Language of document : ECLI:EU:T:2015:476

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

8. Juli 2015(*)

„Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Ausschreibungsverfahren – EDV-Dienste – Software-Entwicklung, Pflege, Beratung und Unterstützung für verschiedene Typen von IT-Anwendungen – Einstufung des Angebots eines Bieters in der Kaskade für verschiedene Lose und Einstufung von Angeboten anderer Bieter – Begründungspflicht – Vergabekriterium – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Außervertragliche Haftung“

In der Rechtssache T‑536/11

European Dynamics Luxembourg SA mit Sitz in Ettelbrück (Luxemburg),

European Dynamics Belgium SA mit Sitz in Brüssel (Belgien),

Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE mit Sitz in Athen (Griechenland),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte N. Korogiannakis, M. Dermitzakis und N. Theologou,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, Prozessbevollmächtigte: zunächst S. Delaude und V. Savov, dann S. Delaude als Bevollmächtigte im Beistand von O. Graber‑Soudry, Solicitor,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung des Amtes für Veröffentlichungen der Europäischen Union vom 22. Juli 2011, die Klägerinnen für ihre Angebote auf die Ausschreibung AO 10340 betreffend die EDV-Dienste − Software-Entwicklung, Pflege, Beratung und Unterstützung für verschiedene Typen von IT‑Anwendungen (ABl. 2011/S 66-106099) auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 1, auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 4 und auf den zweiten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 3 einzustufen, sowie der Entscheidungen über die Vergabe entsprechender Aufträge an andere Bieter, soweit sie deren Einstufung betreffen, und andererseits wegen Schadensersatz

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters O. Czúcz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Richterin I. Pelikánová und des Richters A. Popescu (Berichterstatter),

Kanzler: L. Grzegorczyk, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2014

folgendes

Urteil (1)

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Mit einer am 5. April 2011 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2011/S 66-106099) veröffentlichten und im Amtsblatt (ABl. 2011/S 70-113065) berichtigten Bekanntmachung leitete das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union die Ausschreibung AO 10340 („EDV-Dienste – Software-Entwicklung, Pflege, Beratung und Unterstützung für verschiedene Typen von IT‑Anwendungen“) ein.

2        Nach der Bekanntmachung waren die fraglichen EDV-Dienste in vier Lose aufgeteilt, von denen die vorliegende Klage die folgenden Lose betrifft:

–        Los Nr. 1 („Support und spezialisierte Verwaltungsanwendungen“);

–        Los Nr. 3 („Produktions- und Empfangsketten“);

–        Los Nr. 4 („Beratungs- und Hilfsdienste in Bezug auf die Verwaltung von Informationstechnologieprojekten“).

3        Ziel der Ausschreibung war es, für jedes der Lose neue Dienstleistungsrahmenverträge abzuschließen, die die auslaufenden Rahmenverträge ersetzen sollten.

4        In den Ausschreibungsunterlagen hatte das Amt für Veröffentlichungen klargestellt, dass die Bieter für jedes Los anhand eines „Kaskadenmechanismus“ (im Folgenden: Kaskade) ausgewählt und für jedes Los Rahmenverträge für eine Dauer von vier Jahren mit denjenigen Bietern geschlossen würden, die die drei besten Angebote eingereicht hätten. Bei der Vergabe der einzelnen Aufträge für jedes Los sollte der Wirtschaftsteilnehmer, dessen Angebot als jenes mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis erachtet würde, das erste Angebot erhalten. Sollte dieser erste Wirtschaftsteilnehmer nicht in der Lage sein, die verlangte Dienstleistung zu erbringen oder daran nicht interessiert sein, würde der zweitbeste Wirtschaftsteilnehmer kontaktiert. Sollte dieser nicht in der Lage sein, die verlangte Dienstleistung zu erbringen oder daran nicht interessiert sein, würde der drittbeste Wirtschaftsteilnehmer kontaktiert.

5        In Abschnitt 2.1 der Ausschreibungsunterlagen war vorgesehen, dass die Bewertung der Angebote drei hauptsächliche Phasen umfasste: eine erste Phase, während deren die Ausschlusskriterien zur Anwendung kommen sollten (Abschnitt 2.5 der Ausschreibungsunterlagen), eine zweite Phase, während deren die Auswahlkriterien angewendet werden sollten (Abschnitt 2.6 der Ausschreibungsunterlagen) und eine dritte Phase, im Lauf deren eine technische und finanzielle Bewertung des Angebots im Hinblick auf die Vergabekriterien stattfinden sollte (Abschnitte 2.7 und 2.8 der Ausschreibungsunterlagen).

6        Im Hinblick auf die technische Bewertung sahen die Ausschreibungsunterlagen in Abschnitt 2.7.2 für die Lose Nrn. 1 und 3 folgende fünf Vergabekriterien vor:

–        Kriterium 1: „Gesamtqualität der Präsentation der Antwort des Bieters“ (im Folgenden für das Los Nr. 1: Kriterium 1.1 und für das Los Nr. 3: Kriterium 3.1) (höchste Punktzahl: 5 von 100);

–        Kriterium 2: „Vorgehen des Bieters im Hinblick auf die Qualitätssicherung und die Verwaltung des Projekts während der Durchführung des Vertrags (im Folgenden für das Los Nr. 1: Kriterium 1.2 und für das Los Nr. 3: Kriterium 3.2) (höchste Punktzahl: 40 von 100);

–        Kriterium 3: „Technische Vorteile des für die Durchführung der Aufgaben vorgesehenen Personals“ (im Folgenden für das Los Nr. 1: Kriterium 1.3 und für das Los Nr. 3: Kriterium 3.3) (höchste Punktzahl: 25 von 100);

–        Kriterium 4: „Vorschlag des Bieters im Hinblick auf eine Wiederholung und eine Übertragung“ (im Folgenden für das Los Nr. 1: Kriterium 1.4 und für das Los Nr. 3: Kriterium 3.4) (höchste Punktzahl: 10 von 100);

–        Kriterium 5: „Vorschlag des Bieters für eine Vereinbarung über das Niveau der Dienstleistung“ (im Folgenden für das Los Nr. 1: Kriterium 1.5 und für das Los Nr. 3: Kriterium 3.5) (höchste Punktzahl: 20 von 100).

7        Im Hinblick auf die technische Bewertung sahen die Ausschreibungsunterlagen in Abschnitt 2.7.2 für das Los Nr. 4 folgende drei Vergabekriterien vor:

–        Kriterium 1: „Gesamtqualität der Präsentation der Antwort des Bieters“ (im Folgenden: Kriterium 4.1) (höchste Punktzahl: 5 von 100);

–        Kriterium 2: „Vorgehen des Bieters im Hinblick auf die Qualitätssicherung und die Verwaltung des Projekts während der Durchführung des Vertrags“ (im Folgenden: Kriterium 4.2) (höchste Punktzahl: 55 von 100);

–        Kriterium 3: „Technische Vorteile des für die Durchführung der Aufgaben vorgesehenen Personals“ (im Folgenden: Kriterium 4.3) (höchste Punktzahl: 40 von 100).

8        Für jedes der Lose ergaben die Vergabekriterien insgesamt 100 Punkte. Nur jene Angebote, die mindestens die Hälfte der Punkte für jedes Kriterium und ein Mindestgesamtergebnis von 65 Punkten erreicht hatten, konnten bei der Vergabe der Aufträge berücksichtigt werden. Die Angebote waren einzeln zu bewerten, um festzustellen, inwieweit sie jeweils den aufgeführten Anforderungen entsprachen. Ausgewählt wurde das Angebot, das das beste Preis-Leistungs-Verhältnis aufwies. Die Qualität, d. h. die technische Bewertung, machte 50 % und der Preis, d. h. die finanzielle Bewertung, weitere 50 % aus (Abschnitt 2.9 der Ausschreibungsunterlagen).

9        Am 17. Mai 2011 reichten die Klägerinnen, die European Dynamics Luxembourg SA, die European Dynamics Belgium SA und die Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE, als Konsortium Angebote für die Lose Nrn. 1, 3 und 4 ein.

10      Am 1. Juli 2011 wurde gemäß Art. 147 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 357, S. 1, im Folgenden: Durchführungsbestimmungen) der Bewertungsbericht für die Lose Nrn. 1 und 4 und am 4. Juli 2011 für das Los Nr. 3 erstellt.

11      Am 13. Juli 2011 gab der Ausschuss für Beschaffung und Aufträge, ein beratendes Organ des Amtes für Veröffentlichungen im Bereich der öffentlichen Aufträge, wie von den Bewertungsausschüssen in ihren Berichten empfohlen, eine befürwortende Stellungnahme zu der Vergabeentscheidung für die Lose Nrn. 1, 3 und 4 ab. Am 14. Juli 2011 erließ der nachgeordnet bevollmächtigte Anweisungsbefugte nach Maßgabe dieser Stellungnahme und der Empfehlungen des Bewertungsausschusses die Vergabeentscheidung.

12      Am 18. Juli 2011 erließ der Bewertungsausschuss in Bezug auf die Bewertung von Los Nr. 1 eine Berichtigung seines ursprünglichen Berichts von 1. Juli 2011. Am 21. Juli 2011 übermittelte der Ausschuss für Beschaffung und Aufträge des Amtes für Veröffentlichungen eine Mitteilung an den nachgeordnet bevollmächtigten Anweisungsbefugten, worin er ihn über die Berichtigung seiner Stellungnahme vom 13. Juli 2011 in Bezug auf das Los Nr. 1 in Kenntnis setzte. Am 22. Juli 2011 wurde vom nachgeordnet bevollmächtigten Anweisungsbefugten wegen eines Berechnungsfehlers in dem Bewertungsbericht für das Los Nr. 1 eine berichtigte Vergabeentscheidung erlassen.

13      Mit Schreiben vom 22. Juli 2011 setzte das Amt für Veröffentlichungen die Klägerinnen von der Einstufung ihrer Angebote für jedes der maßgeblichen Lose, d. h. auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 1, auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 4 und auf den zweiten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 3, sowie von den Namen der übrigen Bieter, deren Angebote für die Lose Nrn. 1, 3 und 4 ausgewählt worden waren (im Folgenden: ausgewählte Bieter), in Kenntnis. Insoweit teilte es mit, dass für das Los Nr. 1 die Angebote des Konsortiums Sword-Siveco (im Folgenden: Sword-Siveco) und von Logica Luxembourg (im Folgenden: Logica) auf den ersten bzw. den zweiten Rang in der Kaskade, für das Los Nr. 3 das Angebot von ARHS Cube auf den ersten Rang in der Kaskade und für das Los Nr. 4 die Angebote von Novitech und von Logica auf den ersten bzw. den zweiten Rang in der Kaskade (im Folgenden zusammen: übrige ausgewählte Bieter) eingestuft worden seien. Darüber hinaus machte das Amt für Veröffentlichungen Angaben über die für diese Angebote bei der technischen Bewertung erhaltenen Noten, über die in diesen Angeboten enthaltenen Preise sowie über ihren Preis-Leistungs-Bericht. Schließlich wies es die Klägerinnen auf die Möglichkeit hin, ergänzende Erläuterungen zur Einstufung ihrer Angebote in der Kaskade für jedes der betreffenden Lose sowie zu den Merkmalen und den Vorteilen der Angebote, die eine bessere Einstufung als ihre eigenen erhalten hatten, zu beantragen.

14      Mit Schreiben vom 22. Juli 2011 stellten die Klägerinnen den Antrag, das Amt für Veröffentlichungen möge ihnen die folgenden Informationen erteilen: erstens den/die Namen des/der möglichen Unterauftragnehmer/s mit Mitgliedschaft im Konsortium der übrigen ausgewählten Bieter und die Prozentsätze der Aufträge, die an ihn/sie vergeben worden seien, zweitens die Punkte, die an alle ihre Angebote und an die Angebote der übrigen ausgewählten Bieter für jedes der technischen Vergabekriterien vergeben worden seien, drittens eine Würdigung der Stärken und Schwächen ihrer Angebote und jener der Angebote der übrigen ausgewählten Bieter, viertens die relativen Vorteile und die zusätzlichen oder besseren Dienstleistungen, die von den übrigen ausgewählten Bietern angeboten worden seien, fünftens eine detaillierte Kopie des Bewertungsberichts und sechstens die Namen der Mitglieder des Bewertungsausschusses.

15      Am 27. Juli 2011 teilte das Amt für Veröffentlichungen den Klägerinnen für die Lose Nrn. 1, 3 und 4 die Namen der Unterauftragnehmer mit Mitgliedschaft in den Konsortien der übrigen ausgewählten Bieter und die Prozentsätze der an sie vergebenen Aufträge mit. Ferner übermittelte es den Klägerinnen einen Auszug der Bewertungsberichte, der Angaben über ihre Angebote und über die Angebote der übrigen ausgewählten Bieter für diese Lose enthielt. Schließlich teilte es den Klägerinnen mit, dass die Namen der Mitglieder des Bewertungsausschusses nicht weitergegeben werden könnten.

16      Mit Schreiben vom 5. August 2011 beanstandeten die Klägerinnen die Kürze und die Begrenztheit der Informationen, die ihnen vom Amt für Veröffentlichungen mittels der Auszüge der Berichte des Bewertungsausschusses mitgeteilt worden seien. Sie machten auch zahlreiche schwere und offensichtliche Beurteilungsfehler bei der Bewertung ihrer Angebote geltend.

17      Mit Schreiben vom 29. August 2011 teilte das Amt für Veröffentlichungen den Klägerinnen mit, dass es die Entscheidungen über die Vergabe der in Rede stehenden Aufträge aufrechterhalte. Es setzte sie ferner über seine Entscheidung in Kenntnis, die Rahmenverträge mit den ausgewählten Bietern zu unterzeichnen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

18      Die Klägerinnen haben mit der am 2. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift die vorliegende Klage erhoben.

19      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Neunten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist. Da ein Richter an der weiteren Mitwirkung am Verfahren verhindert war, hat der Präsident des Gerichts gemäß Art. 32 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 einen anderen Richter bestimmt, durch den die Kammer ergänzt worden ist.

20      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Neunte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 25. September 2014 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

21      In der mündlichen Verhandlung legte die Kommission ein Dokument mit dem Titel „Corrigendum to Report of works of the Evaluation Committee evaluating offers submitted in response to the call for tenders N° 10340 lot 1“ (Korrigendum zum Arbeitsbericht des Bewertungsausschusses betreffend die Bewertung der auf die Ausschreibung [AO] 10340, Los Nr. 1, eingereichten Angebote). Die Klägerinnen haben keine Einwände dagegen vorgebracht, dass das Dokument zu den Akten gereicht wurde.

22      Die Klägerinnen beantragen,

–        die Entscheidung des Amtes für Veröffentlichungen vom 22. Juli 2011, ihre Angebote auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 1, auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 4 und auf den zweiten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 3 einzustufen, für nichtig zu erklären;

–        alle damit zusammenhängenden Entscheidungen des Amtes für Veröffentlichungen, darunter die „über die Vergabe der entsprechenden Aufträge an die ersten und zweiten Auftragnehmer in der Kaskade“, für nichtig zu erklären;

–        das Amt für Veröffentlichungen zu verurteilen, den Klägerinnen gemäß den Art. 256 AEUV, 268 AEUV und 340 AEUV wegen des aufgrund des in Rede stehenden Vergabeverfahrens erlittenen Schadens Schadensersatz in Höhe von 3 450 000 Euro zu zahlen;

–        dem Amt für Veröffentlichungen nach den Art. 256 AEUV, 268 AEUV und 340 AEUV aufzugeben, den durch den Verlust einer Chance entstandenen Schaden sowie den Schaden für ihren guten Ruf und ihre Glaubwürdigkeit in Höhe von 345 000 Euro zu ersetzen;

–        dem Amt für Veröffentlichungen die Anwalts- und Gerichtskosten sowie die sonstigen Kosten und Auslagen aufzuerlegen, die ihnen im Zusammenhang mit dieser Klage entstanden sind.

23      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

24      In ihrer Erwiderung haben die Klägerinnen den Betrag ihrer Schadensersatzforderung wegen des ihnen aufgrund des in Rede stehenden Vergabeverfahrens entstandenen Schadens auf 2 800 000 Euro und den Betrag ihrer Schadensersatzforderung wegen des ihnen durch den Verlust einer Chance entstandenen Schadens sowie des Schadens für ihren guten Ruf und ihre Glaubwürdigkeit auf 280 000 Euro herabgesetzt.

25      In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen ihren dritten Antrag zurückgenommen, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

26      Im Übrigen haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung als Antwort auf eine diesbezügliche Frage des Gerichts vorgetragen, dass die Bezugnahme auf die Entscheidungen „über die Vergabe der entsprechenden Aufträge an die ersten und zweiten Auftragnehmer in der Kaskade“ dahin zu verstehen sei, dass sie Entscheidungen betreffe, die die in Rede stehenden Aufträge an die übrigen ausgewählten Bieter vergäben, soweit sie ihre Einstufung beträfen. Ferner haben sie darauf hingewiesen, dass die Bezugnahme in ihrem zweiten Antrag auf alle damit zusammenhängenden Entscheidungen nur die Entscheidungen betreffe, die die in Rede stehenden Aufträge an die übrigen ausgewählten Bieter vergäben, soweit sie ihre Einstufung beträfen.

27      Schließlich haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung als Antwort auf eine Frage des Gerichts beantragt, dass die Kommission und nicht das Amt für Veröffentlichungen zur Tragung der Kosten verurteilt werde, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

 Rechtliche Würdigung

28      Die Klägerinnen haben eine Nichtigkeitsklage sowie eine Schadensersatzklage erhoben.

 I – Zur Nichtigkeitsklage

29      Das Gericht stellt zunächst fest, dass aus den Anträgen der Klägerinnen, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert worden sind, folgt, dass der Rahmen der vorliegenden Nichtigkeitsklage auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen über die Einstufung der Angebote der Klägerinnen auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 1, auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 4 und auf den zweiten Auftragnehmer in der Kaskade für das Los Nr. 3 sowie der Entscheidungen über die Vergabe der in Rede stehenden öffentlichen Aufträge an die übrigen ausgewählten Bieter, soweit sie ihre Einstufung betreffen, zu begrenzen ist.

30      Im Übrigen hält es das Gericht für angemessen, in Anbetracht der engen Verknüpfung zwischen den Entscheidungen über die Einstufung des Angebots der Klägerinnen in der Kaskade für verschiedene Lose und den Entscheidungen über die Vergabe der in Rede stehenden Aufträge an die übrigen ausgewählten Bieter, soweit sie ihre Einstufung betreffen und soweit das Vorbringen der Klägerinnen die Entscheidungen über die Einstufung ihrer Angebote betrifft, zunächst die Rechtmäßigkeit dieser Letzteren zu prüfen.

31      Zur Stützung der Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidungen über die Einstufung ihres Angebots auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 1, auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 4 und auf den zweiten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 3 machen die Klägerinnen drei Klagegründe geltend. Der erste Klagegrund stützt sich auf den auf der fehlenden Mitteilung der relativen Vorteile der Angebote der ausgewählten Bieter und der Nichtbeachtung von Art. 100 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1065/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) beruhenden Verstoß gegen die Begründungspflicht. Mit dem zweiten Klagegrund wird der Verstoß gegen die Ausschreibungsunterlagen aufgrund der Anwendung eines Vergabekriteriums unter Verstoß gegen Art. 97 der Haushaltsordnung und Art. 138 der Verordnung Nr. 2342/2002 geltend gemacht. Mit dem dritten Klagegrund werden offensichtliche Beurteilungsfehler, die Abgabe vager und nicht vom Bewertungsausschuss gestützter Kommentare, die nachträgliche Änderung von in den Ausschreibungen angegebenen Vergabekriterien, die nicht fristgemäße Mitteilung von Kriterien an die Bieter sowie die Vermischung von Auswahl- und Vergabekriterien gerügt.

32      Es ist festzustellen, dass die drei Klagegründe sowohl zur Stützung der Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidungen über die Einstufung der Angebote der Klägerinnen auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 1 und auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 4 als auch zur Stützung der Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung über die Einstufung des Angebots der Klägerinnen auf den zweiten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 3 geltend gemacht werden.

33      Insoweit ist in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Klägerinnen und jenem der Kommission zu beachten, dass das Amt für Veröffentlichungen bei der Beurteilung der Umstände, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags im Wege der Ausschreibung zu berücksichtigen sind, über einen weiten Spielraum verfügt und dass sich die Kontrolle des Gerichts hinsichtlich der Ausübung dieses Ermessens daher auf die Prüfung beschränken muss, ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutrifft und kein schwerer offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2011, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑377/07, EU:T:2011:731, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 A – Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht aufgrund der fehlenden Mitteilung der relativen Vorteile der Angebote der ausgewählten Bieter und der Nichtbeachtung von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung

34      Die Klägerinnen machen geltend, die vom Amt für Veröffentlichungen übermittelten Gründe seien nicht ausreichend. Dieses habe nämlich in seiner Antwort vom 27. Juli 2011 nur einige Umstände mitgeteilt und es danach abgelehnt, auf die Argumente zu antworten, die in dem Schreiben der Klägerinnen vom 5. August 2011 detailliert vorgetragen worden seien, was bei diesen zu dem verständlichen Eindruck geführt habe, dass ihre Angebote zu Unrecht „abgelehnt“ worden seien. Insoweit weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die regelmäßige Praxis der Kommission bei der Prüfung der Kommentare eines Bieters zur Beurteilung des Bewertungsausschusses im Rahmen einer Ausschreibung darin bestehe, diese Kommentare von einer anderen Stelle prüfen zu lassen, um eine unparteiische Entscheidung herbeizuführen. Das Amt für Veröffentlichungen habe ihnen allgemein gehaltene, vage, subjektive und unbegründete Anmerkungen zukommen lassen, die die negativen Bewertungen dieser Angebote nicht hätten rechtfertigen können. Der Bewertungsausschuss habe ihnen im Übrigen auch keine Erklärung geliefert, inwiefern die von den übrigen ausgewählten Bietern für die maßgeblichen Lose angebotenen Dienstleistungen gegenüber den von den Klägerinnen ihrerseits angebotenen Dienstleistungen zusätzliche oder bessere Elemente gehabt hätten.

35      Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für nicht stichhaltig.

36      Es ist darauf hinzuweisen, dass, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Organe der Europäischen Union über ein weites Ermessen verfügen, der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, eine umso größere Bedeutung zukommt. Zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, seine Entscheidungen hinreichend zu begründen. Nur so ist der Unionsrichter in der Lage, zu überprüfen, ob die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen sachlichen und rechtlichen Umstände vorgelegen haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg, EU:C:1991:438, Rn. 14, und vom 10. September 2008, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑465/04, EU:T:2008:324, Rn. 54).

37      Es ist auch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (Urteile vom 22. März 2001, Frankreich/Kommission, C‑17/99, Slg, EU:C:2001:178, Rn. 35, und vom 12. November 2008, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑406/06, EU:T:2008:484, Rn. 47).

38      Aus Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung und Art. 149 der Durchführungsbestimmungen sowie der ständigen Rechtsprechung ergibt sich, dass der öffentliche Auftraggeber seiner Begründungspflicht genügt, wenn er zunächst jeden nicht ausgewählten Bewerber unverzüglich über die Gründe für die Ablehnung seines Angebots unterrichtet und anschließend den Bietern, die ein anforderungsgemäßes Angebot gemacht haben und dies ausdrücklich beantragen, innerhalb einer Frist von 15 Kalendertagen nach Eingang eines schriftlichen Antrags die Merkmale und die relativen Vorteile des ausgewählten Angebots sowie den Namen des ausgewählten Bieters mitteilt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 2010, Evropaïki Dynamiki/EBDD, T‑63/06, EU:T:2010:368, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. Dezember 2012, Evropaïki Dynamiki/EBLS, T‑457/07, EU:T:2012:671, Rn. 45).

39      Diese Vorgehensweise entspricht dem Zweck der in Art. 296 Abs. 2 AEUV verankerten Begründungspflicht, nach der die Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass ihr die Betroffenen im Hinblick auf die Geltendmachung ihrer Rechte die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Richter seine Kontrolle ausüben kann (vgl. Urteile Evropaïki Dynamiki/EBDD, oben in Rn. 38 angeführt, EU:T:2010:368, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Evropaïki Dynamiki/EBLS, oben in Rn. 38 angeführt, EU:T:2012:671, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Weder aus Art. 100 Abs. 2 Unterabs. 1 der Haushaltsordnung noch aus Art. 149 Abs. 3 Unterabs. 3 der Durchführungsbestimmungen, noch aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass der öffentliche Auftraggeber auf schriftlichen Antrag des abgelehnten Bieters verpflichtet wäre, diesem die vollständigen Kopien der Bewertungsberichte und der ausgewählten Angebote zu übermitteln (Beschluss vom 13. Januar 2012, Evropaïki Dynamiki/EUA, C‑462/10 P, EU:C:2012:14, Rn. 39).

41      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Begründungserfordernis anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere anhand des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können, zu beurteilen ist (vgl. Urteil vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg, EU:C:1998:154, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil Evropaïki Dynamiki/Kommission, oben in Rn. 36 angeführt, EU:T:2008:324, Rn. 49).

42      Daher ist im Hinblick auf die Beurteilung, ob das Amt für Veröffentlichungen im vorliegenden Fall dem Begründungserfordernis gerecht geworden ist, das Schreiben vom 22. Juli 2011 zu prüfen, das die Entscheidungen über die Einstufung der Angebote der Klägerinnen in der Kaskade für jedes der maßgeblichen Lose enthält. Ferner ist das innerhalb der in Art. 149 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen vorgesehenen Frist als Antwort auf den ausdrücklichen Antrag der Klägerinnen vom 22. Juli 2011 auf Erlangung ergänzender Informationen zu den Entscheidungen über die Vergabe der in Rede stehenden Aufträge in Bezug auf die ausgewählten Bieter und die Einstufung der Angebote dieser letztgenannten Bieter in der Kaskade für jedes dieser Lose an diese gerichtete Schreiben vom 27. Juli 2011 einer Prüfung zu unterziehen.

43      Mit Schreiben vom 22. Juli 2011 teilte das Amt für Veröffentlichungen den Klägerinnen mit, dass ihre Angebote auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 1, auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 4 und auf den zweiten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 3 eingestuft worden seien. Dabei teilte es ihnen hinsichtlich dieser Lose auch die technischen Noten, die jedes der Angebote der ausgewählten Bieter erhalten hatte, deren Preis und deren endgültige Gesamtnote mit. Schließlich informierte es die Klägerinnen über ihr Recht, zusätzliche Informationen über die Gründe für die Einstufungen dieser Angebote erhalten zu können.

44      Wie oben in Rn. 15 erwähnt, teilte das Amt für Veröffentlichungen auf einen Antrag der Klägerinnen auf Erläuterungen diesen mit Schreiben vom 27. Juli 2011 für die Lose Nrn. 1, 3 und 4 die Namen der Unterauftragnehmer, die Mitglieder der Konsortien der übrigen ausgewählten Bieter gewesen waren, und die Prozentsätze des jeweiligen ihnen zugewiesenen Auftrags mit. Insoweit ist festzuhalten, dass Logica (Bieter) und Herakles (Unterauftragnehmer) für das Los Nr. 4 und nicht für das Los Nr. 3 genannt wurden, was nur auf der Grundlage eines – im Übrigen von den Klägerinnen nicht beanstandeten – Redaktionsfehlers erfolgt sein konnte.

45      Mit demselben Schreiben übermittelte das Amt für Veröffentlichungen den Klägerinnen Auszüge der Bewertungsberichte, die für jedes der maßgeblichen Lose Informationen über ihre Angebote sowie über jene der übrigen ausgewählten Bieter enthielten. Diese Auszüge von insgesamt 35 Seiten enthielten Aufstellungen mit Kommentaren, die für jedes technische Vergabekriterium die Stärken und Schwächen der Angebote der Klägerinnen und jene der Angebote der übrigen ausgewählten Bieter betrafen, sowie die auf der Grundlage jedes Kriteriums vergebenen Noten. Bestimmte Kommentare waren teilweise oder vollständig geschwärzt, wobei das Amt für Veröffentlichungen den Klägerinnen dazu mitteilte, dass bestimmte Informationen, deren Weitergabe dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen würde, die berechtigten geschäftlichen Interessen der übrigen ausgewählten Bieter beeinträchtigen (z. B. Informationen über die angebotene technische Lösung) oder den lauteren Wettbewerb zwischen den betroffenen Unternehmen schädigen könnten, an sie nicht weitergegeben werden könnten und gestrichen worden seien.

46      Schließlich teilte das Amt für Veröffentlichungen den Klägerinnen mit demselben Schreiben mit, dass die Namen der Mitglieder des Bewertungsausschusses nicht veröffentlicht werden könnten.

47      Es ist festzustellen, dass das Amt für Veröffentlichungen für jedes der maßgeblichen Lose den Klägerinnen die Namen der übrigen ausgewählten Bieter, die Kommentare des Bewertungsausschusses, sowohl hinsichtlich ihrer Angebote als auch hinsichtlich jener Angebote, die besser eingestuft waren als die ihren, sowie das Ergebnis der finanziellen Bewertung mitteilte, womit es, wie von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung verlangt, die Klägerinnen in die Lage versetzte, von den Merkmalen und den relativen Vorteilen der übrigen ausgewählten Angebote Kenntnis zu erlangen. Die technischen Kommentare ermöglichten es nämlich den Klägerinnen, für diese Lose die Noten, die ihre Angebote nach Maßgabe eines jeden technischen Vergabekriteriums erhalten hatten, mit jenen Noten zu vergleichen, die an die Angebote vergeben worden waren, die besser eingestuft waren als die ihren.

48      Auch wenn die Klägerinnen der Ansicht sind, dass die Kommission die Informationen über die möglicherweise vertraulichen Angebote der übrigen ausgewählten Bieter bekannt geben muss und angeben muss, inwieweit diese Bieter durch eine solche Mitteilung geschädigt werden könnten, beschränken sie sich insoweit auf einen allgemein gehaltenen Antrag, ohne dabei in ihren diesbezüglichen Schriftsätzen die Kommentare bzw. die Angebotsteile, auf die sich diese beziehen, anzugeben, deren Bekanntgabe zum Zweck eines wirksamen rechtlichen und gerichtlichen Schutzes erforderlich wäre.

49      Nun ist darauf hinzuweisen, dass der öffentliche Auftraggeber nach Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung von der Veröffentlichung bestimmter Informationen absehen kann, wenn sie den Gesetzesvollzug behindern, dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen, die legitimen Geschäftsinteressen öffentlicher oder privater Unternehmen beeinträchtigen würde oder dem lauteren Wettbewerb zwischen diesen schaden könnte.

50      Darüber hinaus folgt aus der Rechtsprechung, dass der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens den Parteien im Rahmen einer Klage gegen eine Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers betreffend ein Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags keinen Anspruch auf unbegrenzten und uneingeschränkten Zugang zu allen dieses Vergabeverfahren betreffenden Informationen verleiht. Vielmehr ist dieses Zugangsrecht gegen das Recht anderer Wirtschaftsteilnehmer auf Schutz ihrer vertraulichen Angaben und ihrer Geschäftsgeheimnisse abzuwägen. Der Grundsatz des Schutzes von vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnissen muss so ausgestaltet sein, dass er mit den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes und der Wahrung der Verteidigungsrechte der am Rechtsstreit Beteiligten im Einklang steht und dass im Fall eines gerichtlichen Rechtsbehelfs sichergestellt ist, dass in dem Rechtsstreit insgesamt das Recht auf ein faires Verfahren beachtet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2011, bpost/Kommission, T‑514/09, EU:T:2011:689, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). Den detaillierten Erklärungen der Klägerinnen in ihrem Schreiben vom 5. August 2011 ist zu entnehmen, dass sie hinreichende Kenntnis von den relativen Vorteilen der Angebote der übrigen ausgewählten Bieter hatten.

51      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung, die Angebote der Klägerinnen auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 1, auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 4 und auf den zweiten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 3 einzustufen, zum Zeitpunkt der endgültigen Bewertung erfolgt ist, d. h. nach der Berechnung des Preis-Leistungs-Verhältnisses für jedes dieser Lose. Somit betrafen die relativen Vorteile der Angebote, die besser eingestuft waren als jene der Klägerinnen, im Vergleich zu den Angeboten dieser Letztgenannten nicht nur die nach Maßgabe der technischen Vergabekriterien erhaltenen Noten, sondern auch den angebotenen Preis und insbesondere das Preis-Leistungs-Verhältnis der Angebote.

52      Unter diesen Umständen erläuterte das Amt für Veröffentlichungen, indem es den Klägerinnen für jedes der maßgeblichen Lose die Kommentare zur technischen Bewertung im Hinblick auf jedes Vergabekriterium, die Angebote, die besser eingestuft waren als ihre eigenen, sowie den in jedem dieser Angebote vorgesehenen Preis und die Einzelheiten der Berechnungen des Preis-Leistungs-Verhältnisses mitteilte, in hinreichender Weise, welches die relativen Vorteile der Angebote der übrigen ausgewählten Bieter waren, auch für den Fall, dass diese Angebote für das betreffende Los einen höheren Preis als jenen vorsahen, den die Klägerinnen anboten.

53      Anders als dies die Klägerinnen offenbar annehmen, kann vom öffentlichen Auftraggeber im Rahmen der Mitteilung der Merkmale und der Vorteile in Bezug auf das ausgewählte Angebot für jedes der betreffenden Lose eine detaillierte vergleichende Untersuchung dieses Angebots und des Angebots des abgelehnten Bieters nicht verlangt werden (Beschluss vom 13. Oktober 2011, Evropaïki Dynamiki/Kommission, C‑560/10 P, EU:C:2011:657, Rn. 17, und Urteil Evropaïki Dynamiki/EBLS, oben in Rn. 38 angeführt, EU:T:2012:671, Rn. 51). Das gilt, wie es vorliegend der Fall ist, auch für einen Bieter, dessen Angebote, wie jene der Klägerinnen, auf einen niedrigeren Rang eingestuft wurden als den der Angebote der übrigen ausgewählten Bieter.

54      Im Übrigen unterliegt das Amt für Veröffentlichungen im vorliegenden Fall entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen keiner verstärkten Begründungspflicht, soweit geltend gemacht wird, es sei im Laufe des Vergabeverfahrens zu Fehlern gekommen, die den Bewertungsausschuss zum Erlass einer Entscheidung über eine Änderung der Vergabe veranlasst hätten. Zum einen ist festzustellen, dass der Fehler, der zum Erlass einer Entscheidung über die Änderung der Vergabe führte, nicht die Lose Nrn. 3 und 4 betraf (vgl. oben, Rn. 12). Zum anderen stellte die Kommission in Bezug auf das von diesem Fehler betroffene Los Nr. 1 fest, dass es sich um einen Berechnungsfehler hinsichtlich der für die Bewertung des Angebots mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis verwendeten Formel handle (vgl. oben, Rn. 12). In der mündlichen Verhandlung stellte die Kommission im Rahmen ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichts fest, dass die Noten in keiner Weise geändert worden seien, was durch das zu den Akten gereichte Dokument mit dem Titel „Corrigendum to Report of works of the Evaluation Committee evaluating offers submitted in response to the call for tenders N° 10340 lot 1“ (Korrigendum zum Arbeitsbericht des Bewertungsausschusses betreffend die Bewertung der auf die Ausschreibung [AO] 10340, Los Nr. 1, eingereichten Angebote) bestätigt wurde (vgl. oben, Rn. 21). Daher betraf dieser Fehler nicht die Benotung der Angebote im Rahmen ihrer Bewertung im Hinblick auf die technischen Vergabekriterien.

55      Schließlich ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückweisen, ihre detaillierten Erklärungen seien trotz ihrer Bedeutung nicht von einer anderen Stelle als dem Bewertungsausschuss geprüft worden, um auf diese Weise eine unparteiische Entscheidung herbeizuführen. Denn aus den maßgeblichen Rechtsvorschriften folgt nicht, dass der öffentliche Auftraggeber verpflichtet war, eine solche Prüfung vorzunehmen, und auch die Klägerinnen machen im Übrigen keine diesbezügliche Vorschrift geltend. Jedenfalls geht dieses Vorbringen ins Leere, da es keinen Nachweis für eine unzureichende Begründung des Schreibens vom 22. Juli 2011, das die Entscheidungen der Einstufung der Angebote der Klägerinnen in der Kaskade für jedes der maßgeblichen Lose enthielt, erbringen konnte, und diese Rüge nicht zu einer Nichtigerklärung dieses Schreibens und dieser Entscheidungen führen konnte.

56      Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass das Amt für Veröffentlichungen in seinen Schreiben vom 22. und 27. Juli 2011 sowie in den Auszügen der Bewertungsberichte, die dem Schreiben vom 27. Juli 2011 als Anhang beigefügt waren, ausreichend detailliert begründet hat, aus welchen Gründen die Angebote der Klägerinnen auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 1, auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 4 und auf den zweiten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 3 eingestuft wurden, ohne dass es entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen erforderlich war, die Kommission aufzufordern, eine Aufstellung vorzulegen, aus der für die Lose Nrn. 1, 3 und 4 und jeden ausgewählten Bieter die Auswirkung jeden negativen oder positiven Kommentars zur Benotung der Angebote im Hinblick auf jedes der technischen Vergabekriterien ersichtlich wäre. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass von einem öffentlichen Auftraggeber nicht verlangt werden kann, dass er einem Bieter, dessen Angebot nicht auf den ersten Rang in einer Kaskade ausgewählt wurde, neben den Gründen für die Einstufung dieses Angebots eine detaillierte Zusammenfassung übermittelt, in der jedes Detail seines Angebots im Hinblick auf dessen Bewertung berücksichtigt würde (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, C‑629/11 P, EU:C:2012:617, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Im Übrigen ist, soweit die Klägerinnen beantragen, dass das Gericht die Vorlage aller Berichte über die Bewertung der Angebote der Klägerinnen und der Angebote der übrigen ausgewählten Bieter anordnen möge, darauf hinzuweisen, dass der abgelehnte Bewerber nicht die Übermittlung aller dieser Bewertungsberichte geltend machen kann (vgl. oben, Rn. 40), was auch, wie es vorliegend der Fall ist, für einen Bieter gilt, dessen Angebot, wie jene der Klägerinnen, in der Kaskade für ein bestimmtes Los auf einen niedrigeren Rang eingestuft wurde, als ihn die Angebote der übrigen ausgewählten Bieter in derselben Kaskade erhalten hatten. Zudem erscheint eine solche Übermittlung im vorliegenden Fall nicht erforderlich.

58      Daher kann weder dem Antrag der Klägerinnen, das Gericht möge die Vorlage der oben in Rn. 56 genannten von den Klägerinnen verlangten Aufstellung anordnen, noch ihrem Antrag, das Gericht möge die Vorlage aller Bewertungsberichte anordnen, stattgegeben werden.

59      Als Ergebnis ist festzustellen, dass das Amt für Veröffentlichungen seine Entscheidungen über die Einstufung der Angebote der Klägerinnen in der Kaskade für jedes der maßgeblichen Lose rechtlich hinreichend begründet hat und den Anforderungen von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung sowie von Art. 149 der Durchführungsbestimmungen nachgekommen ist.

60      Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen entkräftet, wonach bestimmte Kommentare des Bewertungsausschusses hinsichtlich der Beurteilung ihrer Angebote für die Lose Nrn. 1, 3 und 4 nicht ausreichend gewesen seien.

61      Da die Argumentation der Klägerinnen hinsichtlich der Bewertung ihrer Angebote im Hinblick auf die Kriterien 1.1, 1.3 und 3.1 nämlich darauf gerichtet ist, die Begründetheit der Kommentare des Bewertungsausschusses in Abrede zu stellen, ist ein solches Vorbringen im Rahmen dieses auf den Verstoß gegen die Begründungspflicht gestützten Klagegrundes zwingend zurückzuweisen.

62      In Anbetracht der oben in Rn. 39 angeführten Rechtsprechung können die Klägerinnen im Übrigen auch nicht die Verletzung der Begründungspflicht rügen. Denn erstens genügt die Feststellung, dass, wenn die Klägerinnen die im Rahmen der Bewertung ihrer Angebote im Hinblick auf die Kriterien 1.5, 3.2, 3.5 und 4.2 formulierten Kommentare des Bewertungsausschusses zitieren, sie diese Kommentare nicht so vollständig anführen, wie sie in den Auszügen der ihnen übermittelten Bewertungsberichte enthalten sind. Es ist festzustellen, dass diese Kommentare ausführlich genug sind, damit sie verstanden und Einwände gegen sie vorgebracht werden können und damit sie eine Kontrolle der Beurteilung des Bewertungsausschusses ermöglichen, wie das im Übrigen bei den von den Klägerinnen angeführten und bei der Bewertung ihrer Angebote im Hinblick auf die Kriterien 1.2, 1.4, 3.3, 3.4 und 3.5 abgegebenen Kommentaren der Fall ist. Schließlich können die Klägerinnen, soweit sie Argumente vorbringen, mit denen sie die Begründetheit bestimmter von ihnen in dem Teil ihrer schriftlichen Erklärungen, der dem zweiten Klagegrund gewidmet ist, sowie in jenem, der sich mit dem dritten Klagegrund befasst, angeführter Kommentare, betreffend die Beurteilung ihrer Angebote im Hinblick auf die Kriterien 1.1, 1.2, 1.4, 1.5, 3.2, 3.4, 3.5 und 4.2 oder betreffend die Beurteilung eines anderen Angebots, das denselben Kommentar im Hinblick auf die Kriterien 1.3 und 3.3 erhalten hat, in Frage stellen, nicht die Verletzung der Begründungspflicht geltend machen. Diese Ausführungen erbringen nämlich im Übrigen den Nachweis, dass die Klägerinnen in der Lage waren, insoweit die Erwägungen des Amtes für Veröffentlichungen zu verstehen.

63      Zweitens war das Amt für Veröffentlichungen entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen weder verpflichtet festzustellen, dass die übrigen ausgewählten Bieter bessere Angebote als sie machten, noch auszuführen, welches die Gründe dafür waren. Dieses Vorbringen der Klägerinnen zu den Kommentaren des Bewertungsausschusses im Rahmen der Bewertung ihrer Angebote und derjenigen der übrigen ausgewählten Bieter im Hinblick auf die Kriterien 3.1, 3.2 und 4.2 würde eine detaillierte vergleichende Beurteilung verlangen und ist daher zurückzuweisen (vgl. oben, Rn. 53). Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerinnen, mit dem sie in Bezug auf die Bewertung ihrer Angebote im Hinblick auf das Kriterium 4.2 geltend machen, dass es in dem Bewertungsbericht keinen Kommentar zu der von Sword-Siveco angebotenen Vorgehensweise bei der Durchführung der Lieferungen gegeben habe, genügt die Feststellung, dass dieser Bieter in der Kaskade für das Los Nr. 4 nicht ausgewählt wurde.

64      Nach alledem ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

 B – Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Ausschreibungsunterlagen wegen der Anwendung eines Vergabekriteriums unter Verletzung von Art. 97 der Haushaltsordnung und Art. 138 der Durchführungsbestimmungen

[nicht wiedergegeben]

 C – Zum dritten Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler, vage und nicht vom Bewertungsausschuss gestützte Kommentare, nachträgliche Änderungen der in den Ausschreibungen angegebenen Vergabekriterien, den Bietern nicht fristgemäß mitgeteilte Kriterien sowie Vermischung der Auswahl- und Vergabekriterien

[nicht wiedergegeben]

377    Da die Klägerinnen mit ihren auf Nichtigerklärung gerichteten Klagegründen insgesamt unterlegen sind, ist die vorliegende Klage abzuweisen, soweit sie die Nichtigerklärung der Entscheidungen, die Angebote der Klägerinnen auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 1, auf den dritten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 4 und auf den zweiten Rang in der Kaskade für das Los Nr. 3 einzustufen, betrifft.

378    Der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidungen über die Vergabe der in Rede stehenden Aufträge an die übrigen ausgewählten Bieter, soweit sie ihre Einstufung betreffen, ist infolge der Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung der oben in Rn. 377 angeführten Entscheidungen, mit denen sie eng zusammenhängen, zurückzuweisen (vgl. entsprechend Urteile vom 18. April 2007, Deloitte Business Advisory/Kommission, T‑195/05, Slg, EU:T:2007:107, Rn. 113, und vom 10. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑247/09, EU:T:2012:533, Rn. 170).

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die European Dynamics Luxembourg SA, die European Dynamics Belgium SA und die Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE tragen die Kosten.

Czúcz

Pelikánová

Popescu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juli 2015.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

I – Zur Nichtigkeitsklage

A – Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht aufgrund der fehlenden Mitteilung der relativen Vorteile der Angebote der ausgewählten Bieter und der Nichtbeachtung von Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung

B – Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Ausschreibungsunterlagen wegen der Anwendung eines Vergabekriteriums unter Verletzung von Art. 97 der Haushaltsordnung und Art. 138 der Durchführungsbestimmungen

C – Zum dritten Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler, vage und nicht vom Bewertungsausschuss gestützte Kommentare, nachträgliche Änderungen der in den Ausschreibungen angegebenen Vergabekriterien, den Bietern nicht fristgemäß mitgeteilte Kriterien sowie Vermischung der Auswahl- und Vergabekriterien


* Verfahrenssprache: Englisch.


1 – Es werden nur die Randnummern wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.