Language of document : ECLI:EU:C:2024:220

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 7. März 2024(1)

Rechtssache C701/22

SC AA SRL

gegen

MFE

(Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Cluj [Berufungsgericht Cluj, Rumänien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt – Strukturfonds – Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) – Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 – Art. 60 – Aufgaben der Verwaltungsbehörde – Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung – Verpflichtung zur Erstattung der förderfähigen Ausgaben – Kündigung eines Vertrags zur Finanzierung aus dem EFRE wegen Unregelmäßigkeiten bei seiner Durchführung – Aufhebung der Kündigung – Zahlungsverzug – Verzugszinsen – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung des Finanzierungsvertrags – Folgen“






 Einleitung

1.        Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC AA SRL, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach rumänischem Recht (im Folgenden: AA), und dem Ministerul Fondurilor Europene (Ministerium für europäische Fonds, Rumänien, im Folgenden: MFE) über die Zahlung von Verzugszinsen für die verspätete Erstattung von förderfähigen Ausgaben durch das MFE im Rahmen eines Finanzierungsvertrags, den dieses mit AA in Durchführung eines aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) kofinanzierten Programms geschlossen hatte.

2.        Die vorliegenden Schlussanträge betreffen im Wesentlichen zwei Fragen. Zum einen stellt sich die Frage, ob der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung gemäß Art. 60 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006(2) in Verbindung mit dem Äquivalenzgrundsatz verlangt oder ausschließt, dass eine juristische Person von der zuständigen nationalen Behörde Verzugszinsen für die verspätete Erstattung förderfähiger Ausgaben aus europäischen Fonds für den Zeitraum erhalten kann, in dem ein Verwaltungsakt wirksam war, mit dem der Finanzierungsvertrag gekündigt wurde und der später vom zuständigen nationalen Gericht für nichtig erklärt worden ist. Zum anderen stellt sich in dem Fall, dass die Möglichkeit des Erhalts solcher Zinsen bejaht wird, die Frage, ob das vorlegende Gericht die Höhe dieser Zinsen infolge von durch den Begünstigten begangenen Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung des Finanzierungsvertrags begrenzen kann, wenn die zuständige nationale Behörde keine finanziellen Berichtigungen vorgenommen hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Verordnung (EG) Nr. 1080/2006

3.        In Art. 7 („Förderfähigkeit der Ausgaben“) Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1080/2006(3) heißt es:

„Folgende Ausgaben kommen für eine Förderung durch den EFRE nicht in Betracht:

a)      Sollzinsen“.

 Verordnung Nr. 1083/2006

4.        Art. 14 („Geteilte Mittelverwaltung“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 lautet:

„Die Ausführung der den Fonds zugewiesenen Haushaltsmittel der Europäischen Union erfolgt im Rahmen der zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission geteilten Mittelverwaltung gemäß Artikel 53 Absatz 1 Buchstabe b der [Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002(4)] … mit Ausnahme des in Artikel 36a der vorliegenden Verordnung genannten Instruments und der in Artikel 45 der vorliegenden Verordnung genannten technischen Hilfe.

Der Grundsatz der wirtschaftlichen Haushaltsführung wird gemäß Artikel 48 Absatz 2 der [Verordnung Nr. 1605/2002] angewandt.“

5.        Art. 60 („Aufgaben der Verwaltungsbehörde“) der Verordnung Nr. 1083/2006 sieht vor:

„Die Verwaltungsbehörde ist verantwortlich dafür, dass das operationelle Programm im Einklang mit dem Grundsatz der wirtschaftlichen Haushaltsführung verwaltet und durchgeführt wird; sie hat insbesondere

a)      sicherzustellen, dass die zu finanzierenden Vorhaben nach den für das operationelle Programm geltenden Kriterien ausgewählt werden und während ihrer Durchführung stets den geltenden gemeinschaftlichen und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entsprechen;

b)      sich zu vergewissern, dass die kofinanzierten Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen geliefert bzw. erbracht und die im Zusammenhang mit Vorhaben von den Begünstigten geltend gemachten Ausgaben tatsächlich und im Einklang mit den gemeinschaftlichen oder einzelstaatlichen Rechtsvorschriften getätigt wurden; Prüfungen von einzelnen Vorhaben vor Ort können stichprobenweise gemäß den von der Kommission nach dem Verfahren gemäß Artikel 103 Absatz 3 festzulegenden Durchführungsbestimmungen vorgenommen werden;

…“

6.        Art. 70 („Verwaltung und Kontrolle“) der Verordnung Nr. 1083/2006 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sind zuständig für die Verwaltung und Kontrolle der operationellen Programme und treffen hierzu insbesondere folgende Maßnahmen:

a)      Sie sorgen dafür, dass Verwaltungs- und Kontrollsysteme für die operationellen Programme nach den Artikeln 58 bis 62 eingerichtet werden und wirksam funktionieren.

b)      Sie treffen vorbeugende Maßnahmen gegen Unregelmäßigkeiten, decken sie auf und korrigieren sie und ziehen rechtsgrundlos gezahlte Beträge, gegebenenfalls mit Verzugszinsen, wieder ein. Sie unterrichten die Kommission darüber und halten sie über den Stand von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren auf dem Laufenden.

(2)      Können rechtsgrundlos an einen Begünstigten gezahlte Beträge nicht wieder eingezogen werden, so haftet der Mitgliedstaat für die Erstattung der verlorenen Beträge an den Gesamthaushalt der Europäischen Union, wenn nachgewiesen wird, dass der Verlust durch einen ihm anzulastenden Fehler oder durch seine Fahrlässigkeit entstanden ist.

(3)      Die Durchführungsbestimmungen zu den Absätzen 1 und 2 werden von der Kommission nach dem in Artikel 103 Absatz 3 genannten Verfahren erlassen.“

7.        Art. 80 („Vollständige Auszahlung an die Begünstigten“) der Verordnung Nr. 1083/2006 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die mit den Zahlungen beauftragten Stellen darauf achten, dass die Begünstigten den Gesamtbetrag der öffentlichen Beteiligung so bald wie möglich und vollständig erhalten. Der den Begünstigten zu zahlende Betrag wird durch keinerlei Abzüge, Einbehalte, später erhobene spezifische Abgaben oder Ähnliches verringert.“

8.        In Art. 98 („Finanzielle Berichtigungen durch die Mitgliedstaaten“) Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1083/2006 heißt es:

„(1)      Es obliegt in erster Linie den Mitgliedstaaten, Unregelmäßigkeiten zu untersuchen, bei nachgewiesenen erheblichen Änderungen, welche sich auf die Art oder die Bedingungen für die Durchführung und Kontrolle der Vorhaben oder der operationellen Programme auswirken, zu handeln und die erforderlichen finanziellen Berichtigungen vorzunehmen.

(2)      Der Mitgliedstaat nimmt die finanziellen Berichtigungen vor, die aufgrund der im Rahmen von Vorhaben oder operationellen Programmen festgestellten vereinzelten oder systembedingten Unregelmäßigkeiten notwendig sind. Die vom Mitgliedstaat vorgenommenen Berichtigungen erfolgen, indem der öffentliche Beitrag zum operationellen Programm ganz oder teilweise gestrichen wird. Der Mitgliedstaat berücksichtigt Art und Schweregrad der Unregelmäßigkeiten sowie den dem Fonds entstandenen finanziellen Verlust.“

 Rumänisches Recht

 Gesetz Nr. 554/2004

9.        Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 554/2004(5) bestimmt:

„Die Bestimmungen dieses Gesetzes werden durch die Bestimmungen der Zivilprozessordnung ergänzt, soweit sie nicht mit den besonderen Beziehungen zwischen staatlichen Behörden einerseits und Personen, deren legitime Rechte oder Interessen verletzt wurden, andererseits sowie mit dem in diesem Gesetz geregelten Verfahren unvereinbar sind. Die Vereinbarkeit der anzuwendenden Bestimmungen der Zivilprozessordnung ist vom Gericht zu bestimmen, wenn es über die Einreden entscheidet.“

 Zivilgesetzbuch

10.      Art. 1535 („Verzugszinsen bei Zahlungsverpflichtungen“) des Zivilgesetzbuchs(6) lautet:

„(1)      Wird ein Geldbetrag nicht am Fälligkeitstag gezahlt, hat der Gläubiger ab dem Fälligkeitstag bis zum Zeitpunkt der Zahlung Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe des von den Parteien vereinbarten Zinssatzes oder andernfalls des gesetzlichen Zinssatzes, ohne dass er einen Schaden nachweisen muss. In diesem Fall ist der Schuldner nicht berechtigt, nachzuweisen, dass der Schaden, den der Gläubiger durch den Zahlungsverzug erlitten hat, niedriger sei.

(2)      Falls der Schuldner vor dem Fälligkeitstag Zinsen zu einem höheren als dem gesetzlichen Zinssatz schuldet, sind die Verzugszinsen zu dem vor dem Fälligkeitstag geltenden Zinssatz geschuldet.

(3)      Ist der Zinssatz für die geschuldeten Verzugszinsen nicht höher als der gesetzliche Zinssatz, hat der Gläubiger zusätzlich zu den Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz Anspruch auf Schadensersatz zur vollständigen Wiedergutmachung des erlittenen Schadens“.

 Regierungsverordnung Nr. 13/2011

11.      Art. 1 der Regierungsverordnung Nr. 13/2011(7) lautet:

„(1)      Den Parteien steht es frei, durch Vereinbarung einen Zinssatz sowohl für die Darlehensrückzahlung einer Geldsumme als auch für den Zahlungsverzug einer Geldforderung festzulegen.

(2)      Die vom Schuldner einer zu einem bestimmten Termin fälligen Geldsumme geschuldeten Zinsen, die für die Zeit vor dem Fälligkeitstag der Schuld berechnet werden, werden als Vergütungszinsen bezeichnet.

(3)      Die vom Schuldner einer Geldschuld für die Nichterfüllung der betreffenden Verpflichtung am Fälligkeitstag geschuldeten Zinsen werden als Strafzinsen bezeichnet.

…“

12.      Art. 3 der Regierungsverordnung Nr. 13/2011 in der geänderten Fassung lautet:

„(1)      Der gesetzliche Vergütungszinssatz wird in Höhe des Referenzzinssatzes der Rumänischen Nationalbank festgesetzt, bei dem es sich um den Leitzins handelt, der durch Beschluss des Verwaltungsrats der Rumänischen Nationalbank festgelegt wird.

(2)      Der gesetzliche Strafzinssatz wird auf den um vier Prozentpunkte erhöhten Referenzzinssatz festgelegt.

(2a)      In den Beziehungen zwischen Gewerbetreibenden sowie zwischen Gewerbetreibenden und öffentlichen Auftraggebern wird der gesetzliche Strafzinssatz auf den um acht Prozentpunkte erhöhten Referenzzinssatz festgelegt.

(3)      In Rechtsverhältnissen, die sich nicht aus dem Betrieb eines auf Gewinnerzielung gerichteten Unternehmens im Sinne von Art. 3 Abs. 3 [des Zivilgesetzbuchs] ableiten …, wird der gesetzliche Zinssatz gemäß den Bestimmungen von Abs. 1 bzw. Abs. 2 bestimmt und um 20 % ermäßigt.

…“

13.      Nach Art. 10 der Regierungsverordnung Nr. 13/2011 sind „die Bestimmungen von Art. 1535 und Art. 1538 bis 1543 [des Zivilgesetzbuchs] … auf Strafzinsen anwendbar“.

 Dringlichkeitsverordnung Nr. 66/2011

14.      Art. 42 Abs. 1 und 2 der OUG Nr. 66/2011(8) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung lautete:

„(1)      Haushaltsforderungen, die auf Unregelmäßigkeiten zurückzuführen sind, werden nach Ablauf der im Schuldtitel festgelegten Zahlungsfrist oder innerhalb von 30 Tagen ab dem Tag der Übermittlung dieses Titels fällig.

(2)      Kommt der Schuldner seinen Verpflichtungen aus dem Schuldtitel nicht fristgerecht nach, hat er Zinsen zu zahlen, die ab dem ersten Tag nach Ablauf der gemäß Abs. 1 festgelegten Zahlungsfrist bis zum Tag der Tilgung der Forderung nach dem auf den noch zu zahlenden Restbetrag des in [rumänischen Lei (RON)] ausgedrückten Betrags der Haushaltsforderung geschuldeten Zinssatzes berechnet werden, sofern in den Vorschriften der Europäischen Union oder des internationalen öffentlichen Geldgebers nichts anderes vorgesehen ist.“

 Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

15.      Am 22. April 2015 schlossen das MFE, die Verwaltungsbehörde des sektoriellen operationellen Programms „Förderung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit 2007-2013“ des EFRE, und AA, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung rumänischen Rechts, im Rahmen dieses Programms einen Finanzierungsvertrag (im Folgenden: Finanzierungsvertrag) für die Durchführung des Projekts „Erwerb von Ausstattung zur Steigerung der Produktionskapazität der Gesellschaft AA“ (im Folgenden: in Rede stehendes Projekt). Nach diesem Vertrag verpflichtete sich das MFE, AA eine nicht rückzahlbare Finanzierung in Höhe von 3 334 257,20 rumänischen Lei (RON) (ca. 753 000 Euro) zur Durchführung des in Rede stehenden Projekts zu gewähren(9).

16.      Um den Kauf von Ausstattungsgegenständen im Rahmen des Projekts zu ermöglichen, nahm AA bei einer Bank ein Darlehen in Höhe des Förderbetrags auf, mit dem die förderfähigen Ausgaben gedeckt werden sollten.

17.      Die Durchführung des Finanzierungsvertrags war Gegenstand zweier Rechtsbehelfe, von denen der erste zum Vorabentscheidungsersuchen geführt hat, das der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegt.

18.      Der erste Rechtsbehelf ergibt sich daraus, dass AA nach Abschluss des in Rede stehenden Projekts einen Antrag auf Erstattung förderfähiger Ausgaben gestellt hatte, der unbeantwortet blieb(10), was zu zusätzlichen Ausgaben im Zusammenhang mit der Verlängerung des Darlehens führte(11). Daher hat AA am 18. April 2016 bei der Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj, Rumänien), dem vorlegenden Gericht, einen Rechtsbehelf eingelegt und beantragt, das MFE zu verurteilen, erstens eine Entscheidung zu erlassen, mit der der Antrag auf Erstattung genehmigt wird, zweitens die förderfähigen Ausgaben in Höhe der nicht rückzahlbaren Finanzhilfe nach dem Finanzierungsvertrag zu erstatten, drittens auf diesen Betrag ab dem Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsbehelfs gesetzliche Zinsen zu zahlen und viertens, hilfsweise, Schadensersatz für den erlittenen materiellen Schaden zu leisten.

19.      Der zweite Rechtsbehelf ergibt sich daraus, dass das MFE in der Zwischenzeit, nämlich am 29. August 2016, den Finanzierungsvertrag aufgrund bestimmter Unregelmäßigkeiten gekündigt hatte(12). Daher hat AA am 27. April 2017 bei der Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj) einen Rechtsbehelf gegen das MFE eingelegt, dieses Mal auf Aufhebung der Kündigung des Finanzierungsvertrags. Mit einem am 10. März 2021(13) rechtskräftig gewordenen Urteil gab dieses Gericht dem Rechtsbehelf mit der Begründung statt, dass ungeachtet einiger Unregelmäßigkeiten, die AA bei der Durchführung des Finanzierungsvertrags begangen habe, die Kündigung des Vertrags angesichts der geringen Bedeutung der Nichterfüllung unverhältnismäßig sei. Denn das genannte Gericht war der Ansicht, dass das MFE weniger drastische Maßnahmen, nämlich finanzielle Berichtigungen, hätte anwenden können(14).

20.      Infolge dieses Urteils und der nachfolgenden Zahlung des Betrags der förderfähigen Ausgaben durch das MFE(15) sind beim vorlegenden Gericht im Rahmen des ersten Rechtsbehelfs ausschließlich die Anträge anhängig, die zum einen die Zahlung von Verzugszinsen auf den vom MFE in Durchführung des genannten Urteils gezahlten Betrag und zum anderen die Zahlung von Schadensersatz für materiellen Schaden(16) betrafen.

21.      Diesbezüglich fragt sich das Gericht im Einzelnen, ob das Unionsrecht und insbesondere der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung und der Schutz der finanziellen Interessen der Union dem entgegenstehen, dass das nationale Recht zulasten des EFRE und zugunsten des Begünstigten eines Finanzierungsvertrags die Zahlung von Verzugszinsen auf förderfähige Ausgaben vorsieht, die von der Verwaltungsbehörde nach der Aufhebung der Kündigung des fraglichen Finanzierungsvertrags verspätet erstattet wurden, und zwar für den Zeitraum, in dem diese später gerichtlich aufgehobene Kündigung wirksam war.

22.      Da es weder im Unionsrecht noch im nationalen Recht spezielle Bestimmungen gebe und die nationale Rechtsprechung in diesem Bereich widersprüchlich sei, hat das vorlegende Gericht festgestellt, dass es Sache des nationalen Rechts sei, die für die Zinsen geltenden Modalitäten und Bedingungen im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie zu regeln(17). Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob in einem solchen Fall die Zahlung von Verzugszinsen in Anwendung der nationalen Vorschriften nach dem Äquivalenzgrundsatz mit dem Schutz der finanziellen Interessen der Union und insbesondere mit dem Grundsatz der wirtschaftlichen Haushaltsführung vereinbar sei oder ob dieser Grundsatz ihm nicht vielmehr gebiete, die Vorschriften des nationalen Rechts analog anzuwenden, die den Entzug des finanziellen Vorteils im Fall von Unregelmäßigkeiten regeln und keine Zinszahlung vorsehen(18). Zudem fragt sich das vorlegende Gericht, ob ein nationales Gericht die Höhe der gegebenenfalls geschuldeten Verzugszinsen begrenzen kann, um Unregelmäßigkeiten auf Seiten des Begünstigten bei der Durchführung des Finanzierungsvertrags zu berücksichtigen, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Behörde insoweit keine finanzielle Berichtigung vorgenommen hat.

23.      Vor diesem Hintergrund hat die Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof vier Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, von denen ausschließlich die folgenden drei Gegenstand der vorliegenden Schlussanträge sind:

1.      Ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung dahin auszulegen, dass er in Verbindung mit dem Äquivalenzgrundsatz dem entgegensteht, dass eine juristische Person, die ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betreibt und Begünstigte eines nicht rückzahlbaren EFRE‑Zuschusses ist, von der Behörde eines Mitgliedstaats Verzugszinsen (Strafzinsen) aufgrund der verspäteten Zahlung der förderfähigen Ausgaben für einen Zeitraum erhalten kann, in dem ein Verwaltungsakt wirksam war, der die Erstattung ausschloss und der später durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben worden ist?

2.      Falls die erste Frage verneint wird: Ist das mit dieser gerichtlichen Entscheidung festgestellte Verschulden des Zuschussbegünstigten unter Berücksichtigung des Umstands, dass die für die Verwaltung von Unionsmitteln zuständige Behörde letztlich nach Erlass der genannten Entscheidung sämtliche Ausgaben für förderfähig erklärt hat, für die Quantifizierung der Höhe der Verzugszinsen relevant?

3.      Ist bei der Auslegung des Äquivalenzgrundsatzes im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem dem Begünstigten des nicht rückzahlbaren EFRE‑Zuschusses Verzugszinsen zuerkannt werden, eine nationale Rechtsvorschrift relevant, die vorsieht, dass im Fall der Feststellung von Unregelmäßigkeiten die einzige Konsequenz darin besteht, dass der betreffende finanzielle Vorteil nicht gewährt oder gegebenenfalls entzogen wird (Erstattung der nicht geschuldeten Beträge) in der Höhe, in der er gewährt wurde, ohne Verzinsung, obwohl dem Begünstigten dieser Vorteil bis zum Zeitpunkt der Erstattung zugutegekommen ist, und dass nur dann, wenn diese Erstattung nicht innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist von 30 Tagen ab Zustellung des Schuldtitels erfolgt, Art. 42 Abs. 1 und 2 der OUG Nr. 66/2011 es ermöglicht, nach Ablauf der genannten Frist Zinsen zu erhalten?(19)

24.      Das MFE, die rumänische und die portugiesische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht.

 Würdigung

25.      Mit seinen ersten drei Vorlagefragen, die Gegenstand der vorliegenden, eingegrenzten Schlussanträge sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob AA im vorliegenden Fall Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen hat (erste und dritte Frage) und ob die Höhe dieser Zinsen als Folge der von dieser Gesellschaft begangenen Unregelmäßigkeiten begrenzt werden kann (zweite Frage).

26.      Ich werde daher zunächst die erste und die dritte Vorlagefrage gemeinsam prüfen und anschließend die zweite Vorlagefrage.

 Zur ersten und zur dritten Frage

27.      Mit der ersten und der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob nach den Grundsätzen der Union, insbesondere den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung und der Äquivalenz, eine juristische Person einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen für die verspätete Zahlung förderfähiger Ausgaben aus Unionsmitteln für den Zeitraum hat, in dem ein Verwaltungsakt in Kraft war, der diesen Vorteil entzogen hat und der später vom zuständigen nationalen Gericht aufgehoben worden ist.

28.      Da weder im Unionsrecht noch im nationalen Recht ausdrückliche Bestimmungen dazu bestehen, zieht das vorlegende Gericht zwei mögliche Lösungen in Betracht:

–        Zum einen (erste Vorlagefrage) könnte die Zahlung von Verzugszinsen in Anwendung der allgemeinrechtlichen Bestimmungen(20) gerechtfertigt sein, sofern diese Bestimmungen mit den Grundsätzen des Schutzes der finanziellen Interessen der Union und der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung vereinbar sind;

–        zum anderen (dritte Vorlagefrage) könnte die Zahlung dieser Zinsen durch die entsprechende Anwendung der besonderen Vorschriften des nationalen Rechts ausgeschlossen sein, die den Entzug des finanziellen Vorteils im Fall von Unregelmäßigkeiten regeln(21) und die Zahlung von Verzugszinsen erst nach Ablauf der Frist für die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beträge vorsehen(22).

29.      In diesem Zusammenhang weist das MFE darauf hin, dass der Äquivalenzgrundsatz im vorliegenden Fall die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen im Wesentlichen deshalb nicht begründen könne, weil sich die Parteien in einer ungleichen Stellung befänden(23), zumal AA ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sei(24), und dass auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung eine solche Verpflichtung nicht rechtfertigen könne, die erheblichen Schaden für den Haushalt des betreffenden Mitgliedstaats zugunsten der Empfänger der Mittel verursachen würde, ohne dass es dafür eine vertragliche oder gesetzliche Grundlage gebe. Das MFE tritt daher für die Anwendung der Bestimmung des nationalen Rechts ein, die den Entzug des finanziellen Vorteils im Fall von Unregelmäßigkeiten regelt(25). Dementsprechend halten die rumänische und die portugiesische Regierung im vorliegenden Fall die Gewährung von Verzugszinsen im Einklang mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung(26) sowie dem Äquivalenzgrundsatz für nicht gerechtfertigt, da es keine nationalen Bestimmungen gebe, die ähnliche Situationen regelten(27), und betonen, dass die Mitgliedstaaten in einer solchen Situation über einen erheblichen Ermessensspielraum verfügten.

30.      Die Kommission ist der Auffassung, dass es in Ermangelung besonderer Vorschriften(28) der Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats obliege, diese Frage nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie unter Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu regeln, da die Zahlung dieser Zinsen nicht gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung verstoße(29). Was insbesondere die Anwendung des Äquivalenzgrundsatzes betrifft, vertritt die Kommission die Ansicht, dass es Sache des vorlegenden Gerichts sei, im nationalen Recht die entsprechenden Verfahren zu ermitteln, und sie trägt vor, dass die Vorschrift des nationalen Rechts, die den Entzug des finanziellen Vorteils im Fall von Unregelmäßigkeiten regele(30), in diesem Zusammenhang nicht einschlägig sei, da es sich um eine Art von Rechtsbehelfen handele, die auch auf das Unionsrecht gestützt sei.

31.      Vorab weise ich darauf hin, dass die Ausführung des Haushaltsplans der Union nach der Verordnung Nr. 1083/2006(31) einer geteilten Mittelverwaltung unterliegt, in deren Rahmen einerseits die Kommission insbesondere für die Planung und Genehmigung der Programme zuständig ist und andererseits die Mitgliedstaaten über ihre Verwaltungsbehörden für die Verwaltung und Durchführung der operationellen Programme verantwortlich sind(32), insbesondere gegenüber den Begünstigten, die das Recht haben, den Gesamtbetrag der öffentlichen Beteiligung so bald wie möglich und vollständig zu erhalten(33). Der betreffende Mitgliedstaat ist daher für die Verwaltung und Kontrolle des operationellen Programms und insbesondere für die Verhinderung, Aufdeckung und Berichtigung von Unregelmäßigkeiten sowie für die Wiedereinziehung rechtsgrundlos gezahlter Beträge, gegebenenfalls zuzüglich Verzugszinsen, verantwortlich(34).

32.      Insbesondere ist die Verwaltungsbehörde verantwortlich dafür, dass das operationelle Programm im Einklang mit dem Grundsatz der wirtschaftlichen Haushaltsführung verwaltet und durchgeführt wird(35). Gemäß diesem Grundsatz muss die Ausführung des Haushaltsplans nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit(36) erfolgen, was bedeutet, dass die Mitgliedstaaten die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds im Einklang mit den Grundsätzen und rechtlichen Anforderungen verwenden, die der sektorbezogenen Regelung des Unionsrechts zugrunde liegen(37).

33.      Allerdings enthalten die sektorbezogenen Regelungen der Union, ausgelegt im Licht des Grundsatzes der wirtschaftlichen Haushaltsführung, keinen Grundsatz, der vorsieht, dass auf verspätete Erstattungen oder Wiedereinziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den Begünstigten zusätzlich zur Erstattung oder Wiedereinziehung des zu Unrecht gezahlten Betrags Verzugszinsen gezahlt werden müssen bzw. nicht gezahlt werden müssen(38). Diese Regelungen und der Grundsatz der wirtschaftlichen Haushaltsführung übertragen den Mitgliedstaaten lediglich die Befugnis, auf die nach nationalem Recht zurückgeforderten Beträge Zinsen zu verlangen, ohne die Art dieser Zinsen oder die Modalitäten ihrer Geltendmachung zu definieren(39).

34.      Unter solchen Umständen ist es nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, die verfahrensrechtlichen Modalitäten der Rechtsbehelfe, die zum Schutz der Rechte der Bürger bestimmt sind, festzulegen, vorausgesetzt allerdings, dass sie nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)(40).

35.      Soweit es erstens um den Äquivalenzgrundsatz geht, steht im vorliegenden Fall das Unionsrecht meines Erachtens dem nicht entgegen, dass das vorlegende Gericht eine der beiden in Nr. 28 der vorliegenden Schlussanträge erörterten Lösungen wählt, wobei es seine Sache ist, zu prüfen, welche Vorschrift nach nationalem Recht auf einen vergleichbaren Sachverhalt anzuwenden wäre. Insbesondere hat das vorlegende Gericht in diesem Zusammenhang zu beurteilen, ob die von ihm in seiner dritten Vorlagefrage angesprochene Regel des nationalen Rechts(41) relevant ist, wonach nur dann Zinsen geschuldet werden, wenn die Erstattung eines ungerechtfertigten finanziellen Vorteils nicht innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen Frist erfolgt.

36.      Dies vorausgeschickt und unbeschadet der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen stelle ich fest, dass Verzugszinsen im Recht der Mitgliedstaaten normalerweise dazu dienen, eine Verzögerung bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit zu entschädigen, ohne aber eine „kompensatorische“ Funktion im eigentlichen Sinn zu haben(42), und normalerweise auf eine Mahnung des Schuldners durch den Gläubiger folgen(43). Es gibt jedoch Fallkonstellationen, in denen Verzugszinsen auch dann anfallen, wenn kein echter Zahlungsverzug vorliegt, und sie im Wesentlichen dazu dienen, bloß die entgangene Nutzung des unrechtmäßig gezahlten Betrags auszugleichen(44).

37.      Soweit es zweitens um den Effektivitätsgrundsatz geht, bin ich angesichts eines fehlenden gemeinsamen Ansatzes im Unionsrecht sowie in der Rechtsprechung der Union und der Mitgliedstaaten der Auffassung, dass die Zahlung von Verzugszinsen durch die Verwaltungsbehörde im Fall einer verspäteten Erstattung förderfähiger Ausgaben aus Unionsfonds, obwohl sie im Unionsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen ist, die Ziele der anwendbaren Vorschriften grundsätzlich nicht behindern und nicht gegen die Grundsätze und rechtlichen Anforderungen verstoßen würde, die den sektorbezogenen Regelungen der Union zugrunde liegen, insbesondere nicht gegen den Grundsatz der wirtschaftlichen Haushaltsführung(45).

38.      Außerdem könnte die Gewährung von Verzugszinsen im vorliegenden Fall die finanziellen Interessen der Union nicht beeinträchtigen, da solche Ausgaben nicht für eine Erstattung durch die Kommission an den Mitgliedstaat in Betracht kommen(46).

39.      Nach alledem schlage ich vor, auf die erste und die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung in Verbindung mit dem Äquivalenzgrundsatz dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der der Begünstigte eines nicht rückzahlbaren EFRE‑Zuschusses von der Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaats Verzugszinsen aufgrund der verspäteten Zahlung der förderfähigen Ausgaben für einen Zeitraum erhalten kann, in dem ein Verwaltungsakt wirksam war, der die Erstattung ausschloss und der später durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben worden ist, und dass es insoweit Sache des vorlegenden Gerichts ist, im Einklang mit dem Äquivalenzgrundsatz die Relevanz einer Vorschrift des nationalen Rechts wie derjenigen zu prüfen, nach der nur dann Zinsen geschuldet werden, wenn die Erstattung eines ungerechtfertigten finanziellen Vorteils nicht innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen Frist erfolgt.

 Zur zweiten Frage

40.      Mit der zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Höhe der Verzugszinsen aufgrund von durch den Begünstigten bei der Durchführung des Finanzierungsvertrags begangenen Unregelmäßigkeiten begrenzt werden kann, wenn die zuständige Behörde in dieser Hinsicht keine finanziellen Berichtigungen vorgenommen hat.

41.      Das MFE und die rumänische Regierung machen im Wesentlichen geltend, dass die Zahlung von Verzugszinsen zumindest teilweise ausgeschlossen sei, da in der gerichtlichen Entscheidung, mit der die Kündigung des Finanzierungsvertrags aufgehoben worden sei, auch Unregelmäßigkeiten durch AA bei der Durchführung des Finanzierungsvertrags festgestellt worden seien. Nach Ansicht der Kommission hat das nationale Gericht festzustellen, ob diese Unregelmäßigkeiten im Einklang mit dem für ähnliche nationale Rechtsstreitigkeiten geltenden innerstaatlichen Recht unter Wahrung der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Höhe der Verzugszinsen berücksichtigt werden können.

42.      Da auf den vorliegenden Fall keine unionsrechtlichen Regeln anwendbar sind, ist es meines Erachtens auch hier Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie unter Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität die verfahrensrechtlichen Modalitäten der zum Schutz der Rechte der Einzelnen bestimmten gerichtlichen Rechtsbehelfe festzulegen(47). Zudem muss das im Ausgangsverfahren fragliche Verfahren über die Gewährung von Finanzierungen aus dem Unionshaushalt in Anbetracht dessen, dass es eine Maßnahme zur Durchführung des Unionsrechts darstellt, mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts im Einklang stehen, zu denen insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört(48).

43.      Daher ist zunächst festzustellen, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, im Einklang mit dem Äquivalenzgrundsatz zu beurteilen, ob vom Begünstigten begangene Unregelmäßigkeiten im Rahmen ähnlicher nationaler Rechtsstreitigkeiten zu berücksichtigen sind und ob die im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

44.      Ohne in die dem vorlegenden Gericht obliegende Beurteilung eingreifen zu wollen, bin ich insoweit der Ansicht, dass unterschieden werden sollte zwischen einerseits der Frage, ob angesichts von Verstößen des Begünstigten gegen vertragliche Verpflichtungen finanzielle Berichtigungen vorgenommen werden dürfen, was anhand der Unions- und der nationalen Rechtsvorschriften über die Gewährung von Unionsmitteln zu beurteilen ist, und andererseits der Frage, ob Verzugszinsen für die verspätete Gewährung der Mittel zu zahlen sind, was anhand der nationalen Vorschriften zu beurteilen ist, die die Zahlung von Verzugszinsen in ähnlichen Situationen regeln. Das vorlegende Gericht hat daher zu prüfen, inwieweit das nationale Recht es ihm erlaubt, bei der Durchführung des Projekts begangene Unregelmäßigkeiten zu berücksichtigen und damit die Ablehnung oder Kürzung allein der Verzugszinsen zu rechtfertigen(49).

45.      Hinsichtlich des Grundsatzes der Effektivität ist sodann zu beachten, dass es in der Verantwortung des betreffenden Mitgliedstaats liegt, die Einhaltung der Unionsvorschriften zu berücksichtigen und daher mögliche Unregelmäßigkeiten aufzudecken und zu beseitigen, indem der öffentliche Beitrag für das operationelle Programm ganz oder teilweise gestrichen wird, wobei die Art und der Schweregrad der Unregelmäßigkeiten sowie der dem Fonds entstandene finanzielle Verlust zu berücksichtigen sind(50).

46.      Im vorliegenden Fall hat das MFE die vollständige Erstattung der förderfähigen Ausgaben vorgenommen, ohne Berichtigungen vorzunehmen(51). Unter diesen besonderen Umständen ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob und inwieweit das nationale Recht es ihm erlaubt, im Rahmen des den Antrag auf Verzugszinsen betreffenden Ausgangsverfahrens die im Urteil betreffend den zweiten Rechtsbehelf festgestellten Unregelmäßigkeiten gegebenenfalls von Amts wegen(52) zu berücksichtigen, wobei auch dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass die Erstattung durch das MFE in Durchführung des rechtskräftigen Urteils betreffend den zweiten Rechtsbehelf erfolgte(53). Denn es ist unklar, ob und in welchem Umfang die nationale Behörde die Möglichkeit hatte, bei der Erstattung des Betrags der förderfähigen Ausgaben finanzielle Berichtigungen vorzunehmen, nachdem sie zunächst erfolglos eine striktere Maßnahme, nämlich die Kündigung des Finanzierungsvertrags, angeordnet hatte(54). Daher steht das Unionsrecht dem nicht entgegen, dass das vorlegende Gericht, soweit das nationale Recht dies zulässt, die Höhe der gegebenenfalls geschuldeten Verzugszinsen aufgrund der festgestellten Unregelmäßigkeiten in Frage stellt. Andernfalls würden diese Unregelmäßigkeiten für den Empfänger folgenlos bleiben.

47.      Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist schließlich festzustellen, dass es in Ermangelung von Angaben in den dem Gerichtshof vorgelegten Akten zu den Unregelmäßigkeiten, die AA bei der Durchführung des Finanzierungsvertrags möglicherweise anzulasten sind, Sache des vorlegenden Gerichts ist, nachdem seine Zuständigkeit nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen bejaht wurde, zu beurteilen, ob im vorliegenden Fall möglicherweise vorliegende Unregelmäßigkeiten die Streichung oder Kürzung etwaiger Zinsen rechtfertigen, wobei zu berücksichtigen ist, dass bei einer Auswahl zwischen mehreren gleichermaßen geeigneten Maßnahmen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die am wenigsten belastende zu wählen ist(55).

48.      Unter diesen Umständen schlage ich vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass es dann, wenn der Begünstigte eines nicht rückzahlbaren EFRE‑Zuschusses von der Behörde eines Mitgliedstaats Verzugszinsen für die verspätete Zahlung förderfähiger Ausgaben für einen Zeitraum erhalten kann, in dem ein Verwaltungsakt wirksam war, der die Erstattung ausschloss und der später durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben worden ist, Sache des nationalen Gerichts ist, im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie festzustellen, ob vom Begünstigten der Finanzierung begangene Unregelmäßigkeiten bei der Berechnung der Höhe der Verzugszinsen im Einklang mit dem für ähnliche innerstaatliche Rechtsstreitigkeiten geltenden nationalen Recht berücksichtigt werden können, vorbehaltlich der Wahrung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität sowie der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

 Ergebnis

49.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste, die zweite und die dritte von der Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj, Rumänien) zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

1.      Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung in Verbindung mit dem Grundsatz der Äquivalenz ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der der Begünstigte eines nicht rückzahlbaren Zuschusses des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) von der Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaats Verzugszinsen aufgrund der verspäteten Zahlung der förderfähigen Ausgaben für einen Zeitraum erhalten kann, in dem ein Verwaltungsakt wirksam war, der die Erstattung dieser Ausgaben ausschloss und der später durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben worden ist, und dass es insoweit Sache des vorlegenden Gerichts ist, im Einklang mit dem Äquivalenzgrundsatz die Relevanz einer Vorschrift des nationalen Rechts wie derjenigen zu prüfen, nach der nur dann Zinsen geschuldet werden, wenn die Erstattung eines ungerechtfertigten finanziellen Vorteils nicht innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen Frist erfolgt.

2.      Wenn der Begünstigte eines nicht rückzahlbaren EFRE‑Zuschusses von der Behörde eines Mitgliedstaats Verzugszinsen für die verspätete Zahlung förderfähiger Ausgaben für einen Zeitraum erhalten kann, in dem ein Verwaltungsakt wirksam war, der die Erstattung ausschloss und der später durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben worden ist, ist es Sache des nationalen Gerichts, im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie festzustellen, ob vom Begünstigten der Finanzierung begangene Unregelmäßigkeiten bei der Berechnung der Höhe der Verzugszinsen gemäß dem für ähnliche innerstaatliche Rechtsstreitigkeiten geltenden nationalen Recht berücksichtigt werden können, vorbehaltlich der Wahrung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität sowie der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Verordnung des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 (ABl. 2006, L 210, S. 25) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 423/2012 des Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 (Abl. 2012, L 133, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1083/2006).


3      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1783/1999 (ABl. 2006, L 210, S. 1).


4      Verordnung des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2002, L 248, S. 1).


5      Legea nr. 554/2004 a contenciosului administrativ (Gesetz Nr. 554/2004 über Verwaltungsrechtsstreitigkeiten) vom 2. Dezember 2004 (Monitorul Oficial al României, Nr. 1154 vom 7. Dezember 2004, im Folgenden: Gesetz Nr. 554/2004).


6      Legea nr. 287/2009 privind Codul civil al României (Gesetz Nr. 287/2009 über das rumänische Zivilgesetzbuch) vom 17. Juli 2009 (neu bekannt gemacht im Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 505 vom 15. Juli 2011, im Folgenden: Zivilgesetzbuch).


7      Ordonanța Guvernului nr. 13 privind dobânda legală remuneratorie și penalizatoare pentru obligații bănești, precum și pentru reglementarea unor măsuri financiar fiscale în domeniul bancar (Regierungsverordnung Nr. 13 über gesetzliche Vergütungs- und Strafzinsen für Zahlungsverpflichtungen und zur Regelung von Finanz- und Steuermaßnahmen im Bankensektor), vom 24. August 2011 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 607 vom 29. August 2011, im Folgenden: OG Nr. 13/2011).


8      Ordonanța de urgență a Guvernului nr. 66/2011 privind prevenirea, constatarea și sancționarea neregulilor apărute în obținerea și utilizarea fondurilor europene și/sau a fondurilor publice naționale aferente acestora (Dringlichkeitsverordnung der Regierung Nr. 66/2011 über die Prävention, Feststellung und Sanktionierung von Unregelmäßigkeiten, die bei der Erlangung und der Verwendung von Unionsmitteln und/oder von mit diesen in Zusammenhang stehenden nationalen öffentlichen Mitteln begangen wurden) vom 29. Juni 2011 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 461 vom 30. Juni 2011, im Folgenden: OUG Nr. 66/2011).


9      Darüber hinaus verpflichtete sich AA, dieses Projekt durch einen Beitrag zu den förderfähigen Ausgaben und durch nicht förderfähige Ausgaben mitzufinanzieren.


10      Auf der Grundlage der einschlägigen vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen wurde die Erstattungspflicht des MFE 20 Tage nach Stellung des Erstattungsantrags fällig. Mit Schreiben vom 22. September 2015 beantragte AA die Erstattung der förderfähigen Ausgaben. Dieser Antrag auf Erstattung wurde durch Schreiben vom 2. und 22. Oktober 2015 ergänzt, da zum Zeitpunkt des Antrags die Bezahlung für einige der gekauften Ausstattungsgegenstände noch nicht vollständig erfolgt war.


11      Dieses Darlehen sollte mittels der vom MFE gewährten Finanzierung zurückgezahlt werden.


12      Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass AA die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Ausschreibung oder der Auftragsbekanntmachung nicht eingehalten hat, sowie aufgrund anderer Unregelmäßigkeiten bei der Umsetzung des Finanzierungsvertrags.


13      An diesem Tag wurde das Rechtsmittel von der Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) zurückgewiesen.


14      Das nationale Gericht stellte insbesondere fest, dass zwar AA die Bestimmungen des Finanzierungsvertrags über die Veröffentlichung der Ausschreibung oder die Auftragsbekanntmachung hinsichtlich der Ausstattungsgegenstände nicht eingehalten habe, gleichwohl die Käufe gemäß dem in einem Erlass des MFE vorgesehenen Verfahren getätigt worden seien, Vermerke über die Ermittlung der geschätzten Beträge erstellt worden seien und die Bedingungen, auf denen die Wahl des Verfahrens beruhte, festgelegt worden seien.


15      In diesem Zusammenhang zahlte das MFE, ungeachtet der Unregelmäßigkeiten, die die Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj) in ihrem Urteil festgestellt hatte, den vollständigen Betrag aus, ohne eine finanzielle Berichtigung vorzunehmen.


16      Im vorliegenden Fall soll der Schaden aus den zusätzlichen Kosten in Höhe von 28 983,65 RON (ca. 6 500 Euro) für Zinsen und Gebühren bestehen, die durch die Verlängerung des Darlehensvertrags entstanden seien.


17      Das vorlegende Gericht führt außerdem aus, dass die Mitgliedstaaten bei der Regelung von Kontrollmaßnahmen zum Schutz der finanziellen Interessen der Union über einen Ermessensspielraum verfügen.


18      Im vorliegenden Fall soll es sich um Art. 42 der OUG Nr. 66/2011 handeln, wonach der Schuldner dann, wenn er nicht innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist von 30 Tagen seinen Verpflichtungen zur Rückzahlung der ihm unrechtmäßig gezahlten Beträge nachkomme, Verzugszinsen erst ab dem ersten Tag nach Ablauf dieser Frist zu zahlen hat.


19      Das vorlegende Gericht möchte außerdem in einer vierten Vorlagefrage wissen, ob ein Finanzierungsvertrag wie der des Ausgangsverfahrens in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. 2011, L 48, S. 1) fällt, soweit es um die Festlegung des für den Zahlungsverzug geltenden Zinssatzes geht.


20      Dabei handelt es sich nach Ansicht des vorlegenden Gerichts um Art. 1535 des Zivilgesetzbuchs und die Art. 1 und 3 der OG Nr. 13/2011, da es Art. 28 des Gesetzes Nr. 554/2004 zulasse, die Bestimmungen dieses Gesetzes durch die im Zivilgesetzbuch vorgesehenen allgemeinrechtlichen Bestimmungen zu ergänzen. Ich merke jedoch an, dass die letztgenannte Bestimmung, wie sie in der Vorlageentscheidung wiedergegeben ist, auf die Zivilprozessordnung verweist.


21      Nach Angaben des vorlegenden Gerichts ist dies Art. 42 der OUG Nr. 66/2011.


22      Das vorlegende Gericht weist zudem darauf hin, dass die nationale Rechtsprechung in dieser Hinsicht uneinheitlich sei. Denn einige Gerichte hätten Verzugszinsen in Anwendung der Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Äquivalenz gewährt, während andere sie mit der Begründung verwehrt hätten, dass sie im nationalen Recht nicht ausdrücklich vorgesehen seien.


23      Nach Auffassung des MFE profitiere der Empfänger der Mittel von der unentgeltlichen Gewährung von Beträgen aus dem Unionshaushalt, ohne dass er zur Erstattung verpflichtet sei, sondern lediglich zur Durchführung des Projekts gemäß dem Finanzierungsvertrag, während die Verwaltungsbehörde keinerlei Vermögensvorteile aus der gewährten Unterstützung ziehe.


24      Demgegenüber beruft sich das MFE auf seinen guten Glauben und macht geltend, es habe der Erstattungsforderung unmittelbar nach Verkündung des rechtskräftigen Gerichtsurteils, mit dem die Kündigung des Finanzierungsvertrags aufgehoben worden sei, entsprochen.


25      Nämlich Art. 42 der OUG Nr. 66/2011. Insbesondere könnte nach Ansicht des MFE die Einhaltung des Äquivalenzgrundsatzes nur dadurch gewährleistet werden, dass gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber die gleiche Regel für Strafzinsen angewandt werde wie für Strafzinsen zulasten des Empfängers der Finanzierung.


26      Die rumänische Regierung hebt hervor, dass ein solcher Fall nicht unter das Unionsrecht falle, da eine mögliche Zinszahlung aus dem Haushalt des Mitgliedstaats finanziert werde.


27      Die rumänische Regierung verweist zudem auf Art. 42 der OUG Nr. 66/2011, während die portugiesische Regierung die negativen Auswirkungen einer möglichen Gewährung von Verzugszinsen auf die heikle Aufgabe der Kontrolle durch die nationalen Behörden hervorhebt.


28      Sie stellt insbesondere klar, dass Art. 70 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1083/2006 den Mitgliedstaaten lediglich die Befugnis übertrage, Zinsen auf die nach nationalem Recht zurückgeforderten Beträge zu verlangen, ohne die Art und die Modalitäten der Geltendmachung dieser Zinsen zu definieren.


29      Die Kommission führt aus, dass in einem solchen Fall die finanziellen Interessen der Union nicht beeinträchtigt würden, da solche Ausgaben nach Art. 7 der Verordnung Nr. 1080/2006 und Art. 56 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 nicht für eine Erstattung durch die Kommission an den Mitgliedstaat in Betracht kämen.


30      Nämlich Art. 42 der OUG Nr. 66/2011.


31      Zur Klarstellung weise ich darauf hin, dass die Verordnung Nr. 1083/2006 zwar mit Wirkung zum 1. Januar 2014 durch Art. 153 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 320) aufgehoben wurde, die Verordnung Nr. 1303/2013 aber gemäß ihres Art. 152 eine von der Kommission auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1083/2006 genehmigte Unterstützung nicht berührt.


32      Vgl. Art. 14 der Verordnung Nr. 1083/2006.


33      Vgl. Art. 80 der Verordnung Nr. 1083/2006.


34      Vgl. Art. 70 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1083/2006.


35      Vgl. Art. 60 der Verordnung Nr. 1083/2006. Dieser Grundsatz wird auch in allgemeinerer Form in Art. 317 AEUV erwähnt, der vorsieht, dass bei der Ausführung des Haushaltsplans der Union „die Mitgliedstaaten … mit der Kommission zusammen[arbeiten], um sicherzustellen, dass die Mittel nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung verwendet werden“.


36      Vgl. insbesondere die Definition in Art. 30 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1), sowie in Art. 2 Abs. 59 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1).


37      Urteil vom 14. April 2021, Rumänien/Kommission (T‑543/19, EU:T:2021:193, Rn. 50), im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil vom 14. Juli 2022, Rumänien/Kommission (C‑401/21 P, EU:C:2022:564).


38      In anderen Bereichen des Unionsrechts ist das anders. Beispielsweise sieht Art. 232 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 (ABl. 2006, L 363, S. 1) geänderten Fassung Säumniszinsen für Zollschulden vor, die die sich aus der Überschreitung der Zahlungsfrist ergebenden Auswirkungen mildern und insbesondere verhindern sollen, dass der Zollschuldner einen ungebührlichen Vorteil daraus zieht, dass ihm die von ihm im Rahmen dieser Schuld zu entrichtenden Beträge über die zu deren Begleichung gesetzte Frist hinaus zur Verfügung stehen (vgl. Urteil vom 31. März 2011, Aurubis Balgaria, C‑546/09, EU:C:2011:199, Rn. 29). Darüber hinaus hat der Gerichtshof im Bereich der Mehrwertsteuer entschieden, dass der Grundsatz der Neutralität des Mehrwertsteuersystems verlangt, dass die finanziellen Verluste, die dem Steuerpflichtigen, wenn ihm der Mehrwertsteuerüberschuss nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet wird, durch die fehlende Verfügbarkeit der fraglichen Geldbeträge entstehen, durch die Zahlung von Verzugszinsen ausgeglichen werden (vgl. Urteil vom 24. Oktober 2013, Rafinăria Steaua Română, C‑431/12, EU:C:2013:686, Rn. 23). Diese Erwägungen könnten zu dem Schluss führen, dass der Unionsgesetzgeber dann, wenn er die Gewährung von Zinsen vorschreiben wollte, dies ausdrücklich getan hat, während er im vorliegenden Fall den Mitgliedstaaten offenbar einen umfassenden Ermessensspielraum gelassen hat.


39      Vgl. insbesondere Art. 70 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1083/2006. In einem ähnlichen Zusammenhang, der den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) betraf, hat der Gerichtshof entschieden, dass in einer Situation, in der das Unionsrecht die Erhebung von Zinsen in diesem Mitgliedstaat nicht vorsieht, es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dass ein Mitgliedstaat nach nationalem Recht Zinsen erhebt, wenn er einen rechtswidrig aus dem Unionshaushalt erlangten Vorteil zurückfordert, selbst wenn diese Zinsen dem Haushalt des Mitgliedstaats zufließen (vgl. Urteil vom 29. März 2012, Pfeifer & Langen, C‑564/10, EU:C:2012:190, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dasselbe gilt, wenn die erhobenen Zinsen, obwohl ihre Erhebung nach dem Unionsrecht nicht vorgeschrieben ist, im Rahmen der aus dem EGFL finanzierten Maßnahmen dem Unionshaushalt zufließen (vgl. Urteil vom 29. März 2012, Pfeifer & Langen, C‑564/10, EU:C:2012:190, Rn. 47).


40      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2017, Aquino (C‑3/16, EU:C:2017:209, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


41      Nämlich Art. 42 der OUG Nr. 66/2011.


42      Ich stelle außerdem fest, dass es AA im vorliegenden Fall immer noch möglich sein muss, nach den anwendbaren nationalen Verfahrensvorschriften das Vorliegen eines durch die verspätete Erstattung verursachten wirtschaftlichen Verlusts zu belegen, was insbesondere den Nachweis dieses Schadens erfordern würde (dies dürfte den Teil des Hauptverfahrens betreffen, der sich auf den Schadensersatz bezieht).


43      Vgl. z. B. im griechischen Recht die Art. 340 und 355 des αστικός κώδικας (Zivilgesetzbuch), im französischen Recht Art. 1344-1 des Code Civil (Zivilgesetzbuch) und im italienischen Recht Art. 1224 des Codice civile (Zivilgesetzbuch). Unter demselben Gesichtspunkt bestimmt im Übrigen insbesondere Art. 99 („Verzugszinsen“) der Verordnung 2018/1046 im Wesentlichen, dass unbeschadet der besonderen Bestimmungen, die aus der Anwendung spezifischer Regelungen resultieren, für jede nicht innerhalb der in der Zahlungsaufforderung angegebenen Frist beglichene Schuld Verzugszinsen zu zahlen sind (diese zur Erläuterung genannte Bestimmung ist jedoch auf den Ausgangsrechtsstreit zeitlich nicht anwendbar).


44      Dazu gehören z. B. Fälle der Rückzahlung einer rechtswidrigen Geldstrafe. Vgl. insbesondere im griechischen Recht Art. 21 des διάταγμα της 26.6/10.7.1944 „περί κώδικος των νόμων περί δικών του Δημοσίου“ (Dekret vom 26. Juni/10. Juli 1944 zur Kodifizierung der Gesetze über öffentliche Verfahren, FEK A' 139) und im italienischen Recht Art. 44 Abs. 1 des Decreto del Presidente della Repubblica n. 602 del 1973 (Dekret Nr. 602 des Staatspräsidenten vom 29. September 1973 mit Bestimmungen über die Erhebung der Einkommensteuer, GURI Nr. 268 vom 16. Oktober 1973). Eine vergleichbare Lösung scheint im französischen Recht in Art. L. 208 der Steuerverfahrensordnung gewählt worden zu sein.


45      Vielmehr könnte die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen in dieser Situation möglicherweise die Ausübung des Rechts der Begünstigten erleichtern, die öffentliche Beteiligung „so bald wie möglich“ und vollständig zu erhalten, sofern die Förderkriterien erfüllt sind (vgl. Art. 80 der Verordnung Nr. 1083/2006).


46      Denn gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 1080/2006 und Art. 56 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 kommen Zinsen nicht für eine Beteiligung des EFRE in Betracht und gelten nicht als Ausgaben, die für von der Verwaltungsbehörde beschlossene Vorhaben getätigt wurden. Darüber hinaus würden die Zinsen im vorliegenden Fall nicht einmal in den zeitlichen Anwendungsbereich der Förderfähigkeit nach Art. 56 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 fallen, wonach solche Ausgaben nur dann förderfähig sind, wenn sie tatsächlich vor dem 31. Dezember 2015 getätigt wurden.


47      Siehe Nr. 34 der vorliegenden Schlussanträge.


48      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Januar 2022, Zinātnes parks (C‑347/20, EU:C:2022:59, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).


49      Das vorlegende Gericht hat in der Vorlageentscheidung nämlich klargestellt, dass der Antrag auf Verurteilung zur Erstattung der förderfähigen Ausgaben im Ausgangsverfahren infolge des im Rahmen des zweiten Rechtsbehelfs ergangenen Urteils und der daraus resultierenden vollständigen Rückzahlung der förderfähigen Ausgaben gegenstandslos geworden sei.


50      Vgl. insbesondere Art. 98 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1083/2006.


51      Siehe Fn. 15 der vorliegenden Schlussanträge.


52      Aus der Vorlageentscheidung geht nicht hervor, ob das vorlegende Gericht beabsichtigt, die Frage der „Verrechnung“ etwaiger Verzugszinsen mit finanziellen Berichtigungen von Amts wegen zu prüfen, oder ob das MFE diesen Einwand erhoben hat. Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren hat das MFE geltend gemacht, dass es zwar sämtliche streitigen Ausgaben für förderfähig erklärt habe, es damit jedoch nicht die Ansprüche von AA rückwirkend anerkannt, sondern lediglich den guten Glauben dieser Gesellschaft bestätigt habe.


53      Das heißt das Urteil, das die Kündigung des Finanzierungsvertrags aufgehoben hat (siehe Nrn. 19 und 20 der vorliegenden Schlussanträge). Daher kann die Anwendung etwaiger finanzieller Berichtigungen die vom MFE vorgenommene Erstattung des vollständigen Betrags der förderfähigen Ausgaben nicht in Frage stellen, da sonst in der Folge die schwierige Frage eines möglichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtskraft aufgeworfen werden könnte. Obwohl diese Frage nicht Gegenstand der vom vorlegenden Gericht gestellten Vorlagefragen ist, weise ich darauf hin, dass angesichts der Bedeutung, die dem Grundsatz der Rechtskraft sowohl im Unionsrecht als auch in den nationalen Rechtsordnungen zukommt, das Unionsrecht es einem nationalen Gericht nicht gebietet, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Entscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, selbst wenn dadurch einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Situation abgeholfen werden könnte, es sei denn, die anwendbaren innerstaatlichen Verfahrensvorschriften enthalten unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit für das nationale Gericht, eine rechtskräftig gewordene Entscheidung rückgängig zu machen, um die Situation mit dem nationalen Recht in Einklang zu bringen; in diesem Fall muss, sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, nach den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, damit die Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation mit dem Unionsrecht wiederhergestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2023, Right to Know, C‑84/22, EU:C:2023:910, Rn. 62, 63 und 78 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


54      Deshalb hatte sie keine Gelegenheit zur Ausübung ihrer Befugnis einer möglichen Kürzung des Hauptbetrags aufgrund der festgestellten Unregelmäßigkeiten.


55      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Februar 2022, Agenzia delle dogane e dei monopoli und Ministero dell'Economia e delle Finanze (C‑452/20, EU:C:2022:111, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).