Language of document : ECLI:EU:T:2023:734

Rechtssache T304/20

Laura Molina Fernández

gegen

Einheitlicher Abwicklungsausschuss

 Urteil des Gerichts (Dritte erweiterte Kammer) vom 22. November 2023

„Wirtschafts- und Währungsunion – Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) – Abwicklung der Banco Popular Español – Beschluss des SRB über die Ablehnung einer Entschädigung der von den Abwicklungsmaßnahmen betroffenen Anteilseigner und Gläubiger – Bewertung einer unterschiedlichen Behandlung – Unabhängigkeit des Bewerters“

1.      Wirtschafts- und Währungspolitik – Wirtschaftspolitik – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen – Annahme eines Abwicklungskonzepts – Beurteilungsspielraum des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) – Umfang – Entschädigungsantrag der Anteilseigner und Gläubiger – Beurteilung hochkomplexer wissenschaftlicher und technischer tatsächlicher Umstände – Komplexe wirtschaftliche Wertungen – Weiter Beurteilungsspielraum – Gerichtliche Überprüfung – Grenzen – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Beweislast

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41 Abs. 2 Buchst. a)

(vgl. Rn. 32-38)

2.      Wirtschafts- und Währungspolitik – Wirtschaftspolitik – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen – Annahme eines Abwicklungskonzepts – Mechanismus zur Entschädigung der Anteilseigner und Gläubiger – Methode zur Bewertung der Behandlung der Anteilseigner und Gläubiger in einem regulären Insolvenzverfahren – Reguläres Insolvenzverfahren – Begriff – Liquidation des Unternehmens – Einbeziehung – Gläubigervergleich – Ausschluss – Szenario der Fortführung des Betriebs – Ausschluss

(Verordnung Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 20 Abs. 16 bis 18)

(vgl. Rn. 48, 50, 56, 58)

Zusammenfassung

In den verbundenen Rechtssachen T‑302/20, T‑303/20 und T‑307/20 sowie in der Rechtssache T‑304/20 sind die Kläger natürliche und juristische Personen, die Anteilseigner der Banco Popular Español, SA (im Folgenden: Banco Popular) waren, bevor für diese ein Abwicklungskonzept angenommen wurde. Dagegen handelt es sich in der Rechtssache T‑330/20 um Investmentfonds, die vor dem Erlass dieses Konzepts Kapitalinstrumente hielten, außer einem von ihnen, der in die Rechte einer Einrichtung eingetreten ist, die Anleihen von Banco Popular hält.

Am 7. Juni 2017 nahm die Präsidiumssitzung des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) auf der Grundlage der Verordnung Nr. 806/2014(1) ein Abwicklungskonzept für Banco Popular an(2), das am selben Tag von der Europäischen Kommission gebilligt wurde(3).

Vor dem Erlass dieses Konzepts hatte der SRB Deloitte Réviseurs d’Entreprises als Bewerter (im Folgenden: Bewerter) beauftragt, vor einer etwaigen Abwicklung eine Bewertung von Banco Popular sowie die Bewertung der unterschiedlichen Behandlung nach einer potenziellen Abwicklung vorzunehmen. Am 6. Juni 2017 übermittelte der Bewerter dem SRB eine Bewertung (im Folgenden: Bewertung 2), deren Ziel die Ermittlung des Werts der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von Banco Popular, die Feststellung, wie die Anteilseigner und Gläubiger behandelt worden wären, wenn für Banco Popular ein reguläres Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre, sowie die fundierte Entscheidung über die zu übertragenden Anteile und Eigentumstitel und das Verständnis des SRB, was unter kommerziellen Bedingungen für die Zwecke des Instruments der Unternehmensveräußerung zu verstehen ist, war. Da der SRB in dem Abwicklungskonzept die erforderlichen Voraussetzungen(4) für erfüllt erhielt, beschloss er, ein Abwicklungsverfahren für Banco Popular einzuleiten. Nach einem von der spanischen Abwicklungsbehörde, dem Fondo de Reestructuración Ordenada Bancaria (FROB, Fonds für die geordnete Bankenumstrukturierung), durchgeführten transparenten und offenen Vermarktungsprozess wurden die neuen Anteile von Banco Popular auf die Banco Santander SA übertragen.

Nach der Annahme des Abwicklungskonzepts übermittelte der Bewerter dem SRB die Bewertung der unterschiedlichen Behandlung(5) (im Folgenden: Bewertung 3), mit der festgestellt werden sollte, ob den betroffenen Anteilseignern und Gläubigern eine bessere Behandlung zuteil geworden wäre, wenn für Banco Popular ein reguläres Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre, als die Behandlung, die sie aufgrund der Abwicklung erfahren haben. Diese Bewertung erfolgte im Rahmen eines Liquidationsszenarios nach spanischem Recht zum Zeitpunkt der Annahme des Abwicklungskonzepts. Der Bewerter war der Ansicht, dass die Einleitung eines regulären Insolvenzverfahrens zu einer ungeplanten Liquidation geführt hätte. Er kam zu dem Schluss, dass im Rahmen eines solchen Verfahrens kein Erlös zu erwarten gewesen wäre und somit keine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zur Behandlung im Rahmen der Abwicklungsmaßnahme vorliege.

Damit der SRB eine abschließende Entscheidung über die Notwendigkeit der Gewährung einer Entschädigung für die betroffenen Anteilseigner und Gläubiger durch Inanspruchnahme des einheitlichen Abwicklungsfonds treffen konnte(6), forderte er anschließend die betroffenen Anteilseigner und Gläubiger auf, ihr Interesse an der Ausübung ihres Rechts auf Anhörung in Bezug auf seine vorläufige Entscheidung zu dieser Frage mitzuteilen(7), in der er in Anbetracht der Bewertung 3 zu dem Schluss kam, dass er ihnen keine Entschädigung zahlen müsse. Das Verfahren über das Recht auf Anhörung fand in zwei aufeinanderfolgenden Phasen statt, nämlich der Registrierungsphase, in der die betroffenen Anteilseigner und Gläubiger aufgefordert wurden, ihr Interesse an der Ausübung ihres Rechts auf Anhörung mitzuteilen, und anschließend der Konsultationsphase, in der die betroffenen Personen Stellung nehmen konnten zu der vorläufigen Entscheidung, der die nicht vertrauliche Fassung der Bewertung 3 beigefügt war.

Nach Abschluss dieser Konsultationsphase prüfte der SRB die relevanten Stellungnahmen und erhielt vom Bewerter ein erläuterndes Dokument, in dem der Bewerter bestätigt hat, dass die in der Bewertung 3 im Einzelnen dargelegte Strategie und verschiedenen hypothetischen Liquidationsszenarien sowie die angewandten Methoden und durchgeführten Analysen weiterhin gültig seien.

Am 17. März 2020 erließ der SRB den Beschluss SRB/EES/2020/52, mit dem festgestellt werden sollte, ob den Anteilseignern und Gläubigern, die von den Abwicklungsmaßnahmen für Banco Popular betroffen sind, Entschädigung gewährt werden muss (im Folgenden: angefochtener Beschluss), in dem er die Auffassung vertrat, dass der Bewerter unabhängig sei und die Bewertung 3 mit dem geltenden Rechtsrahmen vereinbar sowie hinreichend begründet und vollständig sei. Er legte auch die von den betroffenen Anteilseignern und Gläubigern übermittelten Stellungnahmen sowie deren Bewertung vor und kam zu dem Schluss, dass zwischen der tatsächlichen Behandlung der betroffenen Anteilseigner und Gläubiger und der Behandlung, die sie erfahren hätten, wenn zum Zeitpunkt der Abwicklung für Banco Popular ein reguläres Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre, kein Unterschied bestehe.

Das Gericht äußert sich mit seinen Urteilen, mit denen es die drei auf Art. 263 AEUV gestützten Klagen abweist, erstmals zu einem Antrag auf Nichtigerklärung eines Beschlusses des SRB über die mögliche Entschädigung der betroffenen Anteilseigner und Gläubiger infolge einer Bankenabwicklung. Insoweit prüft das Gericht mehrere neue Fragen, die in den drei Klagen aufgeworfen worden sind, insbesondere in Bezug auf die Beurteilung der Situation der betroffenen Anteilseigner und Gläubiger in dem Fall, dass für Banco Popular das reguläre Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre, die Unabhängigkeit des Bewerters, das Recht auf Anhörung im Verfahren, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und das Eigentumsrecht.

Würdigung durch das Gericht

Als Erstes weist das Gericht die Rügen zurück, mit denen geltend gemacht wird, dass der angefochtene Beschluss rechtswidrig sei in Bezug auf die Prüfung der Frage, ob die ehemaligen Anteilseigner von Banco Popular im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens besser behandelt worden wären.

Erstens stellt das Gericht zum einen fest, dass aus den Bestimmungen der Verordnung Nr. 806/2014 eindeutig hervorgeht, dass die Bezugnahme(8) auf die Behandlung, die die Anteilseigner und Gläubiger des Unternehmens erfahren hätten, wenn für das Unternehmen das reguläre Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre, auf deren hypothetische Behandlung im Fall der Liquidation des Unternehmens verweist. Zum anderen entspricht die in der Delegierten Verordnung 2018/344(9) festgelegte Methode zur Bewertung dieser Behandlung der Veräußerung der Vermögenswerte des Unternehmens und damit einer Liquidation, wie sie in Art. 3 Abs. 1 Nr. 42 der Verordnung Nr. 806/2014 definiert ist.

Zweitens betrifft der zur Feststellung einer unterschiedlichen Behandlung vorgenommene Vergleich die tatsächliche Behandlung der betroffenen Anteilseigner und Gläubiger aufgrund der Abwicklung und die Bewertung ihrer Situation in dem hypothetischen Fall, dass die Abwicklungsmaßnahme nicht getroffen worden wäre, d. h. dem Fall der Liquidation des Unternehmens.

Drittens stellt das Gericht fest, dass das spanische Recht im Rahmen der Beurteilung der unterschiedlichen Behandlung infolge einer vom FROB beschlossenen Abwicklung vorsieht, dass das Alternativszenario ein Liquidationsszenario ist, das die Bestimmungen des spanischen Liquidationsrechts berücksichtigt. Daraus schließt es, dass sich die Feststellung der unterschiedlichen Behandlung auf ein Liquidationsszenario stützen muss, was die Möglichkeit eines Szenarios ausschließt, das sich auf die Fortführung des Unternehmens und auf einen Gläubigervergleich stützt.

Viertens führt das Gericht aus, dass das in der Bewertung 3 vorgesehene alternative Liquidationsszenario unter Berücksichtigung der Situation von Banco Popular zum Zeitpunkt der Abwicklung festzulegen war. Zu diesem Zeitpunkt war Banco Popular aufgrund ihrer Liquiditätslage, ihrem Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall und dem möglichen Widerruf ihrer Bankzulassung nicht in der Lage, ihre Tätigkeiten fortzusetzen, und aus diesem Grund kamen weder ein Vergleich noch ein Insolvenzszenario unter Annahme eines fortgeführten Unternehmens in Betracht.

Desgleichen weist das Gericht das Vorbringen zurück, wonach der Bewerter eine Bewertung von Banco Popular hätte vornehmen müssen, indem er den Verkauf des Unternehmens in seiner Gesamtheit oder je Produktionseinheit in Betracht gezogen hätte, da sie eine Fortsetzung der Tätigkeiten des Unternehmens voraussetzt. Der Bewerter hat daher keinen Fehler begangen, indem er eine Methode angewandt hat, die auf einem Liquidationsszenario und dem Verkauf der einzelnen Vermögenswerte oder pro Portfolio beruht.

Fünftens weist der angefochtene Beschluss keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler auf, und zwar sowohl in Bezug auf die Berücksichtigung einer Maximaldauer des Liquidationsverfahrens von sieben Jahren, insbesondere in Anbetracht des Ziels, eine Liquidation innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu erreichen, sowie der Unsicherheiten, die sich aus einer längeren Liquidationsdauer ergeben, als auch in Bezug auf die Bewertung der Portfolios ordnungsgemäß bedienter und notleidender Kredite, der Immobiliengesellschaften von Banco Popular und der rechtlichen Risiken.

Als Zweites weist das Gericht den Klagegrund der fehlenden Unabhängigkeit des Bewerters zurück.

Erstens stellt es fest, dass die Umstände des vorliegenden Falles zum einen nicht belegen, dass der Bewerter bei der Durchführung der Bewertung 3 davon beeinflusst war, dass er die Bewertung 2 durchgeführt hatte, und zum anderen dem Vorbringen widersprechen, dass nach vernünftiger Betrachtung der Anschein habe entstehen können, dass es dem Bewerter an Objektivität und Unparteilichkeit fehle.

In der Bewertung 3 basiert die Prüfung der unterschiedlichen Behandlung nämlich auf der tatsächlichen Behandlung, die die betroffenen Anteilseigner und Gläubiger nach der Abwicklung erfahren haben. Die im ersten Teil der Bewertung 2 enthaltene Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von Banco Popular wurde in der Bewertung 3 nicht berücksichtigt und konnte daher den Bewerter bei ihrer Durchführung nicht beeinflussen.

Zudem enthielt die Bewertung 2 zahlreiche Vorbehalte in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Simulation des Liquidationsszenarios. Daher weist das Gericht die Rüge zurück, dass sich der Bewerter zum Schutz seines beruflichen Ansehens bei der Vornahme der Bewertung 3 für an die Schlussfolgerungen in der Bewertung 2 gebunden gefühlt habe.

Des Weiteren weist das Gericht das Vorbringen zurück, dass sich der Bewerter veranlasst gefühlt habe, jegliche Korrektur oder Modifikation der Schlussfolgerungen in der Bewertung 2 zu vermeiden, weil es durch die Umstände widerlegt wird, unter denen die Bewertungen 2 und 3 durchgeführt worden sind. Die Bewertung 3 stützte sich nämlich auf detailliertere Informationen als diejenigen, über die der Bewerter bei der Bewertung 2 verfügte. Ferner war der SRB seit dem Erhalt der Bewertung 2 darüber informiert, dass sich der Bewerter in der Bewertung 3 auf neue Daten würde stützen müssen und somit die in der Simulation des Liquidationsszenarios vorgenommene Bewertung würde ändern müssen. In der Bewertung 3 begnügte sich der Bewerter nicht damit, das Ergebnis der Simulation aus der Bewertung 2 zu bestätigen. Im Übrigen reicht allein der Umstand, dass der Bewerter zu derselben Schlussfolgerung kam, nicht aus, um nachzuweisen, dass er sich bei der Durchführung der Bewertung 3 durch die von ihm in der Bewertung 2 vorgenommene Beurteilung gebunden fühlte.

Schließlich weist das Gericht die Rüge zurück, dass der SRB einen anderen Bewerter hätte beauftragen müssen, um eine Bewertung anhand einer anderen Methode vorzunehmen, da die Beurteilung der Behandlung der betroffenen Anteilseigner und Gläubiger auf der Grundlage eines Liquidationsszenarios erfolgen musste. Desgleichen stehen weder die Verordnung Nr. 806/2014 noch die Delegierte Verordnung 2016/1075 einer Durchführung der Bewertungen 2 und 3 durch denselben Bewerter ausdrücklich entgegen.

Zweitens weist das Gericht die Rügen zurück, mit denen geltend gemacht wird, dass der Bewerter wegen seiner angeblichen Verbindungen zu Banco Popular und Banco Santander nicht unabhängig gewesen sei.

Insoweit führt es aus, dass zum Zeitpunkt der Bestellung des Bewerters zum unabhängigen Bewerter zum einen die Identität des Erwerbers nicht bekannt gewesen war, so dass es nicht möglich war, die Verbindungen zwischen dem Bewerter und Banco Santander zu berücksichtigen, und zum anderen hatte der Bewerter keine Prüfungsleistungen mehr für Banco Santander erbracht.

Das Gericht hebt hervor, dass der SRB während des gesamten Verfahrens zur Abwicklung von Banco Popular pflichtgemäß dafür Sorge getragen hat, dass der Bewerter die in Art. 41 der Delegierten Verordnung 2016/1075 vorgesehenen Anforderungen an seine Unabhängigkeit und insbesondere an das Fehlen eines Interessenkonflikts erfüllt(10).

Somit ist der SRB fehlerfrei davon ausgegangen, dass die Dienstleistungen, die der Bewerter sowohl für Banco Popular als auch für Banco Santander erbracht hat, dessen Urteil bei der Durchführung der Bewertung 3 nicht beeinflussen konnten, und daher nicht beweisen konnten, dass zu Banco Popular oder Banco Santander ein tatsächliches oder mögliches wesentliches gemeinsames oder widersprüchliches Interesse vorliegt.

Desgleichen wird mit keinem Vorbringen die Beurteilung des SRB in Frage gestellt, dass zwischen den Prüfungsleistungen und den Dienstleistungen in Bezug auf die Eingliederung von Banco Popular, die der Bewerter für Banco Santander erbrachte, einerseits und den für die Bewertung 3 relevanten Informationen, die nur die Bewertung von Banco Popular und nicht die von Banco Santander betraf, andererseits keine Verbindung besteht.

Außerdem legen die Kläger nicht dar, wie diese vom Bewerter erbrachten Dienstleistungen sein Urteil bei der Durchführung der Bewertung 3 hätten beeinflussen können oder bei vernünftiger Betrachtung eine solche Einflussnahme hätten erwarten lassen.

Ferner ist das Gericht der Auffassung, dass die Feststellung, dass der SRB den Anschein fehlender Objektivität oder Unparteilichkeit des Bewerters aufgrund seiner Verbindungen zu Banco Santander hätte berücksichtigen müssen, den Nachweis voraussetzt, dass der Bewerter, als er in der Bewertung 3 befunden hat, dass die betroffenen Anteilseigner und Gläubiger in einem regulären Insolvenzverfahren nicht besser behandelt worden wären, Banco Santander bevorzugen wollte. Zudem würde selbst unter der Annahme, dass der Bewerter in der Bewertung 3 geschlossen hätte, dass die betroffenen Anteilseigner und Gläubiger im Fall einer Liquidation von Banco Popular besser behandelt worden wären, die sich daraus möglicherweise ergebende Entschädigung vom Einheitlichen Abwicklungsfonds gezahlt und nicht von Banco Santander.

Des Weiteren ist das Gericht der Ansicht, dass das Ergebnis der Bewertung 3 weder auf die Rechtmäßigkeit und die Legitimität der Entscheidung, für Banco Popular ein Abwicklungsverfahren einzuleiten, noch auf das Ergebnis dieser Abwicklung, d. h. ihren Verkauf an Banco Santander, einen Einfluss hat, und dass es nicht zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs der betroffenen Anteilseigner und Gläubiger gegenüber Banco Santander führen kann.

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass der Bewerter Banco Santander nicht bevorzugen konnte, da sich die Bewertung 3 unabhängig von ihrem Ergebnis nicht auf die Situation von Banco Santander auswirken konnte. Daher können die Verbindungen zwischen ihnen weder einen berechtigten Zweifel in Bezug auf das Vorliegen eines etwaigen Vorurteils aufkommen lassen noch zu einer fehlenden Objektivität oder Unparteilichkeit des Bewerters führen. Diese Verbindungen waren kein Umstand, der die Unabhängigkeit des Bewerters bei der Durchführung der Bewertung 3 und seine Bestellung durch den SRB zum unabhängigen Bewerter in Frage stellen konnte.

Als Drittes weist das Gericht den Klagegrund, mit dem eine Verletzung des Rechts der Anteilseigner und Gläubiger auf Anhörung gerügt worden ist, insbesondere deshalb zurück, weil der SRB sie aufgefordert hatte, in einem Fragebogen Stellung zu nehmen.

Insoweit weist das Gericht erstens darauf hin, dass die Wahrung des Rechts auf Anhörung auch dann sichergestellt werden muss, wenn es an einer Regelung fehlt, die ausdrücklich die Ausübung dieses Rechts vorsieht, und dass weder die Verordnung Nr. 806/2014 noch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) ein besonderes Verfahren zur Durchführung des Rechts auf Anhörung vorsehen. Somit fiel die Entscheidung des SRB, einen Fragebogen zur Einholung der Stellungnahmen der betroffenen Anteilseigner und Gläubiger zu verwenden, in seinen Beurteilungsspielraum bei der Organisation dieses Verfahrens, um den betroffenen Anteilseignern und Gläubigern die Ausübung ihres Rechts auf Anhörung zu ermöglichen, sofern sie dieses Recht wirksam und sachdienlich ausüben können.

Zweitens stellt das Gericht im vorliegenden Fall fest, dass der SRB alle eingegangenen Stellungnahmen geprüft und im angefochtenen Beschluss erläutert hat, weshalb einige dieser Stellungnahmen für den Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht relevant seien. Das Gericht weist das Vorbringen zurück, mit dem eine Verletzung des Rechts auf Anhörung geltend gemacht wird, weil der SRB nicht relevante Stellungnahmen zurückgewiesen habe.

Drittens stellt das Gericht fest, dass die Fragen in dem Fragebogen neutral formuliert gewesen sind, in Form einer knappen Darstellung des betreffenden Themas und eines Verweises auf die betreffenden Teile der vorläufigen Entscheidung oder der Bewertung 3, gefolgt von einer Aufforderung an die betroffenen Anteilseigner und Gläubiger, zu diesem Thema Stellung zu nehmen oder ihre Meinung dazu zu äußern.

Viertens weist das Gericht das Vorbringen zur Begrenzung der Länge der Antworten auf dem Fragebogen mit der Begründung zurück, dass es rein theoretisch ist und nicht rechtlich hinreichend belegen kann, dass das Verfahren ohne eine solche Grenze zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

Denn zum einen wurden die Stellungnahmen, die zur Beantwortung des Fragebogens in dem Verfahren über das Recht auf Anhörung abgegeben worden sind, im angefochtenen Beschluss eingehend geprüft und haben den Bewerter zur Erstellung des erläuternden Dokuments veranlasst. Somit sind die Stellungnahmen, auch wenn sie der Länge nach begrenzt waren, vom SRB und vom Bewerter ausführlich beantwortet worden.

Zum anderen geben die Kläger nicht an, welche anderen Stellungnahmen als die abgegebenen und vom SRB und Bewerter beantworteten sie wegen der Länge des Fragebogens nicht hätten geltend machen können. Sie geben auch nicht an, welche Unterlagen sie dem Fragebogen hätten beifügen wollen.

Als Viertes weist das Gericht den Klagegrund als ins Leere gehend zurück, mit dem geltend gemacht wird, dass sich die Bewertung 3 auf eine falsche Grundlage in Bezug auf die Finanzlage von Banco Popular zum Zeitpunkt ihrer Abwicklung stütze.

Das Gericht weist nämlich darauf hin, dass die Beurteilung der Ungleichbehandlung zum Zeitpunkt der Annahme des Abwicklungskonzepts erfolgen musste. Das Sachverständigengutachten der Bank von Spanien vom 8. April 2019, auf das sich die Kläger stützen und dessen Vorlage im Wege einer Beweiserhebung beantragt worden ist, betrifft aber Ereignisse aus der Zeit vor der Abwicklung von Banco Popular, die für die Durchführung der Bewertung 3 nicht relevant waren.

Als Fünftes weist das Gericht den Klagegrund zurück, mit dem geltend gemacht wird, der SRB habe die Entscheidungsbefugnisse, die ihm die Verordnung Nr. 806/2014 verleihe, zu Unrecht auf den Bewerter übertragen.

Erstens kommt das Gericht nach der Feststellung, dass die Kläger weder eine Einrede der Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 806/2014 erhoben haben, noch Rügen geltend gemacht haben, die auf die Ausübung eines Ermessens durch den SRB oder eine mangelnde Klarheit bei der Abgrenzung seiner Befugnisse in dieser Verordnung gestützt wären, noch Rügen geltend gemacht haben, die darauf gestützt wären, dass der SRB gegen diese Verordnung dadurch verstoßen hätte, dass er seine durch diese Verordnung verliehenen Befugnisse überschritten hätte, zu dem Schluss, dass das Vorbringen, mit dem dem SRB vorgeworfen werden soll, eine Entscheidungsbefugnis an den Bewerter übertragen zu haben, keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Übertragung von Befugnissen belegen kann.

Zweitens weist das Gericht darauf hin, dass die Entscheidung, den betroffenen Anteilseignern und Gläubigern keine Entschädigung zu gewähren, vom SRB und nicht vom Bewerter getroffen wurde.

Außerdem hätten in dem Fall, dass ein reguläres Insolvenzverfahren für Banco Popular eingeleitet worden wäre, die wirtschaftlichen und technischen Aspekte der Bewertung der Behandlung der betroffenen Anteilseigner und Gläubiger in Anwendung der Verordnung Nr. 806/2014 von einem unabhängigen Bewerter und nicht vom SRB selbst beurteilt werden müssen. Daher kann der Umstand, dass der SRB dem Bewerter die Durchführung der Bewertung 3 anvertraut hat, nicht als Übertragung seiner Befugnis zum Erlass der Entscheidung verstanden werden.

Drittens kann zum einen im Hinblick auf die Bestimmungen der Verordnung Nr. 806/2014 der Umstand, dass der SRB die Schlussfolgerungen der Bewertung 3 gebilligt hat, nicht dahin ausgelegt werden, dass er die Einhaltung der Anforderungen, die der unabhängige Bewerter bei der Durchführung seiner Bewertung beachten muss, nicht kontrolliert hat. Zum anderen geht bereits aus dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses hervor, dass sich der SRB nicht damit begnügt hat, die Bewertung 3 und das erläuternde Dokument zusammenzufassen, sondern deren Gültigkeit im Hinblick auf die Stellungnahmen der betroffenen Anteilseigner und Gläubiger geprüft hat.

Als Sechstes weist das Gericht den Klagegrund einer Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf zurück.

In Bezug auf die Nichtoffenlegung bestimmter Informationen in der nicht vertraulichen Fassung der Bewertung 3, die der vorläufigen Entscheidung beigefügt war, stellt das Gericht fest, dass die Beurteilung des SRB, dass die bereinigten Daten über die Rückstellungen für Rechtsrisiken in der Bewertung 3 unter das Berufsgeheimnis fielen und vertraulich waren, nicht bestritten wird, und dass ebenso wenig bestritten wird, dass der SRB verpflichtet ist, vertrauliche Daten zu schützen(11). Zudem tragen die Kläger nicht vor, dass diese bereinigten Daten für das Verständnis des angefochtenen Beschlusses oder für die Ausübung ihres Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf erforderlich wären.

Als Siebtes weist das Gericht den Klagegrund zurück, mit dem eine Verletzung des Eigentumsrechts geltend gemacht wird.

Das Gericht weist darauf hin, dass mit der Verordnung Nr. 806/2014 ein Mechanismus geschaffen wird, der den Anteilseignern und den Gläubigern des abgewickelten Unternehmens eine angemessene Entschädigung im Einklang mit den Anforderungen nach Art. 17 Abs. 1 der Charta garantieren soll.

Im vorliegenden Fall haben die Kläger in Anbetracht dessen, dass sie nicht nachgewiesen haben, dass der SRB einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als er auf der Grundlage der Bewertung 3 geschlossen hat, dass die betroffenen Anteilseigner und Gläubiger von Banco Popular im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens nicht besser behandelt worden wären als im Rahmen der Abwicklung, keine Verletzung ihres Eigentumsrechts durch den angefochtenen Beschluss nachgewiesen.

Ferner kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass der SRB gegen Art. 17 der Charta verstoßen habe, da der Wert der Entschädigung nach dem Grundsatz, dass kein Gläubiger schlechter behandelt wird, auf der Grundlage des für die Anteilseigner ungünstigsten Szenarios, nämlich eines Liquidationsverfahrens gegen Banco Popular, berechnet worden ist. Die Anwendung eines alternativen Liquidationsszenarios steht nämlich in Einklang mit den geltenden Bestimmungen.


1      Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1).


2      Beschluss SRB/EES/2017/08 über die Annahme eines Abwicklungskonzepts für die Banco Popular (im Folgenden: Abwicklungskonzept).


3      Beschluss (EU) 2017/1246 der Kommission vom 7. Juni 2017 zur Billigung des Abwicklungskonzepts für Banco Popular Español S.A. (ABl. 2017, L 178, S. 15).


4      Gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014.


5      Gemäß Art. 20 Abs. 16 bis 18 der Verordnung Nr. 806/2014.


6      Gemäß Art. 76 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 806/2014.


7      Vorläufige Entscheidung des SRB darüber, ob Anteilseignern oder Gläubigern, die von den Abwicklungsmaßnahmen betreffend Banco Popular betroffen sind, Entschädigung gewährt werden muss, sowie über die Einleitung einer Anhörung (SRB/EES/2018/132) (im Folgenden: vorläufige Entscheidung).


8      Gemäß Art. 20 Abs. 16 bis 18 der Verordnung Nr. 806/2014.


9      Delegierte Verordnung (EU) 2018/344 der Kommission vom 14. November 2017 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards zur Festlegung der Kriterien für die Methoden zur Bewertung einer unterschiedlichen Behandlung bei der Abwicklung (ABl. L 2018, L 67, S. 3).


10      Gemäß Art. 41 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1075 der Kommission vom 23. März 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards, in denen der Inhalt von Sanierungsplänen, Abwicklungsplänen und Gruppenabwicklungsplänen, die Mindestkriterien, anhand deren die zuständige Behörde Sanierungs- und Gruppensanierungspläne zu bewerten hat, die Voraussetzungen für gruppeninterne finanzielle Unterstützung, die Anforderungen an die Unabhängigkeit der Bewerter, die vertragliche Anerkennung von Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen, die Verfahren und Inhalte von Mitteilungen und Aussetzungsbekanntmachungen und die konkrete Arbeitsweise der Abwicklungskollegien festgelegt wird (ABl. L 2016, L 184, S. 1).


11       Gemäß Art. 88 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014.