Language of document : ECLI:EU:C:2021:518

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JEAN RICHARD DE LA TOUR

vom 24. Juni 2021(1)

Rechtssache C102/20

StWL Städtische Werke Lauf a.d. Pegnitz GmbH

gegen

eprimo GmbH,

Beteiligte:

Interactive Media CCSP GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2002/58/EG – Verarbeitung personenbezogener Daten und Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation – In der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes eingeblendete Werbenachricht – Art. 2 Abs. 2 Buchst. h – Begriff ‚elektronische Post‘ – Art. 13 Abs. 1 – Begriff der ‚Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung‘ – Richtlinie 2005/29/EG – Unlautere Geschäftspraktiken – Anhang I Nr. 26 – Begriff des ‚hartnäckigen und unerwünschten Ansprechens über E‑Mail‘“






I.      Einleitung

1.        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation)(2) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009(3) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2002/58) sowie von Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (4).

2.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der StWL Städtische Werke Lauf a.d. Pegnitz GmbH (im Folgenden: StWL) und der eprimo GmbH, zwei Unternehmen, die Endkunden mit Strom beliefern, wegen der Vereinbarkeit einer von der Interactive Media CCSP GmbH (im Folgenden: Interactive Media) im Auftrag von eprimo durchgeführten Werbemaßnahme, die in der Einblendung von Werbenachrichten in der Inbox von Nutzern des kostenlosen E‑Mail-Dienstes „T‑Online“ besteht, mit den nationalen Vorschriften über unlauteren Wettbewerb.

3.        Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Werbetechnik ist schwer einzustufen, weil sie sich einerseits vom technischen Modell der E‑Mail unterscheidet und andererseits vom Empfängerhorizont aus der unerbetenen E‑Mail (Spam), die hauptsächlich vom u. a. in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 genannten Schutzzweck erfasst ist, zum Verwechseln ähnlich ist.

4.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich dem Gerichtshof erstens vorschlagen, für Recht zu erkennen, dass Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 dahin auszulegen ist, dass die Einblendung von Werbenachrichten in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes in einer Form, die der von E‑Mails ähnlich ist, und an derselben Stelle wie diese E‑Mails, eine „Verwendung … elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wobei es insoweit ohne Bedeutung ist, dass die Empfänger dieser Nachrichten nach dem Zufallsprinzip bestimmt werden, und keine Belastung des Nutzers festgestellt werden muss, die über eine Belästigung hinausgeht. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Nutzer vor der Einblendung solcher Werbenachrichten in der Inbox seines E‑Mail-Kontos eine zumindest ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgte Einwilligung erteilt hat.

5.        Zweitens werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, festzustellen, dass der Begriff „hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über … E‑Mail“ im Sinne von Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen ist, dass er Verhaltensweisen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erfassen kann, die darin bestehen, dass in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes Werbenachrichten in einer Form, die der von E‑Mails ähnlich ist, und an derselben Stelle wie diese eingeblendet werden. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zum einen zu prüfen, ob die Einblendung dieser Werbenachrichten so häufig und regelmäßig war, dass sie als „hartnäckiges“ Ansprechen eingestuft werden kann, und zum anderen, ob die Einblendung dieser Nachrichten als „unerwünschtes“ Ansprechen eingestuft werden kann, wobei das Vorliegen oder Fehlen einer von diesem Nutzer vor der Einblendung erteilten Einwilligung und der von ihm geäußerte Widerspruch gegen ein solches werbliches Vorgehen zu berücksichtigen sind.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Richtlinie 2002/58

6.        In den Erwägungsgründen 4 und 40 der Richtlinie 2002/58 heißt es:

„(4)      Mit der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation[(5)] wurden die Grundsätze der Richtlinie 95/46/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr(6)] in spezielle Vorschriften für den Telekommunikationssektor umgesetzt. Die Richtlinie 97/66… muss an die Entwicklungen der Märkte und Technologien für elektronische Kommunikationsdienste angepasst werden, um den Nutzern öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste unabhängig von der zugrunde liegenden Technologie den gleichen Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre zu bieten. Jene Richtlinie ist daher aufzuheben und durch die vorliegende Richtlinie zu ersetzen.

(40)      Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, um die Teilnehmer gegen die Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung, insbesondere durch automatische Anrufsysteme, Faxgeräte und elektronische Post, einschließlich SMS, zu schützen. Diese Formen von unerbetenen Werbenachrichten können zum einen relativ leicht und preiswert zu versenden sein und zum anderen eine Belastung und/oder einen Kostenaufwand für den Empfänger bedeuten. Darüber hinaus kann in einigen Fällen ihr Umfang auch Schwierigkeiten für die elektronischen Kommunikationsnetze und die Endgeräte verursachen. Bei solchen Formen unerbetener Nachrichten zum Zweck der Direktwerbung ist es gerechtfertigt, zu verlangen, die Einwilligung der Empfänger einzuholen, bevor ihnen solche Nachrichten gesandt werden. Der Binnenmarkt verlangt einen harmonisierten Ansatz, damit für die Unternehmen und die Nutzer einfache, [unions]weite Regeln gelten.“

7.        Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2002/58 sieht vor:

„Sofern nicht anders angegeben, gelten die Begriffsbestimmungen der Richtlinie 95/46… und der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (‚Rahmenrichtlinie‘)[(7)], auch für diese Richtlinie.

Weiterhin bezeichnet im Sinne dieser Richtlinie der Ausdruck

d)      ‚Nachricht‘ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird. Dies schließt nicht Informationen ein, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden, soweit die Informationen nicht mit dem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können;

f)      ‚Einwilligung‘ eines Nutzers oder Teilnehmers die Einwilligung der betroffenen Person im Sinne von Richtlinie 95/46…[(8)];

h)      ‚elektronische Post‘ jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text‑, Sprach‑, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird;

…“

8.        Art. 13 („Unerbetene Nachrichten“) der Richtlinie 2002/58 bestimmt:

„(1)      Die Verwendung von automatischen Anruf- und Kommunikationssystemen ohne menschlichen Eingriff (automatische Anrufmaschinen), Faxgeräten oder elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung darf nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer oder Nutzer gestattet werden.

(2)      Ungeachtet des Absatzes 1 kann eine natürliche oder juristische Person, wenn sie von ihren Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung gemäß der Richtlinie 95/46… deren elektronische Kontaktinformationen für elektronische Post erhalten hat, diese zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen verwenden, sofern die Kunden klar und deutlich die Möglichkeit erhalten, eine solche Nutzung ihrer elektronischen Kontaktinformationen zum Zeitpunkt ihrer Erhebung und bei jeder Übertragung gebührenfrei und problemlos abzulehnen, wenn der Kunde diese Nutzung nicht von vornherein abgelehnt hat.

(3)      Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass außer in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Fällen unerbetene Nachrichten zum Zwecke der Direktwerbung, die entweder ohne die Einwilligung der betreffenden Teilnehmer oder Nutzer erfolgen oder an Teilnehmer oder Nutzer gerichtet sind, die keine solchen Nachrichten erhalten möchten, nicht gestattet sind; welche dieser Optionen gewählt wird, wird im innerstaatlichen Recht geregelt, wobei berücksichtigt wird, dass beide Optionen für den Teilnehmer oder Nutzer gebührenfrei sein müssen.

(4)      Auf jeden Fall verboten ist die Praxis des Versendens elektronischer Nachrichten zu Zwecken der Direktwerbung, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird, bei der gegen Artikel 6 der Richtlinie 2000/31/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (‚Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr‘)(9)] verstoßen wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann, oder in denen der Empfänger aufgefordert wird, Websites zu besuchen, die gegen den genannten Artikel verstoßen.

…“

2.      Richtlinie 2005/29

9.        Der 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29 lautet:

„Es ist wünschenswert, dass diejenigen Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen unlauter sind, identifiziert werden, um größere Rechtssicherheit zu schaffen. Anhang I enthält daher eine umfassende Liste solcher Praktiken. Hierbei handelt es sich um die einzigen Geschäftspraktiken, die ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Artikel 5 bis 9 als unlauter gelten können. Die Liste kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.“

10.      Art. 5 der Richtlinie 2005/29 bestimmt:

„(1)      Unlautere Geschäftspraktiken sind verboten.

(2)      Eine Geschäftspraxis ist unlauter, wenn

a)      sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht

und

b)      sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Verbrauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen.

(4)      Unlautere Geschäftspraktiken sind insbesondere solche, die

a)      irreführend im Sinne der Artikel 6 und 7

oder

b)      aggressiv im Sinne der Artikel 8 und 9 sind.

(5)      Anhang I enthält eine Liste jener Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind. Diese Liste gilt einheitlich in allen Mitgliedstaaten und kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.“

11.      Art. 8 der Richtlinie 2005/29 sieht vor:

„Eine Geschäftspraxis gilt als aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder durch unzulässige Beeinflussung tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt und dieser dadurch tatsächlich oder voraussichtlich dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“

12.      In Anhang I dieser Richtlinie sind „Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten“, aufgeführt. Zu den „[a]ggressive[n] Geschäftspraktiken“ gehört nach Nr. 26 Folgendes: „Kunden werden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax, E‑Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien geworben, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten nach den nationalen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen. Dies gilt unbeschadet … der Richtlinien 95/46… und 2002/58…“

B.      Deutsches Recht

13.      § 3 Abs. 1 und 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb(10) vom 3. Juli 2004 in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung bestimmt:

„(1)      Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2)      Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.“

14.      § 5a Abs. 6 UWG sieht vor:

„Unlauter handelt …, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“

15.      In § 7 Abs. 1 und 2 UWG heißt es:

„(1)      Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.

(2)      Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen

1.      bei Werbung unter Verwendung eines in den Nummern 2 und 3 nicht aufgeführten, für den Fernabsatz geeigneten Mittels der kommerziellen Kommunikation, durch die ein Verbraucher hartnäckig angesprochen wird, obwohl er dies erkennbar nicht wünscht;

3.      bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, oder

4.      bei Werbung mit einer Nachricht,

a)      bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird …

…“

16.      § 8 UWG lautet:

„(1)      Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2)      Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3)      Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.      jedem Mitbewerber;

…“

III. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

17.      StWL und eprimo sind zwei konkurrierende Stromlieferanten. Im Auftrag von eprimo schaltete Interactive Media, eine Werbeagentur, Werbeeinblendungen in E‑Mail-Postfächern von Nutzern des kostenlosen E‑Mail-Dienstes T‑Online.

18.      Die Werbenachrichten, die „Mehr Sparen“ mit eprimo ankündigten, erschienen im privaten Postfach eines Nutzers von T‑Online, genauer gesagt in der Inbox, d. h. in dem Bereich, in dem die eingegangenen E‑Mails listenförmig angezeigt werden, und eingebettet in eingegangene E‑Mails. Im Unterschied zu diesen E‑Mails war die mit dem Wort „Anzeige“ versehene Werbung grau unterlegt und enthielt weder ein Datum noch einen Absender, konnte nicht archiviert oder weitergeleitet werden und konnte auch nicht mit den vom E‑Mail-Dienstleister zur Verfügung gestellten Möglichkeiten zur Bearbeitung von E‑Mails beantwortet werden. Außerdem wurde sie nicht in die Anzahl der ungelesenen E‑Mails eingerechnet und belegte keinen Speicherplatz in der Inbox. Der Nutzer richtete am 20. Dezember 2016 wegen einer Werbung vom 12. Dezember 2016 eine Abmahnung an eprimo und brachte damit ausdrücklich seinen Willen zum Ausdruck, keine derartige Werbung erhalten zu wollen. Dennoch erschienen am 13. und 15. Januar 2017 gleichartige Werbungen in seiner Inbox.

19.      Die im Ausgangsverfahren streitigen Werbenachrichten werden in der Inbox der Nutzer des E‑Mail-Dienstes nach dem Zufallsprinzip eingeblendet. Beim Öffnen der zu einem E‑Mail-Konto gehörenden Internetseite wird eine Anfrage (AdRequest) an den Adserver geschickt, der sodann die entsprechenden Parameter an den Internetbrowser des Nutzers sendet, wodurch in der Inbox dieses Kontos ein nach dem Zufallsprinzip ausgewähltes Werbebanner eingeblendet wird. Klickt der Nutzer auf die eingeblendete Werbung, so wird diese Eingabe an den Adserver weitergeleitet, der den Klick protokolliert und den Browser auf die Seite des Werbenden weiterleitet.

20.      Das von StWL angerufene Landgericht Nürnberg-Fürth (Deutschland), das diese Werbemethode unter den Gesichtspunkten der unzumutbaren Belästigung und der Irreführung für wettbewerbswidrig hielt, verurteilte eprimo, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Strom an Letztverbraucher Werbung über das T‑Online-E‑Mail-Konto zu betreiben.

21.      Der Berufung von eprimo beim Oberlandesgericht Nürnberg (Deutschland) wurde mit der Begründung stattgegeben, dass die beanstandete Platzierung der Werbung in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes keine wettbewerbsrechtlich unzulässige geschäftliche Handlung sei.

22.      Das Oberlandesgericht Nürnberg war zum einen der Auffassung, dass die in Rede stehende Werbung keine unzumutbare Belästigung unter Verwendung elektronischer Post im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG darstelle, da diese Werbung nicht als elektronische Post im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden könne. Jedenfalls führe diese Werbung – über die „normale“ belästigende Wirkung von Werbung hinaus – nicht zu Belastungen oder Kosten des Nutzers des E‑Mail-Dienstes und verursache daher keine unzumutbare Belästigung im Sinne der Generalklausel des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG, insbesondere im Hinblick auf die Kostenfreiheit des E‑Mail-Dienstes.

23.      Zum anderen kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Werbung nicht gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a UWG unzulässig sei, weil es sich nicht um Werbung mit Nachrichten handele. Auch die Bestimmung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG sei nicht anwendbar, weil sie ein „Ansprechen“ im Sinne eines Bedrängens eines Verbrauchers voraussetze, woran es vorliegend fehle. Schließlich sei auch keine Unlauterkeit der Anzeigen wegen Irreführung gemäß § 5a Abs. 6 UWG anzunehmen, weil die Anzeigen ihren werblichen Charakter nicht verschleierten.

24.      Der mit der Revision von StWL befasste Bundesgerichtshof (Deutschland) ist der Ansicht, dass die Beantwortung der Frage, ob im Hinblick auf die in Rede stehende Praxis ein Unterlassungsanspruch bestehe, von der Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d und h, Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 sowie Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29 und der Auslegung der Begriffe „elektronische Post“, „Verwendung“ und „Ansprechen“ abhänge.

25.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts könnte das eprimo vorgeworfene Verhalten nämlich gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, der Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 umsetzte, unzulässig sein. Auch komme in Betracht, dass die Werbung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG, der Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29 umsetze, unzulässig sei.

26.      Was als Erstes den Teil betrifft, der sich auf die Anwendung von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG bezieht, mit dem Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 umgesetzt wird, ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Klarstellungen zu den Begriffen der „elektronischen Post“ und deren „Verwendung“ für die Zwecke der Direktwerbung.

27.      Um festzustellen, ob die in Rede stehende Werbung unter den Begriff der „elektronischen Post“ fällt, stellt das vorlegende Gericht zunächst fest, dass die Nachricht, die infolge der durch den Nutzer mittels Einloggens vorgenommenen Öffnung der Internetseite seines E‑Mail-Kontos vom Betreiber des Adservers in Echtzeit in die Inbox des E‑Mail-Kontos übermittelt und dort diesem Nutzer angezeigt werde, eine „Nachricht“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2002/58 darstelle. Sodann geht es davon aus, dass zu prüfen sei, ob eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als „elektronische Post“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Richtlinie eingestuft werden könne.

28.      In diesem Zusammenhang wirft das vorlegende Gericht die Frage nach dem in dieser Bestimmung genannten Kriterium des Verschickens der Nachricht auf. Die Inbox-Werbung werde nämlich nicht von einem Nutzer eines E‑Mail-Dienstes an einen anderen Nutzer übersandt, sondern infolge des Öffnens des E‑Mail-Kontos von Adservern auf bestimmten dafür vorgesehenen Flächen in der Inbox eines nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Nutzers angezeigt. Bei Anwendung der Merkmale einer herkömmlichen E‑Mail fehle es an einem „Verschicken“ der Nachricht, so dass die in der Inbox eingeblendete Werbung nicht als „elektronische Post“ eingestuft werden könne. Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob der im 40. Erwägungsgrund dargelegte und mit Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 verfolgte Zweck des Schutzes der Privatsphäre der Nutzer nicht für einen funktionalen und nicht technischen Ansatz bei der Definition des „Verschickens“ sprechen könnte. Dieser Zweck könnte es rechtfertigen, den Begriff des „Verschickens“ nicht orientiert an den herkömmlichen Formen elektronischer Kommunikation im Sinne eines Versendens von einem bestimmten Nutzer an einen anderen im Vorhinein bestimmten Nutzer, sondern funktional im Sinne eines Verbreitens auszulegen.

29.      Außerdem wirft das vorlegende Gericht die Frage nach der Definition des Begriffs „Abrufen“ in Art. 2 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58 auf. Das vorlegende Gericht führt aus, dass sich aus dieser Bestimmung in Verbindung mit dem 27. Erwägungsgrund dieser Richtlinie(11) ergeben könnte, dass das Abrufen der Nachricht ein bewusstes Verhalten des Adressaten voraussetze, der mit der Öffnung seines E‑Mail-Kontos seinen Willen dokumentiere, dass ihm seine auf dem Server des E‑Mail-Dienstes gespeicherten E‑Mails angezeigt und übermittelt werden, während der Nutzer, was die in Rede stehende Werbung anbelange, die auf einem von der Gesellschaft, die sie schalte, kontrollierten Adserver gespeichert sei, lediglich diesen E‑Mail-Dienst öffnen müsse, damit das Werbebanner in Echtzeit angezeigt werde, ohne dass der Anwender von diesem Vorgang etwas merke und sich durch einen Willensentschluss für oder gegen das Anzeigen entscheiden könne. Alles in allem setze der Abruf nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58 eine final auf die Übermittlung einer Nachricht üblicherweise vom Server des Diensteanbieters gerichtete Tätigkeit des Nutzers voraus. Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 den Schutz des Nutzers vor unerbetenen Werbenachrichten verlange und daher davon auszugehen sei, dass die Öffnung des E‑Mail-Kontos im Internet ausreiche, um eine finale Abrufhandlung darzustellen.

30.      Darüber hinaus sei die streitgegenständliche Inbox-Werbung bis zur durch das Einloggen ausgelösten Einblendung der Werbung auf einem Adserver und damit im Netz gespeichert gewesen. Dem 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/58 könne nicht entnommen werden, dass eine elektronische Post nur Nachrichten umfasse, die auf dem Server des Diensteanbieters selbst gespeichert seien.

31.      Das vorlegende Gericht wirft ferner die Frage auf, ob eine „elektronische Post“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 vorliegt, wenn eine Nachricht nicht an einen bereits vor der Übermittlung konkret feststehenden individuellen Empfänger erfolgt, sondern deren Einblendung, wie im Streitfall, nach dem Zufallsprinzip vorgenommen wird. Hierzu stellt das vorlegende Gericht fest, dass die streitgegenständliche Werbung aufgrund eines Zufallsprinzips bei Kunden des kostenfreien E‑Mail-Dienstes eingeblendet worden sei, ohne dass eine vorherige Kommunikation über das Einverständnis des Kunden möglich gewesen sei. Jedoch könne dem von dieser Bestimmung vorgesehenen Erfordernis einer vorherigen Einwilligung nicht entnommen werden, dass alle Formen der Direktwerbung über Kommunikationsnetze zulässig seien, wenn die Einwilligung der Nutzer aufgrund der vom Werbenden benutzten technischen Abläufe nicht vor der Einblendung der Werbung eingeholt werden könne.

32.      Außerdem ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass der Begriff der „Verwendung“ der elektronischen Post im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 definiert werden müsse, und fragt sich, ob die „Belastung“(12) des Nutzers über eine Belästigung hinausgehen müsse, um unter diesen Begriff zu fallen. Es stellt insoweit fest, dass die Belästigung, da die streitige Werbung wie eine E‑Mail wirke und daher stärker wahrgenommen werde als eine Werbung außerhalb der Inbox, größer als bei einer am Rand der Inbox platzierten Werbung sei, und unter diesen Umständen der Zweck des Schutzes der Privatsphäre der Nutzer nicht erreicht werden könnte.

33.      Was als Zweites den Teil betrifft, der sich auf die Anwendung von § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG bezieht, mit dem Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29 umgesetzt wird, ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass die Voraussetzungen eines „Ansprechens“ im Sinne dieser Bestimmung klargestellt werden müssten. Ein Ansprechen sei ausgeschlossen, wenn sich die Nachricht an die Allgemeinheit richte. Vielmehr setze ein Ansprechen eine gezielt an einen individuellen Kunden gerichtete Werbung voraus. In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht, ob eine die Voraussetzungen eines Ansprechens erfüllende gezielte Individualwerbung nur dann vorliegt, wenn ein Kunde mittels eines herkömmlich zur Individualkommunikation zwischen einem Absender und einem Empfänger dienenden Mediums wie Telefon, Fax oder E‑Mail kontaktiert wird, oder ob es ausreicht, wenn, wie im Streitfall, der Bezug auf einen Nutzer dadurch hergestellt wird, dass die Werbung in der Inbox seines E‑Mail-Kontos, d. h. in einem Bereich angezeigt wird, in dem er individuell an ihn gerichtete Nachrichten erwartet.

34.      Da der Nutzer durch die in diese Inbox eingeblendete Werbung in stärkerem Maße belästigt werde als durch herkömmliche Bannerwerbung, die dadurch, dass sie in den dafür normalerweise vorgesehenen Bereichen eingeblendet werde, nicht denselben Individualbezug aufweise, dürfe der von Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29 verfolgte Schutzzweck der Bestimmung ebenfalls betroffen sein.

35.      Darüber hinaus ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass die übrigen Voraussetzungen des Verbotstatbestands nach dieser Vorschrift vorlägen. Es stellt insoweit fest, dass der Nutzer des E‑Mail-Dienstes insgesamt dreimal, also mehrfach und damit hartnäckig, durch in die Inbox seines E‑Mail-Kontos eingeblendete Werbung angesprochen worden sei. Diese Werbung sei auch unerwünscht gewesen, da der Nutzer eprimo gegenüber ausdrücklich seinen Willen kundgetan habe, keine Werbenachrichten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erhalten zu wollen.

36.      Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist der Begriff des „Verschickens“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58 erfüllt, wenn eine Nachricht nicht von einem Nutzer eines elektronischen Kommunikationsdienstes an einen anderen Nutzer durch ein Dienstleistungsunternehmen an die elektronische „Anschrift“ des zweiten Nutzers übersandt wird, sondern infolge des Öffnens der passwortgeschützten Internetseite eines E‑Mail-Kontos automatisiert von Adservern auf bestimmten dafür vorgesehenen Flächen in der E‑Mail‑Inbox eines nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Nutzers angezeigt wird (Inbox-Werbung)?

2.      Setzt ein Abrufen einer Nachricht im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58 voraus, dass der Empfänger nach Kenntniserlangung vom Vorliegen einer Nachricht durch ein willensgetragenes Abrufverlangen eine programmtechnisch vorgegebene Übermittlung der Nachrichtendaten auslöst oder genügt es, wenn das Erscheinen einer Nachricht in der Inbox eines E‑Mail-Kontos dadurch ausgelöst wird, dass der Nutzer die passwortgeschützte Internetseite seines E‑Mail- Kontos öffnet?

3.      Liegt eine elektronische Post im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 auch dann vor, wenn eine Nachricht nicht an einen bereits vor der Übermittlung konkret feststehenden individuellen Empfänger verschickt wird, sondern in der Inbox eines nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Nutzers eingeblendet wird?

4.      Liegt die Verwendung einer elektronischen Post für die Zwecke der Direktwerbung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 nur dann vor, wenn eine Belastung des Nutzers festgestellt wird, die über eine Belästigung hinausgeht?

5.      Liegt eine die Voraussetzungen eines „Ansprechens“ erfüllende Individualwerbung im Sinne von Nr. 26 Satz 1 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29 nur dann vor, wenn ein Kunde mittels eines herkömmlich zur Individualkommunikation zwischen einem Absender und einem Empfänger dienenden Mediums kontaktiert wird, oder reicht es aus, wenn – wie bei der im Streitfall in Rede stehenden Werbung – ein Individualbezug dadurch hergestellt wird, dass die Werbung in der Inbox eines privaten E‑Mail-Kontos und damit in einem Bereich angezeigt wird, in dem der Kunde individuell an ihn gerichtete Nachrichten erwartet?

37.      Interactive Media, eprimo, die portugiesische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. StWL, Interactive Media, eprimo und die Kommission haben die vom Gerichtshof zur schriftlichen Beantwortung gestellten Fragen fristgemäß beantwortet.

IV.    Würdigung

38.      Mit diesem Vorabentscheidungsersuchen wird der Gerichtshof ersucht, sich zu der Frage zu äußern, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Praxis, nach der Werbenachrichten in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes, der diesem Nutzer unentgeltlich zur Verfügung gestellt und durch die von den Werbekunden bezahlte Werbung finanziert wird, angezeigt werden, als mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinien 2002/58 und 2005/29 vereinbar angesehen werden können.

39.      Wie aus Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29 hervorgeht, gilt das Verbot der „[Werbung von] Kunden … durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax, E‑Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien …, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten nach den nationalen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen“ unbeschadet der u. a. in der Richtlinie 2002/58 aufgestellten Regeln. Entsprechend dem Ersuchen des vorlegenden Gerichts werde ich somit nacheinander die Fragen nach der Auslegung zum einen der Richtlinie 2002/58 und zum anderen der Richtlinie 2005/29 prüfen.

A.      Zur Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2002/58

40.      Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob die Kriterien, anhand deren eine „elektronische Post“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58 definiert werden kann, erfüllt sind, wenn eine Werbenachricht in der Inbox des Kontos eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes eingeblendet wird. Konkret möchte es wissen, ob eine Nachricht als „verschickt“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann, wenn sie von diesem Nutzer nicht über einen Diensteanbieter an einen anderen Nutzer an dessen elektronische Anschrift übersandt wird, sondern infolge des Öffnens der Internetseite eines gesicherten E‑Mail-Kontos automatisiert in der Inbox eines nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Nutzers angezeigt wird. Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, ob es für die Einstufung einer Nachricht als „abgerufen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58 erforderlich ist, dass der Empfänger die Übermittlung der Daten der fraglichen Nachricht willentlich auslöst, oder ob es ausreicht, dass diese Nachricht infolge des Öffnens der Internetseite des gesicherten E‑Mail-Kontos in der Inbox erscheint.

41.      Mit seiner dritten und seiner vierten Frage ersucht das vorlegende Gericht um eine Auslegung des Begriffs „Verwendung … elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58. Konkret möchte es mit seiner dritten Frage wissen, ob eine „elektronische Post“ im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn eine Nachricht nicht an einen bereits vor der Übermittlung individuell bestimmten Empfänger erfolgt, sondern in der Inbox eines nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Nutzers eingeblendet wird. Außerdem möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine „Verwendung … elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 nur dann vorliegt, wenn eine Belastung des Nutzers festgestellt wird, die über eine Belästigung hinausgeht.

42.      Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58 ist elektronische Post „jede … Text‑, Sprach‑, Ton- oder Bildnachricht“. Dieser Teil der Definition ruft im Rahmen der vorliegenden Rechtssache keine Diskussion hervor und wird durch eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende sicherlich erfüllt.

43.      Nachdem dies klargestellt ist, müssen drei weitere Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Nachricht als „elektronische Post“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann. Erstens muss die Nachricht „über ein öffentliches Kommunikationsnetz [verschickt]“ werden. Zweitens muss diese Nachricht „im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden“ können. Drittens muss diese Nachricht von ihrem Empfänger abgerufen werden können.

44.      Zur Frage, ob eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende diese drei Voraussetzungen vollständig oder auch nur teilweise erfüllt, stehen sich zwei Auffassungen gegenüber.

45.      Nach der von eprimo und Interactive Media vertretenen Auffassung, die die Einstufung als „elektronische Post“ ablehnt, kann eine Werbenachricht, die nach dem Zufallsprinzip in der Inbox eines E‑Mail-Kontos eingeblendet wird, nicht als in Übereinstimmung mit den Anforderungen von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58 geschickt, gespeichert und abgerufen angesehen werden. Die Argumente, die zur Unterstützung dieser Ansicht vorgebracht werden, beruhen auf dem Gedanken, dass eine solche Nachricht nicht die Merkmale einer herkömmlichen E‑Mail aufweist. Erstens würden sie nicht von einem Nutzer an einen anderen übersandt, sondern vorübergehend und automatisiert in der Inbox zufällig ausgewählter Nutzer angezeigt. Zweitens werde eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert. Drittens werde diese Nachricht nicht von ihrem Empfänger abgerufen, da ein Abrufen ein bewusstes, auf die Kenntnisnahme einer bestimmten Nachricht durch deren Anwählen gerichtetes Verhalten des Empfängers erfordere.

46.      Die vom vorlegenden Gericht und zum Teil von der portugiesischen Regierung vertretene Auffassung, die die Einstufung einer Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als „elektronische Post“ befürwortet, beruht auf der Notwendigkeit einer funktionalen Auslegung des Begriffs der „elektronischen Post“, um den Zweck des Schutzes der Privatsphäre der Nutzer von E‑Mail-Diensten zu erreichen. Eine solche Auslegung hat zur Folge, dass jede der Voraussetzungen dieses Begriffs flexibel beurteilt werden muss. Eine verbreitete und in der Inbox des Kontos eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes eingeblendete Werbenachricht müsse daher unabhängig von der verwendeten Technologie als ihm „über ein öffentliches Kommunikationsnetz [verschickt]“ angesehen werden. Der Umstand, dass diese Nachricht auf einem Adserver und nicht im Endgerät des Empfängers gespeichert sei, reiche aus, da davon ausgegangen werden könne, dass es sich um eine Speicherung „im Netz“ im Sinne dieser Bestimmung handele. Zudem müsse eine solche Nachricht, die bei Öffnen der Internetseite des E‑Mail-Kontos eingeblendet werde, als abgerufen gelten, wie in der genannten Bestimmung gefordert. Zum letztgenannten Punkt ist die Argumentation der portugiesischen Regierung differenzierter, da sie der Ansicht ist, dass eine in der Inbox eines solchen E‑Mail-Kontos angezeigte Werbenachricht von ihrem Empfänger nicht abgerufen werden könne. Da diese Nachricht jedoch weiterhin im Netz gespeichert bleibe, reiche dies aus, um sie als „elektronische Post“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58 einzustufen.

47.      In Anbetracht der oft technischen Argumente, die für jede dieser beiden Auffassungen vorgebracht werden, bin ich offen für die vom vorlegenden Gericht im Sinne einer funktionalen Auslegung des Begriffs „elektronische Post“ entwickelte Argumentation, die zu der Annahme führen könnte, dass eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58 erfüllt.

48.      Jedenfalls bin ich der Ansicht, dass dieser Begriff nicht isoliert, sondern unter Berücksichtigung der Bestimmung, in der er verwendet wird, d. h. im vorliegenden Fall des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58, ausgelegt werden muss. Insoweit stimme ich mit StWL und der Kommission darin überein, dass es sich bei dem Begriff, auf dessen Auslegung es im Rahmen der vorliegenden Rechtssache maßgeblich ankommt, um den Begriff „Verwendung … elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ handelt. Ich werde mich daher bei meiner Analyse auf die Auslegung dieser Bestimmung konzentrieren, wobei ich ihren Wortlaut, ihren Zweck und die Notwendigkeit, ihre praktische Wirksamkeit zu gewährleisten, berücksichtigen werde.

49.      Insoweit weise ich darauf hin, dass Art. 13 der Richtlinie 2002/58 die Überschrift „Unerbetene Nachrichten“ trägt. Unter Bezugnahme auf die Definition des Begriffs „Nachricht“ in Art. 2 Satz 2 Buchst. d dieser Richtlinie ist ihr Art. 13 auf „jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird“, anwendbar.

50.      Fällt eine Nachricht in den Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58, so ist sie unter der Voraussetzung zulässig, dass die vorherige Einwilligung des Empfängers eingeholt wurde. Aus Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58 in Verbindung mit Art. 94 Abs. 2 der Verordnung 2016/679 ergibt sich, dass diese Einwilligung den Anforderungen des Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46 oder aber denen des Art. 4 Nr. 11 dieser Verordnung genügen muss, je nachdem, welche der beiden Vorschriften in zeitlicher Hinsicht auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist. Im Hinblick auf eine Unterlassungsklage gegen eine unzulässige geschäftliche Handlung ist nicht ausgeschlossen, dass die Verordnung 2016/679, sofern das von StWL angestrengte Verfahren darauf abzielen sollte, dass eprimo ihr Verhalten künftig unterlässt, in zeitlicher Hinsicht im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits anwendbar ist, obwohl der Sachverhalt, der Anlass zu diesem Rechtsstreit gegeben hat, vor dem 25. Mai 2018 liegt, dem Tag, an dem diese Verordnung anwendbar wurde, da die Richtlinie 95/46 mit Wirkung von diesem Tag aufgehoben wurde(13). Daraus folgt, dass es sich zumindest um eine ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgte Einwilligung handeln muss(14).

51.      Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 legt fest, für welche Arten von Nachrichten das Erfordernis einer vorherigen Einwilligung der Empfänger gilt. Dabei handelt es sich zum einen um Nachrichten für die Zwecke der Direktwerbung, d. h. um Nachrichten zu kommerziellen Zwecken, die sich direkt und individuell an die Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste richten. Zum anderen müssen diese Nachrichten den Nutzern durch „[d]ie Verwendung von automatischen Anruf- und Kommunikationssystemen ohne menschlichen Eingriff (automatische Anrufmaschinen), Faxgeräten oder elektronischer Post“ zugehen.

52.      Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 soll daher nicht generell für Werbefenster gelten, die beim Aufrufen von Internetseiten erscheinen können. Diese Bestimmung betrifft nur Nachrichten, die Direktwerbung zum Gegenstand haben und ihre Adressaten mittels bestimmter elektronischer Kommunikationsmittel, wie z. B. elektronischer Post, direkt und individuell erreichen(15).

53.      Der jetzige Wortlaut von Art. 13 der Richtlinie 2002/58 geht auf die Richtlinie 2009/136 zurück, nach deren 67. Erwägungsgrund „Vorkehrungen, die getroffen werden, um die Teilnehmer gegen ein Eindringen in ihre Privatsphäre durch unerbetene Direktwerbenachrichten per elektronischer Post zu schützen, … auch für SMS- und MMS-Nachrichten sowie für ähnliche Anwendungen gelten [sollten]“(16). Der Unionsgesetzgeber wollte somit von einem weiten, über E‑Mails allein hinausgehenden Verständnis der elektronischen Kommunikationsmittel, mit denen Direktwerbung durchgeführt wird, ausgehen. Dieses weite Verständnis kommt auch im 40. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/58 zum Ausdruck, in dem die Notwendigkeit betont wird, „die Teilnehmer gegen die Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung, insbesondere durch automatische Anrufsysteme, Faxgeräte und elektronische Post, einschließlich SMS, zu schützen“(17), was, abgesehen davon, dass sich elektronische Post nicht auf E‑Mails allein beschränkt, darauf hindeutet, dass die Liste der angeführten Kommunikationsmittel nicht erschöpfend ist. Der Wille des Unionsgesetzgebers, ein breites Spektrum von Nachrichten, die für Zwecke der Direktwerbung vorgenommen werden, zu erfassen, wird auch durch den vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/58 gestützt, in dem das Ziel zum Ausdruck kommt, „den Nutzern öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste unabhängig von der zugrunde liegenden Technologie(18) den gleichen Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre zu bieten“. Dieses Ziel erfordert einen dynamischen und technologieneutralen Ansatz für die in der Richtlinie 2002/58 enthaltenen Begriffe.

54.      Unabhängig davon, in welchem Umfang die für die Zwecke der Direktwerbung verwendeten Kommunikationsmittel in den Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 fallen sollen, halte ich es in der Situation, um die es im Ausgangsverfahren geht, für entscheidend, dass die in Rede stehenden Werbenachrichten ihre Adressaten tatsächlich durch die Verwendung elektronischer Post erreichen. Wie die Kommission stelle ich fest, dass diese Nachrichten in der Inbox des Kontos eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes erscheinen, d. h. an einer Stelle, die normalerweise elektronischer Post im engeren Sinne, nämlich privaten E‑Mails, vorbehalten ist. Der Absender dieser Nachrichten bedient sich somit der elektronischen Post, um den Verbraucher zu erreichen, so dass es sich in Übereinstimmung mit dem 67. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/136, in dessen Licht Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 auszulegen ist, tatsächlich um Nachrichten für die Zwecke der Direktwerbung „per elektronischer Post“ handelt. Die Einblendung von Nachrichten wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden in die Liste privater E‑Mails ist daher meines Erachtens als Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung einzustufen, die in den Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 fällt.

55.      Die streitige Werbepraxis ermöglicht es nämlich durch ihre Positionierung in der Inbox des Kontos eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes, diesen Nutzer direkt und individuell in der Privatsphäre, die eine solche passwortgeschützte Inbox darstellt, zu erreichen, und zwar mit einer Effektivität, die mir mit der von unerbetenen E‑Mails (Spam) vergleichbar zu sein scheint. Die Wahl der Position der streitigen Werbung in der Inbox ist nicht zufällig und stellt für die Anwendung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 einen wesentlichen Unterschied zu Werbebannern dar, die am Rand und getrennt von der Auflistung der privaten E‑Mails erscheinen. Da die streitige Werbung nämlich auf derselben Ebene wie private E‑Mails erscheint, kommt ihr dieselbe Aufmerksamkeit zu wie die, die der Nutzer diesen privaten E‑Mails widmet. Wie die Kommission zu Recht hervorhebt, verwenden die an der Verbreitung dieser Werbung beteiligten Wirtschaftsteilnehmer in einem solchen Fall die Inbox privater E‑Mails und das Interesse und Vertrauen, das die Nutzer eines E‑Mail-Dienstes dieser Inbox entgegenbringen, indem sie ihren Werbenachrichten ein Erscheinungsbild geben, das trotz gewisser geringfügiger Unterschiede dem privater E‑Mails ähnelt. Da die Werbenachrichten Zeilen in der Inbox einnehmen, die normalerweise privaten E‑Mails vorbehalten sind, und wegen ihrer Ähnlichkeit mit diesen privaten E‑Mails besteht außerdem die Gefahr einer Verwechslung zwischen diesen beiden Kategorien von Nachrichten, die dazu führen kann, dass ein Nutzer, der auf die der Werbenachricht entsprechende Zeile klickt, gegen seinen Willen auf eine die betreffende Werbung enthaltende Internetseite weitergeleitet wird, anstatt weiter seine privaten E‑Mails zu konsultieren.

56.      Wie die Kommission bin ich der Ansicht, dass die Feststellung, dass die Werbenachricht im Gegensatz zu privaten E‑Mails grau unterlegt ist, keinen Speicherplatz einnimmt und nicht die üblichen Funktionalitäten von E‑Mails bietet, der Anerkennung einer Beeinträchtigung der Privatsphäre von Nutzern eines E‑Mail-Dienstes nicht entgegensteht. Da die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Werbenachrichten dadurch, dass sie in derselben Liste wie private E‑Mails erscheinen, dieselbe Aufmerksamkeit und dieselben Maßnahmen zu ihrer Löschung erfordern wie unerbetene E‑Mails (Spam), scheint mir die Intensität der Störung ähnlich zu sein. Darüber hinaus schafft der Umstand, dass diese Nachrichten nicht die gleichen Funktionalitäten wie E‑Mails aufweisen, einen zusätzlichen Störcharakter im Vergleich zu unerbetenen E‑Mails (Spam), da die erforderliche spezifische Handhabung zu Fehlern beim Löschen oder zum versehentlichen Klicken der Werbung führen kann.

57.      Alles in allem scheint mir die Beeinträchtigung der Privatsphäre hier durch die Verwendung eines Kommunikationsmittels, im vorliegenden Fall der elektronischen Post, gekennzeichnet zu sein, das normalerweise dem Senden und Empfangen privater Korrespondenz vorbehalten ist. Anders als Werbebanner, die am Rand und getrennt von der Auflistung der privaten E‑Mails erscheinen, behindert das Vorhandensein der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Werbenachrichten in der Inbox der privaten E‑Mails, die der Nutzer als Teil seiner Privatsphäre betrachtet, den Zugang zu diesen privaten E‑Mails in einer unerbetenen E‑Mails (Spam) sehr ähnlichen Weise. Daraus folgt meines Erachtens, dass damit das mit Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 im Licht des 40. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie sowie des 67. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2009/136 verfolgte Ziel, Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung zu schützen, beeinträchtigt wird. Ein Eindringen in die Privatsphäre durch die Verwendung der Inbox der elektronischen Post liegt daher vor und reicht meiner Meinung nach aus, um für die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Technik der Direktwerbung eine vorherige Einwilligung des Nutzers eines E‑Mail-Dienstes zu verlangen.

58.      Meines Erachtens würde die praktische Wirksamkeit von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 untergraben, wenn Werbenachrichten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden in der Inbox des Kontos eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes eingeblendet werden könnten, ohne dass dieser zuvor seine Einwilligung gegeben hätte, solche Nachrichten in dieser Form und an dieser Stelle zu erhalten.

59.      Das vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel, den Nutzer vor einer dauerhaften Überlastung seiner E‑Mail-Postfächer oder seiner privaten Telefonleitungen durch unerbetene Werbenachrichten oder ‑anrufe zu schützen, erfordert daher, dass die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmung gewährleistet ist. Das bedeutet, dass sie so auszulegen ist, dass sie sich auf Werbenachrichten bezieht, die aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit einer privaten E‑Mail und ihrer Positionierung in der Auflistung der privaten E‑Mails die Privatsphäre der Nutzer von E‑Mail-Diensten beeinträchtigen. Dieser Auslegung sollte gefolgt werden, um zu verhindern, dass das in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 aufgestellte Erfordernis der vorherigen Einwilligung umgangen wird, obwohl eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende meines Erachtens unbestreitbar eine Maßnahme der elektronischen Direktwerbung darstellt, die für ihre Verbreitung die normalerweise nur für private E‑Mails vorgesehene Inbox verwendet und die gleichen Wirkungen und die gleiche Störung erzeugt wie eine unerbetene Werbe-E‑Mail (Spam), wobei es sich um eines der Hauptziele dieser Bestimmung handelt.

60.      Darüber hinaus ist im Hinblick auf das vom Unionsgesetzgeber ebenfalls verfolgte Ziel der Technologieneutralität, wie bereits ausgeführt, eine weite Auslegung des Anwendungsbereichs von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 vorzunehmen, um neue Techniken der Direktwerbung erfassen zu können.

61.      In Beantwortung der dritten Frage des vorlegenden Gerichts möchte ich hinzufügen, dass der Umstand, dass eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende in der Inbox eines nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Nutzers eingeblendet wird, meines Erachtens in keiner Weise der Feststellung einer „Verwendung … elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 entgegensteht. Wie die portugiesische Regierung bin ich nämlich der Ansicht, dass die zufällige oder vorbestimmte Auswahl des Empfängers keine Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung darstellt. Mit anderen Worten ist es unerheblich, ob die betreffende Werbung an einen individuell vorbestimmten Empfänger gerichtet ist oder ob es sich um eine massenhafte und nach dem Zufallsprinzip vorgenommene Verbreitung gegenüber zahlreichen Empfängern handelt. Entscheidend ist, dass eine zu kommerziellen Zwecken vorgenommene Kommunikation vorliegt, die einen oder mehrere Nutzer von E‑Mail-Diensten direkt und individuell erreicht, indem sie in die Inbox des E‑Mail-Kontos dieser Nutzer eingeblendet wird.

62.      In Beantwortung der vierten Frage des vorlegenden Gerichts ist weiterhin klarzustellen, dass es für die Einstufung einer Werbemaßnahme wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als „Verwendung … elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 nicht erforderlich ist, dass die Belastung des Nutzers über eine Belästigung hinausgeht. Wie sich nämlich aus dem 40. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, findet das in dieser Bestimmung vorgesehene Erfordernis der vorherigen Zustimmung seine Erklärung insbesondere darin, dass für die Zwecke der Direktwerbung vorgenommene unerbetene Nachrichten „eine Belastung und/oder einen Kostenaufwand für den Empfänger bedeuten“ können. Da solche Nachrichten in den Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 fallen, ist davon auszugehen, dass sie eine Belastung für den Empfänger bedeuten, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob diese Belastung über eine Belästigung hinausgeht.

63.      Daraus folgt, dass eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende meines Erachtens in den Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 fällt. Folglich ist eine solche Maßnahme der Direktwerbung unzulässig, wenn der Empfänger ihr nicht zuvor zugestimmt hat.

64.      Wie bereits erwähnt, muss es sich zumindest um eine ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgte Einwilligung handeln(19).

65.      Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Nutzer im Rahmen des Verfahrens zur Registrierung der kostenlosen E‑Mail-Adresse oder zu einem anderen Zeitpunkt über die genauen Modalitäten informiert wurde, gemäß deren bei Öffnung der zu einem E‑Mail-Konto gehörenden Internetseite Werbung verbreitet wird. Insbesondere ist sicherzustellen, dass der Nutzer klar und präzise darüber informiert wurde, dass Werbebanner nicht nur am Rand und getrennt von der Liste der privaten E‑Mails, sondern auch innerhalb dieser Liste selbst angezeigt werden. Solche Informationen müssen diesen Nutzer in die Lage versetzen, die Konsequenzen einer etwaigen von ihm erteilten Einwilligung leicht zu bestimmen, und gewährleisten, dass die Einwilligung in voller Kenntnis der Sachlage erteilt wird(20). Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob dieser Nutzer seine Einwilligung konkret für das im Ausgangsverfahren in Rede stehende werbliche Vorgehen erteilt hat, d. h., er muss ausdrücklich eingewilligt haben, Werbenachrichten in der Inbox seines E‑Mail-Kontos zu erhalten(21).

66.      Zwar basiert das Geschäftsmodell, mit dem zahlreiche Betreiber von internetbasierten E‑Mail-Diensten arbeiten, häufig auf Werbung. Insoweit akzeptiert der Nutzer solcher Dienste, dass die Kostenfreiheit des Dienstes in gewissem Maße durch die Einblendung von Werbung kompensiert wird. Dies ändert jedoch nichts an dem Erfordernis, dass ein solches Akzeptieren von Werbung, wenn sie innerhalb der Inbox des E‑Mail-Kontos erfolgt, nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 in einer Einwilligung des Nutzers dieses Kontos zum Ausdruck kommen muss.

67.      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 dahin auszulegen ist, dass die Einblendung von Werbenachrichten in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes in einer Form, die der von E‑Mails ähnlich ist, und an derselben Stelle wie diese E‑Mails, eine „Verwendung … elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wobei es insoweit ohne Bedeutung ist, dass die Empfänger dieser Nachrichten nach dem Zufallsprinzip bestimmt werden, und keine Belastung des Nutzers festgestellt werden muss, die über eine Belästigung hinausgeht. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Nutzer vor der Einblendung solcher Werbenachrichten in der Inbox seines E‑Mail-Kontos eine zumindest ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgte Einwilligung erteilt hat.

B.      Zur Auslegung von Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29

68.      Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen ist, dass die Einblendung von Werbenachrichten in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes ein hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über E‑Mail darstellt.

69.      Art. 5 der Richtlinie 2005/29 legt in seinem Abs. 2 die Kriterien fest, anhand deren sich feststellen lässt, ob eine Geschäftspraktik unlauter ist, und bestimmt in seinem Abs. 4, dass insbesondere solche Geschäftspraktiken unlauter sind, die „irreführend“ im Sinne der Art. 6 und 7 der Richtlinie oder „aggressiv“ im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie sind. Außerdem heißt es in Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29, dass deren Anhang I „eine Liste jener Geschäftspraktiken [enthält], die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind.“ Insoweit wird im 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29 klargestellt, dass zwecks Schaffung größerer Rechtssicherheit nur die in deren Anhang I aufgeführten Praktiken unter allen Umständen als unlauter gelten, ohne dass eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen ihrer Art. 5 bis 9 vorgenommen werden müsste(22). Da Anhang I der Richtlinie 2005/29 eine vollständige und abschließende Liste darstellt, kann die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Geschäftspraxis nur dann als eine unter allen Umständen aggressive Geschäftspraxis im Sinne dieser Richtlinie eingestuft werden, wenn sie einem der in den Nrn. 24 bis 31 dieses Anhangs aufgeführten Fälle entspricht(23).

70.      Zu den in diesem Anhang I aufgeführten „[a]ggressive[n] Geschäftspraktiken“ gehört nach Nr. 26 Folgendes: „Kunden werden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax, E‑Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien geworben, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten nach den nationalen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen.“

71.      Wie bereits ausgeführt, erreicht eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende den Nutzer eines E‑Mail-Dienstes direkt und individuell, da sie in der Inbox des Kontos dieses Nutzers, eingebettet in seine privaten E‑Mails, angezeigt wird. Aus Sicht dieses Benutzers stellt sich die Werbenachricht vom Erscheinungsbild wie eine E‑Mail dar, die an ihn individuell verschickt wurde. Wie die Kommission ausführt, ist die Wirkung dieser Nachricht somit der einer individualisierten Direktwerbung ähnlich, unabhängig davon, ob der Werbende den konkreten Verbraucher bei der technischen Bereitstellung der Nachricht individualisiert hat oder diese Nachricht hinsichtlich Speicherplatz und Funktionalität anders behandelt wird als E‑Mails.

72.      Ich bin daher der Ansicht, dass eine Werbenachricht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die die Merkmale einer Direktwerbung aufweist und zu diesem Zweck verbreitet wird, ein „Ansprechen“ der Nutzer von E‑Mail-Diensten darstellt, da diese Nachricht in einem ihren privaten E‑Mails vorbehaltenen Bereich direkt und individuell an sie gerichtet ist.

73.      Bezüglich der Merkmale, die das „Ansprechen“ aufweisen muss, um von Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29 erfasst zu werden, nämlich dass es „hartnäckig“ und „unerwünscht“ sein muss, bin ich der Auffassung, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, zu prüfen, ob sie im Rahmen des Ausgangsverfahrens vorliegen. Im Hinblick auf diese Prüfung weise ich darauf hin, dass die Einblendung einer Werbenachricht wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden im Licht der Definition des Begriffs der aggressiven Geschäftspraxis in Art. 8 der Richtlinie 2005/29 so häufig und regelmäßig sein muss, dass sie als „hartnäckiges“ Ansprechen“ eingestuft werden kann, was meines Erachtens bei einer Nachricht, die nur dreimal eingeblendet wurde, nicht der Fall ist. Dagegen würde es sich meines Erachtens um ein „unerwünschtes“ Ansprechen handeln, wenn nachgewiesen wäre, dass der Nutzer des E‑Mail-Dienstes vor der Einblendung von Werbenachrichten in der Inbox seines E‑Mail-Kontos keine Einwilligung erteilt hat. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass dieser Nutzer am 20. Dezember 2016 wegen einer Werbung vom 12. Dezember 2016 eine Abmahnung an eprimo gerichtet und damit diesem Unternehmen gegenüber ausdrücklich seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, keine derartige Werbung erhalten zu wollen.

74.      Nach alledem ist meines Erachtens auf die fünfte Frage zu antworten, dass der Begriff „hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über … E‑Mail“ im Sinne von Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen ist, dass er Verhaltensweisen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erfassen kann, die darin bestehen, dass in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes Werbenachrichten in einer Form, die der von E‑Mails ähnlich ist, und an derselben Stelle wie diese eingeblendet werden. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zum einen zu prüfen, ob die Einblendung dieser Werbenachrichten so häufig und regelmäßig war, dass sie als „hartnäckiges“ Ansprechen eingestuft werden kann, und zum anderen, ob die Einblendung dieser Nachrichten als „unerwünschtes“ Ansprechen eingestuft werden kann, wobei das Vorliegen oder Fehlen einer von diesem Nutzer vor der Einblendung erteilten Einwilligung und der von ihm geäußerte Widerspruch gegen ein solches werbliches Vorgehen zu berücksichtigen sind.

V.      Ergebnis

75.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Bundesgerichtshofs (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Einblendung von Werbenachrichten in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes in einer Form, die der von E‑Mails ähnlich ist, und an derselben Stelle wie diese E‑Mails, eine „Verwendung … elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wobei es insoweit ohne Bedeutung ist, dass die Empfänger dieser Nachrichten nach dem Zufallsprinzip bestimmt werden, und keine Belastung des Nutzers festgestellt werden muss, die über eine Belästigung hinausgeht. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Nutzer vor der Einblendung solcher Werbenachrichten in der Inbox seines E‑Mail-Kontos eine zumindest ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgte Einwilligung erteilt hat.

2.      Der Begriff „hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über … E‑Mail“ im Sinne von Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist dahin auszulegen, dass er Verhaltensweisen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erfassen kann, die darin bestehen, dass in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes Werbenachrichten in einer Form, die der von E‑Mails ähnlich ist, und an derselben Stelle wie diese eingeblendet werden. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zum einen zu prüfen, ob die Einblendung dieser Werbenachrichten so häufig und regelmäßig war, dass sie als „hartnäckiges Ansprechen“ eingestuft werden kann, und zum anderen, ob die Einblendung dieser Nachrichten als „unerwünschtes Ansprechen“ eingestuft werden kann, wobei das Vorliegen oder Fehlen einer von diesem Nutzer vor der Einblendung erteilten Einwilligung und der von ihm geäußerte Widerspruch gegen ein solches werbliches Vorgehen zu berücksichtigen sind.


1      Originalsprache: Französisch.


2      ABl. 2002, L 201, S. 37.


3      ABl. 2009, L 337, S. 11.


4      ABl. 2005, L 149, S. 22, berichtigt in ABl. 2009, L 253, S. 18.


5      ABl. 1998, L 24, S. 1.


6      ABl. 1995, L 281, S. 31.


7      ABl. 2002, L 108, S. 33.


8      Nach Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46 bezeichnet der Begriff „Einwilligung der betroffenen Person“ „jede Willensbekundung, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt und mit der die betroffene Person akzeptiert, dass personenbezogene Daten, die sie betreffen, verarbeitet werden“. Diese Richtlinie wurde mit Wirkung vom 25. Mai 2018 durch die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1) aufgehoben, deren Art. 4 Nr. 11 die „Einwilligung“ der betroffenen Person definiert als „jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist“. Gemäß Art. 94 („Aufhebung der Richtlinie 95/46…“) Abs. 2 dieser Richtlinie „[gelten] Verweise auf die aufgehobene Richtlinie … als Verweise auf die vorliegende Verordnung“.


9      ABl. 2000, L 178, S. 1.


10      BGBl. 2004 I, S. 1414, im Folgenden: UWG.


11      Nach diesem Erwägungsgrund „[kann d]er genaue Zeitpunkt des Abschlusses der Übermittlung einer Nachricht, nach dem die Verkehrsdaten außer zu Fakturierungszwecken gelöscht werden sollten, … von der Art des bereitgestellten elektronischen Kommunikationsdienstes abhängen. … Bei der elektronischen Post ist die Übermittlung dann abgeschlossen, wenn der Adressat die Nachricht – üblicherweise vom Server seines Diensteanbieters – abruft.“


12      Vgl. 40. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/58.


13      Vgl. dazu Urteil vom 1. Oktober 2019, Planet49 (C‑673/17, EU:C:2019:801, Rn. 38 bis 43) sowie Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Planet49 (C‑673/17, EU:C:2019:246, Nrn. 44 bis 49). Vgl. auch Urteil vom 11. November 2020, Orange Romania (C‑61/19, EU:C:2020:901, Rn. 28 bis 32).


14      Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. November 2020, Orange Romania (C‑61/19, EU:C:2020:901) ausgeführt hat, „[erscheint d]er Wortlaut von Art. 4 Nr. 11 [der Verordnung 2016/679], der u. a. für die Zwecke … dieser Verordnung die ‚Einwilligung der betroffenen Person‘ definiert, … nämlich noch strenger als der Wortlaut von Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46, da er eine ‚freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene‘ Willensbekundung der betroffenen Person in Form einer Erklärung oder einer ‚eindeutigen bestätigenden Handlung‘ verlangt, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist. Eine aktive Einwilligung ist in der [genannten] Verordnung … nunmehr also ausdrücklich vorgesehen“ (Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).


15      Insoweit ist es unerheblich, dass ein internetbasierter E‑Mail-Dienst, wie sich aus dem Urteil vom 13. Juni 2019, Google (C‑193/18, EU:C:2019:498) ergibt, als solcher keinen „elektronischen Kommunikationsdienst“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21 in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37) geänderten Fassung darstellt, da er nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze besteht.


16      Hervorhebung nur hier.


17      Hervorhebung nur hier.


18      Hervorhebung nur hier.


19      Vgl. Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge.


20      Vgl. u. a. Urteil vom 11. November 2020, Orange Romania (C‑61/19, EU:C:2020:901, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


21      Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. November 2020, Orange Romania (C‑61/19, EU:C:2020:901), ausgeführt hat, „muss die nach Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46 und Art. 4 Nr. 11 der Verordnung 2016/679 geforderte Willensbekundung ‚für den konkreten Fall‘ erfolgen, was so zu verstehen ist, dass sie sich gerade auf die betreffende Datenverarbeitung beziehen muss und nicht aus einer Willensbekundung mit anderem Gegenstand abgeleitet werden kann“ (Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22      Vgl. u. a. Urteil vom 13. September 2018, Wind Tre und Vodafone Italia (C‑54/17 und C‑55/17, EU:C:2018:710, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Vgl. Urteil vom 12. Juni 2019, Orange Polska (C‑628/17, EU:C:2019:480, Rn. 25).