Language of document : ECLI:EU:T:2016:668

BESCHLUSS DES GERICHTS (Erste Kammer)

14. November 2016 (*)

„Verfahren – Kostenfestsetzung – Anwaltshonorare – Vertretung eines Unionsorgans durch einen Anwalt – Erstattungsfähige Kosten“

In der Rechtssache T‑492/12 DEP

Sven A. von Storch, wohnhaft in Berlin (Deutschland), und die weiteren, im Anhang(1) namentlich aufgeführten Kläger, Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte M. C. Kerber und B. von Storch, dann Rechtsanwälte M. C. Kerber, B. von Storch und T. Hagen und schließlich Rechtsanwälte B. von Storch und T. Hagen,

Kläger,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch C. Kroppenstedt und G. Gruber als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt H.‑G. Kamann,

Beklagte,

wegen Festsetzung der Kosten im Anschluss an den Beschluss vom 10. Dezember 2013, von Storch u. a./EZB (T‑492/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:702),

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, der Richterin I. Pelikánová und des Richters E. Buttigieg (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt, Verfahren und Anträge der Parteien

1        Mit am 12. November 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift, die durch einen am 29. November 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsatz ergänzt wurde, erhoben Sven A. von Storch und die weiteren, im Anhang namentlich aufgeführten Kläger Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 6. September 2012 über eine Reihe technischer Merkmale der Outright-Geschäfte des Eurosystems an den Sekundärmärkten und des Beschlusses der EZB vom 6. September 2012 über zusätzliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Verfügbarkeit von Sicherheiten für Geschäftspartner, um deren Zugang zu liquiditätsführenden Geschäften des Eurosystems sicherzustellen, sowie, hilfsweise, der Leitlinie 2012/641/EU der EZB vom 10. Oktober 2012 zur Änderung der Leitlinie EZB/2012/18 über zusätzliche zeitlich befristete Maßnahmen hinsichtlich der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems und der Notenbankfähigkeit von Sicherheiten (EZB/2012/23) (ABl. 2012, L 284, S. 14).

2        Mit besonderem Schriftsatz, der am 21. Februar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, erhob die EZB eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991.

3        Mit Beschluss vom 10. Dezember 2013, von Storch u. a./EZB (T‑492/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:702, im Folgenden: Beschluss des Gerichts), hat das Gericht die Klage als unzulässig abgewiesen und die Kläger auf der Grundlage von Art. 87 Abs. 2 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 verurteilt, ihre eigenen Kosten sowie die der EZB entstandenen Kosten zu tragen.

4        Mit Beschluss vom 29. April 2015, von Storch u. a./EZB (C‑64/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:300), hat der Gerichtshof das Rechtsmittel, das die Kläger gegen den Beschluss des Gerichts eingelegt hatten, zurückgewiesen und diese verurteilt, die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

5        Mit Schreiben vom 2. November 2015 und vom 1. Dezember 2015 forderte die EZB die Kläger unter Bezugnahme auf Art. 140 der Verfahrensordnung des Gerichts zur Erstattung der ihr in der Rechtssache T‑492/12 in Rechnung gestellten Rechtsanwaltskosten auf, d. h. zur Erstattung von 19 000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer, also eines Gesamtbetrags von 22 610 Euro. Mit Schreiben vom 8. Januar 2016 mahnte die EZB die Kläger zur Zahlung des geforderten Betrags. Mit Schreiben vom 21. Januar 2016 lehnten Letztere es ab, dem in Rede stehenden Erstattungsverlangen nachzukommen.

6        Mit am 18. Februar 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Antragsschrift hat die EZB gemäß Art. 170 Abs. 1 der Verfahrensordnung den vorliegenden Kostenfestsetzungsantrag eingereicht, mit dem sie beantragt,

–        die erstattungsfähigen Kosten in der Rechtssache, in der der Beschluss des Gerichts ergangen ist, auf 22 610 Euro zuzüglich 1 416 Euro für die Kosten des Kostenfestsetzungsverfahrens festzusetzen;

–        ihr eine vollstreckbare Ausfertigung des in Rede stehenden Beschlusses zu erteilen.

7        Die Kläger haben innerhalb der ihnen gesetzten Frist keine Stellungnahme eingereicht.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Erstattungsfähigkeit der der EZB entstandenen Kosten

8        Nach Art. 170 Abs. 3 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht bei Streitigkeiten über die erstattungsfähigen Kosten auf Antrag der betroffenen Partei durch unanfechtbaren Beschluss, nachdem es der vom Antrag betroffenen Partei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

9        Nach Art. 140 Buchst. b der Verfahrensordnung gelten als erstattungsfähige Kosten „Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren notwendig waren, insbesondere Reise- und Aufenthaltskosten sowie die Vergütung der Bevollmächtigten, Beistände oder Anwälte“. Wie sich aus dieser Bestimmung ergibt, sind nur die Kosten erstattungsfähig, die für das Verfahren vor dem Gericht aufgewendet wurden und die dafür notwendig waren (Beschlüsse vom 28. Juni 2004, Airtours/Kommission, T‑342/99 DEP, EU:T:2004:192, Rn. 13, und vom 10. Februar 2009, Centeno Mediavilla u. a./Kommission, T‑58/05 DEP, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:31, Rn. 27).

10      Nach ständiger Rechtsprechung hat der Unionsrichter nicht die Vergütungen festzusetzen, die die Parteien ihren eigenen Anwälten schulden, sondern den Betrag zu bestimmen, bis zu dem die Erstattung dieser Vergütungen von der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei verlangt werden kann. Das Gericht braucht bei der Entscheidung über einen Antrag auf Kostenfestsetzung weder eine nationale Gebührenordnung für Anwälte noch eine eventuell zwischen der betreffenden Partei und ihren Bevollmächtigten oder Beiständen getroffene Gebührenvereinbarung zu berücksichtigen (Beschlüsse vom 19. März 2009, House of Donuts/HABM – Panrico [House of donuts], T‑333/04 DEP und T‑334/04 DEP, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:73, Rn. 8, und vom 29. Juni 2015, Reber/HABM – Klusmeier [Wolfgang Amadeus Mozart PREMIUM], T‑530/10 DEP, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:482, Rn. 22).

11      Es entspricht ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass das Gericht in Ermangelung einer unionsrechtlichen Gebührenordnung die Gegebenheiten des Falles frei zu würdigen hat, wobei es den Gegenstand und die Art des Rechtsstreits, seine Bedeutung aus unionsrechtlicher Sicht sowie die Schwierigkeiten des Falles, den Arbeitsaufwand der tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beistände im Zusammenhang mit dem Verfahren und das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten am Ausgang des Rechtsstreits berücksichtigt (Beschlüsse vom 28. Juni 2004, Airtours/Kommission, T‑342/99 DEP, EU:T:2004:192, Rn. 18, und vom 29. Juni 2015, Wolfgang Amadeus Mozart PREMIUM, T‑530/10 DEP, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:482, Rn. 23).

12      Ferner wurde entschieden, dass das Gericht bei der Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten alle Umstände der Rechtssache bis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kostenfestsetzungsbeschlusses einschließlich der für das Kostenfestsetzungsverfahren notwendigen Aufwendungen berücksichtigt (Beschluss vom 11. Januar 2016, Marcuccio/Kommission, T‑238/11 P‑DEP, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:13, Rn. 10).

13      Aus Art. 19 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung auch für das Gericht gilt, geht schließlich hervor, dass es den Unionsorganen freisteht, sich der Hilfe eines Anwalts zu bedienen. Dessen Vergütung fällt daher unter den Begriff der für das Verfahren notwendigen Aufwendungen, ohne dass das Organ nachweisen müsste, dass eine solche Hilfe objektiv gerechtfertigt war (Beschluss vom 11. Januar 2016, Marcuccio/Kommission, T‑238/11 P‑DEP, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:13, Rn. 11).

14      Im vorliegenden Fall verlangt die EZB einen Betrag von 24 026 Euro, der dem von ihren externen Anwälten in Rechnung gestellten Betrag entspricht, um die für das Verfahren vor dem Gericht aufgewendeten Kosten, einschließlich der Kosten des Kostenfestsetzungsverfahrens, zu decken.

15      Die geforderten Kosten sind somit ihrem Wesen nach erstattungsfähig.

 Zur Höhe der erstattungsfähigen Kosten

16      Der Betrag der im vorliegenden Fall erstattungsfähigen Kosten ist nach den in Rn. 11 des vorliegenden Beschlusses angeführten Kriterien zu bemessen.

17      Was erstens den Gegenstand und die Art des Rechtsstreits betrifft, warf die in Rede stehende Rechtssache wie die Rechtssache, in der das Urteil vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400), ergangen ist, neue, grundlegende und komplexe Fragen auf, da die Klage auf Nichtigerklärung geldpolitischer Grundsatzbeschlüsse des EZB-Rates gerichtet war, deren Prüfung eine eingehende Analyse u. a. des komplexen rechtlichen und geldpolitischen Zusammenhangs bedingte, in dem die angefochtenen Handlungen der Antragstellerin im Rahmen des Europäischen Systems der Zentralbanken standen.

18      Zweitens hatte die in Rede stehende Rechtssache grundlegende Bedeutung aus Sicht des Unionsrechts, da sie grundsätzliche Fragen des Rechtsschutzes von Unionsbürgern gegen geldpolitische Grundsatzbeschlüsse des EZB-Rates wegen einer angeblichen Überschreitung des geldpolitischen Mandats der EZB durch den EZB-Rat aufwarf.

19      Drittens war die in Rede stehende Rechtssache, wie die EZB ausführt, sowohl für die EZB – die beabsichtigte, zentrale geldpolitische Grundsatzbeschlüsse zu verteidigen, die der EZB-Rat zu einem entscheidenden Zeitpunkt der Finanz- und der Staatsschuldenkrise getroffen hatte und die erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben konnten – als auch für die Kläger – da die Klage für diese Teil einer weitangelegten kritischen Kampagne bezüglich der Rolle der EZB war – von zentraler Bedeutung.

20      Viertens war der Arbeitsaufwand der für die EZB tätig gewordenen Anwälte in Anbetracht der grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Tragweite und Bedeutung des in Rede stehenden Rechtsstreits für die EZB und für die Kläger erforderlich und angemessen.

21      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass für den Unionsrichter die Gesamtzahl der Arbeitsstunden entscheidend ist, die für das Verfahren vor dem Gericht objektiv notwendig waren (Beschlüsse vom 28. Juni 2004, Airtours/Kommission, T‑342/99 DEP, EU:T:2004:192, Rn. 30, und vom 22. März 2010, Mülhens/HABM – Spa Monopole [MINERAL SPA], T‑93/06 DEP, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:106, Rn. 21). Des Weiteren kann der Unionsrichter den Wert der geleisteten Arbeit nur nach Maßgabe der Genauigkeit der mitgeteilten Daten beurteilen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 28. Juni 2004, Airtours/Kommission, T‑342/99 DEP, EU:T:2004:192, Rn. 30).

22      Im vorliegenden Fall hat die EZB zur Begründung ihres Kostenfestsetzungsantrags den Einzelvertrag vorgelegt, den sie Anfang Januar 2013 mit der Anwaltskanzlei geschlossen hatte, die sie unterstützte, sowie eine detaillierte Honorarnote vom 17. Dezember 2013, die eine Aufstellung der von dieser Kanzlei erbrachten Leistungen unter Angabe der Arbeiten, die die Kanzlei u. a. im Rahmen der Ausarbeitung des Entwurfs einer Verteidigungslinie, insbesondere der Einrede der Unzulässigkeit, durchgeführt hat, sowie des Zeitpunkts der Durchführung dieser Arbeiten und der jeweils darauf verwendeten Stunden. Diese Honorarnote enthält außerdem eine Aufstellung der Leistungen, die die Kanzlei ab dem 8. Februar 2013 im Hinblick auf die Ausarbeitung des Entwurfs einer Verteidigung in der Sache erbracht hat und die sich auf 9 953,50 Euro belaufen, die nicht als erstattungsfähige Kosten geltend gemacht werden.

23      Die EZB trägt vor, dass aus der genannten Honorarnote hervorgehe, dass die als erstattungsfähig geltend gemachten Kosten einer Arbeitszeit von 96,4 Stunden entsprächen, die die Anwälte für das vorliegende Verfahren, und zwar in dem Zeitraum, der der am 8. Februar 2013 begonnenen Ausarbeitung des Entwurfs einer Verteidigung in der Sache vorausgegangen sei, aufgewandt hätten. Die EZB führt weiter aus, dass die Anwaltskanzlei aufgrund der in dem mit ihr geschlossenen Einzelvertrag vereinbarten Kappungsgrenze nicht sämtliche dieser Arbeitsstunden, die mit einem Stundensatz von 340 Euro für die Partner der Sozietät und einem Stundensatz von 175 Euro für die Junior Associates vergütet würden, woraus sich ein Gesamtbetrag von 21 061 Euro ergäbe, abgerechnet habe, sondern nur eine Anzahl von Stunden in einem Gesamtwert von höchstens 19 000 Euro.

24      Da die Ausarbeitung des Entwurfs einer Verteidigungslinie, insbesondere was das Bestreiten der Zulässigkeit der Klage betrifft, die Durchsicht der umfangreichen Klageschrift nebst Anlagen in einer Rechtssache – die, wie bereits ausgeführt, neue, grundlegende und komplexe Fragen aufwarf –, die Sichtung der einschlägigen Rechtsprechung, die Anfertigung eines ungefähr 20 Seiten umfassenden Unzulässigkeitsantrags, die Beantwortung einer Frage des Gerichts sowie die Kommunikation mit der EZB umfasste, erscheinen weder die anwendbaren Stundensätze noch die Zahl der abgerechneten Stunden unangemessen. Zu diesem Betrag von 19 000 Euro ist im vorliegenden Fall die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % hinzuzurechnen, die auf die von den Anwälten der EZB berechnete Vergütung geschuldet wird und einem Betrag von 3 610 Euro entspricht.

25      Die EZB verlangt außerdem Erstattung der Kosten des Kostenfestsetzungsverfahrens, die nach ihren Angaben 3,5 Arbeitsstunden entsprechen, die zur umfassenden Prüfung der Rechtslage und der Erstellung des vorliegenden Antrags erforderlich gewesen seien, so dass sich an erstattungsfähigen Anwaltskosten für das Kostenfestsetzungsverfahren ein Betrag von 1 190 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer, d. h. ein Gesamtbetrag von 1 416 Euro, ergebe.

26      Da dieser Betrag angemessen erscheint, sind die Kosten des Kostenfestsetzungsverfahrens auf 1 416 Euro festzusetzen.

27      Der von den Klägern zu tragende Gesamtbetrag der erstattungsfähigen Kosten der EZB ist somit auf 24 026 Euro festzusetzen.

28      Abschließend ist festzustellen, dass über den Antrag der EZB, ihr eine Ausfertigung des vorliegenden Beschlusses zu erteilen, nicht zu entscheiden ist. Ein solcher Antrag hat nämlich rein administrativen Charakter und gehört nicht zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, der die Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten der EZB betrifft (Beschluss vom 23. Oktober 2012, Chabou/HABM – Chalou [CHABOU], T‑323/10 DEP II, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:185, Rn. 21).

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

beschlossen:

Der Gesamtbetrag der Kosten, die Herr Sven A. von Storch und die weiteren, im Anhang namentlich aufgeführten Kläger der Europäischen Zentralbank (EZB) zu erstatten haben, wird auf 24 026 Euro festgesetzt.

Luxemburg, den 14. November 2016

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      H. Kanninen


* Verfahrenssprache: Deutsch.


1 Die Liste mit den weiteren Klägern ist nur der an die Parteien zugestellten Fassung als Anhang beigefügt.