurde, sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Was die Festlegung von Geldbußen für Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht betrifft, so sind die Anforderungen aufgrund des wesentlichen Formerfordernisses, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 463 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Im vorliegenden Fall hat die Kommission, was die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung betrifft, diesen Anforderungen in den Randnrn. 292 bis 320 der angefochtenen Entscheidung genügt. Insbesondere aus Randnr. 318 dieser Entscheidung geht hervor, dass die Kommission bei ihrer Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung den Umsatz des betreffenden Marktes berücksichtigt hat. In Randnr. 319 der Entscheidung hat die Kommission zudem auf die von den betreffenden Unternehmen in Bezug auf die Berücksichtigung des Kupferpreises für die Berechnung dieses Umsatzes erhobenen Rügen geantwortet. Dass diese Antwort fehlerhaft sein könnte, ändert nichts daran, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung hinreichend ist, da die Feststellung, dass ein solcher Fehler vorliegt, zur Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit der Entscheidung gehört (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs Kommission/Sytraval und Brink’s France, oben in Randnr. 58 angeführt, Randnrn. 66 bis 72, und vom 2. Oktober 2003, International Power u. a./Kommission, C‑172/01 P, C‑175/01 P, C‑176/01 P und C‑180/01 P, Slg. 2003, I‑11421, Randnrn. 134 bis 138).

61      Hieraus folgt, dass die auf einen Begründungsmangel gestützte Rüge zurückzuweisen ist.

62      Zweitens, zur materiellen Begründetheit, ist zunächst hervorzuheben, dass die in den von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angewandten Leitlinien dargelegte Methode (siehe oben, Randnr. 28) einer Pauschallogik entspricht, wonach der allgemeine Ausgangsbetrag der Geldbuße nach Maßgabe der Schwere des Verstoßes berechnet wird, die unter Berücksichtigung seiner Art und der konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, und des Umfangs des betreffenden räumlichen Marktes bestimmt wird (Nr. 1 A Abs. 1 der Leitlinien). Danach wird der allgemeine Ausgangsbetrag der Geldbuße für jeden Teilnehmer nach Maßgabe insbesondere seiner Größe individualisiert.

63      Im Übrigen kann die Kommission bei der Ermittlung des Ausgangsbetrags der Geldbuße die Größe des betroffenen Marktes berücksichtigen, ohne jedoch hierzu verpflichtet zu sein (Urteile des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 134, und vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T‑322/01, Slg. 2006, II‑3137, Randnrn. 149 und 150).

64      In Anbetracht dieser Rechtsprechung ist die Prämisse der Klägerin, dass die Größe des relevanten Marktes als solche ein entscheidender Faktor für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung und damit für die Bestimmung des Ausgangsbetrags einer Geldbuße sei, nicht begründet.

65      Aus der angefochtenen Entscheidung geht allerdings klar hervor, dass die Kommission im vorliegenden Fall die Größe des Industrierohrmarkts im EWR bei der Beurteilung der Schwere der in Rede stehenden Zuwiderhandlung berücksichtigt hat. Obwohl die Kommission bereits auf der Grundlage der Art der Zuwiderhandlung festgestellt hat, dass diese „besonders schwer“ im Sinne ihrer Leitlinien gewesen sei (Randnr. 294), hat sie nämlich die Schwere der Zuwiderhandlung und damit den allgemeinen Ausgangsbetrag der Geldbuße in der angefochtenen Entscheidung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Auswirkungen des Kartells auf den Markt (Randnrn. 295 bis 314), der räumlichen Ausdehnung des fraglichen Marktes (Randnrn. 315 bis 317) und der Tatsache bestimmt, dass der von der Zuwiderhandlung betroffene Sektor ein wichtiger Markt sei, dessen Wert für den EWR mit 288 Millionen Euro veranschlagt werde (Randnrn. 318 und 319).

66      Auch wenn die Größe des betreffenden Marktes bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Bestimmung des allgemeinen Ausgangsbetrags der Geldbuße nur einer der Gesichtspunkte war, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung herangezogen hat, ist sie doch jedenfalls von der Kommission bei der Festsetzung dieses Betrags tatsächlich berücksichtigt worden. Damit ist die Behauptung der Kommission zurückzuweisen, dass der Ausgangsbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße nicht notwendigerweise geringer als 11,55 Millionen Euro gewesen wäre, wenn der Kupferpreis von dem Marktumsatz abgezogen worden wäre.

67      Folglich ist zu prüfen, ob die Kommission bei der Beurteilung der Größe des relevanten Marktes zu Unrecht den Kupferpreis berücksichtigt hat.

68      Die Klägerin führt hierzu aus, dass sich der Kupferpreis der Kontrolle der Industrierohrhersteller entziehe, da er an der LME festgelegt werde, und dass die Käufer von Industrierohren selbst entschieden, zu welchem Preis das Metall erworben werde. Die Metallpreisschwankungen hätten auch keine Auswirkungen auf ihren Gewinn.

69      Es gibt jedoch keinen stichhaltigen Grund dafür, dass bei der Berechnung des Umsatzes eines Marktes bestimmte Produktionskosten außer Betracht gelassen werden müssten. Wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, gibt es in allen Industriezweigen Kosten des Endprodukts, die der Hersteller nicht beherrschen kann, die aber gleichwohl einen wesentlichen Bestandteil seiner Tätigkeit insgesamt bilden und daher im Rahmen der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße nicht von seinem Umsatz ausgenommen werden dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnrn. 5030 und 5031). Der Umstand, dass der Kupferpreis einen bedeutenden Teil des Endpreises der Industrierohre darstellt oder dass die Preisschwankungen bei Kupfer sehr viel höher sind als bei anderen Rohstoffen, steht diesem Ergebnis nicht entgegen.

70      Damit ist festzustellen, dass die Kommission zu Recht den Kupferpreis bei der Bestimmung der Größe des betreffenden Marktes berücksichtigt hat.

 Zum zweiten Klagegrund: Fehlen einer angemessenen Berücksichtigung der Größe der Klägerin

 Vorbringen der Parteien

71      Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags und damit auch des Endbetrags der Geldbuße ihre Größe, wie sie sich aus ihrem Umsatz ergebe, der im Jahr 2002 1,2 Milliarden Euro betragen habe, nicht berücksichtigt. Im selben Zeitraum hätten KME und Outokumpu 2,05 Milliarden Euro bzw. 5,56 Milliarden Euro Umsatz erzielt. Die Erhöhung um 50 % des Ausgangsbetrags der gegen Outokumpu festgesetzten Geldbuße, die die Kommission in Randnr. 334 der angefochtenen Entscheidung vorgenommen habe, reiche nicht aus für die Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, zu der die Kommission verpflichtet sei. Die Kommission habe auch gegen den Grundsatz verstoßen, wonach jede Geldbuße das Ergebnis einer individuellen Berechnung sein müsse, und sei ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen.

72      Die Klägerin bringt für ihren Klagegrund weiter vor, dass der Unternehmensgröße im Rahmen der Festsetzung der Geldbuße eine besondere Bedeutung zukomme und dass der Ausgangsbetrag der gegen jedes der drei betroffenen Unternehmen festgesetzten Geldbuße hätte individualisiert werden müssen, um proportional zum Größenunterschied zwischen den Unternehmen zu sein. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichte die Kommission dazu, den Ausgangsbetrag der Geldbußen gemessen am Gesamtumsatz bei allen Unternehmen zu ändern, und nicht nur bei den großen Gesellschaften. Folglich hätte die Kommission den Ausgangsbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße verringern müssen.

73      Die Klägerin weist hierzu darauf hin, dass zum einen die Kommission den Ausgangsbetrag der gegen die KME-Gruppe verhängten Geldbuße nicht erhöht habe, obwohl diese fast doppelt so groß sei wie sie, und dass zum anderen bei Outokumpu, die fünfmal so groß sei wie sie, der Ausgangsbetrag der verhängten Geldbuße nur um 50 % erhöht worden sei.

74      Die Klägerin folgert hieraus, dass die Kommission sie als ein kleines Unternehmen benachteiligt habe, indem sie die Ungleichheit der Unternehmen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Stärke und ihrer Größe nicht angemessen berücksichtigt habe. Die Klägerin beruft sich zur Stützung ihrer Ansicht auch auf bestimmte Entscheidungen der Kommission, in denen die Geldbußen im Verhältnis zu den Umsätzen der bestraften Unternehmen geringer gewesen seien als bei ihr.

75      Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, die Kommission sei ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen, indem sie für ihre Schlechterstellung keine Gründe angegeben habe.

76      Die Kommission beantragt die Zurückweisung des geltend gemachten Klagegrundes.

 Würdigung durch das Gericht

77      Erstens ist die auf einen Begründungsmangel gestützte Rüge aus den nachstehenden Gründen zurückzuweisen.

78      Soweit Wieland der Kommission vorwirft, nicht den Grund dafür angegeben zu haben, dass sie sich gegenüber Outokumpu für einen Erhöhungssatz von 50 % entschieden habe, ist zunächst daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Begründungspflicht genügt ist, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, die es ihr ermöglichten, Schwere und Dauer der begangenen Zuwiderhandlung zu ermessen (Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 463). Dagegen ist die Kommission nicht verpflichtet, darin Zahlenangaben oder eingehendere Ausführungen zur Berechnungsweise der Geldbuße zu machen (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Cascades/Kommission, C‑279/98 P, Slg. 2000, I‑9693, Randnr. 50).

79      Ferner ist hervorzuheben, dass die angefochtene Entscheidung, obgleich in Form einer einzigen Entscheidung abgefasst, ein Bündel von Einzelentscheidungen darstellt, mit denen gegenüber jedem der Unternehmen, die Adressaten der Entscheidung sind, festgestellt wird, welche Zuwiderhandlung oder Zuwiderhandlungen es begangen hat, und gegebenenfalls eine Geldbuße festgesetzt wird (Urteil des Gerichts vom 4. Juli 2006, Hoek Loos/Kommission, T‑304/02, Slg. 2006, II‑1887, Randnrn. 59 und 60).

80      Die Klägerin kann daher die Begründung der angefochtenen Entscheidung, was den gegenüber Outokumpu zum Zweck der Abschreckung angewandten Erhöhungssatz betrifft, nicht beanstanden.

81      Jedenfalls hat die Kommission in den Randnrn. 332 bis 334 der angefochtenen Entscheidung die Gesichtspunkte angegeben, die sie berücksichtigt hat, um den Betrag der gegenüber Outokumpu verhängten Geldbuße zum Zweck der Abschreckung zu erhöhen. Wie aus der oben angeführten Rechtsprechung (siehe oben, Randnr. 78) hervorgeht, ist nicht zu beanstanden, dass die Kommission ihre Entscheidung in dieser Hinsicht nicht noch weiter begründet hat.

82      Soweit das Vorbringen der Klägerin als Vorwurf gegenüber der Kommission verstanden werden könnte, nicht die Gründe angegeben zu haben, aus denen sie den Ausgangsbetrag der gegen sie verhängten Geldbuße zu Abschreckungszwecken nicht reduziert hat, ist festzustellen, dass Art. 253 EG im Licht der oben in Randnr. 78 angeführten Rechtsprechung nicht dahin ausgelegt werden kann, dass er die Kommission verpflichtet, in ihren Entscheidungen die Gründe dafür zu erläutern, aus denen sie bei der Berechnung des Betrags der Geldbuße andere, gegenüber dem in der angefochtenen Entscheidung tatsächlich gewählten Ansatz hypothetische Ansätze nicht verfolgt hat (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Fiskeby Board/Kommission, T‑319/94, Slg. 1998, II‑1331, Randnr. 127).

83      Aus alledem folgt, dass die auf einen Begründungsmangel gestützte Rüge zurückzuweisen ist.

84      Zweitens, in Bezug auf die materielle Begründetheit, ist festzustellen, dass die Klägerin die von der Kommission gemäß der in den Leitlinien dargelegten Methode vorgenommene Differenzierung bei den Ausgangsbeträgen der den betreffenden Unternehmen auferlegten Geldbußen beanstandet. Der Größe des Unternehmens komme bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße eine besondere Bedeutung zu, und im vorliegenden Fall hätte der Ausgangsbetrag der gegen jedes der betreffenden Unternehmen verhängten Geldbuße individuell angepasst werden müssen, um proportional zum Größenunterschied zwischen den Unternehmen zu sein.

85      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die von der Klägerin angeführten Entscheidungen der Kommission nicht maßgebend sind, weil die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnrn. 169 bis 171, und Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, Randnr. 292 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      Die Tatsache, dass die in den Leitlinien dargelegte Berechnungsmethode nicht auf dem Gesamtumsatz der betreffenden Unternehmen basiert und es daher erlaubt, dass Ungleichheiten zwischen den Unternehmen auftreten, was den Zusammenhang zwischen ihren Umsätzen und dem Betrag der ihnen auferlegten Geldbußen betrifft, ist für die Beurteilung der Frage, ob die Kommission gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der individuellen Zumessung von Strafen verstoßen hat, ohne Belang. Die Kommission ist nämlich bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen anhand von Schwere und Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung nicht verpflichtet, für den Fall, dass gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen alle Unterschiede in Bezug auf ihren Gesamtumsatz oder ihren relevanten Umsatz zum Ausdruck kommen (Urteil des Gerichtshofs vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C‑407/04 P, Slg. 2007, I‑829, Randnrn. 141 bis 147; Urteil des Gerichts vom 29. November 2005, Union Pigments/Kommission, T‑62/02, Slg. 2005, II‑5057, Randnr. 159).

87      Hieraus folgt, dass die Kommission in keinem Stadium der Anwendung der Leitlinien verpflichtet ist, sicherzustellen, dass die festgesetzten Zwischenbeträge der Geldbußen jeden Unterschied zwischen den Gesamtumsätzen der betreffenden Unternehmen abbilden.

88      Im vorliegenden Fall geht aus den Randnrn. 321 bis 323, 326 bis 328 und 332 bis 334 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission eine zweistufige Differenzierung zwischen den betreffenden Unternehmen vorgenommen hat. Zunächst hat sie in Einklang mit Nr. 1 A Abs. 6 der Leitlinien eine Differenzierung nach Maßgabe des jeden Teilnehmer an der fraglichen Zuwiderhandlung treffenden Teils der Verantwortung vorgenommen. Danach hat sie gemäß Nr. 1 A Abs. 4 der Leitlinien eine Gewichtung vorgenommen, um eine ausreichende abschreckende Wirkung der verhängten Geldbußen zu gewährleisten.

89      Was den jeden Teilnehmer an der fraglichen Zuwiderhandlung treffenden Teil der Verantwortung betrifft, hat die Kommission den auf den EWR bezogenen Marktanteil jedes der auf dem Industrierohrmarkt tätigen Unternehmen im Jahr 2000 berücksichtigt, dem letzten vollen Jahr der Zuwiderhandlung. Sie hat hieraus gefolgert, dass KME mit einem Marktanteil von [vertraulich] % der bei Weitem führende Akteur auf dem Markt und daher einer ersten Kategorie von Unternehmen zuzuordnen sei, während Outokumpu ([vertraulich] % Marktanteil) und die Klägerin (13,4 % Marktanteil) zu einer zweiten Kategorie gehörten, die aus Unternehmen bestehe, die als mittelgroße Teilnehmer auf dem fraglichen Markt angesehen werden könnten, so dass eine differenzierende Behandlung vorzunehmen sei. Daher wurde der Ausgangsbetrag der gegen Outokumpu und gegen die Klägerin verhängten Geldbußen auf 33 % des Ausgangsbetrags der gegen KME verhängten Geldbuße festgesetzt, d. h. auf 11,55 Millionen Euro für Outokumpu und die Klägerin und 35 Millionen Euro für KME.

90      Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass nicht beanstandet werden kann, dass die Kommission auf der ersten Stufe der Gewichtung dieser Vorgehensweise gefolgt ist. Im Rahmen der Ermittlung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ist nämlich, selbst wenn wegen der Einteilung in Gruppen für bestimmte Unternehmen trotz deren unterschiedlicher Größe der gleiche Ausgangsbetrag festgesetzt wird, diese unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt, weil der Art der Zuwiderhandlung bei der Bestimmung ihrer Schwere ein sehr viel größeres Gewicht zukommt als der Unternehmensgröße (vgl. Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 330 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91      Auf der zweiten Stufe der Gewichtung war die Kommission in Anbetracht des Gesamtumsatzes von Outokumpu der Auffassung, dass der Ausgangsbetrag der gegen diese verhängten Geldbuße um 50 % erhöht werden müsse, um ihr eine ausreichende abschreckende Wirkung zu verleihen und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Großunternehmen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügten, anhand deren sie besser erkennen könnten, in welchem Maße ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstelle.

92      Die Klägerin kann der Kommission nicht zum Vorwurf machen, dass sie diese Abwägung vorgenommen hat. Die Erhöhung des Ausgangsbetrags der gegen Outokumpu verhängten Geldbuße, „um der Größe dieses Unternehmens und seinen Gesamtressourcen gerecht zu werden“ (Randnr. 334 der angefochtenen Entscheidung), hat nämlich nicht zur Folge, dass die Kommission den Ausgangsbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße im Hinblick auf deren Gesamtumsatz hätte verringern müssen. Insoweit ist daran zu erinnern (siehe oben, Randnrn. 86 und 87), dass die Kommission im Rahmen einer Änderung des Ausgangsbetrags der Geldbußen zu Abschreckungszwecken nicht dazu verpflichtet ist, sicherzustellen, dass die für die verschiedenen Unternehmen festgesetzten Beträge jeden Unterschied hinsichtlich ihrer Gesamtumsätze abbilden.

93      Im Gegenteil darf die Kommission gemäß den oben in den Randnrn. 31 und 30 dargestellten Gründen den Betrag der Geldbußen im Rahmen ihres Ermessens in einer pauschalierenden Vorgehensweise anpassen, solange die Geldbußen nicht unter den Umständen des Einzelfalls unangemessen erscheinen.

94      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Geldbuße zur Berücksichtigung des Abschreckungszwecks angepasst wird, um der gewünschten Auswirkung auf das Unternehmen, gegen das sie verhängt wird, Rechnung zu tragen, damit sie in Einklang mit den Anforderungen, die sich aus der Notwendigkeit, ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergeben, im Hinblick auf die Finanzkraft des betreffenden Unternehmens weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 283).

95      Darüber hinaus sind der Kommission bei der Wahl des Erhöhungssatzes für Großunternehmen dadurch Schranken gesetzt, dass der Ausgangsbetrag auf keinen Fall einen Betrag überschreiten darf, der in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung steht. Selbst in Fällen, in denen der Umsatz des größten Unternehmens sehr viel höher ist als der der anderen betroffenen Unternehmen, kann es daher möglich sein, dass die Kommission nach Maßgabe der Schwere der fraglichen Zuwiderhandlung den Ausgangsbetrag der gegen das größte Unternehmen verhängten Geldbuße nur geringfügig erhöhen kann.

96      Nach alledem und unter Berücksichtigung der Schwere der fraglichen Zuwiderhandlung, des Marktanteils der Klägerin im EWR sowie ihres Gesamtumsatzes im Jahr 2002, d. h. 1,2 Milliarden Euro, ist das Gericht der Auffassung, dass der Ausgangsbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße gerechtfertigt ist.

97      Demnach ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Fehlerhafte Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße wegen der Dauer der Zuwiderhandlung

 Vorbringen der Parteien

98      Die Klägerin trägt erstens vor, der Ermessensspielraum, über den die Kommission gemäß Nr. 1 B der Leitlinien verfüge, erlaube es ihr, sowohl über die Zweckmäßigkeit einer Erhöhung wegen der Dauer als auch über deren konkreten Satz im Rahmen der Obergrenze von 10 % zu entscheiden. Die Kommission habe mit der Formulierung von Randnr. 338 der angefochtenen Entscheidung darauf verzichtet, von der ihr nach Nr. 1 B Abs. 1 der Leitlinien für die ersten fünf Jahre der Vereinbarung zustehenden Befugnis Gebrauch zu machen. Folglich könne die Kommission den Betrag der Klägerin nur für die letzten sieben Jahre der Zuwiderhandlung erhöhen.

99      Die Kommission könne sich nicht darauf berufen, dass Randnr. 338 der angefochtenen Entscheidung unglücklich formuliert sei. Die Folgen einer fehlerhaften Formulierung habe der Urheber der Entscheidung zu tragen, und im Fall von widersprüchlichen Aussagen in einer Entscheidung müsse die für den Betroffenen günstigere Sanktion ausschlaggebend sein.

100    Im Übrigen sei eine widersprüchliche Begründung eine fehlerhafte Begründung und damit ein Verstoß gegen Art. 230 EG.

101    Zweitens habe die Kommission gegen den Grundsatz der individuellen Bußgeldbemessung verstoßen. Außerdem habe sie ihre Begründungspflicht missachtet, indem sie nicht erklärt habe, warum sie von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht habe. Die Kommission habe dasselbe strafschärfende Merkmal, nämlich die Dauer der in Rede stehenden Zuwiderhandlung von mehr als fünf Jahren, sowohl zur Begründung der Erhöhung als auch für die Festsetzung des Höchstsatzes von 10 % herangezogen.

102    Die Kommission, die entschieden habe, den Höchstsatz von 10 % für jedes Jahr der Zuwiderhandlung anzuwenden, bringe keine Gründe für die Angemessenheit einer solchen Erhöhung vor. Sie hätte besondere Umstände des in Rede stehenden Kartells für die Anwendung des fraglichen Satzes anführen müssen. Die Kommission habe die Erhöhung der Geldbuße auch hinsichtlich der Intensität und Kontinuität des Kartells nicht hinreichend begründet.

103    Die Kommission beantragt, den Klagegrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

104    Was erstens die Rüge angeht, die sich auf die angeblich widersprüchliche Begründung stützt sowie darauf, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung darauf verzichtet habe, den Ausgangsbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße für die ersten fünf Jahre der Zuwiderhandlung zu erhöhen, sind die Randnrn. 338, 340 und 342 der angefochtenen Entscheidung zu prüfen, die wie folgt lauten:

„(338) Zunächst sei darauf hingewiesen, dass die Praxis der Kommission bei vorangegangenen Entscheidungen als solche nicht als Rechtsrahmen für die in Wettbewerbssachen auferlegten Geldbußen dient, da der Rahmen nur in der Verordnung Nr. 17 abgesteckt wird … Folglich ist das auf einer früheren Entscheidung der Kommission basierende Vorbringen von KME (siehe Randnummer [337]) zurückzuweisen. Die Kommission ist dazu übergegangen, die Geldbuße in Kartellsachen für jedes Jahr jenseits des fünften Jahres der Zuwiderhandlung um 10 % zu erhöhen. Dies hat zur Folge, dass die Geldbuße aufgrund der Beteiligungsdauer in jüngster Vergangenheit wiederholt um mehr als 100 % angehoben wurde … In diesem Fall, wo das Kartell während eines Zeitraums von 12 Jahren und 10 Monaten bestand, ist die Kommission der Ansicht, dass es angemessen ist, die Höhe des Bußgeldes um 10 % pro Jahr zu erhöhen.

(340)          Wie bereits ausgeführt, ist die Kommission der Ansicht, dass der Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen durch die [Wieland], Outokumpu [und die KME-Gruppe] vom 3. Mai [1988] bis 22. März 2001 andauerte. Sie begingen einen fortgesetzten Langzeit-Verstoß von über 12 Jahren und zehn Monaten.

(342)          Die nach der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Grundbeträge werden daher, für Outokumpu und [Wieland] um 125 % … erhöht.“

105    Es ist festzustellen, dass diese Erwägungen in Verbindung mit Nr. 1 B der Leitlinien keinen Zweifel an der Absicht der Kommission lassen, den Ausgangsbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße um 10 % für jedes Jahr der Zuwiderhandlung zu erhöhen. Die von der Klägerin in dieser Hinsicht erhobenen Beanstandungen sind daher zurückzuweisen.

106    Was zweitens die materielle Begründetheit angeht, ist daran zu erinnern, dass eine Erhöhung der Geldbuße nach Maßgabe der Dauer nicht auf den Fall beschränkt ist, dass zwischen der Dauer und einer erhöhten Schädigung der mit den Wettbewerbsregeln verfolgten Ziele der Gemeinschaft ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 278 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107    Aus den Leitlinien geht zudem hervor, dass die Kommission weder eine Überschneidung noch eine Wechselwirkung zwischen der Beurteilung der Schwere und der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung vorgesehen hat.

108    Im Gegenteil ergibt sich, erstens, aus dem Aufbau der Leitlinien, dass sie die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung als solcher vorsehen, um einen allgemeinen Ausgangsbetrag der Geldbuße zu bestimmen. Zweitens wird die Schwere der Zuwiderhandlung anhand der Merkmale des betreffenden Unternehmens, insbesondere seiner Größe und seiner Stellung auf dem relevanten Markt, geprüft; dies kann zur Gewichtung des Ausgangsbetrags, zur Einteilung der Unternehmen in Kategorien und zur Festsetzung eines spezifischen Ausgangsbetrags führen. Drittens wird die Dauer des Verstoßes bei der Festsetzung des Grundbetrags berücksichtigt, und viertens sehen die Leitlinien die Berücksichtigung erschwerender und mildernder Umstände vor, die es ermöglichen, die Geldbuße insbesondere nach Maßgabe der aktiven oder passiven Rolle der betreffenden Unternehmen bei der Durchführung der Zuwiderhandlung anzupassen.

109    Hieraus folgt, dass die bloße Tatsache, dass sich die Kommission bei Langzeitverstößen die Möglichkeit einer Erhöhung von bis zu 10 % des für die Schwere der Zuwiderhandlung festgestellten Betrags je Jahr der Zuwiderhandlung vorbehalten hat, sie nicht dazu verpflichtet, diesen Erhöhungssatz nach Maßgabe der Intensität oder der Wirkungen der Aktivitäten des Kartells oder der Schwere der Zuwiderhandlung festzusetzen. Es obliegt nämlich der Kommission, den Erhöhungssatz, den sie wegen der Dauer der Zuwiderhandlung anwenden will, im Rahmen ihres Ermessens (siehe oben, Randnr. 31) zu bestimmen.

110    Was die Rüge betrifft, die Kommission habe denselben Umstand, nämlich die mehr als fünfjährige Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung, sowohl zur Begründung der Erhöhung als auch für die Festsetzung des Höchstsatzes von 10 % herangezogen, vermag das Gericht es nicht als rechtswidrig anzusehen, dass die Dauer einer Zuwiderhandlung nicht nur die Erhöhung des Grundbetrags als solche auslöst, sondern gegebenenfalls auch den endgültigen Erhöhungssatz bestimmt. Wie in der vorstehenden Randnummer ausgeführt worden ist, ist die Kommission nicht verpflichtet, bei der Wahl des angewandten Erhöhungssatzes aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung die Schwere der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

111    Im vorliegenden Fall hat die Kommission insbesondere in den Randnrn. 335 und 340 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die Klägerin während eines Zeitraums von zwölf Jahren und zehn Monaten, also eines langen Zeitraums im Sinne der Leitlinien, an der Zuwiderhandlung beteiligt war, und daher die Geldbuße um 125 % erhöht. Damit ist die Kommission nicht von den Regeln abgewichen, die sie sich in den Leitlinien selbst gesetzt hat. Im Übrigen ist das Gericht der Auffassung, dass diese Erhöhung um 125 % im vorliegenden Fall nicht offensichtlich unverhältnismäßig ist.

112    Aus alledem ergibt sich, dass der Klagegrund in Bezug auf die Erhöhung der Geldbuße aufgrund der Dauer als unbegründet zurückzuweisen ist.

 Zum vierten Klagegrund: Benachteiligende Anwendung der Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit

 Vorbringen der Parteien

113    Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, sie sei gegenüber KME benachteiligt worden, die einen Abschlag von 30 % der verhängten Geldbuße erhalten habe, während sie selbst nur einen Abschlag von 20 % erhalten habe, obwohl ihre Zusammenarbeit mindestens genauso umfangreich gewesen sei wie die von KME.

114    Sie macht erstens geltend, die Kommission habe KME zu Unrecht mit der Begründung, dass „KME … offenlegte, dass die wettbewerbswidrigen Vereinbarungen seit den 80er Jahren bestanden haben, … während Wieland … das Jahr 1993 … genannt hatte“, einen höheren Bußgeldabschlag gewährt als ihr selbst (Randnr. 423 der angefochtenen Entscheidung).

115    Die Klägerin räumt ein, dass ihr Beitrag zur Untersuchung in Bezug auf den Zeitraum vor 1993 von begrenztem Wert gewesen sei, weist aber darauf hin, dass sie das Bestehen des Kartells in diesem Zeitraum nicht geleugnet habe; wegen des Ausscheidens mehrerer Mitarbeiter sei sie allerdings nicht in der Lage gewesen, dessen Existenz zu bestätigen. Die Kommission habe den Beitrag von KME gegenüber ihrem Beitrag weit übertrieben. Nur einer einzigen Erklärung von KME sei die Existenz des Kartells vor 1993 wirklich zu entnehmen. Zudem sei die betreffende Erklärung auf ausdrückliche Anfrage der Kommission abgegeben worden. Die anderen Erklärungen von KME entsprächen denen der Klägerin, da sie bezeugten, dass Treffen stattgefunden hätten, ohne diese als wettbewerbswidrig einzustufen.

116    Unter Verweis auf die Randnrn. 397, 417 und 418 der angefochtenen Entscheidung trägt die Klägerin vor, die Kommission habe festgestellt, dass KME nur einen sehr geringen Beitrag zur Aufklärung des Zeitraums vor 1993 geleistet habe. Sie schließt daraus, dass die Gewährung eines höheren Abschlags vom Betrag der Geldbuße für KME als für sie selbst offensichtlich fehlerhaft und mit einem Begründungsmangel behaftet sei, da ihre Zusammenarbeit der von KME gleichwertig gewesen sei.

117    Im Übrigen beanstandet die Klägerin, sie sei insoweit von der Kommission bestraft worden, weil sie sich anders als KME geweigert habe, ein pauschales Schuldeingeständnis abzugeben. Obwohl sie nach intensiven internen Ermittlungen eine präzise Darstellung der einzelnen Ereignisse gegeben habe, sei es ihr nicht möglich gewesen, zu verifizieren, dass im Zeitraum von 1988 bis 1993 Kartellaktivitäten stattgefunden hätten. Die ihr widerfahrene Behandlung komme einem weitreichenden Zwang zur Selbstbelastung eines Unternehmens gleich, der gemeinschaftsrechtlich verboten sei, da es sich um einen Verstoß gegen Verteidigungsrechte handele.

118    Zweitens macht die Klägerin geltend, die Kommission habe im Hinblick darauf, dass KME acht „Arbeitsgruppen“-Sitzungen angezeigt habe, die von den anderen Teilnehmern nicht erwähnt worden seien, KME zu Unrecht einen höheren Abschlag gewährt als ihr selbst. Denn die Klägerin habe in einem Schreiben an die Kommission vom 30. September 2002 auf eine ganze Reihe von Meetings in den Jahren 1999 und 2000 hingewiesen und diese wesentlich ausführlicher beschrieben, als KME es getan habe.

119    Drittens trägt die Klägerin vor, sie habe der Kommission in ihrem Schreiben vom 30. September 2002 freiwillig wesentlich präzisere und detailliertere Informationen über den Zeitraum von 1997 bis 1999 (im Folgenden: Ruhephase) geliefert als KME. Die Kommission stütze sich, wie dies an einer einzigen Stelle in Randnr. 202 der angefochtenen Entscheidung erwähnt sei, zum Nachweis wettbewerbswidriger Handlungen während der Ruhephase auf summarische Angaben von KME, obwohl die Klägerin ausführlicher als KME den Gegenstand von zwölf Treffen in den Jahren 1997 und 1998 geschildert habe. Außerdem verweise die Kommission in elf Fußnoten zu den Randnrn. 157 bis 167 und 202 bis 212 der angefochtenen Entscheidung auf die Sachverhaltsdarstellungen der Klägerin.

120    Viertens trägt die Klägerin vor, dass ihre Zusammenarbeit mit der Kommission zwei Wochen vor KME ihr einen Anspruch auf einen im Vergleich zu KME höheren oder wenigstens gleich hohen Bußgeldabschlag hätte geben müssen. Die Klägerin verweist hierzu auf die Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung von 2002 über Zusammenarbeit), nach der dem schneller kooperierenden Unternehmen ein höherer Bonus zu gewähren sei. Diese Mitteilung sei zwar hier nicht anwendbar, das Gericht könne sie aber als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens berücksichtigen.

121    Die Kommission weist alle von der Klägerin erhobenen Rügen zurück.

 Würdigung durch das Gericht

122    Erstens ist festzustellen, dass die auf einen Begründungsmangel gestützte Rüge offensichtlich unbegründet ist. Die Beurteilungsgesichtspunkte, die die Kommission für die Gewährung der Bußgeldabschläge gegenüber KME und der Klägerin gemäß der Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit berücksichtigt hat, sind in den Randnrn. 404 bis 423 der angefochtenen Entscheidung klar angegeben, was genügt, um die Anforderungen des Art. 253 EG zu erfüllen (siehe oben, Randnrn. 58 und 59).

123    Was zweitens die materielle Begründetheit angeht, ist einleitend festzustellen, dass ein Unternehmen, das gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln verstoßen hat, versuchen kann, einen bedeutenden Abschlag von dem Betrag der drohenden Geldbuße zu erhalten oder einer Geldbuße ganz zu entgehen, indem es mit der Kommission zusammenarbeitet. Nach ständiger Rechtsprechung beruht die Herabsetzung von Geldbußen aufgrund der Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren auf der Erwägung, dass eine solche Kooperation der Kommission die Aufgabe erleichtert, eine Zuwiderhandlung festzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, Slg. 1998, II‑1129, Randnr. 325, und Finnboard/Kommission, T‑338/94, Slg. 1998, II‑1617, Randnr. 363).

124    Außerdem ist daran zu erinnern, dass im Rahmen der Beurteilung der Zusammenarbeit der an einer Vereinbarung Beteiligten nur ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission beanstandet werden kann, da diese bei der Beurteilung der Qualität und der Nützlichkeit des Kooperationsbeitrags eines Unternehmens, insbesondere im Vergleich zu den Beiträgen anderer Unternehmen, über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügt (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C‑328/05 P, Slg. 2007, I‑3921, Randnr. 88). Allerdings darf sie bei dieser Beurteilung nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

125    Da alle Rügen der Klägerin auf ihre angebliche Benachteiligung gegenüber KME abstellen, ist zu prüfen, ob die Kommission, ohne gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstoßen und ohne ihr Ermessen zu überschreiten, der Klägerin einen Abschlag von 20 % und KME einen Abschlag von 30 % ihrer Geldbußen für ihre jeweilige Zusammenarbeit gewähren durfte.

126    Zur zeitlichen Abfolge der Übermittlung der Informationen an die Kommission ist festzustellen, dass sowohl die Klägerin als auch KME begannen, mit der Kommission zu kooperieren, nachdem sie von dieser ein Auskunftsverlangen erhalten hatten, aber vor der Absendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Außerdem fielen sowohl KME als auch die Klägerin unter Abschnitt D der Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit, in dem nicht auf das Kriterium der früheren Zusammenarbeit eines Unternehmens gegenüber einem anderen Bezug genommen wird.

127    Ferner geht aus der Rechtsprechung hervor, dass der Gesichtspunkt der zeitlichen Reihenfolge bei der Beurteilung des Umfangs der jeweiligen Mitarbeit zweier Unternehmen nicht berücksichtigt werden kann, wenn die Informationen der Beteiligten zügig und in einem mehr oder weniger gleichen Stadium des Verwaltungsverfahrens erfolgten (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 13. Dezember 2001, Acerinox/Kommission, T‑48/98, Slg. 2001, II‑3859, Randnr. 139, und vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 467).

128    Selbst wenn die Klägerin KME bei der Kooperation mit der Kommission um zwei Wochen zuvorgekommen sein sollte, folgt daher aus dieser Differenz als solcher nicht, dass die Kommission verpflichtet war, ihr einen höheren Abschlag auf die verhängte Geldbuße zu gewähren als KME oder wenigstens den gleich hohen Abschlag wie dieser.

129    Soweit die Klägerin die analoge Anwendung von Punkt 23 der Mitteilung von 2002 über Zusammenarbeit geltend macht, der vorsieht, dass die Kommission dem Unternehmen eine stärkere Herabsetzung der Geldbuße gewähren kann, das als Erstes Beweismittel für die angenommene Zuwiderhandlung beibringt, die einen erheblichen Mehrwert besitzen, ist festzustellen, dass eine analoge Anwendung nur zulässig ist, um eine Regelungslücke zu füllen. Für die Zusammenarbeit der Klägerin sowie auch die von KME und Outokumpu gilt aber die Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit.

130    Soweit das Vorbringen der Klägerin dahin zu verstehen sein sollte, dass mit ihm in Wirklichkeit eine zeitliche Normenkollision angesprochen werden soll, genügt der Hinweis, dass eine solche Kollision nicht vorliegen kann. Eine neue Vorschrift gilt nämlich nur bei Fehlen von Übergangsvorschriften unmittelbar für die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 21. Januar 2003, Deutschland/Kommission, C‑512/99, Slg. 2003, I‑845, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall sieht Punkt 28 der Mitteilung von 2002 über Zusammenarbeit klar die Anwendbarkeit dieser Mitteilung ab dem 14. Februar 2002 in allen Fällen vor, in denen sich noch kein Unternehmen mit der Kommission in Verbindung gesetzt hat, um die Vorteile der Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit in Anspruch zu nehmen. Im vorliegenden Fall haben sich aber die verfahrensbeteiligten Unternehmen – darunter die Klägerin – mit der Kommission in Verbindung gesetzt, um die Vorteile der Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit in Anspruch zu nehmen.

131    Nachdem die Argumente der Klägerin in Bezug auf die zeitliche Reihenfolge der Übermittlung von Informationen an die Kommission zurückgewiesen worden sind, ist zu prüfen, ob der Beitrag von KME im Vergleich zu dem der Klägerin in qualitativer Hinsicht geeignet war, den Unterschied von 10 Prozentpunkten bei der Herabsetzung der gegen diese Unternehmen verhängten Geldbußen zu rechtfertigen.

132    Zunächst greift das Vorbringen der Klägerin, wonach die Gewährung einer Herabsetzung der Geldbuße aufgrund des Eingeständnisses eines Unternehmens, an einer Zuwiderhandlung beteiligt gewesen zu sein, einen Verstoß gegen die Verteidigungsrechte der anderen betroffenen Unternehmen darstelle, nicht durch.

133    Nach der Rechtsprechung ist die Kommission nämlich berechtigt, die Geldbußen herabzusetzen, die sie gegen Unternehmen verhängt, die sich nicht damit begnügen, ihr zweckdienliche Informationen zu übermitteln, sondern auch ausdrücklich ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung eingestehen. Die Kommission kann ein Unternehmen zwar nicht dazu zwingen, seine Beteiligung an einer Zuwiderhandlung zuzugeben. Sie ist jedoch deswegen nicht daran gehindert, den Beitrag, den dieses Unternehmen von sich aus geleistet hat, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung zu beweisen, bei der Festsetzung der Geldbuße zu berücksichtigen (Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 2005, Acerinox/Kommission, C‑57/02 P, Slg. 2005, I‑6689, Randnr. 87, und ThyssenKrupp/Kommission, C‑65/02 P und C‑73/02 P, Slg. 2005, I‑6773, Randnr. 50).

134    Das Eingeständnis der zur Last gelegten Zuwiderhandlung beruht auf einer rein freiwilligen Entscheidung des betroffenen Unternehmens. Dieses ist keineswegs gezwungen, das Bestehen des Kartells einzuräumen (Urteile vom 14. Juli 2005, Acerinox/Kommission, oben in Randnr. 133 angeführt, Randnr. 89, und ThyssenKrupp/Kommission, oben in Randnr. 133 angeführt, Randnr. 52).

135    Im vorliegenden Fall geht aus den Randnrn. 405 und 406 in Verbindung mit den Randnrn. 416 bis 422 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission die gegen die Klägerin und KME verhängten Geldbußen aus zwei kumulativen Gründen herabgesetzt hat, nämlich aufgrund des Umstands, dass sie zum einen den die festgestellte Zuwiderhandlung ausmachenden Sachverhalt nicht bestritten hätten, und dass zum anderen die Mitarbeit dieser Unternehmen bei der Feststellung des Sachverhalts über deren Verpflichtungen aus Art. 11 der Verordnung Nr. 17 hinausgegangen sei.

136    Was den letzten Gesichtspunkt betrifft, geht aus den Randnrn. 168, 169, 171, 405, 417, 419 und 423 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission der Auffassung war, dass die Beiträge von KME und der Klägerin von ähnlicher Qualität waren, mit Ausnahme, erstens, des Eingeständnisses von Kartellaktivitäten vor 1993 und, zweitens, der Anzeige von Hilfstreffen, die der Intensivierung der Zuwiderhandlung gedient haben sollen.

137    Angesichts dessen, dass nachgewiesen wurde, dass die Vereinbarung im Jahr 1988 begonnen hat, liegt es auf der Hand, dass die Bestimmung der Dauer der Zuwiderhandlung durch die Kommission durch die Antwort der Klägerin in ihrem Schreiben vom 30. September 2002 nicht erleichtert wurde. Mit diesem Schreiben hat die Klägerin nämlich eine Liste von offiziellen Cuproclima-Treffen vorgelegt, die seit 1985 erfolgt waren, ohne anzugeben, welche Themen bei diesen Treffen angesprochen wurden. In demselben Schreiben hat sie angegeben, dass die Kartelltätigkeiten gegen 1993 begonnen hätten.

138    Dagegen hat KME in ihrem Schreiben vom 15. Oktober 2002 zugegeben, dass sich die Teilnehmer in den ersten Jahren nach der Gründung von Cuproclima im Jahr 1985 über die Zuteilung von Kunden verständigt haben, und die Art und Weise beschrieben, in der sie dabei vorgegangen sind.

139    Zur Ruhephase (1997 bis 1999) ist festzustellen, dass in dem Schreiben von KME vom 15. Oktober 2002 Informationen über die Entwicklung der Funktion der Vereinbarung innerhalb von Cuproclima sowie zu der Tatsache geliefert werden, dass KME, Wieland und, in geringerem Ausmaß, Outokumpu bis 1999 regelmäßige, meist telefonische Kontakte außerhalb des Rahmens von Cuproclima hatten, um über bestimmte Kunden oder Preise zu sprechen.

140    Für den Zeitraum 1999 bis 2001 geht aus diesem Schreiben hervor, dass die Cuproclima-Mitglieder sich zu ungefähr acht „Arbeitsgruppen“-Sitzungen außerhalb der offiziellen Cuproclima-Sitzungen getroffen haben, um die Kartellaktivitäten zu intensivieren.

141    Zur Zusammenarbeit der Klägerin in Bezug auf die genannten Zeiträume ist festzustellen, dass die von ihr vorgelegte Liste der Zusammenkünfte zwar vollständiger ist als die von KME, dass sie aber nicht angegeben hat, ob bei den in der Liste aufgeführten Treffen Themen angesprochen wurden, die einen Bezug zu der Vereinbarung hatten. Hieraus folgt, dass die Klägerin mit dieser Liste nicht dazu beigetragen hat, der Kommission zu ermöglichen, den Zusammenhang dieser Treffen zu erkennen und ihren Gegenstand zu beurteilen. Daher kann sich die Klägerin nicht auf diese Liste berufen, um geltend zu machen, ihre Zusammenarbeit habe für die Untersuchung der Kommission einen höheren Wert als die von KME abgegebenen Erklärungen oder den gleichen Wert wie diese gehabt (siehe oben, Randnrn. 139 und 140).

142    Allerdings hat die Klägerin der Kommission im Rahmen ihrer Zusammenarbeit einige sachdienliche Beweismittel in Bezug auf die Ruhephase und den Zeitraum von 1999 bis 2000 vorgelegt.

143    Insbesondere hat sie, ebenso wie KME, Beweise in Bezug auf ihren wettbewerbswidrigen Schriftwechsel mit KME im Jahr 1997 geliefert (Randnr. 163 der angefochtenen Entscheidung).

144    Sie hat auch erklärt, die Cuproclima-Mitglieder hätten gegen Ende der 90er Jahre einen Neubeginn ihrer Kartelltätigkeit beschlossen, was sich in der Erstellung einer Tabelle im Jahr 1999 niederschlug, die für die Kartellmitglieder auf elektronischem Weg zugänglich sein sollte und sensible Daten enthielt. Allerdings ist festzustellen, dass diese Informationen, auch wenn sie sich auf die Zuwiderhandlung beziehen, nicht die Veranstaltung von Hilfstreffen offenlegten, die den Zweck hatten, die auf den offiziellen Cuproclima-Treffen ausgeübte Kartelltätigkeit anzupassen und zu verstärken; dagegen wurde die Kommission von KME mit deren Anzeige von acht Treffen der „Arbeitsgruppe“ hierauf aufmerksam gemacht.

145    In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist festzuhalten, dass die Behauptungen der Klägerin, sie habe in umfassenderer Weise als KME dazu beigetragen, den Zeitraum der Zuwiderhandlung zwischen 1997 und 2000 aufzuklären, nicht durch die zur Akte gereichten Unterlagen gestützt werden.

146    Daher und im Licht der oben in Randnr. 133 angeführten Rechtsprechung ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission bei der Ermittlung der Höhe des Abschlags von der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße aufgrund der Zusammenarbeit keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

147    Nach alledem ist auch der letzte Klagegrund nicht begründet.

148    Die Klage ist daher abzuweisen.

 Kosten

149    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Wieland-Werke AG trägt die Kosten.

Martins Ribeiro

Papasavvas

Wahl

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. Mai 2009.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.


1 – Nicht veröffentlichte vertrauliche Daten.