Language of document : ECLI:EU:C:2013:827

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

12. Dezember 2013(*)

„Art. 101 AEUV, 102 AEUV und 106 AEUV – Öffentliche Unternehmen und Unternehmen, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewähren – Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind – Begriffe – Einrichtungen, die damit betraut sind, zu überprüfen und zu zertifizieren, ob die Unternehmen, die öffentliche Arbeiten ausführen, die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen beachten – Art. 49 AEUV – Niederlassungsfreiheit – Beschränkung – Rechtfertigung – Schutz der Dienstleistungsempfänger – Qualität der Zertifizierungsdienstleistungen“

In der Rechtssache C‑327/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 6. März 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juli 2012, in dem Verfahren

Ministero dello Sviluppo economico,

Autorità per la vigilanza sui contratti pubblici di lavori, servizi e forniture

gegen

SOA Nazionale Costruttori – Organismo di Attestazione SpA,

Beteiligte:

Associazione nazionale Società Organismi di Attestazione (Unionsoa),

SOA CQOP SpA,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter M. Safjan (Berichterstatter), C. G. Fernlund und J. Malenovský sowie der Richterin A. Prechal,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der SOA Nazionale Costruttori – Organismo di Attestazione SpA, vertreten durch S. Cammareri und M. Condinanzi, avvocati,

–        der Associazione nazionale Società Organismi di Attestazione (Unionsoa), vertreten durch A. Cancrini, G. M. Di Paolo und A. Clarizia, avvocati,

–        der SOA CQOP SpA, vertreten durch C. De Portu, avvocato,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. D’Ascia, avvocato dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Malferrari, I. Rogalski und R. Striani als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. September 2013

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 101 AEUV, 102 AEUV und 106 AEUV.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Ministero dello Sviluppo economico (Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, im Folgenden: Ministero) und der Autorità per la vigilanza sui contratti pubblici di lavori, servizi e forniture (Aufsichtsbehörde für öffentliche Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge, im Folgenden: Autorità) einerseits und der SOA Nazionale Costruttori – Organismo di Attestazione SpA (im Folgenden: SOA Nazionale Costruttori) andererseits über die Erklärung des Ministero und der Autorità, dass die gesetzliche Abschaffung der obligatorischen Mindestgebühren bezüglich der Ausübung beruflicher Tätigkeiten nicht für Dienstleistungen gilt, die von Gesellschaften angeboten werden, die Zertifizierungseinrichtungen (Società Organismi di Attestazione, im Folgenden: SOA) sind.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 52 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten können entweder amtliche Verzeichnisse zugelassener Bauunternehmer, Lieferanten oder Dienstleistungserbringer oder eine Zertifizierung durch öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Stellen einführen.“

 Italienisches Recht

4        Das Decreto legislativo Nr. 163 vom 12. April 2006 betreffend das Gesetzbuch über öffentliche Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge gemäß den Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (Decreto legislativo recante Codice dei contratti pubblici relativi a lavori, servizi e forniture in attuazione delle direttive 2004/17/CE e 2004/18/CE) (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 100 vom 2. Mai 2006, im Folgenden: Codice) bestimmt in Art. 40:

„1.      Die Personen, die öffentliche Arbeiten aus gleich welchem Grund ausführen, müssen dafür zugelassen sein und dafür sorgen, dass ihre Tätigkeit von den Grundsätzen der Qualität, der Professionalität und der Ehrlichkeit bestimmt ist. Zu demselben Zweck werden die Waren, Prozesse, Dienstleistungen und betrieblichen Qualitätssysteme, die von diesen Personen verwendet werden, einer Zertifizierung nach den geltenden Rechtsvorschriften unterworfen.

2.      Mit der Verordnung … wird das Zulassungssystem geregelt, das für alle Personen, die aus gleich welchem Grund öffentliche Arbeiten zu einem Betrag von mehr als 150 000 Euro ausführen, gleich ist und in Abhängigkeit von der Art und dem Betrag der Arbeiten unterteilt ist. Die Verordnung … gestattet außerdem, periodisch die Kategorien für die Zulassung zu ändern und eventuell neue Kategorien vorzusehen.

3.      Das Zulassungssystem wird von Zertifizierungseinrichtungen des Privatrechts durchgeführt, die dazu von der Autorità ermächtigt sind. Die Zertifizierungstätigkeit wird unter Beachtung des Grundsatzes der Unvoreingenommenheit durchgeführt, indem garantiert wird, dass keine geschäftlichen oder finanziellen Interessen bestehen, die zu nicht unparteiischen oder diskriminierenden Verhaltensweisen führen könnten. Die SOA nehmen bei der Ausübung der Zertifizierungstätigkeit gegenüber denjenigen, die öffentliche Arbeiten ausführen, eine öffentlich-rechtliche Aufgabe wahr … Wenn sie falsche Zertifizierungen erteilen, kommen die Art. 476 und 479 des Codice penale zur Anwendung. Vor Erteilung der Zertifizierungen überprüfen die SOA, dass alle von dem Antragsteller geforderten Voraussetzungen vorliegen. Die Zertifizierungseinrichtungen haben die Aufgabe, zu bescheinigen, dass die zugelassenen Personen:

a)      über ein Zertifikat verfügen, das bestätigt, dass ihr Qualitätssystem den europäischen Normen … und den geltenden nationalen Vorschriften entspricht, und von gemäß den europäischen Normen akkreditierten Einrichtungen erteilt worden ist. Die akkreditierten Einrichtungen sind verpflichtet, das in diesem Buchstaben genannte Zertifikat für Unternehmen, die öffentliche Arbeiten ausführen, in die offizielle Liste einzutragen, die bei der nationalen italienischen Akkreditierungseinrichtung geführt wird …

b)      die allgemeinen, technisch-organisatorischen und wirtschaftlich-finanziellen Voraussetzungen entsprechend den Bestimmungen [der Union] für die Zulassung erfüllen. Zu den technisch-organisatorischen Voraussetzungen gehören die Zertifikate, die den die öffentlichen Arbeiten ausführenden Unternehmen von den Auftraggebern erteilt worden sind. …

4.       Die Verordnung definiert insbesondere:

b)      die Modalitäten und Kriterien für die Erlaubnis der Zertifizierungseinrichtungen und den eventuellen Verlust dieser Erlaubnis sowie die subjektiven, organisatorischen, finanziellen und technischen Voraussetzungen, die die genannten Einrichtungen erfüllen müssen;

c)      die Modalitäten, nach denen zertifiziert wird, dass die zugelassenen Personen über eine Zertifizierung des Qualitätssystems gemäß Abs. 3 Buchst. a verfügen und dass sie die in Abs. 3 Buchst. b genannten Voraussetzungen erfüllen sowie die Modalitäten für die eventuelle jährliche Überprüfung der genannten Voraussetzungen im Hinblick auf die Bilanzdaten;

d)      die allgemeinen Voraussetzungen … und die in Abs. 3 Buchst. b genannten technisch-organisatorischen und wirtschaftlich-finanziellen Voraussetzungen einschließlich der Maßnahmen in Bezug auf den Umfang und die Art der Arbeiten …

e)      die Kriterien für die Festlegung der auf die Zertifizierungstätigkeit anwendbaren Gebühren, unbeschadet der Unabdingbarkeit der Mindesttarife;

f)      die Modalitäten für die Überprüfung der Zulassung; die Gültigkeitsdauer der Zulassung beträgt fünf Jahre, wobei am Ende des dritten Jahres eine Überprüfung der Einhaltung der Voraussetzungen im Allgemeinen sowie der Voraussetzungen hinsichtlich der in der Verordnung anzugebenden strukturellen Leistungsfähigkeit vorgenommen wird; die Gültigkeitsdauer der allgemeinen und besonderen Kategorien, die Gegenstand der in Abs. 2 genannten Revision sind; die Überprüfung der Einhaltung wird proportional zu der Zertifizierungsgebühr berechnet, wobei drei Fünftel der letztgenannten Gebühr nicht überschritten werden dürfen;

f bis) die Modalitäten, mit denen im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten die koordinierte Überwachung der Tätigkeit der Zertifizierungseinrichtungen sichergestellt werden kann, indem die bereits für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Strukturen und Ressourcen verwendet werden, ohne dass der öffentlichen Hand neue oder größere finanzielle Lasten entstehen;

g)      finanzielle Sanktionen und Verbote bis zum Verlust der Erlaubnis gemäß einem Kriterium der Verhältnismäßigkeit und unter Beachtung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens, wenn die SOA bei der Erteilung der Zertifizierungen Unregelmäßigkeiten begehen oder rechtswidrig handeln oder auf einen Antrag der Autorità auf Übermittlung von Informationen und Unterlagen untätig bleiben;

g bis) finanzielle Sanktionen nach Art. 6 Abs. 11 und Verbote bis zum Verlust der Zulassung für die Wirtschaftsteilnehmer, die von der Autorità gestellte Anfragen auf Informationen und Unterlagen im Rahmen ihrer Befugnis zur Überwachung des Zulassungssystems nicht beantworten oder nicht wahrheitsgemäße Informationen oder Unterlagen vorlegen;

h)      Erstellung von Listen auf regionaler Grundlage der Personen, die die in Abs. 3 genannte Zulassung erhalten haben; diese Listen werden bei der Autorità, die durch die Beobachtungsstelle die Bekanntgabe gewährleistet, erstellt und aufbewahrt.

6.      Die Verordnung legt die besonderen wirtschaftlich-finanziellen und technisch-organisatorischen Voraussetzungen fest, die die Bewerber für die Vergabe öffentlicher Arbeiten erfüllen müssen, wenn sie die Arbeiten nicht mit ihrem eigenen Unternehmen durchzuführen beabsichtigen.

 …

9 bis.          Die SOA sind auch nach Einstellung der Zertifizierungstätigkeit für die Aufbewahrung der Dokumente und der für die Erteilung der Zertifizierungen verwendeten Unterlagen verantwortlich. Die SOA sind außerdem verpflichtet, den in der Verordnung genannten Personen die Dokumente und die Unterlagen auch im Fall der Aussetzung oder des Verlusts der Erlaubnis zur Ausübung der Zertifizierungstätigkeit zugänglich zu machen; im Fall des Verstoßes kommen die in Art. 6 Abs. 11 vorgesehenen Bußgelder zur Anwendung. In jedem Fall bleiben die SOA zur Aufbewahrung der in Satz 1 genannten Dokumente und Unterlagen während zehn Jahren oder während des in der Verordnung genannten Zeitraums verpflichtet …

9 ter.       Die SOA sind verpflichtet, der Autorità den Beginn des Verfahrens zur Prüfung der Voraussetzungen, die von einem Unternehmen verlangt werden, sowie das Ergebnis mitzuteilen. Die SOA sind verpflichtet, den Verlust der Zulassungsbescheinigung anzuzeigen, wenn sie feststellen, dass diese erteilt wurde, ohne dass die von der Verordnung vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt waren, oder dass diese Voraussetzungen nicht mehr vorliegen; im Falle des Verstoßes widerruft die Autorità die der SOA erteilte Erlaubnis zur Vornahme von Zertifizierungstätigkeiten.

9 quater. Werden für die Zulassung eine falsche Erklärung oder falsche Unterlagen vorgelegt, melden die SOA dies der Autorità, die, wenn sie in Anbetracht der Erheblichkeit oder der Schwere der Tatsachen, die Gegenstand der falschen Erklärung oder der Vorlage falscher Unterlagen sind, von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ausgeht, … zwecks Ausschluss von den Ausschreibungsverfahren und der Auftragsvergabe an Subunternehmer … für die Dauer eines Jahres eine Eintragung im elektronischen Register vornimmt, die nach Ablauf dieses Zeitraums gelöscht wird und in jedem Fall ihre Wirksamkeit verliert.“

5        Das Gesetzesdekret Nr. 223 vom 4. Juli 2006 betreffend Dringlichkeitsmaßnahmen für den sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufschwung, für die Begrenzung und Zweckausrichtung der öffentlichen Ausgaben, für Maßnahmen auf der Einnahmenseite sowie zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Decreto-legge n. 223 –Disposizioni urgenti per il rilancio economico e sociale, per il contenimento e la razionalizzazione della spesa pubblica, nonché interventi in materia di entrate e di contrasto all’evasione fiscale) (GURI Nr. 153 vom 4. Juli 2006, S. 4), nach Änderungen in ein Gesetz umgewandelt durch das Gesetz Nr. 248 vom 4. August 2006 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 186 vom 11. August 2006, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 223/2006), hat in seinem Art. 2 Abs. 1 Buchst. a die Bestimmungen aufgehoben, die die Pflicht vorsahen, feste oder Mindestgebühren für „freie Berufe oder intellektuelle Tätigkeiten“ anzuwenden.

6        Das Dekret Nr. 207 des Präsidenten der Republik vom 5. Oktober 2010 zur Ausführung und Anwendung des Decreto legislativo Nr. 163 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 288 vom 10. Dezember 2010, im Folgenden: DPR Nr. 207/2010), mit dem das Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 34 vom 25. Januar 2000 aufgehoben wurde, sieht in Art. 60 Abs. 2 bis 4 vor:

„2.      Die Zulassung ist zwingend vorgeschrieben für jeden, der öffentliche Arbeiten durchführt, die von einem Auftraggeber für einen Betrag von mehr als 150 000 Euro vergeben werden.

3.      … die gemäß dem vorliegenden Titel erteilte Zulassungsbescheinigung stellt eine notwendige und hinreichende Voraussetzung für den Nachweis dar, dass die im Bereich der technischen und finanziellen Fähigkeit verlangten Voraussetzungen für die Vergabe öffentlicher Arbeiten vorliegen.

4.      Die Auftraggeber können von Bewerbern nicht verlangen, dass sie ihre Qualifizierung nach anderen als den im vorliegenden Kapitel vorgesehenen Modalitäten, Verfahren und Inhalten nachweisen …“

7        Art. 68 des DPR Nr. 207/2010 sieht vor:

„1.      Die Ausübung der Tätigkeit der Zertifizierung der Zulassung hängt von einer Erlaubnis der Autorità ab.

2.      Die SOA stellt einen Antrag auf Erlaubnis, dem folgende Unterlagen beigefügt sind:

a)      die Gründungsurkunde und die Statuten der Gesellschaft;

b)      die Liste der Mitglieder und die Erklärung über eventuelle Kontrollverhältnisse oder Verbindungen zwischen Unternehmen;

c)      das Organigramm der SOA einschließlich der Lebensläufe der ihr angehörenden Personen;

d)      die Erklärung des gesetzlichen Vertreters gemäß der von den geltenden Gesetzen vorgesehenen Modalitäten und Formen, dass in Bezug auf die SOA, ihre Geschäftsführer, gesetzlichen Vertreter oder technische Direktoren oder das Personal keiner der in Art. 64 Abs. 6 genannten Fälle vorliegt …;

e)      einen Auszug aus dem Strafregister der Geschäftsführer, der gesetzlichen Vertreter, der technischen Direktoren und des Personals …;

f)      ein Dokument, das die Beschreibung der Verfahren enthält, die gemäß den von der Autorità erlassenen Bestimmungen für die Zertifizierungstätigkeit angewandt werden;

g)      eine Versicherungspolice mit einem Versicherungsunternehmen, das berechtigt ist, das Haftpflichtrisiko für die ausgeübte Tätigkeit abzudecken, wobei der Höchstbetrag mindestens das Sechsfache des vorhersehbaren Umsatzes betragen muss.

…“

8        Art. 70 des DPR Nr. 207/2010 bestimmt:

„1.      Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit müssen die SOA

a)      sorgfältig, korrekt und transparent unter Beachtung der in Art. 2 des Codice genannten Grundsätze handeln;

b)      bei den Personen, die zugelassen werden sollen, die notwendigen Informationen einholen und für eine angemessene Information sorgen;

c)      so handeln, dass die Unparteilichkeit und die Gleichbehandlung garantiert werden; 

d)      die von den Bestimmungen des Codice und vom vorliegenden Titel geforderte Unabhängigkeit gewährleisten und aufrechterhalten;

e)      über Ressourcen und Verfahren, einschließlich im Bereich interner Kontrolle, verfügen, die geeignet sind, die Wirksamkeit und die Korrektheit sicherzustellen;

f)      die Wahrhaftigkeit und den Inhalt der Erklärungen, Zertifikate und Unterlagen, die die Personen vorgelegt haben, denen die Bescheinigung erteilt werden soll, sowie das weitere Vorliegen der in Art. 78 genannten Voraussetzungen prüfen;

g)      die Zulassungsbescheinigung gemäß den von dem Unternehmen vorgelegten und gemäß Buchst. f geprüften Unterlagen erteilen.

2.      Im Rahmen ihrer Tätigkeit der Bewertung und Prüfung der Zulassung besorgen sich die SOA die wirtschaftlich-finanziellen Daten wie Bilanzen sowie die Informationen über die organisatorischen Veränderungen und über die Umwandlungen rechtlicher Art der Unternehmen auch bei der Datenbank der Industrie-, Handwerks- und Handelskammer.

3.      Für die Erfüllung ihrer institutionellen Aufgaben können die SOA keine externen Leistungen in Anspruch nehmen. Die SOA sind jedenfalls verantwortlich für jede Handlung, die unmittelbar oder mittelbar in ihrem Namen und auf ihre Rechnung ausgeführt wurde.

4.      Für jede Zulassungsbescheinigung oder ihre Erneuerung sowie alle damit zusammenhängenden Prüfungs- und Änderungstätigkeiten ist ein Entgelt zu entrichten, das in Abhängigkeit vom Gesamtvolumen und von der Zahl der allgemeinen oder speziellen Kategorien, für die die Zulassung beantragt wird, gemäß den in Anhang C Teil I aufgeführten Formeln festgelegt wird. Bei festen Konsortien vermindert sich das Entgelt der SOA für jede Tätigkeit um 50 %; bei Unternehmen, die bis zur Klasse II zertifiziert werden, vermindert sich das Entgelt der SOA für jede Tätigkeit um 20 %.

5.      Die gemäß Abs. 4 festgelegten Beträge gelten als Mindestentgelte für die erbrachte Dienstleistung. Der geschuldete Betrag darf nicht mehr als das Zweifache des anhand der in Abs. 4 genannten Kriterien ermittelten Entgelts betragen. Jede entgegenstehende Vereinbarung ist nichtig. Das Entgelt muss vor der Erteilung der Zertifizierung, ihrer Revision oder Änderung vollständig entrichtet werden; Zahlungsaufschübe von nicht mehr als sechs Monaten sind zulässig, wenn zum Zeitpunkt der Erteilung des Zertifikats der SOA eine Einzugsermächtigung über ein Girokonto für den gesamten Betrag erteilt und übermittelt wurde.

6.      Die SOA übermitteln der Autorità innerhalb von 15 Tagen nach ihrer Erteilung die Zertifizierungen gemäß den in Art. 8 Abs. 7 vorgesehenen Modalitäten.

7.      Die SOA informieren die Autorità innerhalb einer Frist von zehn Tagen über den Beginn des Verfahrens zur Prüfung der Voraussetzungen, die von einem Unternehmen verlangt werden, und über das Ergebnis gemäß Art. 40 Abs. 9 ter des Codice.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

9        Mit schriftlichen Mitteilungen vom 20. September 2010 erklärten das Ministero sowie die Autorità, dass Art. 2 des Gesetzesdekrets Nr. 223/2006, das die Aufhebung der obligatorischen Mindestgebühren bezüglich der Ausübung beruflicher Tätigkeiten vorsah, nicht für die von den SOA erbrachten Dienstleistungen gelte, und entschieden, dem Wunsch der SOA Nazionale Costruttori, Unternehmen Preisnachlässe auf die für die Ausstellung einer Zulassungsbescheinigung erhobenen Gebühren anzubieten, nicht zu entsprechen.

10      Die SOA Nazionale Costruttori focht diese beiden schriftlichen Mitteilungen beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio an.

11      Mit Urteil vom 1. Juni 2011 gab dieses Gericht der Klage der SOA Nazionale Costruttori statt.

12      Das Ministero und die Autorità legten gegen dieses Urteil beim Consiglio di Stato Rechtsmittel ein.

13      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts kann der Verweis in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzesdekrets Nr. 223/2006 auf „intellektuelle“ Tätigkeiten nicht die Tätigkeiten der SOA abdecken, die eine öffentliche Zertifizierungsfunktion erfüllten. Diese Funktion bestehe nämlich in der Erteilung von Zulassungsbescheinigungen, die die notwendige und hinreichende Voraussetzung für den Nachweis darstellten, dass ein Unternehmen die im Bereich der technischen und finanziellen Leistungsfähigkeit geforderten Voraussetzungen für die Übertragung öffentlicher Arbeiten erfülle.

14      Außerdem hätten die Tätigkeiten der SOA Ausschließlichkeitscharakter, da diese keine anderen Tätigkeiten ausüben könnten, und seien nicht autonom, da sie den Rechtsvorschriften und der Aufsicht der Autorità unterstünden.

15      Daher ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass die vom Gesetzesdekret Nr. 223/2006 vorgesehene Aufhebung der Mindestgebühren nicht für die Gebühren für die Zertifizierungstätigkeit der SOA gelten könne.

16      Das vorlegende Gericht hat jedoch Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der einschlägigen nationalen Bestimmungen über die Zertifizierungstätigkeit der SOA mit den Unionsvorschriften.

17      Insbesondere stellt es sich die Frage, ob in Anbetracht der Bestimmungen des AEU-Vertrags über den Wettbewerb und die Niederlassungsfreiheit die SOA an der Ausübung hoheitlicher Gewalt beteiligt seien und ob die in Rede stehende nationale Regelung über die Mindestgebühren mit diesen Bestimmungen in Einklang stehe.

18      Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stehen die wettbewerbsrechtlichen Grundsätze der Union und die Art. 101 AEUV, 102 AEUV und 106 AEUV der Anwendung der in den Präsidialdekreten Nr. 34 vom 25. Januar 2000 und Nr. 207/2010 für die Zertifizierungstätigkeit der SOA vorgesehenen Gebühren entgegen?

 Zur Vorlagefrage

 Zur Zulässigkeit

19      Nach Ansicht der Associazione nazionale Società Organismi di Attestazione (im Folgenden: Unionsoa) ist das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig, da es für die Entscheidung des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren unerheblich sei, weil das vorlegende Gericht bereits festgestellt habe, dass die nationalen Vorschriften über die Mindestgebühren der SOA gerechtfertigt seien.

20      Dazu ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt (vgl. Urteil vom 30. Mai 2013, X, C‑651/11, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts daher nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. Urteil X, Randnr. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte nicht offensichtlich, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder das vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Problem hypothetischer Natur ist.

23      Das vorlegende Gericht, das mit einem Antrag auf Abänderung des Urteils des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio befasst ist, das die Mindestgebühren für die Zertifizierungstätigkeit der SOA als abdingbar angesehen hat, ist nämlich der Auffassung, dass die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von der Frage abhängt, ob das Wettbewerbsrecht der Union einer nationalen Regelung entgegensteht, die den SOA eine Regelung über die Erhebung von Mindestgebühren für die von ihnen erbrachten Dienstleistungen auferlegt. Folglich ist die nationale Regelung über diese Gebühren vom vorlegenden Gericht noch nicht abschließend beurteilt worden.

24      Unter diesen Umständen ist die Frage des Consiglio di Stato zu beantworten.

 Zur Beantwortung der Frage

25      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Bestimmungen des Vertrags über den Wettbewerb und die Niederlassungsfreiheit dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die für die SOA eine Regelung über die Erhebung von Mindestgebühren für die Zertifizierungsdienste vorschreibt, die sie Unternehmen erbringen, die an Ausschreibungen über öffentliche Bauaufträge teilnehmen wollen.

 Zum Wettbewerbsrecht der Union

26      Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu prüfen, ob die SOA im Rahmen ihrer Zertifizierungstätigkeit „Unternehmen“ im Sinne der Art. 101 AEUV, 102 AEUV und 106 AEUV sind.

27      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs umfasst für die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (vgl. Urteil vom 23. April 1991, Höfner und Elser, C‑41/90, Slg. 1991, I‑1979, Randnr. 21). Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2001, Ambulanz Glöckner, C‑475/99, Slg. 2001, I‑8089, Randnr. 19). Dagegen haben Tätigkeiten, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfolgen, keinen wirtschaftlichen Charakter, der die Anwendung der im Vertrag vorgesehenen Wettbewerbsregeln rechtfertigen würde (vgl. Urteil vom 12. Juli 2012, Compass-Datenbank, C‑138/11, Randnr. 36).

28      Im vorliegenden Fall hat der italienische Gesetzgeber in Anwendung von Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18 eine Zertifizierungsregelung eingeführt, die von privaten Einrichtungen, nämlich den SOA, durchgeführt wird. Die SOA sind gewinnorientierte Unternehmen, die mit der Erbringung der Zertifizierungsdienste betraut sind, da die Erlangung einer entsprechenden Bescheinigung für die interessierten Personen eine notwendige Voraussetzung dafür ist, an den Ausschreibungen über öffentliche Aufträge unter den von den nationalen Vorschriften geregelten Bedingungen teilzunehmen.

29      Die Tätigkeit der SOA ist eine wirtschaftliche Tätigkeit. Diese erteilen nämlich gegen Entgelt und ausschließlich auf der Grundlage der tatsächlichen Nachfrage des Marktes Zertifikate. Außerdem tragen sie die mit dieser Tätigkeit verbundenen finanziellen Risiken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 1998, Kommission/Italien, C‑35/96, Slg. 1998, I‑3851, Randnr. 37).

30      Die nationale Regelung sieht u. a. vor, dass die SOA die technische und finanzielle Leistungsfähigkeit der zertifizierungspflichtigen Unternehmen, die Richtigkeit und den Inhalt der Erklärungen, Bescheinigungen und Unterlagen, die von den Personen, denen das Zertifikat erteilt wird, vorgelegt worden sind, sowie das Fortbestehen der Voraussetzungen bezüglich der persönlichen Lage des Bewerbers oder Bieters prüfen.

31      Im Rahmen dieser Prüfung sind die SOA verpflichtet, der Autorità, die die Aufsicht über die Ordnungsmäßigkeit der Zertifizierungstätigkeit ausübt, die geeigneten Informationen zu übermitteln, wobei Sanktionen gegen diese Gesellschaften verhängt werden können, wenn sie gegen ihre Pflichten aus den geltenden nationalen Vorschriften verstoßen.

32      Im Gegensatz zu der Situation, die in der Rechtssache in Rede stand, in der das Urteil vom 26. März 2009, SELEX Sistemi Integrati/Kommission (C‑113/07 P, Slg. 2009, I‑2207, Randnr. 76), ergangen ist, nehmen SOA keine Normungsaufgaben wahr. Sie haben keinerlei Entscheidungsgewalt, die mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse verknüpft ist.

33      Wie aus der Akte der vorliegenden Rechtssache hervorgeht, sind die Unternehmen, die die Zertifizierungstätigkeit ausüben, d. h. die SOA, wie der Generalanwalt in Nr. 57 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, unter Wettbewerbsbedingungen tätig.

34      Die Unternehmen, die an Ausschreibungen über öffentliche Bauaufträge teilnehmen wollen, sind rechtlich nicht verpflichtet, die Zertifizierungsdienste einer bestimmten SOA in Anspruch zu nehmen.

35      Somit ist festzustellen, dass ebenso wie der Automobilhersteller, der durch die Ausstellung der für die Anmeldung erforderlichen Konformitätsbescheinigungen auf dem Markt für die Zertifizierung von Automobilen tätig war und dem der Gerichtshof insoweit die Unternehmenseigenschaft zuerkannt hat (Urteil vom 11. November 1986, British Leyland/Kommission, 226/84, Slg. 1986, 3263), die SOA im Rahmen ihrer Zertifizierungstätigkeit als „Unternehmen“ im Sinne der Art. 101 AEUV, 102 AEUV und 106 AEUV anzusehen sind.

36      Zweitens ist zu prüfen, ob die Art. 101 AEUV und 102 AEUV in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anwendung finden, in der die Vorschriften über die Mindestgebühren für die Zertifizierungsdienste vom Staat festgelegt werden.

37      Nach ständiger Rechtsprechung betreffen die Art. 101 AEUV und 102 AEUV zwar nur das Verhalten von Unternehmen und nicht als Gesetz oder Verordnung ergangene Maßnahmen der Mitgliedstaaten, doch verbieten sie in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV, der eine Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten begründet, den Letztgenannten, Maßnahmen, auch in Form von Gesetzen oder Verordnungen, zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben könnten (vgl. Urteile vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C‑94/04 und C‑202/04, Slg. 2006, I‑11421, Randnr. 46, und vom 1. Juli 2010, Sbarigia, C‑393/08, Slg. 2010, I‑6337, Randnr. 31).

38      Eine Verletzung der Art. 101 AEUV oder 102 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV liegt vor, wenn ein Mitgliedstaat gegen Art. 101 AEUV verstoßende Kartellabsprachen vorschreibt oder begünstigt oder die Auswirkungen solcher Absprachen verstärkt oder wenn er seiner eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, dass er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt, oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vorschreibt oder begünstigt (vgl. in diesem Sinne Urteil Cipolla u. a., Randnr. 47).

39      Der dem Gerichtshof vorliegenden Akte lässt sich nichts entnehmen, was auf solche Wirkungen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung hindeuten könnte. Außerdem ist offensichtlich, dass der betreffende Mitgliedstaat privaten Wirtschaftsteilnehmern nicht die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen übertragen hat.

40      Unter diesen Umständen ist drittens zu prüfen, ob Art. 106 AEUV im vorliegenden Fall Anwendung findet, da Abs. 1 dieses Artikels den Mitgliedstaaten verbietet, in Bezug auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, den Bestimmungen des Vertrags, u. a. den Art. 101 AEUV und 102 AEUV, widersprechende Maßnahmen zu treffen oder aufrechtzuerhalten.

41      Eine staatliche Maßnahme kann dahin aufgefasst werden, dass sie ein besonderes oder ausschließliches Recht im Sinne von Art. 106 Abs. 1 AEUV verleiht, wenn sie einer begrenzten Zahl von Unternehmen einen Schutz gewährt und die Fähigkeit anderer Unternehmen, die fragliche wirtschaftliche Tätigkeit im selben Gebiet zu im Wesentlichen gleichen Bedingungen auszuüben, wesentlich beeinträchtigen kann (vgl. Urteil Ambulanz Glöckner, Randnr. 24).

42      Im vorliegenden Fall kann die Tatsache, dass die mit der Zertifizierung verbundenen Aufgaben allen SOA und nur diesen übertragen wurden, nicht als Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte angesehen werden. Alle SOA sind nämlich mit denselben Rechten und Befugnissen innerhalb des einschlägigen Marktes für Zertifizierungsdienste ausgestattet, da kein Wettbewerbsvorteil zugunsten bestimmter auf diesem Markt tätiger Unternehmen zum Nachteil anderer dieselben Dienste erbringender Unternehmen geschaffen wird. Außerdem ist die Erlaubnis, neue SOA zu gründen, offenbar nicht auf eine begrenzte Anzahl von Einrichtungen beschränkt, sondern wird jeder Einrichtung erteilt, die die in Randnr. 7 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllt.

43      Folglich können die SOA nicht als Unternehmen angesehen werden, die vom betreffenden Mitgliedstaat mit besonderen oder ausschließlichen Rechten im Sinne von Art. 106 Abs. 1 AEUV ausgestattet sind.

44      Demzufolge ist festzustellen, dass die Art. 101 AEUV, 102 AEUV und 106 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die für die SOA eine Regelung über die Erhebung von Mindestgebühren für die Zertifizierungsdienste vorschreibt, die sie Unternehmen erbringen, die an Ausschreibungen über öffentliche Bauaufträge teilnehmen wollen.

 Zur Niederlassungsfreiheit

45      Art. 49 AEUV steht Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit entgegen. Diese Bestimmung verbietet jede staatliche Maßnahme, die die Ausübung der vom Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit durch die Unionsbürger behindern oder weniger attraktiv machen kann. Der Begriff der Beschränkung umfasst die von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen, die, obwohl sie unterschiedslos anwendbar sind, den Marktzugang von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und somit den innergemeinschaftlichen Handel behindern (vgl. Urteile vom 28. April 2009, Kommission/Italien, C‑518/06, Slg. 2009, I‑3491, Randnrn. 63 und 64, und vom 7. März 2013, DKV Belgium, C‑577/11, Randnrn. 31 bis 33).

46      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass der Ausgangsrechtsstreit unter keinem Gesichtspunkt über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweist. Daher ist zunächst zu prüfen, ob der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache dafür zuständig ist, sich zu der Bestimmung des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit, d. h. zu Art. 49 AEUV zu äußern (Urteil vom 11. März 2010, Attanasio Group, C‑384/08, Slg. 2010, I‑2055, Randnr. 22).

47      Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die unterschiedslos auf italienische Staatsangehörige und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten anwendbar ist, kann nämlich im Allgemeinen nur dann Bestimmungen über die vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten betreffen, wenn sie auf Sachverhalte anwendbar ist, die einen Bezug zum Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen (vgl. Urteil Attanasio Group, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Jedoch lässt sich im vorliegenden Fall keineswegs ausschließen, dass Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik ansässig sind, Interesse daran hatten oder hätten, in Italien Zertifizierungstätigkeiten auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Attanasio Group, Randnr. 24).

49      Zudem kann die Antwort des Gerichtshofs auch in einer Situation, in der kein Gesichtspunkt über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist, dem vorlegenden Gericht von Nutzen sein, insbesondere dann, wenn sein nationales Recht vorschreiben sollte, dass einem eigenen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrechts zustünden (vgl. Urteile vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez, C‑570/07 und C‑571/07, Slg. 2010, I‑4629, Randnr. 39).

50      In Bezug auf Art. 51 AEUV, nach dem die Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, von der Anwendung der in der vorherigen Randnummer genannten Bestimmungen ausgenommen sind, ist festzustellen, dass diese Ausnahmeregelung im Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar ist.

51      Diese Ausnahmeregelung ist nämlich auf die Tätigkeiten beschränkt, die als solche unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (Urteil vom 24. Mai 2011, Kommission/Belgien, C‑47/08, Slg. 2011, I‑4105, Randnr. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      In Anbetracht der Ausführungen in den Randnrn. 28 bis 35 des vorliegenden Urteils kann nicht geltend gemacht werden, die Zertifizierungstätigkeiten der SOA seien unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden.

53      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 47 und 48 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, fallen nämlich die Entscheidungen über die Erteilung oder Versagung der Bescheinigung der technischen Überprüfung, die im Wesentlichen nur die Ergebnisse der technischen Besichtigung wiedergibt, da sie zum einen der Entscheidungsautonomie entbehren, die der Ausübung hoheitlicher Befugnisse eigen ist, und zum anderen im Rahmen einer unmittelbaren staatlichen Aufsicht ergehen, nicht in den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung des Art. 51 AEUV (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Oktober 2009, Kommission/Portugal, C‑438/08, Slg. 2009, I‑10219, Randnrn. 41 und 45). Ebenso kann die helfende und vorbereitende Rolle, die den privaten Kontrollstellen gegenüber der Überwachungsbehörde übertragen wurde, nicht als unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 51 AEUV angesehen werden (vgl. Urteil vom 29. November 2007, Kommission/Deutschland, C‑404/05, Slg. 2007, I‑10239, Randnr. 44).

54      Im vorliegenden Fall kann die Prüfung der technischen und finanziellen Leistungsfähigkeit der zertifizierungspflichtigen Unternehmen, der Richtigkeit und des Inhalts der Erklärungen, Bescheinigungen und Unterlagen, die von den Personen, denen das Zertifikat erteilt wird, vorgelegt worden sind, sowie des Fortbestehens der Voraussetzungen hinsichtlich der persönlichen Lage des Bewerbers oder Bieters nicht als Tätigkeit angesehen werden, die Ausfluss der Entscheidungsautonomie ist, die der Ausübung hoheitlicher Befugnisse eigen ist. Diese Prüfung wird gänzlich durch den nationalen Regelungsrahmen bestimmt. Außerdem erfolgt sie unter unmittelbarer staatlicher Aufsicht und soll den öffentlichen Auftraggebern ihre Aufgabe bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge erleichtern, da sie diese Stellen in die Lage versetzen soll, ihre Aufgabe in genauer und eingehender Kenntnis sowohl der technischen als auch der finanziellen Leistungsfähigkeit der Bieter zu erfüllen.

55      Folglich ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung im Hinblick auf Art. 49 AEUV zu würdigen.

–       Zum Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

56      Die im Ausgangsrechtsstreit angefochtenen nationalen Vorschriften verbieten den Unternehmen, die Zertifizierungsdienste erbringen, von den vom italienischen Recht vorgesehenen Mindestgebühren abzuweichen. Wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge festgestellt hat, sind diese Vorschriften geeignet, Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik niedergelassen sind, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit auf dem Markt für diese Dienstleistungen weniger attraktiv erscheinen zu lassen.

57      Das genannte Verbot nimmt nämlich Unternehmen, die in einem anderen Mitgliedstaat als der Italienischen Republik niedergelassen sind und die in der italienischen Vorschrift aufgestellten Voraussetzungen erfüllen, die Möglichkeit, durch geringere Honorarforderungen als den vom italienischen Gesetzgeber festgesetzten den Unternehmen wirksamer Konkurrenz zu machen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ihren festen Sitz haben und denen es daher leichter als im Ausland niedergelassenen Unternehmen fällt, sich einen Kundenstamm aufzubauen (vgl. entsprechend Urteile vom 5. Oktober 2004, CaixaBank France, C‑442/02, Slg. 2004, I‑8961, Randnr. 13, sowie Cipolla u. a., Randnr. 59).

58      Somit stellt eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.

–       Zur Rechtfertigung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

59      Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit kann zugelassen werden, wenn sich erweist, dass sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht, dass sie geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Urteil DKV Belgium, Randnr. 38).

60      Unionsoa und die italienische Regierung sind der Auffassung, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung die Unabhängigkeit der SOA sowie die Qualität der von diesen erbrachten Zertifizierungsdienste gewährleisten solle. Ein Wettbewerb zwischen den SOA auf der Ebene der mit ihren Kunden ausgehandelten Gebühren und die Möglichkeit, diese Gebühren auf einem sehr niedrigen Niveau festzulegen, würde das Risiko in sich bergen, ihre Unabhängigkeit gegenüber diesen Kunden und die Qualität der Zertifizierungsdienste negativ zu beeinträchtigen.

61      Insoweit kann das Allgemeininteresse am Schutz der Empfänger der Dienstleistungen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen (vgl. Urteil vom 30. März 2006, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, C‑451/03, Slg. 2006, I‑2941, Randnr. 38).

62      Im vorliegenden Fall sind die SOA zum einen mit der Zertifizierung von Unternehmen betraut, da die Erlangung einer entsprechenden Bescheinigung eine notwendige Voraussetzung für die Teilnahme der betreffenden Unternehmen an den Ausschreibungen über öffentliche Bauaufträge ist. In diesem Kontext soll durch die italienischen Rechtsvorschriften gewährleistet werden, dass keine geschäftlichen oder finanziellen Interessen bestehen, die zu nicht unparteiischen oder diskriminierenden Verhaltensweisen der SOA gegenüber diesen Unternehmen führen könnten.

63      Zum anderen können die SOA, wie aus dem Vorlagebeschluss hervorgeht, keine anderen als die Zertifizierungstätigkeiten ausüben. Außerdem müssen sie gemäß den nationalen Vorschriften über Ressourcen und Verfahren verfügen, die die Wirksamkeit und die Korrektheit der Erbringung ihrer Dienstleistungen garantieren können.

64      Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Dienstleistungsempfänger erhält die Unabhängigkeit der SOA gegenüber den Sonderinteressen ihrer Kunden eine besondere Bedeutung. Eine gewisse Beschränkung der Möglichkeit, den Preis der Dienstleistungen mit diesen Kunden auszuhandeln, kann ihre Unabhängigkeit stärken.

65      Unter diesen Umständen ist entsprechend den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 58 seiner Schlussanträge festzustellen, dass die Festlegung von Mindestgebühren für die Erbringung solcher Dienstleistungen grundsätzlich dazu bestimmt ist, die Qualität dieser Dienstleistungen zu gewährleisten, und geeignet ist, das Ziel des Schutzes der Empfänger dieser Dienstleistungen zu verwirklichen.

66      Hierbei ist jedoch hervorzuheben, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung über die Gebühren und insbesondere die Berechnung der Mindestgebühren in angemessenem Verhältnis zur Erreichung des in der vorherigen Randnummer genannten Ziels stehen müssen.

67      Im vorliegenden Fall sieht die italienische Regelung vor, dass für jede Zulassungsbescheinigung oder ihre Erneuerung sowie alle ergänzenden Tätigkeiten der Überprüfung oder Änderung ein Mindestentgelt zu entrichten ist, das in Abhängigkeit vom Gesamtvolumen und von der Zahl der allgemeinen oder speziellen Kategorien, für die die Zertifizierung beantragt wird, berechnet wird.

68      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob diese Regelung nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des in Randnr. 65 des vorliegenden Urteils genannten Ziels erforderlich ist. Dabei wird es insbesondere die Art der Berechnung der Mindestgebühren, u. a. in Abhängigkeit von der Anzahl der Kategorien von Arbeiten, für die die Bescheinigung erteilt wird, berücksichtigen müssen.

69      Nach alledem ist festzustellen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die für die SOA die Erhebung von Mindestgebühren für die Zertifizierungsdienste vorschreibt, die Unternehmen erbracht werden, die an Ausschreibungen über öffentliche Bauaufträge teilnehmen wollen, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 49 AEUV darstellt, jedoch geeignet ist, die Verwirklichung des Ziels des Schutzes der Empfänger dieser Dienste sicherzustellen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob diese nationale Regelung unter Berücksichtigung insbesondere der Art der Berechnung der Mindestgebühren, u. a. in Abhängigkeit von der Anzahl der Kategorien von Arbeiten, für die die Bescheinigung erteilt wird, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

 Kosten

70      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Die Art. 101 AEUV, 102 AEUV und 106 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die für die Gesellschaften, die Zertifizierungseinrichtungen (Società Organismi di Attestazione) sind, eine Regelung über die Erhebung von Mindestgebühren für die Zertifizierungsdienste vorschreibt, die sie Unternehmen erbringen, die an Ausschreibungen über öffentliche Bauaufträge teilnehmen wollen.

Eine solche nationale Regelung stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 49 AEUV dar, ist jedoch geeignet, die Verwirklichung des Ziels des Schutzes der Empfänger dieser Dienste sicherzustellen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob diese nationale Regelung unter Berücksichtigung insbesondere der Art der Berechnung der Mindestgebühren, u. a. in Abhängigkeit von der Anzahl der Kategorien von Arbeiten, für die die Bescheinigung erteilt wird, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.