Language of document : ECLI:EU:C:2004:546

Conclusions

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
L. A. GEELHOED
vom 23. September 2004(1)



Rechtssache C-494/01



Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Irland


„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verstoß gegen die Artikel 4, 5, 8, 9, 10, 12, 13 und 14 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991“






I – Einleitung

1.       In diesem gemäß Artikel 226 EG anhängig gemachten Verfahren beantragt die Kommission beim Gerichtshof die Feststellung, dass Irland es unterlassen hat, angemessene Schritte zur ordnungsgemäßen Umsetzung der Artikel 4, 5, 8, 9, 10, 12, 13 und 14 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (2) in der Fassung der Richtlinie 91/165/EWG des Rates (3) (nachstehend: Abfallrichtlinie) zu unternehmen. Zusätzlich beantragt sie, festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 10 EG verstoßen hat, dass es der Kommission die von ihr am 20. September 1999 angeforderten Informationen zu einer Abfallmaßnahme in Fermoy, County Cork, nicht übermittelt hat.

2.       Die Rechtssache geht auf eine Reihe von Beschwerden zurück, die die Kommission in den Jahren 1997 und 2000 von irischen Bürgern zu einer Reihe von Vorfällen erhielt, bei denen es um Abfallbeseitigung unter angeblichem Verstoß gegen die Vorschriften der Abfallrichtlinie ging. Mit ihrer Klage ersucht die Kommission den Gerichtshof nicht nur um die Feststellung, dass Irland seine Pflichten nach der Abfallrichtlinie in jedem dieser Einzelfälle nicht erfüllt hat, sondern sie vertritt zugleich die Auffassung, dass diese Fälle die Grundlage für eine Feststellung des Gerichtshofes darstellen, dass Irland einen allgemeinen und strukturellen Verstoß gegen die Abfallrichtlinie begangen hat.

3.       Die Klage der Kommission ist offensichtlich unter dem Gesichtspunkt der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts bedeutsam und berührt letztlich die Art und Weise, in der sie ihre Pflicht nach Artikel 211 EG erfüllen kann, um damit sicherzustellen, dass die Bestimmungen des Vertrages und die entsprechenden Maßnahmen der Organe angewandt werden. Wie die Dinge liegen, hat die Kommission zu beweisen, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dieser Sachverhalt den Verpflichtungen widerspricht, die dem betreffenden Mitgliedstaat nach Gemeinschaftsrecht obliegen. Das bedeutet, dass Sachverhalte, die nicht im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem Gerichtshof behandelt worden sind, formell nicht als Fälle der Nichtbefolgung behandelt werden dürfen, bevor dies nicht vor dem Gerichtshof in einem Verfahren nach Artikel 226 EG nachgewiesen worden ist. Im Ergebnis können so unbefriedigende Situationen der Nichtbefolgung des Gemeinschaftsrechts weiter bestehen, bis die Kommission genügend Informationen zusammengetragen hat, um ein Vertragsverletzungsverfahren zu beginnen.

4.       Die Notwendigkeit, gegen viele Fälle der Nichtbefolgung vorgehen zu müssen, belastet naturgemäß die Rechtsdurchsetzungsmaschinerie der Gemeinschaft und beeinträchtigt deren Wirksamkeit. Dies ist übrigens ein Problem, das nicht auf das Gebiet der Umwelt beschränkt ist. Ich brauche nur auf ein Gebiet wie die öffentliche Vergabe hinzuweisen, in dem aufeinander folgende Fälle der Nichteinhaltung maßgebender Richtlinien durch ein und denselben Mitgliedstaat vor den Gerichtshof gebracht worden sind. In solchen Fällen kann der Gerichtshof nur im Nachhinein feststellen, dass die betreffenden Richtlinien in dem besonderen Fall nicht beachtet worden sind. Diese Vorgehensweise bietet nicht nur keinen effektiven Rechtsbehelf in der gegebenen Situation, sondern spricht, was noch wichtiger ist, auch nicht die elementaren strukturellen Probleme an, die der Nichteinhaltung der betreffenden Richtlinien in einem Mitgliedstaat zugrunde liegen. Die Organe der Gemeinschaft sind auf das beschränkt, was im Deutschen als „Kurieren am Symptom“ bezeichnet wird. Es ist deshalb wichtig, dass aus einer Serie von Sachverhalten abgeleitet werden darf, dass eine systematische Nichteinhaltung seitens eines Mitgliedstaats vorliegt. Eine dahin gehende Entscheidung des Gerichtshofes würde den Weg zu einer effektiveren Durchsetzung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen gegenüber Mitgliedstaaten eröffnen.

II – Die Abfallrichtlinie

5.       Die zentrale Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach der Abfallrichtlinie besteht darin, sicherzustellen, dass die Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne dass die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne dass Verfahren oder Methoden verwendet werden, die die Umwelt schädigen können (Artikel 4 Absatz 1). Zu diesem Zweck verlangt sie von ihnen, all denen, die auf verschiedenen Stufen mit Abfall zu tun haben, bestimmte Pflichten aufzuerlegen. So legt die Richtlinie allen Besitzern, Sammlern oder Beförderern von Abfall sowie Unternehmen der Abfallbeseitigung oder ‑aufbereitung Pflichten auf, was die Kommission in ihrer Klageschrift als „nahtlose Verantwortungskette“ bezeichnet. Besitzer von Abfällen müssen, wenn sie nicht selbst für die Verwertung oder Beseitigung der Abfälle Sorge tragen, diese einem privaten oder öffentlichen Sammelunternehmen oder einem Abfallbeseitigungs‑ oder Verarbeitungsunternehmen übergeben (Artikel 8). Unkontrollierte Ablagerung oder Ableitung von Abfällen und deren unkontrollierte Beseitigung sind zu verbieten (Artikel 4 Absatz 2). Unternehmen, die gewerbsmäßig Abfälle einsammeln oder befördern, müssen zumindest bei den zuständigen Behörden gemeldet sein (Artikel 12), während Unternehmen, die Abfälle beseitigen oder verwerten, eine Genehmigung dieser Behörden benötigen (Artikel 9 und 10). Diese Unternehmen sind regelmäßig von den zuständigen Behörden zu überprüfen (Artikel 13) und müssen, um diese Überprüfungen zu erleichtern, Register über ihre Tätigkeiten in Zusammenhang mit Abfall führen (Artikel 14). Um sowohl auf Gemeinschaftsebene wie im Bereich der Mitgliedstaaten Entsorgungsautarkie zu erreichen, verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu treffen, um ein integriertes und angemessenes Netz von Beseitigungsanlagen zu errichten (Artikel 5).

6.       Die Frist für die vollständige Umsetzung der ursprünglichen Abfallrichtlinie 75/442 lief im Juli 1977 ab, während die Änderung der Richtlinie durch die Richtlinie 91/156 bis zum 1. April 1993 umzusetzen war.

7.       Die in dieser Rechtssache erheblichen Vorschriften lauten wie folgt:

„Artikel 4

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne dass die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne dass Verfahren oder Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können, insbesondere ohne dass

Wasser, Luft, Boden und die Tier‑ und Pflanzenwelt gefährdet werden;

Geräusch‑ oder Geruchsbelästigungen verursacht werden;

die Umgebung und das Landschaftsbild beeinträchtigt werden.

Die Mitgliedstaaten ergreifen ferner die erforderlichen Maßnahmen, um eine unkontrollierte Ablagerung oder Ableitung von Abfällen und deren unkontrollierte Beseitigung zu verbieten.

Artikel 5

(1) Die Mitgliedstaaten treffen – in Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten, wenn sich dies als notwendig oder zweckmäßig erweist – Maßnahmen, um ein integriertes und angemessenes Netz von Beseitigungsanlagen zu errichten, die den derzeit modernsten, keine übermäßig hohen Kosten verursachenden Technologien Rechnung tragen. Dieses Netz muss es der Gemeinschaft insgesamt erlauben, die Entsorgungsautarkie zu erreichen, und es jedem einzelnen Mitgliedstaat ermöglichen, diese Autarkie anzustreben, wobei die geographischen Gegebenheiten oder der Bedarf an besonderen Anlagen für bestimmte Abfallarten berücksichtigt werden.

(2) Dieses Netz muss es darüber hinaus gestatten, dass die Abfälle in einer der am nächsten gelegenen geeigneten Entsorgungsanlagen unter Einsatz von Methoden und Technologien beseitigt werden, die am geeignetsten sind, um ein hohes Niveau des Gesundheits‑ und Umweltschutzes zu gewährleisten.

Artikel 8

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Vorkehrungen, damit jeder Besitzer von Abfällen

diese einem privaten oder öffentlichen Sammelunternehmen oder einem Unternehmen übergibt, das die in Anhang II A oder II B genannten Maßnahmen durchführt, oder

selbst die Verwertung oder Beseitigung unter Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie sicherstellt.

Artikel 9

(1) Für die Zwecke der Artikel 4, 5 und 7 bedürfen alle Anlagen oder Unternehmen, die die in Anhang II A genannten Maßnahmen durchführen, einer Genehmigung durch die in Artikel 6 genannte zuständige Behörde. Diese Genehmigung erstreckt sich insbesondere auf

Art und Menge der Abfälle,

die technischen Vorschriften,

die Sicherheitsvorkehrungen,

den Ort der Beseitigung,

die Beseitigungsmethode.

(2) Diese Genehmigungen können befristet, erneuert, mit Bedingungen und Auflagen verbunden oder, insbesondere wenn die vorgesehene Beseitigungsmethode aus Umweltgründen nicht akzeptiert werden kann, verweigert werden.

Artikel 10

Für die Zwecke des Artikels 4 bedürfen alle Anlagen oder Unternehmen, die die in Anhang II B genannten Maßnahmen durchführen, einer Genehmigung.

Artikel 12

Die Anlagen oder Unternehmen, die gewerbsmäßig Abfälle einsammeln oder befördern oder die für die Beseitigung oder Verwertung von Abfällen für andere sorgen (Händler oder Makler), müssen bei den zuständigen Behörden gemeldet sein, sofern sie keine Genehmigung benötigen.

Artikel 13

Die Anlagen oder Unternehmen, die die in den Artikeln 9 bis 12 genannten Maßnahmen durchführen, werden von den zuständigen Behörden regelmäßig angemessen überprüft.

Artikel 14

Die in den Artikeln 9 und 10 genannten Anlagen oder Unternehmen

führen ein Register, in dem hinsichtlich der Abfälle nach Anhang I sowie der Vorgänge nach Anhang II A oder II B die Menge, die Art, der Ursprung und – gegebenenfalls – die Bestimmung, die Häufigkeit des Einsammelns und das Beförderungsmittel der Abfälle sowie die Art ihrer Behandlung verzeichnet werden;

teilen diese Angaben den in Artikel 6 genannten zuständigen Behörden auf Anfrage mit.

Die Mitgliedstaaten können auch von den Erzeugern verlangen, den Bestimmungen dieses Artikels nachzukommen.“

III – Bei der Kommission eingereichte Beschwerden

8.       Hintergrund dieser Rechtssache war, wie bereits ausgeführt, eine Serie von zwölf Beschwerden über 18 Abfallbeseitigungsvorgänge in Irland, die bei der Kommission zwischen 1997 und 2000 eingingen.

1.
Die erste dieser Beschwerden betraf die Beseitigung von Bau‑ und Abrissschutt durch die Limerick Corporation in Feuchtgebieten von Limerick City ohne Genehmigung (Aktenzeichen der Beschwerde bei der Kommission: P1997/4705).

2.
Mit der zweiten Beschwerde wurde gerügt, dass sehr große Mengen organischen Abfalls von einem privaten Unternehmen ohne Genehmigung in Lagunen in Ballard, Fermoy, County Cork abgelagert oder anderweit beseitigt worden waren (P1997/4792).

3.
Die dritte Beschwerde betraf den Betrieb einer gewerblichen Abfallverwertungsstelle in Pembrokestown, County Wexford, über mehrere Jahre trotz Versagung einer Abfallgenehmigung aus Umweltgründen und ohne Verhängung von Sanktionen (P1997/4847).

4.
Gegenstand der vierten Beschwerde war der Betrieb einer städtischen Abfalldeponie in Powerstown, County Carlow seit 1975 ohne Abfallgenehmigung. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Anlage Ursache einer Reihe von Umweltproblemen war (P1999/4351).

5.
Die fünfte Beschwerde betraf das Problem des ungenehmigten Betriebs einer privaten Abfallanlage in Cullinagh, Fermoy, Cork County, nachdem wiederholte Anträge auf Genehmigung zwischen 1991 und 1994 zurückgewiesen worden waren (P1999/4478).

6.
Die sechste Beschwerde betraf die ungenehmigte Abladung großer Mengen von Schuttabfall auf einer Grünfläche der Halbinsel Poolbeg, Dublin, und den Betrieb einer Abfallverwertungsanlage ohne Genehmigung im gleichen Gebiet über eine Reihe von Jahren (P1999/4801).

7.
Mit der siebten Beschwerde wurde gerügt, dass seit den 70-er Jahren irische städtische Behörden in Waterford städtische Abfalldeponien ohne Genehmigung in Kilbarry und Tramore, County Waterford, betrieben hätten und diese Deponien Orte von besonderem Interesse nachteilig beeinflussten, da die erstgenannte neben einem Feuchtgebiet liege, das als Naturschutzgebiet vorgesehen sei, und die zweite neben einer besonderen Schutzzone nach der Richtlinie 79/409 (4) und teilweise in einem Gebiet liege, das als besondere Erhaltungszone im Sinne der Richtlinie 92/43 (5) vorgeschlagen sei (P1999/5008).

8.
Die achte Beschwerde richtete sich gegen den Betrieb von Abfallanlagen ohne Genehmigung durch einen privaten Unternehmer seit den 80-er Jahren in zwei aufgelassenen Steinbrüchen bei Porrarlington, County Laois, die eine in Lea, die andere in Ballymorris, beide im Einzugsgebiet des Barrow-Flusses, der einen hohen Wasserstand aufweist. Sowohl der örtliche County Council als auch die irische Umweltschutzagentur hätten es unterlassen, das Genehmigungserfordernis durchzusetzen (1999/5112).

9.
Die neunte Beschwerde bezog sich u. a. auf die ungenehmigte Abladung von Bau‑ und Abrissschutt und anderem Abfall seit 1990 im Küstenvorland von Carlington Lough, Greenore, County Louth, in einem unter Umweltgesichtspunkten empfindlichen Gebiet (P2000/4145).

10.
Mit der zehnten Beschwerde wurde mitgeteilt, dass die Abfallsammlung in Bray, County Wicklow, von privaten Unternehmern betrieben werde, die weder eine Genehmigung hätten noch eingetragen seien und keiner Überprüfung unterlägen. Hingewiesen wurde ferner auf die Entdeckung großer Mengen von Krankenhausabfall auf einer ungenehmigten Mülldeponie in Glen of Imaal, County Wicklow (P2000/4157).

11.
Gegenstand der elften Beschwerde war die ungenehmigte Benutzung städtischer Abfalldeponien in Drumnaboden, Muckish und Glenalla, County Donegal. Diese Abfalldeponie war die Ursache schwerer Umweltverschmutzungen, insbesondere des Lennon-Flusses (P2000/4408).

12.
Die zwölfte Beschwerde betraf die ungenehmigte Beseitigung von Abfall, insbesondere von Abriss‑ und Aushubabfall, der mehrere Feuchtgebiete in Ballynattin, Pickardtown, Ballygunner Bog und Castletown im County Waterford beeinträchtige (P2000/4633).

Diese Beschwerden werden in diesen Schlussanträgen mit den Nummern 1 bis 12 bezeichnet.

IV – Verfahren

9.       Die Kommission richtete bezüglich der ersten drei Beschwerden am 30. Oktober 1998, bezüglich der Beschwerden 4, 6, 7, 8, und 11 am 25. Oktober 2000 und bezüglich der Beschwerden 5, 9, 10 und 12 am 17. April 2001 förmliche Aufforderungsschreiben an Irland. Sie richtete ferner am 28. April 2000 bezüglich der Beschwerde 5 ein getrenntes förmliches Aufforderungsschreiben an Irland, weil ihr entgegen Artikel 10 EG nicht die von ihr geforderte Auskunft erteilt worden war.

10.     Während Irland auf das förmliche Aufforderungsschreiben vom 30. Oktober 1998 antwortete, wurden die förmlichen Aufforderungsschreiben vom 28. April 2000, 25. Oktober 2000 und 17. April 2001 nicht umfassend beantwortet. Irland antwortete hingegen auf einzelne Anfragen der Kommission bezüglich einiger der Beschwerden.

11.     Den erwähnten förmlichen Aufforderungsschreiben folgten mit Gründen versehene Stellungnahmen vom 14. Juli 1999 bezüglich der Beschwerden 1 und 2 und vom 26. Juli 2001 bezüglich aller zwölf Beschwerden, mit denen Irland aufgefordert wurde, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Stellungnahmen binnen zwei Monaten nach ihrer Übermittlung bzw. ihrem Erhalt nachzukommen.

12.     Da die Kommission zu der Auffassung gelangte, dass Irland nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um seinen Pflichten nach der Abfallrichtlinie fristgemäß nachzukommen, hat sie die vorliegende Klage erhoben, die am 20. Dezember 2001 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist.

13.     Da die ersten beiden Beschwerden in beiden mit Gründen versehenen Stellungnahmen behandelt wurden, hat der Gerichtshof die Kommission mit Schreiben vom 24. Mai 2004 um Erklärung ersucht, in welchem Umfang bei der Entscheidung über den Klageantrag die mit Gründen versehene Stellungnahme vom 14. Juli 1999 zu berücksichtigen sei. In ihrer schriftlichen Antwort vom 7. Juni 2004 hat die Kommission erklärt, dass die frühere mit Gründen versehene Stellungnahme durch die mit Gründen versehene Stellungnahme vom 26. Juli 2001 ersetzt worden sei. Das bedeutet, dass die gesamte Klage nach Maßgabe der zweiten mit Gründen versehenen Stellungnahme zu würdigen ist.

14.     Die Kommission und Irland haben sich in der Sitzung vom 6. Juli 2004 mündlich geäußert.

V – Vorbemerkungen

A – Umfang des Klageantrags

15.     Vor allem anderen ist der Umfang des Klageantrags zu ermitteln, da dies für die Art und Weise entscheidend ist, in der die Rechtssache anzugehen und zu entscheiden ist.

16.     Die Kommission streicht in ihrer Klageschrift heraus, dass die Richtlinie eine „nahtlose Kette der Verantwortung für Abfall“ schaffe und dass ihr Hauptaugenmerk sei, sicherzustellen, dass in Irland diese Verantwortungskette voll anerkannt und wirksam gemacht werde. Dies sei auch der Grund, weshalb sie sich entschieden habe, die verschiedenen Beschwerdeuntersuchungen zusammenzufassen, statt ihnen einzeln nachzugehen. Ihre Klage ziele daher in erster Linie auf die Feststellung, dass Irland seine Pflichten nach der Abfallrichtlinie allgemein und strukturell nicht erfüllt habe. Auch wenn sich herausstellen sollte, dass Irland seine Pflichten in Bezug auf bestimmte Situationen tatsächlich vor Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 26. Juli 2001 gesetzten Frist erfüllt habe, ändere dies nichts daran, dass Irland seine Verpflichtungen in einem allgemeineren Sinne nicht erfüllt habe.

17.     Die Kommission trägt weiter vor, dass die angeführten Beschwerden keine einmaligen Beispiele für die Nichtbeachtung der Abfallrichtlinie durch Irland seien, und behält sich das Recht vor, weitere Belege für die Nichteinhaltung anzuführen. In ihrer Klageschrift weist sie unter der Überschrift „Informationen im öffentlichen Bereich“ auf eine groß angelegte Abfallbeseitigung im County Wicklow (96 Fälle) hin, die in einem Bericht vom 7. September 2001 an die örtlichen Behörden festgehalten sei.

18.     Irland widerspricht der Auffassung der Kommission und hält diese für zu weitgehend. Der Klageantrag sollte auf die zwölf vorstehend genannten Beschwerden beschränkt und andere Tatsachen und Beschwerden, die ihm wie die Abfallbeseitigung im County Wicklow während des Vorverfahrens nicht mitgeteilt worden seien, sollten unberücksichtigt bleiben. Der Gerichtshof solle sich daher darauf beschränken, festzustellen, ob die Vertragsverletzung in Bezug auf diese zwölf Beschwerden bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 26. Juli 2001 festgelegten Frist von zwei Monaten vorgelegen habe, und es sei Sache der Kommission, ausreichendes Beweismaterial vorzulegen, um diese Vertragsverletzung nachzuweisen. Der Gerichtshof dürfe nicht von der Kommission zu der Annahme veranlasst werden, Irland habe allgemein seine Pflichten nach der Abfallrichtlinie unbeachtet gelassen, unter Hinweis auf gerügte konkrete Fälle, die zu diesem Zeitpunkt ungelöst gewesen seien.

19.     Mit dieser Begründung ihrer Klage versucht die Kommission eine Feststellung des Gerichtshofes zu erreichen, dass Irland seine Verpflichtungen nach der Abfallrichtlinie allgemein und strukturell nicht erfüllt habe. Anstatt die zwölf Beschwerden als einzelne und unverbundene Verstöße gegen die Richtlinie zu betrachten, der jeder für sich gemäß Artikel 226 EG vor den Gerichtshof hätte gebracht werden können, möchte sie den Nachweis erbringen, dass diese Vorfälle Teil eines ihnen zugrunde liegenden Musters seien. Meiner Ansicht nach lässt sich gewiss nicht ausschließen, dass ein Muster von Beschwerden unter bestimmten Bedingungen Grundlage für die Feststellung sein kann, dass ein Mitgliedstaat seine gemeinschaftsrechtlichen Pflichten systematisch verletzt hat. Wie die Kommission in ihrer Erwiderung betont hat, würde es ihre Möglichkeiten, ihre Rolle als Hüterin des Vertrages wahrzunehmen, schwer beeinträchtigen, wenn dem Vorbringen Irlands gefolgt würde, dass der Klageantrag zu weit gefasst sei. Obwohl die Klage der Kommission Fragen dazu aufwirft, was unter einem strukturellen Verstoß zu verstehen ist und wie ein solcher Sachverhalt nachgewiesen werden kann, sehe ich darin jedoch keine Gründe dafür, den Umfang des vorliegenden Klageantrags so zu begrenzen, wie dies Irland versucht.

20.     Ein weiterer Aspekt des Umfangs des Klageantrags, der an dieser Stelle geklärt werden sollte, ist der, dass der behauptete Verstoß in erster Linie die Anwendung der Bestimmungen betrifft, die Irland zur Durchführung der Abfallrichtlinie erlassen hat, und nicht so sehr die Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie in irisches Recht. Die Kommission räumt in ihrer Klageschrift ein, dass die irischen Behörden mit der Verabschiedung des Waste Management Act 1996 und ergänzender Bestimmungen die gesetzliche Grundlage für die Abfallentsorgung in Irland „wesentlich verbessert“ hätten. Die Hauptprobleme, die weiterhin bestehen, betreffen die praktische Anwendung der Vorschriften, die zur Umsetzung der Abfallrichtlinie erlassen wurden. Die Kommission bleibt indessen dabei, dass die Umsetzung von Artikel 12 der Abfallrichtlinie fehlerhaft sei. Auf die spätere Behauptung Irlands, dass die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt worden sei, stellt sie weiter fest, dass sie nicht akzeptiere, dass bei der Umsetzung der Richtlinie in Irland keine weiteren Fehler begangen worden seien. Da diese möglichen weiteren Umsetzungsmängel während des Vorverfahrens weder namhaft gemacht noch erörtert worden sind, können sie im Kontext der vorliegenden Klage nicht erörtert werden.

21.     Zum zeitlichen Umfang des Klageantrags erläutert schließlich die Kommission, dass die Erhebung der Klage bezüglich der Nichteinhaltung der Abfallrichtlinie in der Fassung der Richtlinie 91/156 durch Irland nicht bedeute, dass Tätigkeiten, die dieser Neufassung vorangegangen seien, jetzt nicht mehr zu behandeln seien. Die ursprüngliche und die neue Fassung der Richtlinie zeigten eine Kontinuität der Erfordernisse. Ich stimme diesem Ansatz insoweit zu, als er für Tätigkeiten gilt, die nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 75/442 im Jahre 1977 begonnen haben.

B – Plan der Erörterung

22.     Wie oben erwähnt, wirft diese Rechtssache die allgemeinere Frage auf, ob es möglich ist, eine allgemeine und strukturelle Säumnis eines Mitgliedstaats bei der Erfüllung seiner Pflichten bei der Durchführung einer Gemeinschaftsrichtlinie anhand einer Reihe von Beschwerden über Fälle, in denen diese nicht eingehalten wurde, nachzuweisen. Vor der Prüfung, ob dem Klageantrag der Kommission bezüglich der Durchführung der Abfallrichtlinie in Irland stattgegeben werden kann, wäre es angemessen, dieser Frage auf einer höheren Abstraktionsebene nachzugehen. Ich werde daher meine Untersuchung mit einer kurzen Darstellung der in der Rechtsprechung des Gerichtshofes entwickelten allgemeinen Erfordernisse bezüglich der ordnungsgemäßen Durchführung von Richtlinien und der Behandlung der Frage beginnen, was diese allgemeinen Erfordernisse im Zusammenhang mit der Abfallrichtlinie bedeuten. Sodann ist zu ermitteln, unter welchen Voraussetzungen festgestellt werden kann, dass diesen Erfordernissen strukturell nicht Genüge getan wurde. Darauf folgt eine Erörterung der Beweisfrage. Danach wende mich der Würdigung des Klagegegenstands in der vorliegenden Rechtssache zu, der Frage also, ob Irland im Hinblick auf die oben aufgeführten Beschwerden seine Pflichten nach der Abfallrichtlinie strukturell nicht erfüllt hat.

VI – Rahmen der Würdigung

A – Allgemeine Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Durchführung (6)

23.     Obwohl Artikel 249 EG festlegt, dass Richtlinien für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlassen, bedeutet dies indessen nicht, wie allgemein anerkannt, dass das Verfahren der Durchführung ganz im Ermessen der Mitgliedstaaten steht. Im Lauf der Jahre hat der Gerichtshof Gelegenheit gehabt, eine Reihe von Vorgaben herauszuarbeiten, mit denen die Angemessenheit von Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Durchführung von Richtlinien gewürdigt werden konnte. Bei einer systematischen Darstellung dieser Erfordernisse empfiehlt es sich, zwei Phasen des Durchführungsverfahrens zu unterscheiden: die Umsetzungsphase und die Anwendungsphase.

24.     Zur Umsetzungsphase gehören zwei Hauptaspekte: der normative und der organisatorische Aspekt.

25.     Der normative Aspekt umfasst die Übernahme des wesentlichen Inhalts der Richtlinie in hinreichend klaren und bestimmten Wendungen innerhalb des in der Richtlinie festgelegten Zeitplans (7) . Die betreffenden nationalen Rechtsvorschriften müssen verbindlich sein und denselben rechtlichen Rang haben wie die zu ändernden Bestimmungen (8) . Die Sicherstellung der Klarheit und Bestimmtheit der Vorschriften zur Durchführung ist dort von besonderer Bedeutung, wo die Richtlinie für Einzelne Rechte und Pflichten begründen soll. Das Erfordernis der Rechtssicherheit gebietet, dass Durchführungsmaßnahmen so transparent sind, dass die Einzelnen in die Lage versetzt werden, von allen ihren Rechten nach der Richtlinie Kenntnis zu erlangen (9) . Das Erfordernis der Genauigkeit gilt indessen auch dann, wenn eine Richtlinie nicht speziell bezweckt, Rechte für Einzelne zu begründen. In diesem Fall besteht ein Interesse daran, sicherzustellen, dass die Bestimmungen der Richtlinie von allen Behörden, die mit den nationalen Rechtsvorschriften befasst sind, korrekt angewendet werden (10) . Zusätzlich muss auch klar sein, dass die angepassten nationalen Vorschriften einen Gemeinschaftsursprung haben, so dass sie erforderlichenfalls im Licht der Ziele der Richtlinie ausgelegt werden und gegen die Entscheidungen, die auf ihrer Grundlage getroffen werden, gemeinschaftliche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.

26.     Der organisatorische Aspekt der Durchführung zielt darauf ab, den Rechts‑ und Verwaltungsrahmen für die ordnungsgemäße Anwendung und Durchsetzung der nationalen Vorschriften zu schaffen, die die Bestimmungen der Richtlinie umsetzen. Dazu gehören die Festlegung von Behörden, die für die Anwendung der Vorschriften zuständig sind, und deren Ausstattung mit den notwendigen Befugnissen, die Schaffung von Möglichkeiten zur Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften und von Garantien für den Rechtsschutz, die den Zugang zu Rechtsbehelfen sicherstellen, die Festlegung von Sanktionen bei Verstößen gegen diese Vorschriften und die Einrichtung von Durchsetzungsstrukturen bei Verstößen. Richtlinien sehen oft ausdrücklich die Durchführung solcher Organisationsmaßnahmen vor, aber selbst wenn sie insoweit schweigen, kann aus Artikel 10 EG abgeleitet werden, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, zu gewährleisten, dass solche Maßnahmen getroffen werden.

27.     Die operationelle Phase der Durchführung entspricht dem fortdauernden Prozess, in dem die Ziele der Richtlinie dadurch gewährleistet werden müssen, dass die zuständigen nationalen Behörden die Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht vollständig und aktiv anwenden und diese Vorschriften bei Zuwiderhandlungen glaubwürdig durchgesetzt werden. Der Durchführungsprozess ist mit anderen Worten nicht mit der ordnungsgemäßen Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie und der Schaffung des Organisationsrahmens für die Anwendung dieser Bestimmungen abgeschlossen, es muss auch sichergestellt werden, dass diese beiden Aspekte so zur Geltung kommen, dass in der Praxis das mit der Richtlinie angestrebte Ergebnis erzielt wird. Wie der Gerichtshof im Urteil Marks & Spencer in einer Erwägung zu Richtlinien im Allgemeinen festgestellt hat, erschöpft „der Erlass nationaler Maßnahmen, die eine Richtlinie ordnungsgemäß [umsetzen], nicht deren Wirkungen, und [müssen] ... die Mitgliedstaaten auch nach Erlass dieser Maßnahmen weiterhin die vollständige Anwendung der Richtlinie tatsächlich gewährleisten ...“ (11) . Obwohl sich die Frage der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie im vorliegenden Verfahren nicht stellt, ist es von Bedeutung für die Wirkung von Richtlinien im Allgemeinen, dass der Gerichtshof in diesem Urteil weiter festgestellt hat, dass Einzelne sich vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Staat immer dann auf die inhaltlich unbedingten und hinreichend genauen Bestimmungen einer Richtlinie berufen können, „wenn ihre vollständige Anwendung nicht tatsächlich gewährleistet ist, d. h. nicht nur in Fällen einer unterbliebenen oder unzureichenden Umsetzung der Richtlinie, sondern auch in dem Fall, dass die nationalen Maßnahmen, die die Richtlinie ordnungsgemäß umsetzen, nicht so angewandt werden, dass das mit der Richtlinie verfolgte Ziel erreicht wird“ (12) . Diese letzte Erwägung des Gerichtshofes bestätigt, dass die Durchführung im weiteren Sinne des Wortes ein fortlaufender Prozess ist, der für die Mitgliedstaaten fortdauernde Verpflichtungen mit sich bringt.

28.     Was die Durchsetzung von Richtlinien oder vielmehr der nationalen Rechtsvorschriften angeht, in die sie umgesetzt werden, möchte ich darauf hinweisen, dass sich auch hier sowohl aus der allgemeinen Pflicht zur Verfolgung des Ziels der Richtlinie als auch aus Artikel 10 EG ergibt, dass die unternommenen Schritte und die zu diesem Zweck in Gang gebrachte Maschinerie wirksam sein müssen. In meiner Sicht bedeutet wirksame Durchsetzung, dass Zuwiderhandelnde ernsthaft Gefahr laufen, entdeckt und so bestraft zu werden, dass ihnen zumindest jeder wirtschaftliche Vorteil entzogen wird, den ihnen die Zuwiderhandlung eingebracht hat. Wie ich bereits in diesem Jahr in Schlussanträgen ausgeführt habe, die die gemeinsame Fischereipolitik betrafen, müssen die Kontrolltätigkeit und die Gefahr repressiver Vorgehensweisen ausreichenden Druck erzeugen, um die Nichtbefolgung wirtschaftlich unattraktiv zu machen und damit zu gewährleisten, dass die mit den einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften angestrebte Situation in der Praxis verwirklicht wird (13) . Der Zusammenhang mag in dieser Rechtssache ein anderer sein, der zugrunde liegende Gedankengang ist derselbe.

29.     Über den „Papierberg“ hinaus, der in der Umsetzungsphase entsteht, sind und bleiben daher die Mitgliedstaaten verantwortlich dafür, dass die Richtlinie ordnungsgemäß angewandt und durchgesetzt wird, kurz gesagt, dass ihre nützliche Wirkung erreicht wird. Jede Nachlässigkeit in dieser Richtung wird nicht nur zu einer Situation führen, die nicht der von der Richtlinie ins Auge gefassten entspricht, sondern auch die einheitliche Wirkung der Richtlinie in der Gemeinschaft untergraben und die Bedingungen beeinflussen, unter denen die Marktbeteiligten auf dem Binnenmarkt agieren.

30.     Da die Kommission beanstandet, dass eine Vorschrift der Abfallrichtlinie, Artikel 12, nicht ordnungsgemäß in das irische Recht übernommen worden sei, rückt die vorliegende Rechtssache hauptsächlich den organisatorischen Aspekt der ersten Phase und die operationelle Phase des Durchführungsverfahrens in den Brennpunkt. Nunmehr ist zu untersuchen, was diese Erfordernisse im Licht der vorstehenden Ausführungen für die Abfallrichtlinie bedeuten.

B – Durchführung der Abfallrichtlinie

31.     Die Abfallrichtlinie führt ein vollständiges System für die Behandlung von Abfall ein, um sicherzustellen, dass Abfall in einer Art und Weise behandelt wird, die weder der öffentlichen Gesundheit noch der Umwelt abträglich ist. Das wird durch die Begründungserwägungen der Richtlinie 91/156 zur Änderung der ursprünglichen Richtlinie bestätigt, wo es heißt, dass die Abfallrichtlinie die Überwachung der Abfälle „von ihrem Entstehen bis zu ihrer endgültigen Beseitigung“ sicherstellen soll (14) . Um das von den Mitgliedstaaten zu erreichende Ziel zu ermitteln und in Anbetracht des Hauptziels der Klage der Kommission, ist die Richtlinie als Ganzes zu betrachten, was mit ihr erreicht werden soll und wie die einzelnen Bestimmungen, die in dieser Rechtssache maßgebend sind, in das System passen.

32.     Artikel 4 Absatz 1, der als die Kernvorschrift der Richtlinie angesehen werden kann, umschreibt dieses Ziel eingehender, wenn er bestimmt: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne dass die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne dass Verfahren oder Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können, insbesondere ohne dass Wasser, Luft, Boden und die Tier‑ und Pflanzenwelt gefährdet werden, Geräuschs‑ oder Geruchsbelästigungen verursacht werden [und] die Umgebung und das Landschaftsbild beeinträchtigt werden.“ Absatz 2 des Artikels 4 verbietet die unkontrollierte Ablagerung oder Ableitung von Abfällen und deren unkontrollierte Beseitigung. Das Schlüsselinstrument zur Erreichung dieser Ziele ist das in den Artikeln 9 und 10 festgelegte Erfordernis, dass für die Zwecke u. a. (15) des Artikels 4 alle Anlagen oder Unternehmen, die Beseitigungs‑ oder Verwertungsmaßnahmen durchführen, einer Genehmigung durch die zuständige Behörde bedürfen. Aufgrund dieses Instruments sind die nationalen Behörden in der Lage, Beseitigungs‑ oder Verwertungsmaßnahmen von Bedingungen abhängig zu machen (für die Beseitigung sind sie in der Richtlinie festgelegt), die die Ziele des Artikels 4 erreichen sollen, und die Erfüllung dieser Bedingungen zu überwachen. Um sicherzustellen, dass sämtlicher Abfall innerhalb des Systems behandelt wird, werden Pflichten bis hin zum Besitzer von Abfällen (16) aufgestellt (Artikel 8), damit garantiert ist, dass der Abfall von einem privaten oder öffentlichen Sammelunternehmen oder einem genehmigten Beseitigungs‑ oder Verwertungsunternehmen behandelt wird. Anderenfalls hat der Besitzer die Verwertung oder Beseitigung unter Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie, insbesondere Artikel 4, selbst sicherzustellen. Gewerbliche Abfallsammler, Beförderer und Makler müssen, sofern sie nach nationalem Recht keine Genehmigung benötigen, bei den zuständigen Behörden gemeldet sein (Artikel 12). Auch das macht sie zum Bestandteil des Systems, ohne dass zuvor Bedingungen erfüllt sein müssten. Unternehmen innerhalb des Systems müssen von den zuständigen Behörden regelmäßig überprüft werden und Register führen, die auf Anfrage den zuständigen Behörden mitzuteilen sind (Artikel 13 und 14). Schließlich müssen ganz allgemein die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 der Richtlinie Maßnahmen treffen, um ein integriertes und angemessenes Netz von Beseitigungsanlagen in ihrem Hoheitsgebiet zu errichten, um damit die Entsorgungsautarkie bei der Abfallbeseitigung zu erreichen. Die Verweisung auf Artikel 5 in Artikel 9 wegen der Genehmigung bei Beseitigungsmaßnahmen bedeutet, dass genehmigte Unternehmen, die Beseitigungsmaßnahmen durchführen, innerhalb des Kontextes dieses Netzes tätig werden.

33.     Der Vollständigkeit halber sei auch erwähnt, dass die Richtlinie eine Reihe wichtiger anderer Elemente des oben beschriebenen Systems regelt, die außerhalb des Rahmens der vorliegenden Klage liegen und nicht weiter erörtert werden: den Grundsatz der Abfallverhütung (Artikel 3), die Bezeichnung von Behörden (Artikel 6), die Erstellung von Abfallbewirtschaftungsplänen (Artikel 7) und das Verursacherprinzip (Artikel 15). Dass die Einhaltung dieser Bestimmungen nicht im Streit ist, ändert nichts an der systematischen Natur der angeblichen Säumnis Irlands, die Abfallrichtlinie insgesamt zu befolgen, zumal im Brennpunkt der Klage der Kommission das Schlüsselinstrument der Richtlinie – das Genehmigungserfordernis – steht.

34.     Soweit die Richtlinie eine Reihe besonderer Instrumente vorsieht, die sicherstellen sollen, dass Abfall so behandelt wird, dass öffentliche Gesundheit und Umweltbeschaffenheit nicht beeinträchtigt werden, bedeutet vollständige Durchführung der Richtlinie zunächst, dass diese Instrumente innerhalb der nationalen Rechtsordnung geschaffen worden sind, dass sie geeignet sind, die Ziele der Richtlinie zu erreichen, und dass sie voll funktionsfähig sind.

35.     Das wichtigste dieser Instrumente ist das Erfordernis der Genehmigung in Bezug auf die Beseitigungs- und Verwertungsmaßnahmen im Sinne der Anhänge II A und II B der Abfallrichtlinie, die im Hoheitsgebiet durchgeführt werden (Artikel 9 und 10). Da dieses Instrument die Ziele des Artikels 4 der Richtlinie sicherstellen soll, muss die Art und Weise, in der es eingeführt und angewandt wird, bestimmten Qualitätserfordernissen genügen. Eine ordnungsgemäße Durchführung des Genehmigungserfordernisses umfasst daher nicht nur die Festlegung dieser Pflicht im nationalen Recht, sie setzt auch das Vorhandensein eines angemessenen und effektiven Verwaltungsrahmens voraus für die Bescheidung von Genehmigungsanträgen innerhalb angemessener Fristen, für die Würdigung dieser Anträge im Hinblick auf die Festlegung angemessener Bedingungen bezüglich der anstehenden Maßnahmen und dafür, dass ausreichende Kapazitäten für die Überprüfung der Einhaltung dieser Bedingungen zur Verfügung stehen. Ein angemessenes und wirksames Genehmigungssystem stellt sicher, dass die Tätigkeiten, denen die Genehmigung gilt, so durchgeführt werden, dass die Gesamtziele des Systems erreicht werden. Für neu geplante Tätigkeiten bedeutet dies, dass die Genehmigung vor ihrer Durchführung beantragt und erteilt wird, so dass die Durchführung der Tätigkeit von angemessenen Bedingungen abhängig gemacht werden kann; hier hat die Genehmigung vorbeugende Wirkung. Für bereits vorhandene Tätigkeiten bedeutet dies, dass sie soweit wie möglich unter vernünftigen Bedingungen diesen Zielen angepasst werden oder aber auslaufen sollten; damit hat das Genehmigungssystem sowohl vorbeugende als auch korrigierende Wirkung. Es bedeutet zugleich, dass Genehmigungen nur solchen Unternehmen erteilt werden, die über die technischen Mittel zur Durchführung der betreffenden Abfallmaßnahmen verfügen. Das Genehmigungssystem muss schließlich, wenn es wirksam sein soll, durch angemessene Sanktionen untermauert werden.

36.     Artikel 4 Absatz 2, der Maßnahmen gegen die unkontrollierte Ableitung von Abfall fordert, kann als angemessen durchgeführt gelten, wenn das in der Richtlinie geforderte Verbot im nationalen Recht verankert worden ist, angemessene Sanktionen für den Fall der Zuwiderhandlung vorgesehen sind und die Einhaltung dieser Bestimmung in effektiver Weise überprüft wird.

37.     Bei dem Durchführungserfordernis in Bezug auf Artikel 8, der Besitzern von Abfall Pflichten auferlegt, dürfte die Betonung auf dem Umsetzungsaspekt liegen. Die Verankerung dieser Verpflichtung im nationalen Recht, verbunden mit der Androhung von Strafen bei Zuwiderhandlungen, sollte auf den ersten Blick ausreichend erscheinen, um der Richtlinie in diesem Punkt nachzukommen. Im Licht des in den Begründungserwägungen der Richtlinie 91/156 festgehaltenen Ziels der Überwachung der Abfälle „von ihrem Entstehen bis zu ihrer endgültigen Beseitigung“ (17) ist jedoch denkbar, dass die Mitgliedstaaten implizit verpflichtet sind, den Besitzern von Abfällen angemessene und zugängliche Infrastrukturen zur Verfügung zu stellen, um die Erfüllung dieser Pflicht zu erleichtern und sicherzustellen, dass Abfall in das oben beschriebene System gelangt. Nur wenn Abfall innerhalb des Genehmigungssystems behandelt wird, kann der Mitgliedstaat seine Kontrolle über die Abfallbehandlung im Einklang mit den allgemeinen Zielen ausüben, wie sie in Artikel 4 der Richtlinie verankert sind. Wenn offensichtlich ist, dass Besitzer von Abfällen wegen des Fehlens solcher Möglichkeiten außerstande sind, ihren Pflichten gemäß Artikel 8 nachzukommen, wäre es möglich, einen Verstoß gegen diese Bestimmung seitens des betreffenden Mitgliedstaats festzustellen. Zusätzlich müssen die Mitgliedstaaten die Erfüllung dieser Pflichten mit Hilfe angemessener Durchsetzungsmaßnahmen sicherstellen.

38.     Das Registrierungserfordernis nach Artikel 12, das für gewerbliche Abfallsammler, -beförderer und -makler gilt, soll es ebenfalls den zuständigen Behörden ermöglichen, die gesamte Kette der Abfallbehandlung von der Entstehung bis zur endgültigen Beseitigung zu überprüfen und in dieser Hinsicht Transparenz zu schaffen. Wenn die Mitgliedstaaten solche Unternehmen nicht der Genehmigung unterwerfen, müssen diese zumindest registriert werden. Da diese Bestimmung sicherstellen soll, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten volle Kenntnis von den auf den verschiedenen Stufen der Abfallbewirtschaftung Tätigen haben, setzt eine ordnungsgemäße Durchführung der Bestimmung voraus, dass sie ein Registrierungssystem schaffen und angemessene Vorkehrungen treffen, um die Übermittlung erforderlicher Angaben sicherzustellen; das Hauptziel bleibt dabei, dass sie in die Lage versetzt werden, die betreffenden Vorgänge, wie in Artikel 13 vorgeschrieben, zu überprüfen, um damit sicherzustellen, dass diese im Einklang mit den Zielen des Artikels 4 ablaufen.

39.     Ordnungsgemäße und vollständige Durchführung des Artikels 13 bezüglich regelmäßiger Kontrollen der Unternehmen, die in den Artikeln 9 bis 12 der Richtlinie angeführte Maßnahmen durchführen, setzt voraus, dass Behörden bezeichnet worden sind und angemessene Untersuchungsbefugnisse haben, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Das sollte meines Erachtens die Befugnis einschließen, Zuwiderhandlungen zu erfassen und sie Verfolgungsbehörden zu melden. Da diese Bestimmung Regelmäßigkeit der Kontrollen vorsieht, belegt dies, dass die Kontrollaufgabe eine ständige Tätigkeit ist. Aus der allgemeinen Pflicht der Mitgliedstaaten, die nützliche Wirkung von Richtlinien sicherzustellen, folgt, dass die Kontrollen auch effektiv zur Verwirklichung der Gesamtziele des Artikels 4 der Richtlinie beitragen müssen. Sie sollten nicht nur auf die Entdeckung von Zuwiderhandlungen ausgerichtet sein, sie sollten vielmehr in einem konstruktiveren Sinn so organisiert und durchgeführt werden, dass die Unternehmen zur Einhaltung ihrer Pflichten bezüglich der Abfallbehandlung ermutigt werden.

40.     Die Pflicht der mit Beseitigungs- und Verwertungsmaßnahmen befassten Anlagen oder Unternehmen gemäß Artikel 14 der Richtlinie, ein Register zu führen und dessen Angaben den zuständigen Behörden auf Anfrage mitzuteilen, ist offensichtlich erforderlich, um die in Artikel 13 der Richtlinie angeführten regelmäßigen Überprüfungen zu erleichtern. Es ist daher wesentlich, dass diese Pflicht im nationalen Recht klar und unzweideutig als Pflicht der betreffenden Anlagen verankert wird.

41.     Artikel 5 der Abfallrichtlinie enthält eine Pflicht anderer Art als die vorstehend erörterten Vorschriften. Während diese ihr Augenmerk auf die Pflichten und Tätigkeiten der Unternehmen in der Kette der Abfallbehandlung richten, bezieht sich Artikel 5 auf die Infrastruktur, die innerhalb des Mitgliedstaats für die Abfallbeseitigung zur Verfügung steht. Ordnungsgemäße Durchführung erfordert in erster Linie die Vornahme technischer Maßnahmen, um sicherzustellen, dass im Mitgliedstaat ausreichende Kapazität für die Abfallbeseitigung zur Verfügung steht. Das lässt sich aus dem Ausdruck „angemessen“ in dieser Vorschrift sowie aus der Pflicht der Mitgliedstaaten ableiten, Autarkie in diesem Bereich anzustreben. „Angemessenheit“ kann so verstanden werden, dass eine Entwicklung anzustreben ist, bei der die Bereitstellung von Beseitigungskapazität ausreicht, um den Bedarf an Beseitigungskapazität zu decken. Die Bedingung, dass das Netzwerk „integriert“ sein muss, bedeutet, dass Beseitigungsanlagen innerhalb eines Systems funktionieren müssen und dass innerhalb dieses Systems eine Form der Koordinierung bereitstehen muss, die soweit wie möglich sicherstellt, dass bei der Beseitigungskapazität Nachfrage und Angebot ausgeglichen sind. Die Verweisung auf Artikel 5 in Artikel 9 ist ein Indiz dafür, dass dies durch das Genehmigungsrahmenwerk erfolgen soll.

42.     Meines Erachtens stellen diese Ausführungen in ihrer Gesamtheit den Maßstab für die Würdigung dar, ob die Abfallrichtlinie in den Mitgliedstaaten ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

C – Struktureller Verstoß gegen eine Richtlinie

43.     Wie ich in Nummer 19 dieser Schlussanträge ausgeführt habe, wirft der Klageantrag der Kommission die Frage auf, was unter einer allgemeinen und strukturellen Verstoß eines Mitgliedstaats gegen seine gemeinschaftsrechtlichen Pflichten zu verstehen und wie nachzuweisen ist, dass ein solcher Sachverhalt vorliegt. Die beiden Aspekte stimmen in einer Reihe von Kriterien überein, die bei der Umschreibung dessen, was einen strukturellen Verstoß ausmacht, herangezogen werden können. Ist nachgewiesen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, so kann geschlossen werden, dass der Verstoß ein struktureller ist. In dieser Hinsicht möchte ich drei verschiedene Dimensionen unterscheiden, die zusammen genommen auf den allgemeinen und strukturellen Charakter eines Verstoßes deuten können: eine Skalendimension, eine Zeitdimension und eine Schweredimension.

44.     Die Skalendimension bezieht sich auf die Zahl der Fälle, in denen nachgewiesen ist, dass gemeinschaftsrechtliche Pflichten verletzt worden sind. Auch wenn Einzelfälle für sich betrachtet ausreichen können, einen Verstoß nachzuweisen, wie dies durch die Urteile Kommission/Griechenland (18) und Kommission/Italien (nachstehend: San Rocco) (19) belegt wird, legt ein struktureller Verstoß nahe, dass eine allgemeinere Praxis vorliegt oder ein Zuwiderhandlungsmuster, das auch wahrscheinlich erneut auftreten wird. Im Fall einer Richtlinie bedeutet dies, dass der wesentliche Inhalt der Richtlinie – aus welchem Grund auch immer – nicht in die Praxis umgesetzt und das Ergebnis der Richtlinie innerhalb des Mitgliedstaats nicht erreicht wird. Ein Hinweis darauf kann sein, dass die Praxis nicht auf einen bestimmten Ort in dem Mitgliedstaat beschränkt, sondern weiter verbreitet ist, so dass sich mehrere Vorfälle, bei denen gegen die Bestimmungen der Richtlinie verstoßen wird, gleichzeitig im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats ereignen.

45.     Die Zeitdimension bezieht sich offensichtlich darauf, dass der Zuwiderhandlungssachverhalt über einen längeren Zeitraum nach Wirksamwerden der besonderen Gemeinschaftspflicht angedauert hat, wobei vernünftige Fristen dafür, dass neu eingeführte Instrumente wie etwa das Genehmigungssystem voll funktionsfähig werden können, eingeschlossen sind. Was für die Zwecke der Anwendung dieses Kriteriums lang bedeutet, kann nicht mit Genauigkeit festgelegt werden. Ich halte dies auch nicht für erforderlich. Allgemein gesagt ergibt sich eindeutig aus der besonderen Gemeinschaftspflicht und dem von den Mitgliedstaaten zu erzielenden Ergebnis, was als ein vernünftiger Zeitraum für die Erfüllung der Pflicht anzusehen ist und welche Umstände Verzögerungen bei der Erfüllung der Pflicht erklären können, auch wenn sie möglicherweise die Nichteinhaltung einer Frist nicht förmlich rechtfertigen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird eindeutig klar, dass ein Sachverhalt der Zuwiderhandlung sich verfestigt hat. Ein Beleg für eine solche strukturelle Zuwiderhandlung, der einem hierzu einfällt, ist der Sachverhalt, der Anlass für das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Kommission/Frankreich war, das auch als „Spanische-Erdbeeren-Urteil“ bekannt geworden ist (20) . In dieser Rechtssache war einer der maßgeblichen Faktoren für die Feststellung des Gerichtshofes, dass Frankreich seine Vertragspflichten verletzt habe, der Umstand, dass dieser Staat über einen Zeitraum von nahezu zehn Jahren nichts gegen Bürger unternommen hatte, die den freien Warenverkehr behindert hatten (21) .

46.     Die Schweredimension bezieht sich auf den Grad, um den die wirkliche Situation in dem Mitgliedstaat von dem Ergebnis abweicht, das mit Hilfe der Gemeinschaftspflicht erreicht werden soll. Teil dieses Aspekts ist es, dass die Aufrechterhaltung einer Situation, die der Gemeinschaftspflicht widerspricht, bestimmte abträgliche Auswirkungen auf die von der betreffenden Gemeinschaftsvorschrift geschützten Interessen haben wird, und dass diese Wirkungen die Erreichung der Ziele der Richtlinie maßgeblich untergraben werden. Im Fall der Abfallrichtlinie sind zwei Arten negativer Wirkungen denkbar, die beide mit den Grundzielen der Richtlinie zusammenhängen. Zunächst bringt ganz offensichtlich die Nichteinhaltung wesentlicher Bestimmungen der Abfallrichtlinie die Gefahr mit sich, dass der Umwelt Schaden zugefügt wird und damit möglicherweise auch der menschlichen Gesundheit. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Schaden nicht wieder gutzumachen ist. Die zweite Art negativer Wirkungen ist die, dass die Gefahr erheblicher Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt besteht. Unternehmen, die in Mitgliedstaaten tätig sind, die die Abfallrichtlinie vollständig einhalten, werden höchstwahrscheinlich bei der Abfallbeseitigung unter Bedingungen, die mit Artikel 4 in Einklang stehen, mit höheren Kosten zu tun haben als die Unternehmen, die nicht der gleichen Regelung unterstehen. Die Einhaltung der Richtlinie bringt vor allem zu Beginn der Einführung des Abfallbeseitigungssystems erhebliche Kosten sowohl bei öffentlichen Einrichtungen als auch bei privaten Unternehmen mit sich.

47.     Angesichts der Folgen der Feststellung einer allgemeinen Säumnis bei der Erfüllung von Gemeinschaftsverpflichtungen halte ich das Ausmaß der negativen Auswirkung einer solchen Zuwiderhandlung auf die Erreichung der Ziele der betreffenden Gemeinschaftsmaßnahme für einen Faktor, der Berücksichtigung finden sollte. Das ändert nichts daran, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Artikel 226 EG klargestellt hat, dass der Umstand, dass die Nichterfüllung von Gemeinschaftspflichten zu keinem Schaden geführt hat, nicht zu dem Schluss berechtigt, dass der Mitgliedstaat das Gemeinschaftsrecht nicht verletzt hat (22) . Die allgemeine Nichterfüllung von Gemeinschaftspflichten führt notwendig zum Auftreten negativer Wirkungen.

48.     Eine allgemeine und strukturelle Zuwiderhandlung kann kurz gesagt stets dann angenommen werden, wenn der Rechtsbehelf für diesen Sachverhalt nicht nur im Ergreifen von Maßnahmen besteht, um eine Reihe von Einzelfällen zu lösen, die nicht mit der betreffenden Gemeinschaftspflicht im Einklang stehen, sondern wenn die Pflichtverletzung nur durch eine Umstellung der allgemeinen Politik und Verwaltungspraxis des Mitgliedstaats bezüglich des Gegenstandes behoben werden kann, für den die betreffende Gemeinschaftsmaßnahme Geltung beansprucht. Würde man die Bereinigung auf festgestellte Fälle der Nichterfüllung beschränken, so würde dies nämlich andere Nichterfüllungsfälle unberührt lassen, bis auch sie festgestellt wären und entweder durch die Kommission in einem neuen Vertragsverletzungsverfahren oder von auf nationaler Ebene beeinträchtigten Personen in Verfahren vor den nationalen Gerichten bekämpft würden. In der Zwischenzeit besteht eine Situation weiter, die der von der Gemeinschaftsmaßnahme ins Auge gefassten entgegengesetzt ist.

D – Beweisfragen

49.     In dieser Rechtssache, die durch eine Überfülle von Tatsachenmaterial gekennzeichnet ist, das von beiden Parteien beigebracht wurde, ist die Beweisfrage von besonderer Bedeutung, vor allem angesichts der Auffassung der Kommission, dass die verschiedenen Fälle angeblicher Nichtbefolgung der Richtlinie eine allgemeine Säumnis Irlands bei der Erfüllung seiner Pflichten in diesem Bereich belegen. Vor der Prüfung der Begründetheit und angesichts des Bestreitens der Richtigkeit der Mehrzahl der Behauptungen der Kommission durch Irland sollte daher erwogen werden, wie bei dieser Sachlage die Beweislast zu verteilen ist, wie ein allgemeiner Verstoß nachgewiesen werden kann und welcher Zeitpunkt heranzuziehen ist, um zu beurteilen, ob dieser allgemeine Verstoß vorliegt.

50.     Die irische Regierung macht geltend, in Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 226 EG liege die Beweislast eindeutig bei der Kommission, und diese könne sich für den Nachweis, dass ein Mitgliedstaat seine gemeinschaftsrechtlichen Pflichten nicht erfüllt habe, nicht auf Vermutungen stützen. Wenn eine bloße Behauptung bestritten werde, könne der Klage der Kommission kein Erfolg beschieden sein, weil die Beweislast jederzeit beim Kläger liege. Die irische Regierung beanstandet ferner den Versuch der Kommission, aus den einzelnen Beschwerden, die die Grundlage der Klage bildeten, allgemeine Schlüsse darauf zu ziehen, ob Irland seine Vertragspflichten erfüllt habe. Die Kommission habe keinen Beweis in Form von Untersuchungen oder Zahlen geliefert, die Irlands Säumnis bei der Erfüllung seiner Pflichten nach der Abfallrichtlinie belegten. Die von der Kommission beigebrachten Beweise entsprächen nicht den vom Gerichtshof im Urteil San Rocco (23) aufgestellten Beweisanforderungen.

51.     Die Kommission besteht darauf, dass sie zwingende Beweise für ihre Beanstandungen in der Klageschrift vorgelegt habe und dass damit Verwaltungspraktiken und -unterlassungen der irischen Behörden belegt würden, die sich zu einer systematischen Unterlassung Irlands verdichteten, seine Pflichten nach der Abfallrichtlinie zu erfüllen. Ihre Vorgehensweise in dieser Rechtssache entspreche der von Generalanwalt Mischo in Nummer 63 seiner Schlussanträge in der Rechtssache San Rocco erwähnten. Nach seiner Feststellung in Nummer 62 seiner Schlussanträge, dass, „wenn sich herausstellen sollte, dass eine Richtlinie nur auf der Ebene der Vorschriften umgesetzt worden ist, der Mitgliedstaat aber nicht mit der erforderlichen Sorgfalt die Beachtung der Richtlinie überwacht, ... der Kommission nicht das Recht abgesprochen werden [kann], eine Vertragsverletzungsklage zu erheben“, habe er weiter ausgeführt: „Dieser Sachverhalt wäre sicherlich gegeben, wenn die Kommission in einer ganzen Reihe von Fällen feststellen würde, dass die Richtlinie über einen bestimmten Zeitraum hinweg nicht angewandt worden ist.“

52.     Nach ständiger Rechtsprechung gilt als Beweisgrundregel in Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 226 EG, dass es Sache der Kommission ist, die Behauptung zu beweisen, dass ein Mitgliedstaat seine Gemeinschaftspflichten nicht erfüllt hat. Die Kommission muss dem Gerichtshof die Beweise an die Hand geben, die diesem die Feststellung ermöglichen, dass die Pflicht nicht beachtet worden ist, und sie darf sich dabei nicht auf Vermutungen stützen (24) .

53.     Diese Grundregel bildet den Ausgangspunkt für die Prüfung der in der Klageschrift der Kommission enthaltenen Behauptungen durch den Gerichtshof. Die Kommission muss nämlich überzeugende Beweise für den Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen gemeinschaftsrechtliche Pflichten vorlegen, und es ist nur folgerichtig, dass die Feststellung eines Verstoßes gegen Vertragspflichten nicht auf eine bloße Vermutung gestützt werden kann. Man muss indessen sehen, dass die Kommission beim Beweis von Sachverhalten in einem Mitgliedstaat, wie sie in dieser Rechtssache in Rede stehen, weitgehend auf Informationen aus außenstehenden Quellen angewiesen ist. Anders als in Politikbereichen wie der gemeinsamen Fischereipolitik verfügt die Kommission über keinerlei Untersuchungsbefugnis für den von der Abfallrichtlinie erfassten Bereich und kann die Richtigkeit solcher Informationen nur dadurch prüfen, dass sie den Mitgliedstaat im Vorverfahren mit dieser Information konfrontiert. Unter solchen Umständen halte ich es nicht für vernünftig, die Beweislast in vollem Umfang der Kommission aufzubürden, wie es die irische Regierung will. Die gefestigte Beweisregel in Vertragsverletzungsverfahren muss vielmehr so verstanden werden, dass bei Beginn des Verfahrens der Klageantrag der Kommission schlüssig und überzeugend substantiiert werden muss. Ist dies der Fall, so geht die Beweislast auf den betreffenden Mitgliedstaat über, der ausreichende Gegenbeweise vorlegen muss, um die Behauptungen der Kommission zu widerlegen. Die Beweisgrundregel gilt mit anderen Worten nicht ohne Einschränkungen.

54.     Dies ist, glaube ich, auch die Vorgehensweise des Gerichtshofes in der Rechtssache San Rocco gewesen. In dieser Rechtssache hatte die Kommission ausreichende Anhaltspunkte für die behauptete Umweltverschmutzung vorgelegt. Soweit diese Anhaltspunkte auf Berichten der nationalen Behörden beruhten, war es für den Gerichtshof Sache der italienischen Regierung, die von der Kommission vorgelegten Daten substantiiert zu bestreiten. Da Italien dies nicht mit Erfolg getan hatte, waren die behaupteten Tatsachen als bewiesen anzusehen (25) . Die Beweislast ging auf die beklagte Regierung über, und zwar nicht so sehr, weil der Beweisursprung nationale Berichte waren, wie die irische Regierung vorgebracht hat, sondern weil diese Beweise für ausreichend gehalten wurden. Es gibt keinen Grund, warum von der Kommission vorgelegtes Beweismaterial, das auf anderen Quellen beruht, nicht ebenso überzeugend sein sollte, woraufhin die Beweislast auf die beklagte Regierung übergehen könnte (26) .

55.     Der zweite Punkt betrifft die Frage, wie eine allgemeine Säumnis bei der Erfüllung von Gemeinschaftspflichten anhand einer Reihe von Beschwerden nachgewiesen werden kann. Hier müssen die drei oben dargelegten Elemente in den Brennpunkt gerückt werden. Um eine allgemeine Verletzung der Abfallrichtlinie auf der Grundlage von Sachverhalten, wie sie in an die Kommission gerichteten Beschwerden vorgebracht worden sind, nachzuweisen, wäre es – angenommen, dass diese Sachverhalte tatsächlich bewiesen sind – erforderlich, Elemente aufzufinden, die all diesen Beschwerden gemeinsam sind und auf eine zugrunde liegende fortdauernde Praktik hindeuteten. Es müsste dargelegt werden, dass das Vorliegen der Sachverhalte, die den verschiedenen Beschwerden zugrunde liegen, angesichts ihrer Anzahl und ihrer Natur nur dadurch erklärt werden kann, dass gemeinschaftsrechtliche Verpflichtungen in größerem Maßstab nicht eingehalten werden. In einer solchen Situation können die verschiedenen Beschwerdefälle zusammengenommen und im Zusammenhang gesehen nicht mehr als bloß isolierte Vorfälle betrachtet werden, sie sind vielmehr symptomatisch für eine Politik oder (Verwaltungs-)Praxis, die die auf den Mitgliedstaaten lastenden Pflichten nicht erfüllt. Da mit anderen Worten ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Politik und dem Sachverhalt besteht, setzt dessen Vorliegen notwendig das Vorliegen der Erstgenannten voraus.

56.     Ich möchte meinen, dass der Gerichtshof eine ähnliche Vorgehensweise in Rechtssachen aus dem Fischereisektor an den Tag gelegt hat, wenn er sich auf der Grundlage von Zahlentabellen der Kommission und der Wiederholung des Sachverhalts, denen diese galten, überzeugt zeigte, dass Fälle des Überfischens nur eine Folge der Säumnis des betreffenden Mitgliedstaats bei der Erfüllung seiner Kontrollpflichten sein konnten (27) .

57.     Ich möchte ergänzen, dass diese Vorgehensweise nicht bedeutet, dass ein Verstoß anhand einer Vermutung festgestellt wird. Es handelt sich eher um eine Argumentation, die auf der Kausalität verwandter Sachverhalte beruht und rückwirkend angewandt wird.

58.     Der dritte Aspekt bezieht sich auf den Zeitpunkt, der für die Prüfung maßgebend ist, ob ein allgemeiner und struktureller Verstoß vorliegt. Ich werfe diese Frage auf, weil fraglich sein könnte, ob die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach die Frage, ob ein Mitgliedstaat seine Pflichten nicht erfüllt hat, nach Maßgabe der Situation zu beurteilen ist, die in dem betreffenden Mitgliedstaat am Ende der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission festgelegten Frist besteht (28) , geeignet ist für die Feststellung einer solch allgemeinen Säumnis, da es sich dabei definitionsgemäß um eine beständige und fortdauernde Situation handelt. Außerdem mag es eine Entwicklung in der allgemeinen faktischen Situation geben, die Grundlage des Klageantrags ist, wenn der Mitgliedstaat Schritte unternommen hat, die Erfüllung seiner Pflichten zu verbessern, insbesondere mit Rücksicht auf die Bemerkungen der Kommission im Rahmen des Vorverfahrens.

59.     Zu dieser Frage möchte ich darauf hinweisen, dass es die Aufgabe der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Frist ist, dem Mitgliedstaat eine letzte Gelegenheit zu geben, seine Vertragspflichten zu erfüllen, bevor die Kommission den Gerichtshof um eine Entscheidung ersucht. Vom Zeitpunkt des ersten Aufforderungsschreibens bis zum Ablauf dieser Frist hat der Mitgliedstaat formell Kenntnis, dass die Kommission in ihrer Rolle als Hüterin des Vertrages der Auffassung ist, dass er seine Pflichten verletzt. Auch wenn es zweifelhaft sein kann, ob dies der Fall ist oder nicht, und dieser Zweifel nur durch den Gerichtshof behoben werden kann, soll jedenfalls das Vorverfahren es dem Mitgliedstaat im Dialog mit der Kommission ermöglichen, die Situation zu überdenken und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die volle Erfüllung seiner Pflichten sicherzustellen. Formal gesehen kann eine Zuwiderhandlung zwar erst von dem in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Zeitpunkt an festgestellt werden, materiell gesehen hat aber die Zuwiderhandlung bereits einige Zeit vor diesem Zeitpunkt vorgelegen. Ich bin daher der Meinung, dass der Gerichtshof bei der Prüfung, ob ein Mitgliedstaat zu dem in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Zeitpunkt allgemein und strukturell gegen seine Gemeinschaftspflichten verstoßen hat, notwendig diese Situation als Ergebnis einer ständigen Entwicklung berücksichtigen und sie in der Perspektive ihrer Entwicklung würdigen muss.

60.     Schließlich dürfen, wie der Gerichtshof bei zahlreichen Gelegenheiten festgestellt hat, Entwicklungen nach Ablauf der Frist, die dem Mitgliedstaat gesetzt wurde, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen, eindeutig nicht berücksichtigt werden (29) .

VII – Prüfung: die Lage in Irland

61.     Wie ich in meiner Erörterung der Abfallrichtlinie festgestellt habe, muss bei der Richtlinie ein ganzheitlicher Ansatz gewählt werden, d. h., sie muss als vollständiges System betrachtet werden, das mehr ist als seine konstitutiven Teile. Da sich indessen die Auseinandersetzung zwischen den Parteien größtenteils auf die Durchführung verschiedener Richtlinienvorschriften in Irland konzentriert hat, werde ich zunächst diese Aspekte behandeln, bevor ich meine Untersuchung der Befolgung der Richtlinie als System durch Irland wieder aufnehme. Ich werde mich in erster Linie dem wichtigsten Vorbringen der Kommission und der irischen Regierung widmen und folge dabei dem Verlauf der Auseinandersetzung nach Aktenlage.

A – Genehmigungen (Artikel 9 und 10)

62.     Gemäß den Artikeln 9 und 10 der Abfallrichtlinie bedürfen Anlagen oder Unternehmen, die Beseitigungs- oder Verwertungsmaßnahmen durchführen, einer Genehmigung durch die zuständige nationale Behörde. Genehmigungen gemäß Artikel 9 sollen die Durchführung der Artikel 4 (allgemeine Pflicht), 5 (Netz von Beseitigungsanlagen) und 7 (Abfallbewirtschaftungsplan) sicherstellen, während Genehmigungen nach Artikel 10 nur erteilt werden, um Artikel 4 durchzuführen.

63.     In ihrer Klageschrift unterscheidet die Kommission in Bezug auf diese beiden Vorschriften zwischen städtischen Beseitigungsmaßnahmen (die von örtlichen Stellen durchgeführt werden) und privaten Beseitigungsmaßnahmen. Während für die Letztgenannten nach irischem Recht seit 1980 ein Genehmigungserfordernis gilt, wurde für städtische Maßnahmen eine Genehmigung erst im Waste Management Act 1996 (nachstehend: WMA 1996) vorgeschrieben, der erlassen wurde, nachdem die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren eröffnet hatte (das sie später einstellte). Dieser Act sah die geregelte Einführung von Genehmigungen für bestehende Anlagen zwischen Mai 1997 und März 1999 vor.

64.     Zur ersten Kategorie macht die Kommission geltend, dass die Lage bezüglich der Genehmigungserteilung für städtische Beseitigungsmaßnahmen in Irland unannehmbar sei. Bestimmte Maßnahmen würden weiterhin ohne Genehmigung durchgeführt, nachdem seit mehr als zwanzig Jahren durch die Richtlinie 75/442 das Genehmigungserfordernis eingeführt worden sei. Die Kommission substanziiert diese Rüge durch Hinweis auf Beschwerde 4 (Powerstown). Anträge an die Irish Environmental Protection Agency (irische Umweltschutzagentur, nachstehend: EPA) auf Genehmigung von Abfalldeponien nähmen erhebliche Zeit in Anspruch, was zu einer Verschiebung der Gemeinschaftspflicht zur Erlangung einer Genehmigung führe und oft wie im Fall bestimmter Feuchtgebiete (Beschwerde 7, Kilbarry und Tramore, County Waterford) mit Umweltbelastungen ende. In einigen Fällen würden städtische Maßnahmen nie einer Genehmigung unterworfen, wenn sie vor Erteilung der Genehmigung beendet würden oder wenn eine Genehmigung von den städtischen Behörden nicht beantragt werde (Beschwerde 11, County Donegal). Die Kommission beschuldigt die EPA, sie sei bereit, das Erfordernis nach dem WMA 1996, Anträge auf Genehmigungen innerhalb bestimmter Fristen einzureichen, flexibel zu behandeln (wiederum Beschwerde 11).

65.     Soweit es private Beseitigungsanlagen betrifft, behauptet die Kommission, dass die irischen Behörden de facto Toleranz gegenüber solchen ohne Genehmigung tätigen Anlagen gezeigt hätten, dass die erhaltenen Beschwerden zeigten, dass dies nicht auf bestimmte geografische oder Verwaltungsbezirke beschränkt sei, und dass diese Situation in einigen Fällen über erhebliche Zeiträume hin geduldet worden sei (Beschwerden 1, Limerick; 2, Ballard; 5, Cullinagh; 6, Poolbeg; 8, County Laois; 9, Greenore, und 12, County Waterford). Zusätzlich werde das Genehmigungserfordernis der Abfallrichtlinie der Anwendung nationaler Bodennutzungsvorschriften untergeordnet, die die nachträgliche Genehmigung gesetzwidriger Situationen mit Hilfe von Beibehaltungserlaubnissen zuließen (Beschwerde 2). Die Kommission wendet sich dagegen, dass irische Behörden, wenn Genehmigungen für unerlaubte Maßnahmen beantragt würden, nicht auf der Einstellung dieser Tätigkeiten bestünden, solange das Genehmigungsverfahren nicht abgeschlossen sei (Beschwerden 5, 6 und 8). Eine weitere Rüge geht dahin, dass denen, die unerlaubte Abfallmaßnahmen durchführten, keine Strafen oder Sanktionen auferlegt würden, oder diese, wenn sie verhängt würden, keine Abschreckungswirkung hätten (Beschwerden 2 und 3, Pembrokestown). Ferner habe sich die EPA zur Rechtfertigung der Untätigkeit bei rechtswidrigen Abfallmaßnahmen auf nationale Vorschriften berufen. Insbesondere habe sie sich auf eine nationale Definition des Begriffs „Verwertung“ gestützt, für die seinerzeit nach nationalem Recht keine Genehmigung erforderlich gewesen sei, und damit die Ablagerung von Bauabfall in sensiblen Feuchtgebieten ermöglicht (Beschwerde 1).

66.     Auf das Vorbringen der Kommission zu den städtischen Beseitigungsanlagen entgegnet die irische Regierung erstens, aus einem Bericht der EPA vom 5. Juni 2002 ergebe sich, dass zu diesem Zeitpunkt alle städtischen Abfalldeponien mit einer Ausnahme Genehmigungen erhalten hätten. Sie räumt zweitens ein, dass das Antragsverfahren bei Genehmigungen langwierig sein könne, dies könne indessen durch verschiedene Faktoren erklärt werden, zu denen die Komplexität der Materie, die für öffentliche Beratung verwendete Zeit und bei Abfalldeponien die Notwendigkeit gehörten, bestehende Maßnahmen nachträglich zu genehmigen und eine große Anzahl von Anträgen gleichzeitig zu bescheiden. Die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass diese Verzögerungen irgendwelche Umweltschäden verursacht hätten. Wenn die Kommission beanstande, dass Maßnahmen ungenehmigt blieben, weil sie vor Ende der Antragsfrist beendet worden seien, so müsse darauf hingewiesen werden, dass dies eine unausweichliche Konsequenz des Systems sei, wie es vor Verabschiedung des WMA 1996 bestanden habe. Wenn eine Maßnahme beendet werde, ehe das Genehmigungsverfahren abgeschlossen sei, so bleibe das Verfahren anhängig, damit Auflagen bezüglich Nachsorge und Hilfsmaßnahmen festgelegt werden könnten. Auf jeden Fall verlange die Richtlinie nicht, dass bereits abgeschlossene Abfallmaßnahmen rückwirkend genehmigt werden müssten. Dieses Erfordernis sei erst durch die Abfalldeponienrichtlinie (30) eingeführt worden (Beschwerde 7). Die Situationen, die in der Beschwerde 11 angeführt würden, seien atypisch und belegten keine Flexibilität bei der Beachtung der Fristen nach dem WMA 1996. Irland verweist schließlich auf andere von ihm ergriffene Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass nach 1977 ohne Genehmigung betriebene Abfalldeponien keinen Umweltschaden verursachen, der den Zielen der Richtlinie zuwiderlaufen würde.

67.     Die irische Regierung ist nicht damit einverstanden, dass unerlaubte Abfallmaßnahmen privater Unternehmen de facto toleriert worden seien. Sie verweist auf den oben erwähnten EPA-Bericht vom 5. Juni 2002, dem zu entnehmen sei, dass zu diesem Zeitpunkt von 70 privaten Maßnahmen 43 genehmigt und 27 Anträge noch in der Prüfung gewesen seien. Demgemäß seien – zu diesem Zeitpunkt – sämtliche privaten Abfallmaßnahmen im Einklang mit der Abfallrichtlinie der Genehmigung unterworfen worden. Zum Vorbringen der Kommission bezüglich des Einsatzes der Bodennutzungsvorschriften zur Regulierung ungenehmigter Entwicklungen vertritt sie die Auffassung, dies sei irrelevant und die wahre Frage sei die, ob nach der Abfallrichtlinie eine laufende Maßnahme eingestellt werden müsse, bis sie genehmigt sei, was aber nicht der Fall sei. Die Richtlinie enthalte keine ausdrückliche Vorschrift dieses Inhalts. Irland erkenne seine Pflicht an, die angemessene Durchsetzung der Vorschriften sicherzustellen, mit denen unkontrollierte Ablagerung und Beseitigung von Abfall verboten würden. Irland beruft sich auf Zahlen, die belegen sollen, dass in einer großen Zahl von Fällen die Einstellung ungenehmigter Maßnahmen nach Artikel 55 des WMA 1996 verfügt worden sei, und darauf, dass diese Fälle, falls angemessen, vor ein Gericht gebracht würden. Die Behauptung der Kommission, dass in der Praxis bei ungenehmigten Abfallmaßnahmen keine Strafen und Sanktionen verhängt würden, sei unzutreffend. Die Behauptung, dass nach irischem Recht eine Durchsetzungsmaßnahme nach Ablauf von mehr als fünf Jahren nicht mehr zulässig sei, sei ebenfalls unzutreffend. Diese Regel gelte nicht für fortdauernde ungenehmigte Tätigkeiten. Schließlich sei die Berufung der EPA auf nationales Recht im Fall der Beschwerde 1 (Limerick) zur maßgebenden Zeit berechtigt gewesen.

68.     Neben diesen allgemeinen Ausführungen wendet sich die irische Regierung insbesondere gegen die Beurteilung der mehreren Beschwerden zugrunde liegenden faktischen Situationen durch die Kommission, die die Grundlage ihrer Klageschrift bilden, sowie gegen die allgemeinen Schlussfolgerungen, die diese aus ihnen zieht (Beschwerden 1, 6 und 9). In einigen dieser Fälle sei zwar eine Maßnahme durchgeführt worden, ohne ordnungsgemäß genehmigt worden zu sein, doch sei in diesen Fällen die Situation vor Ablauf der Frist in der mit Gründen versehenen Stellungnahme bereinigt worden (Beschwerde 2 und 6). Wenn die Kommission behaupte, dass die irischen Behörden eine Missachtung von unter Umweltgesichtspunkten sensiblen Feuchtgebieten an den Tag gelegt hätten, sei darauf hinzuweisen, dass Genehmigungen von Abfalldeponien in Kilbarry und Teamore Auflagen enthielten, die diese Gebiete schützen sollten (Beschwerde 7). Außerdem würden Fälle ungenehmigter Abfallmaßnahmen mit Nachdruck verfolgt, und die von der Kommission angeführten Fälle könnten nicht als Beleg für eine allgemeine lasche Haltung bei der Durchsetzung verstanden werden (Beschwerde 3). Zwar seien die Anträge auf Genehmigung in den Fällen der Abfalldeponien in Muckish und Glenella in der Tat verspätet gewesen, doch seien dies die einzigen und überdies atypische Fälle (Beschwerde 11).

69.     Diese Rüge der Kommission und die Entgegnung der irischen Regierung werfen mehrere Fragen bezüglich der Einhaltung des Genehmigungserfordernisses nach den Artikeln 9 und 10 der Abfallrichtlinie auf. Auf der einen Seite haben wir das allgemeine Problem der Angemessenheit und Wirksamkeit des irischen Abfallgenehmigungssystems als Ganzem. Auf der anderen Seite stellt sich eine Reihe besonderer Fragen, die sich auf den Umfang der Pflichten nach diesen Vorschriften beziehen.

70.     Zunächst sollte darauf hingewiesen werden, dass das irische Abfallgenehmigungssystem für die Abfallmaßnahmen privater Anlagen seit 1980 und für öffentliche Behörden seit 1996 in Kraft war, während die Frist für die Umsetzung der Abfallrichtlinie in ihrer ursprünglichen Fassung im Juli 1977 und in der geänderten Fassung im April 1993 ablief. Das Genehmigungserfordernis ist ein zentrales Element der Abfallrichtlinie, seitdem sie in Kraft getreten ist. Unter welchem Blickwinkel man den Fall auch betrachtet, es ist ganz offensichtlich, dass die umfassende Durchführung der Genehmigungsvorschriften in Irland verspätet und, soweit es öffentliche Anlagen betrifft, außergewöhnlich verspätet war, selbst wenn man bedenkt, dass die letztgenannte Säumnis der Ungewissheit in Bezug auf den persönlichen Anwendungsbereich des Genehmigungserfordernisses zuzuschreiben sein mag.

71.     Die Hauptfrage dieses Abschnitts ist es indessen, ob die irischen Behörden sichergestellt hatten, dass das Genehmigungserfordernis der Abfallrichtlinie bei Ablauf der Frist von zwei Monaten nach Erhalt der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission vom 26. Juli 2001 durch Irland als voll funktionsfähig und wirksam anzusehen war, und ob, falls dies nicht der Fall sein sollte, diese Säumnis als ein allgemeiner und struktureller Verstoß gegen die Pflichten aus den Artikeln 9 und 10 der Abfallrichtlinie angesehen werden kann.

72.     Die irische Regierung bezieht sich in erster Linie auf die Situation, wie sie in einem EPA-Bericht vom 5. Juni 2002 beschrieben wird, aus dem sich ergibt, dass zu diesem Zeitpunkt alle 46 städtischen Abfalldeponien mit einer Ausnahme nach Maßgabe der Richtlinie genehmigt gewesen seien. Zahlen in diesem Bericht über Abfalltätigkeiten mit Ausnahme von Deponien zeigen, dass zum gleichen Zeitpunkt bei 88 bestehenden und geplanten Abfalltätigkeiten, darunter 70 privaten, in 56 Fällen Genehmigungen erteilt worden waren, während 32 Anträge noch geprüft wurden. Unter Hinweis auf diese Zahlen stellt sich Irland auf den Standpunkt, dass alle privaten Abfalltätigkeiten zu diesem Zeitpunkt Genehmigungen unterworfen waren.

73.     Die Zahlen, die die irische Regierung heranzieht, um zu belegen, dass sie ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 9 und 10 erfüllt habe, sind aus einer Reihe von Gründen nicht überzeugend. Zuallererst stellen diese Zahlen die Situation etwa acht Monate nach Ablauf der Frist in der mit Gründen versehenen Stellungnahme dar. Zweitens setzt die irische Regierung irrtümlich den Antrag auf Genehmigung mit der Erteilung einer Genehmigung gleich. Drittens geht aus diesen Zahlen nicht hervor, wie viele dieser Genehmigungen und Anträge bestehende Tätigkeiten betrafen. Um einen genaueren Eindruck des Grades der Einhaltung der Artikel 9 und 10 in dem für die Würdigung maßgebenden Zeitpunkt zu gewinnen, ist es indessen hilfreicher, auf EPA-Zahlen zur Situation im November 2001 abzustellen, die Irland in seiner Klagebeantwortung im Rahmen der Erörterung nennt, ob nur verzögert gewährleistet worden sei, dass städtische Abfallmaßnahmen Genehmigungen besitzen (Beschwerde 4). Dort ist angegeben, dass in 181 Fällen, in denen Genehmigungen beantragt worden seien, 93 Genehmigungen erteilt worden seien, 17 vorgeschlagene Entscheidungen erlassen worden seien, 60 in der Prüfung gewesen und 11 zurückgezogen worden seien. Dies stelle einen spürbaren Fortschritt seit dem Inkrafttreten des WMA 1996 dar. Diese Zahlen zeigen zusammen mit der Einschätzung, dass die Situation sich gebessert habe, eindeutig, dass im Zeitpunkt des Ablaufs der Frist in der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht alle Abfallmaßnahmen im Einklang mit den Erfordernissen der Abfallrichtlinie genehmigt waren.

74.     Die Kommission verweist bei städtischen Anlagen darauf, dass Verzögerungen von bis zu vier Jahren bei der Bescheidung von Anträgen für Abfalldeponien aufgetreten seien. Während dieser Zeit wurde die Einhaltung der Abfallrichtlinie noch weiter hinausgeschoben.

75.     Es ist augenfällig, dass die Bescheidung von Anträgen auf Genehmigung Zeit in Anspruch nimmt und komplexe Beurteilungen technischer Art mit sich bringen kann. In dieser Hinsicht sind die verschiedenen Faktoren, die die irische Regierung anführt, um die Verzögerungen zu erklären, als solche verständlich und vernünftig. Wird indessen ein Genehmigungssystem zur Erreichung von Zielen eingeführt, die in einer Gemeinschaftsmaßnahme verankert sind, verlangt eine vollständige und angemessene Durchführung, dass das System nach einer angemessenen Anlaufphase effektiv und wirkungsvoll funktioniert. Obwohl die Richtlinie insoweit schweigt, bedeutet dieses Erfordernis, dass die Bescheidung von Anträgen innerhalb vernünftiger Fristen erfolgt. Außerdem darf man von einem Mitgliedstaat, der bereits klar seine Pflicht zur Einführung eines Genehmigungssystems verletzt, erwarten, dass er diese Situation prompt bereinigt, indem er nicht nur die notwendige gesetzliche Grundlage schafft, sondern auch alle für die vollständige Durchführung und Heranziehung des Genehmigungserfordernisses erforderlichen Maßnahmen in kürzester Zeit erlässt. Zusätzlich entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass ein Mitgliedstaat sich nicht auf Schwierigkeiten verwaltungsmäßiger oder technischer Natur berufen kann, um die Nichtbeachtung der Verpflichtungen zu rechtfertigen, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben (31) . Die Kritik der Kommission an der trägen Handhabung des Genehmigungssystems bei städtischen Abfalldeponien ist daher berechtigt.

76.     Die Kommission und Irland stimmen bezüglich des Umfangs der Pflichten nach den Artikeln 9 und 10 in einer Reihe spezifischer Sachverhalte nicht überein. Diese Punkte betreffen die Pflicht zur rückwirkenden Genehmigung von Anlagen und Einrichtungen, die geschlossen wurden, bevor ein Antrag gestellt wurde, sowie die Pflicht zur Einstellung von Tätigkeiten, bis das Genehmigungsverfahren abgeschlossen ist.

77.     Zum ersten Punkt macht die Kommission geltend, dass die Genehmigung städtischer Abfalldeponien in Irland insoweit unangemessen gewesen sei, als Einrichtungen, die vor Ablauf der Frist nach dem WMA 1996 für die Beantragung einer Genehmigung geschlossen worden seien, ohne Genehmigung verblieben seien. Die Frage, ob Irland verpflichtet gewesen sei, Einrichtungen unter diesen Umständen zu genehmigen, sollte vom Standpunkt der allgemeinen Zielsetzung der Richtlinie aus beantwortet werden. Hier muss anerkannt werden, dass Abfalleinrichtungen wie Deponien oder andere Formen der Abfallablagerung, selbst wenn sie geschlossen sind, immer noch die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt gefährden können. Um zu verhindern, dass sich diese Gefahren konkretisieren, müssen solche Einrichtungen verwaltet und überprüft werden. Die Genehmigung ist das geeignetste Instrument, um entsprechende Auflagen festzulegen. Es gibt keinen Grund, eine Einrichtung, die geschlossen wurde, bevor sie eine Genehmigung erhielt, anders als eine Einrichtung zu behandeln, die eine Genehmigung erhielt, bevor sie ihre Tätigkeit begann. In beiden Fällen ist das Bedürfnis nach Nachsorge und Hilfsmaßnahmen grundsätzlich dasselbe. Darüber hinaus würde es, wenn es sich um Einrichtungen handelte, die ihre Tätigkeiten nach 1977 begonnen hatten, unannehmbar sein, wenn sie aufgrund eines Erfordernisses in nationalen Rechtsvorschriften, dem WMA 1996, der Genehmigung entgehen könnten. Schließlich kann dem Vorbringen Irlands, die Genehmigung von Abfalldeponien sei erst mit der Abfalldeponienrichtlinie 1999/31 eingeführt worden, nicht gefolgt werden. Obwohl die Richtlinie ein besonderes Genehmigungsverfahren für Abfalldeponien vorsah, bedeutet dies nicht, dass bestehende Abfalldeponien nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 9 der Richtlinie fielen. Diese Richtlinie sollte eindeutig die Bestimmungen der Abfallrichtlinie ergänzen. Wenn Artikel 14 dieser Richtlinie Abfalldeponien (ohne Genehmigung) verbietet, die zum Zeitpunkt der Umsetzung in Betrieb waren, bedeutet das nicht, dass für sie zuvor das Genehmigungserfordernis der Abfallrichtlinie nicht galt. Die Auslegung der Artikel 9 und 10 der Richtlinie durch die Kommission, wonach Einrichtungen, die vor Genehmigungserteilung geschlossen wurden, im Hinblick auf die Zeit nach ihrer Schließung weiterhin einer Genehmigung bedürfen, ist daher zutreffend.

78.     Als zweiten Punkt führt die Kommission bezüglich privater Abfallunternehmen ohne Genehmigung an, dass Irland es versäumt habe, die Aussetzung der Tätigkeiten dieser Unternehmen bis zur Beendigung des Genehmigungsantragsverfahrens anzuordnen, und dass auch dies gegen die Artikel 9 und 10 der Richtlinie verstoße. Formal gesehen ist ein Unternehmen, das Abfallmaßnahmen ohne Genehmigung durchführt, unrechtmäßig tätig, so dass die nationalen Behörden, sobald sie bemerken, dass diese Tätigkeiten stattfinden, verpflichtet sind, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu beenden. Dies gilt auch für Sachverhalte, in denen solche Tätigkeiten den Behörden anlässlich eines Antrags auf Genehmigung aufgefallen sind. Für meine Begriffe gibt es hier nur zwei Ausnahmen. Einmal erfordert es die Rechtssicherheit, dass, wenn ein Genehmigungssystem neu eingeführt wird, bestehende Tätigkeiten eine Gnadenfrist erhalten sollten, während deren eine Anpassung an die Rechtslage erfolgt. Zum anderen können mit der Schließung von Anlagen, für die eine Genehmigung beantragt wurde, beträchtliche Nachteile verbunden sein, wenn sich keine sofortigen und praktikablen Alternativen für die Behandlung des betreffenden Abfalls bieten. In einem solchen Fall würde den Zielen der Richtlinie besser gedient, wenn die Maßnahme ausnahmsweise unter solchen vorübergehenden Bedingungen weiter laufen darf, wie sie unter den Umständen geeignet erscheinen. Der betreffende Mitgliedstaat hat darzutun, dass diese Bedingung erfüllt ist. Nach alledem stimme ich mit der Kommission darin überein, dass bei ungenehmigten Tätigkeiten, für die eine Genehmigung beantragt wurde, in erster Linie darauf hinzuwirken ist, dass sie bis zur Beendigung des Antragsverfahrens eingestellt werden.

79.     Die Kommission macht geltend, Irland habe nicht genügend getan, um die Vorschriften zur Durchführung der Richtlinie durchzusetzen, und dass Strafen, wenn sie verhängt würden, keine abschreckende Wirkung hätten. Irland widerspricht dem und verweist auf Zahlen zu Durchsetzungsmaßnahmen und auf einzelne Urteile irischer Gerichte, mit denen schwere Strafen verhängt worden seien. Wie die Kommission in einer Reihe von Fällen nachgewiesen (u. a. Beschwerden 2, 3, 5 und 8) und die irische Regierung nicht ausdrücklich abgestritten hat, wurden Strafen entweder nicht verhängt oder waren so niedrig, dass sie nicht als Abschreckung betrachtet werden konnten. Andererseits hat die irische Regierung die verstärkten Durchsetzungs- und Sanktionsbefugnisse nach dem WMA 1996 herausgestellt und betont, dass auf dieser Grundlage Zuwiderhandlungen energisch verfolgt würden und dass – Gegenerwiderung vom Januar 2003 – verschiedene Maßnahmen gegenwärtig in Vorbereitung seien. Auch wenn aufgrund dieses Vorbringens angenommen werden kann, dass sich die Durchsetzungsbemühungen Schritt für Schritt verbessert haben, muss doch, wie ich in Nummer 28 dieser Schlussanträge bemerkt habe, in dieser Hinsicht letztlich entscheidend sein, ob diese Bemühung zusammen mit der Androhung repressiver Maßnahmen ausreichenden Druck erzeugt hat, um diejenigen, die sich mit Abfalltätigkeiten befassen, anzuhalten, die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie zu beachten, und damit sichergestellt hat, dass die mit der Richtlinie angestrebte Situation in die Praxis umgesetzt wird. Bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission gesetzten Frist war klar, wie ich bereits festgestellt habe, dass nicht alle Abfallmaßnahmen genehmigt und daher ungenehmigte Abfallmaßnahmen im Gange waren. Diese Lage bedeutet notwendig, dass die seinerzeit zur Verfügung stehenden Durchsetzungsmaßnahmen entweder nicht so beschaffen waren, dass sie zur Einhaltung der Genehmigungsvorschriften anhielten, oder aber nicht entsprechend angewandt wurden. Sie waren mit anderen Worten nicht angemessen, um das mit der Richtlinie angestrebte Ergebnis zu erzielen.

80.     Die Kommission macht weiter geltend, dass die Durchsetzung des Genehmigungserfordernisses in bestimmten Fällen hinter die Anwendung der Bodennutzungsvorschriften habe zurücktreten müssen (Beschwerde 2) und dass dieses Erfordernis falsch angewendet worden sei, weil der Begriff „Verwertung“ zur maßgebenden Zeit im irischen Recht anders als heute ausgelegt worden sei (Beschwerde 1). Irland bestreitet die erste Behauptung und führt zur zweiten aus, dass nationale Behörden nicht für die ordnungsgemäße Anwendung des geltenden Rechts getadelt werden dürften. Im Vergleich zum Hauptvorbringen der Kommission, auf das diese ihren Vorwurf stützt, Irland habe gegen die Artikel 9 und 10 der Abfallrichtlinie verstoßen, halte ich diese beiden Aspekte für nebensächlich. Zum ersten Aspekt möchte ich nur darauf hinweisen, dass bei der Anwendung nationaler Bodennutzungsvorschriften auch die Ziele der Abfallrichtlinie zu berücksichtigen sind. Unter den Umständen des Falles war die betreffende Tätigkeit jedenfalls nicht von einer Abfallgenehmigung im Sinne des Artikels 9 gedeckt, wie die irische Regierung eingeräumt hat. Beim zweiten Aspekt liegt auf der Hand, dass eine abweichende Auslegung eines Gemeinschaftsbegriffs wie „Verwertung“ nach Maßgabe des nationalen Rechts nicht ins Feld geführt werden kann, um die falsche Anwendung einer Gemeinschaftsvorschrift zu rechtfertigen.

81.     In Nummer 35 dieser Schlussanträge habe ich darauf hingewiesen, dass das Genehmigungssystem das zentrale Instrument zur Erreichung der Ziele des Artikels 4 der Richtlinie ist und daher bestimmten Anforderungen genügen muss, um sicherzustellen, dass es wirklich effektiv ist. Effektivität bedeutet hierbei, dass das System sowohl präventive als auch korrigierende Wirkung hat in dem Sinne, dass es sicherstellt, dass das faktische Ergebnis, das mit dem System erzielt werden soll, in der Praxis verwirklicht wird, d. h. dass Abfall so gesammelt, beseitigt oder verwertet wird, dass die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht beeinträchtigt werden. Zusätzlich muss dieses Ziel in struktureller Weise gewährleistet werden. Damit meine ich, dass der Grad der Einhaltung der Vorschriften, die diese Ziele sicherstellen sollen, so hoch ist, dass Zuwiderhandlungen als bloße Einzelerscheinungen gelten können.

82.     Bei der Prüfung der Frage, ob Irland angesichts der Entwicklung der Situation zur Zeit des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Frist von zwei Monaten den Artikeln 9 und 10 der Abfallrichtlinie nachgekommen ist, wird klar, dass es ihm noch nicht gelungen war, ein voll funktionsfähiges Genehmigungssystem für die Kontrolle der Abfallbehandlung einzuführen. Es ist dargetan worden, dass zu diesem für die Beurteilung maßgebenden Zeitpunkt nicht alle Abfallmaßnahmen im Sinne der Richtlinie durch eine Genehmigung gedeckt waren. Das zu dieser Zeit in Irland geltende Genehmigungssystem konnte nicht als so effektiv betrachtet werden, dass es die Erreichung der Ziele der Richtlinie in der Praxis sichergestellt hätte. Die verschiedenen in Nummer 8 aufgeführten Beschwerden zeigen in ihrer Gesamtheit ein Muster von Vorfällen, das nur durch Mängel im Genehmigungssystem erklärt werden kann. Angesichts des Zeitraums, in dem diese Situation fortdauerte, und des Umstands, dass die Fälle, in denen das Genehmigungserfordernis nicht durchgesetzt wurde, weit über Irland verstreut waren und verschiedene Regionen und Verwaltungseinheiten betrafen, möchte ich den Schluss ziehen, dass diese Zuwiderhandlung im Oktober 2001 allgemeiner und struktureller Natur war.

B – Abfallsammler, -beförderer und -makler (Artikel 12)

83.     Gemäß Artikel 12 der Abfallrichtlinie müssen Anlagen oder Unternehmen, die gewerbsmäßig Abfälle einsammeln oder befördern oder die für die Beseitigung oder Verwertung von Abfällen für andere sorgen (Händler oder Makler), bei den zuständigen Behörden gemeldet sein, sofern sie keine Genehmigung benötigen.

84.     Die Kommission macht geltend, dass diese Vorschrift von Irland nicht ordnungsgemäß umgesetzt und demzufolge in Irland nicht ordnungsgemäß angewandt worden sei. Das werde durch die Situation belegt, die Anlass für die Beschwerde 10 (Bray, County Wicklow) gewesen sei.

85.     Irland räumt ein, dass es diese Vorschrift seinerzeit nicht vollständig umgesetzt habe, ist aber der Auffassung, dass diese Unterlassung durch die Waste Management (Collection Permit) Regulations geheilt worden sei, die der Kommission innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist von zwei Monaten übermittelt worden seien. Diese Regulations gingen viel weiter als Artikel 12, da sie für Abfallsammler eine Genehmigung vorschrieben, die sie strengeren Kontrollen unterwerfe. Die Stellung eines Antrags auf Genehmigung laufe auf eine faktische Registrierung hinaus, weil sie den Sammler formell in das Blickfeld der Behörden bringe. Die Registrierung verpflichte oder berechtige Behörden nicht, Vorbedingungen festzulegen.

86.     Die Kommission verweist darauf, dass dieses Genehmigungssystem im Hinblick auf den Zeitpunkt, bis zu dem die Richtlinie 91/156 habe durchgeführt werden müssen, verspätet eingeführt worden sei und zu diesem in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Zeitpunkt und selbst bei seiner Einführung nicht voll funktionsfähig gewesen sei. Ein Antrag auf Genehmigung könne nicht mit einer Registrierung gleichgesetzt werden. Ein Antrag allein unterwerfe den Antragsteller nicht den Überprüfungen nach Artikel 13.

87.     Hier möchte ich darauf hinweisen, dass Artikel 12 ein Registrierungserfordernis für Sammler und andere Mittler in der Kette der Abfallbehandlung aufstellt, wenn der Mitgliedstaat kein Genehmigungssystem für sie vorgesehen hat. In diesem Sinne stellt die Abfallrichtlinie eine Mindestvoraussetzung auf. Es ist ganz klar, dass sich Irland für das letztgenannte Instrument entschieden hat und die betreffenden Regelungen der Kommission innerhalb der Frist der mit Gründen versehenen Stellungnahme mitgeteilt wurden. Es ist allerdings ebenfalls klar, dass Artikel 12 vom Durchführungszeitpunkt bis zum Inkrafttreten des Genehmigungssystems für Abfallsammler in Irland nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war. Wie dem auch sei, da die Frage der Pflichterfüllung im Hinblick auf den in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Termin beantwortet werden muss und Irland zu diesem Zeitpunkt ein Genehmigungssystem eingeführt hatte, war es nicht länger verpflichtet, Abfallsammler zu registrieren. Es liegt auf der Hand, dass dies nur gilt, wenn das Genehmigungssystem selbst angemessen ist und alle von Artikel 12 erfassten Mittler ihm unterworfen sind. Da indessen im Brennpunkt des Vorbringens der Kommission das Fehlen eines Registrierungssystems steht und sie nicht ausreichend substanziiert hat, dass das Genehmigungssystem für Sammler seinem Inhalt oder seinem persönlichen Anwendungsbereich nach unangemessen wäre, komme ich zu dem Ergebnis, dass die Klage der Kommission in diesem Punkt abzuweisen ist.

C – Ein angemessenes und integriertes Netz von Beseitigungsanlagen (Artikel 5)

88.     Artikel 5 der Abfallrichtlinie zielt letztlich darauf ab, dass in den Mitgliedstaaten ein integriertes Netz von Beseitigungsanlagen errichtet wird, das der Gemeinschaft als Ganzem die Autarkie bei der Abfallbeseitigung sichert. Er verlangt außerdem von den Mitgliedstaaten Maßnahmen, die diesen gestatten, das Ziel der Autarkie für sich selbst zu erreichen.

89.     Unter Hinweis auf die enge Verbindung zwischen den Artikeln 9 und 5 der Abfallrichtlinie trägt die Kommission erstens vor, weil ihres Erachtens eine erheblich unvollständige Anwendung des Artikels 9 festzustellen sei, sei dies allein schon ein Beleg dafür, dass Irland keine geeigneten Maßnahmen ergriffen habe, um ein angemessenes und integriertes Netz von Abfallbeseitigungsanlagen zu schaffen. Zwingende Aspekte, die in Genehmigungen festgelegt seien, erlaubten Beseitigungsanlagen das kollektive Funktionieren. An den Bedingungen, die die EPA bei der Genehmigung von Einrichtungen festlege, sei zu erkennen, dass bei den Beseitigungsmethoden in Irland erhebliche Verbesserungen erforderlich seien, und angesichts der Zahl von Anlagen, die immer noch auf eine Genehmigung warteten, werde beträchtliche Zeit vergehen, bevor irische Abfallanlagen in der mit Artikel 5 angestrebten Weise kollektiv arbeiten könnten. Die Kommission verweist ferner auf die Mängel der Abfalldeponien in Kilbarry und Tramore (Beschwerde 7). Da bestimmte Regionen sich auf solch unbefriedigende Anlagen verließen und keine Alternative hätten, müsse Irlands Netz als unangemessen gelten. Außerdem sei in bestimmten Fällen die Deponiekapazität ganz oder nahezu erschöpft (Beschwerde 11).

90.     Die irische Regierung erwidert, der bloße Umstand, dass Abfallgenehmigungen häufig technische Verbesserungen von Deponien forderten, erlaube nicht den Schluss, dass Artikel 5 zuvor nicht befolgt worden sei. Vor Erlass der Abfalldeponienrichtlinie hätten für Deponien keine Gemeinschaftsvorgaben gegolten. Außerdem seien die Ereignisse, auf die sich Beschwerde 11 stütze, atypisch. Die Kommission habe keinen Fall genannt, bei dem Abfall wegen Kapazitätsproblemen nicht habe beseitigt werden können, und sie berücksichtige auch die Möglichkeiten der Kapazitätserhöhung bei Deponien nicht.

91.     Meines Erachtens haben die Mitgliedstaaten bei ordnungsgemäßer Erfüllung dieser Pflicht sowohl technische Maßnahmen, die sicherstellen, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat ausreichend Raum für die Beseitigung des im Hoheitsgebiet entstehenden Abfalls zur Verfügung steht, als auch Verwaltungsmaßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass die verschiedenen Anlagen koordiniert arbeiten. Dies ist ein Feld wirtschaftlicher Betätigung, auf dem die Bereitstellung von Kapazität relativ unflexibel ist, während infolge des Wirtschaftswachstums die Nachfrage ständig steigt. Das bedeutet, dass ein Netz von Beseitigungsanlagen nur dann als angemessen gelten kann, wenn die Bereitstellung von Kapazität ausreicht, um die steigende Menge des im Gebiet des Mitgliedstaats erzeugten Abfalls zu verkraften.

92.     Die Kommission betont zu Recht, dass die Verweisung auf Artikel 5 in Artikel 9 erkennen lasse, dass Abfallgenehmigungen im System der Richtlinie als Mechanismus betrachtet werden, der den Erfordernissen des Artikels 5 volle Geltung verschaffen soll. Da nachgewiesen ist, dass Artikel 9 in Irland nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, fehlte es an einer formellen Grundlage, um von Beseitigungsanlagen in Irland zu verlangen, als Netz im Sinne dieser Vorschrift zu arbeiten. Außerdem belegt das häufige Vorkommen von Abfallbeseitigung außerhalb des Genehmigungsrahmens die Unangemessenheit des Netzes in Irland. Weitere Beweise für diese Unangemessenheit können einer Reihe von Berichten in den Verfahrensakten entnommen werden, namentlich einem Bericht vom Dezember 2001, der von Forfas (irisches National Policy and Advisory Board for Enterprise, Trade, Science, Technology and Innovation) erstellt wurde und von der Kommission in ihrer Klageschrift erwähnt wird. Dieser Bericht vermerkt vor dem Hintergrund einer scharfen Zunahme der Abfallerzeugung seit 1995, dass die Abfallbewirtschaftung in Irland an einem kritischen Punkt angelangt sei, und warnt vor weiterem Niedergang, wenn keine Maßnahmen ergriffen würden. Auch wenn Irland in seiner Klagebeantwortung versucht, die Bedeutung dieser Dokumente herunterzuspielen, bieten sie zusammengenommen ein einheitliches Bild des Standes der Beseitigungskapazität und der fehlenden Koordinierung in diesem Bereich zur Zeit des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission festgesetzten Frist. Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass Irland keine angemessenen Maßnahmen zur vollständigen und ordnungsgemäßen Durchführung des Artikels 5 der Richtlinie ergriffen hat.

D – Die zentrale Verpflichtung aus der Abfallrichtlinie (Artikel 4 Absatz 1)

93.     Gemäß Artikel 4 Absatz 1 trifft die Mitgliedstaaten die grundlegende Pflicht, sicherzustellen, dass Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne dass die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne dass Verfahren oder Methoden verwendet werden, die die Umwelt insbesondere in bestimmten, näher bezeichneten Beziehungen schädigen können.

94.     Die Kommission macht geltend, dass Irland, weil es zugelassen habe, dass Maßnahmen der Abfallbeseitigung und -verwertung in erheblichem Maß außerhalb jedweden Genehmigungsrahmens stattgefunden hätten, nicht alle erforderlichen Maßnahmen für die Durchführung des Artikels 4 getroffen habe, weil ohne Genehmigungen Beseitigungs- und Verwertungsmethoden nicht ordnungsgemäß gesteuert und überprüft würden. Mehrere bei ihr eingereichte Beschwerden belegten tatsächliche Umweltschäden (Beschwerden 6, Poolbeg, 7, Kilbarrry und Treamore, sowie 9, Greenore). Angesichts der in Artikel 4 bezeichneten Ziele müsse Abfall, der entgegen den Maßgaben der Richtlinie beseitigt worden sei, sichergestellt werden, d. h. effektiv beseitigt werden. Es sei daher in dieser Hinsicht nicht ausreichend, die Aktivität darauf zu beschränken, eine Einstellung solcher Abfallmaßnahmen zu erreichen. Auch wenn von der EPA erteilte Genehmigungen einen Beitrag zur Rehabilitierung bestimmter Anlagen leisteten, sei nicht offensichtlich, dass die Erteilung solcher Genehmigungen bei rechtswidrigen irischen Abfallmaßnahmen umfassend oder ausreichend sei.

95.     Irland trägt vor, da die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass es kein Genehmigungsrahmenwerk eingeführt habe, und auch keinen Beweis dafür beigebracht habe, dass ein wirklicher Umweltschaden entstanden sei, gebe es keine Grundlage für die Feststellung, dass Irland gegen Artikel 4 der Richtlinie verstoßen habe. Es treffe nicht zu, dass irische Behörden nichts unternommen hätten, um die sich aus früheren Abfallmaßnahmen ergebenden Probleme zu lösen, und die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Erteilung von Abfallgenehmigungen durch die EPA nicht zu befriedigenden Lösungen und zur Nachsorge bei stillgelegten Anstalten führte.

96.     In ihrer Erwiderung verweist die Kommission auf den Wortlaut des Artikels 4, der Verfahren oder Methoden der Abfallbehandlung verbiete, die die Umwelt schädigen „können“. Mithin habe die Kommission nicht nachzuweisen, dass wirklich ein Umweltschaden eingetreten sei, weil dies die präventive Zielrichtung dieser Bestimmung untergraben würde. Das Fehlen eines umfassend effektiven Genehmigungssystems stelle einen starken Beweis dafür dar, dass die nach Artikel 4 erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen worden seien.

97.     Irland entgegnet, die Kommission habe zwar versucht, darzutun, dass der Umwelt tatsächlich Schaden entstanden sei, sie habe aber die hierfür erforderlichen Beweise nicht beigebracht. Die von der EPA erteilten Genehmigungen sähen zwar die allmähliche Einführung von Umweltschutzmaßnahmen vor, doch sei der Vorschlag der Kommission, dass Anlagen vor Beendigung des Genehmigungsverfahrens geschlossen werden sollten, unrealistisch.

98.     Im Urteil San Rocco ist der Gerichtshof davon ausgegangen, dass Artikel 4 Absatz 1 der Abfallrichtlinie die Maßnahmen, die getroffen werden sollen, um sicherzustellen, dass die Abfälle beseitigt werden, ohne die menschliche Gesundheit zu gefährden oder die Umwelt zu schädigen, inhaltlich nicht genau bezeichne, wohl aber die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Zieles festlege, ihnen allerdings ein Ermessen bei der Beurteilung der Erforderlichkeit solcher Maßnahmen belasse (32) . Gleichwohl scheint mir, dass dieses den Mitgliedstaaten belassene Ermessen beschränkt ist, wenn die Richtlinie als vollständiges System betrachtet wird. Artikel 4 Absatz 1 hängt eng mit den Artikeln 9 und 10 zusammen, die im System der Richtlinie die Hauptinstrumente zur Erreichung der in dieser Vorschrift festgelegten Ziele darstellen. Die ausdrückliche Festlegung in den Artikeln 9 und 10, dass das Genehmigungserfordernis für die Zwecke der Durchführung von Artikel 4 eingeführt worden sei, deutet darauf hin, dass dieses Erfordernis eine der „erforderlichen Maßnahmen“ im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 darstellt. Das bedeutet notwendig, dass, wenn die Artikel 9 und 10 nicht eingehalten werden, zugleich gegen Artikel 4 Absatz 1 verstoßen wird.

99.     Wenn ein voll funktionsfähiges Genehmigungssystem für die Abfallbehandlung fehlt, ist nicht gewährleistet, dass Abfalltätigkeiten so durchgeführt werden, dass die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht beeinträchtigt werden. Soweit das Vorbringen teilweise auf die Frage abstellt, ob nachgewiesen sei, dass aufgrund ungenehmigter Abfalltätigkeiten tatsächlich ein Umweltschaden entstanden sei, so ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, wie die Kommission zu Recht bemerkt hat, dass der Nachweis genügt, dass aufgrund solcher Tätigkeiten ein potenzieller Schaden entstehen kann. Jedenfalls enthalten die Akten ausreichende Beweise für einen tatsächlichen Schaden im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 als Folge ungenehmigter Abfallmaßnahmen. Ich verweise u. a. auf die Sachverhalte, die den Beschwerden 7, 9 und 11 zugrunde liegen. Es muss daher festgestellt werden, dass Irland gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 der Abfallrichtlinie verstoßen hat.

E – Unkontrollierte Ableitung von Abfällen (Artikel 4 Absatz 2)

100.   Artikel 4 Absatz 2 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um unkontrollierte Ablagerung oder Ableitung von Abfällen und deren unkontrollierte Beseitigung zu verbieten.

101.   Die Kommission geht davon aus, dass diese Vorschrift Artikel 4 Absatz 1 ergänze, da das Verbot der unkontrollierten Ableitung sicherstellen helfe, dass Abfallmaßnahmen innerhalb eines ordnungsgemäß geregelten Rahmens stattfinden. Irland habe es unterlassen und unterlasse es weiterhin, die unkontrollierte Ableitung von Abfall wirksam zu verbieten, wie der Umfang erweise, in dem Abfall außerhalb des mit den Artikeln 9 und 10 angestrebten Regelungsrahmens unkontrolliert abgeleitet werde. Außerdem habe es Irland ständig unterlassen, Fällen von unkontrollierter Ableitung mit effektiven, angemessenen und abschreckenden Sanktionen zu begegnen. Die Kommission verweist auf ihr Vorbringen zur Nichtbeachtung der letztgenannten Vorschriften.

102.   Irland widerspricht diesem Vorbringen der Kommission und erklärt, sie habe keinen Beweis dafür beigebracht, dass dies zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist in der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Fall gewesen sei. Es sei nicht Sache Irlands, das Gegenteil zu beweisen.

103.   Wie ich in Nummer 36 meiner Schlussanträge ausgeführt habe, ist der Maßstab für die Einhaltung von Artikel 4 Absatz 2, dass das Verbot unkontrollierter Ableitung im nationalen Recht verankert worden ist, angemessene Sanktionen bei Zuwiderhandlungen vorgesehen sind und die Einhaltung dieser Bestimmung in effektiver Weise überprüft wird. Mehrere der Beschwerden, die die Grundlage der vorliegenden Klage bilden, belegen eine unkontrollierte Beseitigung oder Ableitung von Abfall in verschiedenen Regionen Irlands. Ich verweise u. a. auf die Beschwerden 1, 6, 9 und 12. Die irische Regierung hat keinen Beweis dafür beigebracht, dass diese Situationen vor Ablauf der Frist in der mit Gründen versehenen Stellungnahme bereinigt worden wären. Angesichts der Schlussfolgerungen zur Nichtbeachtung der Artikel 9 und 10 sowie des Artikels 4 Absatz 1 zögere ich nicht festzustellen, dass Irland gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 2 der Abfallrichtlinie verstoßen hat.

F – Besitzer von Abfall (Artikel 8)

104.   Artikel 8 der Abfallrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit jeder Besitzer von Abfällen im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie (33) diese einem privaten oder öffentlichen Sammelunternehmen oder einem Unternehmen übergibt, das Maßnahmen der Beseitigung oder Verwertung durchführt, oder selbst die Verwertung oder Beseitigung unter Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie sicherstellt.

105.   Die Kommission stellt sich unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache San Rocco (34) auf den Standpunkt, dass Irland Artikel 8 der Richtlinie nicht beachtet habe. Es habe nicht sichergestellt, dass diejenigen, die infolge ungenehmigter Abfallmaßnahmen im Besitz von Abfällen seien, diese einem der in der Vorschrift bezeichneten Unternehmen übergäben oder selbst für die Beseitigung oder Verwertung des Abfalls unter Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie sorgten. Der letztgenannte Aspekt beziehe sich auf die Abfallbehandlung im Rahmen von Genehmigungen. Maßnahmen, die gemäß Artikel 8 durchgeführt würden, müssten andere Pflichten nach der Richtlinie, insbesondere nach Artikel 4, berücksichtigen. In ihrer Erwiderung verweist die Kommission auf die Situation, die Gegenstand der Beschwerde 1 (Limerick) war und bei der rechtswidrig beseitigter Bau- und Abrissschutt in eine Anlage verbracht worden war, die damals und noch zur Zeit der Abfassung der Erwiderung keine Genehmigung besessen habe. Ein ähnlicher Ablauf der Ereignisse sei in den Fällen der Beschwerden 2 (Ballard), 6 (Poolbeg), 8 (County Laois) und 9 (Greenore) festzustellen.

106.   Die irische Regierung trägt vor, die Kommission habe keinerlei faktisches Beweismaterial für ihre Behauptung beigebracht, dass Irland im Licht des Urteils San Rocco Artikel 8 nicht eingehalten habe.

107.   Artikel 8 ist das erste Glied in der von der Kommission so genannten Verantwortungskette. Die kontrollierte Behandlung von Abfall beginnt mit der Pflicht des Besitzers, ihn im Einklang mit den Zielen der Richtlinie, insbesondere mit Artikel 4, zu beseitigen oder zu verwerten. Entweder kann der Besitzer dies selbst tun, oder er muss sicherstellen, dass dies von einem Unternehmen übernommen wird, das die in den Anhängen II A und II B der Richtlinie genannten Beseitigungs- und Verwertungsmaßnahmen durchführt. Im System der Abfallrichtlinie kann dies nur ein Wirtschaftsteilnehmer sein, der nach den Artikeln 9 oder 10 der Richtlinie eine Genehmigung erhalten hat. Im Urteil San Rocco hat der Gerichtshof bestätigt, dass der Betreiber einer illegalen Deponie Besitzer des Abfalls im Sinne des Artikels 8 und es Sache des Mitgliedstaats sei, sicherzustellen, dass diese Abfälle einem privaten oder öffentlichen Sammel- oder Beseitigungsunternehmen übergeben würden, wenn dieser Betreiber nicht selbst ihre Verwertung oder Beseitigung sicherstellen könne (35) . Zusätzlich setzt Artikel 8, wie bereits ausgeführt, voraus, dass in einem Mitgliedstaat ausreichende Betriebskapazität für die Aufnahme und Verarbeitung von Abfall vorhanden ist, so dass Besitzer von Abfällen ihre Pflichten nach dieser Vorschrift erfüllen können. In dieser doppelten Perspektive wird aus dem dem Gerichtshof vorgelegten tatsächlichen Beweismaterial sichtbar, dass in verschiedenen Situationen (Beschwerden 1 und 12) Abfall von einem außerhalb des Genehmigungsrahmens stehenden Betreiber behandelt wurde, so dass die Besitzer dieses Abfalls entweder ihre Pflichten nach Artikel 8 nicht erfüllt hatten oder dazu nicht in der Lage waren. Irland hat es somit versäumt, Artikel 8 der Richtlinie ordnungsgemäß durchzuführen.

G – Überprüfungen und Register (Artikel 13 und 14)

108.   Artikel 13 bestimmt, dass die Anlagen oder Unternehmen, die die in den Artikeln 9 bis 12 genannten Maßnahmen durchführen, von den zuständigen Behörden regelmäßig angemessen überprüft werden. Artikel 14 verlangt kurz gesagt von allen in den Artikeln 9 und 10 der Abfallrichtlinie genannten Anlagen oder Unternehmen, ein Register über die von ihnen behandelten Abfälle und die Art ihrer Behandlung zu führen. Diese Angaben müssen den zuständigen Behörden auf Anfrage mitgeteilt werden.

109.   Die Kommission ist der Auffassung, dass Irland zusätzlich zu seiner Säumnis, die Genehmigungserfordernisse der Abfallrichtlinie zu beachten, auch die Artikel 13 und 14 der Richtlinie nicht einhalte. Nach ihrem Verständnis ist die EPA zwar zuständig, um die Einhaltung der von ihr ausgestellten Abfallgenehmigungen zu überprüfen, sie habe jedoch keine Zuständigkeit für die Überprüfung von Anlagen, die noch nicht genehmigt seien. Solange irische Abfallunternehmen nicht in einen Genehmigungsrahmen eingegliedert würden, gelte für sie de facto eine Befreiung von der Registerführungspflicht.

110.   Zur Beantwortung beider Vorwürfe verweist Irland auf sein Vorbringen zum Stand der Genehmigung von Abfalldeponien in seiner Klagebeantwortung, wonach am 5. Juni 2002 alle bedeutenden Abfallanlagen genehmigt und damit implizit einer Kontrolle unterworfen seien. Außerdem lege die Richtlinie nicht fest, dass Überprüfungen nur bei Unternehmen stattfinden dürften, die eine Genehmigung besäßen, und es bestehe auch keine automatische Verbindung zwischen der Genehmigungserteilung und der Führung von Registern.

111.   Bezüglich Artikel 13 ist davon auszugehen, dass eine offensichtliche implizite Verbindung zwischen dem Vorhandensein eines voll funktionsfähigen Genehmigungsrahmens und den begleitenden Kontrollmaßnahmen besteht. Gleichzeitig bedeutet die Erteilung einer Genehmigung für eine Tätigkeit nicht notwendig, dass Überprüfungen durchgeführt werden, während das Fehlen einer Genehmigung nicht notwendig bedeutet, dass keine Überprüfungen durchgeführt werden. Da die Kommission keinen konkreten Beweis dafür beigebracht hat, dass keine Überprüfungen durchgeführt wurden, und sich nur auf die Nichteinhaltung der Artikel 9 und 10 der Abfallrichtlinie stützt, schließe ich daraus, dass dieser Klagegrund der Kommission zurückzuweisen ist.

112.   Die gleichen Erwägungen gelten für die Behauptung der Kommission, dass Irland die Pflicht, gemäß Artikel 14 der Richtlinie Register zu führen, nicht vollständig erfüllt hat. Da sie sich auch hier allein auf das Fehlen eines voll funktionsfähigen Genehmigungssystems stützt und keinen anderen Beweis dafür erbracht hat, dass diese Vorschrift nicht eingehalten worden ist, ist auch dieser Klagegrund zurückzuweisen.

VIII – Allgemeiner und struktureller Verstoß Irlands gegen die Abfallrichtlinie

113.   Der Klageantrag der Kommission richtet sich auf die Feststellung, dass Irland strukturell und allgemein gegen die Abfallrichtlinie verstoßen und nicht sichergestellt habe, dass die nahtlose Verantwortungskette voll anerkannt und zur Geltung gebracht werde, und nicht so sehr auf die Feststellung, dass die zwölf Beschwerden, die die Grundlage ihrer Klage bilden, begründet seien.

114.   Diese Rechtssache unterscheidet sich in ihrem Umfang von der Rechtssache San Rocco (36) . Dort ging es um die Frage, ob ein Verstoß gegen Artikel 4 der Abfallrichtlinie auf der Grundlage eines einzigen Falles der Nichtbefolgung festgestellt werden kann. Im vorliegenden Verfahren hingegen stellt sich die Frage, ob mehrere Fälle der Nichtbeachtung Grundlage für die Feststellung eines allgemeinen Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus der Abfallrichtlinie sein können. Der in dieser Rechtssache aufgestellte Grundsatz ist aber auch in einem Fall wie dem vorliegenden von Bedeutung. Im Urteil San Rocco ist der Gerichtshof zunächst davon ausgegangen, dass „[e]s ... grundsätzlich nicht möglich [ist], aus der Unvereinbarkeit einer tatsächlichen Situation mit den in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 75/442 n. F. festgelegten Zielen unmittelbar abzuleiten, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen die ihm durch diese Vorschrift auferlegten Verpflichtungen … verstoßen haben muss“. Er hat sodann weiter ausgeführt, dass „[d]as Fortbestehen einer solchen tatsächlichen Situation ..., namentlich wenn dies zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Umwelt über einen längeren Zeitraum führt, ohne dass die zuständigen Behörden eingreifen, darauf hinweisen [kann], dass die Mitgliedstaaten das ihnen durch diese Vorschrift eingeräumte Ermessen überschritten haben“ (37) .

115.   Bei der Erörterung des Begriffs eines allgemeinen und strukturellen Verstoßes habe ich darauf hingewiesen, dass für einen solchen Verstoß drei Dimensionen zu beachten sind: die Skalen‑, die Zeit‑ und die Schweredimension. Im Urteil San Rocco, das einen einzigen Fall der Zuwiderhandlung gegen die Abfallrichtlinie betraf, hat der Gerichtshof den behaupteten Verstoß anhand der Merkmale der Zeit („Fortbestehen einer tatsächlichen Situation“) und der Schwere („signifikante Beeinträchtigung der Umwelt“) gewürdigt. Danach kann, wenn ein Mitgliedstaat in einer solchen Situation nichts unternimmt, um das Problem zu lösen, festgestellt werden, dass ein Verstoß gegen Artikel 4 vorliegt.

116.   Bei Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall möchte ich zu diesen Ausführungen des Gerichtshofes zwei Bemerkungen machen. Die erste ist bereits in Nummer 98 dieser Schlussanträge zu finden, wo ich darauf hingewiesen habe, dass der Spielraum, über den die Mitgliedstaaten nach Artikel 4 verfügen, beschränkt ist, wenn man die Richtlinie unter einem systematischen Blickwinkel betrachtet. Die zweite Bemerkung lautet, dass, wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, ein Verstoß nur festgestellt werden kann, wenn der betreffende Mitgliedstaat nichts zur Bereinigung der Situation unternommen hat. Die irische Regierung hat sich in der Sitzung auf diese Erwägung berufen und erklärt, dass sie in der Tat heftige Anstrengungen unternommen habe, um den Problemen der Abfallbehandlung in Irland abzuhelfen, und damit dem Urteil San Rocco entsprochen habe. Meines Erachtens ist insbesondere vor dem Hintergrund der vorliegenden Rechtssache entscheidend nicht nur, dass der Mitgliedstaat tätig wird, sondern auch, dass er nachweist, dass dieses Tätigwerden in dem in Nummer 29 dieser Schlussanträge dargestellten Sinne effektiv ist.

117.   Ich bin bereits zu dem Ergebnis gelangt, dass Irland zur Zeit des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission gesetzten Frist zum einen gegen seine Pflichten aus den Artikeln 4, 5, 8, 9 und 10 der Richtlinie verstoßen hat und dass zum anderen die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass ein Verstoß gegen die Artikel 12, 13 und 14 vorliegt.

118.   Bei der Prüfung, ob auf dieser Grundlage ein allgemeiner Verstoß festgestellt werden kann, möchte ich bemerken, dass die Nichteinhaltung der erstgenannten Gruppe von Vorschriften den Kern der Durchführung der Abfallrichtlinie betrifft. Wie ich in diesen Schlussanträgen mehr als einmal betont habe, sollte die Richtlinie als ein vollständiges System betrachtet werden, bei dem die grundlegenden Pflichten der Mitgliedstaaten und die Ziele der Richtlinie in Artikel 4 festgelegt und die Genehmigungserfordernisse der Artikel 9 und 10 Dreh- und Angelpunkt sind. Mit Hilfe der Genehmigungserteilung kann der Mitgliedstaat die Abfallbehandlung überprüfen und Bedingungen auferlegen, um so die Ziele der Richtlinie zu erreichen. Vorbedingung für die Erreichung dieser Ziele ist offensichtlich, dass die Infrastruktur für die Abfallbeseitigung auf die Aufnahme der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats erzeugten Abfälle ausgerichtet wird, wie dies in Artikel 5 der Richtlinie gefordert wird. Die vollständige und ordnungsgemäße Durchführung dieser Vorschriften ist für die Erreichung der Ziele der Richtlinie unerlässlich. Die verschiedenen anderen Vorschriften, um die es in diesem Verfahren geht, sind zwar wichtige Teile des Systems, haben jedoch eher untergeordnete Funktion. Dass die Kommission mit Ausnahme des Artikels 8 keine hinreichenden Beweise beigebracht hat, um die Nichteinhaltung dieser Vorschriften darzutun, beeinträchtigt meines Erachtens nicht die Grundlage für die Feststellung eines allgemeinen Verstoßes.

119.   Es ist daher zu prüfen, ob die Verstöße gegen diese Kernvorschriften der Abfallrichtlinie eine solche Skalen-, Zeit- und Schweredimension aufweisen, dass sie als allgemein und strukturell eingestuft werden können.

120.   In Nummer 82 dieser Schlussanträge habe ich diese Frage bereits in Bezug auf die Genehmigungserfordernisse der Artikel 9 und 10 bejaht. Obwohl die Vorschriften, die für Beseitigungs- und Verwertungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinie Genehmigungen vorschreiben, seit 1977 in Kraft gewesen waren, war klar, dass noch im Oktober 2001 das Genehmigungssystem in Irland sie noch nicht vollständig und effektiv durchgeführt hatte. Die vielen Beispiele ungenehmigter Abfallbeseitigung in verschiedenen Gebieten Irlands, wie sie den Akten zu entnehmen sind, belegen, dass die Abfallbehandlung von den irischen Behörden all die Jahre nicht angemessen kontrolliert worden ist. Anzuerkennen ist auch, dass sich die Lage bezüglich der Genehmigung von Abfallmaßnahmen in Irland gebessert hat und insbesondere in der zweiten Hälfte der 90er Jahre wichtige Verbesserungen erzielt worden sind. Das Vorgehen der irischen Behörden war indessen nicht ausreichend, um die Ziele der Richtlinie innerhalb der Frist der mit Gründen versehenen Stellungnahme zu erreichen. Angesichts der Zeit, die seit der Einführung des Genehmigungserfordernisses verstrichen ist, ist die Feststellung vollauf berechtigt, dass die Säumnis bei der Einhaltung der Artikel 9 und 10 der Richtlinie beständig und lang anhaltend war.

121.   Das in den zwölf Beschwerden enthaltene Beweismaterial veranschaulicht auch, dass die Probleme rechtswidriger, d. h. ungenehmigter Abfallmaßnahmen nicht auf bestimmte Ortschaften beschränkt waren, sondern über das gesamte irische Hoheitsgebiet verteilt waren. Sie zeigten sich im Bereich verschiedener örtlicher Behörden, was auf ein Verwaltungsproblem allgemeinerer Natur hindeutet. Eine solche Situation kann nur durch einen Politikwechsel auf der Ebene der Zentralregierung bereinigt werden.

122.   Wenn es um die Schwere des Verstoßes geht, ist schließlich zu untersuchen, in welchem Ausmaß die tatsächliche Situation von derjenigen abweicht, die in der Richtlinie vorgeschrieben ist. Sieht man sich die Situationen an, die zu den zwölf Beschwerden geführt haben, so wird deutlich, dass diese nicht den in Artikel 4 angeführten Zielen entsprechen. Sie enthalten zahlreiche Beispiele für schwere Umweltverschmutzungen und ‑schäden in Feuchtgebieten und anderen unter Umweltgesichtspunkten sensiblen Gebieten.

123.   Aufgrund dieser Erwägungen bin ich in der Tat der Auffassung, dass die Säumnis bei der Beachtung der Artikel 4, 5, 9 und 10, die den Kern der Abfallrichtlinie darstellen, dauerhaft, weitverbreitet und schwerwiegend gewesen ist, so dass es ausreichende Gründe für die Feststellung gibt, dass Irland allgemein und strukturell gegen die Abfallrichtlinie verstoßen hat.

IX – Artikel 10 EG

124.   Irland räumt ein, dass es die von der Kommission am 20. September 1999 verlangten Informationen zu der Beschwerde bezüglich der Abfallanlage in Fermoy, County Cork, nicht erteilt und damit seine Pflichten aus Artikel 10 EG nicht erfüllt hat. Der Klage der Kommission ist daher insoweit stattzugeben.

X – Kosten

125.   Gemäß Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes kann der Gerichtshof, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt. Da der Klage der Kommission in ihrem Kern meines Erachtens stattzugeben ist und die Punkte, die zurückzuweisen sind, in dieser Rechtssache nur von untergeordneter Bedeutung sind, möchte ich vorschlagen, Irland gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung in die Kosten zu verurteilen.

XI – Ergebnis

126.   Nach alledem schlage ich daher dem Gerichtshof vor,

festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 4, 5, 8, 9 und 10 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates über Abfälle verstoßen hat, dass es für sein gesamtes Staatsgebiet über einen längeren Zeitraum unterlassen hat, erstens ein angemessenes und voll funktionsfähiges Genehmigungssystem für die Beseitigung und Verwertung von Abfall einzurichten, zweitens zu gewährleisten, dass Besitzer von Abfällen diese einem öffentlichen oder privaten Sammelunternehmen oder einem Unternehmen, das zur Durchführung von Beseitigungs‑ oder Verwertungsmaßnahmen befugt ist, übergeben oder selbst die Verwertung oder Beseitigung sicherstellen, und drittens eine unkontrollierte Ablagerung oder Ableitung von Abfällen und deren unkontrollierte Beseitigung zu verhindern, wodurch es die menschliche Gesundheit gefährdet und Umweltschäden verursacht hat, sowie viertens kein angemessenes Netz von Beseitigungsanlagen geschaffen hat;

die Klage abzuweisen, soweit sie die angeblichen Verstöße gegen die Artikel 12, 13 und 14 betrifft;

festzustellen, dass Irland dadurch, dass es die von der Kommission am 20. September 1999 verlangten Informationen nicht erteilt hat, seinen Verpflichtungen aus Artikel 10 EG nicht nachgekommen ist;

Irland die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.


1
Originalsprache: Englisch.


2
ABl. L 194, S. 39.


3
ABl. L 78, S. 32.


4
Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1).


5
Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7).


6
Ich verwende den Begriff „Durchführung“ hier als Oberbegriff, der die Umsetzung einer Richtlinie in nationale Rechtsvorschriften und die Anwendung und Durchsetzung dieser Vorschriften durch die nationalen Behörden umfasst.


7
Vgl. z. B. Urteil vom 13. März 1997 in der Rechtssache C‑197/96 (Kommission/Frankreich, Slg. 1997, I‑1489, Randnr. 15).


8
Vgl. z. B. Urteil vom 6. Mai 1980 in der Rechtssache 102/79 (Kommission/Belgien, Slg. 1980, 1473, Randnr. 10).


9
Vgl. z. B. Urteile vom 30. Mai 1991 in der Rechtssache C‑361-88 (Kommission/Deutschland, Slg. 1991, I‑2567, Randnr. 15) und vom 13. März 1997 in der Rechtssache C‑197/96 (Kommission/Frankreich, zitiert in Fußnote 7, Randnr. 15).


10
Urteil vom 8. Juli 1987 in der Rechtssache 262/85 (Kommission/Italien, Slg. 1987, 3073, Randnrn. 39 und 44).


11
Urteil vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C‑62/00 (Marks & Spencer, Slg. 2002, I‑6325, Randnr. 27). Ich möchte darauf hinweisen, dass ich, um die in diesen Schlussanträgen verwendete Terminologie durchzuhalten, die Worte „Durchführung“ und „durchgeführt“ durch die Worte „Umsetzung“ und „umgesetzt“ ersetzt habe. Augenscheinlich beziehen sich alle diese Ausdrücke in diesem Kontext auf die Anpassung der nationalen Vorschriften an die Bestimmungen einer Richtlinie.


12
A. a. O.


13
Schlussanträge vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑304/02 (Kommission/Frankreich, Nr. 39).


14
Vgl. die vorletzte Begründungserwägung der Richtlinie 91/156 (zitiert in Fußnote 3).


15
Artikel 9 der Richtlinie verweist ferner auf die Artikel 5 (Netz von Beseitigungsanlagen) und 7 (Abfallbewirtschaftungspläne).


16
Der Besitzer von Abfällen wird in Artikel 1 Buchstabe c der Abfallrichtlinie umschrieben als der Erzeuger von Abfällen oder als die natürliche oder juristische Person, die sich im Besitz dieser Abfälle befindet.


17
Bereits zitiert in Fußnote 12.


18
Urteile vom 7. April 1992 in der Rechtssache C‑45/91 (Kommission/Griechenland, Slg. 1992, I‑2509) und vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C‑387/97 (Kommission/Griechenland, Slg. 2000, I‑5047).


19
Urteil vom 9. November 1999 in der Rechtssache C‑365/97 (Kommission/Italien, Slg. 1999, I‑7773).


20
Urteil vom 9. Dezember 1997 in der Rechtssache C‑265/95 (Kommission/Frankreich, Slg. 1997, I‑6959).


21
Randnrn. 40 bis 43. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Lenz (Nr. 58).


22
In den Worten des Gerichtshofes: „[D]er Verstoß gegen eine Verpflichtung aus einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts [stellt] für sich allein eine Vertragsverletzung dar, [und] die Erwägung, dass dieser Verstoß keine nachteiligen Auswirkungen gehabt hat, ist unerheblich.“ Vgl. Urteile vom 27. September 1990 in der Rechtssache C‑209/88 (Kommission/Italien, Slg. 1990, I‑4313, Randnr. 14) und vom 1. Februar 2001 in der Rechtssache C‑333/99 (Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I‑1025, Randnr. 37).


23
Urteil in der Rechtssache C‑365/97 (zitiert in Fußnote 19, Randnrn. 78 und 79).


24
Vgl. u. a. Urteile vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑194/01 (Kommission/Österreich, Slg. 2004, I‑0000, Randnr. 34), vom 25. Mai 1982 in der Rechtssache 96/81 (Kommission/Niederlande, Slg. 1982, 1791, Randnr. 6) und vom 26. Juni 2003 in der Rechtssache C‑404/00 (Kommission/Spanien, Slg. 2003, I‑6695, Randnr. 26).


25
Urteil in der Rechtssache C‑365/97 (zitiert in Fußnote 19, Randnrn. 84 bis 87).


26
Vgl. auch Urteil vom 22. September 1988 in der Rechtssache C‑272/86 (Kommission/Griechenland, Slg. 1988, 4875, Randnrn. 17 bis 21).


27
Urteil in der Rechtssache C‑333/99 (zitiert in Fußnote 22, Randnr. 35) und vom 14. November 2002 in der Rechtssache C‑140/00 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 2002, I‑10379, Randnr. 40).


28
Vgl. z. B. Urteil in der Rechtssache C‑365/97 (zitiert in Fußnote 19, Randnr. 89).


29
Vgl. z. B. Urteil vom 25. November 1998 in der Rechtssache C‑214/96 (Kommission/Spanien, Slg. 1998, I‑7661, Randnr. 25) und vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C‑60/01 (Kommission/Frankreich, Slg. 2002, I‑5679, Randnr. 36).


30
Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien (ABl. L 182, S. 1).


31
Urteil vom 8. Juni 1993 in der Rechtssache C‑52/91 (Kommission/Niederlande, Slg. 1993, I‑3069, Randnr. 36).


32
Urteil San Rocco (zitiert in Fußnote 19, Randnr. 67).


33
Vgl. Fußnote 16.


34
Zitiert in Fußnote 19 (Randnrn. 105 bis 110 des Urteils).


35
Randnr. 108 des Urteils.


36
Zitiert in Fußnote 19.


37
Randnr. 68 des Urteils.