Language of document : ECLI:EU:T:2007:154

Rechtssache T‑151/01

Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – System der Sammlung und Verwertung von in Deutschland in den Verkehr gebrachten Verpackungen, die mit dem Zeichen ‚Der Grüne Punkt‘ versehen sind – Entscheidung, mit der die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung festgestellt wird – Marktzutrittsschranke – Aufgrund des Zeichennutzungsvertrags zu zahlendes Lizenzentgelt“

Leitsätze des Urteils

1.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff

(Art. 82 Abs. 2 Buchst. a EG)

2.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff

(Art. 82 Abs. 2 Buchst. a EG)

3.      Wettbewerb – Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind

(Art. 86 Abs. 2 EG)

1.      Der Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung ist ein objektiver Begriff. Er erfasst die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die sich von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Wirtschaftsteilnehmer unterscheiden.

Nach Art. 82 Abs. 2 Buchst. a EG kann ein solcher Missbrauch insbesondere in der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung von unangemessenen Preisen oder Geschäftsbedingungen bestehen. So liegt eine missbräuchliche Ausnutzung vor, wenn ein Unternehmen in beherrschender Stellung für seine Dienstleistungen Gebühren erhebt, die außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung stehen.

Ebenso kann ein Unternehmen in beherrschender Stellung missbräuchlich den Marktzutritt von Wettbewerbern behindern, indem es die Abnehmer seiner Dienstleistungen rechtlich oder faktisch bindet und so davon abhält, von konkurrierenden Anbietern zu beziehen.

(vgl. Randnrn. 120-122)

2.      Verlangt ein Unternehmen, das in Deutschland ein flächendeckendes System der Sammlung und Verwertung von Verkaufsverpackungen betreibt, von den sein System in Anspruch nehmenden Unternehmen die Entrichtung eines Lizenzentgelts für die Gesamtmenge der in Deutschland mit seinem Zeichen in den Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen, so stellt dies einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung dar, wenn diese Unternehmen nachweisen, dass sie das System für eine Teilmenge dieser Verpackungen nicht nutzen bzw. gar nicht nutzen. Solange die Nutzer des betreffenden Zeichens den Nachweis erbringen, dass die Verpackungsmengen, für die sie das System nicht in Anspruch nehmen, tatsächlich von dem oder den anderen Systemen (Befreiungssysteme oder Selbstentsorgerlösungen), die sie in Anspruch nehmen, zurückgenommen und verwertet wurden, kann das Unternehmen nicht geltend machen, dass es unverhältnismäßig sei, von ihm zu verlangen, sich nicht für eine von ihm nicht erbrachte Leistung bezahlen zu lassen. Dies nimmt dem Unternehmen, wenn bewiesen wird, dass die Verpackung mit seinem Zeichen von einem anderen System zurückgenommen und verwertet wurde, jedoch nicht die Möglichkeit, ein angemessenes Lizenzentgelt für die bloße Nutzung der Marke zu erheben, denn die Anbringung des Zeichens, die den Verbraucher darauf hinweist, dass er die Möglichkeit hat, das von dem Unternehmen angebotene System zu nutzen, ist eine Leistung, nämlich die Bereitstellung des Systems.

(vgl. Randnrn. 148, 164, 181, 193, 195)

3.      Selbst wenn ein Unternehmen, das ein System der Sammlung und Verwertung von Verkaufsverpackungen betreibt, mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Art. 86 Abs. 2 EG betraut sein sollte, folgt aus der Tatsache, dass das Unternehmen für eine nachweislich von einem anderen System erbrachte Leistung keine Vergütung erhalten kann, keineswegs, dass die Durchführung der dem System übertragenen Dienstleistung der Rücknahme und Verwertung zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen gefährdet würde.

(vgl. Randnrn. 207-209)