Schlussanträge des Generalanwalts
JEAN RICHARD DE LA TOUR
vom 16. September 2021(1)
Rechtssache C‑394/20
XY
gegen
Finanzamt V
(Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Düsseldorf [Deutschland])
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Kapitalverkehr – Art. 63 und 65 AEUV – Erbschaftsteuer – Nationale Regelung über die Erbschaftsteuer – Unterschiedliche Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden – Beschränkte Steuerpflicht – Inländisches Grundvermögen – Proportionaler Freibetrag für Gebietsfremde – Keine Beschränkung – Nationale Regelung, die für Gebietsfremde keinen Abzug der Nachlassverbindlichkeiten aus Pflichtteilen vorsieht – Fehlen eines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem besteuerten Vermögen – Beschränkung – Keine Rechtfertigung“
I. Einleitung
1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV.
2. Das Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) hat es im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen XY und dem Finanzamt V (Deutschland)(2) über die Berechnung der Erbschaftsteuer auf in Deutschland belegene Grundstücke vorgelegt.
3. Die dem Gerichtshof gestellten Fragen schließen an frühere Entscheidungen des Gerichtshofs zur Erbschaftsteuer an, die den durch den Vertrag garantierten freien Kapitalverkehr betreffen. Sie geben dem Gerichtshof Gelegenheit, im Licht der von ihm bereits entwickelten Grundsätze eine nationale Regelung zu prüfen, die teilweise geändert wurde, um diesen Grundsätzen Rechnung zu tragen. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob und gegebenenfalls inwieweit nach Maßgabe des Umfangs der Steuerhoheit des betreffenden Mitgliedstaats eine unterschiedliche Behandlung bei der Gewährung steuerlicher Vorteile in Form von persönlichen Freibeträgen oder dem Abzug bestimmter mit der Erbschaft in Zusammenhang stehender Posten als Nachlassverbindlichkeiten, je nachdem, ob der Steuerpflicht das gesamte Vermögen des Erblassers zugrunde liegt oder ob sie auf das Inlandsvermögen in diesem Mitgliedstaat beschränkt ist, möglich ist.
4. Diese neue Rechtssache macht deutlich, dass trotz der Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Bedeutung der Herausforderungen und Spannungen mit den sich aus dem Vertrag ergebenden Grundsätzen mangels einer Koordinierung der nationalen Steuervorschriften fortbesteht, und zwar insbesondere dann, wenn sich ein Mitgliedstaat dafür entscheidet, das Weltvermögen eines in seinem Hoheitsgebiet steuerlich Ansässigen zu besteuern, während die Streuung der Wohnsitze und der Vermögensgegenstände, aus denen der Nachlass besteht, durch die Freizügigkeit der Unionsbürger begünstigt wird.
5. Ich werde die Gründe darlegen, die mich zu folgender Auffassung veranlassen:
– Der vom Vertrag garantierte freie Kapitalverkehr wird nicht durch Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats verletzt, die vorsehen, dass der Erbe, wenn weder der Erblasser noch der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls in diesem Staat steuerlich ansässig waren, einen proportionalen Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage erhält, sofern diese Regelung nicht eine Wertminderung des auf ihn übergehenden Vermögens bewirkt, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, und
– in der gleichen Situation liegt eine Beschränkung des Kapitalverkehrs vor, die nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, wenn diese Vorschriften vorsehen, dass im Fall einer beschränkten Steuerpflicht die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen nicht als Passivposten vom Nachlassvermögen abgezogen werden können.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Deutsches Recht
6. Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997(3), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 23. Juni 2017(4), sieht in § 1 („Steuerpflichtige Vorgänge“) vor:
„(1) Der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) unterliegen
1. der Erwerb von Todes wegen;
2. die Schenkungen unter Lebenden;
…“
7. § 2 („Persönliche Steuerpflicht“) ErbStG bestimmt:
(1) Die Steuerpflicht tritt ein
1. in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9) ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall (unbeschränkte Steuerpflicht). Als Inländer gelten
a) natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben,
…
3. in allen anderen Fällen, vorbehaltlich des Absatzes 3, für den Vermögensanfall, der in Inlandsvermögen im Sinne des § 121 des Bewertungsgesetzes besteht (beschränkte Steuerpflicht) …
…“
8. § 3 ErbStG („Erwerb von Todes wegen“) Abs. 1 sieht vor:
„Als Erwerb von Todes wegen gilt
1. der Erwerb durch Erbanfall …, durch Vermächtnis … oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) [in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002(5), im Folgenden: BGB];
…“
9. § 10 ErbStG („Steuerpflichtiger Erwerb“) bestimmt:
(1) Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist … In den Fällen des § 3 gilt als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem … Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt, die nach den Absätzen 3 bis 9 abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten … abgezogen werden …
…
(5) Von dem Erwerb sind, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig
1. die vom Erblasser herrührenden Schulden …;
2. Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Auflagen und geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen;
…
(6) Nicht abzugsfähig sind Schulden und Lasten, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegen. Beschränkt sich die Besteuerung auf einzelne Vermögensgegenstände (§ 2 Absatz 1 Nummer 3 …), so sind nur die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten abzugsfähig …“
10. § 15 ErbStG („Steuerklassen“) sieht in Abs. 1 vor:
„Nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker werden die folgenden drei Steuerklassen unterschieden:
Steuerklasse I:
1. der Ehegatte und der Lebenspartner,
2. die Kinder und Stiefkinder,
…“
11. § 16 ErbStG („Freibeträge“) bestimmt:
„(1) Steuerfrei bleibt in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3) der Erwerb
1. des Ehegatten und des Lebenspartners in Höhe von 500 000 Euro;
2. der Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 in Höhe von 400 000 Euro;
…
(2) In den Fällen der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1 Nummer 3) wird der Freibetrag nach Absatz 1 um einen Teilbetrag gemindert. Dieser Teilbetrag entspricht dem Verhältnis der Summe der Werte des in demselben Zeitpunkt erworbenen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögens und derjenigen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögensvorteile, die innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallen sind, zum Wert des Vermögens, das insgesamt innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefall[en] ist. Die früheren Erwerbe sind mit ihrem früheren Wert anzusetzen.“
12. § 121 („Inlandsvermögen“) des Bewertungsgesetzes in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung bestimmt:
„Zum Inlandsvermögen gehören:
1. das inländische land- und forstwirtschaftliche Vermögen;
2. das inländische Grundvermögen;
…“
13. § 2303 BGB („Pflichtteilsberechtigte; Höhe des Pflichtteils“) sieht in Abs. 1 vor:
„Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.“
14. In § 2311 BGB („Wert des Nachlasses“) heißt es:
„(1) Der Berechnung des Pflichtteils wird der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt. …
(2) Der Wert ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. Eine vom Erblasser getroffene Wertbestimmung ist nicht maßgebend.“
B. Österreichisches Recht
15. § 756 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (im Folgenden: ABGB) in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung bestimmt:
„Der Pflichtteil ist der Anteil am Wert des Vermögens des Verstorbenen, der dem Pflichtteilsberechtigten zukommen soll.“
16. In § 759 ABGB heißt es:
„Als Pflichtteil gebührt jeder pflichtteilsberechtigten Person die Hälfte dessen, was ihr nach der gesetzlichen Erbfolge zustünde.“
17. § 761 Abs. 1 ABGB sieht vor:
„Der Pflichtteil ist in Geld zu leisten. …“
18. Die deutsche Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen angegeben, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer kein Doppelbesteuerungsabkommen bestehe(6).
III. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
19. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine in Österreich wohnende österreichische Staatsangehörige, ist die Tochter eines ebenfalls österreichischen Staatsangehörigen, der am 12. August 2018 in diesem Mitgliedstaat, in dem er wohnte, verstarb.
20. Der Erblasser war Eigentümer dreier bebauter Grundstücke sowie eines unbebauten Grundstücks in Deutschland. Er setzte mit einem von ihm errichteten Testament die Klägerin zu seiner Alleinerbin ein, während er seine Ehefrau und seinen Sohn auf den Pflichtteil setzte.
21. Als Alleinerbin verpflichtete sich die Klägerin in einem Übereinkommen, an diese Pflichtteilsberechtigten Beträge von 1 700 000 Euro und 2 850 000 Euro zur Berichtigung ihrer Pflichtteilsansprüche zu zahlen. Sie beantragte in ihrer beim Finanzamt abgegebenen Erbschaftsteuererklärung, die Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen in Höhe von 43 %, mithin in Höhe von insgesamt 1 956 500 Euro von dem Wert ihres Erwerbs von Todes wegen als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Zu diesem Betrag gelangte sie, indem sie hinsichtlich des Anteils des der deutschen Erbschaftsteuer unterliegenden Grundvermögens einen Wert von 4 970 000 Euro ermittelte, was 43 % des Wertes des gesamten in den Nachlass fallenden Vermögens von 11 592 598,10 Euro entspricht, zu dem auch das aus Kapitalvermögen und einem Grundstück in Spanien bestehende nicht der deutschen Erbschaftsteuer unterliegende Vermögen zählt, das sie mit 6 622 598,10 Euro berechnete.
22. Das Finanzamt setzte gegen die Klägerin 642 333 Euro Erbschaftsteuer für die in Deutschland belegenen Grundstücke fest. Die Pflichtteile als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen lehnte es ab, weil sich aus § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG ergebe, dass sie nicht mit einzelnen zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stünden. Ferner berücksichtigte es bei der Berechnung der Erbschaftsteuer anstatt eines für Kinder des Erblassers an sich nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vorgesehenen Freibetrags von 400 000 Euro unter Bezugnahme auf § 16 Abs. 2 ErbStG einen um einen Teilbetrag von 228 511 Euro geminderten Freibetrag von 171 489 Euro.
23. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage vor dem vorlegenden Gericht, die von ihr geschuldete Erbschaftsteuer auf 227 181 Euro herabzusetzen. Ihr stehe der in § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vorgesehene Freibetrag von 400 000 Euro ungekürzt zu, weil § 16 Abs. 2 ErbStG dem Unionsrecht widerspreche. Ihrer Ansicht nach gilt dies auch für die Weigerung, den Abzug der von ihr zu zahlenden Pflichtteile als Nachlassverbindlichkeiten zumindest anteilig in Höhe eines von ihr berechneten Betrags zuzulassen.
24. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, da weder der Erblasser noch die Klägerin im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätten, sei nur das inländische Grundvermögen der Besteuerung unterworfen.
25. In diesem Fall der beschränkten Steuerpflicht hat das vorlegende Gericht Zweifel, ob § 16 Abs. 2 ErbStG sowie § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG mit Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof vereinbar sind.
26. Als Erstes weist es darauf hin, dass der deutsche Gesetzgeber § 16 Abs. 2 ErbStG eingeführt habe, um dem Urteil vom 8. Juni 2016, Hünnebeck(7), nachzukommen. In den Urteilen vom 17. Oktober 2013, Welte(8), und vom 4. September 2014, Kommission/Deutschland(9), habe der Gerichtshof in Bezug auf vorherige Fassungen von § 16 Abs. 2 ErbStG zum einen entschieden, dass die weniger günstige Behandlung des Erwerbers durch einen auf 2 000 Euro begrenzten Freibetrag in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden könne, die Kohärenz der deutschen Steuerregelung zu wahren. Zum anderen habe der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass es keinen Rechtfertigungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung von Erwerbern in den Fällen einer an den Wohnsitz anknüpfenden unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht gebe.
27. Als Zweites hat das vorlegende Gericht Bedenken hinsichtlich der sich aus § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG ergebenden unterschiedlichen Behandlung von Inländern und von nicht in Deutschland wohnenden Personen. Diese Bestimmung führe dazu, dass die Klägerin ihre Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen der Ehefrau und des Sohnes des Erblassers nicht als Nachlassverbindlichkeiten von ihrem Erwerb von Todes wegen abziehen könne.
28. Im Übrigen sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Deutschland)(10) die in § 10 Abs. 6 ErbStG vorgesehene Voraussetzung des Vorliegens eines wirtschaftlichen Zusammenhangs für die Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten bei Pflichtteilen nicht gegeben. Dieses Ergebnis sei auf die im vorliegenden Fall aufgrund des österreichischen Rechts geschuldeten Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen übertragbar. Insoweit verweist das vorlegende Gericht auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs insbesondere zum Verbot, bei Erbschaften in den Regelungen zur begrenzten Abzugsfähigkeit von Schulden zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Personen zu unterscheiden(11).
29. Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Sind Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die hinsichtlich der Berechnung der Steuer vorsieht, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken dann, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes und der Erbe zu dieser Zeit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im erstgenannten Mitgliedstaat gehabt hätte?
2. Sind Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die hinsichtlich der Berechnung der Steuer vorsieht, dass Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken dann, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes und der Erbe zu dieser Zeit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hatten, nicht abziehbar sind, während diese Verbindlichkeiten vollständig von dem Wert des Erwerbs von Todes wegen abziehbar wären, wenn zumindest der Erblasser oder der Erbe zu dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im erstgenannten Mitgliedstaat gehabt hätte?
30. Die deutsche und die spanische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Sie haben, ebenso wie die Klägerin, in der Sitzung vom 9. Juni 2021 auch mündliche Ausführungen gemacht.
IV. Würdigung
31. Der Gerichtshof ist mit der Frage befasst, ob bestimmte Vorschriften des deutschen Erbschaftsteuergesetzes, die die Auswirkungen des Fehlens eines Wohnsitzes des Erblassers und seines Erben(12) in Deutschland auf die Höhe des persönlichen Freibetrags, den der Erbe geltend machen kann, und auf die Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten aufgrund von Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen regeln, mit Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV vereinbar sind.
32. Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Informationen ergibt sich, dass nach dem deutschen Steuerrecht bei einem Erwerb von Todes wegen(13) die Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat die Vermögenswerte belegen sind, wenn zumindest der Erblasser oder der Erbe seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat(14). Es handelt sich dabei um den Fall der unbeschränkten Steuerpflicht(15).
33. Wenn weder der Erblasser noch der Erbe ihren Wohnsitz oder Aufenthalt in Deutschland haben(16), tritt die Steuerpflicht für die Vermögensgegenstände des Inlandsvermögens ein, d. h. insbesondere das Grundvermögen. Es handelt sich dabei um den Fall der beschränkten Steuerpflicht(17).
34. Die steuerpflichtige Bereicherung (bzw. die Steuerbemessungsgrundlage) umfasst den Wert des gesamten Vermögensanfalls(18), von dem die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden(19), nach Abzug der Freibeträge(20). Die Regelung dieser Befreiungen bzw. Abzüge variiert, je nachdem, ob die Voraussetzung eines Wohnsitzes in Deutschland zumindest vom Erblasser oder vom Erben erfüllt wird oder nicht.
35. Dies ist bei der steuerlichen Belastung nicht der Fall. Sie wird nach den familienrechtlichen Beziehungen zwischen diesen Personen bestimmt, die die Steuerklasse festlegen(21), von der der Steuersatz abhängt, der je nach der Höhe der Steuerbemessungsgrundlage angewandt wird(22).
36. Da das vorlegende Gericht sich mit der Frage der unterschiedlichen Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden im Bereich der Vermögensübergangsteuer befasst, soweit diese eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen könnte, ist darauf hinzuweisen, dass es sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht, mit Ausnahme der Fälle, die mit keinem ihrer wesentlichen Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, um Kapitalverkehr im Sinne von Art. 63 AEUV handelt(23).
37. Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens unter Art. 63 Abs. 1 AEUV fällt.
A. Zur ersten Vorlagefrage
38. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Erbschaftsteuer entgegenstehen, die im Fall der beschränkten Steuerpflicht einen persönlichen Freibetrag vorsieht, der proportional zu dem der Erbschaftsteuer dieses Mitgliedstaats unterliegenden Vermögensanteil im Verhältnis zum gesamten Vermögensanfall berechnet wird, während dieser Freibetrag im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht des Vermögens, wenn zumindest der Erblasser oder der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls seinen Wohnsitz in dem betreffenden Mitgliedstaat hatte, nicht begrenzt ist.
39. Wie das vorlegende Gericht zutreffend ausführt, hat sich der Gerichtshof bereits zur Vereinbarkeit der deutschen Steuerregelung mit dem freien Kapitalverkehr geäußert, die für gebietsfremde, beschränkt steuerpflichtige Personen einen niedrigeren Freibetrag vorsah, als er einem Erben im Fall einer unbeschränkten Steuerpflicht gewährt werden konnte(24).
40. Die Neuartigkeit des Vorabentscheidungsersuchens besteht darin, dass es die Regelung zum Gegenstand hat, die auf Erbfälle anwendbar ist, bei denen der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer nach dem 24. Juni 2017(25) lag, und nach der im Fall der beschränkten Steuerpflicht die Höhe des Freibetrags proportional zu dem in Deutschland belegenen Anteil des zum Nachlassvermögen gehörenden Grundvermögens ist(26).
41. Ich weise darauf hin, dass im vorliegenden Fall der Rechtsstreit die Gewährung eines Freibetrags in Höhe von etwa 43 % des in § 16 ErbStG vorgesehenen Freibetrags, nämlich 171 489 Euro statt 400 000 Euro, zum Gegenstand hat, was dem Anteil des in Deutschland belegenen Grundvermögens entspricht, das auf die in Österreich ansässige Erbin nach dem Tod ihres ebenfalls in diesem Mitgliedstaat ansässigen Vaters übergegangen ist(27).
42. Daher ist zu prüfen, ob, wie die Kommission geltend macht, die fragliche nationale Regelung, die nicht mehr, wie in den früheren Rechtssachen, einen pauschalen Freibetrag vorsieht, sondern einen nach der Steuerbemessungsgrundlage berechneten Freibetrag, entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung eine nach Art. 63 Abs. 1 AEUV verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt(28).
1. Zum Vorliegen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrsim Sinne von Art. 63 AEUV
43. Im Urteil Welte hat der Gerichtshof festgestellt, dass die fragliche nationale Regelung eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellte(29), weil diese Regelung, indem sie im Fall der betreffenden Immobilie die Anwendung eines Freibetrags auf die Bemessungsgrundlage vom Wohnsitz des Erblassers und des Erwerbers zum Zeitpunkt des Erbfalls abhängig machte, dazu führte, dass Erwerbe von Todes wegen zwischen Gebietsfremden, die einen solchen Gegenstand umfassten, einer höheren Besteuerung unterlagen als Erwerbe, an denen zumindest ein Gebietsansässiger beteiligt war, und daher eine Wertminderung des betreffenden Nachlasses bewirkte(30).
44. Konkret stand Herrn Yvon Welte, der seine verstorbene Ehefrau beerbt hatte, als beschränkt Steuerpflichtigem für den Erwerb von Todes wegen nur ein fester Freibetrag von 2 000 Euro zu. Hätte die Erblasserin oder er selbst aber zum Zeitpunkt des Erbfalls den Wohnsitz in Deutschland gehabt, hätte Herrn Welte ein Freibetrag von 500 000 Euro zugestanden. Er hätte dann keine Erbschaftsteuer entrichten müssen(31).
45. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass diese nationale Regelung vorsah, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage niedriger war als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn entweder der Erblasser oder der Erwerber zum Zeitpunkt des Erbfalls seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt hätte(32).
46. Der Gerichtshof hat bei seiner Entscheidung drei von ihm in den Jahren 2008 bis 2011 verkündete Urteile berücksichtigt, die Fälle betrafen, in denen Gebietsfremde einer höheren Besteuerung unterlagen als die für Gebietsansässige geltende Besteuerung, so dass der Wert des Nachlasses, der die als Bemessungsgrundlage dienende Immobilie umfasste, im Verhältnis zum Wert des Nachlasses von Gebietsansässigen gemindert war(33).
47. Im ersten der genannten Urteile, d. h. im Urteil Eckelkamp u. a., hatte das Vorabentscheidungsersuchen nationale Bestimmungen zum Gegenstand, nach denen ein Nachlass, der eine in Belgien belegene Immobilie umfasste, einer höheren Vermögensübergangsteuer unterlag als die Erbschaftsteuer, die erhoben worden wäre, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes in diesem Mitgliedstaat gewohnt hätte(34). In jenem Fall wurde die Vermögensübergangsteuer auf das gesamte der Erblasserin gehörende Vermögen in Belgien erhoben, ohne dass ihre Schulden gegenüber einem der Erben, die auf der betreffenden Immobilie lasteten, abgezogen werden konnten, da die Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes nicht in Belgien gewohnt hatte(35).
48. Das zweite Urteil, auf das im Urteil Welte eingegangen wird, nämlich das Urteil Mattner, betraf einen Rechtsstreit über die deutsche Regelung, die vor der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung galt. Sie sah vor, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage niedriger war – wenn der Schenker und der Beschenkte ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hatten – als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn einer von ihnen seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt hätte(36).
49. Das dritte Urteil, auf das der Gerichtshof im Urteil Welte Bezug nimmt, ist das Urteil vom 10. Februar 2011, Missionswerk Werner Heukelbach(37). Diese Entscheidung betraf eine nationale Regelung, welche die Möglichkeit, in den Genuss des ermäßigten Satzes der Erbschaftsteuer zu gelangen, Organisationen ohne Gewinnzweck vorbehielt, die ihren Geschäftssitz in Belgien oder dem Mitgliedstaat hatten, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes tatsächlich wohnte oder seinen Arbeitsort hatte oder in dem er vorher tatsachlich gewohnt oder seinen Arbeitsort gehabt hatte(38).
50. In diesen früheren Entscheidungen hing das Bestehen oder die Verringerung des steuerlichen Vorteils aus der Abzugsfähigkeit von Verbindlichkeiten, einem Freibetrag oder dem ermäßigten Steuersatz unmittelbar von der Voraussetzung eines Wohnsitzes im Mitgliedstaat der Erbschaftsteuer ab. Wenn also der Wert des Nachlasses für Gebietsansässige und Gebietsfremde gleich war, war die Steuerbemessungsgrundlage offensichtlich unterschiedlich, was wiederum die Bereicherung von Gebietsfremden entsprechend schmälerte und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs geeignet war, von Investitionen in dem betreffenden Mitgliedstaat abzuhalten(39).
51. Ich stelle im Übrigen fest, dass die Urteile Hünnebeck und Feilen, die im Jahr 2016 nach dem Urteil Welte ergangen sind, auf derselben Logik beruhen. Im Urteil Hünnebeck hat der Gerichtshof entschieden, „dass der Umstand, dass die Zusammenrechnung bei Schenkungen unter Gebietsfremden einen längeren Zeitraum erfasst als bei Schenkungen unter Beteiligung zumindest eines Gebietsansässigen, gegebenenfalls dazu führen kann, dass sich der Freibetrag der erstgenannten Kategorie von Schenkungen auf eine höhere Bemessungsgrundlage bezieht als derjenige der zweitgenannten Kategorie und dass damit die erstgenannte Kategorie von Schenkungen einer höheren Schenkungsteuer unterliegt als derjenigen, die im Rahmen der zweitgenannten Kategorie von Schenkungen zu entrichten ist. Ein solcher Mechanismus bewirkt eine Beschränkung des Kapitalverkehrs, weil er den Wert der Schenkung des betreffenden Vermögensgegenstands mindern kann“(40).
52. Im Urteil Feilen hat der Gerichtshof Folgendes festgestellt: „Nach dieser Regelung wird folglich der Vorteil der Ermäßigung der Erbschaftsteuer vom Ort der Belegenheit der zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände beim Vorerwerb von Todes wegen und vom Wohnsitz des Erblassers oder des Erben bei diesem Vorerwerb abhängig gemacht. Sie hat zur Folge, dass ein Nachlass, der Vermögensgegenstände enthält, die bei einem Vorerwerb von Todes wegen, bei dem keiner der Beteiligten seinen Wohnsitz in Deutschland hatte, in einem anderen Mitgliedstaat belegen waren, einer höheren Erbschaftsteuer unterliegt als ein Nachlass, der nur Vermögensgegenstände enthält, die bei einem Vorerwerb von Todes wegen in Deutschland belegen waren, oder aber in einem anderen Mitgliedstaat belegene Vermögensgegenstände, bei deren Vorerwerb von Todes wegen mindestens einer der Beteiligten in Deutschland wohnte.“(41)
53. Da die Regelung, um die es in den Urteilen Mattner und Welte ging, geändert wurde und sie im Fall der beschränkten Steuerpflicht vorsieht, dass die Höhe des Freibetrags vom Wert des der Erbschaftsteuer unterliegenden Inlandsvermögens abhängt, stellt sich die Frage, ob sich die vom Gerichtshof in diesen Entscheidungen vorgenommene Beurteilung übertragen lässt.
54. Davon gehe ich nicht aus. Erstens stelle ich fest, dass das vorlegende Gericht im Unterschied zu den Rechtssachen, in denen insbesondere die Urteile Welte und Feilen(42) ergangen sind, dem Gerichtshof keine Informationen vorgelegt hat, die die Annahme erlauben, dass der Wert des in Rede stehenden Nachlasses im Vergleich zu dem eines Nachlasses, der einen in Deutschland wohnenden Erblasser oder Erben betrifft, gemindert ist.
55. Zweitens ist meines Erachtens zu berücksichtigen, dass die fragliche Regelung für Gebietsfremde keinen festen Freibetrag mehr vorsieht, der deutlich niedriger ist als der für Gebietsansässige vorgesehene Freibetrag, was bei den meisten Erbschaften eindeutig zu einer unterschiedlichen steuerlichen Belastung führte(43). Folglich kann allein aus dem Wortlaut von § 16 ErbStG nicht mehr auf eine unterschiedliche Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden geschlossen werden, es sei denn, es wird lediglich festgestellt, dass die Höhe des Freibetrags, der in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad gewährt wird, im Fall einer unbeschränkten Steuerpflicht unveränderlich ist und nicht unter Berücksichtigung des ausschließlich in Deutschland belegenen Vermögens festgesetzt wird oder dass ein gebietsfremder Erbe eines gebietsfremden Erblassers in keinem Fall einen Freibetrag in derselben Höhe geltend machen kann wie der Freibetrag, der gewährt wird, wenn zumindest der Erbe oder der Erblasser gebietsansässig waren, unabhängig davon, wo sich die anderen Vermögensgegenstände der Erbschaft befinden.
56. Die Änderung von § 16 ErbStG rechtfertigt meines Erachtens, die letztendliche Steuerdifferenz zu ermitteln, die sich aus der fraglichen Regelung in ihrer Gesamtheit ergeben könnte, und zwar unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise(44), die dem vom nationalen Gesetzgeber verfolgten Ziel entspricht, nämlich das der deutschen Steuerhoheit unterliegende Nachlassvermögen nach seinem Wert ganz oder teilweise von der Erbschaftsteuer auszunehmen(45).
57. Mit anderen Worten ist in Anbetracht der im Urteil Welte angewandten Kriterien, auf die ich hingewiesen habe(46), im vorliegenden Fall konkret zu prüfen, ob wegen der Art der Berechnung der Höhe des persönlichen Freibetrags im Fall der beschränkten Steuerpflicht die steuerliche Belastung nicht derjenigen entspricht, die in vergleichbaren Situationen zu tragen ist(47).
58. In dieser Hinsicht gehen die Ansichten der Verfahrensbeteiligten auseinander. Die Kommission, die in ihren sehr allgemein gehaltenen schriftlichen Erklärungen die Auffassung vertreten hatte, dass „[a]uf den ersten Blick … die bloß anteilige Gewährung des Freibetrags an gebietsfremde Erben … eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar[stellt], die nach Artikel 63 AEUV grundsätzlich verboten ist“, hat sich in der mündlichen Verhandlung den Schlussfolgerungen angeschlossen, die aus den von der Klägerin mündlich vorgetragenen Beispielen gezogen wurden.
59. Die Klägerin hat folgendes Beispiel genannt: Ein Steuerpflichtiger, der wegen seines Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, vererbt ein in Deutschland belegenes Mietshaus im Wert von 400 000 Euro und ein in Deutschland belegenes privat genutztes Haus im Wert von 500 000 Euro an seine Tochter, die dort weiterhin wohnt. Der Erwerb von Todes wegen beläuft sich auf 900 000 Euro. Nach deutschem Erbrecht ist das Einfamilienhaus in Höhe von 500 000 Euro steuerfrei. Auf die verbleibende Steuerbemessungsgrundlage in Höhe von 400 000 Euro wird der der Tochter gewährte Freibetrag von 400 000 Euro angewandt. Die Tochter ist damit von der Steuer befreit. Die Klägerin hat diese Situation mit einem in den Niederlanden wohnhaften beschränkt Steuerpflichtigen verglichen. Dieser vererbt an seine ebenfalls in den Niederlanden wohnende Tochter ein in Deutschland belegenes Mietshaus im Wert von 400 000 Euro und ein von ihm genutztes, in den Niederlanden belegenes Wohnhaus im Wert von 500 000 Euro. Der Wert des Nachlasses beläuft sich auf insgesamt 900 000 Euro. Da das Auslandsvermögen nicht steuerpflichtig ist, beträgt die Steuerbemessungsgrundlage 400 000 Euro, mithin der Wert des in Deutschland belegenen Mietshauses. In diesem Fall der beschränkten Steuerpflicht wird der persönliche Freibetrag in Höhe von 400 000 Euro proportional zum Wert des Vermögens berechnet. Nach Abzug des Freibetrags bleiben 222 223 Euro. Die Erbschaftsteuer beträgt 11 %(48), was zu einer Steuer in Höhe von 24 444 Euro in Deutschland führt.
60. Ich habe Zweifel an der Stichhaltigkeit der aus diesem Vergleich gezogenen Schlussfolgerung, die sich der Klägerin zufolge wie folgt darstellt: Bei einem Vermögen gleichen Umfangs und einem gleichen Verwandtschaftsgrad, d. h. unter objektiv gleichen Umständen, führe dies dazu, dass in den genannten Beispielen der Staat in Deutschland im Fall der beschränkten Steuerpflicht 24 444 Euro mehr an Erbschaftsteuer erhebe als im Fall einer unbeschränkten Steuerpflicht.
61. Es ist nämlich die unterschiedliche Situation des zweiten zum Nachlass gehörenden Grundstücks und die unterschiedliche Besteuerung aufgrund der Befreiung des unbeschränkt steuerpflichtigen Erben zu beachten(49).
62. Mich hat hingegen die von der deutschen Regierung vorgetragene rechnerische Darlegung überzeugt, die in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen blieb und in den Rn. 54 bis 59 ihrer schriftlichen Erklärungen wie folgt dargestellt wird:
„54 Zur Veranschaulichung soll folgendes Beispiel dienen, in dem sich der Vermögensanfall wie folgt darstellt: Das der beschränkten Steuerpflicht unterliegende Vermögen beträgt 430 000 Euro und das nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegende ausländische Vermögen 570 000 Euro, mithin der gesamte Vermögensanfall 1 000 000 Euro.
55 Nach der Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG wird der persönliche Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG (von 400 000 Euro) entsprechend dem Anteil des nicht der deutschen Steuerpflicht unterliegenden Vermögens (570 000 Euro von 1 000 000 Euro) um 228 000 Euro (57 %) gekürzt. Der abziehbare Freibetrag beträgt folglich 172 000 Euro(50) (400 000 Euro - 228 000 Euro). Als steuerpflichtiger Erwerb ergibt sich vor Abzug der Nachlassverbindlichkeiten ein Betrag in Höhe von 258 000 Euro (430 000 Euro abzüglich 172 000 Euro). Dies entspricht einem Verhältnis des steuerpflichtigen Erwerbs zum beschränkt der deutschen Erbschaftsteuer unterliegenden übertragenen Vermögen in Höhe von 60 % (258 000 Euro von 430 000 Euro). Mit anderen Worten: Die (vorläufige) Steuerbemessungsgrundlage (vor Abzug von Nachlassverbindlichkeiten) beträgt 60 % des der Besteuerung unterliegenden Vermögens.
56 Würde hingegen der Freibetrag ungekürzt berücksichtigt werden, ergäbe sich als steuerpflichtiger Erwerb ein Betrag in Höhe von 30 000 Euro (430 000 Euro abzüglich 400 000 Euro). Das Verhältnis steuerpflichtiger Erwerb zum beschränkt der deutschen Erbschaftsteuer unterliegenden übertragenen Vermögen würde 6,97 % (30 000 Euro von 430 000 Euro) betragen; das der Besteuerung unterliegende Vermögen würde also nur zu 6,97 % besteuert. Bezogen auf den gesamten Vermögensanfall von 1 000 000 Euro würde das Verhältnis steuerpflichtiger Erwerb zum übertragenen Vermögen 3 % (30 000 Euro von 1 000 000 Euro) betragen.
57 Im Vergleich zur unbeschränkten Steuerpflicht würde sich dadurch eine erhebliche Besserstellung ergeben. Unterläge der Erwerb nämlich der unbeschränkten Steuerpflicht, wäre der gesamte Vermögensanfall, einschließlich des ausländischen Vermögens, zu berücksichtigen. Daraus würde sich ein steuerpflichtiger Erwerb vor Abzug von Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 600 000 Euro (1 000 000 Euro abzüglich 400 000 Euro) ergeben. Das Verhältnis des steuerpflichtigen Erwerbs zu dem der Steuerpflicht unterliegenden Vermögen würde dann ebenfalls 60 % (600 000 Euro von 1 000 000 Euro) betragen.
58 Die anteilige Kürzung des Freibetrags führt mithin dazu, dass das der Besteuerung unterliegende Vermögen zu demselben Prozentsatz in die Bemessungsgrundlage einfließt und damit gleich hoch besteuert wird wie im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht.
59 Das Fehlen einer Benachteiligung wird auch deutlich, wenn die Steuerbelastung der Klägerin des Ausgangsverfahrens mit den dort angegebenen Werten ohne Berücksichtigung weiterer Umstände (911 715 Euro)(51) mit der Steuerbelastung verglichen wird, der ein unbeschränkt steuerpflichtiger Erbe bei Erwerb desselben Vermögens und sonst gleichen Verhältnissen unterliegen würde: 2 126 575 Euro(52). Die Steuerbelastung entspricht sowohl bei beschränkter Steuerpflicht bei einem Wert des inländischen Vermögens von 4 970 000 Euro als auch bei der unbeschränkten Steuerpflicht und einem Wert des gesamten Vermögens von 11 592 598 Euro einem effektiven Steuersatz von 18,34 %.“
63. Ich weise außerdem darauf hin, dass der Umfang der seit dem 24. Juni 2017(53) geltenden Änderungen der nationalen Regelung im Licht der Begründung der Entscheidung des Gerichtshofs zur Vergleichbarkeit der Situationen in den Rn. 50 bis 53 des Urteils Welte(54) zu prüfen ist. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass der Umstand, dass die Bemessungsgrundlage bei der Erbschaft eines gebietsfremden Erben, der in Deutschland beschränkt erbschaftsteuerpflichtig ist, grundsätzlich niedriger ist als die bei einem gebietsansässigen oder gebietsfremden Erben, der in diesem Mitgliedstaat unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig ist, nicht die Feststellung in Frage stellt, dass sich der Wohnsitz nicht auf die Steuerklasse und den Steuersatz auswirkt, da sich die Höhe des in der fraglichen Regelung vorgesehenen Freibetrags keineswegs je nach dem Betrag der Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer ändert, sondern unabhängig von diesem Betrag gleich bleibt.
64. Der Gerichtshof hat in Rn. 55 des Urteils Welte festgestellt, dass die Höhe des Freibetrags nicht von der Höhe der Steuerbemessungsgrundlage abhängig war, sondern dem Erben aufgrund seiner Eigenschaft als Steuerpflichtiger zuerkannt wurde, und daher entschieden, dass es im Hinblick auf diesen Freibetrag keinen Unterschied zwischen der Situation eines gebietsansässigen Erben einerseits und eines gebietsfremden Erben andererseits gab.
65. Diese Begründung ist, wie das vorlegende Gericht angedeutet hat, mit der von Generalanwalt Mengozzi in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Welte(55) vorgenommenen Analyse des Falles vergleichbar, in dem Herrn Welte der volle Freibetrag zugestanden hätte, obwohl der in Deutschland besteuerte Teil des Nachlasses, den er geerbt hatte, anders als im Allgemeinen bei rein innerstaatlichen Sachverhalten unbeschränkt Steuerpflichtiger nicht den Gesamtbetrag der Erbschaft darstellte. Er bewertet dies wie folgt: „Diese Frage ist nach meiner Auffassung zu bejahen. [Mir scheint] nämlich … die Situation von Herrn Welte nicht wesentlich anders zu sein als die eines in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen, der in einem in Deutschland eröffneten Nachlassverfahren seinen Ehegatten, der zum Zeitpunkt seines Todes ebenfalls in Deutschland wohnte, beerbt, wenn diese Erbschaft aus nur einer Immobilie besteht[(56)]. Unter im Übrigen gleichen Umständen wäre einem solchen Gebietsansässigen aber der gesamte Freibetrag gewährt worden, und er müsste für den Erwerb dieses Vermögensgegenstands keine Erbschaftsteuer zahlen.“
66. Im vorliegenden Fall ist es seit der Änderung der deutschen Regelung, die Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofs im Urteil Welte war, objektiv eindeutig, dass, wenn der Nachlass nur aus in Deutschland belegenem Grundvermögen besteht, die steuerliche Belastung eines Nachlasses, an dem nur Gebietsfremde oder zumindest ein Gebietsansässiger beteiligt sind, gleich hoch ist. In einer Situation, in der zu dem Nachlass auch außerhalb Deutschlands belegene Vermögensgegenstände gehören, ist die steuerliche Belastung des Erben dieselbe, unabhängig davon, ob er in Deutschland wohnt oder nicht(57). Wenn außerdem keines der zum Nachlass gehörenden Grundstücke in Deutschland belegen ist, stellt sich die Frage nach dem einem gebietsfremden Erben gewährten Freibetrag nicht. Im Übrigen kann in jeder Phase der Untersuchung dahinstehen, welche steuerliche Belastung in einem solchen Fall in dem anderen betroffenen Staat vorgesehen ist(58).
67. Gleichwohl sollten jedoch, wie verschiedene in der deutschen Rechtsliteratur vertretene Meinungen zeigen, die die Vereinbarkeit der fraglichen Regelung mit Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV zurückhaltend sehen, auch andere Argumente berücksichtigt werden als diejenigen, die dem Gerichtshof zur Beurteilung vorgelegt wurden(59).
68. Sie bestätigen meines Erachtens nämlich, dass die Feststellung einer unterschiedlichen Behandlung in Bezug auf die Erbschaftsteuer(60) auf einer umfassenden Untersuchung des Steuersystems und aller Faktoren, die für die Berechnung des effektiven Steuersatzes(61) der Bereicherung des Erben herangezogen werden, beruhen muss, unter Berücksichtigung ihres einmaligen Charakters und des Fehlens eines Zusammenhangs mit der Tätigkeit des Erben.
69. Unter diesen Umständen bin ich vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung der Ansicht, dass die in Rede stehende nationale Regelung, soweit sie für die Berechnung der Höhe des einem gebietsfremden Erben gewährten Freibetrags eine proportionale Regelung vorsieht, keine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 AEUV darstellt.
70. Sollte der Gerichtshof jedoch allein aufgrund der Feststellung(62), dass der Freibetrag ein von der familienrechtlichen Beziehung zwischen dem Erblasser und dem steuerpflichtigen Erben abhängiger steuerlicher Vorteil ist, dessen Höhe im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht ohne Berücksichtigung des Wertes des Nachlasses festgesetzt wird, zu der Auffassung gelangen, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung im Fall der beschränkten Steuerpflicht zu einer weniger günstigen Behandlung des Erben führt, die geeignet ist, nicht in Deutschland ansässige Personen von Investitionen in diesem Mitgliedstaat abzuhalten und damit den freien Kapitalverkehr einzuschränken, wäre dann zu prüfen, ob diese unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist(63).
2. Zum Vorliegen einer objektiv vergleichbaren Situation
71. Im Urteil Welte hat der Gerichtshof festgestellt, dass die fragliche Regelung Erwerbe von Todes wegen – außer in Bezug auf die Höhe des Freibetrags, den der Erbe gegebenenfalls in Anspruch nehmen konnte – gleich behandelte, unabhängig davon, ob die Erben oder der Erblasser gebietsansässig waren oder nicht(64).
72. Er hat das Vorbringen zurückgewiesen, dass die Steuerbemessungsgrundlage den gesamten Nachlass oder nur das in Deutschland belegene Grundvermögen umfasse, da die Höhe des Freibetrags in beiden Fällen gleich blieb(65). Er hat sich auch darauf gestützt, dass die Eigenschaft als Steuerpflichtiger nicht vom Wohnsitz abhängig ist(66), dass der Freibetrag auf die Herabsetzung der Gesamthöhe der Erbschaft abzielt(67) und dass er dem Erben aufgrund seiner Eigenschaft als Steuerpflichtiger zuerkannt wird(68).
73. Der Gerichtshof hat hieraus abgeleitet, dass „die beschränkte Steuerpflicht des gebietsfremden Erben eines gebietsfremden Erblassers kein Umstand [ist], der im Hinblick auf den Freibetrag zu einem objektiven Unterschied zwischen der Situation dieses Erben einerseits und der Situation eines gebietsfremden Erben eines gebietsansässigen Erblassers oder der eines gebietsansässigen Erben eines gebietsansässigen oder gebietsfremden Erblassers andererseits führen könnte“(69) und dass folglich „die Situation von Herrn Welte … mit der Situation jedes Erben vergleichbar [ist], der eine in Deutschland belegene Immobilie von Todes wegen von einem Erblasser erwirbt, der in diesem Mitgliedstaat seinen Wohnsitz hatte und dessen Ehegatte er war, sowie mit der Situation eines in Deutschland wohnenden Erben, der eine solche Immobilie von einem nicht in diesem Mitgliedstaat wohnenden Erblasser, der sein Ehegatte war, erwirbt“(70).
74. In dem Fall, dass das Nachlassvermögen nur in Deutschland belegenes Inlandsvermögen umfasste, betraf nämlich der einzige Unterschied, der sich aus der im Urteil Welte in Rede stehenden Regelung zwischen den Erben je nach ihrem Wohnsitz oder dem des Erblassers ergab, die Höhe des Freibetrags, und zwar 2 000 Euro für Gebietsfremde und 500 000 Euro für Gebietsansässige(71).
75. Die Entscheidung des Gerichtshofs im Urteil Welte lässt sich daher meines Erachtens nicht auf die Situation übertragen, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, da andernfalls die Anpassung des steuerlichen Vorteils an die tatsächliche Belastung des Steuerpflichtigen, die je nach seinem Wohnsitz oder dem des Erblassers unterschiedlich ist, nicht berücksichtigt würde. Die proportionale Höhe des Freibetrags entspricht nämlich dem Umfang der endgültigen Bereicherung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden, die der Erbschaftsteuer(72) innerhalb der Grenzen der Steuerhoheit Deutschlands(73) unterliegt, d. h. das Weltvermögen bei Gebietsansässigen und ein Teil des übertragenen Vermögens bei Gebietsfremden. Insoweit verweise ich auf meine obigen Ausführungen(74).
76. Dementsprechend schlage ich dem Gerichtshof hilfsweise vor, zu entscheiden, dass in einem Steuersystem, in dem die Höhe des Freibetrags nach dem Umfang der Steuerpflicht bestimmt wird, die Situationen nicht objektiv vergleichbar sind(75).
77. Eine andere Lösung, die im Einklang mit dem Urteil Welte stünde, würde daher die Annahme voraussetzen, dass die Situation eines gebietsfremden Erben eines gebietsfremden Erblassers grundsätzlich mit der eines gebietsansässigen Erben oder Erblassers vergleichbar ist, und zwar wegen des Besteuerungssystems, in dem die Eigenschaft als Steuerpflichtiger nicht vom Wohnsitz abhängig ist und die Steuerklasse sowie der Freibetrag allein aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses bestimmt werden.
78. In einem solchen Fall müsste der Gerichtshof dann prüfen, ob eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses objektiv gerechtfertigt werden kann, wie die deutsche Regierung hilfsweise geltend macht.
3. Zum Vorliegen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses
79. Die deutsche Regierung macht geltend, die fraglichen Regelungen seien aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt, nämlich zur Wahrung der Kohärenz der deutschen Erbschaftsteuerregelungen und zur Gewährleistung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten.
80. Was die auf den Grundsatz der steuerlichen Kohärenz gestützte Rechtfertigung angeht(76), die der Gerichtshof bereits anhand der Rechtsvorschriften geprüft hat, die der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung vorausgingen, so hält der Gerichtshof sie für unbegründet, weil „die Feststellung [genügt], dass der steuerliche Vorteil, der sich in dem Mitgliedstaat, in dem die Immobilie belegen ist, die den Gegenstand eines Erwerbs durch Erbanfall bildet, daraus ergibt, dass ein unverminderter Freibetrag von der Bemessungsgrundlage abgezogen wird, sofern an diesem Erwerb mindestens eine Person mit Wohnsitz im Inland beteiligt ist, in diesem Staat durch keine bestimmte steuerliche Belastung im Rahmen der Erbschaftsteuer ausgeglichen wird“(77).
81. Im vorliegenden Fall beruft sich die deutsche Regierung im Wesentlichen auf die Entscheidung des Gerichtshofs im Urteil Feilen(78). Sie macht im Wege der Analogie geltend, das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem gekürzten Freibetrag und dem Satz, zu dem der Vermögensanfall der deutschen Erbschaftsteuer unterliege, folge einer spiegelbildlichen Logik.
82. Die Entscheidung des Gerichtshofs in diesem Urteil bezog sich jedoch auf einen Sachverhalt, der sich von dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden deutlich unterschied und in dem die fragliche Regelung die Erben nur für die Ermäßigung der Erbschaftsteuer bei einem mehrfachen Erwerb unterschiedlich behandelte, je nachdem, ob sich die Vermögensgegenstände bei dem Vorerwerb im nationalen Hoheitsgebiet befunden hatten und ob die Beteiligten dieses Vorerwerbs in diesem Gebiet wohnten(79).
83. In einem solchen Fall ist der Ausgleich des steuerlichen Vorteils durch eine bestimmte steuerliche Belastung offensichtlich. Dies ist bei einer Freibetragsregelung, die darauf abzielt, die Erben in den meisten Fällen ohne Gegenleistung von jeder Besteuerung freizustellen, nicht der Fall. Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass diese steuerliche Logik auf die Erhebung von Erbschaftsteuer bei einem vorherigen Erbanfall in demselben Mitgliedstaat zurückzuführen war(80). Da die deutsche Regierung keine substantiierten Argumente dafür vorträgt, weshalb sie der Ansicht ist, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation Besonderheiten aufweist, die es erlauben, von der Analyse des Gerichtshofs im Urteil Welte abzuweichen, schlage ich dem Gerichtshof folglich vor, festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden kann, die Kohärenz der deutschen Steuerregelung zu wahren.
84. Was die auf das Territorialitätsprinzip und die behauptete Notwendigkeit der Gewährleistung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten gestützte Rechtfertigung angeht, so hat der Gerichtshof entschieden, dass es sich um ein legitimes Ziel handelt(81), aber eine solche Rechtfertigung unbegründet ist, wenn sich die Ungleichbehandlung allein aus der Anwendung der fraglichen nationalen Regelung ergibt oder wenn nicht nachgewiesen wird, dass die unterschiedliche Behandlung erforderlich ist, um die Besteuerungsbefugnis des betreffenden Mitgliedstaats zu gewährleisten(82).
85. Im vorliegenden Fall macht die deutsche Regierung geltend, mangels unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen im Bereich der Erbschaftsteuer habe Deutschland von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Kriterien für die Aufteilung der Steuerhoheit bei Erbschaften mit grenzüberschreitenden Elementen einseitig festzulegen. Deutschland habe sich dabei an international anerkannten Besteuerungsprinzipien orientiert(83) und unterscheide zwischen Fällen unbeschränkter Steuerpflicht, die den weltweiten Vermögensanfall umfasse, und Fällen beschränkter Steuerpflicht, die nur den Erwerb qualifizierten Inlandsvermögens umfasse. Diese Aufteilung verfolge zugleich das Ziel, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden(84) oder zu beseitigen(85), als auch eine teilweise doppelte Nichtbesteuerung des Vermögensanfalls zu vermeiden.
86. Meines Erachtens weist die deutsche Regierung nach, dass die unterschiedliche Behandlung erforderlich ist, um die Besteuerungsbefugnis Deutschlands zu gewährleisten, und im Hinblick auf das verfolgte Ziel verhältnismäßig ist, da die unterschiedliche Steuerbemessungsgrundlage berücksichtigt wird.
87. Dabei ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Gewährung der persönlichen Freibeträge dem prozentualen Anteil des der deutschen Erbschaftsteuer unterliegenden Vermögens folgt und damit die Besteuerungshoheit Deutschlands in Bezug auf Gebietsfremde im Vergleich zu Gebietsansässigen widerspiegelt.
88. Hieraus folgt meines Erachtens hilfsweise, dass die Beschränkung des Kapitalverkehrs, die sich aus einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ergibt, durch das Territorialitätsprinzip gerechtfertigt ist.
B. Zur zweiten Vorlagefrage
89. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die im Fall der auf das inländische Grundvermögen begrenzten beschränkten Steuerpflicht, wenn weder der Erblasser noch der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats seinen Wohnsitz hatte, vorsieht, dass die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen nicht, auch nicht anteilig, vom Wert des Erwerbs von Todes wegen abziehbar sind, während diese Verbindlichkeiten im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht, wenn zumindest der Erblasser oder der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls seinen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat gehabt hätte, vollständig abziehbar wären.
90. Die deutsche Regierung räumt ein, dass die in Rede stehende Regelung eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellt.
91. Wie nämlich das vorlegende Gericht ausgeführt hat, kann die Klägerin nicht gemäß § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG die von ihr zu erfüllenden Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen ihrer Mutter und ihres Bruders als Nachlassverbindlichkeiten von dem Erwerb von Todes wegen abziehen. Nach dieser Bestimmung sind daher im Fall der beschränkten Steuerpflicht nur solche Schulden und Lasten abzugsfähig, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den besteuerten Vermögensgegenständen stehen(86).
92. Außerdem gibt das vorlegende Gericht an, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der von § 10 Abs. 6 Sätze 1 und 2 ErbStG vorausgesetzte wirtschaftliche Zusammenhang nicht zwischen bestimmten zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen und dem Pflichtteil bestehe, auch wenn dieser nach dem Wert des Nachlasses bemessen werde(87).
93. Unter diesen Umständen ist, wie bereits ausgeführt, damit eine nationale Steuerregelung als mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden kann, zu prüfen, ob die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist(88).
1. Zum Vorliegen einer objektiv vergleichbaren Situation
94. Wie die deutsche Regierung und die Kommission geltend gemacht haben, ist die in Rede stehende Regelung mit derjenigen vergleichbar, die der Gerichtshof im Urteil Arens-Sikken geprüft hat. In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, sah die nationale Regelung nämlich vor, dass die aus einer Mehrzuteilung infolge einer testamentarischen Nachlassaufteilung der Eltern resultierenden Verbindlichkeiten bei der Festsetzung der Vermögensübergangsteuer für die vererbte Immobilie nicht abgezogen werden konnten, wenn der Erblasser seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt seines Todes in einem anderen Mitgliedstaat als dem betroffenen Mitgliedstaat hatte(89).
95. Der Gerichtshof hat insbesondere das Vorbringen untersucht, wonach zunächst die aus der Mehrzuteilung resultierenden Verbindlichkeiten nicht als unmittelbar mit der Immobilie zusammenhängend im Sinne der Urteile vom 12. Juni 2003, Gerritse(90), und vom 11. Dezember 2003, Barbier(91), betrachtet werden dürften, sodann diese Verbindlichkeiten keine Nachlassschulden seien, sondern vom hinterbliebenen Ehegatten übernommene Schulden, die nach dem Tod des Erblassers kraft des von diesem hinterlassenen Testaments entstanden seien, und schließlich diese Schulden die Immobilie nicht belastet hätten und die Gläubiger des hinterbliebenen Ehegatten, den die aus der Mehrzuteilung resultierenden Verbindlichkeiten träfen, kein dingliches Recht an dieser Immobilie geltend machen könnten(92).
96. Zwar hat der Gerichtshof in der Rechtssache, in der das Urteil Arens-Sikken ergangen ist, festgestellt, dass die aus der Mehrzuteilung resultierenden Verbindlichkeiten mit der in Rede stehenden Immobilie in einem Zusammenhang standen, er hat jedoch die Frage offengelassen, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den aus der Mehrzuteilung resultierenden Verbindlichkeiten und der zum Nachlass gehörenden Immobilie bestand. Er hielt es für ausreichend, die aus der fraglichen Regelung resultierende unterschiedliche Behandlung zu prüfen, die zu einer unterschiedlichen Aufteilung der steuerlichen Belastung der verschiedenen Erben führte, je nachdem, ob der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes in dem betreffenden Mitgliedstaat wohnhaft war oder nicht dort wohnte(93).
97. Ich schließe hieraus, dass der Gerichtshof, entgegen der Behauptung der deutschen Regierung, im Hinblick auf die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen nicht wie im Urteil Eckelkamp u. a.(94) entschieden hat, dass es Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist, festzustellen, ob zwischen den geltend gemachten Verbindlichkeiten und den besteuerten Vermögensgegenständen ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.
98. Die deutsche Regierung macht geltend, nach der nationalen Rechtsprechung(95) belaste der Pflichtteilsanspruch das Erbe als Ganzes und damit fehle es an einem Zusammenhang zwischen den Gegenständen des Inlandsvermögens und diesen Verbindlichkeiten. Außerdem diene die fehlende Abzugsfähigkeit von Verbindlichkeiten ohne wirtschaftlichen Zusammenhang mit besteuerten Vermögensgegenständen bei beschränkter Steuerpflicht der Erreichung des mit § 10 ErbStG verfolgten Ziels, nach dem nur der von dem Vermögensanfall ausgelöste Nettovermögenszuwachs als Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer herangezogen werden könne.
99. Diese Argumente zur Stützung der Behauptung der fehlenden Vergleichbarkeit der Situationen, die im Wesentlichen mit den Argumenten der spanischen Regierung identisch sind, soweit sie die Unterschiede bei der Steuerbemessungsgrundlage betreffen, sind nicht überzeugend. Wie die Kommission stelle ich nämlich fest, dass in einer Situation, in der der Nachlass nur aus einer in Deutschland belegenen Immobilie besteht, die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsansprüchen abzugsfähig sind, wenn der Erbe oder der Erblasser gebietsansässig ist, und nicht abzugsfähig sind, wenn keiner von beiden gebietsansässig ist. Folgt man also derselben Logik wie bei der Anwendung des Freibetrags auf das Nachlassvermögen(96), muss ein Zusammenhang zwischen der Bereicherung des Erben, seiner Besteuerung und dem gewährten steuerlichen Vorteil bestehen. Andernfalls bezieht sich die Besteuerung auf einen nicht übertragenen Anteil am Wert des Vermögens oder, mit anderen Worten, auf einen nicht konkret vorhandenen Bereicherungsanteil.
100. Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, entsprechend der im Urteil Arens-Sikken(97) vorgenommenen Auslegung zu entscheiden, dass eine nationale Regelung, die für die Zwecke der Besteuerung einer im Wege der Erbfolge erworbenen Immobilie, die im betreffenden Mitgliedstaat belegen ist, die Erben einer zum Zeitpunkt ihres Todes gebietsansässigen Person und diejenigen einer zu diesem Zeitpunkt gebietsfremden Person auf die gleiche Stufe stellt, die Erben im Rahmen dieser Besteuerung in Bezug auf die Abziehbarkeit der auf dem Nachlass ruhenden Belastungen nicht unterschiedlich behandeln kann, ohne eine Diskriminierung zu schaffen.
2. Zum Vorliegen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses
101. Hilfsweise macht die deutsche Regierung geltend, die in Rede stehende nationale Regelung sei durch dieselben zwingenden Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt wie diejenigen, die sie in Bezug auf den Freibetrag vorgetragen habe(98). Sie ist vor allem der Ansicht, die Anwendung einer anderen Regelung für den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten sei mit der Steuerbemessungsgrundlage in Deutschland vereinbar.
102. Wie bei der Frage des Freibetrags verweist die deutsche Regierung in Bezug auf die Wahrung der steuerlichen Kohärenz auf das Urteil Feilen und macht lediglich geltend, dass die Ermäßigung nur in den Fällen gewährt werden könne, in denen das betreffende Vermögen in Deutschland besteuert werde.
103. Zum einen verweise ich auf meine Ausführungen zur Übertragbarkeit dieses Urteils auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, die auch für die Abzugsfähigkeit von Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen gelten(99). Zum anderen stelle ich hinsichtlich des Ausgleichs, den der Gerichtshof als Kriterium heranzieht, wenn die Kohärenz des Steuersystems geltend gemacht wird(100), fest, dass die deutsche Regierung dem Gerichtshof keine Anhaltspunkte für seine Beurteilung vorgelegt hat.
104. Entsprechend der Entscheidung des Gerichtshofs im Urteil Eckelkamp u. a.(101) ist jedoch festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung den Abzug der Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen schlicht und einfach ausschließt(102), selbst wenn der gesamte steuerpflichtige Nachlass in Deutschland belegen ist, ohne dass andere Umstände als der Wohnsitz des Erblassers oder des Erben, wenn dieser außerhalb Deutschlands belegen ist, berücksichtigt werden.
105. Im Hinblick auf das Territorialitätsprinzip und die Notwendigkeit der Gewährleistung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten, auf die sich die deutsche Regierung beruft, macht sie geltend, der Abzug einer solchen Verbindlichkeit würde weiter reichen als die Besteuerungshoheit Deutschlands und es müsse ein möglicher doppelter Abzug der Verbindlichkeit berücksichtigt werden.
106. Der Gerichtshof hat jedoch im Rahmen seiner Rechtsprechung zum freien Kapitalverkehr und zu den Erbschaftsteuern festgestellt, dass ein Bürger das Recht, sich auf die Bestimmungen des Vertrags zu berufen, nicht dadurch verliert, dass er steuerliche Vorteile nutzt, die ihm nach den in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Wohnstaat geltenden Vorschriften legal offenstehen(103), wenn es kein Doppelbesteuerungsabkommen gibt(104).
107. Im vorliegenden Fall ist daran zu erinnern, dass es zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich kein bilaterales Abkommen in Bezug auf die Besteuerung von Erbschaften gibt(105).
108. Daher bin ich der Auffassung, dass der Mitgliedstaat, in dem die zum Nachlass gehörende Immobilie belegen ist, sich zur Rechtfertigung einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, die auf seiner Regelung beruht, nicht auf eine von seinem Willen unabhängige, dem Erben gewährte Möglichkeit eines steuerlichen Vorteils berufen kann, den ein anderer Mitgliedstaat wie etwa der, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes gewohnt hat, gewährt und die ganz oder teilweise die Benachteiligung ausgleichen kann, die der Erbe des Erblassers erleidet, weil in dem Mitgliedstaat, in dem die als Erbe hinterlassene Immobilie belegen ist, bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen nicht abzugsfähig sind(106).
109. Ich bin daher der Ansicht, dass der Umstand, dass für Gebietsfremde im Inland der Abzug der Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen vom Wert des Nachlasses im Fall der beschränkten Steuerpflicht systematisch ausgeschlossen ist, ohne Berücksichtigung, auch nicht anteilig, der Steuerbemessungsgrundlage, obwohl diese nach § 10 Abs. 1 ErbStG für die Feststellung der Bereicherung des Erben festgelegt wird, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 AEUV darstellt, die nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.
V. Ergebnis
110. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Finanzgerichts Düsseldorf (Deutschland) wie folgt zu beantworten:
1. Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Erbschaftsteuer nicht entgegenstehen, die im Fall der auf das inländische Grundvermögen begrenzten beschränkten Steuerpflicht, wenn weder der Erblasser noch der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats seinen Wohnsitz hatte, einen persönlichen Freibetrag vorsieht, der proportional zu dem der Erbschaftsteuer dieses Mitgliedstaats unterliegenden Vermögensanteil im Verhältnis zum gesamten Vermögensanfall berechnet wird, während dieser Freibetrag im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht, wenn zumindest der Erblasser oder der Erbe seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt des Erbfalls in dem betreffenden Mitgliedstaat hatte, nicht begrenzt ist.
2. Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die im Fall der auf das inländische Grundvermögen begrenzten beschränkten Steuerpflicht, wenn weder der Erblasser noch der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats seinen Wohnsitz hatte, vorsieht, dass die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen nicht, auch nicht anteilig, vom Wert des Erwerbs von Todes wegen abziehbar sind, während diese Verbindlichkeiten im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht, wenn zumindest der Erblasser oder der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls seinen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat gehabt hätte, vollständig abziehbar wären.