Language of document : ECLI:EU:T:2015:879

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

25. November 2015(*)

„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftswortmarke VENT ROLL – Absolute Eintragungshindernisse – Beschreibender Charakter – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 52 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑223/14

Ewald Dörken AG mit Sitz in Herdecke (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin N. Grüger,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch M. Fischer als Bevollmächtigten,

Beklagter,

anderer Beteiligter im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelfer vor dem Gericht:

Wolfram Schürmann, wohnhaft in Neuhausen (Schweiz), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Wesle,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 30. Januar 2014 (Sache R 2156/2012‑4) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Wolfram Schürmann und der Ewald Dörken AG

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek, der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters V. Kreuschitz,

Kanzler: I. Dragan, Verwaltungsrat,

aufgrund der am 9. April 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 18. Juli 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 25. Juli 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des Streithelfers,

aufgrund der Entscheidung vom 10. September 2014, die Einreichung einer Erwiderung nicht zu gestatten,

auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2015

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 4. Mai 2004 meldete die Klägerin, die Ewald Dörken AG, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen VENT ROLL.

3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 6, 17 und 19 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 6: „Baumaterialien aus Metall, nämlich Firstabdeckungen, Gratabdeckungen aus Metall, insbesondere mit Kunststoffeinsätzen oder Kunststoffhinterfütterung; Metallbahnen für Bauzwecke“;

–        Klasse 17: „Unterspannbahnen“;

–        Klasse 19: „Baumaterialien (nicht aus Metall), nämlich Firstabdeckungen, Gratabdeckungen nicht aus Metall, insbesondere mit Kunststoffeinsätzen oder Kunststoffhinterfütterung“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 7/2005 vom 14. Februar 2005 veröffentlicht, und das Wortzeichen VENT ROLL wurde am 14. Juli 2005 unter der Nr. 3817491 als Gemeinschaftsmarke eingetragen.

5        Am 28. Juli 2010 beantragte der Streithelfer, Herr Wolfram Schürmann, die Nichtigerklärung dieser Marke, wobei er sich erstens auf Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 stützte, weil die Marke unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung eingetragen worden sei. Zweitens wurde der Antrag darauf gestützt, dass die Klägerin bei der Anmeldung bösgläubig im Sinne von Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gewesen sei, und drittens auf Art. 53 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, weil die Marke unter Verstoß gegen Art. 8 Abs. 3 der Verordnung eingetragen worden sei.

6        Mit bestandskräftiger Entscheidung vom 27. Februar 2012 erklärte die Löschungsabteilung die angegriffene Marke im Verfallsverfahren 1854 C teilweise für verfallen.

7        Mit Entscheidung vom 21. September 2012 gab die Löschungsabteilung des HABM wegen absoluter Nichtigkeitsgründe dem Löschungsantrag bezüglich der vorstehend in Rn. 3 genannten Waren statt, die nach der teilweisen Verfallserklärung noch von der angegriffenen Marke erfasst wurden. Die Löschungsabteilung war im Wesentlichen der Auffassung, dass die englischen Wörter „vent“ und „roll“ im Deutschen die Bedeutungen „Entlüftung, Öffnung“ und „Rolle“ hätten. Somit vermittelten die Worte „vent roll“ den maßgeblichen englischen Fachverkehrskreisen eindeutig ein Merkmal der betreffenden Waren. Außerdem habe die Klägerin selbst durch Ausdrucke von Internetseiten belegt, dass die Bezeichnungen „roll ridge vent“ oder „rolled ridge vent“ im Englischen für die verfahrensgegenständlichen Waren in Gebrauch seien. Den Nachweis einer durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke habe die Klägerin nicht erbracht.

8        Am 21. November 2012 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Löschungsabteilung nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 Beschwerde beim HABM ein.

9        Mit Entscheidung vom 30. Januar 2014 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde wegen des Vorliegens absoluter Eintragungshindernisse im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 als unbegründet zurück. Sie war erstens der Auffassung, dass die Löschungsabteilung die Bedeutung der Wörter „vent“ (Entlüftung, Öffnung) und „roll“ (Rolle), die durch die von der Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 22. September 2011 eingereichten Wörterbuchauszüge belegt werde, zutreffend festgestellt habe. Zweitens verwiesen diese Auszüge sowohl zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Löschungsabteilung auf dieselben Bedeutungen. Daher sei die angegriffene Marke zur Beschreibung der in Rede stehenden Waren geeignet. Drittens erkenne das Publikum in der genannten Marke einen Hinweis auf die Art und den Verwendungszweck der Waren. Was schließlich die Waren angehe, die nicht in Rollenform angeboten würden und keinen luftdurchlässigen Teil aufwiesen, bleibe ein Zeichen, auch wenn es nur einzelne unter einen Oberbegriff fallende Waren beschreibe, für den gesamten Oberbegriff schutzunfähig.

 Anträge der Parteien

10      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dahin gehend abzuändern, dass der Nichtigkeitsantrag in vollem Umfang zurückgewiesen wird;

–        hilfsweise, die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf die Waren „Metallbahnen für Bauzwecke“ der Klasse 6 sowie „Unterspannbahnen“ der Klasse 17 aufzuheben und die angefochtene Entscheidung dahin gehend abzuändern, dass der Nichtigkeitsantrag hinsichtlich dieser Waren zurückgewiesen wird;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

11      Das HABM und der Streithelfer beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

12      Die Klägerin stützt ihre Klage auf folgende sechs Klagegründe:

–        erstens einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009;

–        zweitens einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009;

–        drittens einen Verstoß gegen Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 40 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 (in der durch die Verordnung Nr. 1041/2005 der Kommission vom 29. Juni 2005 [ABl. L 172, S. 4] geänderten Fassung) durch die Berücksichtigung erstinstanzlich verspäteten Vorbringens;

–        viertens einen Verstoß gegen die Art. 76 und 78 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie die Regeln 37 Buchst. b Ziff. iv und 57 der Verordnung Nr. 2868/95 durch die Berücksichtigung von unsubstantiiertem und streitigem Tatsachenvorbringen der darlegungs- und beweispflichtigen anderen Partei des Verfahrens;

–        fünftens einen Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 37 Buchst. a Ziff. iii der Verordnung Nr. 2868/95 und mit Art. 83 der Verordnung Nr. 207/2009;

–        sechstens einen Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 37 Buchst. a Ziff. iii und Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 2868/95.

 Erster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009

13      Die Klägerin macht geltend, die streitige Marke bestehe aus einer Kombination der beiden Wortelemente „vent“ und „roll“, die entgegen den von der Beschwerdekammer in den Rn. 23 bis 25 der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen im Englischen nicht üblich sei. Folglich habe sie bei den relevanten englischsprachigen Verkehrskreisen nicht die Bedeutung von „Lüftungsrolle“ oder „Entlüftungsrolle“. Da die angegriffene Marke nämlich sprachunüblich sei, entspreche sie in der Sprache der genannten relevanten Verkehrskreise nicht der normalen Ausdrucksweise zur Bezeichnung der wesentlichen Merkmale der fraglichen Waren, zumal die angegriffene Marke eine zusammengesetzte Marke sei, deren zwei Wortbestandteile in ihrer Gesamtheit gesehen werden müssten. Deshalb werde die angegriffene Marke vom relevanten Publikum nicht als beschreibend wahrgenommen, sondern eher als Herkunftshinweis aufgefasst.

14      Außerdem habe die Beschwerdekammer die Beweislastregeln verkannt, indem sie dem Zeichen „vent roll“ für das Jahr 2004, d. h. für den Zeitpunkt seiner Anmeldung beim HABM zwecks Eintragung als Gemeinschaftsmarke, anhand von Wörterbuchauszügen aus dem Jahr 2011 rückwirkend eine Bedeutung beigemessen habe, die nicht durch Belege aus der damaligen Zeit untermauert worden sei.

15      „Metallbahnen“ der Klasse 6 und „Unterspannbahnen“ der Klasse 17 seien nicht luftdurchlässig und dienten nicht zur Be- oder Entlüftung. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin wiederholt, dass „Unterspannbahnen“ zwar dampfdurchlässig, aber nicht luftdurchlässig seien und zudem nicht auf dem Dach ausgerollt, sondern unter der Dachdämmung angebracht würden. Sie wiesen daher keine Lüftungsfunktion auf.

16      Das HABM und der Streithelfer treten diesem Vorbringen entgegen.

17      In Bezug auf „Firstabdeckungen, Gratabdeckungen, Metallbahnen, Unterspannbahnen“ hat das HABM in der mündlichen Verhandlung erstens darauf hingewiesen, dass diese Waren in Rollenform angeboten würden und eine Lüftungsfunktion hätten. Zweitens habe die Klägerin in ihren Schriftsätzen, insbesondere in ihrer Beschwerdebegründung vom 21. Januar 2013, die Lüftungsfunktion der fraglichen Waren anerkannt. Drittens versuche die Klägerin, diese Lüftungsfunktion zu relativieren, indem sie hinsichtlich der behaupteten Unterschiede zwischen Dampfdurchlässigkeit und Luftdurchlässigkeit wissenschaftliche Haarspalterei betreibe. Die Lüftungsfunktion sei jedenfalls keine bloße Nebenfunktion der Waren der Klägerin.

18      Der Streithelfer ist in der mündlichen Verhandlung dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten, wonach die Lüftungsfunktion kein Merkmal von „Unterspannbahnen“ sei. Diese Waren hätten nämlich mikroskopisch kleine Öffnungen, durch die sich die Luftfeuchtigkeit von der einen Seite der Membran auf deren andere Seite bewegen könne. Es gebe eine durch den Wind herbeigeführte Belüftung, bei der feuchte Luft durch eine mikroperforierte Membran eindringe und in den Raum unter dem Dach gelange. Unter der Unterspannbahn gebe es für die Luftzirkulation, d. h. für die Belüftung, einen Hohlraum, und diese mit mikroskopisch kleinen Öffnungen versehene Bahn werde im Handel im Allgemeinen in Rollenform verkauft. Im Fall von Metallbahnen in Rollenform könne die Luft durch die perforierte Membran hindurchgehen und somit zugleich den Raum zwischen den Unterspannbahnen und der darunter liegenden Schicht belüften.

19      Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt, dass die Gemeinschaftsmarke für nichtig erklärt wird, wenn sie entgegen den Vorschriften des Art. 7 dieser Verordnung eingetragen worden ist. Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung sind „Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können“, von der Eintragung ausgeschlossen. Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 finden die Vorschriften des Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen. Demzufolge ist eine Gemeinschaftsmarke bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie auch nur in einer der Amtssprachen der Union beschreibend ist (Urteil vom 19. September 2002, DKV/HABM, C‑104/00 P, Slg, EU:C:2002:506, Rn. 40). Überdies ist ein Zeichen bereits dann von der Eintragung als Gemeinschaftsmarke auszuschließen, wenn eines der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 aufgeführten absoluten Eintragungshindernisse vorliegt (vgl. Urteil vom 9. Juli 2009, Biotronik/HABM [BioMonitor], T‑257/08, EU:T:2009:267, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass die Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können, von allen frei verwendet werden können. Diese Vorschrift schließt es daher aus, dass diese Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden (Urteil vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley, C‑191/01 P, Slg, EU:C:2003:579, Rn. 31) und dass ein Unternehmen die Verwendung einer beschreibenden Bezeichnung zum Nachteil anderer Unternehmer, einschließlich seiner Wettbewerber, monopolisiert, denen infolgedessen zur Beschreibung ihrer eigenen Erzeugnisse nur ein entsprechend verringerter Wortschatz zur Verfügung stünde (Urteile vom 6. März 2007, Golf USA/HABM [GOLF USA], T‑230/05, EU:T:2007:76, Rn. 32, und vom 30. April 2013, ABC‑One/HABM [SLIM BELLY], T‑61/12, EU:T:2013:226, Rn. 17).

21      Ein Zeichen fällt unter Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009, wenn es einen hinreichend direkten und konkreten Bezug zu den mit ihm gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aufweist, der es den angesprochenen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung dieser Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. Urteile vom 30. November 2004, Geddes/HABM [NURSERYROOM], T‑173/03, Slg, EU:T:2004:347, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 22. Juni 2005, Metso Paper Automation/HABM [PAPERLAB], T‑19/04, Slg, EU:T:2005:247, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli [Mozart], T‑304/06, Slg, EU:T:2008:268, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Außerdem ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 eindeutig, dass es genügt, wenn die Marke zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen „dienen kann“ (Urteil HABM/Wrigley, oben in Rn. 20 angeführt, EU:C:2003:579, Rn. 33).

23      Der beschreibende Charakter einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (Urteil vom 17. Mai 2011, Consejo Regulador de la Denominación de Origen Txakoli de Álava u. a./HABM [TXAKOLI], T‑341/09, Slg, EU:T:2011:220, Rn. 20).

24      Handelt es sich, wie im vorliegenden Fall, um aus Wörtern bestehende Marken, muss ein etwaiger beschreibender Charakter nicht nur für jedes Wort gesondert, sondern auch für das durch die Wörter gebildete Ganze festgestellt werden. Jede erkennbare Abweichung in der Formulierung einer angemeldeten Wortverbindung von der im üblichen Sprachgebrauch der betroffenen Verbraucherkreise für die Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung oder ihrer wesentlichen Merkmale verwendeten Ausdrucksweise ist geeignet, einer Wortverbindung die für ihre Eintragung als Marke erforderliche Unterscheidungskraft zu verleihen. Insoweit ist auch die Analyse der fraglichen Wörter anhand der maßgeblichen lexikalischen und grammatikalischen Regeln von Bedeutung (vgl. Urteile vom 19. April 2007, HABM/Celltech, C‑273/05 P, Slg, EU:C:2007:224, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 23. Oktober 2008, TIM und TTV/HABM – Past Perfect [PAST PERFECT], T‑133/06, EU:T:2008:459, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 6. März 2015, Braun Melsungen/HABM [SafeSet], T‑513/13, EU:T:2015:140, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Der vorliegende Klagegrund ist im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

26      Im vorliegenden Fall bestreitet die Klägerin nicht die Definition der maßgeblichen Verkehrskreise, die gemäß den Rn. 23 und 26 der angefochtenen Entscheidung aus den im Bausektor tätigen englischsprachigen Verkehrskreisen in der Europäischen Union bestehen. Da diese Beurteilung fehlerfrei ist, ist ihr unter Berücksichtigung des sehr technischen Charakters der fraglichen Waren beizupflichten.

27      Die Beschwerdekammer hat in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Kombination der beiden Wörter, aus denen sich die angegriffene Marke zusammensetze – „vent“ (Lüftung) und „roll“ (Rolle) –, sowohl zum Zeitpunkt der Anmeldung als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Löschungsabteilung eine Lüftungs- oder Entlüftungsrolle bezeichnet habe.

28      Demzufolge hat sie in Rn. 26 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die angegriffene Marke zur Beschreibung der von ihr erfassten Waren geeignet sei, bei denen es sich um Baumaterialien, nämlich Firstabdeckungen, Gratabdeckungen, Metallbahnen und Unterspannbahnen, handele. Diese Waren würden bei der Abdeckung von Dächern verwendet und u. a. in Rollenform mit einem luftdurchlässigen Mittelteil zur Be- und Entlüftung des Unterdachbereichs angeboten. Für diese Waren erkenne das angesprochene Fachpublikum in der angegriffenen Marke einen Hinweis auf deren Art und Verwendungszweck.

29      In Anbetracht der Wahrnehmung der angegriffenen Marke durch das relevante Publikum kann das Wort „vent“ u. a. die Bedeutung „Lüftung“ und das Wort „roll“ u. a. die Bedeutung „Rolle“ haben. Aus den von der Klägerin selbst am 22. September 2011 im Verfahren vor der Beschwerdekammer vorgelegten Wörterbuchauszügen (siehe Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung) ist nämlich zu schließen, dass der Ausdruck „vent roll“ von den genannten Verkehrskreisen als Bezeichnung der Merkmale der gekennzeichneten Waren verstanden werden kann.

30      Insoweit ist der Beschwerdekammer zuzustimmen, dass das Element „vent“ in Kombination mit dem Element „roll“ eine beschreibende Konnotation hat, weil die maßgeblichen Verkehrskreise den Neologismus „vent roll“, der sich aus den genannten Elementen zusammensetzt, als Bezugnahme auf die Merkmale der betreffenden Waren (Präsentation in Rollenform) und deren Verwendungszweck (Luftdurchlässigkeit zur Be- und Entlüftung) wahrnehmen können. Folglich behalten die Elemente „vent“ und „roll“ den beschreibenden Charakter im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009, den sie haben, wenn sie unabhängig voneinander verwendet werden, auch dann, wenn sie in dem genannten Neologismus zusammen verwendet werden.

31      Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Argument der Klägerin in Frage gestellt, wonach eine Kombination des Wortes „roll“ mit einem anderen englischen Substantiv stets in der Form erfolge, dass das Wort „roll“ an erster Stelle stehe und das weitere Substantiv nachfolge. Wie das HABM ausführt, ist vielmehr festzustellen, dass im vorliegenden Fall dem Substantiv „roll“ im Sinne von „Rolle“ gemäß den Regeln der englischen Grammatik eine Bezugnahme oder ein spezifisches Attribut zur Qualifizierung der Art der fraglichen Rolle vorangestellt ist. Der Neologismus „vent roll“ weist daher darauf hin, dass die durch das Wort „roll“ bezeichnete Rolle zur Be- und Entlüftung dient, die durch das Wort „vent“ dargestellt wird. Dies gilt umso mehr aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise, die diesen Neologismus aufgrund ihrer besonderen technischen Kenntnisse noch viel leichter als eine klare und unmissverständliche Beschreibung der fraglichen Waren auffassen werden. Der klare und präzise semantische Inhalt jedes der Begriffe „vent“ und „roll“ wird deshalb nicht erkennbar verändert, wenn sie zu einem einzigen Ausdruck kombiniert werden.

32      Zu den von der angegriffenen Marke erfassten metallischen und nichtmetallischen Baumaterialien – Firstabdeckungen, metallische und nichtmetallische Gratabdeckungen, insbesondere mit Kunststoffeinsätzen oder Kunststoffhinterfütterung, und Unterspannbahnen – ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass die angegriffene Marke durchaus den Zweck haben kann, Art und Funktion dieser Materialien zu beschreiben. Die angegriffene Marke vermag nämlich darüber zu informieren, dass die genannten Waren in Rollenform und mit einem luftdurchlässigen Teil für die Be- und Entlüftung angeboten werden.

33      Zu den von der angegriffenen Marke erfassten Waren, die nicht in Rollenform angeboten werden und keinen luftdurchlässigen Teil für die Be- und Entlüftung aufweisen, hat die Beschwerdekammer in Rn. 27 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass ein Zeichen, das nur bestimmte zu einer Warenkategorie gehörende Waren beschreibe, für die gesamte Kategorie schutzunfähig bleibe.

34      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich die Prüfung der absoluten Eintragungshindernisse zwar auf alle Waren oder Dienstleistungen erstrecken muss, für die die Eintragung der Marke beantragt wird, und dass die Entscheidung, mit der die zuständige Behörde die Eintragung einer Marke ablehnt, grundsätzlich in Bezug auf jede dieser Waren oder Dienstleistungen zu begründen ist, doch kann sich die zuständige Behörde auf eine globale Begründung für alle betroffenen Waren oder Dienstleistungen beschränken, wenn dasselbe Eintragungshindernis einer Kategorie oder einer Gruppe von Waren oder Dienstleistungen entgegengehalten wird (vgl. Beschluss vom 18. März 2010, CFCMCEE/HABM, C‑282/09 P, Slg, EU:C:2010:153, Rn. 37 und 38 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Eine globale Begründung in Bezug auf das Vorliegen eines absoluten Eintragungshindernisses bei einer Kategorie von Waren ist daher zulässig, wenn diese Gruppe von Waren eine so direkte und konkrete Verbindung untereinander aufweist, dass sie eine hinreichend homogene Kategorie oder Gruppe von Waren oder Dienstleistungen bildet. Für eine solche Homogenität genügt es nicht, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen zur selben Klasse des Abkommens von Nizza gehören, da diese Klassen oft eine große Bandbreite von Waren oder Dienstleistungen enthalten, die untereinander nicht notwendig eine solche hinreichend direkte und konkrete Verbindung aufweisen (vgl. in diesem Sinne Beschluss CFCMCEE/HABM, oben in Rn. 34 angeführt, EU:C:2010:153, Rn. 40, und Urteil vom 17. Oktober 2013, Isdin/Bial-Portela, C‑597/12 P, Slg, EU:C:2013:672, Rn. 27). Die maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der Homogenität von Waren und Dienstleistungen sind nicht kumulativ und beschränken sich nicht auf deren Natur sowie deren Funktion. Bei der Beurteilung der Homogenität der betreffenden Waren und Dienstleistungen sind insbesondere ihre Merkmale, ihre wesentlichen gemeinsamen Eigenschaften und ihre Funktionen zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Beschluss CFCMCEE/HABM, oben in Rn. 34 angeführt, EU:C:2010:153, Rn. 46).

36      Vor allem in Bezug auf „Metallbahnen für Bauzwecke“ der Klasse 6 und „Unterspannbahnen“ der Klasse 17 hat die Klägerin die Funktionen dieser Waren für das Dach in der mündlichen Verhandlung eingehend erläutert. Demnach werden sie auch zur Isolierung des Daches verwendet, um den thermischen Komfort sowohl im Winter als auch im Sommer zu verbessern. Nach diesen Angaben sind Unterspannbahnen nämlich im Allgemeinen reißfest und wasserdicht, aber wasserdampfdurchlässig. Da sie eine Ableitung von Wasserdampf ermöglichen, fördern sie die Durchlüftung des Daches. Außerdem ermöglichen sie im Brandfall den Austritt von Rauch. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die durch die fraglichen Waren begünstigte Luftdurchlässigkeit nicht völlig der Luftzirkulation entspricht, weisen Unterspannbahnen, wie die Klägerin und der Streithelfer in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, mit ihren mikroskopisch kleinen Öffnungen gleichwohl ein physisches Merkmal auf (siehe oben, Rn. 18), aufgrund dessen Dampf entweichen und nach oben austreten kann. Demzufolge tragen die Unterspannbahnen im Ergebnis zu einer Belüftung bei. Das Gleiche gilt für „Firstabdeckungen“ der Klasse 6 und „Gratabdeckungen“, die zur Dachabdeckung verwendet und u. a. in Rollenform mit einem luftdurchlässigen Mittelteil zur Be- und Entlüftung des Unterdachbereichs angeboten werden (siehe Rn. 26 der angefochtenen Entscheidung). Sie werden in der Regel auf einem elastischen, mikroperforierten Ausfüllstück oder direkt auf den Dachziegeln angebracht, um sicherzustellen, dass das Dach dicht ist.

37      Daraus folgt, dass alle von der angegriffenen Marke erfassten Waren zur Durchführung von Isolierungsarbeiten am Dach verwendet werden können und sich einander ergänzen, um für die Entlüftung und insbesondere die Belüftung des Hauses zu sorgen. Folglich sind sie als eine homogene Gruppe von Waren im Sinne der vorstehend in Rn. 35 angeführten Rechtsprechung anzusehen, so dass sich die Beschwerdekammer auf eine globale Begründung beschränken konnte. Genauer gesagt werden, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, „Unterspannbahnen“, die normalerweise in Rollen angeboten werden, ebenso wie „Metallbahnen“ unter den „Firstabdeckungen“ und den „Gratabdeckungen“ angebracht. Außerdem ist hervorzuheben, dass, wie die Klägerin selbst anerkannt hat, sämtliche Arten von „Unterspannbahnen“, „Unterdeckbahnen“ und „Fassadenbahnen“ eine Luftzirkulation und insbesondere eine Belüftung am Ort ihres Einbaus ermöglichen. Wie die Beschwerdekammer in Rn. 26 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, kann das relevante Fachpublikum im Bausektor, das die spezielle Fachsprache dieses Sektors genau kennt, den mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten und unter dem Zeichen VENT ROLL vertriebenen Waren überdies entnehmen, dass diese Waren insbesondere zur Belüftung des Daches dienen.

38      Selbst wenn das relevante Publikum jedoch für First-Gratrollen nicht den Ausdruck „vent roll“ verwenden sollte, sondern eher, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bekundet hat, „Ridge Vent“ oder „Roll Ridge Vent“, würde dies nichts daran ändern, dass der genannte Ausdruck für das englischsprachige Fachpublikum beschreibenden Charakter hat. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es nämlich, dass ein Zeichen beschreibend benutzt werden kann, damit es unter das absolute Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 fällt (vgl. Urteile vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, Slg, EU:C:2011:139, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 23. Januar 2014, NCL/HABM [NORWEGIAN GETAWAY], T‑513/12, EU:T:2014:24, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Auch das Argument der Klägerin, die Beschwerdekammer habe die im Jahr 2011 bestehende lexikalische Bedeutung der Wortbestandteile „vent“ und „roll“ in unzulässiger Weise auf das Jahr 2004 übertragen, kann keinen Erfolg haben. Wie die Beschwerdekammer nämlich in Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, setzt die Aufnahme von Wörtern als Lexeme in ein Wörterbuch voraus, dass sie in einem bestimmten Kontext wiederholt verwendet werden, bis sie eine anerkannte Bedeutung erlangt haben. Die wiederholte Verwendung eines Wortes impliziert notwendigerweise Erwägungen zeitlicher Natur, so dass dem Vorbringen der Beschwerdekammer beizupflichten ist.

40      Überdies steht, wie die Beschwerdekammer zutreffend ausführt (siehe Rn. 29 der angefochtenen Entscheidung), der Annahme einer beschreibenden Bedeutung nicht entgegen, dass eine beschreibende Verwendung des Ausdrucks „vent roll“ bezogen auf den Anmeldezeitpunkt nicht belegt ist. Nach ständiger Rechtsprechung setzt nämlich die Zurückweisung einer Anmeldung durch das HABM auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 nicht voraus, dass die Zeichen und Angaben, aus denen die unter diese Bestimmung fallenden Marken bestehen, zum Zeitpunkt der Anmeldung tatsächlich für die in der Anmeldung aufgeführten Waren oder Dienstleistungen oder für ihre Merkmale in beschreibender Weise verwendet werden. Wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, genügt es, dass die Zeichen und Angaben zu diesem Zweck verwendet werden können. Ein Wortzeichen muss daher nach dieser Bestimmung von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (Urteil HABM/Wrigley, oben in Rn. 20 angeführt, EU:C:2003:579, Rn. 32).

41      Folglich ist festzustellen, dass die angegriffene Marke im vorliegenden Fall die Merkmale der in Rede stehenden Waren und deren Verwendungszweck beschreibt. Die Beschwerdekammer hat demnach in Rn. 26 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die Kombination der Wörter „vent“ und „roll“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 zur Beschreibung der genannten Waren geeignet ist.

42      Somit ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

43      Wie sich aus Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt, kann ein Zeichen bereits dann nicht als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden, wenn eines der absoluten Eintragungshindernisse vorliegt (vgl. Urteil vom 16. März 2006, Telefon & Buch/HABM – Herold Business Data [WEISSE SEITEN], T‑322/03, Slg, EU:T:2006:87, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      In Anbetracht der Schlussfolgerungen, die sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergeben, braucht deshalb über den zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gerügt wird, nicht entschieden zu werden.

 Dritter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 40 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 durch die Berücksichtigung erstinstanzlich verspäteten Vorbringens

45      Die Klägerin trägt vor, der Streithelfer habe in seinem Schriftsatz vom 12. September 2012 verspätet – nach Abschluss des kontradiktorischen Abschnitts des Verfahrens vor der Löschungsabteilung, die sein Vorbringen deshalb nicht berücksichtigt habe – unter Heranziehung von Übersetzungen, die mit dem Übersetzungstool von „Google“ erstellt worden seien, vorgetragen, dass die angegriffene Marke eine „Lüftungsrolle“ bezeichne. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass bei diesen Übersetzungen die Bedeutung der einzelnen Wörter aneinandergereiht und dem üblichen Sprachgebrauch sowie der üblichen Wortbildung in der englischen Sprache nicht Rechnung getragen werde. Daher dürfe man sich nicht auf das Übersetzungstool von „Google“ stützen, um die Üblichkeit einer Wortbildung im Englischen zu beurteilen.

46      Darüber hinaus folge aus dem Grundsatz der funktionalen Kontinuität zwischen der Löschungsabteilung und der Beschwerdekammer, dass das bereits vor der Löschungsabteilung verspätete Vorbringen auch von der Beschwerdekammer nicht berücksichtigt werden könne.

47      Das HABM und der Streithelfer treten diesem Vorbringen entgegen.

48      Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung aus dem Wortlaut von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 hervorgeht, dass als allgemeine Regel und vorbehaltlich einer gegenteiligen Vorschrift die Beteiligten Tatsachen und Beweise auch dann noch vorbringen können, wenn die dafür nach den Bestimmungen der Verordnung geltenden Fristen abgelaufen sind, und dass es dem HABM keineswegs untersagt ist, solche verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweise zu berücksichtigen (Urteil vom 13. März 2007, HABM/Kaul, C‑29/05 P, Slg, EU:C:2007:162, Rn. 68; vgl. auch Urteil vom 3. Oktober 2013, Rintisch/HABM, C‑120/12 P, Slg, EU:C:2013:638, Rn. 22 und 23 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Mit der Klarstellung, dass das HABM verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweise nicht zu berücksichtigen „braucht“, räumt Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 dem HABM nämlich ein weites Ermessen ein, um mit entsprechender Begründung seiner Entscheidung darüber zu befinden, ob sie zu berücksichtigen sind oder nicht (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2014, CEDC International/HABM – Underberg [Form eines Grashalms in einer Flasche], T‑235/12, Slg, EU:T:2014:1058, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Außerdem ergibt sich aus Art. 64 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 und einer gefestigten Rechtsprechung, dass zwischen den verschiedenen Stellen des HABM, also dem Prüfer, der Widerspruchsabteilung, der Markenverwaltungs- und Rechtsabteilung und den Löschungsabteilungen einerseits sowie den Beschwerdekammern andererseits, eine funktionale Kontinuität besteht. Aus dieser funktionalen Kontinuität folgt, dass die Beschwerdekammern im Rahmen ihrer Überprüfung der von den zuvor befassten Stellen des HABM erlassenen Entscheidungen ihre eigene Entscheidung auf das gesamte tatsächliche und rechtliche Vorbringen zu stützen haben, das die Parteien entweder im Verfahren vor der Stelle, die als erste entschieden hat, oder im Beschwerdeverfahren geltend gemacht haben (vgl. Urteile vom 23. September 2003, Henkel/HABM – LHS [UK] [KLEENCARE], T‑308/01, Slg, EU:T:2003:241, Rn. 25 und 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Februar 2005, SPAG/HABM – Dann und Backer [HOOLIGAN], T‑57/03, Slg, EU:T:2005:29, Rn. 18; vgl. auch Urteile vom 9. November 2005, Focus Magazin Verlag/HABM – ECI Telecom [Hi-FOCuS], T‑275/03, Slg, EU:T:2005:385, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 26. September 2014, Koscher + Würtz/HABM – Kirchner & Wilhelm [KW SURGICAL INSTRUMENTS], T‑445/12, Slg, EU:T:2014:829, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Insoweit ist auf die oben in Rn. 29 getroffene Feststellung zu verweisen, dass das HABM aufgrund der aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise klaren und genauen Bedeutung des Ausdrucks „vent roll“ im Hinblick auf die fraglichen Waren zu dem Schluss berechtigt war, dass er beschreibenden Charakter hat, insbesondere in Anbetracht der von der Klägerin vorgelegten Wörterbuchauszüge und unabhängig von den vom Streithelfer in seinem Schriftsatz vom 12. September 2012 vorgebrachten Argumente und Tatsachen.

51      Dass die Löschungsabteilung die vom Streithelfer in seinem Schriftsatz vom 12. September 2012 zur beschreibenden Bedeutung des Ausdrucks „vent roll“ vorgebrachten und auf das Übersetzungstool von „Google“ gestützten Gesichtspunkte als verspätet zurückgewiesen hat, hatte jedenfalls auf den Inhalt ihrer Entscheidung keinen Einfluss, denn sie war auch ohne Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte unter Bezugnahme – in Rn. 6 ihrer Entscheidung – auf ein Schreiben des Streithelfers vom 19. Juli 2011 zu dem Ergebnis gekommen, dass der genannte Ausdruck für einen Teil der mit der angegriffenen Marke gekennzeichneten Waren beschreibend sei.

52      Überdies ist die Beschwerdekammer davon ausgegangen, dass die angegriffene Marke bereits zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung als Gemeinschaftsmarke beschreibend gewesen sei (siehe Rn. 29 und 32 der angefochtenen Entscheidung). Somit ist nicht erwiesen, dass sich die Erwägung der Beschwerdekammer zum beschreibenden Charakter des Ausdrucks „vent roll“ auf die dahin gehende Argumentation des Streithelfers in seinem Schriftsatz vom 12. September 2012 stützt. Im Übrigen ist festzustellen, dass die vom Streithelfer im genannten Schriftsatz angeführten Ergebnisse des Übersetzungstools von „Google“ in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt werden.

53      Der vorliegende Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Vierter Klagegrund: Verstoß gegen die Art. 76 und 78 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie die Regeln 37 Buchst. b Ziff. iv und 57 der Verordnung Nr. 2868/95 durch die Berücksichtigung von unsubstantiiertem und streitigem Tatsachenvorbringen des darlegungs- und beweispflichtigen Streithelfers

54      Die Klägerin macht geltend, im Nichtigkeitsverfahren treffe den Antragsteller die materielle Beweislast für das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes. Er müsse nachweisen, welche lexikalische Bedeutung der angegriffenen Marke und ihren Bestandteilen zum Zeitpunkt der Anmeldung als Gemeinschaftsmarke zugekommen sei und welche Merkmale die von dieser Marke erfassten Waren hätten. Diese Nachweise habe der Streithelfer im vorliegenden Fall nicht erbracht. Demzufolge habe die Beschwerdekammer verkannt, dass der Streithelfer die lexikalische Bedeutung der angegriffenen Marke weder vorgetragen noch bewiesen habe. Überdies habe die Beschwerdekammer zu Unrecht, ohne Beweise aus dem relevanten Zeitraum, unterstellt, dass die Worte „vent“ und „roll“ bereits im Jahr 2004 die Bedeutung gehabt hätten, die sie ihnen – rückwirkend – anhand der im Jahr 2011 verfügbaren Beweise beigemessen habe. Sie habe daher einen Fehler begangen, indem sie ohne Untermauerung durch Beweise festgestellt habe, dass sich die angegriffene Marke aus einer Kombination zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung gebräuchlicher Wörter ergebe.

55      Das HABM und der Streithelfer treten diesem Vorbringen entgegen.

56      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das HABM im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens nicht verpflichtet sein kann, die vom Prüfer vorgenommene Ermittlung des relevanten Sachverhalts, der es zu der Feststellung veranlassen könnte, dass ein absolutes Eintragungshindernis vorliegt, von Amts wegen erneut durchzuführen. Aus den Art. 52 und 55 der Verordnung Nr. 207/2009 geht hervor, dass die Gemeinschaftsmarke so lange als gültig angesehen wird, bis sie vom HABM nach einem Nichtigkeitsverfahren für nichtig erklärt wird. Ihr kommt somit eine Vermutung der Gültigkeit zugute, die die logische Folge der vom HABM im Rahmen der Prüfung einer Anmeldung durchgeführten Kontrolle darstellt (Urteil vom 13. September 2013, Fürstlich Castell’sches Domänenamt/HABM – Castel Frères [CASTEL], T‑320/10, Slg [Auszüge], EU:T:2013:424, Rn. 27).

57      Diese Vermutung der Gültigkeit beschränkt die in Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 aufgestellte Verpflichtung des HABM, den relevanten Sachverhalt, der es zu der Feststellung veranlassen könnte, dass ein absolutes Eintragungshindernis vorliegt, von Amts wegen zu ermitteln, auf die von den Prüfern des HABM und, auf Beschwerde, von den Beschwerdekammern im Verfahren zur Eintragung der Marke durchgeführte Prüfung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung. Da die Gültigkeit der eingetragenen Gemeinschaftsmarke vermutet wird, ist es hingegen im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens Sache des die Nichtigerklärung begehrenden Antragstellers, vor dem HABM die konkreten Gesichtspunkte darzulegen, die die Gültigkeit der Marke in Frage stellen sollen (Urteil CASTEL, oben in Rn. 56 angeführt, EU:T:2013:424, Rn. 28).

58      Auch wenn diese Vermutung der Gültigkeit der Eintragung die Pflicht des HABM zur Prüfung der relevanten Tatsachen beschränkt, kann sie das HABM nicht daran hindern, sich insbesondere in Anbetracht der Umstände, die von der Partei geltend gemacht werden, die sich gegen die Gültigkeit der angegriffenen Marke wendet, nicht nur auf diese Argumente und auf etwaige Beweise, die diese Partei ihrem Nichtigkeitsantrag beigefügt hat, zu stützen, sondern auch auf offenkundige, vom HABM im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens ermittelte Tatsachen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Januar 2013, Welte-Wenu/HABM – Kommission [EUROPEAN DRIVESHAFT SERVICES], T‑413/11, EU:T:2013:12, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Hat daher der Streithelfer, wie im vorliegenden Fall, die Gültigkeit der angegriffenen Marke bestritten und dabei Gesichtspunkte zur Stützung seines Nichtigkeitsantrags angeführt, obliegt es der Beschwerdekammer – wie geschehen –, diese Gesichtspunkte zu prüfen und gegebenenfalls offenkundige, vom Prüfer im Rahmen des Eintragungsverfahrens außer Acht gelassene Tatsachen zu berücksichtigen.

60      Insoweit hat die Beschwerdekammer in Rn. 26 der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass der Ausdruck „vent roll“ ohne Weiteres zur Beschreibung der in Rede stehenden Waren, insbesondere der in Rollenform zu Belüftungszwecken angebotenen Waren, geeignet sei. Sie ist damit den Ausführungen des Streithelfers im Antrag auf Nichtigerklärung gefolgt. Außerdem hat die Beschwerdekammer, wie bereits oben in Rn. 29 festgestellt, insbesondere aufgrund der von der Klägerin selbst mit Schriftsatz vom 22. September 2011 vorgelegten Wörterbuchauszüge (siehe Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung) die mögliche Bedeutung der Bestandteile „vent“ und „roll“ bestätigt. Demnach hat sie diese Bedeutung und die von „Lüftungsrolle“ dem aus diesen beiden Bestandteilen zusammengesetzten Neologismus ab initio, d. h. von der Anmeldung der angegriffenen Marke an, beigemessen und – zu Recht – als hinreichend bewiesen angesehen.

61      Folglich hat die Beschwerdekammer nicht gegen die Beweislastregeln verstoßen. Der vierte Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

 Fünfter und sechster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 37 Buchst. a Ziff. iii der Verordnung Nr. 2868/95 und mit Art. 83 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 37 Buchst. a Ziff. iii und Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 2868/95

62      Das Gericht hält es für zweckmäßig, den fünften und den sechsten Klagegrund zusammen zu prüfen, weil sich beide auf den Umfang des Streitgegenstands beziehen, d. h. auf die Tragweite der Pflicht des HABM, den Sachverhalt und den in Rede stehenden Nichtigkeitsantrag von Amts wegen zu prüfen.

63      Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer vor, verkannt zu haben, dass sich der Nichtigkeitsantrag weder auf „Metallbahnen für Bauzwecke“ der Klasse 6 noch auf „Unterspannbahnen“ der Klasse 17 bezogen habe, und zu Unrecht die Argumente berücksichtigt zu haben, die der Streithelfer in Bezug auf diese Waren erstmals in seinem Schriftsatz vom 12. September 2012 vorgetragen habe. Sie habe daher den Umfang des Nichtigkeitsantrags und den Streitgegenstand verkannt.

64      Das HABM tritt diesem Vorbringen entgegen.

65      Im Formular für den Antrag auf Nichtigerklärung ist der Rubrik „Absolute Eintragungshindernisse“ zu entnehmen, dass der Streithelfer seinen Nichtigkeitsantrag ausdrücklich auf Art. 52 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützt hat. In demselben Formular hat er eingehend dargelegt, dass die angegriffene Marke seines Erachtens in Anbetracht der Bedeutung der Elemente „vent“ und „roll“ und ihres beschreibenden Charakters unter das absolute Eintragungshindernis in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 falle. Außerdem hat er darin angegeben, gegen welche Waren sich der Nichtigkeitsantrag richtete; dazu gehörten die von der angegriffenen Marke erfassten „Metallbahnen für Bauzwecke“ und „Unterspannbahnen“. In Rn. 17 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer diesem Umfang des Nichtigkeitsantrags Rechnung getragen und hinzugefügt, dass der Antrag auf Nichtigerklärung unzulässig gewesen wäre, wenn er sich gegen sämtliche von der angegriffenen Marke erfassten Waren gerichtet hätte, d. h. auch gegen diejenigen, die von der Marke geschützt wurden, bevor sie teilweise für verfallen erklärt wurde.

66      Wie das HABM zu Recht ausgeführt hat, hatte der Streithelfer somit im vorliegenden Fall förmlich angegeben, für welche Waren er die Nichtigerklärung der angegriffenen Marke beantragte, und den Grund dieser Nichtigkeit angeführt, d. h. die Bestandteile des Gegenstands der Streitigkeit, mit der die Löschungsabteilung befasst wurde. Dies hat die Klägerin im Übrigen nicht bestritten.

67      Das Argument, die Beschwerdekammer habe zu Unrecht den Schriftsatz des Streithelfers vom 12. September 2012 berücksichtigt, ist aus den oben in den Rn. 33 bis 37 und 50 bis 52 angestellten Erwägungen als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

68      Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer weder den Gegenstand des Nichtigkeitsantrags noch den Gegenstand der ihr unterbreiteten Streitigkeit verkannt hat.

69      Somit sind der fünfte und der sechste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

70      Nach alledem hat die Beschwerdekammer zu Recht entschieden, dass die angegriffene Marke für alle von ihr erfassten Waren, einschließlich der „Metallbahnen für Bauzwecke“ der Klasse 6 und der „Unterspannbahnen“ der Klasse 17, nicht eintragungsfähig war.

71      Deshalb ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass über den hilfsweise gestellten, allein die „Metallbahnen für Bauzwecke“ und die „Unterspannbahnen“ betreffenden Nichtigkeitsantrag und über die Anträge auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung entschieden zu werden braucht.

 Kosten

72      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des HABM und des Streithelfers die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Ewald Dörken AG trägt die Kosten.

Prek

Labucka

Kreuschitz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. November 2015.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.