Language of document : ECLI:EU:C:2016:950

Rechtssache C378/15

Mercedes Benz Italia SpA

gegen

Agenzia delle Entrate Direzione Provinciale Roma 3

(Vorabentscheidungsersuchen der Commissione tributaria regionale di Roma)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerrecht – Mehrwertsteuer – Richtlinie 77/388/EWG – Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d – Geltungsbereich – Anwendung eines Pro-rata-Vorsteuerabzugssatzes bei der Mehrwertsteuer auf den Erwerb der Gesamtheit der von einem Steuerpflichtigen genutzten Gegenstände und Dienstleistungen – Hilfsumsätze – Verwendung des Umsatzes als Anhaltspunkt“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 14. Dezember 2016

Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug – Gegenstände und Leistungen, die sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht zum Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht – Pro-rata-Abzug – Berechnung – Nationale Regelung und Praxis, die einem Steuerpflichtigen die Anwendung eines umsatzbasierten Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs auf alle von ihm erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen vorschreibt – Bestimmung der als Hilfsumsätze qualifizierbaren Umsätze – Verwendung des Umsatzes als Anhaltspunkt – Zulässigkeit – Voraussetzungen

(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 17 Abs. 5 und Art. 19)

Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d in Verbindung mit Art. 19 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung und Praxis nicht entgegenstehen, wonach ein Steuerpflichtiger auf alle von ihm erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen einen umsatzbasierten Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs anwenden muss, ohne dass eine Berechnungsmethode vorgesehen wäre, die sich auf die Art und die tatsächliche Zweckbestimmung der einzelnen erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen gründet und die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der eingegangenen Aufwendungen den einzelnen besteuerten und nicht besteuerten Tätigkeiten tatsächlich zuzurechnen ist.

Aus Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Richtlinie 77/388 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 sowie mit Art. 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie geht nämlich hervor, dass die Berechnungsmethode für das Recht auf Vorsteuerabzug den Rückgriff auf einen umsatzbasierten Pro-rata-Satz impliziert.

Was ferner eine Verpflichtung, dass ein Steuerpflichtiger auf alle von ihm erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen einen umsatzbasierten Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs anwenden muss, anbelangt, bezieht sich Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie, auf den in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d dieser Richtlinie ausdrücklich verwiesen wird, sowohl auf Umsätze, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch auf solche, für die dieses Recht nicht besteht. Somit ist die Wendung „die dort genannten Umsätze“ in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d als Bezugnahme auf beide in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie genannten Umsatzarten zu verstehen. Allerdings verwendet Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie anders als deren Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 nicht den Ausdruck „sowohl … als auch“, um auf diese beiden Umsatzarten hinzuweisen. In Ermangelung dieses Details ist Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie so aufzufassen, dass er sich auf alle Gegenstände und Dienstleistungen bezieht, die von dem betreffenden Steuerpflichtigen für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze und für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze genutzt werden, ohne dass es notwendig wäre, dass diese Gegenstände und Dienstleistungen sowohl für die eine als auch für die andere dieser beiden Umsatzarten dienten. Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie so auszulegen, dass er nur in Bezug auf Gegenstände und Dienstleistungen Anwendung findet, die „sowohl“ für Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, „als auch“ für Umsätze, für die ein solches Recht nicht besteht, genutzt werden, würde im Übrigen dazu führen, dieser Bestimmung dieselbe Bedeutung zu geben wie Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 dieser Richtlinie, wovon diese Bestimmung jedoch abweichen soll. Diese Erwägungen werden auch durch eines der mit der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziele bestätigt, das, wie aus ihrem 17. Erwägungsgrund hervorgeht, darin besteht, den Rückgriff auf relativ einfache Anwendungsregeln zu gestatten. Bei Anwendung der in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Berechnungsregel müssen die Steuerpflichtigen nämlich nicht die von ihnen erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen entweder Umsätzen, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, oder Umsätzen, für die dieses Recht nicht besteht, oder aber beiden Umsatzarten zuordnen, und die nationalen Steuerbehörden haben in der Folge nicht zu überprüfen, ob diese Zuordnung ordnungsgemäß erfolgt ist.

Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d und Art. 19 der Sechsten Richtlinie stehen darüber hinaus einer nationalen Regelung und Praxis nicht entgegen, wonach ein Steuerpflichtiger für die Bestimmung der als „Hilfsumsätze“ qualifizierbaren Umsätze auf die Zusammensetzung seines Umsatzes abstellen muss, sofern die hierfür vorgenommene Beurteilung auch das Verhältnis dieser Umsätze zu den steuerbaren Tätigkeiten des Steuerpflichtigen und gegebenenfalls die mit diesen Umsätzen einhergehende Verwendung mehrwertsteuerpflichtiger Gegenstände und Dienstleistungen berücksichtigt.

Selbst wenn die Zusammensetzung des Umsatzes des Steuerpflichtigen ein relevanter Gesichtspunkt für die Feststellung ist, ob bestimmte Umsätze als „Hilfsumsätze“ im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie anzusehen sind, reicht der Umstand allein, dass die Einkünfte aus diesen Umsätzen höher sind als die Einkünfte aus der von dem betreffenden Unternehmen angegebenen Haupttätigkeit, nicht aus, um die Einordnung der fraglichen Umsätze als „Hilfsumsätze“ im Sinne dieser Bestimmung auszuschließen.

(vgl. Rn. 32, 36-38, 40, 43, 44, 47, 49, 50 und Tenor)