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URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

23. Januar 2018(*)

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Beamte – Beurteilung – Beurteilung der beruflichen Entwicklung – Beurteilungsverfahren 2013 – Abweisung der Klage – Besetzung des Spruchkörpers, der das erstinstanzliche Urteil erlassen hat – Verfahren zur Ernennung eines Richters am Gericht für den öffentlichen Dienst – Auf Gesetz beruhendes Gericht – Grundsatz des gesetzlichen Richters“

In der Rechtssache T‑639/16 P

betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Zweite Kammer) vom 28. Juni 2016, FV/Rat (F‑40/15, EU:F:2016:137), wegen Aufhebung dieses Urteils,

FV, ehemalige Beamtin des Rates der Europäischen Union, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin L. Levi,

Rechtsmittelführerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch J.‑B. Laignelot und M. Bauer als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter M. Prek, D. Gratsias, S. Papasavvas und A. Dittrich (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem gemäß Art. 9 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingelegten Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin, FV, die Aufhebung des Urteils des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Zweite Kammer) vom 28. Juni 2016, FV/Rat (F‑40/15, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:F:2016:137), mit dem ihre Klage auf Aufhebung ihrer Beurteilung für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2013 abgewiesen wurde.

 Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

2        Am 14. April 2014 erhielt die Rechtsmittelführerin, FV, damals Beamtin des Rates der Europäischen Union, den Entwurf eines Beurteilungsberichts für das Jahr 2013, der von einem Erstbeurteilenden verfasst worden war. Am 19. April 2014 reichte sie Erklärungen hierzu ein, in denen sie dem Inhalt dieses Entwurfs ausdrücklich widersprach und eine Überprüfung beantragte. Am 20. Mai 2014 nahm der Erstbeurteilende zu den Erklärungen der Rechtsmittelführerin Stellung und bestätigte seine erste Beurteilung. Die Rechtsmittelführerin beantragte die Überprüfung des Beurteilungsberichtsentwurfs. Nach einem Gespräch zwischen der Rechtsmittelführerin und dem Zweitbeurteilenden, das am 10. Juni 2014 stattfand, übermittelte Letzterer ihr am 26. Juni 2014 seine Entscheidung, mit der er die Bewertungen des Erstbeurteilenden bestätigte. Im Anschluss an die Stellungnahme des Beurteilungsausschusses, der mit dem Antrag der Rechtsmittelführerin befasst worden war, änderte der Zweitbeurteilende den Entwurf des Beurteilungsberichts ab, von dem die Rechtsmittelführerin am 27. November 2014 Kenntnis erlangte (im Folgenden: streitiger Beurteilungsbericht).

 Verfahren im ersten Rechtszug, Besetzung des Spruchkörpers und angefochtenes Urteil

3        Mit Beschluss 2009/474/EG, Euratom des Rates vom 9. Juni 2009 zur Ernennung eines Richters am Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (ABl. 2009, L 156, S. 56) wurde Frau I. Rofes i Pujol für einen Zeitraum von sechs Jahren – vom 1. September 2009 bis zum 31. August 2015 – zur Richterin am Gericht für den öffentlichen Dienst ernannt.

4        Am 3. Dezember 2013 wurde im Hinblick auf die Ernennung von zwei Richtern am Gericht für den öffentlichen Dienst für einen Zeitraum von sechs Jahren – vom 1. Oktober 2014 bis zum 30. September 2020 – im Amtsblatt der Europäischen Union ein öffentlicher Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen veröffentlicht (ABl. 2013, C 353, S. 11). Dieser Aufruf erfolgte mit Blick auf das Auslaufen der Amtszeiten von zwei Richtern des Gerichts für den öffentlichen Dienst, nämlich der Richter S. Van Raepenbusch und H. Kreppel, am 30. September 2014. In der Folge erstellte der in Art. 3 Abs. 3 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung genannte Ausschuss (im Folgenden: Auswahlausschuss) eine Liste von sechs Bewerbern (im Folgenden: fragliche Bewerberliste).

5        Da der Rat auf die von den Richtern Van Raepenbusch und Kreppel bekleideten Stellen keine Richter ernannte, blieben die beiden Richter gemäß Art. 5 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wonach jeder Richter bis zum Amtsantritt seines Nachfolgers im Amt bleibt, über das Ende ihrer Amtszeit – d. h. über den 30. September 2014 – hinaus im Amt. Diese Bestimmung galt gemäß Art. 5 Abs. 1 des Anhangs I der Satzung in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung auch für die Richter des Gerichts für den öffentlichen Dienst.

6        Mit Schriftsatz, der am 9. März 2015 bei der Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst einging, erhob die Rechtsmittelführerin eine Klage, die unter dem Aktenzeichen F‑40/15 in das Register eingetragen wurde, auf Aufhebung des streitigen Beurteilungsberichts.

7        Die Rechtssache F‑40/15 wurde der Zweiten Kammer des Gerichts für den öffentlichen Dienst zugewiesen, die mit Richter Kreppel, Richterin Rofes i Pujol und Richter K. Bradley besetzt war.

8        Da im Hinblick auf das Ende der Amtszeit der Richterin Rofes i Pujol am 31. August 2015 kein öffentlicher Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen veröffentlicht worden war, blieb sie gemäß den oben in Rn. 5 angeführten Bestimmungen über diesen Zeitpunkt hinaus im Amt.

9        Eine erste mündliche Verhandlung fand am 8. Oktober 2015 statt. Zu diesem Zeitpunkt war die Zweite Kammer des Gerichts für den öffentlichen Dienst mit Richter Kreppel, Richterin Rofes i Pujol und Richter J. Svenningsen besetzt.

10      Mit Entscheidung des Rates vom 8. Dezember 2015 wurde die Rechtsmittelführerin gemäß Art. 42c des Statuts der Beamten der Europäischen Union im dienstlichen Interesse beurlaubt. Nachdem ihre dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen worden war, focht die Rechtsmittelführerin diese Entscheidung mit einer Anfechtungsklage an, die den Gegenstand der Rechtssache T‑750/16, FV/Rat (ABl. 2017, C 6, S. 42), bildet. Diese Klage ist nach wie vor anhängig.

11      Am 22. März 2016 erließ der Rat den Beschluss (EU, Euratom) 2016/454 des Rates zur Ernennung von drei Richtern am Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (ABl. 2016, L 79, S. 30), nämlich von Herrn Van Raepenbusch mit Wirkung vom 1. Oktober 2014 und von Herrn J. Sant’Anna und Herrn A. Kornezov mit Wirkung vom 1. April 2016. In den Erwägungsgründen 1 bis 6 dieses Beschlusses heißt es:

„(1)      Die Amtszeit von zwei Richtern am Gericht für den öffentlichen Dienst … endete mit Wirkung vom 30. September 2014 und die eines weiteren Richters mit Wirkung vom 31. August 2015. Nach Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 1 des Anhangs I [der] … Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen daher drei Richter ernannt werden, um diese frei gewordenen Stellen zu besetzen.

(2)      Im Anschluss an einen 2013 erfolgten öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen … im Hinblick auf die Ernennung von zwei Richtern am Gericht für den öffentlichen Dienst hat der nach Artikel 3 Absatz 3 des Anhangs I [der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union] eingesetzte Auswahlausschuss eine Stellungnahme zur Eignung der Bewerber für die Ausübung des Amts eines Richters am Gericht für den öffentlichen Dienst abgegeben. Der Ausschuss hat seiner Stellungnahme eine Liste von sechs Bewerbern beigefügt, die aufgrund ihrer Erfahrung auf hoher Ebene am geeignetsten erscheinen.

(3)      Im Anschluss an die politische Einigung über die Reform der justiziellen Architektur der Europäischen Union, die die Annahme der Verordnung (EU, Euratom) 2015/2422 des Europäischen Parlaments und des Rates … herbeigeführt hat, hat der Gerichtshof [der Europäischen Union] am 17. November 2015 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Übertragung der Zuständigkeit für die Entscheidung im ersten Rechtszug über die Rechtsstreitigkeiten zwischen der Union und ihren Bediensteten auf das Gericht … vorgelegt, die am 1. September 2016 in Kraft treten soll.

(4)      Infolgedessen sollte aus Zeitgründen kein erneuter öffentlicher Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen erfolgen, sondern vielmehr auf die Liste der sechs Bewerber, die aufgrund ihrer Erfahrung auf hoher Ebene am geeignetsten erscheinen, die der Ausschuss im Anschluss an den 2013 erfolgten öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen erstellt hat, zurückgegriffen werden.

(5)      Es sind daher drei der auf der vorgenannten Liste von Bewerbern aufgeführten Personen als Richter am Gericht für den öffentlichen Dienst zu ernennen, wobei auf eine ausgewogene Zusammensetzung des Gerichts für den öffentlichen Dienst zu achten ist, indem die Richter unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten auf möglichst breiter geografischer Grundlage ausgewählt und die vertretenen einzelstaatlichen Rechtsordnungen berücksichtigt werden. Die drei Personen auf der Liste, die aufgrund ihrer Erfahrung auf hoher Ebene am geeignetsten erscheinen, sind Herr Sean Van Raepenbusch, Herr João Sant’Anna und Herr Alexander Kornezov. Herr João Sant’Anna und Herr Alexander Kornezov sollten mit Wirkung zum Tag des Inkrafttretens dieses Beschlusses ernannt werden. Da Herr Sean Van Raepenbusch bereits bis zum 30. September 2014 Richter am Gericht für den öffentlichen Dienst war und gemäß Artikel 5 [der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union] bis zu dem Beschluss des Rates im Amt geblieben ist, ist es angemessen, ihn mit Wirkung ab dem Tag nach dem Ende seiner vorherigen Amtszeit für eine neue Amtszeit zu ernennen.

(6)      Gemäß Artikel 2 des Anhangs I [der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union] sind frei werdende Richterstellen durch die Ernennung eines neuen Richters für die Dauer von sechs Jahren zu besetzen. Sollte die vorgeschlagene Verordnung über die Übertragung der Zuständigkeit für die Entscheidung im ersten Rechtszug über die Rechtsstreitigkeiten zwischen der Union und ihren Bediensteten auf das Gericht der Europäischen Union jedoch in Kraft treten, so wird das Gericht für den öffentlichen Dienst dann nicht mehr existieren und die Amtszeit der durch den vorliegenden Beschluss ernannten drei Richter somit automatisch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens jener Verordnung enden.“

12      Herr Sant’Anna und Herr Kornezov wurden am 13. April 2016 vereidigt.

13      Mit Entscheidung vom 14. April 2016 (ABl. 2016, C 146, S. 11) teilte das Gericht für den öffentlichen Dienst Herrn Bradley, Herrn Sant’Anna und Herrn Kornezov für die Zeit vom 14. April bis zum 31. August 2016 der Zweiten Kammer des Gerichts für den öffentlichen Dienst zu.

14      Mit Schreiben vom 19. April 2016 teilte das Gericht für den öffentlichen Dienst den Parteien mit, dass es aufgrund des Ausscheidens von zwei an der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2015 (siehe oben, Rn. 9) beteiligten Mitgliedern des Spruchkörpers, nämlich von Richter Kreppel und Richterin Rofes i Pujol, gemäß Art. 27 Abs. 3 Satz 2 seiner Verfahrensordnung beschlossen habe, das mündliche Verfahren wiederzueröffnen und den Termin für die neue mündliche Verhandlung auf den 12. Mai 2016 festzusetzen.

15      Mit Schreiben vom 29. April 2016 setzte die Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst die Parteien von der neuen Besetzung der Kammer in Kenntnis.

16      Eine zweite mündliche Verhandlung fand am 12. Mai 2016 vor der mit den Richtern Bradley, Sant’Anna und Kornezov besetzten Zweiten Kammer des Gerichts für den öffentlichen Dienst statt.

17      Die Rechtsmittelführerin beantragte im ersten Rechtszug,

–        den streitigen Beurteilungsbericht aufzuheben;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

18      Der Rat beantragte im ersten Rechtszug,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

19      Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht für den öffentlichen Dienst die Klage ab und verurteilte die Rechtsmittelführerin zur Tragung ihrer eigenen Kosten sowie der Kosten des Rates. In den Rn. 53 bis 98 des angefochtenen Urteils prüfte es den ersten Klagegrund, mit dem offensichtliche Beurteilungsfehler und ein Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend gemacht wurden, und verwarf ihn. In den Rn. 99 bis 121 des angefochtenen Urteils prüfte es den zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht gerügt wurde, und verwarf ihn.

 Verfahren vor dem Gericht und Anträge der Parteien

20      Mit Rechtsmittelschrift, die am 7. September 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Rechtsmittelführerin das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.

21      Der Rat hat am 21. Dezember 2016 die Rechtsmittelbeantwortung eingereicht.

22      Am 20. Januar 2017 hat die Rechtsmittelführerin einen Antrag auf Einreichung einer Erwiderung eingereicht, dem der Präsident der Rechtsmittelkammer stattgegeben hat. Am 27. März 2017 hat die Rechtsmittelführerin die Erwiderung eingereicht. Am 10. Mai 2017 hat der Rat die Gegenerwiderung eingereicht.

23      Am 15. November 2017 hat das Gericht gemäß Art. 28 seiner Verfahrensordnung beschlossen, die vorliegende Rechtssache auf Vorschlag der Rechtsmittelkammer an den erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

24      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung hat das Gericht den Rat ersucht, die fragliche Bewerberliste vorzulegen. Der Rat ist dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen.

25      Auf Vorschlag des Berichterstatters und in Ermangelung eines Antrags der Parteien, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gehört zu werden, hat das Gericht (Rechtsmittelkammer), da es sich für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hielt, gemäß Art. 207 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung beschlossen, über das Rechtsmittel ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

26      Die Rechtsmittelführerin beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        folglich ihren Klageanträgen stattzugeben, und demgemäß

–        den streitigen Beurteilungsbericht aufzuheben;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen;

–        dem Rat die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

27      Der Rat beantragt,

–        das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen;

–        der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Rechtsmittel

28      Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf drei Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wird geltend gemacht, dass der Spruchkörper nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Der zweite Rechtsmittelgrund betrifft die Erwägungen, auf die sich das Gericht für den öffentlichen Dienst gestützt hat, um den ersten Klagegrund zu verwerfen, mit dem zum einen offensichtliche Beurteilungsfehler und zum anderen ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt wurden. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund werden die Erwägungen beanstandet, auf die sich das Gericht für den öffentlichen Dienst gestützt hat, um den zweiten Klagegrund eines Verstoßes gegen die Fürsorgepflicht zurückzuweisen.

29      Im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass der Spruchkörper, der das angefochtene Urteil erlassen habe, nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Der Rat habe nicht auf die fragliche Bewerberliste, die der Auswahlausschuss im Anschluss an den am 3. Dezember 2013 erfolgten öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen erstellt habe, zurückgreifen dürfen, um einen Richter auf die von Richterin Rofes i Pujol bekleidete Stelle zu ernennen. Dieser öffentliche Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen habe sich lediglich auf die Stellen der Richter Van Raepenbusch und Kreppel bezogen, deren Amtszeit am 30. September 2014 enden würde, nicht aber auf die Stelle der Richterin Rofes i Pujol, die für eine Amtszeit vom 1. September 2009 bis zum 31. August 2015 ernannt worden sei. Diese Liste sei keine allgemeine Reserveliste gewesen. Der Rat hätte den vom öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen vorgegebenen rechtlichen Rahmen beachten müssen. Der auf die Stelle von Richterin Rofes i Pujol ernannte Richter sei ohne vorangehende Veröffentlichung eines Aufrufs zur Einreichung von Bewerbungen – und damit nicht rechtswirksam – ernannt worden. Folglich sei Richterin Rofes i Pujol weiterhin im Amt geblieben, und der Spruchkörper, der das angefochtene Urteil erlassen habe, sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Zudem seien die in Art. 27 Abs. 3 Satz 2 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen. In diesem Zusammenhang macht die Rechtsmittelführerin auch geltend, dass der Rat durch den Erlass des Beschlusses 2016/454 nicht das in Anhang I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung vorgesehene Verfahren zur Ernennung eines Richters am Gericht für den öffentlichen Dienst habe ändern können. Dieses Verfahren hätte nur gemäß Art. 281 AEUV geändert werden können, der die Beteiligung des Europäischen Parlaments und des Gerichtshofs der Europäischen Union vorsehe.

30      Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen. Der Spruchkörper sei ordnungsgemäß besetzt gewesen. Der Beschluss 2016/454 sei nicht rechtswidrig. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin sei der Rat berechtigt gewesen, auf die fragliche Liste zurückzugreifen. Er sei nicht verpflichtet gewesen, bei jedem Freiwerden einer Stelle am Gericht für den öffentlichen Dienst einen neuen öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen zu lancieren. Wie dies bei anderen internationalen Gerichten gängige Praxis sei, sei es möglich, eine Reserveliste von Bewerbern zu erstellen, die bei Freiwerden einer Stelle ernannt werden könnten. Der Rat habe daher für die Ernennung eines Richters am Gericht für den öffentlichen Dienst die fragliche Bewerberliste heranziehen dürfen, ohne zuvor eine neue Stellenausschreibung veröffentlichen zu müssen. Solange diese Liste eine ausreichende Zahl von Bewerbern aufgewiesen habe, sei es ihm freigestanden, entweder auf diese Liste zurückzugreifen oder eine neue öffentliche Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen zu veröffentlichen. Er habe insoweit über einen Ermessensspielraum verfügt. Dem stünden weder der Beschluss 2004/752/EG, Euratom des Rates vom 2. November 2004 zur Errichtung des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (ABl. 2004, L 333, S. 7) noch seine frühere Praxis entgegen. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin habe der Rat Anhang I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung weder missachtet noch geändert.

31      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen geltend, das angefochtene Urteil sei von einem nicht ordnungsgemäß besetzten Spruchkörper erlassen worden, weil das Verfahren zur Ernennung eines der Richter, der diesem Spruchkörper angehört habe, mit einer Unregelmäßigkeit behaftet gewesen sei. In diesem Zusammenhang rügt sie, dass das Verfahren zur Ernennung des Richters, der auf die von der Richterin Rofes i Pujol bekleidete Stelle ernannt worden sei, nicht ordnungsgemäß abgelaufen sei.

32      In Anbetracht dieses Vorbringens ist erstens zu prüfen, ob der Richter, auf dessen Ernennungsverfahren sich das Vorbringen der Rechtsmittelführerin bezieht (im Folgenden: in Rede stehender Richter) der Kammer angehörte, die das angefochtene Urteil erlassen hat, zweitens, ob das Verfahren zur Ernennung dieses Richters mit einer Unregelmäßigkeit behaftet war, und gegebenenfalls drittens, welche Auswirkung eine solche Unregelmäßigkeit auf die ordnungsgemäße Besetzung dieser Kammer hätte.

33      Erstens ist zu prüfen, ob der in Rede stehende Richter der Zweiten Kammer des Gerichts für den öffentlichen Dienst angehörte, die das angefochtene Urteil erlassen hat.

34      In diesem Zusammenhang ist an erster Stelle daran zu erinnern, dass die Zweite Kammer des Gerichts für den öffentlichen Dienst zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils mit den Richtern Bradley, Sant’Anna und Kornezov (siehe oben, Rn. 13 und 16) besetzt war.

35      An zweiter Stelle ist darauf hinzuweisen, dass Richter Bradley nicht mit dem Beschluss 2016/454 zum Richter des Gerichts für den öffentlichen Dienst ernannt wurde und daher nicht der in Rede stehende Richter sein kann. Die Richter Sant’Anna und Kornezov hingegen wurden mit diesem Beschluss zu Richtern am Gericht für den öffentlichen Dienst ernannt.

36      An dritter Stelle ist daran zu erinnern, dass es sich bei den drei Bewerbern, die mit dem Beschluss 2016/454 zu Richtern am Gericht für den öffentlichen Dienst ernannt wurden, um die Richter Van Raepenbusch, Sant’Anna und Kornezov handelt. Wie aus dem verfügenden Teil und dem fünften Erwägungsgrund des Beschlusses 2016/454 hervorgeht, war Herr Van Raepenbusch der erste Bewerber, der vom Rat ernannt wurde; er wurde mit Wirkung ab dem Tag nach dem Ende seiner vorherigen Amtszeit, d. h. dem 1. Oktober 2014, für eine neue Amtszeit bestätigt. Somit wurde Herr Van Raepenbusch nicht auf die von der Richterin Rofes i Pujol bekleidete Stelle ernannt und ist daher nicht der in Rede stehende Richter.

37      An vierter Stelle ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den anderen beiden Bewerbern, die mit dem Beschluss 2016/454 zu Richtern des Gerichts für den öffentlichen Dienst ernannt wurden, um Herrn Sant’Anna und Herrn Kornezov handelt, und dass somit einer der beiden der in Rede stehende Richter ist. Diese beiden Richter gehörten der Zweiten Kammer des Gerichts für den öffentlichen Dienst an, die das angefochtene Urteil erlassen hat.

38      Es ist daher festzustellen, dass der in Rede stehende Richter der Zweiten Kammer des Gerichts für den öffentlichen Dienst angehörte, die das angefochtene Urteil erlassen hat.

39      Zweitens ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu prüfen, mit dem dargetan werden soll, dass das Verfahren zur Ernennung des in Rede stehenden Richters mit einer Unregelmäßigkeit behaftet war.

40      Gemäß Art. 257 Abs. 4 AEUV sind zu Mitgliedern der Fachgerichte Personen auszuwählen, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und über die Befähigung zur Ausübung richterlicher Tätigkeiten verfügen. Sie werden einstimmig vom Rat ernannt.

41      Nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 3 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung waren frei werdende Richterstellen durch die Ernennung eines neuen Richters am Gericht für den öffentlichen Dienst für die Dauer von sechs Jahren zu besetzen.

42      Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung wurden die Richter vom Rat, der gemäß Art. 257 Abs. 4 AEUV beschloss, nach Anhörung des Auswahlausschusses ernannt. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 dieses Anhangs sah vor, dass der Rat bei der Ernennung der Richter auf eine ausgewogene Zusammensetzung des Gerichts für den öffentlichen Dienst achtet, indem die Richter unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten auf möglichst breiter geografischer Grundlage ausgewählt und die vertretenen einzelstaatlichen Rechtsordnungen berücksichtigt werden.

43      Aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung ergibt sich, dass jede Person, die die Unionsbürgerschaft besaß und die in Art. 257 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Voraussetzungen erfüllte, ihre Bewerbung einreichen konnte. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 dieses Anhangs legte der Rat auf Empfehlung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Bedingungen und Einzelheiten für die Vorlage und Behandlung der Bewerbungen fest.

44      Nach Art. 3 Abs. 4 Satz 1 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung gab der Auswahlausschuss eine Stellungnahme über die Eignung der Bewerber für die Ausübung des Amtes eines Richters beim Gericht für den öffentlichen Dienst ab. Der Auswahlausschuss fügte seiner Stellungnahme eine Liste von Bewerbern bei, die aufgrund ihrer Erfahrung auf hoher Ebene am geeignetsten erschienen. Gemäß Art. 3 Abs. 4 Satz 3 dieses Anhangs hatte diese Liste mindestens doppelt so viele Bewerber wie die Zahl der vom Rat zu ernennenden Richter zu enthalten.

45      Anhand dieser Bestimmungen ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu prüfen, wonach das Verfahren zur Ernennung des in Rede stehenden Richters mit einer Unregelmäßigkeit behaftet gewesen sei, weil der Rat diesen Richter auf die von Richterin Rofes i Pujol bekleidete Stelle ernannt habe, indem er die fragliche Bewerberliste herangezogen habe, obwohl sie nicht im Hinblick auf die Ernennung eines Richters auf diese Stelle erstellt worden sei.

46      Insoweit ist an erster Stelle daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung, selbst dann, wenn ein Organ über ein weites Ermessen hinsichtlich der Ernennung eines Bewerbers verfügt, dieses weite Ermessen unter vollständiger Einhaltung aller einschlägigen Regelungen auszuüben ist, d. h. nicht nur der Stellenausschreibung, sondern auch etwaiger Verfahrensvorschriften, die die Behörde für die Ausübung dieses Ermessens erlassen hat. Daher bilden die Stellenausschreibung und die auf das Verfahren zur Ernennung anzuwendenden Vorschriften einen Teil des rechtlichen Rahmens, den das Organ bei der Ausübung seines weiten Ermessens strikt einzuhalten hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juli 2006, Tzirani/Kommission, T‑88/04, EU:T:2006:186, Rn. 78, und vom 11. Juli 2007, Konidaris/Kommission, T‑93/03, EU:T:2007:209, Rn. 121).

47      Dieser Grundsatz galt auch im Rahmen des Verfahrens zur Ernennung eines Richters am Gericht für den öffentlichen Dienst, als der Rat einen Richter ernannte und dafür eine Liste von Bewerbern heranzog, die im Anschluss an einen öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen erstellt worden war.

48      Der Rat war daher verpflichtet, nicht nur den rechtlichen Rahmen zu beachten, der durch die oben in den Rn. 40 bis 44 genannten Vorschriften gebildet wurde, sondern auch denjenigen, der sich aus dem öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen vom 3. Dezember 2013 (siehe oben, Rn. 4) ergab.

49      Wie aus dem öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen hervorgeht, erging dieser jedoch im Hinblick auf die Ernennung von zwei Richtern auf die von den Richtern Van Raepenbusch und Kreppel bekleideten Stellen und nicht im Hinblick auf die Ernennung eines dritten Richters auf die von der Richterin Rofes i Pujol bekleidete Stelle.

50      Somit durfte die im Anschluss an den öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen vom 3. Dezember 2013 erstellte Liste nur für die Besetzung der von den Richtern Van Raepenbusch und Kreppel bekleideten Stellen verwendet werden.

51      Daraus folgt, dass der Rat dadurch, dass er diese Liste für die Besetzung der dritten, von Frau Rofes i Pujol bekleideten Stelle verwendete, den von der öffentlichen Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen vom 3. Dezember 2013 vorgegebenen rechtlichen Rahmen missachtet hat. Gemäß dem verfügenden Teil des Beschlusses 2016/454 und seinem fünften Erwägungsgrund hat der Rat nämlich erstens Herrn Van Raepenbusch, zweitens Herrn Sant’Anna und drittens Herrn Kornezov zu Richtern am Gericht für den öffentlichen Dienst ernannt. Der Rat durfte diese Liste zwar für die beiden ersten Ernennungen heranziehen, nicht jedoch für die dritte.

52      An zweiter Stelle ist festzustellen, dass die Verwendung der fraglichen Bewerberliste, die der Auswahlausschuss im Hinblick auf die Ernennung von zwei Richtern auf die von den Richtern Van Raepenbusch und Kreppel bekleideten Stellen für eine Amtszeit von sechs Jahren ab dem 1. Oktober 2014 erstellt hatte, für die Besetzung der frei werdenden Stelle von Frau Rofes i Pujol nicht im Einklang mit den oben in den Rn. 40 bis 44 genannten Vorschriften über das Verfahren zur Ernennung von Richtern am Gericht für den öffentlichen Dienst stand.

53      In diesem Zusammenhang ist zum einen daran zu erinnern, dass gemäß Art. 3 Abs. 4 Satz 3 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Liste der Bewerber mindestens doppelt so viele Bewerber wie die Zahl der vom Rat zu ernennenden Richter enthalten musste. Daraus ergibt sich, dass in einem öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen im Hinblick auf die Erstellung einer solchen Liste anzugeben war, welche Stellen frei werden würden. Der öffentliche Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen vom 3. Dezember 2013 war jedoch auf die frei werdenden Stellen der Richter Van Raepenbusch und Kreppel beschränkt und bezog sich nicht auf die von Frau Rofes i Pujol bekleidete Stelle.

54      Zum anderen ist daran zu erinnern, dass gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anzuwendenden Fassung jede Person, die die Unionsbürgerschaft besitzt, jede Gewähr für Unabhängigkeit bietet und über die Befähigung zur Ausübung richterlicher Tätigkeiten verfügt, ihre Bewerbung einreichen konnte. Zudem waren gemäß Art. 3 Abs. 4 Satz 2 dieses Anhangs in der vom Auswahlausschuss erstellten Liste die Bewerber anzugeben, die aufgrund ihrer Erfahrung auf hoher Ebene am geeignetsten erschienen. Daraus ergibt sich, dass eines der mit diesen Vorschriften verfolgten Ziele darin bestand, allen in Frage kommenden Bewerbern zu ermöglichen, ihre Bewerbung einzureichen, um sicherzustellen, dass die Bewerber auf der vom Auswahlausschuss erstellten Bewerberliste diejenigen sind, die aufgrund ihrer Erfahrung auf hoher Ebene am geeignetsten erschienen.

55      Eine Vorgehensweise, die diesem Ziel nicht vollumfänglich Rechnung trägt, steht daher nicht im Einklang mit den Vorschriften über das Verfahren zur Ernennung von Richtern am Gericht für den öffentlichen Dienst.

56      Es lässt sich nun aber nicht ausschließen, dass die Verwendung der fraglichen Bewerberliste, die im Hinblick auf die Besetzung der frei werdenden Stellen der Richter Van Raepenbusch und Kreppel erstellt worden war, dazu geführt hat, einen Teil potenzieller Bewerber auszuschließen, nämlich jene, die nicht am öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen im Hinblick auf diese Stellen teilgenommen hatten, aber dazu geneigt gewesen wären, ihre Bewerbung für die von der Richterin Rofes i Pujol bekleidete Stelle einzureichen. Zu diesen möglichen Bewerbern ist zum einen festzustellen, dass der Rat gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung bei der Ernennung der Richter auf eine ausgewogene Zusammensetzung des Gerichts für den öffentlichen Dienst zu achten hatte, indem die Richter unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten auf möglichst breiter geografischer Grundlage ausgewählt und die vertretenen einzelstaatlichen Rechtsordnungen berücksichtigt wurden. In Anbetracht der vom Rat bei seiner Entscheidung zu berücksichtigenden Kriterien kann nicht ausgeschlossen werden, dass es Juristen bestimmter Mitgliedstaaten, etwa spanische Staatsangehörige, gab, die unter Berücksichtigung des Gebots einer ausgewogenen geografischen Zusammensetzung entschieden, an dem öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen für die von den Richtern Van Raepenbusch und Kreppel bekleideten Stellen nicht teilzunehmen, weil es bereits ein spanisches Mitglied am Gericht für den öffentlichen Dienst gab, nämlich Richterin Rofes i Pujol. Zum anderen lässt sich nicht ausschließen, dass potenziell geeignete Bewerber, die über eine einschlägige Erfahrung verfügten, aus legitimen Gründen von einer Bewerbung für eine am 1. Oktober 2014 beginnende Amtszeit Abstand nahmen, aber dazu bereit gewesen wären, ihre Bewerbung für eine am 1. September 2015 beginnende Amtszeit einzureichen.

57      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Personen, die sich möglicherweise auf die von der Richterin Rofes i Pujol bekleidete Stelle beworben hätten, zu dem Zeitpunkt, zu dem die öffentliche Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen vom 3. Dezember 2013 im Hinblick auf die Ernennung von zwei Richtern auf die von den Richtern Van Raepenbusch und Kreppel bekleideten Stellen erfolgte, nicht damit rechnen konnten, dass die vom Auswahlausschuss erstellte Liste in der Folge für die Besetzung der frei werdenden Stelle von Richterin Rofes i Pujol verwendet würde.

58      Nach alledem ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass das Verfahren zur Ernennung des in Rede stehenden Richters nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, und zwar nicht nur, weil sich der Rat nicht an den von der öffentlichen Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen vom 3. Dezember 2013 vorgegebenen rechtlichen Rahmen gehalten hat, sondern auch, weil seine Vorgehensweise nicht den oben in den Rn. 40 bis 44 genannten Vorschriften über die Ernennung eines Richters am Gericht für den öffentlichen Dienst entsprach.

59      Keines der vom Rat vorgebrachten Argumente vermag diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.

60      An erster Stelle ist das Vorbringen des Rates zurückzuweisen, wonach die in Art. 3 Abs. 4 Satz 3 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung vorgesehene Voraussetzung, nach der die Liste mindestens doppelt so viele Bewerber wie die Zahl der vom Rat zu ernennenden Richter zu enthalten hatte, erfüllt gewesen sei, weil auf der Liste die Namen von sechs Bewerbern aufgeführt gewesen seien. Hierzu ist lediglich festzustellen, dass es sich dabei nicht um die einzige Voraussetzung handelt, die im Rahmen eines Verfahrens zur Ernennung eines Richters am Gericht für den öffentlichen Dienst zu erfüllen ist.

61      An zweiter Stelle genügt es, soweit der Rat vorbringt, er habe über ein weites Ermessen verfügt, daran zu erinnern, dass dieses Ermessen ihn nicht ermächtigte, sich über den sich aus der öffentlichen Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen vom 3. Dezember 2013 ergebenden rechtlichen Rahmen oder über die oben in den Rn. 40 bis 44 genannten Vorschriften über das Verfahren zur Ernennung eines Richters am Gericht für den öffentlichen Dienst hinwegzusetzen.

62      An dritter Stelle ist das Vorbringen des Rates, er sei nicht durch seine frühere Praxis gebunden gewesen, zurückzuweisen. Hierzu ist lediglich festzustellen, dass die oben in den Rn. 33 bis 58 angestellten Erwägungen nicht auf einem Vergleich der Vorgehensweise des Rates bei der Ernennung des in Rede stehenden Richters mit seiner früheren Praxis beruhen, sondern auf der Feststellung, dass diese Vorgehensweise nicht mit dem anwendbaren rechtlichen Rahmen im Einklang stand.

63      An vierter Stelle bringt der Rat vor, dass er gemäß den einschlägigen Vorschriften berechtigt gewesen sei, eine Reserveliste zu erstellen, die er zur Besetzung frei werdender Stellen von Richtern des Gerichts für den öffentlichen Dienst habe heranziehen können. Hierzu genügt der Hinweis, dass es im vorliegenden Zusammenhang nicht darum geht, ob der Rat berechtigt war, eine solche Reserveliste zu erstellen, sondern vielmehr darum, ob er berechtigt war, die frei werdende Stelle von Richterin Rofes i Pujol durch Ernennung eines Bewerbers unter Heranziehung einer Liste zu besetzen, die nicht zu diesem Zweck erstellt worden war. Folglich ist auch dieses Vorbringen zurückzuweisen, ohne dass es erforderlich wäre, auf die Frage einzugehen, ob der Rat berechtigt war, eine solche Reserveliste zu erstellen.

64      Es ist daher festzustellen, dass das Verfahren zur Ernennung des in Rede stehenden Richters mit einer Unregelmäßigkeit behaftet war; es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass, wenn ein öffentlicher Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen im Hinblick auf das Freiwerden der von Richterin Rofes i Pujol bekleideten Stelle erfolgt wäre, Bewerber, die an dem öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen vom 3. Dezember 2013 nicht teilgenommen haben, ihre Bewerbung eingereicht hätten und die vom Auswahlausschuss vorgenommene Auswahl dann anders ausgefallen wäre. Unter diesen Umständen lässt sich nicht ausschließen, dass sich die festgestellten Unregelmäßigkeiten auf die Entscheidung zur Ernennung des in Rede stehenden Richters auf die von Richterin Rofes i Pujol bekleidete Stelle auswirken konnte.

65      Drittens ist somit zu prüfen, ob die dem Verfahren zur Ernennung des in Rede stehenden Richters anhaftenden Unregelmäßigkeiten geeignet sind, die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung der Zweiten Kammer des Gerichts für den öffentlichen Dienst, die das angefochtene Urteil erlassen hat, in Frage zu stellen.

66      In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das Rechtsmittelgericht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die ordnungsgemäße Besetzung des Spruchkörpers des Gerichts, der im ersten Rechtszug entschieden hat, überprüfen muss, wenn eine entsprechende Rüge erhoben wird, die nicht offensichtlich unbegründet ist. Ein Rechtsmittelgrund, mit dem die nicht ordnungsgemäße Besetzung des Spruchkörpers gerügt wird, stellt nämlich einen Gesichtspunkt dar, der von Amts wegen zu prüfen ist, und zwar auch dann, wenn diese Unregelmäßigkeit nicht im ersten Rechtszug geltend gemacht worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 44 bis 50).

67      Wie sich aus Art. 47 Abs. 2 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergibt, besteht eines der Erfordernisse in Bezug auf die Besetzung des Spruchkörpers darin, dass die Gerichte unabhängig, unparteiisch und zuvor durch Gesetz errichtet worden sein müssen.

68      Aus diesem Erfordernis, das dahin auszulegen ist, dass die Zusammensetzung des Gerichts und seine Zuständigkeiten vorab durch ein Gesetz bestimmt sein müssen, leitet sich der Grundsatz des gesetzlichen Richters ab, dessen Ziel es ist, die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit gegenüber der Exekutive zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2012, Strack/Kommission, T‑199/11 P, EU:T:2012:691, Rn. 22).

69      In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 der Charta der Grundrechte, soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) garantierten Rechten entsprechen, sie die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird.

70      Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta der Grundrechte bei der Auslegung der in dieser niedergelegten Rechte die Erläuterungen, die als Anleitung für die Auslegung der Charta verfasst wurden (ABl. 2007, C 303, S. 17) vom Unionsrichter gebührend zu berücksichtigen sind. Zur Auslegung von Art. 47 der Charta der Grundrechte heißt es in diesen Erläuterungen:

„Im Unionsrecht gilt das Recht auf ein Gerichtsverfahren nicht nur für Streitigkeiten im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Ansprüchen und Verpflichtungen. Dies ist eine der Folgen der Tatsache, dass die Union eine Rechtsgemeinschaft ist, wie der Gerichtshof in der Rechtssache 294/83, ‚Les Verts‘ gegen Europäisches Parlament (Urteil vom 23. April 1986, Slg. 1986, 1339) festgestellt hat. Mit Ausnahme ihres Anwendungsbereichs gelten die Garantien der EMRK jedoch in der Union entsprechend.“

71      Daraus ergibt sich, dass bei der Auslegung von Art. 47 Abs. 2 Satz 1 der Charta der Grundrechte die Garantie des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zu berücksichtigen ist, der ebenfalls den Grundsatz des gesetzlichen Richters vorsieht.

72      Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) kommt in dem in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verankerten Grundsatz des gesetzlichen Richters das Rechtsstaatsprinzip zum Ausdruck, aus dem sich ergibt, dass ein Justizorgan entsprechend dem Willen des Gesetzgebers errichtet sein muss (vgl. in diesem Sinne EGMR, 27. Oktober 2009, Pandjikidzé u. a./Georgien, CE:ECHR:2009:1027JUD 003032302, Rn. 103, und 20. Oktober 2009, Gorguiladzé/Georgien, CE:ECHR:2009:1020JUD 000431304, Rn. 67).

73      Dem EGMR zufolge muss ein Gericht gemäß den Vorschriften über die Errichtung und die Zuständigkeit der Justizorgane und sämtlichen sonstigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts errichtet sein, deren Nichtbeachtung die Teilnahme eines oder mehrerer Richter an der Verhandlung über die Rechtssache rechtswidrig macht. Dabei handelt es sich insbesondere um Vorschriften über die Amtszeiten, über Unvereinbarkeiten und über die Ablehnung von Richtern (vgl. in diesem Sinne EGMR, 27. Oktober 2009, Pandjikidzé u. a./Georgien, CE:ECHR:2009:1027JUD 003032302, Rn. 104, und 20. Oktober 2009, Gorguiladzé/Georgien, CE:ECHR:2009:1020JUD 000431304, Rn. 68).

74      Wie aus der Rechtsprechung des EGMR hervorgeht, erfordert der Grundsatz des gesetzlichen Richters, dass die Vorschriften über das Verfahren zur Ernennung von Richtern eingehalten werden (vgl. in diesem Sinne EGMR, 9. Juli 2009, Ilatovskiy/Russland, CE:ECHR:2009:0709JUD 000694504, Rn. 40 und 41).

75      Es ist nämlich nicht nur unabdingbar, dass die Richter unabhängig und unparteiisch sind, sondern auch, dass das Verfahren zu ihrer Ernennung diesen Anschein gibt. Aus diesem Grund müssen die Vorschriften über die Ernennung eines Richters strikt eingehalten werden. Andernfalls könnte das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichte verloren gehen (vgl. in diesem Sinne Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs vom 14. Februar 2017, Pascal Nobile/DAS Rechtsschutz-Versicherungs AG, E‑21/16, Rn. 16).

76      Im Licht dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob sich die Unregelmäßigkeiten, die dem Verfahren zur Ernennung des in Rede stehenden Richters anhaften, auf die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung der Zweiten Kammer des Gerichts für den öffentlichen Dienst, die das angefochtene Urteil erlassen hat, auswirken können.

77      Insoweit ist festzustellen, dass aus den Erwägungsgründen 1 bis 6 des Beschlusses 2016/454, die oben in Rn. 11 wiedergegeben sind, hervorgeht, dass sich der Rat vollkommen bewusst war, dass die fragliche Bewerberliste nicht im Hinblick auf die Ernennung eines Richters auf die von Frau Rofes i Pujol bekleidete Stelle erstellt worden war. Dennoch hat er entschieden, sie zu diesem Zweck heranzuziehen. Es ergibt sich somit aus der Ernennungsurkunde selbst, dass sich der Rat absichtlich über den durch den öffentlichen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen vom 3. Dezember 2013 vorgegebenen rechtlichen Rahmen und über die Vorschriften über die Ernennung der Richter am Gericht für den öffentlichen Dienst hinweggesetzt hat.

78      Unter diesen Umständen kann – angesichts der Bedeutung, die die Einhaltung der Vorschriften über die Ernennung eines Richters für das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichte hat – der in Rede stehende Richter nicht als ein gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 47 Abs. 2 Satz 1 der Charta der Grundrechte angesehen werden.

79      Folglich ist dem ersten Rechtsmittelgrund, mit dem gerügt wird, dass die Zweite Kammer des Gerichts für den öffentlichen Dienst, die das angefochtene Urteil erlassen hat, nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei, stattzugeben.

80      In Anbetracht dieser Erwägungen ist das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben, ohne dass es einer Prüfung des zweiten und des dritten Rechtsmittelgrundes bedarf.

 Zur Klage

81      Art. 4 der Verordnung (EU, Euratom) 2016/1192 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über die Übertragung der Zuständigkeit für die Entscheidung im ersten Rechtszug über die Rechtsstreitigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Bediensteten auf das Gericht (ABl. 2016, L 200, S. 137) sieht vor, dass das Gericht, wenn es eine Entscheidung des Gerichts für den öffentlichen Dienst aufhebt und es zugleich feststellt, dass der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif ist, die Rechtssache einer anderen Kammer als derjenigen zuweist, die über das Rechtsmittel entschieden hat.

82      Im vorliegenden Fall ist der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif. Denn zum einen kann sich das Gericht nicht auf Tatsachenfeststellungen stützen, die von einem Spruchkörper des Gerichts für den öffentlichen Dienst getroffen wurden, der nicht ordnungsgemäß besetzt war, und zum anderen obliegt es ihm als Rechtsmittelgericht nicht, selbst eine Würdigung des Sachverhalts vorzunehmen.

83      Folglich ist die Rechtssache einer anderen Kammer als derjenigen zuzuweisen, die über das vorliegende Rechtsmittel entschieden hat, damit das Gericht im ersten Rechtszug über die von der Rechtsmittelführerin beim Gericht für den öffentlichen Dienst erhobene Klage entscheidet.

 Kosten

84      Da die Rechtssache einer anderen Kammer des Gerichts zugewiesen wird, ist die Entscheidung über die Kosten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens vorzubehalten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Zweite Kammer) vom 28. Juni 2016, FV/Rat (F40/15), wird aufgehoben.

2.      Die Rechtssache wird einer anderen Kammer des Gerichts als derjenigen zugewiesen, die über das vorliegende Rechtsmittel entschieden hat.

3.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Jaeger

Prek

Gratsias

Papasavvas

 

      Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. Januar 2018.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.