Language of document : ECLI:EU:C:2022:931

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

TAMARA ĆAPETA

vom 24. November 2022(1)

Rechtssache C574/21

QT

gegen

O2 Czech Republic a.s.

(Vorabentscheidungsersuchen des Nejvyšší soud [Oberstes Gericht, Tschechische Republik])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 86/653/EWG – Art. 17 Abs. 2 Buchst. a – Selbständige Handelsvertreter – Ausgleichsanspruch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses – Berechnungsmethode – Begriff der ‚dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen‘ – Einmalprovisionszahlungen“






I.      Einleitung

1.        Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter(2) begründet das Recht eines Handelsvertreters, den Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses auf Zahlung eines als Ausgleich bezeichneten Geldbetrags in Anspruch zu nehmen.

2.        Mit diesem Vorabentscheidungsersuchen des Nejvyšší soud (Oberstes Gericht, Tschechische Republik) wird eine Auslegungsfrage bezüglich dieser Bestimmung aufgeworfen. Es betrifft, genauer gesagt, die Auslegung des darin enthaltenen Begriffs „der dem Handelsvertreter … entgehenden Provisionen“ (welche ich als „entgehende Provisionen“ bezeichnen werde).

3.        Der vorliegende Fall berührt auch einige allgemeinere Fragen bezüglich der Voraussetzungen, unter denen der Ausgleichsanspruch entsteht, sowie der Methode für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs gemäß der Richtlinie 86/653.

II.    Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

4.        Am 1. Januar 1998 schloss QT mit der Rechtsvorgängerin der O2 Czech Republic a.s. (hierin im Folgenden: O2 Czech Republic) einen Handelsvertretervertrag. Nach diesem Vertrag hatte QT die Rechtsstellung eines Handelsvertreters und O2 Czech Republic die eines Unternehmers.

5.        Der Handelsvertretervertrag betraf den Vertrieb und Verkauf durch O2 Czech Republic erbrachter Telekommunikationsdienste in den Systemen NMT 450 und GSM, die Lieferungen und den Verkauf von Mobiltelefonen, Zubehör und weiteren potenziellen Produkten sowie die Kundenpflege.

6.        Gemäß dem Handelsvertretervertrag wurde QT für jeden einzelnen Vertrag, den er für O2 Czech Republic geschlossen hatte, jeweils eine einmalige Vergütung gezahlt. Nach den Ausführungen von O2 Czech Republic in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof verhielt es sich so, dass QT, wenn er den Abschluss eines neuen Vertrags mit einem bereits von ihm geworbenen Kunden vermittelt hatte (z. B. die Verlängerung des Abonnements), eine einmalige Provision für den neuen Vertrag gezahlt wurde. Wenn jedoch ein neuer Vertrag zwischen O2 Czech Republic und demselben Kunden durch einen anderen Vertreter abgeschlossen wurde, wurde die einmalige Provision diesem anderen Vertreter gezahlt. Wenn O2 Czech Republic einen neuen Vertrag mit demselben Kunden direkt abschloss, wurde keinerlei Provision gezahlt.

7.        Am 31. März 2010 kündigte O2 Czech Republic den Handelsvertretervertrag.

8.        QT erhob Klage vor dem Obvodní soud v Praze 4 (Stadtbezirksgericht Prag 4, Tschechische Republik) mit dem Antrag, O2 Czech Republic zur Zahlung eines Betrags von 2 023 799 tschechischen Kronen (CZK) (etwa 80 000 Euro) zuzüglich Verzugszinsen zu verurteilen, wobei er sich auf seinen Ausgleichsanspruch gemäß der tschechischen Rechtsvorschrift zur Umsetzung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 stützte.

9.        Mit Urteil vom 14. September 2015 gab das erstinstanzliche Gericht, der Obvodní soud v Praze 4 (Stadtbezirksgericht Prag 4), der Klage von QT teilweise statt. Das Berufungsgericht, der Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag, Tschechische Republik), hob dieses Urteil auf das von O2 Czech Republic eingelegte Rechtsmittel hin mit Entscheidung vom 16. März 2016 wegen mangelhafter Feststellung des Sachverhalts auf und verwies die Rechtssache zur erneuten Verhandlung an das Gericht erster Instanz zurück.

10.      Mit seinem zweiten Urteil vom 30. Januar 2019 wies der Obvodní soud v Praze 4 (Stadtbezirksgericht Prag 4) die Klage von QT ab. Das erstinstanzliche Gericht gelangte zu dem Ergebnis, dass QT es versäumt habe, nachzuweisen, dass O2 Czech Republic durch die von QT geworbenen Kunden auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile gezogen habe. Gegen dieses Urteil legte QT Berufung ein.

11.      Mit Urteil vom 27. November 2019 bestätigte der Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag) das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts, mit dem die Klage von QT abgewiesen worden war. Das Berufungsgericht betonte, dass es sich bei den Provisionen für die Vermittlung der Geschäfte um einmalige Vergütungen gehandelt habe und diese sämtlich QT ordnungsgemäß ausbezahlt worden seien; die Argumentation von QT, die auf die Provisionen abstelle, auf die er bei Abschluss weiterer Geschäfte, sei es mit neuen oder bestehenden Kunden, hypothetisch Anspruch gehabt hätte, begründe keinen Ausgleichsanspruch. Zwar habe QT neue Kunden geworben und die Geschäftsverbindungen mit bestehenden Kunden wesentlich erweitert, woraus O2 Czech Republic nach Beendigung des Vertragsverhältnisses möglicherweise noch Vorteile ziehe, doch habe O2 Czech Republic QT für diese Geschäfte bereits Provisionen gemäß dem Handelsvertretervertrag gezahlt, so dass die Zahlung eines Ausgleichs nicht der Billigkeit entspräche.

12.      Gegen das Urteil des Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag) legte QT Rechtsmittel zum Nejvyšší soud (Oberstes Gericht) ein, dem vorlegenden Gericht in dieser Rechtssache.

13.      Ausweislich der Vorlageentscheidung hatte QT zwar in den Jahren 2006 und 2007 für O2 Czech Republic neue Kunden geworben bzw. mit bestehenden Kunden weitere Verträge abgeschlossen, z. B. über andere Produkte oder zur Vertragsverlängerung, jedoch selbst bei Berücksichtigung der in den betreffenden Jahren geltenden maximalen Dauer der Tarifbindung von höchstens 30 Monaten gingen diese nicht über den 31. März 2010, als der Handelsvertretervertrag gekündigt wurde, hinaus. Was den Zeitraum 2008 und 2009 angeht, galten insgesamt 431 Verpflichtungen über den 31. März 2010 hinaus fort, darunter 155 neue Verträge und 276 Vertragsänderungen. Folglich wurde von QT nachgewiesen, dass er für O2 Czech Republic neue Kunden geworben und auch die Geschäftsverbindung mit bestehenden Kunden wesentlich erweitert hatte. Diese Tätigkeit wurde QT von O2 Czech Republic ordnungsgemäß vergütet.

14.      Nach Angaben des vorlegenden Gerichts beruht die tschechische Regelung auf der Ausgleichsregelung, da sie die in Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 vorgesehene Lösung umsetzt.

15.      Des Weiteren erklärt das vorlegende Gericht – und dies wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof auch von der tschechischen Regierung wiederholt –, dass es in seiner Rechtsprechung den Begriff der entgehenden Provisionen dahin auslege, dass es sich um die Provisionen handele, die dem Vertreter für bereits vor Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossene Geschäfte zustünden.

16.      Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass in der deutschen Rechtsprechung und Literatur ein entgegengesetzter Trend feststellbar sei. Nach dort vorherrschender Meinung umfassten entgehende Provisionen auch Provisionen für den Abschluss von Verträgen, die der Vertreter andernfalls, wenn nämlich der Handelsvertretervertrag fortbestanden hätte, aus künftigen Geschäften zwischen dem Unternehmer und den Kunden, die der Vertreter für den Unternehmer geworben oder hinsichtlich derer der Vertreter die Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hatte, erlangt hätte.

17.      Deshalb fragt das vorlegende Gericht, wie der Begriff der entgehenden Provisionen in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 auszulegen ist. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist die Auslegung dieser Bestimmung für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters im vorliegenden Fall entscheidungserheblich, und als letztinstanzliches Gericht hält es sich für zur Vorlage gemäß Art. 267 AEUV verpflichtet.

18.      Unter diesen Umständen hat der Nejvyšší soud (Oberstes Gericht) beschlossen, das Ausgangsverfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist der Begriff „[die] dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen“ im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 dahin auszulegen, dass diese Provisionen auch jene Provisionen für den Abschluss von Verträgen umfassen, die der Handelsvertreter mit den Kunden, die er für den Unternehmer geworben oder mit denen er die Geschäftsverbindung wesentlich erweitert hat, abgeschlossen hätte, wenn der Handelsvertretervertrag fortbestanden hätte?

Falls diese Frage zu bejahen ist, unter welchen Voraussetzungen gilt diese Schlussfolgerung auch im Hinblick auf die sogenannten Einmalprovisionen für den Vertragsabschluss?

19.      QT, O2 Czech Republic, die tschechische Regierung, die deutsche Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. Am 15. September 2022 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der O2 Czech Republic, die tschechische Regierung und die deutsche Regierung sowie die Kommission mündliche Erklärungen abgegeben haben.

III. Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

20.      Art. 17 der Richtlinie 86/653 bestimmt, soweit hier relevant:

„(1)      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf Ausgleich nach Absatz 2 oder Schadensersatz nach Absatz 3 hat.

(2)      a)      Der Handelsvertreter hat Anspruch auf einen Ausgleich, wenn und soweit

–      er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und

–      die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass zu diesen Umständen auch die Anwendung oder Nichtanwendung einer Wettbewerbsabrede im Sinne des Artikels 20 gehört.

b)      Der Ausgleich darf einen Betrag nicht überschreiten, der einem jährlichen Ausgleich entspricht, der aus dem Jahresdurchschnittsbetrag der Vergütungen, die der Handelsvertreter während der letzten fünf Jahre erhalten hat, errechnet wird; ist der Vertrag vor weniger als fünf Jahren geschlossen worden, wird der Ausgleich nach dem Durchschnittsbetrag des entsprechenden Zeitraums ermittelt.

c)      Die Gewährung dieses Ausgleichs schließt nicht das Recht des Handelsvertreters aus, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.“

B.      Tschechisches Recht

21.      § 669 des Zákon č. 513/1991 Sb., obchodní zákoník (Gesetz Nr. 513/1991 über das Handelsgesetzbuch) in der für das Ausgangsverfahren einschlägigen Fassung, der Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 umsetzt, lautet:

„(1)      Der Handelsvertreter hat nach Beendigung des Vertrags einen Ausgleichsanspruch, wenn

a)      er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindung mit bestehenden Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und

b)      die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Zu diesen Umständen gehört auch die Anwendung oder Nichtanwendung einer Wettbewerbsabrede im Sinne des § 672a.“

IV.    Würdigung

22.      Wie ich bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Rigall Arteria Management(3) ausgeführt habe, handelt es sich bei der Richtlinie 86/653 um einen außergewöhnlichen Unionsrechtsakt, da sie Verträge zwischen wirtschaftlich Tätigen regelt, nämlich Handelsvertreterverträge, die zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer abgeschlossen werden, die beide als unabhängige Geschäftsleute handeln. Sie harmonisiert bestimmte Aspekte der Beziehung zwischen Handelsvertretern und Unternehmern, genauer gesagt die grundlegenden gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien (Kapitel II), die Vergütung der Handelsvertreter (Kapitel III) sowie den Abschluss und die Beendigung von Handelsvertreterverträgen (Kapitel IV). Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 gehört zu ihrem Kapitel IV (Art. 13 bis 20).

23.      Zwar wurde der Gerichtshof schon mehrfach um Vorabentscheidung im Zusammenhang mit der Auslegung der durch die Richtlinie 86/653 geschaffenen Ausgleichsregelung ersucht, nunmehr wird der Gerichtshof jedoch erstmals um Klärung gebeten, was der Begriff der entgehenden Provisionen in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich dieser Richtlinie eigentlich bedeutet(4).

24.      Aus der Vorlageentscheidung ist ersichtlich, dass die Fragen die tschechische Rechtsprechung zu der nationalen Rechtsvorschrift betreffen, durch die Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 umgesetzt wurde. Nach dieser Rechtsprechung ist der Begriff „entgehende Provisionen“ dahin auszulegen, dass er die Möglichkeit ausschließt, dass ein Handelsvertreter einen Ausgleich für Provisionen aus hypothetischen künftigen Geschäften zwischen dem Unternehmer und den Kunden erhält, die der Vertreter für den Unternehmer geworben oder hinsichtlich derer der Vertreter die Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hatte (diese Kunden werde ich der Einfachheit halber als den „vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand“ bezeichnen). Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine solche Auslegung im Licht der Richtlinie 86/653 akzeptabel ist oder ob – im Gegenteil – auch Provisionen aus hypothetischen künftigen Geschäften unter diesen Begriff fallen.

25.      Sollten auch Provisionen aus hypothetischen künftigen Geschäften unter den Begriff „entgehende Provisionen“ fallen, ergibt sich für das vorlegende Gericht ein zusätzliches Problem bezüglich der Einmalprovisionszahlungen, die von den Parteien des Verfahrens vor diesem Gericht vereinbart wurden. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht deshalb im Wesentlichen wissen, ob es entgehende Provisionen geben kann, wenn der Handelsvertretervertrag wie im vorliegenden Fall vorsieht, dass der Vertreter für jedes Geschäft, das für den Unternehmer vermittelt oder abgeschlossen wird, eine Vergütung erhält.

26.      Die beiden Vorlagefragen können zusammen behandelt werden. Im Wesentlichen laufen sie auf dieselbe Problemstellung hinaus, nämlich welche Bedeutung der Begriff „entgehende Provisionen“ bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 hat.

27.      Auch wenn sich die Fragen ausdrücklich auf den zweiten Gedankenstrich von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 beziehen, ist zum Verständnis der Bedeutung des Begriffs „entgehende Provisionen“ eine Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie in seiner Gesamtheit erforderlich.

28.      Zur Beantwortung dieser Fragen werde ich mich zunächst mit der Zuständigkeit des Gerichtshofs zur Vorabentscheidung unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen (A) und mit der Zulässigkeit des Ersuchens (B) befassen. Sodann werde ich mit der materiell-rechtlichen Prüfung (C) fortfahren, wobei ich mit einigen Vorbemerkungen zum Charakter und Grundgedanken des Ausgleichs in der Richtlinie 86/653 (C.1) sowie der Unterscheidung zwischen den Voraussetzungen für die Entstehung des Ausgleichsanspruchs und der Methode für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs im Verhältnis zur entgehenden Provision (C.2) beginnen und mich dann der Prüfung der Vorlagefragen (C.3) zuwenden werde. Abschließend werde ich einige Ausführungen zur Berechnungsmethode für den Ausgleichsanspruch machen, bei der entgehende Provisionen berücksichtigt werden (C.4).

A.      Zuständigkeit des Gerichtshofs

29.      Gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 gilt die Richtlinie für Handelsvertreter, deren Tätigkeit insbesondere darin besteht, den „Verkauf oder Ankauf von Waren“ zu vermitteln oder abzuschließen. Wie in Nr. 5 dieser Schlussanträge dargestellt, geht es im Sachverhalt des Ausgangsverfahrens aber offensichtlich um einen Handelsvertretervertrag über den Verkauf von sowohl Waren als auch Dienstleistungen. Es stellt sich daher die Frage, ob der Gerichtshof zur Vorabentscheidung in dieser Sache zuständig ist(5), da sich – wie der Gerichtshof entschieden hat – der Anwendungsbereich der Richtlinie 86/653 nicht auf Handelsvertreterverträge über den Verkauf oder Ankauf von Dienstleistungen erstreckt(6).

30.      Jedenfalls scheint es, wie die deutsche Regierung ausgeführt hat, dass die Zuständigkeit des Gerichtshofs zur Beantwortung der Vorlagefragen in der vorliegenden Rechtssache auf der Grundlage der Dzodzi-Rechtsprechung festgestellt werden kann(7).

31.      Auf Grundlage dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass er für die Auslegung der Richtlinie 86/653 zuständig ist, wenn die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie eine einheitliche Lösung für alle Arten von Handelsvertreterverträgen vorsehen, selbst wenn die Rechtssache auf einem Sachverhalt beruht, der Dienstleistungen und keine Waren betrifft. Die Feststellung der Zuständigkeit in solchen Rechtssachen wird als im Interesse der Unionsrechtsordnung liegend angesehen, um zukünftige Auslegungsdifferenzen zu vermeiden(8).

32.      Zwar betraf die Rechtsprechung des Gerichtshofs Situationen, in denen sich der jeweils in Rede stehende Handelsvertretervertrag ausschließlich auf Dienstleistungen bezog(9), doch ist für mich kein Grund ersichtlich, weshalb sie in einem Fall wie dem hier vorliegenden, in dem der Handelsvertretervertrag Waren und Dienstleistungen betrifft, nicht anwendbar sein sollte(10).

33.      Darüber hinaus hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Auslegung von Vorschriften des Unionsrechts durch den Gerichtshof bei Sachverhalten, die nicht in deren Anwendungsbereich fallen, dann gerechtfertigt ist, wenn diese Vorschriften vom nationalen Recht unmittelbar und unbedingt für auf diese Sachverhalte anwendbar erklärt worden sind, so dass gewährleistet ist, dass diese Sachverhalte und die durch diese Vorschriften geregelten Sachverhalte gleichbehandelt werden(11).

34.      In der vorliegenden Sache ist aus den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen ersichtlich, dass der tschechische Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie 86/653 Handelsvertreterverträge über Waren bzw. über Dienstleistungen einheitlich behandelt hat. Es scheint mithin so zu sein, dass nach tschechischem Recht Art. 17 der Richtlinie 86/653 unmittelbar und unbedingt auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist und dass es im Interesse der Unionsrechtsordnung liegt, dass der Gerichtshof über das Vorabentscheidungsersuchen des vorlegenden Gerichts entscheidet.

35.      Daher bin ich der Auffassung, dass der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache für den Erlass einer Vorabentscheidung zuständig ist.

B.      Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

36.      O2 Czech Republic hält die Vorlagefragen in diesem Verfahren für unzulässig, weil sie für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht von Belang seien. Die Fragen zur Billigkeit einer Ausgleichszahlung seien, da QT seinen Anspruch auf einen Ausgleich nicht habe nachweisen können, für die in diesem Fall zu treffende Entscheidung irrelevant.

37.      Diese Argumentation ist meines Erachtens zurückzuweisen.

38.      Es ist daran zu erinnern, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein dem mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gericht, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, zukommt, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen die vorgelegten Fragen die Auslegung des Unionsrechts, ist der Gerichtshof deshalb grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden(12).

39.      Folglich gilt für Fragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den tatsächlichen Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(13).

40.      Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht, wie sich aus den Nrn. 14 bis 17 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, in seinem Ersuchen nicht nur die Gründe, derentwegen es den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie 86/653 ersucht, hinreichend dargelegt, sondern auch die Gründe, weshalb diese Auslegung für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erforderlich ist.

41.      Überdies ist, worauf die Kommission hingewiesen hat, aus der Vorlageentscheidung ersichtlich (siehe Nr. 13 der vorliegenden Schlussanträge), dass O2 Czech Republic nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weiterhin Vorteile aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand zieht. Das vorlegende Gericht scheint somit der Ansicht zu sein, dass QT Anspruch auf einen Ausgleich zusteht. Wie hoch dieser Ausgleichsanspruch ist, ist allerdings eine andere Frage. Wie ich nachstehend näher ausführen werde, sind die entgehenden Provisionen, für die Zwecke von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 ein Element der Berechnung des Ausgleichsanspruchs, nicht jedoch Voraussetzung für die Entstehung des Ausgleichsanspruchs (siehe Nrn. 50 bis 59 der vorliegenden Schlussanträge).

42.      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die erbetene Auslegung nicht offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht und dass die aufgeworfenen Fragen nicht hypothetisch sind.

43.      Daher bin ich der Auffassung, dass das Vorabentscheidungsersuchen im vorliegenden Fall zulässig ist.

C.      Materiell-rechtliche Prüfung

1.      Charakter und Grundgedanke des Ausgleichs in der Richtlinie 86/653

44.      Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 ist Teil der in den Art. 17 bis 19 dieser Richtlinie vorgesehenen Regelung des Anspruchs auf Ausgleich oder Schadensersatz, der einem Handelsvertreter bei Beendigung des Handelsvertretervertrags zusteht. Diese Regelung ist einer der komplexesten Aspekte der Richtlinie 86/653(14).

45.      Im Kontext der Richtlinie 86/653 sind Ausgleich und Schadensersatz spezifische Begriffe, die – allgemein gesagt – einen dem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zustehenden Pauschalbetrag(15) bezeichnen, wobei das Ausgleichssystem auf das deutsche Recht zurückgeht und das Schadensersatzsystem auf das französische Recht(16). Auch wenn die beiden Regelungen für Ausgleich bzw. Schadensersatz auf einem ähnlichen Grundgedanken(17) beruhen, unterscheiden sie sich doch hinsichtlich ihrer Grundkonzeptionen und praktischen Anwendung(18). Art. 17 der Richtlinie 86/653 stellt daher einen zwischen den Mitgliedstaaten gefundenen Kompromiss dar(19), der ihnen die Wahl zwischen einem Ausgleichsanspruch nach Maßgabe der Kriterien in Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 oder einem Schadensersatzanspruch nach Maßgabe der Kriterien in Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 86/653 lässt(20).

46.      Nach allgemeiner Ansicht stellt der in Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 vorgesehene Ausgleichsanspruch einen besonderen Anspruch dar, der ausgleicht, dass der Handelsvertreter den von ihm für den Unternehmer geschaffenen Goodwill verliert(21). Dieser Goodwill ist der vom Vertreter aufgebaute Kundenbestand, der auch noch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses für den Unternehmer von Wert ist.

47.      Dieses Verständnis ist in einigen nationalen Rechtsordnungen schon lange anerkannt(22). Es geht auch aus dem Bericht der Kommission über die Anwendung von Art. 17 der Richtlinie 86/653 hervor: „Der Ausgleich stellt die fortwährenden Vorteile dar, die der Unternehmer aus der Arbeit des Handelsvertreters zieht. Der Handelsvertreter erhält jedoch nur während der Dauer des Vertragsverhältnisses eine Provision, die den Wert des für den Unternehmer erwachsenen goodwill nicht typischerweise wiedergibt. Aus diesem Grund ist die Zahlung eines goodwill-Ausgleichs kommerziell gerechtfertigt.“(23)

48.      Man kann sagen, dass der Grundgedanke des Ausgleichsanspruchs in der Richtlinie 86/653 an den eigentlichen Charakter des Handelsvertreterverhältnisses, so wie dieses in der Richtlinie geregelt ist, anknüpft. Durch den Handelsvertretervertrag begründen der selbständige Handelsvertreter und der Unternehmer ein Dauerschuldverhältnis, wobei die Hauptaufgaben des Vertreters darin bestehen, für den Unternehmer und nicht im eigenen Namen des Vertreters zu handeln, für den Unternehmer neue Kunden zu werben und die Geschäftsverbindungen mit den vorhandenen Kunden zu erweitern(24). Der Unternehmer greift auf die Dienste des Handelsvertreters zurück, um sich dessen Strategie, Vorgehensweise und Fähigkeiten zunutze zu machen, Kunden zum Abschluss von Geschäften mit dem Unternehmer zu bewegen(25).

49.      Der Ausgleich ist, wie von Generalanwalt Poiares Maduro in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Honyvem Informazioni Commerciali(26) ausgeführt wurde, dazu gedacht, den Vertreter für die gute Erfüllung seiner Aufgaben zu entlohnen, soweit sich für den Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weiterhin wirtschaftliche Vorteile ergeben. Gleichzeitig wird damit auch der Gefahr begegnet, dass sich der Unternehmer opportunistisch verhält und den Handelsvertretervertrag nach Erweiterung der vom Vertreter aufgebauten Geschäftsverbindung zwischen dem Unternehmer und den Kunden kündigt, um dem Vertreter keine weiteren Provisionen auf die Geschäfte zahlen zu müssen, zu deren Zustandekommen der Vertreter beigetragen hatte.

2.      Voraussetzungen und Berechnung des Ausgleichsanspruchs in der Richtlinie 86/653

50.      Zu dem Ausdruck „wenn und soweit“ in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 wird die Auffassung vertreten, dass in der Bestimmung nicht nur die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Ausgleichs festgelegt sind, sondern auch die für die Berechnung dieses Ausgleichs erforderlichen Gesichtspunkte(27).

51.      Nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 hat der Handelsvertreter einen Anspruch auf Ausgleich, wenn er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht. Gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 muss die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entsprechen.

52.      Mir scheint, dass in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653, obgleich darin nicht klar zwischen den Voraussetzungen für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs und der Methode für die Berechnung des Ausgleichsbetrags unterschieden wird, doch beides geregelt ist.

53.      Der erste Gedankenstrich von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 betrifft die Voraussetzungen für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs. Danach muss Folgendes kumulativ gegeben sein: erstens, dass der Handelsvertreter neue Kunden für den Unternehmer geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat, und zweitens, dass der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht(28).

54.      Der zweite Gedankenstrich von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 betrifft die Berechnung des dem Vertreter zustehenden Ausgleichsbetrags; „die Zahlung eines solchen Ausgleichs“ muss nämlich unter Berücksichtigung aller Umstände – einschließlich der entgehenden Provisionen – der Billigkeit entsprechen.

55.      Entgehende Provisionen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 sind also keine Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch, sondern ein Element der Methode für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs.

56.      Die Voraussetzungen für den Ausgleichsanspruch wurden unionsrechtlich harmonisiert(29).

57.      Für die Feststellung, ob einem Vertreter ein Ausgleich zusteht, muss das nationale Gericht gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 eine qualitative (im Gegensatz zu einer quantitativen) Prüfung vornehmen, die darauf abstellt, ob der Vertreter für den Unternehmer neue Kunden geworben oder Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und ob der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht. Für die Feststellung, dass ein Ausgleichsanspruch besteht, ist es nicht erforderlich, zu berechnen, wie viele neue Kunden der Vertreter geworben hat oder wie hoch genau der Wert der fortwährenden Vorteile für den Unternehmer ist. Sobald das nationale Gericht relative Gewissheit darüber hat, dass der Unternehmer noch erhebliche Vorteile aus vom Handelsvertreter vermittelten Geschäften zieht, hat der Vertreter Anspruch auf einen Ausgleich.

58.      Sind die Voraussetzungen für den Ausgleichsanspruch erfüllt, ist der nächste Prüfungsschritt die Berechnung des Ausgleichsbetrags. Dieser Betrag muss der Billigkeit entsprechen.

59.      Bei der Methode für die Berechnung des billigen Ausgleichs bleibt den Mitgliedstaaten ein gewisser Gestaltungsspielraum, allerdings im Rahmen der in Art. 17 der Richtlinie 86/653 vorgesehenen Anforderungen(30). Dabei sind entgehende Provisionen nur eines, wenn auch ein wichtiges(31), der in diese Berechnung eingehenden Elemente.

60.      Vor diesem Hintergrund werde ich die Vorlagefragen untersuchen.

3.      Untersuchung der Vorlagefragen

61.      Die Fragen, die dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht vorgelegt worden sind, sind, wie in den Nrn. 24 und 25 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, folgende: (i) ob bei der Bestimmung der entgehenden Provisionen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 Provisionen aus hypothetischen künftigen Geschäften zwischen dem Unternehmer und dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand zu berücksichtigen sind und (ii) ob in diesem Zusammenhang Einmalprovisionszahlungen im Sinne der Provisionen, die im vorliegenden Fall im Handelsvertretervertrag vereinbart wurden, als entgehende Provisionen ausgelegt werden könnten.

62.      O2 Czech Republic und die tschechische Regierung argumentieren, dass entgehende Provisionen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 nicht dazu gedacht seien, auch künftige Geschäfte abzudecken, die ein Handelsvertreter abgeschlossen hätte, wenn der Handelsvertretervertrag nicht gekündigt worden wäre; entgehende Provisionen beträfen vielmehr Situationen, in denen der Vertreter noch nicht den vollen Betrag der Provisionen, die ihm für bereits abgeschlossene Geschäfte zustünden, erhalten habe. QT, die deutsche Regierung und die Kommission sind anderer Meinung.

63.      Wie in Nr. 20 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, wird der Begriff „entgehende Provisionen“ in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 nicht definiert; eine Definition ist auch in keiner anderen Bestimmung der Richtlinie zu finden.

64.      Meines Erachtens muss der Begriff „entgehende Provisionen“ für die Zwecke des Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 dahin ausgelegt werden, dass er Provisionen aus hypothetischen künftigen Geschäften zwischen dem Unternehmer und dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand bezeichnet.

65.      Erstens steht diese Auslegung mit dem eigentlichen Grundgedanken des in der Richtlinie 86/653 vorgesehenen Ausgleichs in Einklang. Wie oben ausgeführt wurde (siehe Nrn. 46 bis 49 der vorliegenden Schlussanträge), ist der Ausgleich im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass der Handelsvertreter nur während der Laufzeit des Handelsvertretervertrags Provisionen erhalten haben wird. Der Goodwill, den der Vertreter für den Unternehmer geschaffen haben wird, besteht jedoch oftmals nach Beendigung des Vertragsverhältnisses fort. Der Ausgleich kann nicht auf Provisionen aus bereits abgeschlossenen Geschäften beschränkt sein, da er dem Vertreter einen Ausgleich für die Gewinne geben soll, die der Unternehmer noch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand erzielt(32).

66.      Zweitens sprechen die mit der Richtlinie 86/653 verfolgten Ziele für die vorgeschlagene Auslegung des Begriffs „entgehende Provisionen“ in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie.

67.      Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 86/653, dass diese Richtlinie die Interessen der Handelsvertreter gegenüber den Unternehmern schützen, die Sicherheit des Handelsverkehrs fördern und den Warenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern soll, indem die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Handelsvertretungen angeglichen werden. Zu diesem Zweck enthält die Richtlinie u. a. in den Art. 13 bis 20 Bestimmungen über Abschluss und Beendigung des Handelsvertretervertrags(33).

68.      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof ausgeführt, dass den Art. 17 und 18 der Richtlinie 86/653 entscheidende Bedeutung zukommt, da sie das Schutzniveau definieren, das der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Schaffung des Binnenmarkts für die Handelsvertreter für angemessen hielt(34).

69.      Der Gerichtshof hat außerdem klargestellt, dass in Anbetracht des Zwecks der Richtlinie 86/653, Handelsvertreter in ihrem Verhältnis zum Unternehmer zu schützen, jede Auslegung ihres Art. 17, die sich für den Handelsvertreter als nachteilig erweisen könnte, ausgeschlossen ist(35).

70.      Insbesondere hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 so auszulegen ist, dass er zum Schutz des Handelsvertreters beiträgt und folglich dessen Verdienste beim Zustandekommen der ihm anvertrauten Geschäfte vollständig berücksichtigt(36).

71.      In der vorliegenden Rechtssache sollte die Auslegung des Begriffs „entgehende Provisionen“ in Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653, wie die Kommission ausgeführt hat, einer ähnlichen Logik folgen. Legt man den Begriff „entgehende Provisionen“ so aus, dass er hypothetische künftige Geschäfte bezeichnet, würde dies zum Schutz der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Unternehmer beitragen, wobei die von den Handelsvertretern zum Vorteil der Unternehmer erbrachten Leistungen vollständig berücksichtigt würden(37).

72.      Bei Beendigung des Handelsvertretervertrags zieht der Unternehmer, wie von der deutschen Regierung hervorgehoben wurde, vielfach noch Vorteile aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand, indem er weiterhin Geschäfte mit diesen Kunden abschließt. Daher widerspräche es dem mit der Richtlinie verfolgten Zweck, den Handelsvertreter zu schützen, wenn für ihn künftig entstehende Provisionsverluste unberücksichtigt blieben.

73.      Zu bedenken ist nämlich auch, dass es in der Praxis häufig vorkommt, dass sich Geschäftsverbindungen mit geringerem Volumen im Laufe der Zeit zu größeren, lukrativeren Geschäftsverbindungen entwickeln. So sind beispielsweise bei zeitaufwendigen Ingenieurleistungen die ersten Verträge in der Regel von geringem Volumen, und der Unternehmer bedient sich des Handelsvertreters, um dank der Strategie, der Fähigkeiten und der Kontakte, die dieser für den Unternehmer einsetzt, bei den Kunden „den Fuß in die Tür zu bekommen“. Beschränkte man den Begriff „entgehende Provisionen“ auf die bereits abgeschlossenen Geschäfte, würde dem Vertreter ein erheblicher Anteil an dem Gewinn vorenthalten, den der Unternehmer nach Beendigung des Handelsvertretervertrags dank der vom Vertreter geleisteten Arbeit erzielt.

74.      Entgegen dem Vorbringen von O2 Czech Republic und der tschechischen Regierung berücksichtigt die vorgeschlagene Auslegung des Begriffs „entgehende Provisionen“ in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 sehr wohl die wirtschaftlichen Gegebenheiten, und sie vernichtet auch nicht den Handelsvertretungsmarkt. Die besonderen Umstände, auf die O2 Czech Republic in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, etwa die Besonderheiten des Telekommunikationssektors und die Marktschwankungen (Tarifänderungen und Änderungen des Kundenverhaltens sowie die steigende Anzahl potenzieller Wettbewerber, die ersichtlich zu einem Rückgang der Verträge während der Laufzeit des in Rede stehenden Handelsvertretervertrags geführt hatten), werden nicht außer Acht gelassen. Diese werden vielmehr im Rahmen der Prüfung, ob der Ausgleich der Billigkeit entspricht, berücksichtigt (siehe Nrn. 97 und 98 der vorliegenden Schlussanträge)(38).

75.      Die Berücksichtigung hypothetischer künftiger Geschäfte bei der Bestimmung der entgehenden Provisionen läuft auch nicht dem mit der Richtlinie 86/653 verfolgten Ziel zuwider, die Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Handelsvertretung zu fördern(39). Der Umstand, dass hinsichtlich hypothetischer künftiger Geschäfte Prognosen vorzunehmen sind, ist kein ungewöhnlicher Teil von Geschäftsstrategien. Wie ein Generalanwalt angemerkt hat, sind solche Prognosen auch schon von den Gerichten angestellt worden(40).

76.      Auch andere Bestimmungen der Richtlinie 86/653 sprechen für die vorgeschlagene Auslegung des Begriffs „entgehende Provisionen“ in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie.

77.      Es sei daran erinnert, dass es nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 erforderlich ist, dass der Handelsvertreter für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht.

78.      Wie die deutsche Regierung ausgeführt hat, betrifft die Bewertung der dem Unternehmer verbleibenden Vorteile nach dem ersten Gedankenstrich des Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 die durch den Handelsvertreter etablierten oder intensivierten Geschäftsverbindungen, aus denen der Unternehmer „noch“ erhebliche Vorteile zieht. Was an Vorteilen gezogen wird, kann prinzipiell nur durch eine hypothetische Betrachtung der künftigen Entwicklung dieser Geschäftsverbindungen ermittelt werden, auf die auch in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 Bezug genommen wird(41). Dies spricht dafür, dass entgehende Provisionen mit dem Umstand einhergehen, dass der Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Vorteile zieht(42).

79.      Entgegen den Ausführungen der Tschechischen Republik und entsprechend der von der deutschen Regierung und der Kommission vertretenen Auffassung steht die vorgeschlagene Auslegung des Begriffs „entgehende Provisionen“ in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 zudem mit den Art. 7 und 8 der Richtlinie in Einklang.

80.      Die Art. 7 und 8 der Richtlinie 86/653 sind in deren Kapitel III, das die Vergütung betrifft, enthalten. Art. 7 der Richtlinie 86/653 sieht vor, dass der Handelsvertreter, sofern im Vertrag nichts anderes vereinbart wurde, für ein während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenes Geschäft Anspruch auf die Provision hat. Art. 8 der Richtlinie sieht vor, dass der Handelsvertreter für bestimmte, erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geschlossene Geschäfte Anspruch auf Provision hat, wenn der Geschäftsabschluss im Wesentlichen auf die Tätigkeit zurückzuführen ist, die der Handelsvertreter während des Vertragsverhältnisses ausgeübt hat.

81.      Mir scheint, dass Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 logischerweise Situationen erfassen sollte, die sich von denen unterscheiden, die bereits unter die Art. 7 und 8 der Richtlinie fallen(43). Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 sollte folglich nicht auf Situationen anwendbar sein, in denen Handelsvertreter die ihnen vom Unternehmer geschuldete Provision nicht in voller Höhe erhalten haben, da diese Situationen unter die Art. 7 und 8 der Richtlinie fallen.

82.      Nach der von O2 Czech Republic und der tschechischen Regierung vertretenen Auffassung, dass der der Begriff „entgehende Provisionen“ dahin auszulegen ist, dass darunter Provisionen aus bereits abgeschlossenen Geschäften zu verstehen sind, wären diese nur schwer von den Provisionen zu unterscheiden, die dem Handelsvertreter bereits gemäß den Art. 7 und 8 der Richtlinie 86/653 geschuldet werden(44). Letztere wären, wenn sie nicht bezahlt würden, vermutlich mit einer auf eine Verletzung des Handelsvertretervertrags gestützten Klage geltend zu machen.

83.      Ich schlage daher vor, dass der Gerichtshof Provisionen für hypothetische künftige Geschäfte in den Begriff „entgehende Provisionen“ einbeziehen sollte, was mich zu der zweiten Frage führt. Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen Einmalprovisionszahlungen als entgehende Provisionen anzusehen sein könnten, wenn Letztere sich auf Provisionen aus hypothetischen künftigen Geschäften nach Beendigung des Vertragsverhältnisses beziehen.

84.      Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieser Fall zeigt, dass der Begriff der Einmalprovision viele verschiedene Bedeutungen haben kann. Einer Ansicht nach wird unter einer Einmalprovision, wie die deutsche Regierung ausgeführt hat, eine pauschale Vergütung verstanden, die dafür anfällt, dass ein neuer Kunde für den Unternehmer geworben wurde. Dieser Betrag ist in seiner Höhe von der weiteren Dauer und Entwicklung der vermittelten Geschäftsbeziehung mit demselben Kunden unabhängig. Anders gesagt, der Vertreter erhält für jeden Kunden eine einmalige Zahlung. O2 Czech Republic und die tschechische Regierung verwenden den Begriff „Einmalprovision“ dagegen zur Bezeichnung von Provisionen der Art, wie sie zwischen QT und O2 Czech Republic vereinbart wurde. Wie oben erläutert (siehe Nr. 6 der vorliegenden Schlussanträge), erhielt QT eine Provision für jeden mit einem – sei es neuen oder bestehenden – Kunden abgeschlossenen (oder abgeänderten) Vertrag. Der Betrag wurde unter Berücksichtigung gewisser Faktoren, etwa der Dauer der Vertragslaufzeit, des Tarifs und der Anzahl der umfassten Dienstleistungen, die der Handelsvertreter aushandeln konnte, angepasst. QT erhielt die Vergütung also nicht pro Kunde, sondern pro Vertrag. Wenn derselbe Kunde, der ursprünglich den Vertrag mit dem Unternehmer geschlossen hatte, einen neuen Vertrag durch einen anderen Vertreter abschlösse, stünde die Provision dem betreffenden anderen Vertreter zu.

85.      Nach Meinung der deutschen Regierung können Einmalprovisionen in dem Sinne, wie sie den Begriff versteht, keine entgehenden Provisionen darstellen. Der Ausgleich soll keine unangemessene Belastung des Unternehmers darstellen, sondern auf die Vorteile abstellen, die der Unternehmer noch aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand zieht. Wenn diese künftigen Vorteile dem Handelsvertreter bereits abgegolten wurden, was, wenn eine Provision pro Kunde vereinbart worden sei, der Fall sein könnte, gibt es keine dem Vertreter entgehenden Provisionen.

86.      Der Ausgleichsanspruch ist jedoch nicht allein von entgehenden Provisionen abhängig. Aus diesem Grund steht es in vollem Einklang mit der von mir in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Rigall Arteria Management(45) vertretenen Auffassung zu Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 86/653(46), Einmalprovisionen, so wie dieser Begriff in Deutschland verstanden wird, von der Ausgleichsberechnung auszunehmen. In den genannten Schlussanträgen habe ich vorgeschlagen, den Anspruch des Handelsvertreters auf Provisionen für Wiederholungsgeschäfte als nicht zwingende Regelung auszulegen(47). Diese Lesart der Richtlinie 86/653 gestattet es den Parteien des Handelsvertretervertrags also, Einmalprovisionen als eine Form der dem Handelsvertreter zustehenden Vergütung zu vereinbaren. Wenn derartige Provisionen gemäß der Richtlinie 86/653 gestattet sind, kann der Ausgleich offensichtlich nicht davon abhängen, ob der Vertreter Anspruch auf Provisionen für Einmal- oder Wiederholungsgeschäfte hatte. Der Umstand, dass der Vertreter bereits eine Zahlung für künftige Vorteile des Unternehmers erhalten hat, ist jedoch bei der Berechnung des der Billigkeit entsprechenden Ausgleichs zu berücksichtigen.

87.      Wenn dagegen Einmalprovisionen im Sinne der im vorliegenden Fall von QT und O2 Czech Republic vereinbarten Provisionen verstanden werden, könnte der vom Vertreter aufgebaute Kundenbestand dem Unternehmer Vorteile bringen, für die der Vertreter noch nicht vergütet wurde. Wäre nämlich der Handelsvertretervertrag nicht gekündigt worden, hätte der Vertreter Provisionen erhalten können. Es gibt keine Gewissheit, dass dieser Vertreter tatsächlich einen neuen Vertragsschluss eines von ihm geworbenen Kunden mit dem Unternehmer ermöglichen würde. Die Möglichkeit bestand jedoch. Daher kann eine solche Einmalprovision die entgehenden Provisionen darstellen, die bei der Berechnung des Ausgleichs zu berücksichtigen sind. Die Bezifferung solcher entgehenden Provisionen wird davon abhängen, wie der künftige Wert des vom Vertreter für den Unternehmer aufgebauten Kundenbestands geschätzt wird, sowie von der Wahrscheinlichkeit, dass es dem Vertreter, von dem der Kunde geworben wurde, gelingt, ein neues Geschäft mit dem betreffenden Kunden zu vermitteln oder abzuschließen (siehe Nrn. 90 bis 112 der vorliegenden Schlussanträge).

88.      Jedenfalls kann ein Ausgleich – worauf die deutsche Regierung und die Kommission hingewiesen haben und was von der tschechischen Regierung bestätigt wurde – nicht schon deshalb von vornherein ausgeschlossen werden, weil Provisionen als einmalig vereinbart wurden, da Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 ausdrücklich bestimmt, dass für den Ausgleich nicht allein auf entgehende Provisionen abzustellen ist, sondern dass alle Umstände im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses zu berücksichtigen sind. Wie von der deutschen Regierung hervorgehoben, könnte, wenn bereits die Vereinbarung von Einmalprovisionen jeden Ausgleichsanspruch entfallen ließe, letztlich auch der zwingende Charakter des Ausgleichsanspruchs umgangen werden.

89.      Folglich bin ich aus den vorgenannten Gründen der Auffassung, dass der Begriff „entgehende Provisionen“ für die Zwecke des Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 dahin auszulegen ist, dass er Provisionen aus hypothetischen künftigen Geschäften zwischen dem Unternehmer und dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand bezeichnet. Der Umstand, dass dem Vertreter Einmalprovisionen gezahlt wurden, lässt diesen Begriff unberührt. Nur in dem Fall, dass die vertraglich vereinbarten Provisionen Einmalprovisionen solcher Art gewesen sein sollten, dass der Vertreter bereits für die künftigen Vorteile, die der Unternehmer aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand ziehen würde, vergütet wurde, würden sie keine entgehenden Provisionen darstellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Vertreter keinen Anspruch auf die Zahlung eines Ausgleichs hat, da die entgehenden Provisionen nur eines der bei der Bestimmung der Billigkeit dieser Ausgleichszahlung zu berücksichtigenden Elemente sind.

4.      Methode der Berechnung des Ausgleichs unter Berücksichtigung entgehender Provisionen

90.      Es bleibt zu beantworten, wie entgehende Provisionen, die als Vergütung für künftige Vorteile zu verstehen sind, die der Unternehmer aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand zieht, bei der Berechnung eines billigen Ausgleichs zu berücksichtigen sind.

91.      Nach der Rechtsprechung lassen sich bei der Berechnung des Ausgleichs gemäß Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 drei Stufen unterscheiden: „Auf der ersten geht es zunächst um die Quantifizierung der Vorteile des Unternehmers aus den Geschäften mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie. Auf der zweiten Stufe wird dann nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich geprüft, ob der Betrag, der sich auf der Grundlage der genannten Kriterien ergeben hat, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der dem Handelsvertreter entgangenen Provisionen, der Billigkeit entspricht. Schließlich wird auf der dritten Stufe der Ausgleichsbetrag an der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie festgelegten Höchstgrenze gemessen, die nur dann relevant ist, wenn der sich aus den vorstehenden beiden Berechnungsstufen ergebende Ausgleichsbetrag sie übersteigt.“(48)

92.      Diese drei Stufen bedeuten nicht unbedingt, dass bei der konkreten Berechnung des Ausgleichs genau diese Reihenfolge einzuhalten wäre. Meines Erachtens sind sie so zu verstehen, dass sie zeigen, worauf es bei der Berechnung des Ausgleichs im Wesentlichen ankommt: dass der Ausgleich dann der Billigkeit entspricht, wenn er sowohl die dem Unternehmer verbleibenden künftigen Vorteile berücksichtigt als auch den dem Handelsvertreter durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses entstandenen Verlust, der in der Regel in den dem Vertreter entgehenden Provisionen besteht. Die beiden Beträge – die dem Unternehmer verbleibenden künftigen Vorteile und die dem Vertreter entgehenden Provisionen – sind, worauf die deutsche Regierung hingewiesen hat, zumeist gleich groß. Deshalb werden in der Praxis die erste und die zweite der in der Rechtsprechung genannten Stufen zu einer einzigen zusammengefasst.

93.      Dabei sind alle für die Berechnung des der Billigkeit entsprechenden Ausgleichs relevanten Elemente zu quantifizieren. Da viele dieser Elemente zwangsläufig Schätzungen sind (weil sie sich auf die Zukunft beziehen), stellt sich die Frage, auf welche Weise die konkrete Berechnung des Ausgleichs erfolgen könnte.

94.      Die Richtlinie 86/653 enthält dazu keine spezifischen Vorgaben, sondern überlässt die Wahl der Berechnungsmethode den Mitgliedstaaten.

95.      In ihrem Bericht über die Anwendung von Art. 17 der Richtlinie 86/653(49) beschrieb die Kommission die für die Ausgleichsberechnung akzeptable Methode, die auf der deutschen Praxis beruht. Diese Praxis wurde durch das Urteil vom 26. März 2009, Semen(50), angepasst. Nach wie vor ist der Ausgangspunkt jedoch, wie von der deutschen Regierung in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Schätzung der Anzahl der Jahre, die der Unternehmer voraussichtlich noch Vorteile aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand ziehen wird. Die entgehenden Provisionen werden dann in Bezug auf diesen Zeitraum geschätzt(51).

96.      Die Berechnung entgehender Provisionen beruht zunächst auf den Provisionen, die der Vertreter vor Beendigung des Vertragsverhältnisses tatsächlich erhalten hat. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass der Vertreter eine bestimmte Anzahl von Jahren denselben Provisionsbetrag erhalten hätte, wobei diese Annahme dann unter Berücksichtigung aller Elemente, die darauf hindeuten, dass der Vertreter tatsächlich in Zukunft weniger oder aber mehr verdient hätte, berichtigt wird. Letztlich wären die entgehenden Provisionen also je nach Sachlage höher oder geringer als diejenigen, die vom Vertreter im repräsentativen Jahr mit dem von ihm aufgebauten Kundenbestand tatsächlich verdient wurden.

97.      Genauer gesagt, beginnt die Berechnung mit dem Betrag der Provisionen, die vom Vertreter im Vorjahr (oder in einem anderen, eher repräsentativen Jahr) verdient wurden. Dieser Provisionsbetrag wird dann für jedes Folgejahr (wobei die Anzahl der Jahre von der Schätzung des Zeitraums abhängt, in dem der Unternehmer noch aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand Vorteile ziehen wird) um die geschätzte Abwanderungsrate der Kunden (d. h. den Anteil der Kunden aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand, die voraussichtlich zu Waren oder Dienstleistungen eines anderen Unternehmers abwandern) reduziert. Auf diese Weise wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Wert des vom Vertreter aufgebauten Kundenbestands im Laufe der Zeit sinken könnte. Im letzten Schritt wird der Betrag berichtigt, um verschiedene Umstände zu berücksichtigen, z. B. Preisschwankungen, wichtige Veränderungen innerhalb des in Rede stehenden Sektors und alle sonstigen relevanten Faktoren, die Einfluss auf den künftigen Wert des vom Vertreter aufgebauten Kundenbestands und die entsprechenden dem Vertreter entgehenden Provisionen haben könnten.

98.      Bedenken wie diejenigen, die von O2 Czech Republic in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sind (siehe Nr. 74 der vorliegenden Schlussanträge), dass eine große Anzahl Kunden Telekommunikationsverträge direkt abschließt (indem sie Online-Verträge mit dem Unternehmer schließen), ohne auf Vertreter zurückzugreifen, können in der Berechnung berücksichtigt werden. Solche Aspekte können in der geschätzten Abwanderungsrate Ausdruck finden oder als zusätzliche Faktoren, durch die sich der Wert des vom Vertreter für den Unternehmer aufgebauten Kundenbestands oder die geschätzten entgehenden Provisionen, die der Vertreter hätte verdienen können, wenn das Vertragsverhältnis nicht beendet worden wäre, erhöhen oder verringern könnten. Hat der Vertreter beispielsweise eine Kundendatenbank für die von einem Unternehmer angebotenen Produkte aufgebaut und wird geschätzt, dass eine große Anzahl dieser Kunden den Vertrag direkt, ohne Rückgriff auf einen Vertreter, verlängern oder aber abwandern wird, um einen Vertrag mit einem anderen Unternehmer zu schließen, so könnte der Betrag der in der Vergangenheit erzielten Provisionen bei der Schätzung der entgehenden Provisionen angemessen reduziert werden. Wurde, wie im vorliegenden Fall, eine Provision für jeden einzelnen Vertragsabschluss vereinbart, was bedeutet, dass der nächste mit demselben Kunden geschlossene Vertrag möglicherweise auf die Tätigkeit eines anderen Vertreters zurückzuführen wäre, könnte man die geschätzte Anzahl derartiger Situationen (ebenfalls auf Grundlage bisheriger Erfahrungswerte) bei der Berechnung der entgehenden Provisionen berücksichtigen und diese dann reduzieren.

99.      Meines Erachtens ist es sinnvoll, bei der Berechnung zunächst davon auszugehen, dass die entgehenden Provisionen genauso hoch sind wie die künftigen Vorteile des Unternehmers, da dieser Ausgangspunkt den nationalen Gerichten eine einfache und praktische Lösung bietet. Man beginnt mit einem gegebenen und leicht nachvollziehbaren Betrag: den vom Vertreter in der Vergangenheit verdienten Provisionen. Dies steht auch mit dem Ziel in Einklang, die Handelsvertreter im Verhältnis zu ihren Unternehmern zu schützen. Aus der Warte der Vertreter ist es ohne Weiteres möglich, die entgehenden Provisionen auf Grundlage der in der Vergangenheit verdienten Provisionen zu berechnen, da dies allein in ihren Händen liegt. Für einen Vertreter wäre es äußerst schwierig, die sich für den Unternehmer ergebende Rentabilität zu beurteilen, da dieser derartige Informationen wahrscheinlich nicht offenlegen würde und dies außerdem allein in den Händen des Unternehmers liegt, weil der Vertreter keine Kontrolle über die Kosten des Unternehmers hat.

100. Diese Berechnungsmethode bietet dem Unternehmer zudem einen hinreichenden Grad der Vorhersehbarkeit für die Entscheidung, ob – und zu welchem Zeitpunkt – er den Handelsvertretervertrag kündigt. Der Unternehmer hat auch Informationen über die Provisionen, die dem Vertreter in der Vergangenheit gezahlt wurden, und er kann, falls es zum Streit über den Ausgleich kommt, dem Gericht relevante Angaben zu sonstigen Aspekten mitteilen, die im Zuge der Anpassung der Anfangsschätzung berücksichtigt werden sollten.

101. Nach Anpassung der ursprünglichen Berechnung der entgehenden Provisionen und der entsprechenden künftigen Vorteile des Unternehmers muss der sich dann ergebende Betrag im letzten Schritt reduziert werden, falls er den in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 86/653 vorgesehenen Höchstbetrag für den Ausgleich überschreitet.

102. Bevor ich zum Schluss komme, werde ich diese Berechnungsmethode anhand eines hypothetischen Beispiels vorführen, zu dem mich das Vorbringen der tschechischen Regierung in der mündlichen Verhandlung inspiriert hat. Ein Handelsvertreter und ein Unternehmer schließen einen Handelsvertretervertrag über den Verkauf von Holz. Die Aufgabe des Handelsvertreters ist es also, Kunden zu finden, die das Holz des Unternehmers kaufen. Einige Zeit, nachdem der Unternehmer bei den vom Vertreter geworbenen Kunden eingeführt wurde, wird der Handelsvertretervertrag gekündigt. Dem Vertreter ist für jeden einzelnen Holzverkauf Provision gezahlt worden. Der Betrag der Provision ist vom Verkaufspreis für das Holz abhängig. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zieht der Unternehmer noch Vorteile aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand, dem er weiterhin sein Holz verkaufen kann. Die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch des Vertreters sind somit erfüllt, und der Ausgleich muss berechnet werden.

103. In dem der Beendigung des Vertragsverhältnisses vorausgehenden Jahr (einem gewöhnlichen Jahr mit Durchschnittstemperaturen) erhielt der Vertreter 10 000 Euro an Provisionen vom Unternehmer. Die meisten Kunden kauften Brennholz. Es wird geschätzt, dass der Unternehmer aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand mindestens drei weitere Jahre Vorteile ziehen könnte. Da im Vorjahr zwei neue Unternehmen auf den Holzmarkt gekommen sind, wird geschätzt, dass bis zu 30 % der Kunden zu den neuen Marktteilnehmern abwandern könnten.

104. Es ergäbe sich also folgende Rechnung:

Jahr 1:      10 000 Euro – 30 % = 7 000 Euro

Jahr 2:      7 000 Euro – 30 % = 4 900 Euro

Jahr 3:      4 900 Euro – 30 % = 3 430 Euro

Geschätzte entgehende Provisionen = 15 330 Euro

105. Sollten andere Umstände festgestellt werden, die Einfluss auf die künftigen Vorteile des Unternehmers aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand oder auf den Betrag der dem Vertreter entgehenden Provisionen haben könnten, so sind diese zu berücksichtigen.

106. Stellen wir uns nun vor, dass wegen einer erwarteten Gasknappheit viele Menschen planen, ihre Wohnungen mit Holz zu heizen. Durch den geschätzten Anstieg der Nachfrage nach Holz könnte sich der Preis verdoppeln. Da die Provisionen des Vertreters auf Grundlage der Vorjahresverkaufspreise für Holz berechnet wurden, müsste die Berechnung möglicherweise angepasst werden, so dass man vom zweifachen Betrag dieser Provisionen ausginge (20 000 Euro anstatt 10 000 Euro). Zudem könnte es erforderlich sein, die voraussichtliche Dauer der Gasknappheit zu berücksichtigen. Wird mit einem Zeitraum von einem Jahr gerechnet, müsste für das zweite und das dritte Jahr möglicherweise der alte Holzpreis zugrunde gelegt werden. In diesem Fall wären die entgehenden Provisionen höher als im ersten Szenario (siehe Nr. 104 der vorliegenden Schlussanträge).

107. Es ergäbe sich also folgende Berechnung:

Jahr 1:      20 000 Euro – 30 % = 14 000 Euro

Jahr 2:      7 000 Euro – 30 % = 4 900 Euro

Jahr 3:      4 900 Euro – 30 % = 3 430 Euro

Geschätzte entgehende Provisionen = 22 330 Euro

108. Stellen wir uns nunmehr vor, dass es kurz vor Beendigung des Vertragsverhältnisses einen Durchbruch in der Forschung zur Anwendung der Kernfusion gegeben hätte, so dass kurzfristig mit sehr billiger Energie zu rechnen wäre. Es wird deshalb erwartet, dass die meisten Menschen voraussichtlich kein Holz mehr für Heizzwecke verwenden werden. Die einzigen, die dem Unternehmer noch Holz abkaufen, sind diejenigen Kunden, die das Holz für andere Zwecke verwenden, etwa für Holzarbeiten oder zu Dekorationszwecken. Dadurch würde der Wert des vom Vertreter aufgebauten Kundenbestands erheblich fallen, da der Vertreter, selbst wenn der Handelsvertretervertrag fortbestanden hätte, nicht hätte erwarten können, noch erhebliche Provisionen aus dem Verkauf des Holzes des Unternehmers zu erzielen. Die Berechnung des Wertverlusts des vom Vertreter für den Unternehmer aufgebauten Kundenbestands entspräche dem Rückgang der geschätzten entgehenden Provisionen. Wenn auf Kunden, die Holz für andere Zwecke als zum Heizen kauften, nur 2 % der vom Vertreter verdienten jährlichen Provisionen entfielen, würde die Berechnung möglicherweise von dem sehr viel niedrigeren Betrag von 200 Euro ausgehen. Die geschätzte Abwanderungsrate wäre auf 10 % zu reduzieren, da einige der Holz verkaufenden Unternehmen wahrscheinlich aus dem Markt ausscheiden würden.

109. Es ergäbe sich also folgende Berechnung:

Jahr 1:      200 Euro – 10 % = 180 Euro

Jahr 2:      180 Euro – 10 % = 162 Euro

Jahr 3:      162 Euro – 10 % = 145,80 Euro

Geschätzte entgehende Provisionen = 487,80 Euro

110. Sollte die Schätzung ergeben, dass der Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses keine erheblichen Vorteile aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand ziehen kann (was durchaus der Grund für die Beendigung sein kann), sind keine Berechnungen erforderlich, da in einem solchen Szenario schon die Voraussetzungen für den Ausgleich nicht erfüllt wären.

111. Sollte der Vertreter ferner laut dem Handelsvertretervertrag für jeden Kunden eine Einmalprovision erhalten haben, so dass der Vertreter für jeden Kunden einen Betrag verdient hätte, der dazu gedacht war, künftige Holzkäufe des betreffenden Kunden abzudecken, weshalb dem Vertreter keine weiteren Provisionen mehr gezahlt worden wären, kann man zu dem Ergebnis gelangen, dass es keine entgehenden Provisionen gibt. Wenn jedoch der Unternehmer beispielsweise auch zur Altersversorgung des Vertreters beitrug, sollte dies bei der Berechnung des der Billigkeit entsprechenden Ausgleichs berücksichtigt werden, selbst wenn es keine entgehenden Provisionen gibt. Die Zahlung des Ausgleichs beruht nicht auf entgehenden Provisionen, sondern auf dem Umstand, dass der Vertreter einen Kundenbestand aufgebaut hat und dass dieser Kundenbestand für den Unternehmer auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses noch einen Wert darstellt.

112. Im letzten Schritt der Berechnung ist der Ausgleich anzupassen, damit er nicht den in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 86/653 vorgesehenen Höchstbetrag überschreitet, nämlich den vom Vertreter mit dem Unternehmer erzielten jährlichen Provisionsbetrag, welcher auf der Grundlage des Durchschnitts der vorhergehenden fünf Jahre (oder, falls die Vertragsdauer kürzer war, eines kürzeren Zeitraums) berechnet wird. Wenn der Vertreter in unserem hypothetischen Beispiel in den letzten fünf Jahren 12 000 Euro als Vergütung verdient hatte, würden die geschätzten entgehenden Provisionen im ersten und im zweiten Szenario (siehe Nrn. 104 und 107 der vorliegenden Schlussanträge) den Höchstbetrag überschreiten und der dem Vertreter zu zahlende Ausgleich wäre dann geringer als die geschätzten entgehenden Provisionen.

V.      Ergebnis

113. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Frage des Nejvyšší soud (Oberstes Gericht, Tschechische Republik) wie folgt zu beantworten:

Der Begriff „dem Handelsvertreter entgehende Provisionen“ im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass darunter Provisionen für den Abschluss von Verträgen zu verstehen sind, die der Vertreter, wenn der Handelsvertretervertrag fortbestanden hätte, aus künftigen Geschäften zwischen dem Unternehmer und den neuen Kunden, die der Vertreter für den Unternehmer geworben hatte, oder den bestehenden Kunden, mit denen der Vertreter die Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hatte, erlangt hätte.

Der Umstand, dass dem Vertreter Einmalprovisionen gezahlt wurden, lässt diesen Begriff unberührt. Nur wenn die vertraglich vereinbarten Provisionen Einmalprovisionen solcher Art gewesen sein sollten, dass der Vertreter bereits für die künftigen Vorteile, die der Unternehmer aus dem vom Vertreter aufgebauten Kundenbestand weiterhin ziehen könnte, vergütet wurde, stellen sie keine entgehenden Provisionen dar. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Vertreter keinen Anspruch auf die Zahlung eines Ausgleichs hat, da die entgehenden Provisionen nur eines der Elemente sind, die bei der Bestimmung der Billigkeit dieser Ausgleichszahlung zu berücksichtigen sind.


1      Originalsprache: Englisch.


2      ABl. 1986, L 382, S. 17.


3      C‑64/21, EU:C:2022:453, Nr. 17.


4      In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Urteil vom 26. März 2009, Semen (C‑348/07, EU:C:2009:195), die Behandlung von entgehenden Provisionen (Provisionsverlusten) nach deutschem Recht betraf, nicht jedoch den eigentlichen Begriff der entgehenden Provisionen. In diesem Urteil hat der Gerichtshof insbesondere entschieden, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch von vornherein auf Provisionsverluste begrenzt wird.


5      Es ist beachtenswert, dass, obwohl der in Rede stehende Handelsvertretervertrag bereits vor dem Datum des Beitritts der Tschechischen Republik zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 abgeschlossen wurde (siehe Nr. 4 der vorliegenden Schlussanträge), in der vorliegenden Rechtssache vor dem Gerichtshof keine Einwände gegen die zeitliche Anwendbarkeit der Richtlinie 86/653 erhoben worden sind. Ähnlich wie in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Rigall Arteria Management (C‑64/21, EU:C:2022:453, Nr. 23, Fn. 11) bin ich der Auffassung, dass dies die Zuständigkeit des Gerichtshofs im vorliegenden Fall nicht berühren sollte, da die rechtlichen Auswirkungen des in Rede stehenden Handelsvertretervertrags auch nach diesem Datum fortdauerten (vgl. Nr. 7 dieser Schlussanträge). Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Dezember 2016, Nemec (C‑256/15, EU:C:2016:954, Rn. 25), und vom 3. Juli 2019, UniCredit Leasing (C‑242/18, EU:C:2019:558, Rn. 30 bis 35). Es gibt auch keine spezifischen Bestimmungen über die Anwendung der Richtlinie 86/653 in der Beitrittsakte der Tschechischen Republik. Anders wäre es nur, wenn die Vorschrift des Unionsrechts, um deren Auslegung der Gerichtshof ersucht wird, auf den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, der sich vor dem Beitritt des Mitgliedstaats zur Union ereignet hat, nicht anwendbar wäre oder wenn die betreffende Vorschrift offensichtlich nicht zur Anwendung gelangen kann (vgl. Urteil vom 14. Juni 2007, Telefónica O2 Czech Republic, C‑64/06, EU:C:2007:348, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung), was hier nicht der Fall ist.


6      Vgl. Beschluss vom 6. März 2003, Abbey Life Assurance (C‑449/01, nicht veröffentlicht, EU:C:2003:133, Rn. 13 bis 20), Urteile vom 3. Dezember 2015, Quenon K. (C‑338/14, EU:C:2015:795, Rn. 16), und vom 17. Mai 2017, ERGO Poist’ovňa (C‑48/16, EU:C:2017:377, Rn. 28).


7      Vgl. Urteil vom 18. Oktober 1990, Dzodzi (C‑297/88 und C‑197/89, EU:C:1990:360, Rn. 36 bis 43), oder aus jüngerer Zeit Urteil vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 26 und 27).


8      Vgl. Urteile vom 16. März 2006, Poseidon Chartering (C‑3/04, EU:C:2006:176, Rn. 11 bis 19) (Vertrag über Vermittlung im Rahmen eines Schiffschartervertrags), vom 17. Oktober 2013, Unamar (C‑184/12, EU:C:2013:663, Rn. 30 und 31) (Handelsvertretervertrag über den Betrieb eines Seeverkehrsdiensts), vom 3. Dezember 2015, Quenon K. (C‑338/14, EU:C:2015:795, Rn. 17 bis 19) (Handelsvertretervertrag über Bank- und Versicherungsdienstleistungen), vom 17. Mai 2017, ERGO Poist’ovňa (C‑48/16, EU:C:2017:377, Rn. 29 bis 32) (Handelsvertretervertrag über Versicherungsdienstleistungen), und vom 13. Oktober 2022, Rigall Arteria Management (C‑64/21, EU:C:2022:783, Rn. 24 bis 27) (Handelsvertretervertrag über Finanzdienstleistungen). Vgl. auch Urteil vom 28. Oktober 2010, Volvo Car Germany (C‑203/09, EU:C:2010:647, Rn. 23 bis 28) (bezüglich eines Händlervertrags, nicht eines Handelsvertretervertrags).


9      Vgl. Fn. 8 der vorliegenden Schlussanträge.


10      Ich weise darauf hin, dass der Gerichtshof noch nicht mit einem Fall im Zusammenhang mit einem in dem Mitgliedstaat, dessen nationales Recht zur Umsetzung der Richtlinie 86/653 auf den Verkauf oder Ankauf von Waren beschränkt ist, befasst gewesen ist, in dem die Frage der Zuständigkeit des Gerichtshofs zur Vorabentscheidung über die Auslegung dieser Richtlinie in Bezug auf einen „gemischten“ Handelsvertretervertrag, der sowohl Waren als auch Dienstleistungen abdeckt, aufgeworfen wird. Da sich diese Frage im vorliegenden Fall nicht stellt, werde ich sie nicht weiter untersuchen.


11      Vgl. z. B. Urteile vom 12. Dezember 2019, G.S. und V.G. (Gefahr für die öffentliche Ordnung) (C‑381/18 und C‑382/18, EU:C:2019:1072, Rn. 43), und vom 10. September 2020, Tax-Fin-Lex (C‑367/19, EU:C:2020:685, Rn. 21). Vgl. in diesem Zusammenhang auch Schlussanträge des Generalanwalts Pikamäe in den verbundenen Rechtssachen Deutsche Post und Leymann (C‑203/18 und C‑374/18, EU:C:2019:502, Nrn. 43 bis 62), Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache J & S Service (C‑620/19, EU:C:2020:649, Nrn. 27 bis 96) und meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Baltijas Starptautiskā Akadēmija und Stockholm School of Economics in Riga (C‑164/21 und C‑318/21, EU:C:2022:333, Nrn. 57 bis 64).


12      Vgl. z. B. Urteile vom 14. Juli 2022, Sense Visuele Communicatie en Handel (C‑36/21, EU:C:2022:556, Rn. 21), und vom 14. Juli 2022, Volkswagen (C‑134/20, EU:C:2022:571, Rn. 56).


13      Vgl. z. B. Urteile vom 14. Juli 2022, Sense Visuele Communicatie en Handel (C‑36/21, EU:C:2022:556, Rn. 22), und vom 14. Juli 2022, Volkswagen (C‑134/20, EU:C:2022:571, Rn. 57).


14      Vgl. z. B. Saintier, S., und Scholes, J., Commercial Agents and the Law, Routledge, London 2005, S. 155 bis 156; Randolph, F., und Davey, J., The European Law of Commercial Agency, 3. Aufl., Hart Publishing, Oxford 2010, S. 87 und 93.


15      Vgl. z. B. Saintier und Scholes, zitiert in Fn. 14 der vorliegenden Schlussanträge, S. 127; Zhou, Q., „Limits of mandatory rules in contract law: an example in agency law“, Northern Ireland Legal Quarterly, Bd. 65, 2014, S. 357, auf S. 361.


16      Vgl. auch Kommission, Bericht über die Anwendung von Artikel 17 der Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (86/653/EWG), KOM(96) 364 endg., 23. Juli 1996, insbesondere S. 1 und 5.


17      Wie der Gerichtshof festgestellt hat, sollen die in Art. 17 Abs. 2 bzw. Abs. 3 der Richtlinie 86/653 vorgesehenen Regelungen für Ausgleich bzw. Schadensersatz keine Sanktion für die Vertragsauflösung sein, sondern den Handelsvertreter für die von ihm erbrachten Leistungen entschädigen, aus denen der Unternehmer über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus Vorteile zieht. Vgl. Urteil vom 19. April 2018, CMR (C‑645/16, EU:C:2018:262, Rn. 28).


18      Vgl. z. B. Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (Commission Staff Working Document), „Article 30 – Indemnité après la cessation du contrat“, SEK(84) 747, 16. Mai 1984 (Anhang zu Ratsdok. 7247/84, 21. Mai 1984); Gardiner, C., „The EC (Commercial Agents) Directive: Twenty years after its introduction, divergent approaches still emerge from Irish and UK courts“, Journal of Business Law, 2007, S. 412, auf S. 426 und 427. Eine eingehende Darstellung des deutschen und des französischen Ansatzes für Ausgleich bzw. Schadensersatz findet sich z. B. auch in Saintier und Scholes, zitiert in Fn. 14 der vorliegenden Schlussanträge, S. 156 bis 158 und 173 bis 219; Randolph und Davey, zitiert in Fn. 14 der vorliegenden Schlussanträge, S. 131 bis 173.


19      Vgl. z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Quenon K. (C‑338/14, EU:C:2015:503, Nr. 30); Bericht der Kommission, zitiert in Fn. 16 der vorliegenden Schlussanträge, S. 1.


20      Vgl. z. B. Urteile vom 23. März 2006, Honyvem Informazioni Commerciali (C‑465/04, EU:C:2006:199, Rn. 20), und vom 3. Dezember 2015, Quenon K. (C‑338/14, EU:C:2015:795, Rn. 24).


21      Vgl. in diesem Zusammenhang Urteil vom 13. Oktober 2022, Herios (C‑593/21, EU:C:2022:784, Rn. 36), Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Honyvem Informazioni Commerciali (C‑465/04, EU:C:2005:641, Nrn. 14 bis 19), Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Marchon Germany (C‑315/14, EU:C:2015:585, Nrn. 27 und 28) und Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Quenon K. (C‑338/14, EU:C:2015:503, Nrn. 35 und 36).


22      Vgl. z. B. Lando, O., „The Commercial Agent in European Law III“, Journal of Business Law, 1966, S. 82, auf S. 84 bis 86; de Theux, A., Le statut européen de l’agent commercial: Approche critique de droit comparé, Publications des Facultés universitaires Saint-Louis, Brüssel 1992, S. 280 bis 286.


23      Bericht der Kommission, zitiert in Fn. 16 der vorliegenden Schlussanträge, S. 1.


24      Vgl. Richtlinie 86/653, insbesondere Art. 1 Abs. 2, Art. 3, Art. 4 Abs. 3 und Art. 17 Abs. 2 Buchst. a; Urteile vom 12. Dezember 1996, Kontogeorgas/Kartonpak (C‑104/95, EU:C:1996:492, Rn. 26), und vom 4. Juni 2020, Trendsetteuse (C‑828/18, EU:C:2020:438, Rn. 33).


25      Vgl. in diesem Zusammenhang Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Marchon Germany (C‑315/14, EU:C:2015:585, insbesondere Nr. 52).


26      Vgl. C‑465/04, EU:C:2005:641, Rn. 15 und 17 bis 19.


27      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Honyvem Informazioni Commerciali (C‑465/04, EU:C:2005:641, Nr. 41) und Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Marchon Germany (C‑315/14, EU:C:2015:585, Nrn. 28 bis 35), vgl. auch Bericht der Kommission, zitiert in Fn. 16 der vorliegenden Schlussanträge, S. 2.


28      Es ist auch erforderlich, festzustellen, ob der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nicht ausgeschlossen ist, weil eine der in Art. 18 der Richtlinie 86/653 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt ist. Vgl. Bericht der Kommission, zitiert in Fn. 16 der vorliegenden Schlussanträge, S. 2.


29      Vgl. dazu Urteil vom 3. Dezember 2015, Quenon K. (C‑338/14, EU:C:2015:795, Rn. 31).


30      Vgl. z. B. Urteile vom 23. März 2006, Honyvem Informazioni Commerciali (C‑465/04, EU:C:2006:199, Rn. 34 und 35), und vom 3. Dezember 2015, Quenon K. (C‑338/14, EU:C:2015:795, Rn. 26).


31      Mir scheint – jedenfalls wenn man die Methode betrachtet, nach der in Deutschland der Ausgleich berechnet wird –, dass in der Praxis die Bestimmung des Ausgleichs weitgehend auf die entgehenden Provisionen abstellt, auch wenn diese grundsätzlich nur eines der Elemente der Billigkeitsprüfung darstellen. Siehe insoweit Nr. 95 der vorliegenden Schlussanträge.


32      Vgl. in diesem Zusammenhang Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Honyvem Informazioni Commerciali (C‑465/04, EU:C:2005:641, insbesondere Nr. 17).


33      Vgl. z. B. Urteile vom 23. März 2006, Honyvem Informazioni Commerciali (C‑465/04, EU:C:2006:199, Rn. 19), und vom 16. Februar 2017, Agro Foreign Trade & Agency (C‑507/15, EU:C:2017:129, Rn. 29).


34      Vgl. z. B. Urteile vom 17. Oktober 2013, Unamar (C‑184/12, EU:C:2013:663, Rn. 39), und vom 19. April 2018, CMR (C‑645/16, EU:C:2018:262, Rn. 34).


35      Vgl. Urteile vom 19. April 2018, CMR (C‑645/16, EU:C:2018:262, Rn. 35), und vom 13. Oktober 2022, Herios (C‑593/21, EU:C:2022:784, Rn. 27).


36      Vgl. Urteil vom 7. April 2016, Marchon Germany (C‑315/14, EU:C:2016:211, Rn. 33), und vom 13. Oktober 2022, Herios (C‑593/21, EU:C:2022:784, Rn. 27).


37      Insoweit ist in der Literatur darauf hingewiesen worden, dass die Beendigung des Handelsvertretervertrags die Phase des Vertragsverhältnisses sei, in der der Handelsvertreter in einer besonders schwachen Position sei und sein Bedürfnis nach Schutz folglich besonders hoch. Vgl. Saintier und Scholes, zitiert in Fn. 14 der vorliegenden Schlussanträge, S. 164 bis 165.


38      Vgl. dazu Urteil vom 7. April 2016, Marchon Germany (C‑315/14, EU:C:2016:211, Rn. 42).


39      Vgl. insoweit Urteil vom 26. März 2009, Semen (C‑348/07, EU:C:2009:195, Rn. 31), in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, dass die Richtlinie 86/653 nach ihrem zweiten Erwägungsgrund u. a. „die Sicherheit des Handelsverkehrs und damit die Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Handelsvertretung fördern soll“.


40      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Honyvem Informazioni Commerciali (C‑465/04, EU:C:2005:641, Nrn. 42 bis 44).


41      Ich weise darauf hin, dass in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 die Rede ist von aus Geschäften mit „diesen Kunden“ entgehenden Provisionen und dass diese Formulierung auch im ersten Gedankenstrich der Bestimmung zu finden ist, weshalb in Betracht gezogen werden kann, dass sie in einem ähnlichen Sinne verwendet wird. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission dazu ausgeführt, dass der Begriff „diese[n] Kunden“ in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 nicht potenzielle neue Kunden bezeichne, die der Vertreter für den Unternehmer werben könnte, sondern die etablierten oder intensivierten Kunden, die vom Vertreter während der Laufzeit des Handelsvertretervertrags für den Unternehmer geworben worden seien.


42      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Semen (C‑348/07, EU:C:2008:635, insbesondere Nrn. 20, 27 und 28).


43      Vgl. in diesem Sinne Saintier und Scholes, zitiert in Fn. 14 der vorliegenden Schlussanträge, S. 122, die die Auffassung, dass sich Art. 8 der Richtlinie 86/653 mit der Gewährung eines Ausgleichs gemäß Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie überschneide, ablehnen.


44      Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat die tschechische Regierung eingeräumt, dass es Überschneidungen zwischen beiden Regelungen gebe; es komme jeweils auf den spezifischen Handelsvertretervertrag an.


45      C‑64/21, EU:C:2022:453, insbesondere Nrn. 86 bis 88 (mit dem Ergebnis, dass die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 86/653 als nicht zwingend nicht im Widerspruch zu den Art. 17 bis 19 der Richtlinie steht).


46      Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 86/653 sieht vor, dass ein Handelsvertreter für ein während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenes Geschäft Anspruch auf die Provision hat, wenn das Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen wurde, den er bereits vorher für Geschäfte gleicher Art als Kunden geworben hatte.


47      Dem folgte das Urteil vom 13. Oktober 2022, Rigall Arteria Management (C‑64/21, EU:C:2022:783, Rn. 28 bis 38), in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass von dem Recht, das Handelsvertretern durch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 86/653 eingeräumt wird, vertraglich abgewichen werden darf.


48      Vgl. Urteile vom 26. März 2009, Semen (C‑348/07, EU:C:2009:195, Rn. 19), und vom 3. Dezember 2015, Quenon K. (C‑338/14, EU:C:2015:795, Rn. 28). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Honyvem Informazioni Commerciali (C‑465/04, EU:C:2005:641, Nrn. 45 bis 48).


49      Vgl. Bericht der Kommission, zitiert in Fn. 16 der vorliegenden Schlussanträge, S. 2 bis 5. Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass dieser Bericht detaillierte Angaben über die tatsächliche Berechnung des Ausgleichs enthält und eine einheitlichere Auslegung von Art. 17 der Richtlinie 86/653 erleichtern soll. Vgl. Urteile vom 23. März 2006, Honyvem Informazioni Commerciali (C‑465/04, EU:C:2006:199, Rn. 35), und vom 26. März 2009, Semen (C‑348/07, EU:C:2009:195, Rn. 22).


50      C‑348/07, EU:C:2009:195. Siehe Fn. 4 der vorliegenden Schlussanträge.


51      Vgl. dazu eingehend Saintier und Scholes, zitiert in Fn. 14 der vorliegenden Schlussanträge, S. 202 bis 214; Randolph und Davey, zitiert in Fn. 14 der vorliegenden Schlussanträge, S. 144 bis 147.