Language of document : ECLI:EU:T:2021:319

BESCHLUSS DES GERICHTS (Sechste Kammer)

2. Juni 2021(*)

„Nichtigkeitsklage – Unionsmarke – Anmeldung einer Unionsmarke, die aus sich kreuzenden Wellenlinien auf einer Schuhsohle besteht – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EU] 2017/1001) – Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“

In der Rechtssache T‑365/20,

Birkenstock Sales GmbH mit Sitz in Linz am Rhein (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt C. Menebröcker und Rechtsanwältin K. Middelhoff,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Hanne als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 19. März 2020 (Sache R 1706/2019-1) über die Anmeldung eines Zeichens, das aus sich kreuzenden Wellenlinien auf einer Schuhsohle besteht, als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli sowie der Richter S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter) und R. Norkus,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 11. Juni 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 31. August 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des am 23. September 2020 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragenen Antrags der Klägerin auf mündliche Verhandlung

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

 Vorheriges Verfahren zur Anmeldung einer Bildmarke

1        Die Klägerin, die Birkenstock Sales GmbH, ist Rechtsnachfolgerin der Birkenstock Orthopädie GmbH & Co. KG, die am 27. Juni 2012 beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) auf der Basis einer deutschen Marke die internationale Registrierung folgender Bildmarke mit Benennung u. a. der Europäischen Union erwirkte:

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2        Die Schutzerstreckung wurde u. a. für folgende Waren der Klassen 18 und 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 10: „Orthopädische Schuhwaren und solche zur Rehabilitation, zur Fußgymnastik und Therapie sowie sonstigen medizinischen Zwecken und deren Teile, einschließlich orthopädischer Schuhe, auch derartige Schuhe mit Fußbett oder orthopädischen Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen; derartige Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen und deren Teile, auch in der Form starrer thermoplastischer Einlagen; Schuhbauteile und Schuheinbauteile zur orthopädischen Schuhzurichtung, insbesondere Passteile, Keile, Kissen, Einlegesohlen, Innensohlen, Schaumpolster, Schaumpelotten sowie Fußformsohlen, auch in Form von vollplastischen Einlagen mit orthopädischem Fußbett aus Naturkork, Thermokork, Kunststoff, Latex oder geschäumten Kunststoffmaterialien auch aus elastischer Verbundmasse aus Kork, Latex‑Mischungen oder Kunststoff‑Kork‑Mischungen; orthopädische Fuß- und Schuheinlagen; orthopädische Stützen für Füße und Schuhe; orthopädische Schuhwaren, insbesondere orthopädische Sandalen und Slipper; orthopädische Einlegesohlen, Einlagen, auch aus Kunststoff, Latex oder geschäumten Kunststoffmaterialien, auch aus elastischer Verbundmasse aus Kork‑Latex‑Mischungen oder Kunststoff‑Kork‑Mischungen“;

–        Klasse 25: „Schuhwaren, auch Bequemschuhwaren und solche für Arbeit, Freizeit, Gesundheit und Sport, einschließlich Sandalen, Gymnastiksandalen, Pantoletten, Slipper, Clogs, auch mit Fußbett, insbesondere mit anatomisch geformtem Tieffußbett, Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen, Schutzeinlagen; Teile und Zubehör derartiger Schuhwaren, nämlich Schuhoberteile, Absätze, Laufsohlen, Einlegesohlen, Innensohlen, Schuhbodenteile, auch Fußbettungen, Fußstützen; Fuß- und Schuheinlagen, insbesondere mit Fußbett oder anatomisch geformtem Tieffußbett aus Naturkork, Thermokork, Kunststoff, Latex oder geschäumten Kunststoffmaterialien, auch aus elastischer Verbundmasse aus Kork‑Latex‑Mischungen oder Kunststoff‑Kork‑Mischungen; Innensohlen; Einlegesohlen; Schuhwaren, nämlich Schuhe und Sandalen; Stiefel, Schuhe, Sandalen; Slipper sowie Teile und Fittings für alle vorgenannten Waren, soweit in Klasse 25 enthalten“.

3        Mit Entscheidung vom 29. August 2013 verweigerte der Prüfer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), dem die oben in Rn. 1 genannte internationale Eintragung mitgeteilt worden war, der internationalen Marke für die oben in Rn. 2 genannten Waren auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) den Schutz in der Europäischen Union.

4        Mit Entscheidung vom 15. Mai 2014 wies die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde der Klägerin gegen die oben in Rn. 3 genannte Entscheidung des Prüfers zurück.

5        Die von der Klägerin erhobene Nichtigkeitsklage wurde für die oben in Rn. 2 genannten Waren mit Urteil vom 9. November 2016, Birkenstock Sales/EUIPO (Darstellung eines Musters aus sich kreuzenden Wellenlinien) (T‑579/14, EU:T:2016:650), vom Gericht abgewiesen.

6        Der Gerichtshof wies das von der Klägerin gegen dieses Urteil des Gerichts eingelegte Rechtsmittel zurück (Urteil vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO, C‑26/17 P, EU:C:2018:714).

 Im vorliegenden Fall in Rede stehendes Verfahren zur Anmeldung einer „Positionsmarke“

7        Am 16. September 2015 meldete die Klägerin nach der Verordnung Nr. 207/2009 beim EUIPO eine Unionsmarke an.

8        Dabei handelt es sich um folgendes „sonstiges“ Zeichen:

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9        Die Klägerin fügte der Markenanmeldung folgende Beschreibung bei:

„Markenschutz wird beantragt für die Sohle von Schuhen, insbesondere von Sandalen, Clogs und Slippern, die aus einem Muster bestehen, das sich aus in einem Winkel von 90 Grad kreuzenden, aus Kreisbögen bestehenden Wellen, zusammensetzt, wobei die dadurch jeweils eingeschlossenen Bereiche der Sohlenfläche einen knochenähnlichen optischen Eindruck enthalten.“

10      Die Marke wurde nach der im Verfahren vor dem EUIPO erfolgten Einschränkung u. a. für folgende Waren der Klassen 10 und 25 beansprucht:

–        Klasse 10: „Orthopädische Schuhwaren und solche zur Rehabilitation, zur Fußgymnastik und Therapie sowie sonstigen medizinischen Zwecken und deren Teile, einschließlich orthopädischer Schuhe, auch derartige Schuhe mit Fußbett oder orthopädischen Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen; derartige Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen und deren Teile, auch in der Form starrer thermoplastischer Einlagen, Schuhbauteile und Schuheinbauteile zur orthopädischen Schuhzurichtung, insbesondere Passteile, Keile, Kissen, Einlegesohlen, Innensohlen, Schaumpolster, Schaumpelotten sowie Fußformsohlen, auch in Form von vollplastischen Einlagen mit orthopädischen Fußbett aus Naturkork, Thermokork, Kunststoff, Latex oder geschäumten Kunststoffmaterialien, auch aus elastischer Verbundmasse aus Kork-Latex-Mischungen oder Kunststoff-Kork-Mischungen; orthopädische Fuß- und Schuheinlagen; orthopädische Stützen für Füße und Schuhe; orthopädische Schuhwaren, insbesondere orthopädische Sandalen und Slipper; orthopädische Einlegesohlen; Einlagen, auch aus Kunststoff, Latex oder geschäumten Kunststoffmaterialien, auch aus elastischer Verbundmasse aus Kork-Latex-Mischungen oder Kunststoff-Kork-Mischungen“;

–        Klasse 25: „Schuhwaren auch Bequemschuhwaren und solche für Arbeit, Freizeit, Gesundheit und Sport, einschließlich Sandalen, Gymnastiksandalen, Pantoletten, Slipper, Clogs, auch mit Fußbett, insbesondere mit anatomisch geformten Tieffußbett, Fußstützen sowie Fuß- und Schuheinlagen, Schutzeinlagen; Teile und Zubehör derartiger Schuhwaren, nämlich Schuhoberteile, Absätze, Laufsohlen, Einlegesohlen, Innensohlen, Schuhbodenteile, auch Fußbettungen, Fußstützen, Fuß- und Schuheinlagen, insbesondere mit Fußbett oder anatomisch geformtem Tieffußbett aus Naturkork, Thermokork, Kunststoff, Latex oder geschäumten Kunststoffmaterialien, auch aus elastischer Verbundmasse aus Kork-Latex-Mischungen oder Kunststoff-Kork-Mischungen; Innensohlen; Einlegesohlen; Schuhwaren, nämlich Schuhe und Sandalen; Stiefel, Schuhe, Sandalen; Slipper sowie Teile und Fittings für alle vorgenannten Waren, soweit in Klasse 25 enthalten“.

11      Nachdem das Anmeldeverfahren von Amts wegen bis zur Verkündung des Urteils vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO (C‑26/17 P, EU:C:2018:714), ausgesetzt worden war, wies der Prüfer mit Entscheidung vom 3. Juni 2019 die Anmeldung für sämtliche oben in Rn. 10 genannten Waren auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zurück.

12      Am 2. August 2019 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers gemäß den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 Beschwerde beim EUIPO ein.

13      Mit Entscheidung vom 19. März 2020 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer die Beschwerde zurück. Die Beschwerdekammer hielt die angemeldete Marke insbesondere nicht für unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009.

14      Erstens entschied die Beschwerdekammer entgegen der Ansicht des Prüfers, dass die angemeldete Marke eine Positionsmarke sei. Da die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke jedoch nicht von der Kategorie abhänge, zu der sie gehöre, unterschieden sich die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Positionsmarke nicht von den für die Bild- oder dreidimensionalen Marken geltenden (Rn. 12 bis 17 der angefochtenen Entscheidung).

15      Zweitens weise die angemeldete Marke kein wesentliches charakteristisches Merkmal auf, das sie hinreichend von den durch andere Unternehmen in der Schuhbranche üblicherweise benutzten Gestaltungen einer Sohle unterscheide. Daher seien die Feststellungen des Gerichtshofs und des Gerichts in den Urteilen vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO (C‑26/17 P, EU:C:2018:714), und vom 9. November 2016, Darstellung eines Musters aus sich kreuzenden Wellenlinien (T‑579/14, EU:T:2016:650), zur fehlenden Unterscheidungskraft einer Bildmarke, die dieselbe Darstellung wie die angemeldete Marke aufweise und dieselben wie die oben in Rn. 10 genannten Waren beanspruche, für den vorliegenden Fall relevant und rechtfertigten die Zurückweisung der angemeldeten Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (Rn. 18 bis 21 der angefochtenen Entscheidung).

 Anträge der Parteien

16      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

17      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

18      Nach Art. 126 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn eine Klage offensichtlich unzulässig ist oder ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen, auch wenn eine Partei beantragt hat, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen (Beschluss vom 6. Oktober 2015, GEA Group/HABM [engineering for a better world], T‑545/14, EU:T:2015:789, Rn. 13).

19      Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht auf der Grundlage des Akteninhalts für ausreichend unterrichtet und beschließt in Anwendung des genannten Artikels, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

20      Formal macht die Klägerin einen einzigen Klagegrund geltend, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 rügt. Im Rahmen dieses Klagegrundes trägt sie zudem vor, die angefochtene Entscheidung sei nicht ausreichend begründet.

21      Als Erstes macht die Klägerin geltend, dass die Rechtsprechung der Unionsgerichte zu Positionsmarken zu Kritik Anlass gebe und unangemessen sei. Die Unterscheidungskraft einer Marke müsse unabhängig von der Kategorie, zu der sie gehöre, beurteilt werden. Jedoch verlange die Rechtsprechung der Unionsgerichte im Fall von Marken, die mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmölzen, dass das Zeichen, dessen Eintragung beantragt werde, erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweiche. Die Anwendung eines solchen Kriteriums, das die Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken betreffe, gehe im Fall von Positionsmarken fehl, denn sie berücksichtige nicht ausreichend deren Eigenschaften.

22      Eine Positionsmarke bestehe nämlich aus der Kombination eines Zeichens und dessen konkret festgelegter Position. In diesem Rahmen müsse die Unterscheidungskraft des Zusammenspiels von Zeichen und Position geprüft werden, was die Rechtsprechung nicht ermögliche.

23      Außerdem lege die Rechtsprechung die Kriterien für das wahrscheinlichste Erscheinungsbild der beanspruchten Waren nicht mit hinreichender Präzision fest. Infolgedessen sei der Vergleich zwischen der Positionsmarke, deren Eintragung beantragt werde, und dem wahrscheinlichsten Erscheinungsbild der beanspruchten Waren mit einer erheblichen Unsicherheit behaftet.

24      Als Zweites trägt die Klägerin vor, dass die angemeldete Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweise. Erstens habe die Beschwerdekammer zum einen unzutreffend die Auffassung vertreten, dass die Feststellungen in den Urteilen vom 9. November 2016, Darstellung eines Musters aus sich kreuzenden Wellenlinien (T‑579/14, EU:T:2016:650), und vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO (C‑26/17 P, EU:C:2018:714), auf den vorliegenden Fall anwendbar seien. Diese Urteile beträfen nämlich die Anmeldung einer Bildmarke, wohingegen die angemeldete Marke eine Positionsmarke sei. Dadurch, dass sich die Beschwerdekammer nahezu ausschließlich auf diese Urteile gestützt habe, habe sie zum anderen gegen ihre Pflicht verstoßen, eine eigenständige Beurteilung des konkreten Einzelfalls vorzunehmen.

25      Zweitens macht die Klägerin geltend, dass das Urteil vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO (C‑26/17 P, EU:C:2018:714), fehlgehe. In dieser Rechtssache, in der es um eine Anmeldung einer Bildmarke gegangen sei, habe der Gerichtshof nämlich das Kriterium zur Prüfung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken angewendet, wonach die bloße Möglichkeit, dass das angemeldete Zeichen als Oberflächenmuster verwendet werde, auch dann ausreiche, um der in Rede stehenden Marke jedwede Unterscheidungskraft abzusprechen, wenn es sich nicht um die wahrscheinlichste Benutzungsform dieses Zeichens handele. Dieses Kriterium hätte jedoch auf die Anmeldung einer Bildmarke nicht angewendet werden dürfen und dürfe auch nicht auf die Anmeldung einer Positionsmarke angewendet werden.

26      Drittens macht die Klägerin geltend, dass die angemeldete Marke Unterscheidungskraft aufweise und von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren verstanden werde. Das angemeldete Zeichen sei nämlich keine für Schuhe, orthopädische Schuhe oder Schuheinlagen typische Gestaltung oder funktionale Form.

27      Selbst wenn das maßgebliche Kriterium eine erhebliche Abweichung von der Norm oder der Branchenüblichkeit sein sollte und man die Positionierung des Musters außen vorließe – wogegen sich die Klägerin verwehre –, würde die angemeldete Marke, die aus sich in einem Winkel von 90 Grad kreuzenden, ein Knochenmuster bildenden Wellenlinien zusammengesetzt sei, diesem Erfordernis genügen. Dieses Muster sei nämlich ungewöhnlich, eigenartig und originell und nicht typischerweise bei Schuhen anzutreffen. Hierzu verweist die Klägerin auf die während des Verfahrens vor dem Prüfer und der Beschwerdekammer vorgelegten Beweise.

28      Zudem habe die Klägerin das charakteristische Design, auf das sich die Anmeldung beziehe, vor fast 40 Jahren entworfen und auf dem deutschen Markt eingeführt, und dieses Muster werde seitdem als für ihre Waren charakteristisch wahrgenommen. Hierzu beruft sie sich auf Umfragen, die zeigten, dass ein signifikanter Teil der maßgeblichen Verkehrskreise in Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Finnland, Schweden und im Vereinigten Königreich das angemeldete Zeichen als für ihre Waren charakteristisch identifizierten.

29      Darüber hinaus seien die maßgeblichen Verkehrskreise bei Schuhwaren daran gewöhnt, auf diesen Waren in bestimmten Positionen angebrachten Mustern einen Herkunftshinweis zu entnehmen. Die Sohle sei eine charakteristische Position für diese Kennzeichnung, insbesondere bei Schuhen, bei denen auf der Außenseite keine weitere Kennzeichnung angebracht sei. Zur Stützung dieses Arguments beruft sich die Klägerin auf die Eintragung von acht Unionsmarken. Die unterschiedliche Behandlung, die sie im Vergleich zu diesen eingetragenen Marken erfahren habe, sei nicht zu erklären.

30      Als Drittes beruft sich die Klägerin auf die Eintragung der angemeldeten Marke in vier Mitgliedstaaten der Union. Sie trägt vor, dass die angemeldete Marke ohne Verkehrsgeltungsnachweis von den zuständigen nationalen Stellen in Spanien, Frankreich, Italien und Polen eingetragen worden sei. Die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) habe u. a. entschieden, dass die angemeldete Marke originär unterscheidungskräftig sei, da sie erheblich von der Norm abweiche. Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft im Recht der Mitgliedstaaten und im Unionsrecht seien aber identisch.

31      Das EUIPO tritt dem gesamten Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Zur Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke

32      Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen. Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung bedeutet, dass diese Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteile vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO, C‑26/17 P, EU:C:2018:714, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteile vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO, C‑26/17 P, EU:C:2018:714, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Der dem Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zugrunde liegende Begriff des Allgemeininteresses und die Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung dadurch zu garantieren, dass sie ihm die Unterscheidung dieser Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft ermöglicht, gehen offensichtlich ineinander über (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 48).

35      Die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke hängt nicht von der Feststellung eines bestimmten Niveaus der sprachlichen oder künstlerischen Kreativität oder Einbildungskraft des Markeninhabers ab. Es genügt, dass die Marke es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, die Herkunft der durch diese Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu erkennen und diese von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteil vom 16. September 2004, SAT.1/HABM, C‑329/02 P, EU:C:2004:532, Rn. 41; vgl. auch Urteil vom 25. November 2020, Brasserie St Avold/EUIPO [Form einer dunklen Flasche], T‑862/19, EU:T:2020:561, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Die angemeldete Marke ist eine „Positionsmarke“. Da Art. 4 der Verordnung 2017/1001 keine abschließende Aufzählung der Zeichen enthält, die Unionsmarken sein können, ist dieser Umstand für die Eintragungsfähigkeit von „Positionsmarken“ ohne Bedeutung (vgl. Urteil vom 17. Januar 2018, Deichmann/EUIPO – Munich [Darstellung eines Kreuzes an der Seite eines Sportschuhs], T‑68/16, EU:T:2018:7, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      „Positionsmarken“ stehen den Kategorien der Bildmarken und dreidimensionalen Marken nahe, da sie die Anbringung von Bild- oder dreidimensionalen Elementen auf der Produktoberfläche zum Gegenstand haben. Für die Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft ist die Einstufung einer „Positionsmarke“ als eine Bildmarke, eine dreidimensionale Marke oder eine eigene Kategorie von Marken allerdings ohne Bedeutung (Urteile vom 6. Juni 2019, Deichmann/EUIPO, C‑223/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:471, Rn. 42, und vom 15. Juni 2010, X Technology Swiss/HABM [Orange Einfärbung des Zehenbereichs einer Socke], T‑547/08, EU:T:2010:235, Rn. 19 bis 21).

38      Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, sind somit keine anderen als für die übrigen Markenkategorien. Jedoch wird im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, vom Durchschnittsverbraucher nicht zwingend in der gleichen Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke gekennzeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke (vgl. Urteil vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO, C‑26/17 P, EU:C:2018:714, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Folglich besitzt nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann, auch Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009. Dafür muss sie sich wesentlich von den handelsüblichen Grundformen der betreffenden Ware unterscheiden und darf nicht als eine einfache oder mögliche Variante dieser Formen erscheinen. Außerdem ist es für die Feststellung der fehlenden Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke nicht erforderlich, die Handelsüblichkeit der Form nachzuweisen (vgl. Urteile vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO, C‑26/17 P, EU:C:2018:714, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 25. November 2020, Form einer dunklen Flasche, T‑862/19, EU:T:2020:561, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Diese Rechtsprechung, die für dreidimensionale, aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehende Marken entwickelt wurde, ist ebenfalls einschlägig, wenn die angemeldete Marke eine Bildmarke ist, die aus der zweidimensionalen Darstellung der Ware besteht (Urteil vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑25/05 P, EU:C:2006:422, Rn. 29), oder auch, wenn die angemeldete Marke ein Zeichen ist, das aus einem auf der Oberfläche einer Ware angebrachten Muster besteht (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 28. Juni 2004, Glaverbel/HABM, C‑445/02 P, EU:C:2004:393, Rn. 22 bis 24). Denn auch in diesen beiden Fällen besteht die Marke nicht aus einem Zeichen, das vom Erscheinungsbild der mit ihr gekennzeichneten Waren unabhängig ist. Diese Rechtsprechung ist auch dann anwendbar, wenn eine Marke nur einen Teil der bezeichneten Ware darstellt (Beschluss vom 13. September 2011, Wilfer/HABM, C‑564/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:574, Rn. 59, und Urteil vom 15. Mai 2014, Louis Vuitton Malletier/HABM, C‑97/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:324, Rn. 54). Diese Rechtsprechung wurde auch auf Positionsmarken angewendet (Urteil vom 14. November 2019, Neoperl/EUIPO [Darstellung von vier ausgefüllten Löchern in einem regelmäßigen Lochbild], T‑669/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:788, Rn. 31). Daraus folgt, dass der entscheidende Gesichtspunkt für die Anwendbarkeit der Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken, die mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmelzen, nicht die Einstufung des betreffenden Zeichens als „Bildzeichen“, „dreidimensionales Zeichen“ oder „sonstiges Zeichen“ ist, sondern die Tatsache, dass es mit dem Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware verschmilzt (Urteil vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO, C‑26/17 P, EU:C:2018:714, Rn. 34 bis 36).

41      Die Prüfung der Anmeldungen darf sich nicht auf ein Mindestmaß beschränken, sondern muss streng und umfassend sein, damit Marken nicht ungerechtfertigt eingetragen werden, und um aus Gründen der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung sicherzustellen, dass Marken, deren Benutzung vor Gericht mit Erfolg entgegengetreten werden könnte, nicht eingetragen werden (vgl. Urteil vom 9. September 2010, HABM/Borco-Marken‑Import Matthiesen, C‑265/09 P, EU:C:2010:508, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Das Vorbringen der Klägerin ist im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

43      Als Erstes zieht die Klägerin in Zweifel, dass die Rechtsprechung und insbesondere die Anwendung der oben in den Rn. 39 und 40 wiedergegebenen Grundsätze zutreffend sei, wonach für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Positionsmarken das Kriterium der erheblichen Abweichung von der Norm und der Branchenüblichkeit anzuwenden sei.

44      Hierzu genügt erstens die Feststellung, ohne dass über die Stichhaltigkeit der Beanstandung der Rechtsprechung durch die Klägerin an sich zu entscheiden ist, dass diese sich widerspricht, wenn sie gleichzeitig geltend macht, dass zum einen die Unterscheidungskraft von Positionsmarken nicht anders als die anderer Marken zu beurteilen sei und zum anderen das auf dreidimensionale Marken, die ganz oder teilweise mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmölzen, anwendbare Kriterium nicht auf Positionsmarken angewendet werden dürfe. Aus der Art der angemeldeten Positionsmarke, wie sie in der Anmeldung beschrieben wurde, geht jedoch schon hervor, dass diese aus einem besonderen Design der Sohlen der beanspruchten Waren besteht (vgl. oben Rn. 8 und 9).

45      Zweitens ist außerdem festzustellen, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt des Anmeldeverfahrens den geringsten Anfangsbeweis für ihr Vorbringen erbracht hat, die maßgeblichen Verkehrskreise nähmen die angemeldete Marke als Kombination aus einem Zeichen und seiner bestimmten Position auf der Ware wahr. Im Übrigen erläutert die Klägerin nicht, welche konkreten Konsequenzen aus einer solchen Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise für die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke gezogen werden könnten. Jedenfalls hat die Beschwerdekammer sowohl das Design als auch die Position dieses Designs, wie sie in der Markenanmeldung wiedergegeben wurden, berücksichtigt, da sie die Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens als die eines Zeichens geprüft hat, das dafür bestimmt ist, auf der Sohle eines Schuhs angebracht zu werden.

46      Drittens geht die Kritik der Klägerin an der Rechtsprechung zur wahrscheinlichsten Benutzung des Zeichens im vorliegenden Fall ins Leere, da die Beschwerdekammer diese in der angefochtenen Entscheidung nicht angewendet hat, sondern lediglich im Wesentlichen – zutreffend – die Auffassung vertreten hat, dass aus der Beschreibung der angemeldeten Marke selbst hervorgehe, dass sie mit dem Erscheinungsbild der Waren verschmelze (Rn. 14 bis 16 der angefochtenen Entscheidung).

47      Als Zweites trägt die Klägerin vor, dass der angemeldeten Marke nicht jedwede Unterscheidungskraft fehle.

48      Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass die von der angemeldeten Marke beanspruchten Waren, wie sie oben in Rn. 10 aufgeführt sind, Waren sind, die sich, was Schuhwaren im Allgemeinen betrifft, an sämtliche Verbraucher richten, und, was orthopädische Schuhe betrifft, an Verkehrskreise, deren Aufmerksamkeitsgrad überdurchschnittlich ist. Diese Feststellungen des Prüfers, die von der Beschwerdekammer bestätigt wurden, werden von der Klägerin im Übrigen nicht beanstandet.

49      Zweitens wird die angemeldete Marke, wie die Beschwerdekammer in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht so wahrgenommen, dass sie wesentliche charakteristische Merkmale aufweist, die sie hinreichend von den durch andere Unternehmen in der Schuhbranche üblicherweise benutzten Gestaltungen einer Sohle unterscheiden.

50      Wie das EUIPO zutreffend vorträgt, geht nämlich aus den von der Klägerin und von Dritten während des Anmeldeverfahrens vorgelegten Beweisen hervor, dass Muster jedweder Art auf Schuhsohlen angebracht werden können.

51      Drittens ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beschwerdekammer in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung die Gründe des Urteils vom 9. November 2016, Darstellung eines Musters aus sich kreuzenden Wellenlinien (T‑579/14, EU:T:2016:650), zu eigen gemacht hat. Dieses Urteil betraf die Anmeldung einer Bildmarke, die mit dem Muster auf den Sohlen identisch war, die das im vorliegenden Fall angemeldete Zeichen bilden, und die für dieselben Waren Schutz beansprucht.

52      Hierzu genügt zum einen die Feststellung, dass das Vorbringen, die Beschwerdekammer habe den vorliegenden Fall nicht eigenständig und konkret geprüft, sachlich unzutreffend ist, da sich die Beschwerdekammer erst nach Abschluss einer solchen Prüfung für berechtigt halten konnte, im vorliegenden Fall auf die Gründe der Urteile vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO (C‑26/17 P, EU:C:2018:714), und vom 9. November 2016, Darstellung eines Musters aus sich kreuzenden Wellenlinien (T‑579/14, EU:T:2016:650), Bezug zu nehmen.

53      Zum anderen ist den Feststellungen des Gerichts in den Rn. 130 bis 136 des Urteils vom 9. November 2016, Darstellung eines Musters aus sich kreuzenden Wellenlinien (T‑579/14, EU:T:2016:650), zu entnehmen, dass das im vorliegenden Fall in Rede stehende Zeichen, da es sich von der Anmeldung der Bildmarke, zu der dieses Urteil ergangen ist, nur durch seine bestimmte Position unterscheidet, ein einfaches Muster ist, das aus Wellenlinien besteht, die sich wiederholt kreuzen. Der von dem Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck ist somit banal und stellt nicht mehr dar als die Bestandteile, aus denen sich das Zeichen zusammensetzt. Die allgemeine Erfahrung und die Beweise, die sich in der vorliegenden Sache in der Akte des EUIPO befinden, zeigen, dass die gewöhnlich auf der Oberfläche von Schuhwaren angebrachten Muster unendlich viele verschiedene Designs haben können.

54      Nach der oben in den Rn. 37 bis 40 angeführten Rechtsprechung hat nur eine Positionsmarke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann, auch Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 207/2009. Dafür muss sie sich wesentlich von den handelsüblichen Grundformen der betreffenden Ware unterscheiden und darf nicht als eine einfache oder mögliche Variante dieser Formen erscheinen. Unter diesen Umständen hat die Beschwerdekammer unter zutreffender Anwendung dieses Kriteriums im vorliegenden Fall die Auffassung vertreten, dass die in der Schuhbranche gebräuchlichen Muster aus simplen geometrischen Formen bestünden und dass das angemeldete Zeichen nicht hinreichend von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweiche (Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung), so dass die maßgeblichen Verkehrskreise das in Rede stehende Zeichen als ein einfaches Oberflächenmuster und nicht als Angabe einer besonderen betrieblichen Herkunft wahrnähmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2016, Darstellung eines Musters aus sich kreuzenden Wellenlinien, T‑579/14, EU:T:2016:650, Rn. 134).

55      Viertens ist auch darauf hinzuweisen, dass es, soweit sich eine Partei des Verfahrens entgegen der Analyse des EUIPO auf die originäre Unterscheidungskraft einer Marke beruft, ihr obliegt, konkrete und substantiierte Angaben zu machen, die dieses Vorbringen stützen. Diese Übertragung der Beweislast ist dadurch gerechtfertigt, dass die Partei in Anbetracht ihrer vertieften Kenntnis des Marktes hierzu viel besser in der Lage ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Oktober 2007, Develey/HABM, C‑238/06 P, EU:C:2007:635, Rn. 50, und vom 29. Juni 2015, Grupo Bimbo/HABM [Form einer mexikanischen Tortilla], T‑618/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:440, Rn. 32).

56      Insoweit kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf Meinungsumfragen berufen, die zeigen sollen, dass ein beträchtlicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise in der Lage sei, die angemeldete Marke als Angabe der betrieblichen Herkunft der betreffenden Waren zu erkennen, da die Klägerin trotz des ihr vom Prüfer gemachten Vorschlags, Beweise für den Erwerb von Unterscheidungskraft durch Benutzung vorzulegen, ihre Anmeldung ausschließlich auf das Vorliegen originärer Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke gestützt hat.

57      Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, dass die angemeldete Marke nicht originär unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sei.

58      Fünftens kann sich die Klägerin, wie das EUIPO zutreffend vorträgt, nicht auf eine gängige Praxis der Eintragung von Marken berufen, die aus Designs von Schuhsohlen bestehen, indem sie sich darauf beschränkt, einige frühere Eintragungen anzuführen, die Einzelfälle darstellen. Die Klägerin hat sich zwar auf drei Eintragungen von Unionsmarken berufen, die Schuhsohlen ohne Wortbestandteil zeigen. Diese Beispiele sind jedoch unzureichend, um das Vorliegen einer Praxis zu belegen, die der Ablehnung der Eintragung der angemeldeten Marke entgegensteht. Jedenfalls geht aus den vorstehenden Erwägungen hervor, dass die Beschwerdekammer der angemeldeten Marke zu Recht die Unterscheidungskraft abgesprochen hat. Die Beschwerdekammer kann jedoch selbst dann nicht verpflichtet sein, einer Praxis nachzukommen, die sich als mit den Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 unvereinbar erweisen könnte, wenn diese Praxis erwiesen wäre (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 22. Juni 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑54/10 P und C‑55/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:416, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Sechstens macht das EUIPO ebenfalls zutreffend geltend, dass, da die Regelungen für Unionsmarken ein autonomes System darstellen, ihre Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist. Das Vorliegen nationaler Eintragungen wie die, auf die sich die Klägerin beruft, stellen daher einen Umstand dar, der, ohne entscheidend zu sein, lediglich berücksichtigt werden kann (Urteile vom 13. Juni 2014, K‑Swiss/HABM – Künzli SwissSchuh [Parallele Streifen auf einem Schuh], T‑85/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:509, Rn. 49, und vom 18. November 2014, Think Schuhwerk/HABM – Müller [VOODOO], T‑50/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:967, Rn. 52).

60      Es ist festzustellen, dass die Klägerin, die diese Umstände zum ersten Mal vor dem Gericht vorträgt, nicht erläutert, inwiefern diese Eintragungen geeignet sein könnten, die Feststellungen der Beschwerdekammer in Frage zu stellen, wonach sich die angemeldete Marke nicht ausreichend von der Branchenüblichkeit in der Schuhbranche unterscheide, damit ihr das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft zuerkannt werden könne.

61      Nach alledem kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Beschwerdekammer zu Unrecht die Auffassung vertreten habe, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 stehe der Eintragung der angemeldeten Marke entgegen.

 Zur Begründung der angefochtenen Entscheidung

62      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer habe dadurch, dass sie sich auf die Urteile vom 9. November 2016, Darstellung eines Musters aus sich kreuzenden Wellenlinien (T‑579/14, EU:T:2016:650), und vom 13. September 2018, Birkenstock Sales/EUIPO (C‑26/17 P, EU:C:2018:714), gestützt habe, ohne eine eigenständige Beurteilung des vorliegenden Falls vorzunehmen, die angefochtene Entscheidung nicht ausreichend begründet.

63      Sie macht auch geltend, dass die Beschwerdekammer den originellen Charakter der angemeldeten Marke nicht berücksichtigt habe, obwohl sie vor dem EUIPO Beweise vorgelegt habe, die zeigten, dass die meisten Schuhe glatte Sohlen ohne Muster oder Muster hätten, die aus Zick-Zack-Linien oder Rechtecken bestünden. Ebenso habe die Beschwerdekammer nicht zu dem im vorliegenden Fall in Rede stehenden Muster aus ineinandergelegten, sich in einem Winkel von 90 Grad kreuzenden, ein „Knochenmuster“ bildenden Wellenlinien Stellung bezogen. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung sei daher unvollständig.

64      Die Klägerin macht ferner geltend, dass die Beschwerdekammer nicht angegeben habe, weshalb sie im vorliegenden Fall von ihrer früheren Praxis habe abweichen müssen. Hierzu verweist die Klägerin auf die Eintragung von acht Unionsbildmarken, auf die sie sich vor dem Prüfer und dann vor der Beschwerdekammer berufen habe.

65      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

66      Die Begründungspflicht im Sinne von Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 hat den gleichen Umfang wie die in Art. 296 AEUV in dessen Auslegung durch eine ständige Rechtsprechung aufgestellte Pflicht. Demnach muss die Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass zum einen die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können, damit sie ihre Rechte verteidigen können, und zum anderen der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit der Entscheidung kontrollieren kann (vgl. Urteil vom 13. Mai 2020, Koenig & Bauer/EUIPO [we’re on it], T‑156/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:200, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil vom 12. Mai 2016, Zuffa/EUIPO [ULTIMATE FIGHTING CHAMPIONSHIP], T‑590/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:295, Rn. 36).

68      Schließlich ist festzustellen, dass die Entscheidung des Prüfers, wenn die Beschwerdekammer sie in vollem Umfang bestätigt, und ihre Begründung zu dem Kontext gehören, in dem die Entscheidung der Beschwerdekammer erlassen wurde und der den Parteien bekannt ist und es dem Unionsrichter ermöglicht, seine Rechtmäßigkeitskontrolle in Bezug auf die Richtigkeit der Beurteilung der Beschwerdekammer in vollem Umfang auszuüben (Urteil vom 16. Januar 2019, Windspiel Manufaktur/EUIPO [Darstellung der Position eines Flaschenverschlusses], T‑489/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:9, Rn. 31).

69      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung mit einer Genauigkeit, die ausreichend war, um es dem Gericht zu ermöglichen, deren Begründung zu erfassen, und um die Klägerin in die Lage zu versetzen, ihre Klage zu erheben, die Gründe angegeben hat, aus denen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 der Eintragung der angemeldeten Marke entgegenstand.

70      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin war die Beschwerdekammer daher nicht verpflichtet, zu jedem einzelnen Beweis oder zum Vorliegen einer früheren Praxis, die im Übrigen nicht dargetan ist, Stellung zu nehmen.

71      Daraus folgt, dass das auf einen Begründungsmangel gestützte Argument der Klägerin zurückzuweisen ist und daher die Klage insgesamt als offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend abzuweisen ist.

 Kosten

72      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Birkenstock Sales GmbH trägt die Kosten.

Luxemburg, den 2. Juni 2021

Der Kanzler

 

Die Präsidentin

E. Coulon

 

A. Marcoulli


*      Verfahrenssprache: Deutsch.