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Klage, eingereicht am 28. Juli 2014 – Ackermann Saatzucht u. a./Parlament und Rat

(Rechtssache T-559/14)

Verfahrenssprache: Englisch

Parteien

Klägerinnen: Ackermann Saatzucht GmbH & Co. KG (Irlbach, Deutschland), Böhm-Nordkartoffel Agrarproduktion GmbH & Co. OHG (Hohenmocker, Deutschland), Deutsche Saatveredelung AG (Lippstadt, Deutschland), Ernst Benary, Samenzucht GmbH (Hann. Münden, Deutschland), Freiherr Von Moreau Saatzucht GmbH (Osterhofen, Deutschland), Hybro Saatzucht GmbH & Co. KG (Kleptow, Deutschland), Klemm + Sohn GmbH & Co. KG (Stuttgart, Deutschland), KWS Saat AG (Einbeck, Deutschland), Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG (Hohenlieth, Deutschland), Nordsaat Saatzuchts GmbH (Halberstadt, Deutschland), Peter Franck-Oberaspach (Schwäbisch Hall, Deutschland); P.H. Petersen Saatzucht Lundsgaard GmbH (Grundhof, Deutschland), Saatzucht Streng – Engelen GmbH & Co. KG (Uffenheim, Deutschland), Saka Pflanzenzucht GmbH & Co. KG (Hamburg, Deutschland), Strube Research GmbH & Co. KG (Söllingen, Deutschland), Gartenbau und Spezialkulturen Westhoff GbR (Südlohn-Oeding, Deutschland) und W. von Borries-Eckendorf GmbH & Co. KG (Leopoldshöhe, Deutschland) (Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. de Jong, P. Vlaemminck und B. Van Vooren)

Beklagte: Rat der Europäischen Union und Europäisches Parlament

Anträge

Die Klägerinnen beantragen,

die Nichtigkeitsklage für zulässig zu erklären;

die Verordnung (EU) Nr. 511/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Maßnahmen für die Nutzer zur Einhaltung der Vorschriften des Protokolls von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in der Union (ABl. L 150, S. 59) für nichtig zu erklären;

dem Europäischen Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Zur Stützung der Klage machen die Klägerinnen fünf Klagegründe geltend.

Erster Klagegrund: Die EU sei eine Vertragspartei des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen, das in der EU durch die Verordnung über den gemeinschaftlichen Sortenschutz1 umgesetzt worden sei. Art. 15 Buchst. c dieser Verordnung erkenne die sogenannte Züchterausnahme an, der zufolge sich der Anwendungsbereich des Sortenschutzes nicht auf „Handlungen zur Züchtung, Entdeckung und Entwicklung anderer Sorten“ erstrecke. Der angefochtene Rechtsakt sei eine schwerwiegende Beschränkung der Züchterausnahme und verstoße damit gegen eine zwingende und unmittelbar anwendbare internationale Verpflichtung der EU. Des Weiteren sei die Züchterausnahme in Art. 27 des Übereinkommens über das Einheitliche Patentgericht (EPGÜ) anerkannt. Obwohl die EU keine Partei dieses Übereinkommens sei, verlange der angefochtene Rechtsakt der Sache nach, dass die Mitgliedstaaten gegen ihre internationalen, sich aus dem EPGÜ ergebenden Verpflichtungen verstießen.

Zweiter Klagegrund: Die Europäische Union sei als Vertragspartei des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und nach Art. 3 Abs. 5 EUV verpflichtet, den Schutz der biologischen Vielfalt auf der Erde zu fördern. Die angefochtene Verordnung werde eine erhebliche Abschreckungswirkung für alle Anstrengungen zum Schutz der biologischen Vielfalt haben und so diese internationale Verpflichtung beeinträchtigen.

Dritter Klagegrund: Der angefochtene Rechtsakt sei ausschließlich auf Art. 192 Abs. 1 AEUV gestützt. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass die Rechtsgrundlage eines Rechtsakts auf objektiven, gerichtlich nachprüfbaren Umständen beruhen müsse. Soweit der Rechtsakt der Normierung von Rechtsbefolgungsmaßnahmen für Nutzer des EU-Binnenmarkts diene, hätte sich die Verordnung auf Art. 114 AEUV stützen müssen. Die Wahl der Rechtsgrundlage wirke sich auf den Inhalt des Rechtsaktes aus, da die Ziele, zu denen die Rechtsgrundlagen verwendet werden könnten, vollkommen unterschiedlich seien und somit das Gesetzgebungsverfahren maßgeblich beeinflussten.

Vierter Klagegrund: Die Verordnung verstoße aus den folgenden Gründen offenkundig gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV niedergelegten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Erstens fehle der Folgenabschätzung eine Verbindung zwischen den quantitativen Daten und den ausschließlich auf Grundlage von „qualitativen“ Argumenten gezogenen Schlussfolgerungen. Zweitens habe sie offensichtlich die Pflanzenzüchtungsbranche nicht berücksichtigt, die aufgrund der Tatsache, dass genetische Ressourcen der eigentliche Kern der Branche seien und nicht lediglich ein nebensächlicher Teil ihrer Aktivitäten, schwerwiegend und in besonderem Maße betroffen sei. Drittens führe die Verordnung offensichtlich unverhältnismäßige Einschränkungen des Art. 16 der EU-Charta ein. Viertens führe sie eine de facto unendliche Verpflichtung für die Pflanzenzüchtungsbranche ein, Informationen zu ihren Tätigkeiten zu speichern und aufzubewahren. Letztens gebe es weniger beschwerende Maßnahmen, wie der „Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft“ zeige.

Fünfter Klagegrund: Die angefochtene Verordnung schaffe aus den folgenden Gründen eine offensichtliche Rechtsunsicherheit für Pflanzenzüchter: Erstens hänge ihr Anwendungsbereich davon ab, ob die Staaten sich dafür entschieden, ihre Hoheitsrechte im Hinblick auf genetische Ressourcen auszuüben oder nicht. Zweitens stütze sie sich auf ergebnisoffene Definitionen, die keine Feststellung erlaubten, ob eine genetische Ressource als ‚genutzt‘ anzusehen sei. Drittens führe die Tatsache ihrer ergebnisoffenen Auslegung zu einer möglichen, de facto rückwirkenden Anwendung. Schließlich ergebe sich diese Rechtsunsicherheit daraus, dass die Entwicklung von bewährten Verfahren das Risiko der Nichteinhaltung für von der angefochtenen Maßnahme betroffene Nutzer kaum verringern könne.

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1 Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. L 227, S. 1)