Language of document : ECLI:EU:T:2005:296

Rechtssache T-241/01

Scandinavian Airlines System AB

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Wettbewerb – Kartell – Luftfahrt – Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 – Angemeldete Vereinbarungen – Absprache, die über den Rahmen der Anmeldung hinausgeht – Marktaufteilung – Geldbuße – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Schwere der Zuwiderhandlung – Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen – Mildernde Umstände – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“

Leitsätze des Urteils

1.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Leitlinien der Kommission – Bindungswirkung für die Kommission

(Verordnungen des Rates Nr. 17, Artikel 15 Absatz 2, und Nr. 3975/87, Artikel 12 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

2.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Rechtlicher Rahmen – Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3975/87 – Ermessensspielraum der Kommission – Einführung von Leitlinien durch die Kommission – Rechtmäßigkeit

(Verordnungen des Rates Nr. 17, Artikel 15 Absatz 2, und Nr. 3975/87, Artikel 12 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

3.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Beurteilung anhand der Art der Zuwiderhandlung

(Artikel 8 Absatz 1 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

4.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Keine Verpflichtung, nur räumlich sehr ausgedehnte Zuwiderhandlungen als „besonders schwer“ im Sinne der Leitlinien einzustufen – Keine Verpflichtung der Kommission, sich an ihre frühere Entscheidungspraxis zu halten

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

5.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Verpflichtung zur Bestimmung des räumlich relevanten Marktes – Umfang

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nummer 1 Teil A)

6.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Verpflichtung zur Berücksichtigung der konkreten Auswirkungen auf den Markt – Umfang

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

7.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Keine Verpflichtung der Kommission, sich an ihre frühere Entscheidungspraxis zu halten

(Verordnungen des Rates Nr. 17, Artikel 15 Absatz 2, und Nr. 3975/87, Artikel 12 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

8.      Wettbewerb – Geldbußen – Verhängung – Kein Erfordernis eines Vorteils, den das Unternehmen aus der Zuwiderhandlung gezogen hat – Berücksichtigung des unrechtmäßigen Vorteils bei der Berechnung der Geldbuße

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

9.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Einführung von Leitlinien durch die Kommission, die Neuerungen gegenüber ihrer früheren Entscheidungspraxis vorsehen – Anwendung einer Berechnungsmethode, die auf die eigentliche Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung abstellt und eine Anpassung je nach den Umständen der Zuwiderhandlung vorsieht – Rechtmäßigkeit

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

10.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Bei der Berechnung der Geldbuße zu berücksichtigender Umsatz – Ermessen der Kommission unter Beachtung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgesetzten Grenze

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

11.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Nichtfestsetzung oder niedrigere Festsetzung einer Geldbuße als Gegenleistung für die Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens – Erfordernis eines Verhaltens, das die Feststellung der Zuwiderhandlung durch die Kommission erleichtert hat – Bloßer Wille zur Zusammenarbeit nicht ausreichend

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 11 Absätze 4 und 5 und 15; Mitteilung 96/C 207/04 der Kommission)

12.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Ermessen der Kommission – Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung – Gesichtspunkte, die der Gemeinschaftsrichter für eine Herabsetzung der Geldbuße berücksichtigen kann – Verhalten des Unternehmens nach Erlass der Entscheidung – Unerheblich, außer unter ganz besonderen Umständen

(Artikel 229 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 17)

1.      Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3975/87 über die Einzelheiten der Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Luftfahrtunternehmen sieht ebenso wie Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 im Hinblick auf die Bestimmung des Betrages der Geldbuße nur vor, dass Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Diese Vorschrift verleiht der Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen ein weites Ermessen, dessen Ausübung insbesondere von ihrer allgemeinen Politik im Bereich des Wettbewerbs abhängt. In diesem Rahmen hat die Kommission, um die Transparenz und die Objektivität ihrer Geldbußenentscheidungen zu erhöhen, im Jahr 1998 die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, erlassen, mit denen unter Beachtung höherrangigen Rechts die Kriterien präzisiert werden, die sie bei der Ausübung ihres Ermessens anzuwenden gedenkt; daraus ergibt sich eine Selbstbeschränkung dieses Ermessens, da sich die Kommission an die Leitlinien, die sie sich selbst auferlegt hat, halten muss.

(vgl. Randnr. 64)

2.      Die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, halten sich, soweit danach bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen sind, sowohl im Regelungsrahmen des Artikels 12 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3975/87 über die Einzelheiten der Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Luftfahrtunternehmen als auch im Rahmen des Ermessens, über das die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen verfügt.

Außerdem schränken diese Leitlinien das Ermessen, über das die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen verfügt, nicht in übermäßiger und rechtswidriger Weise ein, sondern sind eher als ein Instrument anzusehen, mit dem sich die Unternehmen eine klarere Vorstellung von der Wettbewerbspolitik machen können, die die Kommission verfolgen will, um Transparenz und Objektivität ihrer Geldbußenentscheidungen zu erhöhen.

(vgl. Randnrn. 70, 75)

3.      Auch wenn die Größe des betreffenden räumlichen Marktes und die Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, berücksichtigt werden können, so stellt doch die Art der Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung dar.

Ein besonderes Gewicht haben insoweit nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle, Marktaufteilungsquoten und sonstige Beschränkungen der Funktionsweise des Binnenmarktes, die außerdem in Artikel 81 Absatz 1 Buchstabe c EG unter den Beispielen für Absprachen genannt sind, die ausdrücklich für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt werden. Denn außer der schweren Störung des Wettbewerbs, die sie mit sich bringen, bewirken sie, da sie die Parteien dazu verpflichten, gesonderte, oft durch Staatsgrenzen abgegrenzte Märkte zu respektieren, eine Abschottung dieser Märkte und konterkarieren so das Hauptziel des EG-Vertrags, die Integration des Gemeinschaftsmarktes.

(vgl. Randnrn. 84-85)

4.      Der Umstand, dass die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, als bloße Beispiele für Verstöße, die als „besonders schwer“ qualifiziert werden, nur auf Verstöße Bezug nehmen, die die meisten Mitgliedstaaten betreffen, kann nicht so ausgelegt werden, dass nur Zuwiderhandlungen mit einer derartigen räumlichen Tragweite in dieser Weise qualifiziert werden können. Auch wenn die meisten Entscheidungen oder die Rechtsprechung zu Zuwiderhandlungen, die als „besonders schwer“ eingestuft worden sind, räumlich sehr ausgedehnte Beschränkungen betroffen haben, so gestattet doch nichts die Annahme, dass nur diese als „besonders schwer“ eingestuft werden können. Vielmehr verfügt die Kommission über ein weites Ermessen bei der Bestimmung der Schwere von Zuwiderhandlungen und der Festsetzung der Geldbuße anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten, die nicht aus einer zwingenden oder abschließenden Liste zu berücksichtigender Kriterien hervorgehen. Außerdem bildet ihre Entscheidungspraxis nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen.

(vgl. Randnr. 87)

5.      Wenn die Kommission die Schwere eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln ermittelt und nach Nummer 1 Teil A der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, den räumlichen Umfang des betreffenden Marktes zu berücksichtigen hat, so braucht sie zu diesem Zweck nicht genau zu bestimmen, welches die relevanten Märkte sind, sondern muss nur beurteilen, wie umfangreich das räumliche Gebiet des oder der betroffenen Märkte ist. Außerdem ist die Kommission auch bei der Feststellung einer Zuwiderhandlung nicht zur genauen Bestimmung der relevanten Märkte verpflichtet, wenn die Vereinbarungen eindeutig eine Einschränkung des Wettbewerbs bezwecken.

(vgl. Randnr. 99)

6.      Die Kommission muss nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes dessen konkrete Auswirkungen auf den Markt nur berücksichtigen, wenn diese messbar sind. Handelt es sich um eine allgemeine Vereinbarung, die darauf abzielt, den potenziellen Wettbewerb zu beseitigen, so dass konkrete Auswirkungen naturgemäß schwer messbar sind, so ist die Kommission daher nicht verpflichtet, die konkreten Auswirkungen des Kartells auf den Markt genau aufzuzeigen und zu quantifizieren, sondern kann sich an Wahrscheinlichkeitsschätzungen in Bezug auf solche Auswirkungen halten.

(vgl. Randnr. 122)

7.      Die frühere Entscheidungspraxis der Kommission bildet nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen, da dieser in der Verordnung Nr. 17 oder in entsprechenden branchenspezifischen Verordnungen wie der Verordnung Nr. 3975/87 über die Einzelheiten der Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Luftfahrtunternehmen und in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, geregelt ist. Daher ist die Kommission nicht deshalb, weil sie in der Vergangenheit der Ansicht war, dass bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen als „schwer“ einzustufen seien, daran gehindert, diese in einem späteren Fall als „besonders schwer“ anzusehen, wenn sich das als erforderlich erweist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen.

(vgl. Randnr. 132)

8.      Dass ein Unternehmen aus einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln keinen Vorteil gezogen hat, steht der Verhängung einer Geldbuße nicht entgegen, andernfalls diese ihren abschreckenden Charakter verlieren würde. Folglich braucht die Kommission für die Festsetzung der Geldbußen weder nachzuweisen, dass die Zuwiderhandlung den betreffenden Unternehmen einen unrechtmäßigen Vorteil verschafft hat, noch gegebenenfalls das Fehlen eines aus der fraglichen Zuwiderhandlung gezogenen Vorteils zu berücksichtigen.

Auch wenn gemäß Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, die eine Reihe allgemeiner Bemerkungen enthält, je nach Fall im Hinblick auf die entsprechende Anpassung der vorgesehenen Geldbußen einige objektive Faktoren zu berücksichtigen sind, wie z. B. ein besonderer wirtschaftlicher Zusammenhang und die von den Beteiligten an dem Verstoß eventuell erzielten wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile, so bedeuten diese Angaben jedoch nicht, dass sich die Kommission für die Zukunft verpflichtet hat, unter allen Umständen zur Festsetzung der Geldbuße den mit der festgestellten Zuwiderhandlung zusammenhängenden finanziellen Vorteil zu ermitteln. In ihnen kommt lediglich ihr Wille zum Ausdruck, diesen Faktor stärker zu berücksichtigen und bei der Berechnung der Geldbußen zugrunde zu legen, soweit sie in der Lage war, ihn – sei es auch nur annähernd – zu ermitteln.

(vgl. Randnrn. 146-147)

9.      Die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, haben einen neuen Ansatz für die Festsetzung von Geldbußen eingeführt. Während nämlich die Praxis der Kommission vorher darin bestanden hatte, die Geldbuße im Verhältnis zum Umsatz der betroffenen Unternehmen festzusetzen, beruhen die Leitlinien eher auf dem Pauschalierungsgrundsatz, wobei der Ausgangsbetrag nunmehr je nach der eigentlichen Schwere der Zuwiderhandlung absolut bestimmt, dann je nach der Dauer erhöht und schließlich je nach den erschwerenden oder mildernden Umständen angepasst wird. Bei dieser Methode, die in der Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt worden ist, spielt der Umsatz nur als sekundäres Kriterium für die Änderung der Geldbuße innerhalb der Beträge eine Rolle, die in den Leitlinien für die verschiedenen Gruppen von Verstößen („minder schwer“, „schwer“ und „besonders schwer“) vorgesehen sind.

(vgl. Randnr. 160)

10.    Hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Geldbußen in Wettbewerbssachen betrifft die einzige ausdrückliche Bezugnahme auf den Umsatz in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 die Obergrenze, die eine Geldbuße nicht übersteigen darf, wobei auf den Gesamtumsatz abzustellen ist. Innerhalb dieser Grenze kann die Kommission den Umsatz, den sie hinsichtlich des geografischen Gebietes und der betroffenen Produkte als Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Geldbuße heranziehen will, grundsätzlich frei wählen, ohne dass sie verpflichtet wäre, genau auf den Gesamtumsatz oder den auf dem relevanten räumlichen oder Produktmarkt erzielten Umsatz abzustellen. Außerdem sehen die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, zwar nicht vor, dass die Geldbußen anhand eines bestimmten Umsatzes berechnet werden, sie stehen der Heranziehung eines solchen Umsatzes aber auch nicht entgegen, sofern die von der Kommission getroffene Wahl nicht offensichtlich ermessensfehlerhaft ist.

Daraus folgt, dass die Kommission bei der Bestimmung der Höhe der Geldbuße den Umsatz ihrer Wahl berücksichtigen kann, sofern dieser nach den Umständen des Falles nicht unangemessen erscheint. Ebenso ist sie bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen für den Fall, dass Geldbußen gegen mehrere an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen festgesetzt werden, nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass in den Endbeträgen der Geldbußen alle Unterschiede in Bezug auf den Gesamtumsatz der betreffenden Unternehmen zum Ausdruck kommen.

(vgl. Randnrn. 165-166)

11.    Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen sieht eine niedrigere Festsetzung nur für das Unternehmen vor, das „der Kommission … Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen“, und nicht für Unternehmen, die nur den Willen zur Zusammenarbeit haben oder sich darauf beschränken, mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Folglich hat der bloße Wille eines Unternehmens zur Zusammenarbeit während des vor der Kommission durchgeführten Verwaltungsverfahrens zur Anwendung der Wettbewerbsregeln keine Bedeutung.

Außerdem ist eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund einer Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des fraglichen Unternehmens es der Kommission ermöglicht hat, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung leichter festzustellen und diese gegebenenfalls zu beenden.

Schließlich rechtfertigt eine Mitwirkung an der Untersuchung, die nicht über das hinausgeht, wozu die Unternehmen nach Artikel 11 Absätze 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 oder entsprechenden Bestimmungen der branchenspezifischen Verordnungen verpflichtet sind, keine Herabsetzung der Geldbuße.

(vgl. Randnrn. 212-213, 218)

12.    Die Herabsetzung einer Geldbuße durch den Gemeinschaftsrichter im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nach Artikel 229 EG aufgrund des nach dem Erlass der Entscheidung, mit der die Geldbuße auferlegt wird, gezeigten Verhaltens könnte jedenfalls, sofern sie möglich wäre, vom Gemeinschaftsrichter nur mit großer Vorsicht und unter ganz besonderen Umständen vorgenommen werden. Eine solche Praxis könnte nämlich als ein Anreiz aufgefasst werden, Zuwiderhandlungen zu begehen und dabei auf eine mögliche Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Änderung des Verhaltens des Unternehmens nach Erlass der Entscheidung zu spekulieren.

(vgl. Randnrn. 226, 228)