Language of document : ECLI:EU:T:2014:1075

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

12. Dezember 2014(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Paraffinwachse – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird –Preisfestsetzung – Nachweis der Zuwiderhandlung – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 – Verteidigungsrechte – Berechnung des Umsatzes – Schwere der Zuwiderhandlung – Rückwirkungsverbot – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑544/08

Hansen & Rosenthal KG mit Sitz in Hamburg (Deutschland),

H&R Wax Company Vertrieb GmbH mit Sitz in Hamburg,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Schulte, A. Lober und M. Dallmann,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch R. Sauer und K. Mojzesowicz, dann durch R. Sauer und A. Antoniadis als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse), soweit sie die Klägerinnen betrifft, hilfsweise, Nichtigerklärung oder Herabsetzung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz (Berichterstatter), der Richterin I. Labucka und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2012

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1.     Verwaltungsverfahren und Erlass der angefochtenen Entscheidung

1        Mit der angefochtenen Entscheidung K(2008) 5476 endg. vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass die Klägerinnen, die Hansen & Rosenthal KG und die H&R Wax Company Vertrieb GmbH, mit anderen Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, indem sie sich an einem Kartell auf dem Markt für Paraffinwachse im EWR und auf dem deutschen Markt für Paraffingatsch beteiligt hätten.

2        Die angefochtene Entscheidung ist an folgende Gesellschaften gerichtet: die ENI SpA, die Esso Deutschland GmbH, die Esso Société Anonyme Française, die ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA und die Exxon Mobil Corp. (im Folgenden zusammen: ExxonMobil), die H&R ChemPharm GmbH, H&R Wax Company Vertrieb und Hansen & Rosenthal (im Folgenden zusammen: H&R), die Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG (im Folgenden: Tudapetrol), die MOL Nyrt., die Repsol YPF Lubricantes y Especialidades SA, die Repsol Petróleo SA und die Repsol YPF SA (die drei Letzteren im Folgenden zusammen: Repsol), die Sasol Wax GmbH, die Sasol Wax International AG, die Sasol Holding in Germany GmbH und die Sasol Ltd (im Folgenden zusammen: Sasol), die Shell Deutschland Oil GmbH, die Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, die Deutsche Shell GmbH, die Shell International Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum NV und die Shell Transport and Trading Company Ltd (im Folgenden zusammen: Shell), die RWE Dea AG und die RWE AG (im Folgenden zusammen: RWE) sowie die Total SA und die Total France SA (im Folgenden zusammen: Total) (Rn. 1 der angefochtenen Entscheidung).

3        Paraffinwachse werden in Raffinerien aus Rohöl hergestellt. Sie werden für die Herstellung von Produkten wie Kerzen, Chemikalien, Reifen und Erzeugnissen der Automobilindustrie sowie in der Kautschuk-, Verpackungs-, Klebstoff- und Kaugummiindustrie eingesetzt (Rn. 4 der angefochtenen Entscheidung).

4        Bei der Herstellung von Paraffinwachsen dient Paraffingatsch als Ausgangsmaterial. Es fällt in Raffinerien als Nebenprodukt bei der Herstellung von Mineralölen aus Rohöl an. Es wird auch an Endabnehmer, z. B. an Hersteller von Spanplatten, verkauft (Rn. 5 der angefochtenen Entscheidung).

5        Die Kommission begann ihre Untersuchung, nachdem Shell Deutschland Schmierstoffe sie mit Schreiben vom 17. März 2005 über das Bestehen eines Kartells informiert hatte und bei ihr einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3) (im Folgenden: Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2002) gestellt hatte (Rn. 72 der angefochtenen Entscheidung).

6        Am 28. und 29. April 2005 führte die Kommission gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von „H&R/Tudapetrol“, Eni und MOL sowie der Gesellschaften der Sasol-, der ExxonMobil-, der Repsol- und der Total-Gruppe durch (Rn. 75 der angefochtenen Entscheidung).

7        Zwischen dem 25. und 29. Mai 2007 richtete die Kommission an die oben in Rn. 2 genannten Gesellschaften, darunter die Klägerinnen, eine Mitteilung der Beschwerdepunkte (Rn. 85 der angefochtenen Entscheidung). Mit Schreiben vom 14. August 2007 übersandten die zur H&R-Gruppe gehörenden Gesellschaften einschließlich der Klägerinnen und Tudapetrol eine gemeinsame Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte.

8        Am 10. und 11. Dezember 2007 hielt die Kommission eine mündliche Anhörung ab, bei der die Gesellschaften der H&R-Gruppe – u. a. die Klägerinnen – und Tudapetrol gemeinsam vertreten waren (Rn. 91 der angefochtenen Entscheidung).

9        In der angefochtenen Entscheidung vertritt die Kommission in Anbetracht der ihr vorliegenden Beweise die Ansicht, dass die Adressaten – die meisten Paraffinwachs- und Paraffingatschhersteller im EWR – an einer einzigen, komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen teilgenommen hätten, die den EWR betroffen habe. Die Zuwiderhandlung habe in Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestanden, die darauf abgezielt hätten, auf dem Markt für Paraffinwachse Preise festzusetzen und kommerziell empfindliche Informationen auszutauschen und offenzulegen (im Folgenden: Haupttatkomplex). Im Fall von RWE (später Shell), ExxonMobil, MOL, Repsol, Sasol und Total habe die Zuwiderhandlung auch darin bestanden, Paraffinwachs-Kunden und -Märkte aufzuteilen (im Folgenden: zweiter Tatkomplex). Die von RWE, ExxonMobil, Sasol und Total begangene Zuwiderhandlung habe auch auf dem deutschen Markt an Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch betroffen (im Folgenden: Tatkomplex Paraffingatsch) (Rn. 2, 95 und 328 und Art. 1 der angefochtenen Entscheidung).

10      Die rechtswidrigen Verhaltensweisen seien konkret bei wettbewerbswidrigen Treffen, die von den Teilnehmern als „technische Treffen“ oder mitunter als „Blauer Salon“ bezeichnet worden seien, und bei „Paraffingatsch-Treffen“ erfolgt, die speziell Fragen zum Paraffingatsch gewidmet gewesen seien.

11      Die im vorliegenden Fall verhängten Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) berechnet, die zum Zeitpunkt der Zustellung der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die oben in Rn. 2 genannten Gesellschaften in Kraft waren.

12      Die angefochtene Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und – seit dem 1. Januar 1994 – gegen Artikel 53 EWR-Abkommen begangen, indem sie sich in den jeweils genannten Zeiträumen an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder einer fortdauernden abgestimmten Verhaltensweise im Paraffinwachssektor auf dem Gemeinsamen Markt und, seit 1. Januar 1994, im Europäischen Wirtschaftsraum beteiligten:

Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG: vom 24. März 1994 bis zum 30. Juni 2002;

H&R Wax Company Vertrieb GmbH: vom 1. Januar 2001 bis zum 28. April 2005;

Hansen & Rosenthal KG: vom 1. Januar 2001 bis zum 28. April 2005;

H&R ChemPharm GmbH: vom 1. Juli 2001 bis zum 28. April 2005;

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen werden folgende Geldbußen festgesetzt:

ENI S.p.A.: 29 120 000 EUR;

Esso Société Anonyme Française: 83 588 400 EUR,

davon gesamtschuldnerisch mit:

ExxonMobil Petroleum and Chemical B.V.B.A. und ExxonMobil Corporation: 34 670 400 EUR, davon gesamtschuldnerisch mit Esso Deutschland GmbH: 27 081 600 EUR;

Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG: 12 000 000 EUR;

Hansen & Rosenthal KG gesamtschuldnerisch mit H&R Wax Company Vertrieb GmbH: 24 000 000 EUR,

davon gesamtschuldnerisch mit:

H&R ChemPharm GmbH: 22 000 000 EUR;

MOL Nyrt.: 23 700 000 EUR;

Repsol YPF Lubricantes y Especialidades S.A. gesamtschuldnerisch mit Repsol Petróleo S.A. und Repsol YPF S.A.: 19 800 000 EUR;

Sasol Wax GmbH: 318 200 000 EUR,

davon gesamtschuldnerisch mit:

Sasol Wax International AG, Sasol Holding in Germany GmbH und Sasol [Ltd]: 250 700 000 EUR;

Shell Deutschland Oil GmbH, Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, Deutsche Shell GmbH, Shell International Petroleum Company Limited, [T]he Shell Petroleum Company Limited, Shell Petroleum N.V. und [T]he Shell Transport and Trading Company Limited: 0 EUR;

RWE-Dea AG gesamtschuldnerisch mit RWE AG: 37 440 000 EUR;

Total France SA gesamtschuldnerisch mit Total S.A.: 128 163 000 EUR.“

2.     Struktur der H&R-Gruppe und Verbindungen zwischen ihr und Tudapetrol

13      In der angefochtenen Entscheidung legte die Kommission Folgendes dar:

„(22) Die [H&R-]Gruppe handelt weltweit mit Mineralölerzeugnissen. [Tudapetrol] war die Handels- und Vertriebsgesellschaft für [H&R] für Paraffinwachs und Paraffingatsch. Der Untersuchung zufolge sind [H&R] und Tudapetrol zwei getrennte und unabhängige Unternehmen, sie werden aber aufgrund der engen persönlichen Verbindungen einerseits ([Herr H.], einer der Komplementäre von Tudapetrol, war, wie weiter unten erläutert, ebenfalls bei [H&R] beschäftigt) und der Vertriebsverbindungen zwischen [H&R] und Tudapetrol andererseits im Folgenden als ‚H&R/Tudapetrol‘ bezeichnet, Hauptstandorte der H&R/Tudapetrol-Gruppe sind Hamburg und Salzbergen (Deutschland).

(23)      H&R/Tudapetrol stieg am 24. März 1994 in das Paraffingeschäft ein, als die Hansen & Rosenthal KG im Rahmen einer gemeinsamen Aquisition von der Wintershall AG, einer Tochter der BASF, eine in Salzbergen angesiedelte Raffinerie für Schmierstoffe erwarb (SRS GmbH) und diese in eine Produktionsgesellschaft umwandelte.

(24)      Die Raffinerie in Salzbergen (SRS GmbH) wird von der H&R Chemisch-Pharmazeutische Spezialitäten GmbH, einer l00%igen Tochter der H&R ChemPharm GmbH, betrieben. Die H&R ChemPharm GmbH wiederum ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der H&R Wasag AG. Hauptanteilseigner der H&R Wasag AG ist die H&R Beteiligung GmbH. (Die restlichen Anteile sind auf viele Aktionäre verteilt). Die H&R Beteiligung GmbH befindet sich im Eigentum der H&R Wax Company Vertrieb GmbH, einer l00%igen Tochter der Hansen & Rosenthal KG (der Muttergesellschaft des H&R-Konzerns).

(25)      Für den Vertrieb von Paraffinwachs und Paraffingatsch war ursprünglich das unabhängige Unternehmen [Tudapetrol] zuständig. (Komplementäre sind [Herr HA., Herr HAN. und Herr H.], Kommanditist ist [Herr HANS.]) Am 1. Mai 2000 wurde der Vertrieb auf die H&R Wax Company Vertrieb Komplementär GmbH & Co. KG transferiert, und seit dem 1. Januar 2001 liegt der Vertrieb bei der H&R Wax Company Vertrieb … Die Untersuchung hat jedoch ergeben, dass Tudapetrol ungeachtet des weitgehenden Rückzugs aus dem Paraffingeschäft am 1. Mai 2000 weiterhin Kontakt zu einigen Paraffin-Kunden hielt. 

(28)      Die Personen, die bei der Unternehmensgruppe H&R/Tudapetrol mit der Leitung der Paraffinwachs- und Paraffingatschsparte betraut waren und H&R/Tudapetrol vertraten bzw. von den in dieser Entscheidung beschriebenen Verhaltensweisen wussten, sind …:

[Herr H.]: 1994-1997 Auszubildender bei der SRS GmbH; 1997-2002 Verkaufs- und Marketingabteilung bei der Tudapetrol …, seit 2001 Vertriebsleiter bei der H&R Wax Company Vertrieb GmbH (seit 2002 [Geschäftsführer] in der H&R Wax Company Vertrieb GmbH);

[Herr G.]: 1994-2001 Produktmanager bei der SRS GmbH; seit 2001 Produktmanager bei der H&R Management & Service GmbH/H&R ChemPharm GmbH (2002 wurde die H&R Management & Service GmbH in H&R ChemPharm GmbH umfirmiert); 1999-2000 Verkaufsleiter bei [Tudapetrol]; seit 2001 Verkaufsleiter bei der H&R Wax Company Vertrieb GmbH);

[Herr W.]: 1994-1998 Verkaufsleiter bei [Tudapetrol]; 1999 Berater bei [Tudapetrol]; 2000-2001 Verkaufsleiter bei der SRS GmbH (ab Juli 2001 beschäftigt bei der H&R Management & Service GmbH, die 2002 in H&R Chem-Pharm GmbH umfirmiert wurde), vor 1994 Verkaufsleiter bei der Wintershall AG.

(29)      In [der angefochtenen Entscheidung] und sofern nichts Gegenteiliges genannt ist, bezieht sich ‚Hansen & Rosenthal‘ … auf Unternehmen der Unternehmensgruppe H&R/Tudapetrol, die an dem Kartell beteiligt waren.“

 Verfahren und Anträge der Parteien

14      Mit Klageschrift, die am 15. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

15      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung hat es die Parteien aufgefordert, bestimmte Fragen zu beantworten und bestimmte Schriftstücke vorzulegen. Die Parteien haben die Fragen fristgerecht beantwortet und bestimmte Schriftstücke vorgelegt. Doch hat die Kommission angegeben, dass sie weder Kopien noch Abschriften bestimmter vertraulicher, im Rahmen ihrer Kronzeugenregelung abgegebener Erklärungen vorlegen könne.

16      Mit Beschluss vom 12. Oktober 2012, der gemäß Art. 24 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 65 Buchst. b und Art. 66 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangen ist, hat das Gericht (Dritte Kammer) die Kommission aufgefordert, die Kopien oder Abschriften der oben in Rn. 15 genannten vertraulichen Erklärungen vorzulegen. Diese Unterlagen konnten von den Anwälten der Klägerinnen vor der mündlichen Verhandlung bei der Kanzlei des Gerichts eingesehen werden.

17      Die Parteien haben in der Sitzung vom 21. November 2012 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

18      In Anbetracht des tatsächlichen Zusammenhangs mit den Rechtssachen T‑540/08, Esso u. a./Kommission, T‑541/08, Sasol u. a./Kommission, T‑543/08, RWE und RWE Dea/Kommission, T‑548/08, Total/Kommission, T‑550/08, Tudapetrol/Kommission, T‑551/08, H&R ChemPharm/Kommission, T‑558/08, Eni/Kommission, T‑562/08, Repsol YPF Lubricantes y Especialidades u. a./Kommission, und T‑566/08, Total Raffinage Marketing/Kommission, sowie der Sachnähe der aufgeworfenen Rechtsfragen hat das Gericht beschlossen, das Urteil in der vorliegenden Rechtssache erst nach den mündlichen Verhandlungen in den genannten im Zusammenhang stehenden Rechtssachen zu verkünden, von denen die letzte am 3. Juli 2013 stattgefunden hat.

19      Die Klägerinnen beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie von ihr betroffen sind;

–        hilfsweise, das ihnen in der angefochtenen Entscheidung auferlegte Bußgeld aufzuheben oder dessen Höhe angemessen herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

20      Die Kommission beantragt,

–        die Klage insgesamt einschließlich der hilfsweise gestellten Anträge abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

21      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf sechs Gründe. Mit dem ersten Klagegrund wird eine Verletzung der Art. 81 EG und 253 EG zum einen aufgrund der angeblich undifferenzierten Begründung der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die H&R-Gruppe und Tudapetrol, zum anderen aufgrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte gerügt. Mit dem zweiten Klagegrund wird die Verletzung des Art. 81 EG aufgrund des fehlenden Nachweises für eine von den Klägerinnen begangene Zuwiderhandlung gerügt. Die anderen Klagegründe, die hilfsweise vorgetragen werden, sind auf die Herabsetzung der Höhe der den Klägerinnen auferlegten Geldbuße gerichtet. Mit dem dritten Klagegrund wird eine Rechtswidrigkeit bei der Anwendung der Leitlinien von 2006 gerügt. Mit dem vierten Klagegrund wird eine fehlerhafte Berechnung des Umsatzes der Klägerinnen für die Jahre 2002 bis 2004 beanstandet. Mit dem fünften Klagegrund wird eine ermessensfehlerhafte Feststellung der Schwere der Zuwiderhandlung geltend gemacht. Mit dem sechsten und letzten Klagegrund wird eine fehlerhafte Ermittlung der Dauer der Zuwiderhandlung gerügt.

1.     Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Art. 81 EG und 253 EG aufgrund angeblich undifferenzierter Begründung der angefochtenen Entscheidung sowie Verletzung der Verteidigungsrechte

22      Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil wird eine Verletzung der Art. 81 EG und 253 EG gerügt. Der zweite Teil betrifft die Verletzung der Verteidigungsrechte.

 Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung der Art. 81 EG und 253 EG

23      Die Klägerinnen führen aus, die Kommission habe die H&R-Gruppe und Tudapetrol als zwei getrennte und unabhängige Unternehmen angesehen (Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung). In der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission diese beiden Unternehmen bei der Prüfung der Nachweise der Zuwiderhandlung hingegen undifferenziert behandelt und sie mit dem Namen „H&R/Tudapetrol“ bezeichnet.

24      Die Kommission habe dadurch ihre Begründungspflicht verletzt und gegen Art. 81 EG verstoßen, dass sie in der angefochtenen Entscheidung keine getrennte Begründung zu dem angeblich wettbewerbswidrigen Verhalten von Tudapetrol und dem der zur H&R-Gruppe gehörenden Gesellschaften gegeben habe.

25      Insbesondere müsse die Kommission, wenn H&R und Tudapetrol zwei getrennte Unternehmen seien, nachweisen, dass sich jedes dieser Unternehmen individuell und eigenständig an dem gesamten im vorliegenden Fall in Rede stehenden Verstoß gegen Art. 81 EG beteiligt habe. In der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission es jedoch versäumt, einen solchen Nachweis zu erbringen.

26      Die Klägerinnen rügen auch, dass die Kommission hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2002 eine parallele Verantwortlichkeit von Tudapetrol auf der einen Seite und Hansen & Rosenthal oder deren Tochtergesellschaft H&R Wax Company Vertrieb auf der anderen Seite sowie von H&R ChemPharm ab dem 1. Juli 2001 festgestellt habe. Insbesondere habe die Kommission nicht angegeben, ob sie Handlungen von Herrn H. in diesem Zeitraum den Klägerinnen oder Tudapetrol anlaste. Zudem habe sie für die Treffen vom 26. und 27. Juni 2001 in Paris (Frankreich) und vom 5. Juni 2002 in Budapest (Ungarn) keine Informationen darüber ermittelt, ob ein Vertreter der Klägerinnen anwesend gewesen sei.

27      Zunächst ist die von den Klägerinnen geltend gemachte Rüge der unzureichenden Begründung zu prüfen.

28      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die nach Art. 253 EG erforderliche Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteile des Gerichtshofs vom 22. März 2001, Frankreich/Kommission, C‑17/99, Slg. 2001, I‑2481, Rn. 35, und vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, Slg. 2011, I‑8947, Rn. 147).

29      Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung einer Einzelentscheidung neben der Ermöglichung einer gerichtlichen Überprüfung den Zweck, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob diese Entscheidung eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Oktober 2003, Corus UK/Kommission, C‑199/99 P, Slg. 2003, I‑11177, Rn. 145, und vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Rn. 462).

30      Die Begründung ist dem Betroffenen grundsätzlich gleichzeitig mit der ihn beschwerenden Entscheidung mitzuteilen. Das Fehlen der Begründung kann nicht dadurch geheilt werden, dass der Betroffene die Gründe für die angefochtene Entscheidung während des ihn betreffenden Verfahrens vor den Unionsinstanzen erfährt (Urteile des Gerichtshofs vom 26. November 1981, Michel/Parlament, 195/80, Slg. 1981, 2861, Rn. 22, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 463, und Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 28 angeführt, Rn. 149).

31      Nach ständiger Rechtsprechung ist das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Rn. 63, und vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, Slg. 2008, I‑4951, Rn. 166 und 178).

32      Betrifft wie im vorliegenden Fall eine an eine Mehrzahl von Adressaten gerichtete Entscheidung zur Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union die Zurechnung der Zuwiderhandlung, muss sie in Bezug auf jeden Adressaten hinreichend begründet sein, insbesondere aber in Bezug auf diejenigen, denen die Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung zugerechnet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 28 angeführt, Rn. 152 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Erstens ist im vorliegenden Fall darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, dass sich die Verwendung der gemeinsamen Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“ durch die engen persönlichen Verbindungen zwischen Tudapetrol und der H&R-Gruppe sowie die zwischen diesen unterhaltenen Vertriebsverbindungen rechtfertige.

34      Hinsichtlich der persönlichen Verbindungen geht aus Rn. 28 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass alle drei Personen, die an den wettbewerbswidrigen Treffen teilgenommen haben, nämlich Herr H., Herr G. und Herr W., während der verschiedenen in Rede stehenden Zeiträume bei Tudapetrol und der H&R-Gruppe angestellt waren. Des Weiteren war Herr H. gleichzeitig Komplementär von Tudapetrol sowie ab 2001 und noch bei Erlass der angefochtenen Entscheidung Vertriebsleiter der H&R Wax Company Vertrieb. Außerdem war Herr G. zwischen 1999 und 2000 gleichzeitig Produktmanager bei der SRS GmbH, einer Gesellschaft, die zur H&R-Gruppe gehört (vgl. Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung, oben in Rn. 13 angeführt), und Verkaufsleiter von Tudapetrol.

35      Zu den Geschäftsbeziehungen zwischen H&R und Tudapetrol hat die Kommission in Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass Tudapetrol eine Handels- und Vertriebsgesellschaft für H&R für Paraffinwachs und Paraffingatsch gewesen sei.

36      Somit ist festzustellen, dass die Gründe, aus denen die Kommission Tudapetrol häufig zusammen mit der H&R-Gruppe als „H&R/Tudapetrol“ bezeichnet hat, klar aus der angefochtenen Entscheidung hervorgehen.

37      Zweitens ist zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung eine hinreichende Begründung hinsichtlich des der H&R-Gruppe und Tudapetrol jeweils zur Last gelegten Verhaltens enthält.

38      In Rn. 106 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Funktionsweise der beiden Teile der Paraffinwachs betreffenden Zuwiderhandlung (Haupttatkomplex und zweiter Tatkomplex) geschildert. Danach kamen die Vertreter der beteiligten Unternehmer regelmäßig zu „technischen Treffen“ zusammen. Diese Treffen „waren in zwei Teile unterteilt: Zunächst wurden technische Fragen besprochen, anschließend verlagerte sich das Gespräch auf wettbewerbswidrige Punkte wie die Festsetzung von Preisen, die Aufteilung von Märkten und Abnehmern (in bestimmten Fällen) sowie den Austausch und die Offenlegung wirtschaftlich sensibler Informationen einschließlich aktueller und künftiger Preispolitik, Kunden, Produktionskapazitäten und Absatzmengen“.

39      In den Rn. 381 und 610 sowie in Fn. 625 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission für Tudapetrol und für die Gesellschaften, die zur H&R-Gruppe gehören, getrennt den Beginn, das Ende und die Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung fest. Nach der angefochtenen Entscheidung beteiligte sich H&R ChemPharm vom 1. Juli 2001 bis 28. April 2005, also während drei Jahren und neun Monaten, und SRS vom 22. Februar 2001 bis 1. Juli 2001, also während drei Monaten, an der Zuwiderhandlung. Die Beteiligung von Hansen & Rosenthal und von H&R Wax Company Vertrieb habe vom 1. Januar 2001 bis 28. April 2005, also vier Jahre und drei Monate gedauert. Tudapetrol habe sich vom 24. März 1994 bis 30. Juni 2002, also während acht Jahren und drei Monaten an der Zuwiderhandlung beteiligt. Die Kommission führte zudem aus, dass bei der Prüfung der Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung auf die Zeiträume, in denen Herr W., Herr H. und Herr G. bei den für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemachten Gesellschaften beschäftigt gewesen seien, und auf die bekannte Beteiligung dieser Personen an den technischen Treffen abgestellt worden sei. Hierzu hat die Kommission auf den Anhang der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

40      Im Anhang der angefochtenen Entscheidung bezeichnete die Kommission die 17 technischen Treffen, an denen „H&R/Tudapetrol“ nach den verfügbaren Beweisen in dem Zeitraum, für den die Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung festgestellt wurde (vom 1. Januar 2001 bis 28. April 2005), teilgenommen hatte. In den Fußnoten, die sich auf diese Treffen beziehen, nannte die Kommission die Vertreter von H&R Wax Company Vertrieb, die an dem Treffen teilnahmen – im vorliegenden Fall Herr H. und Herr G. –, und bezeichnete das Beweismittel, das ihre Anwesenheit belegte.

41      Somit geht aus der angefochtenen Entscheidung, im Kontext ihres Erlasses betrachtet, klar hervor, dass den Klägerinnen nur die technischen Treffen zur Last gelegt wurden, für die die Anwesenheit von „H&R/Tudapetrol“ in den der Kommission zur Verfügung stehenden Unterlagen vermerkt war und an denen Herr G., Verkaufsleiter von H&R Wax Company Vertrieb, oder Herr H., Vertriebsleiter und später Geschäftsführer von H&R Wax Company Vertrieb, teilnahmen.

42      Drittens ist gleichwohl der Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2002 zu prüfen, für den die Kommission gleichzeitig die Verantwortlichkeit der Klägerinnen und von Tudapetrol festgestellt hat.

43      Hierzu ist daran zu erinnern (vgl. oben Rn. 39), dass die Kommission bei der Prüfung der Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung auf die Zeiträume, in denen Herr W., Herr H. und Herr G. bei den für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemachten Gesellschaften beschäftigt waren, abgestellt hat. Die Kommission hat nämlich im Anhang der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass „H&R/Tudapetrol“ bei den technischen Treffen im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2002 durch Herrn G. und Herrn H. vertreten wurde. Zudem hat sie in Rn. 28 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass Herr G. während dieses Zeitraums Verkaufsleiter der H&R Wax Company Vertrieb und Produktmanager bei H&R ChemPharm war, während Herr H. gleichzeitig in der Verkaufs- und Marketingabteilung von Tudapetrol beschäftigt (1997‒2002) und Vertriebsleiter bei der H&R Wax Company Vertrieb (seit 2001 und noch bei Erlass der angefochtenen Entscheidung) war.

44      Somit geht aus der angefochtenen Entscheidung klar hervor, dass die Kommission den betroffenen Gesellschaften nur die Zuwiderhandlungszeiträume angelastet hat, in denen ihre jeweiligen Vertreter an technischen Treffen teilnahmen, und dass der Grund für die Feststellung einer parallelen Verantwortlichkeit für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2002 darin lag, dass die Personen, die an diesen Treffen teilnahmen, sowohl bei Tudapetrol als auch bei den Gesellschaften der H&R-Gruppe, insbesondere bei H&R Wax Company Vertrieb, Funktionen innehatten.

45      Viertens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Rn. 386 bis 388 der angefochtenen Entscheidung erläutert hat, dass sie aufgrund der Tatsache, dass 100 % des Kapitals von H&R Wax Company Vertrieb von Hansen & Rosenthal gehalten werde, davon ausgegangen sei, dass Letztere bestimmenden Einfluss auf die Unternehmenspolitik von H&R Wax Company Vertrieb ausgeübt habe, so dass die beiden Klägerinnen zum selben Unternehmen gehörten und Hansen & Rosenthal die Verantwortung für das wettbewerbswidrige Verhalten von H&R Wax Company Vertrieb zugerechnet werden könne.

46      Fünftens ist nach der oben in Rn. 31 angeführten Rechtsprechung die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen, sondern auch anhand seines Kontexts. Die Kommission hat im vorliegenden Fall die gemeinsame Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“ bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte verwendet, insbesondere im Kontext der Prüfung der Beweise und in der Übersichtstabelle, aus der sich die Anwesenheit der beteiligten Unternehmen bei den einzelnen technischen Treffen ergibt, wohingegen die Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung für H&R und für Tudapetrol getrennt ermittelt wurde. Die Klägerinnen haben diese Vorgehensweise jedoch in der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die sie gemeinsam mit Tudapetrol und den anderen zur H&R-Gruppe gehörenden Gesellschaften eingereicht haben, nicht gerügt, obwohl die Mitteilung der Beschwerdepunkte gesondert an jede Gesellschaft gerichtet war. Überdies haben H&R und Tudapetrol in dieser Erwiderung ebenfalls systematisch die Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“ verwendet, mit Ausnahme der Nr. 2.7.2, die einen Abschnitt enthält, in dem ausgeführt wurde, dass die von Tudapetrol begangene Zuwiderhandlung verjährt sei. Unter diesen Umständen können die Klägerinnen der Kommission nicht mit Erfolg vorwerfen, zu diesen Gesichtspunkten keine ausführlichere Begründung gegeben zu haben.

47      Nach den vorstehenden Ausführungen ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung insgesamt und im Kontext ihres Erlasses betrachtet eine hinreichende Begründung hinsichtlich der Tatsachen, die die den Klägerinnen zur Last gelegte Zuwiderhandlung begründen, enthält und es erlaubt, diese und die Tudapetrol zur Last gelegten Tatsachen auseinanderzuhalten.

48      Sodann ist die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 81 EG zu prüfen.

49      Erstens ist die Verwendung der gemeinsamen Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“ durch die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu prüfen.

50      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auf die persönlichen Verbindungen zwischen Tudapetrol und H&R abgestellt hat, die von den Klägerinnen nicht bestritten werden.

51      Außerdem ergibt sich aus den Auszügen aus Vermerken und Berichten, die der Kommission zur Verfügung standen, und aus den Erklärungen der Kartellbeteiligten, die in der angefochtenen Entscheidung aufgegriffen wurden, sowie aus der sämtliche Beweise enthaltenden Akte, zu der die Klägerinnen vor Erlass der angefochtenen Entscheidung Zugang hatten, dass die anderen an der Zuwiderhandlung Beteiligten oft auf eine gemeinsame Einheit „SRS/Tudapetrol“ oder „H&R/Tudapetrol“ Bezug nahmen oder Tudapetrol und die zur H&R-Gruppe gehörenden Gesellschaften im Kontext der Zuwiderhandlung in anderer Weise miteinander in Verbindung brachten. Folglich entspricht die häufige Verwendung der Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“ durch die Kommission auch der Wahrnehmung der anderen Kartellbeteiligten.

52      Ferner hat die Kommission auch auf die vertikale Beziehung zwischen der H&R-Gruppe und Tudapetrol abgestellt.

53      Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass Tudapetrol eine „Handels- und Vertriebsgesellschaft für H&R für Paraffinwachs und Paraffingatsch“ war, so dass eine vertikale Beziehung zwischen den beiden Unternehmen bestand. Aus dieser vertikalen Beziehung ergibt sich, dass die beiden Unternehmen ein gemeinsames Geschäftsinteresse hatten, die Gewinne auf die von ihnen hergestellten oder vertriebenen Paraffinwachserzeugnisse zu maximieren. Diesem Interesse diente die Beteiligung an der fraglichen Zuwiderhandlung, mit der u. a. bezweckt wurde, die Preise abzustimmen und so über dem Wettbewerbsniveau liegende Gewinnspannen zu erzielen. Da zudem die von Tudapetrol verkauften Paraffinwachse von der H&R-Gruppe hergestellt wurden, konnte diese vertikale Beziehung bei den anderen Kartellbeteiligten den Eindruck verstärken, dass diese beiden Unternehmen eng miteinander verbunden seien, so dass sie diese als eine Einheit ansahen, was sich im Übrigen aus den der Kommission vorliegenden Unterlagen ergibt.

54      Daraus folgt, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie die vertikale Beziehung zwischen Tudapetrol und der H&R-Gruppe bei den Gesichtspunkten angeführt hat, die die Verwendung der gemeinsamen Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“ in bestimmten Teilen der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen.

55      Schließlich haben die zur H&R-Gruppe gehörenden Gesellschaften und Tudapetrol ihre Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gemeinsam eingereicht. Somit ist die Kommission logisch vorgegangen, als sie die von ihnen geltend gemachten Argumente als die von „H&R/Tudapetrol“ dargestellt hat.

56      Folglich ist in Anbetracht der persönlichen Verbindungen zwischen den beiden Unternehmen, der Wahrnehmung der anderen Kartellbeteiligten sowie der vertikalen Beziehung zwischen Tudapetrol und H&R und der gemeinsamen Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte festzustellen, dass die Kommission nicht gegen Art. 81 EG verstoßen hat, als sie bei der Prüfung bestimmter Aspekte der Zuwiderhandlung die gemeinsame Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“ verwendet hat.

57      Zweitens hat die Kommission den Klägerinnen nur die technischen Treffen zur Last gelegt, an denen nach ihrer Bewertung der ihr vorliegenden Unterlagen eine Person teilgenommen hatte, die eine Funktion bei H&R Wax Company Vertrieb innehatte (vgl. oben, Rn. 34 bis 41). Die Anwesenheit eines Angestellten oder anderer Vertreter bei wettbewerbswidrigen Zusammenkünften ist indes ein tatsächlicher Gesichtspunkt, der es der Kommission erlaubt, die Verantwortlichkeit eines Unternehmens für einen Verstoß gegen Art. 81 EG festzustellen. Nach der Rechtsprechung setzt nämlich die Befugnis der Kommission, ein Unternehmen, das eine Zuwiderhandlung begangen hat, mit einer Sanktion zu belegen, nur die rechtswidrige Handlung einer Person voraus, die im Allgemeinen berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden (Urteile des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Rn. 277, insoweit nicht aufgehoben, und vom 15. Dezember 2010, E.ON Energie/Kommission, T‑141/08, Slg. 2010, II‑5761, Rn. 258; vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Rn. 97).

58      Somit hat die Kommission dadurch, dass sie in einigen Teilen der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Beurteilung die gemeinsame Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“ verwendet, gleichwohl aber darauf hingewiesen hat, dass den Klägerinnen die Beteiligung an den technischen Treffen wegen der Anwesenheit eines Vertreters von H&R Wax Company Vertrieb bei diesen Treffen zur Last gelegt wurde, nicht gegen Art. 81 EG verstoßen.

59      Da die Klägerinnen weder eine Verletzung der Begründungspflicht noch einen Verstoß gegen Art. 81 EG nachgewiesen haben, ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung der Verteidigungsrechte

60      Die Klägerinnen tragen vor, da die Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht zwischen den ihnen angelasteten Handlungen und den Tudapetrol vorgeworfenen unterscheide, ermögliche sie es ihnen nicht, die ihnen vorgeworfene Verhaltensweise zu identifizieren. Infolgedessen seien ihre Möglichkeiten, Entlastungsbeweise zu erbringen, eingeschränkt. Da sie für alle Verhaltensweisen von Tudapetrol mit zur Verantwortung gezogen würden, müssten sie folglich, um ihre Unschuld zu beweisen, sämtliche gegen Tudapetrol erhobenen Tatvorwürfe im Zeitraum ihrer Beteiligung an dem Kartell widerlegen.

61      Nach ständiger Rechtsprechung erfordert es die Wahrung der Verteidigungsrechte, dem betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den von ihr zur Stützung ihrer Behauptung, dass eine Zuwiderhandlung vorliege, herangezogenen Schriftstücken sachgerecht Stellung zu nehmen (Urteile des Gerichtshofs Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Rn. 57 angeführt, Rn. 10, vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Rn. 66, und vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C‑407/04 P, Slg. 2007, I‑829, Rn. 44).

62      Die Verordnung Nr. 1/2003 sieht in ihrem Art. 27 Abs. 1 vor, dass den Parteien eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt wird, in der alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Stadium des Verfahrens stützt, klar angeführt sein müssen, damit die Beteiligten tatsächlich Kenntnis davon erlangen können, welche Verhaltensweisen ihnen von der Kommission zur Last gelegt werden, und sich wirksam verteidigen können, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung erlässt. Eine solche Mitteilung der Beschwerdepunkte stellt eine Verfahrensgarantie dar, die Ausdruck eines tragenden Grundsatzes des Unionsrechts ist, dem zufolge die Verteidigungsrechte in allen Verfahren beachtet werden müssen (Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2009, Papierfabrik August Koehler u. a./Kommission, C‑322/07 P, C‑327/07 P und C‑338/07 P, Slg. 2009, I‑7191, Rn. 35, und Urteil des Gerichts vom 17. Mai 2011, Elf Aquitaine/Kommission, T‑299/08, Slg. 2011, II‑2149, Rn. 135).

63      Dieser Grundsatz verlangt insbesondere, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die die Kommission an ein Unternehmen richtet, gegen das sie eine Sanktion wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln zu verhängen beabsichtigt, die wesentlichen diesem Unternehmen zur Last gelegten Gesichtspunkte wie den ihm vorgeworfenen Sachverhalt, dessen Einstufung und die von der Kommission herangezogenen Beweismittel enthält, damit sich das Unternehmen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, das gegen es eingeleitet worden ist, sachgerecht äußern kann (vgl. Urteil Papierfabrik August Koehler u. a./Kommission, oben in Rn. 62 angeführt, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Insbesondere muss die Mitteilung der Beschwerdepunkte eindeutig angeben, gegen welche juristische Person Geldbußen festgesetzt werden könnten, sie muss an diese Person gerichtet sein, und sie muss angeben, in welcher Eigenschaft dieser Person die behaupteten Tatsachen zur Last gelegt werden (Urteil vom 17. Mai 2011, Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 62 angeführt, Rn. 137; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Papierfabrik August Koehler u. a./Kommission, oben in Rn. 62 angeführt, Rn. 37 und 38).

65      In erster Linie ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Kommission mit Schreiben vom 29. Mai 2007 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerinnen gerichtet hat.

66      In Rn. 104 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hat die Kommission bereits die in Rn. 124 und im Anhang der angefochtenen Entscheidung enthaltene Tabelle dargestellt, in der die Treffen aufgeführt sind, an denen die Einheit „H&R/Tudapetrol“ ihren Informationen nach teilgenommen hatte.

67      Auch hat die Kommission in den Rn. 2 und 257 der Mitteilung der Beschwerdepunkte sowie in Fn. 493 zur genannten Rn. 257 ausgeführt, dass sie beabsichtige, H&R Wax Company Vertrieb für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 28. April 2005 für einen Verstoß gegen Art. 81 EG haftbar zu machen, der in Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zur Festsetzung von Preisen sowie zum Austausch und zur Offenlegung sensibler Geschäftsinformationen, die den Markt für Paraffinwachse beträfen, bestehe. Die Kommission hat dort ebenfalls ausgeführt, dass sie bei der Prüfung der Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung auf die Zeiträume, in denen Herr W., Herr H. und Herr G. bei den für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemachten Gesellschaften beschäftigt gewesen seien, abgestellt habe. In Rn. 31 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hat die Kommission bereits die Dauer der Beschäftigungen und die von diesen drei Personen wahrgenommenen Funktionen in gleicher Weise wie in Rn. 28 der angefochtenen Entscheidung angegeben. Darüber hinaus sind in den Erwägungen unter „4.2 Einzelheiten zu den technischen Treffen“ die Beweismittel angegeben, die von der Kommission in Bezug auf jedes technische Treffen berücksichtigt wurden.

68      Somit geht aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte klar hervor, dass nur die technischen Treffen zulasten der H&R Wax Company Vertrieb berücksichtigt wurden, an denen einer ihrer Vertreter teilgenommen hatte. Daher können die Klägerinnen nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte es ihnen nicht ermöglicht habe, die H&R Wax Company Vertrieb und damit der Muttergesellschaft der Gruppe, Hansen & Rosenthal, vorgeworfene Verhaltensweise zu identifizieren. Ebenso wenig können sie der Kommission vorwerfen, dass sie, um ihre Unschuld zu beweisen, sämtliche gegen Tudapetrol erhobenen Tatvorwürfe widerlegen müssten.

69      Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Tudapetrol und die Gesellschaften der H&R-Gruppe gemeinsam auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte antworteten, obwohl eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an jede dieser Gesellschaften einzeln gesandt worden war. Außerdem verwendeten Tudapetrol und die Gesellschaften der H&R-Gruppe in ihrer Erwiderung die gemeinsame Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“. Die Klägerinnen haben nicht geltend gemacht, dass diese Bezeichnung es ihnen unmöglich gemacht habe, sich gegen die allein gegen sie erhobenen Vorwürfe zu verteidigen.

70      Nach dem Vorstehenden ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes und damit der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.     Zum zweiten Klagegrund: keine Zuwiderhandlung der Klägerinnen gegen Art. 81 EG

71      Der zweite Klagegrund besteht aus vier Teilen. Im ersten Teil machen die Klägerinnen geltend, dass sie kein gemeinsames Ziel mit den übrigen Paraffinherstellern hätten. Der zweite bezieht sich darauf, dass sie sich nicht an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen oder abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt hätten. Mit dem dritten Teil tragen sie vor, dass der Versand von Preiserhöhungsschreiben im Rahmen von Lieferbeziehungen zwischen den Kartellbeteiligten und nicht im Rahmen der Umsetzung des Kartells stattgefunden habe. Mit dem vierten machen sie geltend, dass der Austausch von Informationen keine wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen gehabt habe.

72      Das Gericht hält es für zweckmäßig, mit der Prüfung des zweiten Teils zu beginnen.

 Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: keine Beweise, die die Beteiligung der Klägerinnen an Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen zur Festlegung der Preise für Paraffinwachse belegen

73      Die Klägerinnen machen geltend, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass sie sich an Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen zur Abstimmung der Preise für Paraffinwachse beteiligt hätten.

 Zu den Begriffen „Vereinbarung“ und „abgestimmte Verhaltensweise“

74      Mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind nach Art. 81 Abs. 1 EG Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken und bewirken.

75      Eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T‑7/89, Slg. 1991, II‑1711, Rn. 256, und vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, Slg. 2002, II‑1487, Rn. 199).

76      Vom Abschluss einer Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG kann ausgegangen werden, wenn hinsichtlich der Wettbewerbsbeschränkung als solcher ein übereinstimmender Wille vorliegt, selbst wenn die einzelnen Bestandteile der beabsichtigten Beschränkung noch Gegenstand von Verhandlungen sind (Urteil des Gerichts vom 16. Juni 2011, Heineken Nederland und Heineken/Kommission, T‑240/07, Slg. 2011, II‑3355, Rn. 45, vgl. in diesem Sinne auch Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 75 angeführt, Rn. 151 bis 157 und 206).

77      Bei der abgestimmten Verhaltensweise handelt es sich um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Rn. 115, und Hüls/Kommission, C‑199/92 P, Slg. 1999, I‑4287, Rn. 158).

78      Art. 81 Abs. 1 EG steht jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbers beeinflusst oder ein solcher Wettbewerber über das Marktverhalten, zu dem der betreffende Wirtschaftsteilnehmer selbst entschlossen ist oder das er in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn diese Fühlungnahme eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt (Urteil Heineken Nederland und Heineken/Kommission, oben in Rn. 76 angeführt, Rn. 47, vgl. in diesem Sinne auch Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Rn. 77 angeführt, Rn. 116 und 117).

 Zu den Grundsätzen der Beweiswürdigung

79      Nach der Rechtsprechung hat die Kommission die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend beweisen (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Rn. 58; vgl. Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T‑44/02 OP, T‑54/02 OP, T‑56/02 OP, T‑60/02 OP und T‑61/02 OP, Slg. 2006, II‑3567, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Was den Umfang der gerichtlichen Kontrolle anbelangt, hat nach ständiger Rechtsprechung das Gericht bei einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung nach Art. 81 Abs. 1 EG generell eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die Tatbestandsmerkmale von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 2000, Bayer/Kommission, T‑41/96, Slg. 2000, II‑3383, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Ein hierauf bezogener etwaiger Zweifel des Gerichts muss dem Unternehmen zugutekommen, an das die Entscheidung gerichtet ist, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Der Richter kann also, besonders im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung einer eine Geldbuße verhängenden Entscheidung, nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Kommission die betreffende Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn ihm in dieser Frage ein Zweifel verbleibt (Urteile des Gerichts Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 79 angeführt, Rn. 60, und vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission, T‑112/07, Slg. 2011, II‑3871, Rn. 58).

82      Unter den genannten Umständen ist nämlich die Unschuldsvermutung − insbesondere nach Art. 6 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten − zu beachten, die zu den Grundrechten gehört, die allgemeine Grundsätze des Rechts der Europäischen Union darstellen. Angesichts der Art der betreffenden Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt die Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 81 angeführt, Rn. 59, vgl. in diesem Sinne auch Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 79 angeführt, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Jedoch muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diese Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung erfüllen. Es genügt, wenn ein von der Kommission angeführtes Bündel von Indizien im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht (vgl. Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 79 angeführt, Rn. 62 und 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Die Indizien, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung anführt, um einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu beweisen, sind nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T‑53/03, Slg. 2008, II‑1333, Rn. 185 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Außerdem hat die Kommission das Bestehen einer Zuwiderhandlung in der Praxis oft unter dafür ungünstigen Voraussetzungen nachzuweisen, da seit den Vorgängen, die die Zuwiderhandlung bilden, mehrere Jahre vergangen sein können und mehrere von der Untersuchung betroffene Unternehmen nicht aktiv mit der Kommission zusammengearbeitet haben. Wenn die Kommission somit auch notwendig nachweisen muss, dass eine rechtswidrige Vereinbarung über die Festsetzung von Preisen geschlossen wurde, wäre es überzogen, darüber hinaus zu verlangen, dass sie den spezifischen Mechanismus nachweist, mit dem dieses Ziel erreicht werden sollte. Es wäre nämlich für ein Unternehmen, das sich einer Zuwiderhandlung schuldig gemacht hat, zu einfach, sich jeder Sanktion zu entziehen, könnte es sich in einer Situation, in der das Bestehen einer rechtswidrigen Vereinbarung und ihr wettbewerbswidriger Zweck hinreichend bewiesen sind, darauf berufen, dass die über die Funktionsweise der Vereinbarung vorgelegten Informationen zu unbestimmt seien. Die Unternehmen können sich in einer solchen Situation sachgerecht dadurch verteidigen, dass sie zu allen von der Kommission gegen sie angeführten Beweisen Stellung nehmen können (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Rn. 203).

86      Hinsichtlich der Beweismittel, die zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG herangezogen werden dürfen, gilt im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, Slg. 2004, II‑2395, Rn. 72, und Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 81 angeführt, Rn. 64).

87      Was den Beweiswert der verschiedenen Beweisstücke anbelangt, ist das alleinige Kriterium für die Beurteilung der beigebrachten Beweise ihre Glaubhaftigkeit (Urteil Dalmine/Kommission, oben in Rn. 86 angeführt, Rn. 72).

88      Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen hängt die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und seinem Inhalt ab (Urteile des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Rn. 1053 und 1838, und Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 81 angeführt, Rn. 70).

89      Stützt sich die Kommission für ihre Feststellung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung ausschließlich auf das Marktverhalten der Unternehmen, müssen diese lediglich das Vorliegen von Umständen nachweisen, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglichen, aus denen die Kommission auf die Begehung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union geschlossen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 85 angeführt, Rn. 186).

90      Dagegen haben die betroffenen Unternehmen in den Fällen, in denen sich die Kommission auf Urkundenbeweise stützte, nicht bloß eine plausible Alternative zur Darstellung der Kommission darzutun, sondern müssen außerdem aufzeigen, dass die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise für den Nachweis der Zuwiderhandlung nicht genügen (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 85 angeführt, Randnr. 187). Dies verstößt nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Montecatini/Kommission, C‑235/92 P, Slg. 1999, I‑4539, Rn. 181).

91      In Anbetracht der Bekanntheit des Verbots wettbewerbswidriger Vereinbarungen kann von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie Beweisstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Die lückenhaften und vereinzelten Beweiselemente, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, müssen jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen. Das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung kann daher aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Rn. 61 angeführt, Rn. 55 bis 57, vgl. ebenso Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 79 angeführt, Rn. 64 und 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Bei der Würdigung des Beweiswerts von Dokumentenbeweisen muss es als sehr bedeutsam angesehen werden, dass ein Dokument in unmittelbarem Anschluss an die Ereignisse (Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Ensidesa/Kommission, T‑157/94, Slg. 1999, II‑707, Rn. 312, und vom 16. Dezember 2003, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied und Technische Unie/Kommission, T‑5/00 und T‑6/00, Slg. 2003, II‑5761, Rn. 181) oder von einem unmittelbaren Zeugen dieser Ereignisse (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 85 angeführt, Rn. 207) erstellt wurde.

93      Das Fehlen des Datums oder der Unterschrift auf einem Dokument oder der Umstand, dass es schlecht geschrieben ist, nehmen diesem nicht jeden Beweiswert, insbesondere sofern sein Ursprung, sein wahrscheinliches Datum und sein Inhalt mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden können (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2006, FNCBV/Kommission, T‑217/03 und T‑245/03, Slg. 2006, II‑4987, Rn. 124, vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 10. März 1992, Shell/Kommission, T‑11/89, Slg. 1992, II‑757, Rn. 86).

94      Aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ergibt sich, dass, selbst wenn sich das Fehlen schriftlicher Nachweise im Rahmen der Gesamtbeurteilung des von der Kommission angeführten Bündels von Indizien als relevant erweisen kann, das betroffene Unternehmen nicht allein aufgrund dessen die Behauptungen der Kommission durch eine andere Erklärung des Sachverhalts in Frage stellen kann. Dies kann es nur dann, wenn aufgrund der von der Kommission beigebrachten Beweise das Vorliegen der Zuwiderhandlung nicht eindeutig und nur durch Auslegung dieser Beweise nachgewiesen werden kann (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 81 angeführt, Rn. 65, vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Coats Holdings und Coats/Kommission, T‑36/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 74).

95      Zudem verbietet keine Bestimmung und kein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts der Kommission, gegen ein Unternehmen die Erklärungen anderer Unternehmen zu verwenden, denen vorgeworfen wird, sie seien am Kartell beteiligt gewesen. Andernfalls wäre die der Kommission obliegende Beweislast für Verhaltensweisen, die Art. 81 EG zuwiderlaufen, untragbar und mit der ihr anvertrauten Aufgabe, die richtige Anwendung dieser Bestimmung zu überwachen, nicht zu vereinbaren (Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 85 angeführt, Rn. 192, und Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 81 angeführt, Rn. 67).

96      Ein besonders hoher Beweiswert kann Erklärungen beigemessen werden, wenn sie verlässlich sind, im Namen eines Unternehmens abgegeben wurden, von einer Person stammen, die beruflich verpflichtet ist, im Interesse dieses Unternehmens zu handeln, den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, von einem unmittelbaren Zeugen der Vorgänge stammen, auf die sie sich beziehen, und bedacht sowie nach reiflicher Überlegung schriftlich abgegeben werden (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 81 angeführt, Rn. 71, vgl. in diesem Sinne auch Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 85 angeführt, Rn. 205 bis 210).

97      Eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einem Kartell beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen betroffenen Unternehmen bestritten wird, kann jedoch nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweise untermauert wird, wobei jedoch der erforderliche Grad der Erhärtung aufgrund der Glaubhaftigkeit der fraglichen Erklärungen geringer sein kann (Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 85 angeführt, Rn. 219 und 220, und Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 81 angeführt, Rn. 68).

98      Auch wenn gegenüber freiwilligen Aussagen von Hauptteilnehmern eines verbotenen Kartells im Allgemeinen ein gewisses Misstrauen angebracht ist, da die Möglichkeit besteht, dass diese Teilnehmer die Neigung haben, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen, so ändert dies nichts daran dass ein Antrag auf Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002, um einen Erlass oder eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz schafft, verfälschte Beweise für die Beteiligung der übrigen Kartellmitglieder vorzulegen. Jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte nämlich die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Antragstellers in Frage stellen und damit die Möglichkeit gefährden, dass er in den vollen Genuss der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gelangt (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 81 angeführt, Rn. 72, vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, Slg. 2006, II‑4441, Rn. 70).

99      Insbesondere kann daraus, dass eine Person zugibt, dass sie eine Zuwiderhandlung verwirklicht hat, und damit Tatsachen einräumt, die über die den fraglichen Unterlagen unmittelbar zu entnehmenden Tatsachen hinausgehen, a priori, sofern keine bestimmten Anhaltspunkte für das Gegenteil bestehen, der Schluss gezogen werden, dass sich der Betreffende dazu entschlossen hat, die Wahrheit zu sagen. Somit sind Erklärungen, die den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, grundsätzlich als besonders verlässliche Beweise anzusehen (Urteile des Gerichts JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 85 angeführt, Rn. 211 und 212, vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission, T‑109/02, T‑118/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑126/02, T‑128/02, T‑129/02, T‑132/02 und T‑136/02, Slg. 2007, II‑947, Rn. 166, und vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 59).

100    Diese Rechtsprechung gilt entsprechend für Art. 53 des EWR-Abkommens.

 Zur angefochtenen Entscheidung

101    Zunächst ist darauf hinzuwiesen, dass die Kommission in Rn. 2 der angefochtenen Entscheidung unter „Zusammenfassung der Zuwiderhandlung“ festgestellt hat, die Adressaten hätten an einer einzigen, komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen teilgenommen. Der Haupttatkomplex habe bestanden in „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen …, die darauf abzielten, auf dem Markt für Paraffinwachse Preise festzusetzen, kommerziell empfindliche Informationen auszutauschen und offenzulegen“. Dieser Haupttatkomplex war nach der angefochtenen Entscheidung der einzige Tatkomplex, an dem sich die Klägerinnen beteiligt haben. Bestimmte andere Unternehmen, gegen die sich die angefochtene Entscheidung richtet, seien darüber hinaus an den weiteren Tatkomplexen beteiligt gewesen, die darin bestanden hätten, „Kunden und Märkte aufzuteilen“, und zwar bei Paraffinwachsen (zweiter Tatkomplex) und dem „auf dem deutschen Markt an Endabnehmer verkaufte[n] Paraffingatsch“ (Tatkomplex Paraffingatsch).

102    In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission den Inhalt der Verhaltensweisen der Festsetzung von Preisen in den Rn. 106 ff. unter den Überschriften „4. Beschreibung der Sachverhalte“ und „4.1. Grundsätze und Funktionsweise des Kartells“ wie folgt beschrieben:

„(106)      Die technischen Treffen waren in zwei Teile unterteilt: Zunächst wurden technische Fragen besprochen, anschließend verlagerte sich das Gespräch auf wettbewerbswidrige Punkte wie die Festsetzung von Preisen, die Aufteilung von Märkten und Abnehmern (in bestimmten Fällen) sowie den Austausch und die Offenlegung wirtschaftlich sensibler Informationen einschließlich aktueller und künftiger Preispolitik, Kunden, Produktionskapazitäten und Absatzmengen.

(107) Die Gespräche über Preise und mögliche Preiserhöhungen fanden somit in der Regel am Ende der technischen Treffen statt. Sasol gab in der Regel den Anstoß, aber danach beteiligten sich alle Anwesenden an einer allgemeinen Aussprache über Preise und Preisstrategien … Dabei wurden sowohl Preiserhöhungen und Zielpreise für bestimmte einzelne Abnehmer als auch allgemeine Preiserhöhungen sowie Mindest- und Zielpreise für den gesamten Markt behandelt … Preiserhöhungen wurden in der Regel in absoluten Zahlen und nicht in Prozentanteilen beziffert (z. B. 60 [Euro]/t vollraffiniertes Paraffin). … Ferner wurden Mindestpreise vereinbart, und zwar nicht nur bei Vereinbarung einer Preiserhöhung. sondern auch, wenn Preiserhöhungen nicht verwirklicht werden konnten (beispielsweise in Zeiten fallender Preise) …

(109) Ferner tauschten die Unternehmensvertreter geschäftlich sensible Informationen aus und legen ihre allgemeinen Unternehmensstrategien offen …

(110) Mit Ausnahme von MOL wurden die Unternehmen von Managern vertreten, die die Preisstrategie ihrer Unternehmen bestimmen und die Preise gegenüber einzelnen Kunden festsetzen konnten …

(111) In den meisten technischen Treffen drehten sich die Preisdiskussionen allgemein um Paraffin; … bestimmte Paraffinsorten (wie voll- oder halbraffiniertes Paraffin, Mischungen, Spezialwachse, Paraffin-Hartwachse oder Hydro-Paraffinwachse) wurden nur selten behandelt. Darüber hinaus waren sich sämtliche Unternehmen einig, dass vereinbarte (prozentuale oder konkrete) Preiserhöhungen für sämtliche Paraffinwachs-Sorten gelten sollten …

(113)      Die Beschlüsse der technischen Treffen wurden zumeist umgesetzt, indem Kunden Preiserhöhungen angekündigt oder bestehende Preislisten gekündigt wurden … Wenn es gelegentlich zu Täuschungsmanövern kam oder Vereinbarungen nicht umgesetzt wurden, kam das auf dem nächsten Treffen zur Sprache (vgl. z. B. Randnummern [149] und [157] … In der Regel übernahm ein auf dem Treffen anwesendes Unternehmen die Vorreiterrolle bei den Preiserhöhungen (meistens Sasol, aber manchmal auf Bitten Sasols auch ein anderes teilnehmendes Unternehmen). Die übrigen Anbieter zogen dann kurze Zeit später nach und kündigten ihrerseits Preiserhöhungen an … Die an den technischen Treffen beteiligten Unternehmensvertreter unterrichteten sich gegenseitig über ihre Maßnahmen zur Umsetzung der dort gefassten Beschlüsse. Die Unterrichtung [der] anderen in den technischen Treffen vertretenen Unternehmen (eines Unternehmens oder aller Unternehmen) erfolgte mündlich … oder durch Versendung einer Kopie der Schreiben, in denen den Kunden die höheren Preise angekündigt oder die bisherigen Preise gekündigt wurden; … Die Kommission hat festgestellt, dass diese Unterrichtungen zwischen den Parteien tatsächlich erfolgten. Eine Stichprobe von rund 150 dieser Schreiben ergab, dass diese Schreiben tatsächlich binnen sechs Wochen nach den jeweiligen technischen Treffen ausgetauscht wurden … Es wurde auch über eine Vereinbarung dahingehend berichtet, dass die beteiligten Unternehmen die Umsetzung der vereinbarten Preiserhöhungen nicht dazu nutzen sollten, ihren eigenen Marktanteil zu erhöhen … Diese Erklärung wurde in den Erwiderungen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht bestritten.“

103    Unter der Überschrift „4.2. Einzelheiten zu den technischen Treffen“ hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zunächst Ort und Datum der technischen Treffen sowie die anwesenden Unternehmen in einer Tabelle zusammengefasst (Rn. 124 der angefochtenen Entscheidung). Sodann hat sie bei den einzelnen technischen Treffen geprüft, welche Beweismittel jeweils vorliegen (Rn. 126 bis 177 der angefochtenen Entscheidung).

104    Unter den Überschriften „5. Anwendung von Artikel 81 [EG] … in dieser Sache“ und „5.3. Art der Zuwiderhandlung in dieser Sache“ hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die maßgeblichen Grundsätze für die Klassifizierung der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen dargelegt:

„5.3.1. Allgemeines

(205)  [I]m Falle einer komplexen Zuwiderhandlung von langer Dauer braucht die Kommission das betreffende Verhalten nicht als [Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise] zu beschreiben. Die Begriffe ‚Vereinbarung‘ und ‚aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen‘ sind fließend und können sich überschneiden. Das wettbewerbswidrige Verhalten kann von Zeit zu Zeit verändert, seine Mechanismen können angepasst oder gestärkt werden, um neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Es kann sich sogar als unmöglich erweisen, eine Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen zu treffen, da eine Zuwiderhandlung gleichzeitig die Merkmale jeder Form des untersagten Verhaltens aufweisen kann, während für sich genommen einige ihrer Erscheinungsformen dem einen und nicht dem anderen Begriff zugeordnet werden könnten. Daher wäre es widersinnig, bei einem eindeutig fortbestehenden gemeinsamen Unternehmen mit einem einzigen Gesamtziel mehrere getrennte Formen der Zuwiderhandlung zu unterscheiden. Ein Kartell kann entsprechend gleichzeitig in einer Vereinbarung und in einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise bestehen. Artikel 81 [EG] sieht keine bestimmte Kategorie für eine komplexe Zuwiderhandlung der in dieser Entscheidung beschriebenen Art vor …

(206) Wenn mehrere Kartellmitglieder und deren wettbewerbswidriges Verhalten im Laufe der Zeit entweder als Vereinbarungen oder als aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (komplexe Zuwiderhandlungen) beschrieben werden können, braucht die Kommission nicht jeden einzelnen Typ des betreffenden Verhaltens zu klassifizieren …“

105    Sodann hat die Kommission, immer noch unter der Überschrift „5.3. Art der Zuwiderhandlung in dieser Sache“, den Inhalt der Zuwiderhandlung wie folgt beschrieben:

„5.3.2. Anwendung

(210) Durch die in Kapitel 4 dieser Entscheidung beschriebenen Sachverhalte ist nachgewiesen, dass alle in diesem Verfahren behandelten Unternehmen … an geheimen Absprachen über Paraffinwachse sowie (bei den in Randnummer 2 angeführten Unternehmen) über Paraffingatsch beteiligt waren und regelmäßig an Treffen teilgenommen haben; Gegenstand der Treffen waren:

(1)      Preisfestsetzungen[;]

(2)      … Aufteilung von Kunden und/oder Märkten[;]

(3)      Offenlegung und Austausch wirtschaftlich sensibler Informationen insbesondere in Bezug auf Kunden, Preisgestaltung, Produktionskapazitäten und Umsätze …

5.3.2.2. Preisfestsetzung

(240) Aus den Randnummern (98), (107), (126), (128), (131), (133), (135), (137), (139), (140), (142), (145), (147), (149), (152), (153), (156), (157), (163), (168), (174), (176) und (177) geht hervor, dass die beteiligten Unternehmen Mindestpreise festsetzten und Preiserhöhungen (‚Preisfestsetzungen‘) vereinbarten.

(241) ExxonMobil, Repsol, Sasol und Shell haben bestätigt, dass Preisfestsetzungen vorkamen [vgl. Rn. (107)], und dies in der mündlichen Anhörung und in ihren schriftlichen Erwiderungen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erneut eingeräumt.“

 Allgemeine Würdigung der Beweise, die das Vorliegen einer von den Klägerinnen begangenen Zuwiderhandlung stützen

106    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe ihre Beteiligung am Abschluss einer Vereinbarung über die Preise für Paraffinwachse nicht nachgewiesen. Der Austausch von Informationen über die Preise sei für Querlieferungen zwischen den am Kartell beteiligten Lieferanten von Paraffinwachs notwendig gewesen.

–       Unternehmenserklärungen

107    Zum einen machen die Klägerinnen unter Verweis auf Abschnitte der Erklärungen von Sasol, Repsol und Shell geltend, dass daraus nicht auf eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise in Bezug auf die Preise für Paraffinwachse geschlossen werden könne. Erst recht könne auf dieser Grundlage nicht die Beteiligung der Klägerinnen nachgewiesen werden.

108    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen Fragmente dieser Erklärungen selektiv dargestellt und es dabei vermieden haben, die Passagen zu erwähnen, die die in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Feststellungen stützen.

109    Tatsächlich haben mehrere Unternehmen eingeräumt, dass bei den technischen Treffen über die Preise für Paraffinwachse mit dem allgemeinen Ziel gesprochen wurde, sich über ihre Höhe zu verständigen.

110    Nach der Aussage von Sasol vom 12. Mai 2005 kam es bei den technischen Treffen in der Regel zu kollusiven Aktivitäten. Es sei bei den Treffen über Erhöhungen und Senkungen der Preise für Paraffinwachse gesprochen worden und es seien Informationen über die Bruttopreise und die Kapazitätsplanungen ausgetauscht worden.

111    Nach der Aussage von Repsol vom 19. Mai 2005 war ein Gespräch über die Höhe der von den Teilnehmern angewandten Preise für Paraffinwachse Bestandteil der technischen Treffen.

112    Shell hat angegeben, dass es bei allen technischen Treffen um die Festsetzung der Preise gegangen sei. Nach der Aussage von Shell vom 14. Juni 2006 wurden die Preise für Paraffinwachse zumindest seit 1999, als ihr Vertreter, der ausgesagt hat, begonnen habe, an den technischen Treffen teilzunehmen, nie einseitig beschlossen, sondern bei den technischen Treffen von den Wettbewerbern festgesetzt.

113    Außerdem haben die genannten Unternehmen in den genannten Aussagen auch angegeben, dass sich die Teilnehmer bei mehreren technischen Treffen tatsächlich auf Mindestpreise oder Preiserhöhungen verständigt hätten, mitunter sogar auf die Maßnahmen der Erhöhung.

114    Insbesondere in den oben in den Rn. 110 bis 112 genannten Aussagen und in der Antwort von Sasol vom 18. Dezember 2006 auf ein Auskunftsverlangen der Kommission wird angegeben, dass sich SRS, SRS/Tudapetrol, H&R/Tudapetrol oder Hansen & Rosenthal an den technischen Treffen beteiligt hätten und Herr G. und Herr H., die bei H&R Wax Company Vertrieb beschäftigt waren, bei diesen Treffen anwesend gewesen seien.

115    Daher ist das Vorbringen der Klägerinnen zum Inhalt der Erklärungen zurückzuweisen.

116    Zum anderen stellen die Klägerinnen die Beweiskraft der betreffenden Erklärungen in Frage. Sie tragen vor, dass Unternehmen, die in den Genuss eines Erlasses oder einer Ermäßigung der Geldbuße kommen wollten, ein Interesse daran hätten, die anderen Beteiligten soweit wie möglich zu belasten.

117    Nach der oben in Rn. 98 angeführten Rechtsprechung schafft ein Antrag auf Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002, um einen Erlass oder eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz, verfälschte Beweise für die Beteiligung der übrigen Kartellmitglieder vorzulegen. Jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte nämlich die Möglichkeit für den Antragsteller gefährden, in den vollen Genuss der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 zu gelangen.

118    Zudem wurden die Erklärungen, auf die sich die Kommission im vorliegenden Fall gestützt hat, insbesondere die in den Rn. 107 und 113 der angefochtenen Entscheidung aufgegriffenen, auf der Grundlage von Zeugenaussagen von Personen, die an den technischen Treffen teilgenommen hatten, nach reiflicher Überlegung abgegeben und belasten auch die Unternehmen, in deren Namen sie erfolgten. Außerdem stimmen die Erklärungen im Großen und Ganzen mit der Beschreibung der Zuwiderhandlung überein, was dazu beiträgt, ihre Glaubwürdigkeit noch weiter zu erhöhen. Somit sind sie im Sinne der oben in Rn. 96 angeführten Rechtsprechung besonders verlässlich.

119    Folglich ist auch das Vorbringen der Klägerinnen zur Verlässlichkeit der fraglichen Erklärungen zurückzuweisen.

–       Schriftliche Beweise

120    Die Klägerinnen argumentieren, die Kommission verfüge über keine anderen Beweise bezüglich ihrer Beteiligung an wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen.

121    Dies trifft im vorliegenden Fall jedoch nicht zu. Die oben in den Rn. 110 bis 112 genannten Erklärungen werden nämlich untermauert durch handschriftliche Vermerke aus der Zeit der technischen Treffen, die die Kommission bei ihren Nachprüfungen vorgefunden hat und die den Klägerinnen während des Verwaltungsverfahrens zugänglich waren; ein Teil von ihnen ist u. a. in den Rn. 163, 165, 173, 174 und 177 der angefochtenen Entscheidung angeführt. Die in Rn. 173 der angefochtenen Entscheidung genannten Aufzeichnungen von Herrn SC., die in Rn. 174 genannte Notiz von Total und der in Rn. 177 dieser Entscheidung genannte Vermerk von MOL sind handschriftliche Aufzeichnungen, die während der Treffen von der Person angefertigt wurden, die an den Treffen teilgenommen hat, und ihr Inhalt ist strukturiert und relativ detailliert. Somit ist ihr Beweiswert sehr hoch. Was den Bericht von Sasol über den „Blauen Salon“ (Rn. 163 der angefochtenen Entscheidung) und den Vermerk von Eni (Rn. 165 der angefochtenen Entscheidung) betrifft, handelt es sich um Dokumente aus dem Zeitraum der Zuwiderhandlung, die in tempore non suspecto, d. h. kurz nach dem technischen Treffen, auf das sie sich beziehen, erstellt wurden. Somit ist ihr Beweiswert hoch.

122    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen bezeugen diese Dokumente, dass die Teilnehmer Informationen über die von ihnen angewandten Preise austauschten und sich bei manchen technischen Treffen auf eine Erhöhung oder Beibehaltung der Preise, manchmal sogar auf die Maßnahme zur Erhöhung verständigten.

–       Zur Anwesenheit von H&R Wax Company Vertrieb bei den technischen Treffen und zu ihrer fehlenden Distanzierung von dem wettbewerbswidrigen Inhalt

123    Die Klägerinnen meinen, dass die Kommission aus ihrer Teilnahme an den technischen Treffen nicht den Schluss habe ziehen dürfen, dass sie sich an wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt hätten.

124    Nach der angefochtenen Entscheidung nahmen die Klägerinnen während des Zeitraums ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung (vom 1. Januar 2001 bis 28. April 2005) an 17 Treffen, die stattfanden, teil und waren durch eine oder mehrere Personen vertreten, die eine Funktion bei H&R Wax Company Vertrieb innehatten und für den Vertrieb von Paraffinwachs zuständig waren. Die Klägerinnen bestreiten ihre Teilnahme nur in Bezug auf das technische Treffen vom 26. und 27. Juni 2001. Sie räumen also ein, an 16 der 17 Treffen, die während des Zeitraums ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung stattfanden, teilgenommen zu haben.

125    Zu wettbewerbswidrigen Vereinbarungen, die wie im vorliegenden Fall bei Treffen konkurrierender Unternehmen zustande kommen, hat der Gerichtshof indes bereits entschieden, dass eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG vorliegt, wenn diese Treffen die Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken und damit der künstlichen Regulierung des Marktes dienen. In einem solchen Fall genügt es zum Nachweis der Teilnahme eines Unternehmens am Kartell, wenn die Kommission dartut, dass das Unternehmen an Treffen teilnahm, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen geschlossen wurden. Ist die Teilnahme an solchen Treffen erwiesen, so obliegt es dem fraglichen Unternehmen, Indizien darzutun, aus denen sich seine fehlende wettbewerbswidrige Einstellung bei der Teilnahme an den Treffen ergibt, und nachzuweisen, dass es seine Konkurrenten auf seine andere Zielsetzung hingewiesen hatte (Urteile des Gerichtshofs Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Rn. 61 angeführt, Rn. 81, und vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C‑403/04 P und C‑405/04 P, Slg. 2007, I‑729, Rn. 47).

126    Diese Regel beruht auf der Erwägung, dass das Unternehmen, indem es an dem fraglichen Treffen teilnahm, ohne sich offen von dessen Inhalt zu distanzieren, den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gab, dass es dem Ergebnis des Treffens zustimme und sich daran halten werde (Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Rn. 61 angeführt, Rn. 82, und Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, oben in Rn. 125 angeführt, Rn. 48).

127    Die in dieser Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze finden auch Anwendung auf Treffen, bei denen es zu abgestimmten Verhaltensweisen kommt, wie sie in der oben in Rn. 77 angeführten Rechtsprechung definiert sind.

128    Im vorliegenden Fall behaupten die Klägerinnen indes nicht, sich offen vom Inhalt der wettbewerbswidrigen Treffen distanziert zu haben.

129    Somit können sie nicht mit Erfolg geltend machen, dass ihre Teilnahme an den technischen Treffen nicht ihre Verantwortlichkeit für deren wettbewerbswidrigen Inhalt impliziere.

–       Zur behaupteten Öffentlichkeit der ausgetauschten Informationen

130    Nach Ansicht der Klägerinnen waren die bei den technischen Treffen ausgetauschten Informationen über die Preise öffentlich. Dies zeige sich auch daran, dass an einigen technischen Treffen Kerzenhersteller teilgenommen hätten.

131    Zum Nachweis der Öffentlichkeit der bei den technischen Treffen ausgetauschten Preisinformationen verweisen die Klägerinnen auf die wöchentlichen ICIS-Berichte vom 13. Dezember 2006, 24. Januar, 21. Februar, 21. März, 25. April, 23. Mai, 27. Juni und 18. Juli 2007.

132    Hierzu genügt der Hinweis, dass diese Berichte nicht den tatsächlichen Zeitraum der Zuwiderhandlung betreffen, so dass sie nicht geeignet sind, das Vorbringen der Klägerinnen zu stützen.

133    Ferner machen die Klägerinnen geltend, dass die Teilnahme der Kerzenhersteller an den technischen Treffen beweise, dass der Inhalt dieser Treffen nicht wettbewerbswidrig gewesen sei, da die Kerzenhersteller ein Interesse daran hätten, dass die Preise für Paraffinwachs nicht erhöht würden. Insoweit stützen sich Klägerinnen auf die Erklärung von Shell vom 24. Juni 2005.

134    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die technischen Treffen nach Rn. 106 der angefochtenen Entscheidung stets in zwei Teile unterteilt waren, nämlich zunächst eine Diskussion über technische Fragen und dann Gespräche wettbewerbswidriger Natur.

135    Darüber hinaus ist festzustellen, dass Shell in seiner Erklärung vom 24. Juni 2005 zunächst die allgemeinen und zulässigen Themen der technischen Treffen geschildert und dann Angaben zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen gemacht hat. Shell erwähnt die Anwesenheit von Vertretern der Kerzenindustrie nur im Zusammenhang mit den Diskussionen über allgemeine und zulässige Themen, die bei den technischen Treffen besprochen wurden, wie etwa die Anforderungen an die Reinheit der Paraffinwachse aus Sicht der deutschen Kerzenindustrie.

136    Somit ergibt sich aus der hier in Rede stehenden Erklärung von Shell nicht, dass die Vertreter der Kerzenindustrie auch an dem letzten Teil der technischen Treffen, der wettbewerbswidrige Gegenstände betraf, teilnahmen.

137    Im Übrigen hätten die in den Unternehmenserklärungen geschilderten wettbewerbswidrigen Absprachen, die durch die von der Kommission gesammelten schriftlichen Beweise belegt sind, naturgemäß nicht im Beisein von Kunden der Kartellbeteiligten stattfinden können. Somit ist das Vorbringen der Klägerinnen nicht nur unzureichend durch Nachweise belegt, sondern auch mit zahlreichen schlüssigen Beweisen, die die Kommission zusammengetragen hat, logisch nicht zu vereinbaren.

138    Das Vorbringen ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

–       Zur behaupteten Nichtberücksichtigung des Ergebnisses der technischen Treffen durch die Klägerinnen

139    Die Klägerinnen machen geltend, dass die Kommission hätte nachweisen müssen, dass die Teilnehmer der technischen Treffen die ausgetauschten Informationen über die Preise tatsächlich berücksichtigt hätten. Eine solche Berücksichtigung könne nicht vermutet werden, ohne gegen die Unschuldsvermutung zu verstoßen. Dass die Klägerinnen ihre Preispolitik in unabhängiger Weise festgelegt hätten, gehe aus einem Sachverständigengutachten hervor.

140    Erstens ist festzustellen, dass die von der Kommission zusammengetragenen Beweise gerade belegen, dass bei den technischen Treffen über die Preise für Paraffinwachse mit dem allgemeinen Ziel gesprochen wurde, sich über ihre Höhe zu verständigen, und dass sich die Teilnehmer bei mehreren technischen Treffen tatsächlich auf Mindestpreise oder Preiserhöhungen, manchmal sogar auf die Maßnahmen zur Erhöhung einigten (vgl. oben, Rn. 109 ff.).

141    Wie sich aus der oben in Rn. 125 angeführten Rechtsprechung ergibt, genügt es, wenn die Kommission dartut, dass das betreffende Unternehmen an wettbewerbswidrigen Treffen teilgenommen hat. Ist die Teilnahme an solchen Treffen erwiesen, so obliegt es dem fraglichen Unternehmen, Indizien darzutun, aus denen sich seine fehlende wettbewerbswidrige Einstellung bei der Teilnahme an den Treffen ergibt, und nachzuweisen, dass es seine Konkurrenten auf seine andere Zielsetzung hingewiesen hatte. Die Klägerinnen haben jedoch nicht nachgewiesen, dass sie sich vom wettbewerbswidrigen Inhalt der technischen Treffen distanziert hätten, so dass sie sich nicht ihrer Verantwortung für die fraglichen wettbewerbswidrigen Absprachen entziehen können.

142    Zweitens hat die Kommission jedenfalls keinen Fehler begangen, als sie davon ausgegangen ist, dass die Unternehmen, die an den technischen Treffen teilnahmen, die erlangten Informationen berücksichtigten. Nach der Rechtsprechung gilt vorbehaltlich des den betroffenen Unternehmen obliegenden Gegenbeweises die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung wie hier während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet (Urteil Hüls/Kommission, oben in Rn. 77 angeführt, Rn. 162).

143    Drittens ist das Argument der Klägerinnen zu prüfen, wonach das von der Beratungsgesellschaft P. erstellte Gutachten bestätige, dass die Paraffinpreise stets durch die Rohstoffpreise und unabhängig von den technischen Treffen bestimmt worden seien.

144    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht ein solches Vorbringen bereits geprüft und zurückgewiesen hat. Im Urteil Bolloré u. a./Kommission, oben in Rn. 99 angeführt (Rn. 451), hat es entschieden, dass sich schon daraus, dass die Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich ankündigten und dass die angekündigten Preise als Grundlage für die Bestimmung der Preise individueller Transaktionen dienten, ableiten lässt, dass die Preisabsprache eine schwere Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckte als auch bewirkte. Die Kommission ist daher nicht verpflichtet, das Vorbringen der Parteien, mit dem sie nachzuweisen versuchen, dass die fraglichen Vereinbarungen keine Erhöhung der Preise über das Maß hinaus bewirkt hätten, das unter normalen Wettbewerbsbedingungen erreicht worden wäre, im Einzelnen zu prüfen und es Punkt für Punkt zu beantworten.

145    Indes hat die Kommission im vorliegenden Fall hinreichend nachgewiesen, dass die kollusiven Praktiken die Festlegung der Preise betrafen und dass das Ergebnis der Treffen, bei denen Preiserhöhungen besprochen wurden, häufig durch Preisrücknahmen gegenüber den Kunden und Ankündigungen von Preiserhöhungen umgesetzt wurden und dass die so angekündigten Preise als Grundlage für die Festlegung der Preise für individuelle Transaktionen dienten. Wenn die Kartellteilnehmer im Hinblick auf die Marktbedingungen übereinkamen, die Preise aufrecht zu erhalten, ist dies ebenso als Teil der Umsetzung der einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung des vorliegenden Falles anzusehen.

146    Außerdem können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg darauf stützen, dass die Paraffinpreise immer durch die Rohstoffpreise und unabhängig von den technischen Treffen festgelegt worden seien.

147    Die Erklärung von Shell vom 14. Juni 2006 verrät nämlich, dass die Paraffingatsch betreffenden Praktiken zum Teil dazu dienten, die Absprachen bezüglich der Preise für Paraffinwachs zu tarnen.

148    Nach dieser Erklärung wurden die Erhöhungen der Preise für Paraffinwachs gegenüber den Kunden in der Regel durch Verweis auf den Anstieg der Rohstoffpreise gerechtfertigt. Die Kunden hätten diese Erhöhungen nicht hingenommen, wenn sie festgestellt hätten, dass die Preise für Paraffingatsch, dem Rohstoff für Paraffinwachs, konstant blieben. Daher trug die Erhöhung der Preise für Paraffingatsch nach der Darstellung von Shell dazu bei, die Umsetzung der Erhöhungen der Preise für Paraffinwachs, die bei den technischen Treffen beschlossen worden waren, sicherzustellen.

149    Somit können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg auf das Gutachten der Beratungsgesellschaft P. stützen, ebenso wenig wie auf den Zusammenhang zwischen dem Preis für die von ihnen verkauften Paraffinwachse und den Preisen für Paraffingatsch, dem Rohstoff für Paraffinwachs, so dass dieses Vorbringen zurückzuweisen ist.

–       Zur Diversität der Produkte

150    Die Klägerinnen machen geltend, dass eine pauschale Preisabsprache über alle Produktgruppen hinweg angesichts der unterschiedlichen Preisniveaus der verschiedenen Arten von Paraffinwachs und der Tatsache, dass die von ihnen hergestellten Spezialitäten ein deutlich höheres Preisniveau hätten, nicht möglich sei.

151    Zum einen geht aus den Erklärungen von Shell vom 26. April 2005 und vom 14. Juni 2006 hervor, dass sich die Teilnehmer bei den technischen Treffen im Allgemeinen darüber einig waren, dass die Preise für alle Arten von Paraffinwachs um den gleichen Betrag oder Prozentsatz erhöht würden.

152    In ihrer Erklärung vom 12. Mai 2005 bestätigte Sasol diese Vorgehensweise ebenfalls und führte aus, dass es eine gewisse Indizierungswirkung der bei den technischen Treffen getroffenen Vereinbarungen auch für andere Industrien gegeben habe. Die Teilnehmer hätten häufig versucht, die bei diesen Treffen beschlossenen Preiserhöhungen „mit Augenmaß“ auch in anderen Bereichen umzusetzen.

153    Zum anderen ist einer handschriftlichen Notiz, die in den Räumlichkeiten von MOL gefunden wurde, zu entnehmen, dass auch die Paraffinspezialitäten von den die Preise betreffenden Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen erfasst waren.

154    Folglich steht das Vorbringen der Klägerinnen im Widerspruch zu dem von der Kommission zusammengetragenen Beweismaterial, so dass es zurückzuweisen ist.

–       Zum behaupteten Fehlen eines gesonderten Nachweises hinsichtlich des Haupttatkomplexes

155    Die Klägerinnen machen geltend, dass ihnen lediglich der Haupttatkomplex zur Last gelegt worden sei. Ihre Beteiligung an dem die Aufteilung der Märkte und Kunden in Bezug auf Paraffinwachs betreffenden zweiten Tatkomplex und am Tatkomplex Paraffingatsch sei nicht festgestellt worden. Gleichwohl habe die Kommission ihnen auch die technischen Treffen zur Last gelegt, deren Inhalt nicht habe nachgewiesen werden können und die somit möglicherweise nur diese beiden letzten Tatkomplexe betroffen hätten.

156    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission über Beweise verfügt, die belegen, dass bei den technischen Treffen in der Regel zumindest eine Diskussion über die Preise für Paraffinwachs geführt wurde. Insbesondere hat Sasol in der Erklärung vom 12. Mai 2005 ausgeführt, dass die technischen Treffen im Allgemeinen zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten führten, da „Preiserhöhungen oder ‑ermäßigungen erörtert“ und Informationen zu den Bruttopreisen und zu Planungen hinsichtlich der Kapazitäten ausgetauscht wurden. Nach der Erklärung von Repsol vom 19. Mai 2005 wurde bei den technischen Treffen über die Höhe der von den Teilnehmern angewandten Preise diskutiert. Shell erklärte, dass es bei allen technischen Treffen um Preisfestsetzung gegangen sei (vgl. auch oben, Rn. 110 bis 112). Die Kommission hat in Rn. 107 der angefochtenen Entscheidung auf die fraglichen Erklärungen von Sasol, Repsol und Shell Bezug genommen, und diese waren den Klägerinnen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zugänglich gemacht worden.

157    Des Weiteren hat die Kommission in Rn. 240 der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass u. a. aus den Rn. 157, 163, 168, 174, 176 und 177 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, dass die beteiligten Unternehmen Mindestpreise festgesetzt und Preiserhöhungen vereinbart hätten. Überdies hat die Kommission in den Rn. 165 und 175 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Teilnehmer an diesen technischen Treffen sensible geschäftliche Informationen in Bezug auf Paraffinwachs, insbesondere zur Höhe der Preise, ausgetauscht hätten. Die vorstehend angeführten Randnummern beziehen sich auf technische Treffen, bei denen mindestens ein Vertreter der Klägerinnen anwesend war, und enthalten Zitate aus schriftlichen Beweisstücken aus dem Zeitraum der technischen Treffen, die den Austausch von Informationen über die Preise, die Absicht, die Preise zu erhöhen oder zu stabilisieren, und in einigen Fällen sogar vereinbarte Preiserhöhungen belegen. Sie werden durch Bezugnahmen auf die Unternehmenserklärungen ergänzt.

158    Somit ist dieses Vorbringen der Klägerinnen ebenfalls zurückzuweisen.

–       Schlussfolgerung zur Gesamtwürdigung der Beweise

159    In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die angefochtene Entscheidung insgesamt eine stichhaltige Beweisführung hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Klägerinnen für die Zuwiderhandlung enthält.

160    Die weiteren von den Klägerinnen vorgebrachten Argumente vermögen diese Schlussfolgerung nicht in Frage zu stellen.

161    Zum einen betreffen die alternativen Erklärungen der Klägerinnen jeweils ein bestimmtes technisches Treffen. Somit können sie keine plausible Alternativerklärung hinsichtlich der Gesamtheit der von der Kommission gesammelten Beweise darstellen, anhand deren sie das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung feststellen konnte.

162    Zum anderen bezieht sich die Argumentation der Klägerinnen großenteils darauf, dass es keine Vereinbarung zur Festlegung der Preise für Paraffinwachs gegeben haben soll. Diese Argumentation ist jedoch nicht stichhaltig.

163    Wie sich aus der oben in Rn. 76 angeführten Rechtsprechung ergibt, kann vom Abschluss einer Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG ausgegangen werden, wenn hinsichtlich der Wettbewerbsbeschränkung als solcher ein übereinstimmender Wille vorliegt, selbst wenn die einzelnen Bestandteile der beabsichtigten Beschränkung noch Gegenstand von Verhandlungen sind. Daher brauchte die Kommission für die Anwendung des Art. 81 EG im vorliegenden Fall nicht nachzuweisen, dass sich die Beteiligten tatsächlich auf bestimmte Preisniveaus oder auf besondere bezifferte Erhöhungsmaßnahmen geeinigt hatten. Es genügte der Nachweis eines übereinstimmenden Willens der Beteiligten, die Preise festzulegen oder abzustimmen. Indes haben die Klägerinnen kein spezifisches Argument vorgetragen, um die Erklärungen von Sasol, Repsol und Shell, wonach die technischen Treffen die Festlegung der Preise zum Ziel hatten, zu widerlegen.

164    Ferner verfügt die Kommission über eine Reihe unwiderleglicher Beweise, aus denen sich ergibt, dass die Beteiligten über einen Zeitraum von mehr als zwölf Jahren, der den Zeitraum der Beteiligung von H&R Wax Company Vertrieb und von Hansen & Rosenthal umfasste, bei technischen Treffen regelmäßig Informationen über ihre Preise und vorgesehene Erhöhungen austauschten. Die Klägerinnen haben dagegen keine schlüssigen Erklärungen für diese Aktivitäten vorgebracht, die der Feststellung der Kommission, dass die Festlegung der Preise gerade den Zweck dieser Praktiken darstellte, die Plausibilität nähme. Vielmehr stellt der lange Zeitraum, in dem systematisch wettbewerbswidrige Treffen, bei denen es um die Preise ging, abgehalten wurden, als solcher ein Indiz dafür dar, dass die Beteiligten das Ziel verfolgten, ihre Preispolitik aufeinander abzustimmen, indem sie bewusst eine gegenseitige Kooperation an die Stelle der Risiken des Marktes treten ließen.

165    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen insgesamt nicht geeignet ist, die Stichhaltigkeit der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Bewertung in Frage zu stellen. Im Folgenden wird das Gericht zum einen die Situation bei Beginn der Beteiligung der Klägerinnen am Kartell und zum anderen bestimmte technische Treffen prüfen, um die Ermittlung des Beginns und des Endes der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung durch die Kommission sowie die Feststellung, dass die fraglichen technischen Treffen tatsächlich den den Klägerinnen zur Last gelegten Haupttatkomplex betrafen, zu überprüfen.

 Zum Zeitpunkt des Beginns der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung

166    Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die Kommission den 1. Januar 2001 nicht als Datum des Beginns ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung habe festhalten dürfen. Das erste technische Treffen in dem ihnen angelasteten Zuwiderhandlungszeitraum habe am 21. Februar 2001 stattgefunden. Die Kommission habe ihnen die Zuwiderhandlung somit in rechtswidriger Weise zugerechnet. Die von der Kommission hierzu in der Klagebeantwortung gegebenen Erläuterungen stellten eine unzulässige verspätete Begründung dar.

167    Zunächst sind die relevanten Ereignisse, die der Aufnahme der Tätigkeit von Herrn G. und Herrn H. bei den Klägerinnen am 1. Januar 2001 vorausgingen, darzustellen. Dies ermöglicht es, zu überprüfen, ob diesen Personen der Haupttatkomplex (Abstimmung der Preise und Austausch sensibler Geschäftsinformationen in Bezug auf Paraffinwachs) bekannt war und ob die wettbewerbswidrigen Preisabsprachen das Wettbewerbsverhalten von H&R Wax Company Vertrieb ab diesem Zeitpunkt beeinflussen konnten.

168    Erstens ist hierzu auf die Antwort von Sasol vom 18. Dezember 2006 auf ein Auskunftsverlangen hinzuweisen, in dem Sasol erklärt hat:

„Was die Anfänge des Blauen Salons [von Sasol verwendete Bezeichnung für die technischen Treffen] betrifft, begannen diese Treffen als ‚deutscher Kreis‘ mit folgenden Teilnehmern: Deutsche Texaco AG (nunmehr Shell/DEA), HOS (nunmehr Sasol), Wintershall (deren Geschäftsbereich Paraffinwachse nunmehr bei Hansen & Rosenthal ist) und Arco (deren Geschäftsbereich Paraffinwachse später von HOS übernommen wurde). Zur damaligen Zeit war Wintershall eine Tochtergesellschaft der BASF. Wintershall wurde vertreten durch [Herrn W.], der zu den ‚Gründungsvätern‘ des Blauen Salons gehörte. Wintershall/BASF nahm regelmäßig an Treffen des Blauen Salons teil (vertreten durch [Herrn W.]) … Die (mittelbare) Beteiligung der BASF endete 1994, als der Geschäftsbereich Wachs von Wintershall von Hansen & Rosenthal (damals SRS) übernommen wurde. Ab diesem Zeitpunkt nahmen [Herr W. und Herr H.], der Sohn von [Herrn HA.] (dem Hauptaktionär von Hansen & Rosenthal), für Hansen & Rosenthal an den Treffen des Blauen Salons teil. Nach dem Ausscheiden von [Herrn W.] in den Ruhestand übernahm [Herr H.] gemeinsam mit [Herrn G.] die Rolle von [Herrn W.].“

169    Die Teilnahme von Herrn G., seine Rolle als Vertreter der Einheit „H&R/Tudapetrol“ bei den technischen Treffen und die Tatsache, dass er und Herr H. nach dem Ausscheiden von Herrn W. in den Ruhestand dessen Rolle übernahmen, wurden auch von Repsol, Shell und ExxonMobil bestätigt.

170    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass Tudapetrol, die Gesellschaft, die die Paraffinwachse der Klägerinnen bis zum 1. Mai 2000 vertrieb, ab dem 24. März 1994 an dem Kartell beteiligt war. Sie wurde bei den technischen Treffen durch ihren Angestellten Herrn W. und seit dem technischen Treffen vom 13. und 14. April 1999 auch durch Herrn H., der von 1997 bis 30. Juni 2002 in der Vertriebs- und Marketingabteilung von Tudapetrol beschäftigt war, vertreten. Die Beteiligung von Tudapetrol am Haupttatkomplex des Kartells ist für den Zeitraum vom 13. April 1999 bis zum Beginn der Beteiligung von H&R Wax Company Vertrieb (am 1. Januar 2001), in dem Herr H. regelmäßig an den technischen Treffen teilnahm, gut dokumentiert und wird in dem Urteil, das in der im Zusammenhang stehenden Rechtssache T‑550/08, Tudapetrol/Kommission, ergeht, eingehend geprüft.

171    Außerdem ergibt sich aus den Akten, dass Herr H. und Herr G. – Letzterer von 1994 bis 2001 als Produktmanager bei SRS, einer zur H&R-Gruppe gehörenden Gesellschaft, und beide ab 2001 als Verkaufsleiter bei H&R Wax Company Vertrieb – eng zusammenarbeiteten und die H&R-Gruppe bei den technischen Treffen gemeinsam vertraten.

172    Drittens sind die Beweismittel zu prüfen, die die Kommission zu dem technischen Treffen vom 27. und 28. Oktober 1999 in München (Deutschland) gesammelt hat (Rn. 156 der angefochtenen Entscheidung).

173    Hierzu besaß die Kommission einen Informationsvermerk von Sasol über das Treffen „Blauer Salon“ mit folgenden Angaben:

 

„Erhöhung

anwesend: Total

per 15/1.2000 + Ffr 2 300 = DM 6,85

anwesend: Repsol

 

anwesend: SRS-Tuda

per 10/1.2000

anwesend: DEA

per 17/1.2000 [lt. Herrn B. von Dea]

+ DM 8,50

anwesend: SCHS

per 15/1.2000

Mobil-Bp, F

 

nicht anwesend: MOL

per 1/2.2000 (alt DM 110,‒ flü ffr)

+ DM 6,‒  lt. [Herrn T.] 10/1

nicht anwesend: Mobil

 

[nicht anwesend] Esso, F

per 1/2.2000 + $ 40,‒ (lt. Herrn M. 19/1)

Kuwait, NL per? + DM 8,‒ (lt. Buchh [Buchhaltung])24/1)

generell für alle Industrien

‒ flüssig

+ DM 7-9,‒ % kg (keinesfalls weniger als DM 6,‒ )

‒ verpackt 

+ DM 11,‒ % kg“

174    In Rn. 156 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission diesen Vermerk unter Berücksichtigung der Erklärungen von Sasol wie folgt ausgelegt:

„Demnach verpflichten sich Total, Repsol, H&R/Tudapetrol (‚SRSTuda‘), DEA und Sasol zu Preiserhöhungen im Januar 2000… Total sollte die Preise am 15. Januar 2000 um 2 300 [französische Francs (FRF)], H&R/Tudapetrol am 10. Januar 2000, DEA am 17. Januar 2000 um 8,50 DEM und Sasol am 15. Januar 2000 erhöhen. Die nicht anwesenden Unternehmen sollten zum 1. Februar 2000 (MOL um 6 DEM und Esso um 40 USD) erhöhen, Kuwait zu einem unbekannten Termin um 8 DEM… Die drei letzten Angaben hat Sasol nach dem technischen Treffen durch bilaterale Kontakte erhalten und nach eigenen Angaben dem Dokument am 7. Dezember 1999 hinzugefügt… Dies geht aus dem Kürzel ‚lt‘ in Verbindung mit Namen und Datum hervor. Sasol hat die Vertreter dieser Unternehmen am genannten Tag angerufen und die Informationen über die Preiserhöhungen erhalten.“

175    Nach Überprüfung der Beweise zum fraglichen technischen Treffen ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission das Vorliegen einer Vereinbarung über die Festlegung der Preise in Bezug auf Paraffinwachs hinreichend nachgewiesen hat. Es ist festzustellen, dass Herr H., Verkaufsleiter bei H&R Wax Company Vertrieb seit dem 1. Januar 2001, bei diesem Treffen anwesend war. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass Herrn H. die wettbewerbswidrigen Absprachen, die zum Haupttatkomplex gehörten, seit dem 27. und 28. Oktober 1999 bekannt waren.

176    Viertens war Herr G. bei dem technischen Treffen vom 25. und 26. Mai 2000 in Hamburg (Deutschland) anwesend. Nach der Erklärung von Shell vom 24. November 2005 besprachen die Teilnehmer die gegenüber einem deutschen Kunden anzuwendenden Preise.

177    Somit musste der Haupttatkomplex auch Herrn G. vor der Aufnahme seiner Tätigkeit bei H&R Wax Company Vertrieb (am 1. Januar 2001) bekannt gewesen sein.

178    Nach den vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass der Haupttatkomplex sowohl Herrn H. als auch Herrn G. von der Aufnahme ihrer Tätigkeit bei H&R Wax Company Vertrieb an bekannt war. Sie verfügten über Informationen über das Funktionieren des Kartells, d. h. über die Vereinbarungen zur Festlegung der Preise für Paraffinwachs oder über die Mechanismen, durch die die Beteiligten bewusst eine praktische Zusammenarbeit zwischen ihnen an die Stelle der Risiken des Wettbewerbs treten ließen. Aufgrund der Leitungsaufgaben, die sie bei H&R Wax Company Vertrieb wahrnahmen, konnten Herr H. und Herr G. somit das Geschäftsverhalten von H&R Wax Company Vertrieb so beeinflussen, dass sich dieses Unternehmen seine Kenntnisse über das Kartell zunutze machen konnte.

179    Daher hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie den 1. Januar 2001 als Anfangsdatum der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung festhielt.

 Zum Vorbringen der Klägerinnen zu bestimmten technischen Treffen

180    Im Folgenden wird der Inhalt bestimmter technischer Treffen, die im Zeitraum der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung stattfanden, geprüft.

181    Als Erstes sind die technischen Treffen vom 22. und 23. Februar 2001 in Budapest (Rn. 161 der angefochtenen Entscheidung) und vom 26. und 27. April 2001 in München (Rn. 162 der angefochtenen Entscheidung) zu prüfen.

182    Zwar trifft es zu, dass es der Kommission nicht gelungen ist, den Inhalt dieser Treffen zu rekonstruieren, doch hat sie unabhängige Erklärungen von Repsol und Sasol herangezogen, nach denen diese technischen Treffen einen wettbewerbswidrigen Inhalt hatten.

183    Die Teilnahme von Herrn H. und Herrn G. an diesen technischen Treffen wird von der Kommission anhand von Beweisen, die im Anhang der angefochtenen Entscheidung genannt sind, belegt und im Übrigen von den Klägerinnen nicht bestritten.

184    Diese machen jedoch geltend, dass sich die Kommission nicht auf die Einstufung als „wettbewerbswidrig“, wie sie von den Unternehmen, die von der Kronzeugenregelung profitierten, getroffen worden sei, stützen dürfe und dass zudem kein Beweis dafür vorliege, dass es bei den genannten technischen Treffen um den ihnen zur Last gelegten Haupttatkomplex und nicht die Aufteilung von Kunden und Märkten (zweiter Tatkomplex) oder den Tatkomplex Paraffingatsch gegangen sei.

185    Hierzu genügt der Hinweis, dass die Kommission nach den übereinstimmenden Erklärungen von Shell, Repsol und Sasol (vgl. oben, Rn. 109 bis 112) annehmen durfte, dass die Preise für Paraffinwachs bei allen technischen Treffen mit dem allgemeinen Ziel, sich über ihre Höhe zu verständigen, besprochen wurden, mit anderen Worten, dass ein Teil jedes technischen Treffens dem Haupttatkomplex gewidmet war. Zudem ist diese Verhaltensweise, wie sie in den genannten Erklärungen geschildert ist, eindeutig wettbewerbswidrig, so dass die Klägerinnen kein stichhaltiges Argument daraus herleiten können, dass die Kommission in den Rn. 161 und 162 der angefochtenen Entscheidung lediglich festgestellt hat, dass die fraglichen technischen Treffen nach den genannten Erklärungen einen wettbewerbswidrigen Inhalt gehabt hätten.

186    Des Weiteren gehören die technischen Treffen vom 22. und 23. Februar 2001 und vom 26. und 27. April 2001 zu einer langen Reihe wettbewerbswidriger Treffen, die nach der angefochtenen Entscheidung eine fortgesetzte Zuwiderhandlung darstellen. Auch wenn die Klägerinnen das Bestehen eines Gesamtplans hinsichtlich des Haupttatkomplexes bestreiten, ist darauf hinzuweisen, dass sie keine detaillierten Argumente vorbringen, um diese Behauptung zu stützen, der jedenfalls sowohl die oben in den Rn. 110 bis 112 genannten übereinstimmenden Erklärungen als auch die umfangreichen von der Kommission zusammengetragenen schriftlichen Beweise, auf die in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird und anhand deren der fortgesetzte Charakter der Zuwiderhandlung hinreichend bewiesen wurde, entgegenstehen.

187    Zudem hat die Kommission ordnungsgemäß nachgewiesen, dass beim technischen Treffen vom 27. und 28. Oktober 1999, an dem Herr H. teilnahm, eine Vereinbarung zur Festlegung der Preise erzielt wurde, und dass beim technischen Treffen vom 25. und 26. Mai 2000 im Beisein von Herrn G. eine Vereinbarung über die Preise für Paraffinwachs gegenüber einem bestimmten Kunden getroffen wurde.

188    Daraus folgt, dass sowohl Herrn H. als auch Herrn G. der Haupttatkomplex vom 1. Januar 2001 an bekannt war und dass es nach den dem Gericht vorliegenden Beweisen bei jedem technischen Treffen zumindest zu Diskussionen über die Preise für Paraffinwachse kam.

189    Dass Herr H. und Herr G. an den technischen Treffen vom 22. und 23. Februar 2001 und vom 26. und 27. April 2001 teilnahmen, ohne sich offen von dem wettbewerbswidrigen Inhalt der vorangegangenen Treffen, an denen sie teilgenommen hatten, zu distanzieren, vermittelte zudem den anderen Teilnehmern den Eindruck, dass sie sich im Rahmen ihrer neuen Aufgaben, die sie seit dem 1. Januar 2001 bei H&R Wax Company Vertrieb wahrnahmen, weiterhin am Haupttatkomplex beteiligen würden.

190    In Anbetracht dieser Erwägungen ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie den Klägerinnen die technischen Treffen vom 22. und 23. Februar 2001 und vom 26. und 27. April 2001 zur Last gelegt hat.

191    Als Zweites ist das technische Treffen vom 26. und 27. Juni 2001 in Paris zu prüfen.

192    Die Klägerinnen bestreiten, an diesem Treffen teilgenommen zu haben. Die Kommission stütze sich ausschließlich auf eine von Sasol verfasste Notiz zum „Blauen Salon“ und auf eine ebenfalls in diese Richtung gehende Erklärung von Sasol, in denen die Anwesenheit von „SRS-Tuda“ erwähnt werde. Doch habe SRS zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existiert, und Tudapetrol habe ihr Paraffinwachsgeschäft bereits seit Langem aufgegeben. Die Glaubhaftigkeit dieser Notiz werde dadurch noch weiter in Frage gestellt, dass die Person, die sie verfasst habe, bei dem Treffen nicht anwesend gewesen sei und sich im Datum des Treffens geirrt habe. Dass die Klägerinnen bei diesen Treffen nicht anwesend gewesen seien, werde im Übrigen dadurch bestätigt, dass die Kommission keinen Reisekostennachweis der Klägerinnen vorgelegt habe.

193    Zum Inhalt der Gespräche, die bei dem fraglichen technischen Treffen stattfanden, tragen die Klägerinnen vor, dass die Notiz von Sasol lediglich persönliche Anmerkungen ihres Verfassers widerspiegle und nicht eine von allen Teilnehmern geschlossene Vereinbarung. Außerdem stellen sie die Erklärungen von Sasol und Repsol bezüglich des wettbewerbswidrigen Inhalts dieses Treffens in Frage.

194    Zunächst ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, mit dem ihre Anwesenheit bei diesem Treffen bestritten wird.

195    Die von Sasol verfasste Notiz zum „Blauen Salon“ enthält oben auf ihrer ersten Seite folgende Vermerke:

„29/6.01

SchS/Total/DEA/SRS-Tuda/Esso/Mobil-Exxon

,noʻ MOL = separate“

196    Darüber hinaus führte Sasol in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen der Kommission aus, dass „Herr [O.] die von [Herrn K.] übermittelten Ergebnisse des Treffens ‚Blauer Salon‘, das am 27. und 28. Juni 2001 stattfand, zusammengefasst hat“ und dass „Teilnehmer Sasol, Total, Dea, SRS‑Tuda (Vorgängerin von Hansen & Rosenthal) und ExxonMobil waren“.

197    Die Klägerinnen können aus der bloßen Bezeichnung „SRS-Tuda“ in der fraglichen Notiz zum „Blauen Salon“ keine stichhaltigen Argumente herleiten. Wie oben in Rn. 34 ausgeführt, war Herr H. ab 2001 und noch zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung gleichzeitig Komplementär von Tudapetrol und Vertriebsleiter bei H&R Wax Company Vertrieb, während Herr G. von 1999 bis 2000 gleichzeitig Produktmanager bei SRS und Verkaufsleiter bei Tudapetrol war. Daher sind die Gründe dafür, dass der Vertreter von Sasol die Bezeichnung „SRS-Tuda“ verwendet hat, anhand der angefochtenen Entscheidung völlig verständlich.

198    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass sowohl Herr H. als auch Herr G. am 27. und am 28. Juni 2001 für H&R Wax Company Vertrieb tätig waren und dass nach den Akten diese beiden natürlichen Personen die H&R und Tudapetrol-Gruppe bei den technischen Treffen im Zeitraum um den 27. und 28. Juni 2001 vertraten.

199    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Rn. 91 angeführten Rechtsprechung die lückenhaften und vereinzelten Beweiselemente, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können müssen, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen. Daher kann im vorliegenden Fall die bloße Tatsache, dass die Kommission keine Reisekostennachweise vorgelegt hat, angesichts der von ihr zusammengetragenen Beweismittel die Feststellung, dass die Klägerinnen bei dem fraglichen Treffen vertreten waren, nicht in Frage stellen.

200    Nach diesen Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerinnen, sie seien bei dem fraglichen Treffen nicht anwesend gewesen, zurückzuweisen.

201    Was ferner den Inhalt der bei diesem technischen Treffen geführten Gespräche betrifft, enthält die von Sasol verfasste Notiz zum „Blauen Salon“ folgende Bemerkungen:

„im Laufe Juli:

bei Spezialkunden … Preise kündigen zum frühestmöglichen Termin

 

Ende August

Alle Preise kündigen per 30/9.01.

 

per 1/10.01 + 7,- €“


202    Nach Rn. 163 der angefochtenen Entscheidung „[zeigt dies], dass die Unternehmensvertreter eine Erhöhung der Paraffinpreise… um 7 EUR zum 1. Oktober 2001 vereinbarten, der eine Kündigung aller bestehender Preisvereinbarungen beginnend in der zweiten Jahreshälfte und abgeschlossen bis zum 30. September … vorausgehen sollte“.

203    Die Klägerinnen können nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Antwort von Sasol vom 18. Dezember 2006 auf das Auskunftsverlangen der Kommission nicht im Sinne dieser Auslegung aufzufassen sei und nur persönliche Anmerkungen ihres Verfassers widerspiegle. Dieser Antwort zufolge „vermerkt [Herr O.] die Ergebnisse des Treffens im ‚Blauen Salon‘ vom [26. und 27.] Juni 2001“, und „[wurde] [ü]ber die Absicht, Preiserhöhungen vorzunehmen, … im Rahmen der im ‚Blauen Salon‘ erreichten Schlussfolgerungen berichtet“. Da in der Erklärung die Ergebnisse genannt werden, zu denen die Teilnehmer bei dem Treffen hinsichtlich einer Preiserhöhung gelangt sind, ist festzuhalten, dass die fragliche Erklärung das Bestehen einer Vereinbarung zur Festlegung der Preise belegt. Sasol hätte nämlich kein Interesse daran gehabt, ihre Situation dadurch zu verschlechtern, dass sie persönliche Eindrücke oder Vorschläge des Verfassers des Vermerks über den „Blauen Salon“ als die Ergebnisse darstellte, die die Teilnehmer bei dem technischen Treffen erzielt hatten.

204    Somit ist festzustellen, dass bei diesem Treffen eine Vereinbarung zur Abstimmung der Preise getroffen wurde, die den Klägerinnen von der Kommission zutreffend zur Last gelegt wurde, da sie bei dem Treffen anwesend waren und sich nicht davon distanziert haben.

205    Als Drittes ist das technische Treffen vom 21. und 22. Februar 2002 in Budapest (Rn. 165 der angefochtenen Entscheidung) zu prüfen.

206    Die Klägerinnen machen geltend, dass der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführte Vermerk von Eni kein Indiz dafür darstelle, dass bei diesem Treffen eine Preisabsprache stattgefunden habe.

207    Zum Inhalt des Vermerks von Eni hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung folgende Passage zitiert:

„Das in einem sehr offenen Gesprächsklima verlaufene Treffen hat ‒ auch unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den einzelnen Märkten und den verschiedenen Produkt- und Marketingstrategien ‒ bestätigt, dass die Einnahmen im Einklang mit den bereits von uns ergriffenen Maßnahmen weiter erhöht werden können. Wir können daher fortfahren, unsere Verträge und relativen Preise einer Überprüfung zu unterziehen, wovon naturgemäß unsere großen Kunden/Vertriebshändler von Paraffin betroffen sind.“

208    Der angefochtenen Entscheidung zufolge ist mit dem Inhalt dieses Vermerks nachgewiesen, dass sich die Teilnehmer mit dem Preisniveau befassten. Diese Auslegung ist zu bestätigen. Dass in dem Vermerk die Überprüfung der Preise als Maßnahme genannt ist, mit der im Licht der bei dem Treffen geführten Gespräche fortzufahren sei, zeigt, dass die Teilnehmer dort Informationen über die Preise ausgetauscht haben. Dies wird im Übrigen durch den Kronzeugenantrag von Shell vom 30. März 2005 bestätigt, in dem das fragliche technische Treffen in einer Liste aufgeführt ist, die mit „Überblick über die Treffen und Mitteilungen bezüglich der Preise“ („overview of meetings and communications concerning prices“) überschrieben ist.

209    Da die Klägerinnen bei diesem Treffen anwesend waren, ohne sich von seinem wettbewerbswidrigen Inhalt distanziert zu haben, hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie ihnen dieses technische Treffen zur Last gelegt hat.

210    Als Viertes ist das technische Treffen vom 27. und 28. Februar 2003 in München (Rn. 169 der angefochtenen Entscheidung) zu prüfen.

211    Die Kommission führt in der angefochtenen Entscheidung eine Erklärung von Sasol an, wonach „auf der Sitzung … die Notwendigkeit einer Preiserhöhung besprochen wurde“.

212    Die Klägerinnen meinen, dass eine solche Angabe keinen Beweis für ihre Beteiligung am Haupttatkomplex darstellen könne. Es sei nämlich nicht klar, ob es um den Preis für Paraffinwachse oder für Paraffingatsch gehe, und jedenfalls habe Sasol nicht angegeben, ob auch die Klägerinnen an diesen Gesprächen beteiligt gewesen seien.

213    Diesem Vorbringen der Klägerinnen ist nicht zu folgen.

214    Zum einen ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Kommission über Beweise verfügt, die belegen, dass bei den technischen Treffen im Allgemeinen zumindest ein Gespräch über die Preise für Paraffinwachs geführt wurde (vgl. oben, Rn. 110 bis 112).

215    Zum anderen trifft es zwar dazu, dass Sasol bei ihrer Schilderung des technischen Treffens vom 27. und 28. Februar 2003 in ihrer Erklärung vom 12. August 2005 nicht genauer ausgeführt hat, ob es sich um die Preise für Paraffinwachse handelt, jedoch lässt dieses Dokument insgesamt betrachtet keinen vernünftigen Zweifel daran, dass die Ausführungen von Sasol Paraffinwachse und nicht Paraffingatsch betrafen. In dieser Erklärung hat Sasol nämlich den Inhalt von sieben Treffen des „Blauen Salons“ geschildert und die von den Teilnehmern angewandte Erhöhungsmaßnahme bezeichnet, ohne jedoch das betroffene Produkt zu nennen. Indes war Hauptgegenstand der – von Sasol als Treffen im „Blauen Salon“ bezeichneten – technischen Treffen der Preis für Paraffinwachse. Zudem gab Sasol am Schluss der Schilderung der technischen Treffen an, dass die fraglichen Preiserhöhungen durch den Anstieg der Rohstoffpreise notwendig geworden seien. Aus Sicht von Sasol, die Paraffinwachse und nicht Paraffingatsch herstellte, bezeichnete der Ausdruck „Rohstoff“ aller Wahrscheinlichkeit nach Paraffingatsch, so dass die beschriebenen Preiserhöhungen Paraffinwachse betreffen mussten.

216    Im Übrigen hatten Shell und Repsol unabhängig voneinander bestätigt, dass dieses technische Treffen einen wettbewerbswidrigen Gegenstand hatte.

217    Sodann obliegt es nach der oben in den Rn. 125 und 126 angeführten Rechtsprechung einem Unternehmen, wenn seine Teilnahme an einem wettbewerbswidrigen Treffen erwiesen ist, nachzuweisen, dass es sich von dessen wettbewerbswidrigen Inhalt distanziert hat, was die Klägerinnen im vorliegenden Fall nicht getan haben.

218    In Anbetracht dessen ist entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen festzustellen, dass dieses Treffen unter den Haupttatkomplex fällt. Da die Klägerinnen daran teilgenommen haben, ohne sich von dessen wettbewerbswidrigem Inhalt zu distanzieren, hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie ihnen dieses technische Treffen zur Last gelegt hat.

219    Als Fünftes ist das technische Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 in Hamburg (Rn. 174 der angefochtenen Entscheidung) zu prüfen.

220    Hierzu enthält der handschriftliche Vermerk, der in den Geschäftsräumen von Total France gefunden wurde, folgende Angaben:

„->Sasol 40€/50$. – End of July.

->We: 38‒28.

->1ʼ July ‑

+ FRP: 70 -> 6 000 €/T

+ Te[a]light: 50 -> 500 €/T

+ Microwax: 25 -> 50 $/

-> 40 €/T Slack Wax“.

221    Die Klägerinnen machen geltend, dass dieser Vermerk nur eine einseitige Offenlegung der Preise durch Sasol betreffe.

222    Dieser von den Klägerinnen angeführten alternativen Auslegung widersprechen die Erklärungen der anderen Unternehmen, die an diesem technischen Treffen teilgenommen haben. Sasol hat angegeben, dass bei dem Treffen eine Preiserhöhung besprochen worden sei, und laut Shell ist es zu einer Einigung auf eine Preiserhöhung gekommen. Die Kommission zitiert in Rn. 174 der angefochtenen Entscheidung die Erklärung von Shell, die wie folgt lautet:

„Sasol drängte auf eine Preiserhöhung für Paraffinwachse. Auch wurde vereinbart, dass Sasol bei der Umsetzung die Vorreiterrolle übernehmen sollte. Die Preiserhöhung wurde zwischen dem 1. Juli 2004 … und dem 1. August 2004 wirksam.“

223    Des Weiteren gab Sasol in ihrer Erklärung vom 12. August 2005 an, dass „HOS [nunmehr Sasol] wegen drastisch gestiegener Rohstoffpreise einen ‚Kettenbrief‘ verschickte, in dem sie eine Preiserhöhung von fünf bis sieben Euro pro 100 kg am 14. Juni 2004 ankündigte …“ und dass „HOS am 29. Juni 2004 ein Schreiben von Hansen & Rosenthal erhielt, in dem die Erhöhung ihrer Preise von 5,20 auf 6,80 Euro pro 100 kg angekündigt wurde“.

224    Aus dieser Erklärung ergibt sich, dass Sasol ihre Preise um genau den Betrag erhöhen wollte, der in dem Vermerk von Total angegeben war, und dass daraufhin H&R ebenfalls ein Preiserhöhungsschreiben verschickte, in dem auf eine Erhöhungsmaßnahme hingewiesen wurde, die derjenigen von Sasol sehr ähnlich war.

225    Jedenfalls obliegt es nach der oben in den Rn. 125 und 126 angeführten Rechtsprechung einem Unternehmen, wenn seine Teilnahme an einem wettbewerbswidrigen Treffen erwiesen ist, nachzuweisen, dass es sich von dessen wettbewerbswidrigen Inhalt distanziert hat, was die Klägerinnen im vorliegenden Fall nicht getan haben.

226    Angesichts dessen ist festzustellen, dass die Kommission über hinreichende Beweise verfügte, um festzustellen, dass bei diesem Treffen eine Vereinbarung zur Festlegung der Preise erzielt wurde, und das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen. Somit hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie ihnen dieses technische Treffen zur Last legte.

227    Als Sechstes ist das technische Treffen vom 23. und 24. Februar 2005 in Hamburg (Rn. 177 der angefochtenen Entscheidung) zu prüfen.

228    Die Kommission zitiert in der angefochtenen Entscheidung einen Vermerk von MOL, der folgende Angaben enthält:

„ExxonMobil          IV.1 [= 1. April]          € 15/t“

„Shell                   Preis angehoben“

„Sasol                IV.12 [= 12. April]          Preiserhöhung“

229    Sasol hat eingeräumt, dass eine Diskussion über eine Preiserhöhung stattfand und dass sie den anderen Teilnehmern ihre eigene Preiserhöhung mitteilte. Die Klägerinnen räumten in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ebenfalls „eine Diskussion über die allgemeine Preisentwicklung …, in deren Verlauf Exxon und Sasol ihre unternehmensintern beschlossenen Preiserhöhungen offenlegten“, ein. Sowohl Shell als auch Sasol stuften dieses Treffen in den Erklärungen, auf die in der angefochtenen Entscheidung verwiesen wird, als kollusiv ein.

230    Im vorliegenden Verfahren haben die Klägerinnen geltend gemacht, dass H&R in dem Vermerk von MOL nicht erwähnt sei, und daraus geschlossen, dass sich H&R nicht an dem Informationsaustausch über die Preise beteiligt habe. Jedenfalls könne ein solcher Austausch mit Lieferbeziehungen zwischen den Kartellbeteiligten erklärt werden.

231    Dieses Vorbringen kann nicht durchgreifen. Der Austausch von Preisinformationen durch die Wettbewerber ergibt sich nämlich unzweifelhaft aus dem Vermerk von MOL, und die Erklärungen der Unternehmen beseitigen jeden vernünftigen Zweifel an der kollusiven Natur des fraglichen technischen Treffens. Zudem ergibt sich aus den von der Kommission zusammengetragenen Beweisen ebenfalls, dass es bei dem Treffen um den Haupttatkomplex ging.

232    Ist die Teilnahme eines Unternehmens an einem wettbewerbswidrigen Treffen erwiesen, obliegt es nach der oben in den Rn. 125 und 126 angeführten Rechtsprechung diesem Unternehmen, nachzuweisen, dass es sich von dem wettbewerbswidrigen Inhalt dieses Treffens distanziert hat, was die Klägerinnen im vorliegenden Fall nicht getan haben.

233    Was im Übrigen die von den Klägerinnen vorgetragene alternative Erklärung betrifft, genügt der Hinweis, dass nach den Erklärungen der Beteiligten, insbesondere von Shell, die Preise für Paraffinwachse, die Gegenstand von Überkreuzlieferungen zwischen den Beteiligten waren, nicht bei den technischen Treffen besprochen, sondern in bilateralen Verhandlungen zwischen den Unternehmen festgelegt wurden.

234    Daraus folgt, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie den Klägerinnen dieses technische Treffen zur Last gelegt hat.

235    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht angenommen hat, dass es sich bei der Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall um kollusive Absprachen zur Festlegung der Preise für Paraffinwachse handelte. Auch hat die Kommission hinreichend nachgewiesen, dass die Beteiligten bei einigen Treffen Vereinbarungen über die Festlegung der Preise trafen. Dass H&R Wax Company Vertrieb im Zeitraum ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung bei allen technischen Treffen anwesend war, rechtfertigt die Feststellung der Kommission, dass sie für diese wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen verantwortlich ist.      

236    Demzufolge ist die Feststellung der Kommission, dass sich die Klägerinnen vom 1. Januar 2001 bis zum 28. April 2005 am Haupttatkomplex beteiligt haben, zu bestätigen und der zweite Teil des zweiten Klagegrundes entsprechend zurückzuweisen.

 Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Fehlen eines gemeinsamen Ziels

237    Die Klägerinnen machen geltend, sie hätten das im Rahmen der Zuwiderhandlung verfolgte Ziel nicht mit den anderen am Kartell beteiligten Unternehmen teilen und sich nicht an einem gemeinsamen Gesamtplan beteiligen können. Die Kommission habe insoweit die in der Rechtsprechung aufgestellten Beweisanforderungen nicht erfüllt.

238    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „einheitliche Zuwiderhandlung“ eine Situation erfasst, in der sich mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung beteiligt haben, die aus einem kontinuierlichen Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder aber an anderen einzelnen Zuwiderhandlungen, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (ein und dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der betreffenden Unternehmen, die sich der Beteiligung im Hinblick auf den gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren (Urteile des Gerichts BPB/Kommission, oben in Rn. 84 angeführt, Rn. 257, und vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, Slg. 2010, II‑1255, Rn. 89).

239    Ferner kann sich ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen könnten. Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Rn. 61 angeführt, Rn. 258).

240    Außerdem kann sich nach ständiger Rechtsprechung der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung auf die rechtliche Einstufung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens beziehen, das aus Vereinbarungen, aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen und Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen besteht (Urteile des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Rn. 696 bis 698, und vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T‑101/05 und T‑111/05, Slg. 2007, II‑4949, Rn. 159).

241    In Rn. 267 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission hierzu fest:

„In dieser Sache stellt das betreffende Verhalten eine einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen dar. Die technischen Treffen, die aufgrund dieser Zusammenkünfte getroffenen Absprachen, die (versuchte) Umsetzung durch (die Ankündigung von) Preiserhöhungen, – bei einigen Unternehmen – der Verzicht auf die Abwerbung von Kunden anderer Wettbewerber, das mangelnde Engagement auf gewissen Märkten und die Überwachung durch den Austausch von Preisschreiben waren Teil einer ganzen Reihe von Bemühungen, die aus einem Komplex geheimer Absprachen, spezifischer Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen bestanden. Es wurde festgestellt, dass die in Frage stehenden Absprachen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen Teil eines Gesamtplans waren, in dem die Grundzüge des Verhaltens der teilnehmenden Unternehmen auf dem Markt vorgegeben und das unternehmerische Verhalten der einzelnen Unternehmen eingeschränkt wurde. Der gemeinsame Gesamtplan, das einheitliche wettbewerbswidrige Ziel und das gemeinsame unternehmerische Ziel dieser Bemühungen bestanden darin, den Preiswettbewerb zu verringern und zu verhindern, Preise unter Vereinbarung von Mindestpreisen und Preiserhöhungen zu stabilisieren oder anzuheben, und – bei einigen Unternehmen – die bestehenden Kundenbeziehungen und bestimmte Märkte zu sichern. Insgesamt war das Ziel der Bemühungen, den Wettbewerbsdruck erheblich zu verringern oder völlig auszuschalten, um höhere Gewinne in der Absicht zu erzielen, schließlich die Erträge zu stabilisieren oder zu steigern. Die genannten Verhaltensweisen bewirkten daher durch die Aufteilung von Kunden und Märkten eine erhebliche Verringerung und Verfälschung des Wettbewerbs durch Verfälschung der normalen Preisbewegungen auf dem Markt für Paraffinwachse sowie – bei den in Randnummer 2 genannten Unternehmen – für Paraffingatsch im EWR.“

242    Nach den Erklärungen von Shell, Repsol und Sasol wurde bei den technischen Treffen über die Preise für Paraffinwachs mit dem allgemeinen Ziel gesprochen, sich über ihre Höhe zu verständigen. Außerdem erklärten diese Unternehmen, dass sich die Teilnehmer bei mehreren technischen Treffen tatsächlich auf Mindestpreise oder Preiserhöhungen, manchmal sogar auf die Maßnahmen zur Erhöhung geeinigt hätten (vgl. oben, Rn. 110 bis 112).

243    Zudem erklärte Shell, dass mit den wettbewerbswidrigen Vereinbarungen – naturgemäß – bezweckt und bewirkt worden sei, ein künstlich erhöhtes Preisniveau für Paraffinwachs zu erzielen oder aufrechtzuerhalten. Somit betrafen die Preisabsprachen im Wesentlichen die Kunden der Beteiligten, die Paraffinwachse kauften.

244    Die Klägerinnen machen erstens geltend, dass sie sich weder am die Aufteilung der Märkte und der Kunden betreffenden Haupttatkomplex noch am Tatkomplex Paraffingatsch beteiligt hätten. Dies schließe ihre Beteiligung an einem Gesamtplan aus.

245    Hierzu genügt der Hinweis auf die Rechtsprechung, nach der sich die Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG notwendigerweise aus einem Zusammenwirken mehrerer Unternehmen ergeben, die zwar alle Mittäter an der Zuwiderhandlung sind, deren Beteiligung aber insbesondere gemäß den Merkmalen des betroffenen Marktes und der Stellung des einzelnen Unternehmens auf diesem Markt, den verfolgten Zielen und der gewählten oder vorgesehenen Art und Weise der Durchführung verschiedene Formen aufweisen kann. Die Verantwortung des einzelnen Unternehmens für die Gesamtzuwiderhandlung einschließlich des Verhaltens, das zwar von anderen beteiligten Unternehmen an den Tag gelegt worden ist, aber dieselbe wettbewerbswidrige Bestimmung oder Wirkung hat, kann nicht schon allein deshalb ausgeschlossen sein, weil jedes Unternehmen sich auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Rn. 77 angeführt, Rn. 79 und 80).

246    Dass sich die Klägerinnen nicht an dem die Aufteilung der Märkte und der Kunden betreffenden Tatkomplex und am Tatkomplex Paraffingatsch beteiligt haben, kann nach dieser Rechtsprechung keineswegs ausschließen, dass sie das mit dem Kartell angestrebte allgemeine Ziel, den Wettbewerbsdruck zu verringern oder sogar zu beseitigen, um letztlich höhere Gewinne auf dem Markt für Paraffinwachs zu erzielen, teilten. Diesem Ziel dienen die „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die darauf abzielten, … Preise festzusetzen, kommerziell empfindliche Informationen auszutauschen und offenzulegen“, die den in Bezug auf die Klägerinnen festgestellten Haupttatkomplex bilden, im Übrigen ausgesprochen gut.

247    Zweitens machen die Klägerinnen geltend, dass Shell und Sasol ihnen gegenüber ein aggressives Marktverhalten gezeigt hätten, das darauf gerichtet gewesen sei, die Etablierung von H&R auf dem Markt zu verhindern und deren auf den Kunden P. entfallende Marktanteile zu erlangen. Aus den Erklärungen dieser beiden Unternehmen ergebe sich, dass diese sich außerhalb der technischen Treffen im Geheimen gegen die Klägerinnen abgesprochen hätten, ohne dass die Klägerinnen davon erfahren hätten. Ihre Stellung als Opfer des Kartells schließe einen gemeinsamen Gesamtplan aus.

248    Die geheime Absprache zwischen Sasol und Shell am Rande der multilateralen Gespräche fällt weder unter die den Klägerinnen zur Last gelegte Zuwiderhandlung, noch schließt sie aus, dass die Klägerinnen das allgemeine Ziel teilten, den Wettbewerbsdruck zu verringern oder sogar zu beseitigen, um letztlich höhere Gewinne auf dem Markt für Paraffinwachs zu erzielen.

249    Außerdem hat das Gericht bereits entschieden, dass, selbst wenn als erwiesen unterstellt wird, dass es einigen Teilnehmern des Kartells gelang, andere Teilnehmer durch Übermittlung unrichtiger Informationen zu täuschen und das Kartell zu ihrem Vorteil auszunutzen, indem sie sich nicht an die Absprache hielten, die begangene Zuwiderhandlung dadurch nicht ungeschehen gemacht wird (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, Knauf Gips/Kommission, T‑52/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 201, vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 74).

250    Somit ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

251    Drittens tragen die Klägerinnen vor, dass sie mangels eigener Produktionskapazitäten Paraffingatsch von den anderen Beteiligten, u. a. von Shell, hätten kaufen müssen. Zudem hätten sie bei produktionsbedingten Lieferengpässen Paraffin bei Wettbewerbern eingekauft.

252    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Erklärung von Shell vom 14. Juni 2006 zufolge die bei den technischen Treffen vereinbarten Erhöhungen der Paraffingatschpreise nicht auf die Beteiligten, sondern nur auf die Endkunden angewandt wurden.

253    Somit wurde das gemeinsame Ziel, auf den Märkten für Paraffinwachs über dem Wettbewerbsniveau liegende Gewinne zu erzielen – auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Paraffingatsch betreffende Teil der Zuwiderhandlung nur die deutschen Endkunden betraf und nicht die Hersteller von Paraffinwachs, die Paraffingatsch als Rohstoff benutzten – nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Klägerinnen bei anderen Beteiligten Paraffingatsch einkauften.

254    Ebenso wenig beeinträchtigten die Überkreuzlieferungen von Paraffinwachs zwischen den Lieferanten das gemeinsame Ziel.

255    Hierzu hat Shell erklärt, dass alle Unternehmen sich bei kurzfristigen Lieferengpässen gegenseitig Paraffinwachs verkauft hätten. Jedoch hätten die Beteiligten im Rahmen dieser Überkreuzlieferungsbeziehungen „spot prices“ (Spotpreise) angewandt. Es habe keine langfristigen Lieferungen gegeben, so dass die Preise nicht für bestimmte Zeiträume ausgehandelt und festgelegt worden seien.

256    Daraus ergibt sich, dass die bei den technischen Treffen erzielten multilateralen Preisabsprachen die Beteiligten im Rahmen der Überkreuzlieferungen nicht unbedingt betrafen. Außerdem hätten sich, selbst wenn unterstellt wird, dass die über dem Wettbewerbsniveau liegenden Preise, die sich aus dem Kartell möglicherweise ergeben hätten, auf die Überkreuzlieferungen zwischen den Beteiligten angewandt wurden, dadurch die erwarteten Gewinne aus dem Kartell nicht verringert. Die auf diese Weise eingekauften Paraffinwachse – deren Mengen im Verhältnis zur eigenen Produktion der Beteiligten zwangsläufig unbedeutend waren – sollten nämlich zu ebenfalls von dem Funktionieren des Kartells beeinflussten Preisen an die Kunden weiterverkauft werden. Jedenfalls haben weder die Klägerinnen noch die anderen Kartellbeteiligten behauptet, dass die Paraffinwachse, die sie im Rahmen von Überkreuzlieferungen von anderen Beteiligten kauften, mit Verlust an die Kunden weiterverkauft worden wären. Somit hinderten die Überkreuzlieferungen die Beteiligten nicht daran, durch den Verkauf von Paraffinwachsen aus ihrer Produktion über dem Wettbewerbsniveau liegende Gewinne anzustreben, und waren nicht geeignet, den Gewinn, der so erzielt werden konnte, zu verringern. Zudem konnten im Rahmen von Überkreuzlieferungen zwischen den Lieferanten die möglichen Nachteile, die sich aus dem Kauf von Paraffinwachs zu einem über dem Wettbewerbsniveau liegenden Preis ergaben, bereits durch den Verkauf von Paraffinwachs an die anderen Beteiligten zu einem anderen Zeitpunkt zu einem ebenfalls von dem Kartell beeinflussten Preis entfallen.

257    Daher weisen die Klägerinnen durch dieses Vorbringen nicht nach, dass sie das gemeinsame Ziel der Zuwiderhandlung nicht hätten teilen können.

258    Viertens tragen die Klägerinnen vor, dass ihnen, als sie einige Jahre nach den anderen Beteiligten in den fraglichen Markt eingetreten seien, keine wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bekannt gewesen seien. Sie seien erst mit dem Beginn des Verfahrens der Kommission über diese Absprachen informiert worden.

259    Dieses Vorbringen ist in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. Wie sich aus der oben in den Rn. 167 ff. dargelegten Prüfung ergibt, mussten sich sowohl Herr H. als auch Herr G. ab der Aufnahme ihrer Tätigkeit bei H&R Wax Company Vertrieb am 1. Januar 2001, dem Zeitpunkt des Beginns der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung, des Haupttatkomplexes bewusst gewesen sein. Außerdem war die Produktion von SRS, einer Tochtergesellschaft von H&R ChemPharm, an der Hansen & Rosenthal beteiligt war, durch die Beteiligung von Tudapetrol am Kartell seit 1994 in das Kartell verwickelt.

260    Fünftens erklären die Klägerinnen, dass sie kein Interesse an einer Beteiligung an den fraglichen Absprachen gehabt hätten, da sich ihre Strategie auf insbesondere für medizinische und Lebensmittelzwecke verwendete Spezialprodukte konzentriert habe, deren Preisniveau doppelt so hoch sei wie bei Standardqualitäten. Die von der Kommission getroffenen Feststellungen beträfen jedoch ausschließlich diese Standardqualitäten.

261    Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Wie sich aus der in den Rn. 151 und 153 dargestellten Prüfung ergibt, waren sich die Beteiligten bei den technischen Treffen allgemein darin einig, dass die Preise für alle Arten von Paraffinwachs um den gleichen Betrag oder den gleichen Prozentsatz erhöht werden sollten. Zudem ergibt sich aus den Akten, dass auch Paraffinspezialitäten von den Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen bezüglich der Preise erfasst waren.

262    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen ist.

 Zum dritten Teil des zweiten Klagegrundes: Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG auf den Informationsaustausch im Rahmen der technischen Treffen

263    Die Klägerinnen machen geltend, der Informationsaustausch über die Preise habe nur auf den Abschluss einer Vereinbarung über die auf die Lieferung von Paraffinwachsen zwischen ihnen und ihrem Lieferanten oder Kunden anwendbaren Preise gezielt. Die in den Schreiben angekündigten Preiserhöhungen hätten nicht der Überwachung von Preiserhöhungen gedient, sondern seien Bestandteil von Lieferbeziehungen zwischen den Beteiligten gewesen. Lieferverträge zwischen Wettbewerbern seien nämlich zulässig, wenn sie keine wettbewerbsbeschränkenden Klauseln enthielten. Die Lieferbeziehungen hätten Effizienzgewinne, Kosteneinsparungen, insbesondere aus Synergieeffekten, Skalen- und Verbundvorteilen und Qualitätsverbesserungen erzeugt. Diese Gesichtspunkte seien als Faktoren, die mögliche Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Art. 81 Abs. 3 EG ausgleichen könnten, zu berücksichtigen. Diese Vorteile seien an die Kunden weitergegeben worden, die von einer hohen Versorgungssicherheit und niedrigen Preisen, die Effizienzgewinne darstellten, profitiert hätten. Die Beteiligten hätten keine Wettbewerbsbeschränkungen auferlegt, die nicht zur Erzielung der Effizienzgewinne unerlässlich gewesen seien, weil diese anders als durch Lieferungen zwischen den Herstellern und Offenlegung der Preise nicht in diesem Maß hätten verwirklicht werden können.

264    Dieses Vorbringen der Klägerinnen kann keinen Erfolg haben.

265    Erstens steht dieser Auslegung der Klägerinnen die erdrückende Menge der von der Kommission zusammengetragenen Beweise entgegen, die wettbewerbswidrige Absprachen belegen, mit denen eine Erhöhung der Preise oder ihre Erhaltung auf einem künstlich hohen Niveau erreicht werden sollte, was als solches besonders schädlich für die Kunden ist.

266    Zweitens erklären die Klägerinnen in keiner Weise, warum die Überkreuzlieferungen multilaterale Abstimmungen der Preise, insbesondere Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen zur Erhöhung der Preise, und zwar völlig unabhängig von einem möglichen Bedarf an Überkreuzlieferungen, erfordert haben sollen. Diese Überkreuzlieferungen hätten nämlich ohne Weiteres auf Preisanfrage in einem bilateralen Kontext verwirklicht werden können.

267    Da die Bedingung, keine Wettbewerbsbeschränkungen aufzuerlegen, die nicht zur Erzielung von Effizienzgewinnen unerlässlich sind, nicht erfüllt ist, ist der dritte Teil des zweiten Klagegrundes ohne Prüfung der übrigen Argumente der Klägerinnen zurückzuweisen.

 Zum vierten Teil des zweiten Klagegrundes: fehlende Beteiligung an einem Austausch wirtschaftlich sensibler Informationen

268    Die Klägerinnen machen geltend, die während der technischen Treffen ausgetauschten Informationen seien öffentlich zugänglich gewesen, so dass auch „der Austausch von wirtschaftlich sensiblen Informationen“ nicht hätte in Betracht gezogen werden dürfen. Somit hätten sie keine Zuwiderhandlung begangen.

269    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der den Klägerinnen zur Last gelegte Haupttatkomplex in „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestand, die darauf abzielten, … Preise festzusetzen, kommerziell empfindliche Informationen auszutauschen und offenzulegen“. Die Beteiligung der Klägerinnen an Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen, die auf die Festsetzung der Preise abzielten, wurde im Rahmen der Prüfung des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes eingehend nachgewiesen. Dieser Aspekt rechtfertigte für sich genommen die Einstufung der Zuwiderhandlung als „sehr schwer“ und damit die verhängte Geldbuße. Überdies implizierten diese Verhaltensweisen auch einen Austausch wirtschaftlich sensibler Informationen, nämlich von Informationen zu den Preisen für Paraffinwachse. Somit greift der vorliegende Teil des Klagegrundes nicht durch.

270    Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den Akten ergibt, dass die von den Klägerinnen erwähnten öffentlich zugänglichen Informationen (u. a. aus den Veröffentlichungen Wax Data und Oil & Gas Journal, Letztere mit einer Übersichtskarte der weltweiten Grundölraffinerien 2007) im Allgemeinen aus Schätzungen und aggregierten Zahlen bestehen und weniger detailliert und aktuell sind als die bei den technischen Treffen ausgetauschten Informationen.

271    Daher ist auch der vierte Teil des zweiten Klagegrundes und somit dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

3.     Zum dritten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Anwendung der Leitlinien von 2006

272    Mit dem dritten Klagegrund, den sie hilfsweise geltend machen, tragen die Klägerinnen vor, dass die Kommission zu Unrecht die Leitlinien von 2006 angewandt habe, obwohl die Zuwiderhandlung am 28. April 2005 beendet worden sei. Nach ihrer Ansicht hätte die Kommission die Höhe der Geldbuße nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998), berechnen müssen, deren Anwendung zu einem erheblich niedrigeren Betrag der Geldbuße geführt hätte. Die Kommission habe daher gegen den Legalitätsgrundsatz und das Rückwirkungsverbot verstoßen.

273    Was erstens den Verstoß gegen den Legalitätsgrundsatz betrifft, machen die Klägerinnen geltend, dass die Verhängung einer Sanktion eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage erfordere. Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 stelle jedoch wegen seiner Unbestimmtheit und weil er der Kommission einen zu weiten Ermessensspielraum einräume, keine solche Grundlage dar. Somit genüge die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung nicht den Anforderungen des Legalitätsgrundsatzes.

274    Das Gericht hat derartige Argumente bereits geprüft und zurückgewiesen.

275    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Argument der Klägerinnen, es fehle eine „hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage“, dahin zu verstehen ist, dass sie sich auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Delikten und Sanktionen (nullum crimen, nulla poena sine lege) berufen, wie er in Art. 49 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist. Dieser Grundsatz verlangt, dass eine unionsrechtliche Regelung die Zuwiderhandlungen und die Sanktionen klar definiert (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. März 2011, ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, C‑352/09 P, Slg. 2011, I‑2359, Rn. 80).

276    Außerdem verfügt die Kommission nach der Rechtsprechung beim Erlass von Entscheidungen, mit denen wegen der Beteiligung an rechtswidrigen Kartellen Geldbußen verhängt werden, nicht über ein unbegrenztes Ermessen bei der Festlegung des Betrags einer solchen Geldbuße, da die geltenden Vorschriften eine Obergrenze der Geldbußen anhand des Umsatzes der betreffenden Unternehmen, d. h. anhand eines objektiven Kriteriums, vorsehen. Auch wenn es somit keine für alle Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln geltende absolute Obergrenze gibt, besteht für die mögliche Geldbuße doch eine bezifferbare und absolute Obergrenze, die bei jedem Unternehmen für jeden Fall der Zuwiderhandlung in einer Weise berechnet wird, bei der der Höchstbetrag der möglichen Geldbuße im Voraus bestimmbar ist (Urteile des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Rn. 74 bis 76, und vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T‑69/04, Slg. 2008, II‑2567, Rn. 35 und 36).

277    Zwar belassen die in Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 genannten Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung der Kommission ein weites Ermessen, jedoch handelt es sich um Kriterien, die von anderen Gesetzgebern bei vergleichbaren Bestimmungen herangezogen wurden und die es der Kommission erlauben, Sanktionen unter Berücksichtigung des Grades der Rechtswidrigkeit des fraglichen Verhaltens zu verhängen (Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 276 angeführt, Rn. 76, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 276 angeführt, Rn. 37).

278    Außerdem hatte die Kommission bei der Festsetzung von Geldbußen wie den hier in Rede stehenden die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichts und des Gerichtshofs zu beachten. Die Verwaltungspraxis der Kommission unterliegt ebenfalls der unbeschränkten Kontrolle durch den Unionsrichter. Gerade diese Kontrolle hat es ermöglicht, durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung etwaige unbestimmte Begriffe in Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu präzisieren (Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 276 angeführt, Rn. 77 und 79, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 276 angeführt, Rn. 41).

279    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Wettbewerbsrecht, auch wenn es gewiss einen gleichsam strafrechtlichen Charakter aufweist, nicht zum Kernbereich des Strafrechts gehört. Indes finden die in den Art. 6 und 7 EMRK verankerten strafrechtlichen Garantien außerhalb des „harten Kerns“ des Strafrechts nicht unbedingt in ihrer ganzen Konsequenz Anwendung (vgl. in diesem Sinne EGMR, Urteil Jussila/Finnland vom 23. November 2006, Recueil des arrêts et décisions, 2006-XIV, § 43). Diese Rechtsprechung ist auf die entsprechenden Bestimmungen des Art. 49 der Grundrechtecharta zu übertragen.

280    In diesem Zusammenhang ist außerdem zu bemerken, dass im Bereich des Wettbewerbsrechts anders als im Strafrecht sowohl die Vorteile aus rechtswidrigen Verhaltensweisen als auch die wegen dieser verhängten Sanktionen rein finanzieller Natur sind, ebenso wie die Motivation der Zuwiderhandelnden, die im Übrigen bei ihrem Verhalten einer wirtschaftlichen Logik folgen. Daher hätte die mehr oder weniger genaue Vorhersehbarkeit der Höhe der wegen der Beteiligung an einem rechtswidrigen Kartell zu verhängenden Geldbuße erheblich nachteilige Auswirkungen auf die Effizienz der Wettbewerbspolitik der Union, da Unternehmen, die Zuwiderhandlungen begehen, unmittelbar Kosten und Nutzen ihrer illegalen Tätigkeiten vergleichen sowie die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung berücksichtigen und so versuchen könnten, die Profitabilität dieser Tätigkeiten sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 276 angeführt, Rn. 83, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 276 angeführt, Rn. 45).

281    Nach den vorstehenden Erwägungen ist davon auszugehen, dass Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 ein Mittel darstellt, das es der Kommission erlaubt, die Wettbewerbspolitik der Union mit der notwendigen Wirksamkeit umzusetzen, und gleichzeitig eine hinreichend klare und bestimmte Rechtsgrundlage für den Erlass von Entscheidungen, mit denen Geldbußen gegen Kartellbeteiligte verhängt werden. Daher ist die hierzu von den Klägerinnen geltend gemachte Rüge zurückzuweisen.

282    Zweitens machen die Klägerinnen geltend, dass die Anwendung der Leitlinien von 2006 zu einer erheblichen Erhöhung des Betrags der Geldbuße im Vergleich zu einer Berechnung nach den Leitlinien von 1998 geführt habe. Die Kommission habe für die Klägerinnen den zunächst auf der Grundlage des Umsatzes und der Schwere des Verstoßes ermittelten Betrag wegen der Dauer der Zuwiderhandlung von viereinhalb Jahren um 450 % angehoben. Nach den Leitlinien von 1998 wäre der Betrag jedoch nur um 45 % angehoben worden. Darüber hinaus habe die Kommission auch die in Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 vorgesehene „Eintrittsgebühr“ erhoben.

283    Die Klägerinnen halten ein solches Vorgehen im Bereich des Wettbewerbsrechts, das gleichsam strafrechtlicher Natur sei, für nicht hinnehmbar. Sie verweisen auf Art. 7 EMRK und Art. 49 der Charta der Grundrechte, nach denen es im strafrechtlichen Bereich verboten sei, eine härtere Strafe zu verhängen als diejenige, die zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung anwendbar gewesen sei. Daher habe die Kommission gegen das im Strafrecht geltende Rückwirkungsverbot verstoßen.

284    Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert ist, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 1/2003 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union zu sichern. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union verlangt nämlich, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteile des Gerichtshofs Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Rn. 57 angeführt, Rn. 109, vom 2. Oktober 2003, Aristrain/Kommission, C‑196/99 P, Slg. 2003, I‑11005, Rn. 81, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 169).

285    Die der Kommission durch die Art. 81 EG und 82 EG übertragene Überwachungsaufgabe umfasst nämlich nicht nur die Pflicht, einzelne Zuwiderhandlungen zu ermitteln und zu ahnden, sondern auch den Auftrag, eine allgemeine Politik mit dem Ziel zu verfolgen, die im Vertrag niedergelegten Grundsätze auf das Wettbewerbsrecht anzuwenden und das Verhalten der Unternehmen in diesem Sinne zu lenken (Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Rn. 57 angeführt, Rn. 105, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 170).

286    Die betreffenden Unternehmen müssen sich folglich dessen bewusst sein, dass die Kommission jederzeit beschließen kann, das Niveau der Geldbußen gegenüber dem in der Vergangenheit praktizierten Niveau anzuheben. Das gilt nicht nur dann, wenn die Kommission das Niveau der Geldbußen durch die Verhängung von Geldbußen in Einzelentscheidungen anhebt, sondern auch dann, wenn diese Anhebung dadurch erfolgt, dass Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung wie die Leitlinien auf konkrete Fälle angewandt werden (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 229 und 230).

287    Somit war die Ersetzung der Leitlinien von 1998 durch eine in den Leitlinien von 2006 enthaltene neue Methode für die Berechnung der Geldbußen, falls sie sich verschärfend auf die Höhe der Geldbußen ausgewirkt haben sollte, für die Kartellbeteiligten in der Zeit der Umsetzung des Kartells hinreichend vorhersehbar. Außerdem finden die in Art. 6 und 7 EMRK sowie Art. 49 der Charta der Grundrechte verankerten strafrechtlichen Garantien nach der oben in Rn. 279 angeführten Rechtsprechung und aufgrund der oben in Rn. 280 dargelegten praktischen Erwägungen im Bereich des Wettbewerbsrechts nicht unbedingt in ihrer ganzen Konsequenz Anwendung. Jedenfalls wurde der Höchstbetrag der Geldbuße, der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, der den einzigen anwendbaren Rechtsrahmen darstellt, vorgesehen ist, durch die Einführung neuer Leitlinien nicht geändert. Die Kommission hat daher, indem sie in der angefochtenen Entscheidung die Leitlinien von 2006 auf vor deren Erlass begangene Zuwiderhandlungen angewandt hat, nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 231 und 232).

288    Schließlich, wäre die Kommission verpflichtet, die Leitlinien anzuwenden, die zu der Zeit in Kraft waren, zu der die Zuwiderhandlung, die sich im vorliegenden Fall über 13 Jahre erstreckte, begangen wurde, würde das in der oben in Rn. 284 angeführten Rechtsprechung anerkannte Recht der Kommission ausgehöhlt, die Methoden für die Berechnung der Geldbuße im Hinblick auf ihre Verpflichtung zur wirksamen Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union anzupassen.

289    Daraus folgt, dass die zweite Rüge der Klägerinnen ebenfalls und damit der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen ist.

4.     Zum vierten Klagegrund: fehlerhafte Berechnung des Umsatzes der Klägerinnen für die Jahre 2002 bis 2004

290    Hilfsweise gegenüber dem ersten und dem zweiten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, dass sie in den Jahren 2002 bis 2004 mit Paraffinwachsen lediglich einen Umsatz von 18,97 Mio. Euro erzielt hätten. Die Kommission habe jedoch bei der Berechnung der Geldbuße einen Umsatz von 26 Mio. Euro zugrunde gelegt (Rn. 640 der angefochtenen Entscheidung). Sie beantragen daher, den Umsatz neu zu berechnen, und die Geldbuße herabzusetzen.

 Vorbemerkungen

291    Nach Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 stellt die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer eine Formel dar, die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt.

292    Nach den Ziff. 15 und 16 der Leitlinien von 2006 bestimmt die Kommission den Umsatz eines Unternehmens mittels der zuverlässigsten Daten, die von diesem Unternehmen verfügbar sind. Sind die von einem Unternehmen zur Verfügung gestellten Daten unvollständig oder unzuverlässig, kann die Kommission den Umsatz mittels der erhaltenen Teildaten oder jeder anderen von ihr als einschlägig oder geeignet erachteten Information bestimmen.

293    Nach der Rechtsprechung ist die aus dem Erlass der Leitlinien resultierende Selbstbeschränkung des Ermessens der Kommission nämlich nicht unvereinbar mit dem Fortbestand eines erheblichen Ermessens der Kommission. Die Leitlinien enthalten verschiedene Spielräume, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit den Vorschriften der Verordnung Nr. 1/2003 in ihrer Auslegung durch den Unionsrichter auszuüben (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 267, und Urteil des Gerichts vom 19. Mai 2010, Chalkor/Kommission, T‑21/05, Slg. 2010, II‑1895, Rn. 62).

294    Bei der Berechnung von Geldbußen, wie sie im vorliegenden Fall in Rede stehen, hat die Kommission allerdings die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 276 angeführt, Rn. 77 und 79, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 276 angeführt, Rn. 41).

295    Im Übrigen greifen der Wertungsspielraum der Kommission und die diesem in ihren Leitlinien von ihr selbst gezogenen Grenzen grundsätzlich nicht der Ausübung der dem Unionsrichter zustehenden Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung vor, die ihn ermächtigt, die von der Kommission verhängte Geldbuße aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen (vgl. Urteil des Gerichts vom 6. Mai 2009, KME Germany u. a./Kommission, T‑127/04, Slg. 2009, II‑1167, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

296    Im vorliegenden Fall hat die Kommission den Umsatz aller Unternehmen, die sich bis zur Beendigung des Kartells an diesem beteiligt haben, berechnet, indem sie den Durchschnitt der Umsätze zugrunde gelegt hat, die in den letzten vollständigen Jahren der Zuwiderhandlung (2002, 2003 und 2004) auf den von dem Kartell betroffenen Märkten erzielt wurden. Dieser Ansatz wird von den Klägerinnen nicht beanstandet und ist in Rn. 634 der angefochtenen Entscheidung mit den Auswirkungen der Erweiterung der Union im Jahr 2004 im Übrigen ausreichend begründet.

297    In Rn. 640 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission den Umsatz, den die H&R-Gruppe von 2002 bis 2004 mit Produkten erzielt hat, die „mit dem Verstoß in … Zusammenhang standen“, auf jährlich 26 012 309 Euro festgesetzt. In den Rn. 126 und 128 der Klagebeantwortung hat sie erläutert, dass sie dabei von einem Umsatz von 20 594 125 Euro im Jahr 2002, 18 042 804 Euro im Jahr 2003 und 39 400 000 Euro im Jahr 2004 ausgegangen sei.

 Zu dem für die Jahre 2002 und 2003 festgestellten Umsatz

298    Zunächst ist festzustellen, dass nach der Antwort der Klägerinnen auf die schriftlichen Fragen des Gerichts Anteilseigner der Gesellschaften Klaus Dahleke KG, Tudapetrol und Hansen & Rosenthal dieselben vier natürlichen Personen (Familie H.) sind. Die genannten drei Gesellschaften sind nicht aneinander beteiligt. Klaus Dahleke, Tudapetrol, Hansen & Rosenthal, deren Tochtergesellschaft H&R Wax Company Vertrieb und die Gesellschaft H&R Sales (eine mittelbare Tochtergesellschaft von H&R ChemPharm) wurden von den Klägerinnen bei dem Schriftwechsel mit der Kommission häufig als „Vertriebsgesellschaften“ bezeichnet. Aufgabe der „Vertriebsgesellschaften“ war der Vertrieb der von den „Produktionsgesellschaften“ – d. h. nach der von den Klägerinnen in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage des Gerichts mitgeteilten Definition von H&R ChemPharm und ihren Tochtergesellschaften H&R Chemisch-Pharmazeutische Spezialitäten GmbH, H&R ESP International GmbH und H&R Ölwerke Schindler – hergestellten Paraffinwachse. Bei der Berechnung der Geldbuße hat die Kommission den Umsatz der „Vertriebsgesellschaften“ zugrunde gelegt. Gegen Tudapetrol hat sie eine gesonderte Geldbuße verhängt, die auf der Grundlage des von dieser Gesellschaft erzielten Umsatzes berechnet wurde. Da Klaus Dahleke durch die angefochtene Entscheidung nicht mit einer Sanktion belegt wurde, wurde der von dieser Gesellschaft auf den vom Kartell betroffenen Märkten erzielte Umsatz dem von Hansen & Rosenthal und H&R Wax Company Vertrieb erzielten hinzugerechnet. Für das Jahr 2004 wurde außerdem der von H&R Sales erzielte Umsatz hinzugerechnet. Bei der Berechnung der Geldbuße, die gegen Hansen & Rosenthal und ihre Tochtergesellschaft H&R Wax Company Vertrieb und gegen H&R ChemPharm verhängt wurde, wurde dieser kombinierte Umsatz zugrunde gelegt.

299    Hinsichtlich der Jahre 2002 und 2003 machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission den Umsatz von Hansen & Rosenthal und deren Tochtergesellschaft H&R Wax Company Vertrieb unter Ausschluss des Umsatzes von Klaus Dahleke, einer Gesellschaft, die nicht demselben Unternehmen angehört habe, hätte berücksichtigen müssen.

300    Als Erstes sind die Schreiben zu untersuchen, die die Klägerinnen der Kommission hierzu im Verwaltungsverfahren übersandt haben.

301    In ihrem Schreiben vom 8. Dezember 2005 gaben die Klägerinnen an, dass die von H&R ChemPharm hergestellten Paraffinwachse ab dem 1. Januar 2001 hauptsächlich von H&R Wax Company Vertrieb vertrieben worden seien. Geringere Mengen seien bei bestimmten Kunden auch von Tudapetrol, Klaus Dahleke und Hansen & Rosenthal vertrieben worden.

302    In ihrem Schreiben vom 23. April 2008 teilten die Klägerinnen den in der Union erzielten Umsatz der Produktionsgesellschaften H&R Chemisch-Pharmazeutische Spezialitäten GmbH und H&R Ölwerke Schindler GmbH mit.

303    In demselben Schreiben teilten sie auch die Umsätze von H&R Wax Company Vertrieb, Hansen & Rosenthal und Klaus Dahleke mit. Sie gaben an, dass der Umsatz von Klaus Dahleke ganz überwiegend durch den Vertrieb von Produkten der „Produktionsgesellschaften“ erzielt worden sei.

304    Bereits in diesem Schreiben gaben die Klägerinnen an, dass am aussagekräftigsten die Außenumsätze der Vertriebsgesellschaften sein dürften, dem Schreiben zufolge also die von H&R Wax Company Vertrieb, Klaus Dahleke und Tudapetrol. Sie erläuterten ferner, dass die Außenumsätze (Umsätze der Vertriebsgesellschaften) nicht unbedingt die Innenumsätze (Umsätze der Produktionsgesellschaften) überstiegen hätten. Ein Teil der Produkte der Produktionsgesellschaften sei nämlich als Rohstoff an andere Raffinerien der Gruppe verkauft worden, der Rest an die Vertriebsgesellschaften. Auch wenn die Umsätze der Vertriebsgesellschaften zum Teil zurück an die Gruppe geflossen seien, um deren Rohstoffbedarf zu decken, seien sie durch Umsätze mit von Dritten gekauften und an Dritte verkauften Produkten, auf die sich das Kartell bezogen habe, erhöht worden.

305    Vor diesem Hintergrund hat die Kommission von den Klägerinnen nähere Erläuterungen verlangt.

306    In ihrem Schreiben vom 3. Juli 2008 haben diese dann für die Gesellschaften der H&R-Gruppe, jedoch „ohne Tudapetrol“, folgende Umsätze angegeben:

H&R Wax Company Vertrieb:

–        2002: 19,78 Mio. Euro

–        2003: 17,32 Mio. Euro

–        2004: 17,88 Mio. Euro

Klaus Dahleke:

–        2002: 0,29 Mio. Euro

–        2003: 0,2 Mio. Euro

–        2004: 0,16 Mio. Euro

Hansen & Rosenthal:

–        2002: 0,52 Mio. Euro

–        2003: 0,52 Mio. Euro

–        2004: 0,86 Mio. Euro

307    In demselben Schreiben haben die Klägerinnen auch den Gesamtumsatz der „Vertriebsgesellschaften“ ohne Tudapetrol (Summe der von H&R Wax Company Vertrieb, Klaus Dahleke und Hansen & Rosenthal auf den vom Kartell betroffenen Märkten erzielten Umsätze) angegeben:

2002: 20,59 Mio. Euro

2003: 18,04 Mio. Euro

2004: 19 Mio. Euro

308    Die Klägerinnen haben in demselben Schreiben auch erläutert, dass es sich nicht um Verkäufe innerhalb des Konzerns, sondern um die Außenumsätze des Konzerns handele.

309    In ihrem Schreiben vom 7. Juli 2008 haben die Klägerinnen die Gesamtumsätze von H&R Wax Company Vertrieb, Hansen & Rosenthal und Klaus Dahleke, die sie bereits in ihrem Schreiben vom 3. Juli 2008 angegeben hatten (vgl. oben, Rn. 307), bestätigt.

310    Erstens ist festzustellen, dass die von der Kommission für die Jahre 2002 und 2003 zugrunde gelegten Umsätze exakt den Angaben entsprechen, die die Klägerinnen in ihren Schreiben vom 3. und 7. Juli 2008 gemacht hatten.

311    Die Kommission ist also von Daten ausgegangen, die sie von den Klägerinnen nach einem Schriftwechsel und Telefonanrufen erhalten hatte. Sie hat dabei die Hinweise der Klägerinnen zu einer Abweichung des konzerninternen Umsatzes von dem Umsatz, der dadurch erzielt wurde, dass die Vertriebsgesellschaften von Dritten gekaufte Paraffinwachse weiterverkauften, berücksichtigt.

312    Zweitens ist festzustellen, dass die Klägerinnen in den Umsatz der H&R-Gruppe in jedem Schreiben zu dieser Frage (23. April, 3. Juli und 7. Juli 2008) den Umsatz von Klaus Dahleke einbezogen haben. Außerdem wird Klaus Dahleke in dem Schreiben der Klägerinnen vom 3. Juli 2008 (zusammen mit H&R Wax Company Vertrieb und Tudapetrol) als eine der drei Gesellschaften genannt, die die Produkte, auf die sich das Kartell bezog, vertrieben hat. Die Klägerinnen haben in ihren Schreiben zu keinem Zeitpunkt angegeben, dass der Umsatz von Klaus Dahleke bei der Berechnung des Umsatzes der H&R-Gruppe ihrer Auffassung nach nicht zu berücksichtigen sei. Vielmehr haben sie in ihrem letzten Schreiben (7. Juli 2008) selbst einen einheitlichen Gesamtumsatz für die Vertriebsgesellschaften H&R Wax Company Vertrieb, Hansen & Rosenthal und Klaus Dahleke angegeben, ohne darauf hinzuweisen, dass der Umsatz von Klaus Dahleke von den angegebenen Beträgen abzuziehen sei.

313    Drittens ist festzustellen, dass der Ansatz, den die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Einbeziehung der Umsätze von Klaus Dahleke in die übermittelten Daten gewählt haben und dem dann auch die Kommission gefolgt ist, nach Auffassung des Gerichts durch das Anliegen gerechtfertigt ist, das Gewicht der von H&R begangenen Zuwiderhandlung nicht zu verfälschen. Die Klägerinnen geben in ihrem Schreiben vom 23. April 2008 nämlich an, dass der Umsatz von Klaus Dahleke „praktisch ausschließlich“ durch den Vertrieb von Produkten der „Produktionsgesellschaften“ der H&R-Gruppe erzielt worden sei. Zöge man von den von den Klägerinnen in ihren Schreiben vom 3. und 7. Juli 2008 mitgeteilten Beträgen den Umsatz von Klaus Dahleke ab, würde also ein Teil der Produktion, auf die sich das Kartell bezog, nicht berücksichtigt, nämlich die von der H&R-Gruppe hergestellten Paraffinwachse, die nicht von Hansen & Rosenthal oder H&R Wax Company Vertrieb, sondern von Klaus Dahleke vertrieben wurden.

314    Somit hat die Kommission, indem sie bei ihrer Berechnung – entsprechend der Präferenz der Klägerinnen für eine Zugrundelegung des Außenumsatzes der Gruppe – den Umsatz von Klaus Dahleke berücksichtigt hat, in Einklang mit Ziff. 15 der Leitlinien von 2006 gehandelt, wonach sie „den Umsatz eines Unternehmens mittels der zuverlässigsten Daten, die von diesem Unternehmen verfügbar sind“, bestimmt. Sie hat den Umsatz der H&R-Gruppe daher auf eine Weise bestimmt, die gemäß den Anforderungen von Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 die Schwere der von diesem Konzern begangenen Zuwiderhandlung angemessen wiedergibt.

315    Es ist zu ergänzen, dass das Gericht den Schriftwechsel, den die Kommission und die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren zu dem vorliegenden Thema geführt haben, in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung eingehend untersucht hat, indem es den Klägerinnen eine ganze Reihe von schriftlichen Fragen gestellt hat, um die Lieferbeziehungen zwischen Klaus Dahleke und den unmittelbar oder mittelbar von den Klägerinnen gehaltenen „Produktionsgesellschaften“ weiter aufzuklären. Die Antworten auf diese Fragen waren nicht geeignet, Rechenfehler der Kommission aufzuzeigen.

316    Dennoch ist als Zweites das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, die Einbeziehung von Klaus Dahleke in das Unternehmen H&R sei insofern nicht mit den Lösungen aus dem Urteil Aristrain/Kommission, oben in Rn. 284 angeführt, zu vereinbaren, als H&R und Klaus Dahleke nicht demselben Unternehmen angehörten. Nach den Rn. 98 und 99 dieses Urteils reicht die bloße Tatsache, dass das Gesellschaftskapital von zwei eigenständigen Handelsgesellschaften derselben Person oder Familie gehört, nicht als Nachweis dafür aus, dass diese beiden Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit bilden, die zur Folge hat, dass die Handlungen einer von ihnen der anderen zugerechnet werden können und dass die eine zur Zahlung einer Geldbuße für die andere verpflichtet werden kann.

317    Anders als in dem Fall, mit dem sich der Gerichtshof im Urteil Aristrain/Kommission (oben in Rn. 284 angeführt, Rn. 98 und 99) zu befassen hatte, geht es im vorliegenden nicht darum, der H&R-Gruppe oder speziell den Klägerinnen die wettbewerbswidrigen Handlungen von Klaus Dahleke zuzurechnen, sondern um die Berechnung des Umsatzes der H&R-Gruppe. Fest steht, dass der Umsatz von Klaus Dahleke, was die Produkte angeht, auf die sich das Kartell bezog, „praktisch ausschließlich“ durch den Weiterverkauf von Paraffinwachsen erzielt wurde, die 2002 und 2003 von den Produktionsgesellschaften der H&R-Gruppe hergestellt wurden, die selbst an dem Kartell beteiligt waren.

318    Die Alternative für die Berücksichtigung des Außenumsatzes wäre die Berücksichtigung des „Innenumsatzes“ gewesen, und damit des Umsatzes, den die Gesellschaften der H&R-Gruppe erzielt haben, indem sie die Produkte, auf die sich das Kartell bezog, an Klaus Dahleke verkauften. Die Klägerinnen selbst haben sich für die Zugrundelegung des Außenumsatzes der H&R-Gruppe ausgesprochen, zu dem ihrer Auffassung nach der Teil des Umsatzes von Klaus Dahleke gehörte, der in den Schreiben vom 3. und 7. Juli 2008 angegeben war.

319    Da das Urteil des Gerichtshofs Aristrain/Kommission, oben in Rn. 284 angeführt, einen Sachverhalt betrifft, der sich von dem vorliegenden erheblich unterscheidet, können sich die Klägerinnen nicht auf dieses Urteil berufen.

320    Somit ist festzustellen, dass die Kommission nicht gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen hat, indem sie den Umsatz der H&R-Gruppe anhand der Angaben bestimmt hat, die die Klägerinnen in ihren Schreiben vom 3. und 7. Juli 2008 gemacht hatten, ohne den Umsatz von Klaus Dahleke abzuziehen.

321    Ebenso ist das Gericht auf der Grundlage der ihm von den Parteien vorgelegten Beweismittel der Auffassung, dass der für die Jahre 2002 und 2003 berechnete Umsatz die Schwere der von den Klägerinnen begangenen Zuwiderhandlung angemessen wiedergibt.

322    Die vorliegende Rüge ist daher zurückzuweisen.

 Zur Berechnung des Umsatzes für 2004 und zur Berücksichtigung der „Auslandsgesellschaften“

323    In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission festgestellt:

„(636) H&R/Tudapetrol argumentiert, das Jahr 2004 dürfe in dieser Sache nicht als Bezugsjahr angenommen werden, weil in den Zahlen für 2004 der Umsatz von H&R ESP International enthalten sei; dieses Unternehmen sei aber erst am 1. Januar 2004 übernommen worden. Durch diese Übernahme habe sich der Umsatz mehr als verdoppelt; dieser Wert ist H&R/Tudapetrol zufolge nicht repräsentativ für die Dauer der Zuwiderhandlung. Zudem erklärt H&R/Tudapetrol, die Produktionsanlagen von H&R ESP International würden teilweise nicht zur Herstellung der von der Zuwiderhandlung betroffenen Produkte verwendet.

(637) Diese Argumente können nicht angenommen werden. Eine Erhöhung des Umsatzes in einem Jahr schließt an sich nicht aus, dass dieses Jahr für die Berechnung der Geldbuße zugrunde gelegt wird. Dass Teile von H&R/Tudapetrol nicht im Bereich der Produkte tätig sind, auf die sich die Zuwiderhandlung bezieht, wird bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbußen angemessen berücksichtigt. (Bei der Festsetzung des Grundbetrags wurden die Umsätze mit diesen Produkten nicht einbezogen.) Wie in Randnummer (634) erläutert, wird die Kommission bei Hanse[n] & Rosenthal aus anderen Gründen den Durchschnitt der Umsätze der Jahre 2002, 2003 und 2004 als Grundlage für die Berechnung der Geldbuße annehmen.“

324    In ihrer Klagebeantwortung hat die Kommission erläutert, wie sie unter Zugrundelegung der von den Klägerinnen auf den S. 2 und 12 ihres Schreibens vom 23. April 2008 gemachten Angaben auf den Betrag von 39,4 Mio. Euro gekommen ist, der als Umsatz der H&R-Gruppe im Jahr 2004 festgesetzt wurde.

325    Nach den Angaben im ersten Datenblock auf S. 2 des genannten Schreibens betrug der Umsatz, den die H&R-Gruppe 2004 mit dem Verkauf von vier Kategorien von Paraffinwachsen erzielte, 27,5 Mio. Euro (einschließlich des Umsatzes von H&R ESP International). Von diesem Betrag hat die Kommission den Umsatz von Tudapetrol (1,2 Mio. Euro) abgezogen. In einem ersten Schritt ist die Kommission somit zu einem Umsatz von 26,3 Mio. Euro gelangt.

326    Sodann hat die Kommission den Umsatz der „Auslandsgesellschaften“ in Höhe von 9,2 Mio. Euro (erster Datenblock auf S. 12 des Schreibens vom 23. April 2008) und den Umsatz von H&R Ölwerke Schindler in Höhe von 3,9 Mio. Euro (zweiter Datenblock auf S. 12 des genannten Schreibens) hinzugefügt. Die Hinzufügung dieser Beträge zu dem für die H&R-Gruppe festgesetzten Betrag von 26,3 Mio. Euro war nach Auffassung der Kommission gerechtfertigt, weil die Klägerinnen insbesondere auf den S. 1 und 12 ihres Schreibens vom 23. April 2008 wiederholt darauf hingewiesen hätten, dass ihrer Auffassung nach weder der Umsatz der „Auslandsgesellschaften“ noch der, den H&R Ölwerke Schindler über Verkäufe von H&R Sales erzielt habe, Gegenstand des Auskunftsverlangens der Kommission gewesen seien, weil sich diese Gesellschaften nicht an der Zuwiderhandlung beteiligt hätten.

327    So hat die Kommission, indem sie dem ursprünglichen Betrag von 26,3 Mio. Euro den Umsatz der „Auslandsgesellschaften“ (9,2 Mio. Euro) und den von H&R Ölwerke Schindler (3,9 Mio. Euro) hinzugefügt hat, festgestellt, dass der Umsatz, den die H&R-Gruppe 2004 mit von dem Kartell betroffenen Produkten erzielt habe, 39,4 Mio. Euro betragen habe.

328    Die Klägerinnen machen zwei Rügen geltend, um diese Berechnung in Zweifel zu ziehen. Erstens machen sie geltend, der Umsatz von H&R Sales dürfte nicht berücksichtigt werden, weil sich diese Gesellschaft nicht an dem Kartell beteiligt hätte. Zweitens habe die Kommission dem Umsatz der H&R-Gruppe den relevanten Umsatz der „Auslandsgesellschaften“ zweimal hinzugefügt.

 Zur Berücksichtigung der Umsätze von H&R Sales, die 2004 erworben wurde, bei der Berechnung des Umsatzes

329    In einer Fußnote zu Rn. 156 der Klageschrift machen die Klägerinnen geltend, der relevante Umsatz der „Auslandsgesellschaften“ und von H&R Sales dürfe nicht in den Umsatz von H&R einbezogen werden, da diese Gesellschaften erst 2004 erworben worden seien und ihnen keine Beteiligung an dem Kartell vorgeworfen worden sei. Jedenfalls hätte die Kommission den Umsatz der Konversionsanlagen ausnehmen müssen, die keine Paraffinwachse produzierten.

330    In der Erwiderung vertreten die Klägerinnen die Auffassung, dass in dem von der Kommission als Zwischenbetrag des Umsatzes der H&R‑Gruppe für 2004 festgehaltenen Betrag von 26,3 Mio. Euro der Umsatz „der Auslandsgesellschaften“, d. h. 9,2 Mio. Euro, bereits enthalten sei. Entgegen ihrem in der Klageschrift zum Ausdruck gebrachten Standpunkt begehren die Klägerinnen nicht mehr den Abzug des letztgenannten Betrags vom Umsatz. Sie bleiben jedoch bei ihrer Auffassung, dass der Umsatz von H&R Sales (3,9 Mio. Euro) nicht zu dem Zwischenbetrag von 26,3 Mio. Euro hinzugerechnet werden dürfe.

331    In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen wiederholt, dass der Umsatz „der Auslandsgesellschaften“, d. h. 9,2 Mio. Euro, bereits in den Zwischenbetrag von 26,3 Mio. Euro einbezogen worden sei, der ihrer Ansicht nach als Umsatz der H&R-Gruppe für 2004 hätte berücksichtigt werden müssen. Die Klägerinnen haben keine Vorbehalte gegen diese behauptete Einbeziehung des Umsatzes der „Auslandsgesellschaften“ geltend gemacht.

332    Somit ist die vorliegende Rüge dahin auszulegen, dass sie nur gegen die Berücksichtigung des Umsatzes von H&R Sales gerichtet ist, und das ursprüngliche Vorbringen der Klägerinnen in Bezug auf die „Auslandsgesellschaften“ (vgl. oben, Rn. 329) ist nicht zu prüfen.

333    Nach Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 verwendet die Kommission zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen.

334    Nach der Rechtsprechung wird der zugrunde zu legende Umsatz nicht anhand des Umsatzes berechnet, der mit den Produkten, die tatsächlich von der Zuwiderhandlung betroffen waren, erzielt worden ist, sondern anhand desjenigen, der von dem Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG, das sich an der Zuwiderhandlung beteiligt hat, allgemein auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt erzielt worden ist (vgl. Urteil des Gerichts vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission, T‑211/08, Slg. 2011, II‑3729, Rn. 59 bis 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

335    Allein die Tatsache, dass sich H&R Sales vor 2004 nicht an dem Kartell beteiligt hatte, ändert also nichts daran, dass sie am 1. Januar 2004 als mittelbare Tochtergesellschaft von H&R ChemPharm, einer Gesellschaft, an der Hansen & Rosenthal über die Gesellschaft H&R Wasag beteiligt war, Teil der H&R-Gruppe geworden ist. Zudem hatte die Kommission die H&R-Gruppe bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, insbesondere in den Rn. 261 bis 264, als Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG beschrieben. Die Klägerinnen hatten diese Einstufung in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht beanstandet.

336    Die Kommission, die somit den Umsatz von H&R für 2004 unter Berücksichtigung sämtlicher Umsätze der zu diesem Unternehmen gehörenden Gesellschaften auf dem vom Kartell betroffenen Markt festgestellt hat, hat im Einklang mit den Leitlinien von 2006 und der einschlägigen Rechtsprechung gehandelt und nicht gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen.

337    Diese Schlussfolgerung wird noch dadurch untermauert, dass H&R Sales eine der „Vertriebsgesellschaften“ der H&R-Gruppe war, die die von den „Produktionsgesellschaften“, d. h. den anderen Tochtergesellschaften von H&R ChemPharm, hergestellten Paraffinwachse verkaufte (vgl. oben, Rn. 298). Somit können die Klägerinnen, da sie selbst die Berücksichtigung des außerhalb der Gruppe erzielten Umsatzes befürwortet haben, der Kommission nicht mit Erfolg vorwerfen, den Umsatz von H&R Sales einbezogen zu haben. Würde dieser nämlich nicht in den Umsatz der H&R-Gruppe einbezogen, bliebe ein Teil der Kartellproduktion verborgen, nämlich die von der H&R-Gruppe hergestellten Paraffinwachse, die nicht von Hansen & Rosenthal oder H&R Wax Company Vertrieb, sondern von H&R Sales vertrieben werden.

338    Die vorliegende Rüge ist daher zurückzuweisen.

 Zur behaupteten doppelten Berücksichtigung des Umsatzes der „Auslandsgesellschaften“

339    Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe den Umsatz der „Auslandsgesellschaften“ in Höhe von 9,2 Mio. Euro zweimal berücksichtigt. Die Differenz zwischen dem ersten Datenblock auf Seite 2 ihres Schreibens vom 23. April 2008 (27,5 Mio. Euro), der ESP International einschließe, und dem zweiten (18,3 Mio. Euro), ohne diese Gesellschaft, entspreche genau 9,2 Mio. Euro. Die Kommission habe den Umsatz von ESP International also zweimal berücksichtigt.

340    Hierzu ist festzustellen, dass sich das Vorbringen der Klägerinnen im Verfahren vor dem Gericht nicht mit ihren Angaben im Verwaltungsverfahren vereinbaren lässt, die Bestandteil der dem Gericht vorgelegten Akte sind.

341    Erstens hatten die Klägerinnen in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte angegeben, dass im Jahr 2004 der Umsatz von H&R auf dem Markt für Paraffinwachse (ohne Berücksichtigung der Umsätze von Tudapetrol und der Umsätze mit Wachsemulsionen und Paraffingatsch) 38,99 Mio. Euro betragen habe – ein Betrag, der mit dem von der Kommission errechneten (39,4 Mio. Euro) fast genau übereinstimmt.

342    Zweitens haben die Klägerinnen auch in der Anhörung vor der Anhörungsbeauftragten angegeben, dass ihr Umsatz auf den Märkten für „Paraffinprodukte“ durch den Erwerb der neuen, zu H&R Ölwerke Schindler gehörenden Raffinerie in Hamburg-Neuhof (Deutschland) fast um den Faktor 2,5 gestiegen sei. Sie haben diese Angabe in ihrem Schreiben vom 8. Dezember 2005 näher beziffert. Danach stieg ihr Umsatz mit Paraffinwachsen aufgrund des Erwerbs neuer Produktionskapazitäten im Jahr 2004 von 43 000 Tonnen im Jahr 2003 auf 84 400 Tonnen im Jahr 2004. Sie haben ferner angegeben, dass der Preis für diese Produkte im Jahr 2004 gestiegen sei.

343    Nach dem Vorbringen der Klägerinnen im Verfahren vor dem Gericht soll ihr Umsatz aber nur von 24 107 000 Euro im Jahr 2003 auf 26 300 000 Euro im Jahr 2004 gestiegen sein. Diese behauptete Zunahme steht außer Verhältnis zu der durch den Erwerb der Raffinerie Hamburg-Neuhof bedingten Zunahme von Produktion und Umsätzen und in offenem Widerspruch zu den Angaben, die die Klägerinnen in der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gemacht hatten.

344    Drittens bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass die Behauptung der Klägerinnen, die „Auslandsgesellschaften“ seien mit der Gesellschaft H&R ESP International identisch, zutrifft.

345    In ihrem Schreiben vom 8. Dezember 2005 geben die Klägerinnen an, dass ESP International die 100%ige Muttergesellschaft von H&R Ölwerke Schindler sei. Außerdem ergibt sich aus den Akten, dass es sich bei H&R Ölwerke Schindler und ESP International um Gesellschaften deutschen Rechts handelt und sich die Produktionsstätte dieser Gesellschaften in Hamburg-Neuhof befindet.

346    Das Gericht kann nicht nachvollziehen, warum die Klägerinnen den Begriff „Auslandsgesellschaften“ gebildet haben sollen, um allein den Umsatz von H&R ESP International, einer Gesellschaft deutschen Rechts mit Produktionsstätte in Deutschland, mitzuteilen. Zudem haben sie in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass der im Schreiben vom 23. April 2008 mitgeteilte Umsatz dieser Gesellschaft kein konsolidierter Umsatz gewesen sei und daher den Umsatz ihrer etwaigen im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften nicht umfasst habe.

347    Außerdem haben die Klägerinnen, worauf die Kommission zu Recht hinweist, im Verwaltungsverfahren in den vielen Schreiben, die sie der Kommission übersandten, zu keinem Zeitpunkt angegeben, dass mit dem Ausdruck „Auslandsgesellschaften“ allein oder u. a. H&R ESP International gemeint sei. Vielmehr werden die „Auslandsgesellschaften“ und H&R ESP International auf der ersten Seite des Schreibens vom 23. April 2008 nebeneinander genannt, so dass tatsächlich der Eindruck entsteht, dass es sich um zwei getrennte Einheiten handelt. Überdies führen die Klägerinnen in dem genannten Schreiben zur Rechtfertigung, dass der Umsatz der genannten Gesellschaften von der Kommission nicht zu berücksichtigen sei, jeweils auch verschiedene Gründe an. In Bezug auf die „Auslandsgesellschaften“ machen die Klägerinnen geltend, dass sie nicht „Teil der Ermittlungen“ seien, in Bezug auf H&R ESP International hingegen, dass die Gesellschaft erst 2004 hinzuerworben worden sei, wodurch ein „Umsatzsprung“ stattgefunden habe.

348    Sodann ist in dem Schreiben der Klägerinnen vom 8. Dezember 2005 auch von den „Schwestergesellschaften“ von H&R Ölwerke Schindler die Rede, die im Ausland Konversionsanlagen betrieben. Und der Erwerb des Geschäftsbereichs Raffineriespezialitäten aus der Gesellschaft BP betraf dem Geschäftsbericht 2004 von H&R Wasag zufolge nur H&R Ölwerke Schindler in Deutschland und die H&R ESP Nuth BV in den Niederlanden. In ihrem Schreiben vom 7. Juli 2008 haben die Klägerinnen sogar angegeben, dass die Auslandsgesellschaften in Corryton und Chorley im Vereinigten Königreich im Jahr 2004 mit dem Vertrieb von Paraffinwachsen geschätzt einen Umsatz von 8,6 Mio. Euro erzielt hätten. Dies zeigt, dass zur H&R-Gruppe Gesellschaften mit Sitz im Ausland zählten, im Gegensatz zu H&R ESP International mit Sitz in Deutschland.

349    Somit können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, dem Zwischenwert von 26,3 Mio. Euro sowohl den Umsatz von H&R ESP International als auch den der „Auslandsgesellschaften“ hinzugefügt zu haben. Vielmehr hat die Kommission bei der Berechnung des im Jahr 2004 erzielten Umsatzes in Einklang mit Ziff. 15 und 16 der Leitlinien von 2006 gehandelt, die oben in Rn. 292 wiedergegeben sind.

350    Im Übrigen hat das Gericht im Laufe des Verfahrens zahlreiche schriftliche Fragen an die Klägerinnen gestellt, um den Sachverhalt weiter aufzuklären.

351    Es hat die Klägerinnen zunächst aufgefordert, die „Auslandsgesellschaften“ zu benennen. Die Klägerinnen haben jedoch keine erschöpfende Liste dieser Gesellschaften vorgelegt. Sie haben lediglich erklärt, dass dieser Begriff H&R ESP International und auch „weitere Gesellschaften wie z. B. H&R ChemPharm (UK) Ltd“ umfasse.

352    Des Weiteren hat das Gericht sie auch aufgefordert, eine Tabelle vorzulegen, in der sämtliche unmittelbar oder mittelbar, ausschließlich oder teilweise von H&R Wasag und Hansen & Rosenthal gehaltenen Gesellschaften aufgeführt sind. Die Klägerinnen haben jedoch lediglich eine selektive Darstellung vorgelegt, in der H&R ESP International, H&R Ölwerke Schindler und H&R Sales genannt sind, nicht aber die Gesellschaften mit Sitz im Ausland wie etwa die H&R ESP Nuth BV oder die H&R ChemPharm (UK) Ltd.

353    Aus diesem Grund konnte das Gericht das mündliche Verfahren am Ende der Sitzung nicht abschließen und hat die Klägerinnen ein zweites Mal aufgefordert, einen vollständigen Überblick über die von H&R Wasag und Hansen & Rosenthal gehaltenen Gesellschaften vorzulegen.

354    Als Antwort auf dieses Auskunftsverlangen haben die Klägerinnen eine Tabelle eingereicht, die die Situation am 1. Juni 2005 wiedergibt und aus der hervorgeht, dass der H&R ESP International fünf Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Union als Deutschland gehörten.

355    In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen, insbesondere der Ausführungen oben in den Rn. 341 und 342, kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Bestimmung des im Jahr 2004 erzielten Umsatzes einen Fehler begangen zu haben. Die vorliegende Rüge ist daher, soweit mit ihr die teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung begehrt wird, zurückzuweisen.

356    Die Anträge der Klägerinnen sind auch insoweit zurückzuweisen, als mit ihnen begehrt wird, dass das Gericht die Geldbuße in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ändert. Nach eingehender Prüfung der Akte, die ihm im vorliegenden Fall vorgelegt worden ist, ist das Gericht der Auffassung, dass das Vorbringen der Klägerinnen und die von ihnen gelieferten Informationen eine solche Änderung nicht rechtfertigen und die in der Akte enthaltenen Beweismittel, insbesondere die oben in den Rn. 341 und 342 genannten, die Feststellung stützen, dass der von der Kommission für das Jahr 2004 festgesetzte Umsatz die Schwere der von den Klägerinnen begangenen Zuwiderhandlung angemessen wiedergibt.

357    Folglich ist die vorliegende Rüge und damit der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

5.     Zum fünften Klagegrund: ermessensfehlerhafte Feststellung der Schwere der Zuwiderhandlung

358    Hilfsweise gegenüber dem ersten und dem zweiten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, dass die Kommission gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen habe, da die Berechnung der Geldbuße mit einem Ermessensfehler behaftet sei. Hierzu berufen sie sich im Wesentlichen zum einen darauf, dass die Höhe der Geldbuße sowohl insofern unverhältnismäßig sei, als sie sich aus der Festlegung eines zu hohen Koeffizienten für die Schwere der Zuwiderhandlung ergebe, als auch was ihren Abschreckungscharakter im Hinblick auf Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 (der „Eintrittsgebühr“ entsprechender Geldbußenbetrag) betreffe, und zum anderen stützen sie sich auf den Vergleich mit dem Betrag der gegen ExxonMobil verhängten Geldbuße. Daher beantragen sie, die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen.

 Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aufgrund der Festlegung eines Koeffizienten von 17 % sowohl für die Schwere der Zuwiderhandlung als auch zur Abschreckung

359    In der angefochtenen Entscheidung ist die Kommission nach der Definition des räumlichen Umfangs der Zuwiderhandlung in Rn. 651 in Rn. 653 unter der Überschrift „Schlussfolgerung bezüglich der Schwere der Zuwiderhandlung“ auf die Schwere der Zuwiderhandlung eingegangen:

„(651) Bezüglich des räumlichen Umfangs ist festzustellen, dass die Zuwiderhandlung den gesamten EWR betraf, da die beteiligten Unternehmen … Paraffinwachse … in allen Ländern des EWR verkauft haben. 

(653) In Anbetracht der besonderen Umstände in dieser Sache und unter Berücksichtigung der genannten Kriterien bezüglich der Art der Zuwiderhandlung und des räumlichen Umfangs sollte bei ENI und H&R/Tudapetrol ein Umsatzanteil in Höhe von 17 % angenommen werden. Es wurde nachgewiesen, dass die einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung bei ExxonMobil, MOL, Repsol, RWE[,] Sasol, Shell und Total außerdem die Aufteilung von Kunden und/oder Märkten beinhaltete. Die Aufteilung von Märkten und Kunden zählt naturgemäß zu den schädlichsten Beschränkungen des Wettbewerbs, da diese Verhaltensweisen eine Verringerung oder Beseitigung des Wettbewerbs auf bestimmten Märkten bzw. bei bestimmten Kunden zur Folge haben … In Anbetracht dieses erschwerenden Umstands wird der Anteil des bei ExxonMobil, MOL, Repsol, RWE, Sasol, Shell und Total anzunehmenden Umsatzes auf 18 % festgesetzt. 

…“

360    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe einen Koeffizienten von 17 % des Umsatzes der Paraffinwachsverkäufe angewandt, um der Schwere der Zuwiderhandlung, die von den Unternehmen, die sich nur an dem Haupttatkomplex beteiligt hätten, begangen worden sei, sowohl nach Ziff. 21 der Leitlinien von 2006 als auch zur Abschreckung nach Ziff. 25 dieser Leitlinien Rechnung zu tragen. Dagegen sei für die Unternehmen, die sich nicht lediglich am Haupttatkomplex, sondern auch an der Aufteilung von Kunden und des Marktes (zweiter Tatkomplex) beteiligt hätten, der Grundbetrag der Geldbuße nur um einen zusätzlichen Prozentpunkt erhöht worden, so dass die Kommission 18% des von den fraglichen Unternehmen erzielten Umsatzes für Paraffinwachs berücksichtigt habe. Ein derartiges Vorgehen verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Daher beantragen sie im Wesentlichen, die Differenz zwischen den Koeffizienten von 17 % und 18 % dadurch zu erhöhen, dass der erste, d. h., der auf den Umsatz von Unternehmen, die sich wie die Klägerinnen nur am Haupttatkomplex beteiligten, angewandte Koeffizient herabgesetzt wird.

361    Nach der Rechtsprechung ergibt sich aus Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte, dass das Strafmaß zur verfolgten Straftat nicht unverhältnismäßig sein darf, und aus Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003, dass bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Schwere der Zuwiderhandlung und deren Dauer zu berücksichtigen sind. Auch nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit der Strafe im Hinblick auf die Zuwiderhandlung muss die verhängte Geldbuße in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 12. Juli 2001, Tate & Lyle u. a./Kommission, T‑202/98, T‑204/98 und T‑207/98, Slg. 2001, II‑2035, Rn. 106, und vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Rn. 226).

362    Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt insbesondere, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Gesichtspunkten festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Gesichtspunkte dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss (Urteile Jungbunzlauer/Kommission, oben in Rn. 361 angeführt, Rn. 226 bis 228, und Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, oben in Rn. 238 angeführt, Rn. 171).

363    Außerdem sind bei der Bestimmung der Geldbuße objektive Gesichtspunkte wie Inhalt und Dauer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, deren Zahl und Intensität, der Umfang des betroffenen Marktes und die Schädigung der öffentlichen Wirtschaftsordnung einzubeziehen. Bei der Analyse sind auch die relative Bedeutung und der Marktanteil der verantwortlichen Unternehmen sowie ein etwaiger Wiederholungsfall zu berücksichtigen. Um für Transparenz zu sorgen, hat die Kommission die Leitlinien von 2006 erlassen, in denen sie darlegt, inwieweit sie die einzelnen Umstände der Zuwiderhandlung berücksichtigt und welche Konsequenzen sich daraus für die Höhe der Geldbuße ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil Chalkor/Kommission, oben in Rn. 293 angeführt, Rn. 57 bis 59).

364    Die Methode der Berechnung der Geldbußen und die Rolle, die den verschiedenen Umständen nach den Leitlinien von 2006 dabei zukommt, werden von den Klägerinnen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nicht beanstandet.

365    Im vorliegenden Fall ist als Erstes festzustellen, dass Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zur Festsetzung von Preisen, wie sie im vorliegenden Fall zum Haupttatkomplex gehören, nach Ziff. 23 der Leitlinien von 2006 ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln zählen. Nach den Ziff. 21 und 23 der genannten Leitlinien ist der Koeffizient, der die Schwere der Zuwiderhandlung wiedergibt, daher im oberen Bereich der von 0 % bis 30 % reichenden Bandbreite festzusetzen. Zudem betrafen die Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen zur Festsetzung von Preisen im vorliegenden Fall alle Länder des EWR, was nach Ziff. 22 der Leitlinien von 2006 ebenfalls zu berücksichtigen ist (Rn. 651 und 653 der angefochtenen Entscheidung).

366    Die Kommission hat daher keinen Beurteilungsfehler begangen, indem sie für die Schwere der Zuwiderhandlung, was den Haupttatkomplex angeht, der „in Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen bestand, die darauf abzielten, auf dem Markt für Paraffinwachse Preise festzusetzen“, einen Koeffizienten von 17 % festgesetzt hat. Dasselbe gilt für die Festsetzung des Zusatzbetrags zur Abschreckung gemäß Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 (sogenannte „Eintrittsgebühr“). Außerdem hat die Kommission den Zusammenhang zwischen den einschlägigen Umständen, die bei der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt wurden, und dem festgesetzten Koeffizienten angegeben.

367    Im Übrigen ist die Festsetzung des in Rede stehenden Koeffizienten auf 17 % auch nach den in der oben in Rn. 360 angeführten Rechtsprechung aufgestellten Beurteilungskriterien gerechtfertigt.

368    Folglich hat die Kommission, indem sie den betreffenden Anteil auf 17 % festgesetzt hat, weder einen Beurteilungsfehler begangen noch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

369    Als Zweites ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, die Differenz zwischen dem für den Haupttatkomplex und dem für diesen und den zweiten Tatkomplex zusammen festgesetzten Koeffizienten, nämlich ein Prozentpunkt, gebe die bei Berücksichtigung der Beteiligung an einer Aufteilung der Kunden und Märkte hinsichtlich der Schwere der Zuwiderhandlung bestehende Differenz nicht angemessen wieder.

370    Insofern ist festzustellen, dass die Vereinbarungen, die in einer Aufteilung der Märkte oder Kunden bestanden, bei den technischen Treffen im Vergleich zu den Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen zur Festsetzung der Preise für Paraffinwachse eher sporadisch waren, wie aus den Rn. 240 und 248 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht. Im Übrigen fand bei den technischen Treffen nach den unabhängigen Erklärungen von Unternehmen, die sich ebenfalls an dem Kartell beteiligt haben (vgl. oben, Rn. 110 bis 112), stets eine Diskussion über die Höhe der von den Teilnehmern angewandten Preise statt, zumal die Treffen in der Regel die Festsetzung der Preisen betrafen.

371    Ferner bestand das geahndete rechtswidrige Ziel der Teilnehmer der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung nach Rn. 267 der angefochtenen Entscheidung im vorliegenden Fall darin, den Wettbewerbsdruck zu verringern oder auszuschalten, um höhere Gewinne in der Absicht zu erzielen, schließlich die Erträge zu stabilisieren oder zu steigern. Zwar konnte der zweite Tatkomplex die schädlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf die betroffenen Kunden und Märkte verstärken. Mit ihm wurde aber kein wettbewerbswidriges Ziel verfolgt, das klar von dem des Haupttatkomplexes hätte unterschieden werden können, da dieselben Produkte und derselbe räumliche Markt betroffen waren und die Aufteilung der Märkte und Kunden ebenso wie die Verhaltensweisen zur Festsetzung der Preise letztlich dem Ziel diente, über dem freien Marktpreis liegende Preise zu erzielen.

372    Die Kommission hat daher dadurch, dass sie zum einen für die Schwere der Zuwiderhandlung und zum anderen zur Abschreckung gemäß Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 bei den Unternehmen, die sich nur am Haupttatkomplex beteiligt haben, einen Anteil von 17 % und bei den Unternehmen, die sich darüber hinaus an dem zweiten Tatkomplex beteiligt haben, einen Anteil von 18 % des Umsatzes festgesetzt hat, keinen Beurteilungsfehler begangen und nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

373    Im Übrigen ist das Gericht, soweit außerdem hilfsweise beantragt wird, die Geldbuße herabzusetzen, in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Auffassung, dass die Zugrundelegung eines Anteils von 17 % des Umsatzes der Unternehmen, die sich nur an dem Haupttatkomplex beteiligt haben, die Schwere der Zuwiderhandlung angemessen wiedergibt, wie es Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und die oben in Rn. 361 angeführte Rechtsprechung verlangen.

374    Die vorliegende Rüge ist daher zurückzuweisen.

 Zum Vorbringen, die Höhe der Geldbuße sei im Hinblick auf die Größe der H&R-Gruppe diskriminierend unverhältnismäßig

375    Die Klägerinnen meinen, die gegen sie verhängte Geldbuße sei im Hinblick auf ihre Größe im Vergleich zu den Geldbußen, die gegen die anderen Unternehmen verhängt worden seien, die sich an dem Kartell beteiligt hätten, unverhältnismäßig. Bei ExxonMobil mache der festgesetzte angepasste Grundbetrag lediglich 0,03 % des Gesamtumsatzes des Konzerns im Jahr 2007 aus, bei der H&R-Gruppe hingegen 2,5 %. Obwohl der Gesamtumsatz von ExxonMobil mehr als 300-mal so hoch sei wie der Umsatz der gesamten H&R-Gruppe, sei außerdem der gegen ExxonMobil festgesetzte angepasste Grundbetrag nur knapp viermal so hoch wie der gegen die Klägerinnen festgesetzte, und dies obwohl sich ExxonMobil auch an anderen Teilen der Zuwiderhandlung und über längere Zeit beteiligt habe als die Klägerinnen. Die Kommission habe daher gegen die Klägerinnen eine unverhältnismäßige Geldbuße verhängt. Dies stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar.

376    Auch wenn die Klägerinnen nicht ausdrücklich einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung rügen, fällt der Vergleich mit der Berechnung der gegen ExxonMobil verhängten Geldbuße im Wesentlichen in den Anwendungsbereich dieses Grundsatzes.

377    Nach der Rechtsprechung liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nur dann vor, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Dezember 1984, Sermide, 106/83, Slg. 1984, 4209, Rn. 28, und Urteil des Gerichts vom 4. Juli 2006, Hoek Loos/Kommission, T‑304/02, Slg. 2006, II‑1887, Rn. 96).

378    Nach der oben in Rn. 361 angeführten Rechtsprechung ergibt sich aus Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte, dass das Strafmaß zur Straftat nicht unverhältnismäßig sein darf, und aus Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003, dass bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Schwere der Zuwiderhandlung und deren Dauer zu berücksichtigen sind. Auch nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit der Strafe im Hinblick auf die Zuwiderhandlung muss die verhängte Geldbuße in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung stehen.

379    Nach der oben in Rn. 362 angeführten Rechtsprechung folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Gesichtspunkten festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Gesichtspunkte dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss.

380    Nach der Rechtsprechung darf bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens, der – wenn auch nur annähernd und unvollständig – etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch der Teil dieses Umsatzes berücksichtigt werden, der mit den Waren erzielt worden ist, hinsichtlich deren die Zuwiderhandlung begangen wurde, und der somit einen Anhaltspunkt für das Ausmaß dieser Zuwiderhandlung liefern kann. Weder dem einen noch dem anderen dieser Umsätze darf eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden, so dass die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße nicht das Ergebnis eines bloßen auf den Gesamtumsatz gestützten Rechenvorgangs sein kann. Das gilt insbesondere dann, wenn die betroffenen Waren nur einen geringen Teil dieses Umsatzes ausmachen (Urteile des Gerichtshofs Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 243, und vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C‑397/03 P, Slg. 2006, I‑4429, Rn. 100).

381    Dagegen enthält das Unionsrecht keinen allgemein anwendbaren Grundsatz, wonach die Sanktion in angemessenem Verhältnis zum Gesamtumsatz des Unternehmens stehen muss, das sich an der Zuwiderhandlung beteiligt hat (vgl. entsprechend Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Rn. 380 angeführt, Rn. 101).

382    Nach der oben in Rn. 363 angeführten Rechtsprechung hat die Kommission, um für Transparenz zu sorgen, die Leitlinien von 2006 erlassen, in denen sie darlegt, inwieweit sie die einzelnen Umstände der Zuwiderhandlung berücksichtigt, die für die Bestimmung der Geldbuße erheblich sind, einschließlich des Gesamtumsatzes des betroffenen Unternehmens und des Umsatzes, der auf dem von dem Kartell betroffenen Markt erzielt wurde.

383    Die Methode der Berechnung gemäß den Leitlinien von 2006 und die Rolle der verschiedenen dabei berücksichtigten Umstände werden von den Klägerinnen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nicht beanstandet.

384    Im vorliegenden Fall wurden bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße bei der H&R-Gruppe 17 % und bei ExxonMobil 18 % des auf dem von dem Kartell betroffenen Markt erzielten Umsatzes berücksichtigt. Wegen des hohen Gesamtumsatzes von ExxonMobil und des geringen Anteils, den der auf den von dem Kartell betroffenen Märkten erzielte Umsatz davon ausmachte, hat die Kommission zur Gewährleistung einer angemessenen abschreckenden Wirkung gemäß Ziff. 30 der Leitlinien von 2006 ferner einen Koeffizienten von 2 festgesetzt. Im Übrigen hat sie bei jedem Unternehmen, das sich an dem Kartell beteiligt hat, dafür Sorge getragen, dass der Gesamtbetrag der Geldbuße 10 % seines Umsatzes nicht übersteigt, wie Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 dies verlangt.

385    Mithin hat die Kommission den zwischen der Situation von ExxonMobil und derjenigen der Klägerinnen bestehenden Unterschieden auf mehreren Stufen der Berechnung der Geldbuße Rechnung getragen und diese Unternehmen insofern differenziert behandelt.

386    Ebenso hat die Kommission ihre eigenen Leitlinien und die einschlägige Rechtsprechung beachtet, wonach es zulässig ist, sowohl den Gesamtumsatz des Unternehmens zu berücksichtigen als auch den Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt worden ist, hinsichtlich deren die Zuwiderhandlung begangen wurde. In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die insoweit erheblichen Gesichtspunkte schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewertet.

387    Schließlich ist bei ExxonMobil und H&R die zwischen dem Grundbetrag und dem Gesamtumsatz des Konzerns bestehende Differenz hinsichtlich des Anteils allein darauf zurückzuführen, dass die Umsätze mit Produkten, die zu den von dem Kartell betroffenen Märkten gehörten, bei ExxonMobil einen weitaus geringeren Anteil am Umsatz ausmachen als bei H&R. Die Klägerinnen können aber nicht geltend machen, dass die Geldbuße unverhältnismäßig oder diskriminierend ist, indem sie willkürlich eine bei der Berechnung der Geldbuße zu berücksichtigende Größe und einen Zwischenwert dieser Berechnung herausgreifen, die zueinander nicht in unmittelbarer Beziehung stehen, weder nach den Leitlinien von 2006 noch nach der Rechtsprechung.

388    Somit ist die vorliegende Rüge der Klägerinnen, der Betrag der gegen sie verhängten Geldbuße sei diskriminierend unverhältnismäßig, zurückzuweisen.

389    Im Übrigen hält das Gericht, soweit hilfsweise auch die Herabsetzung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße beantragt wird, diese in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in Anbetracht der Schwere und der Dauer der begangenen Zuwiderhandlung für angemessen.

390    Nach den vorstehenden Ausführungen ist der fünfte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

6.     Zum sechsten Klagegrund: fehlerhafte Ermittlung der Dauer der Zuwiderhandlung

391    Hilfsweise gegenüber dem ersten und dem zweiten Klagegrund machen die Klägerinnen ferner geltend, dass die Kommission fälschlicherweise festgestellt habe, dass ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung vom 1. Januar 2001 bis 28. April 2005 gedauert habe. Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 2001 bis 14. Januar 2004 habe die Kommission nur für ein einziges Treffen, an dem die Klägerinnen teilgenommen hätten, nämlich das Treffen vom 17. und 18. Dezember 2002, feststellen können, dass Gespräche über Preise stattgefunden hätten. Unabhängig davon, dass sich die Klägerinnen an diesen Gesprächen über Preise nicht beteiligt hätten, habe die angebliche Zuwiderhandlung, an der sie sich beteiligt hätten, frühestens am 17. Dezember 2002 beginnen können. Daher beantragen sie, den Zeitraum ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung zu berichtigen und den Betrag der gegen sie verhängten Geldbuße entsprechend herabzusetzen.

392    Dieser Klagegrund ist in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. Wie sich aus der Prüfung des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes ergibt, hat die Kommission zutreffend festgestellt, dass sich die Klägerinnen zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 28. April 2005 am Haupttatkomplex beteiligt hatten (vgl. oben, Rn. 236).

393    Folglich ist der sechste Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage, soweit sie auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung gerichtet ist, abzuweisen.

394    In Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung stellt das Gericht fest, dass die Klägerinnen weder einen Fehler noch eine Unregelmäßigkeit in der angefochtenen Entscheidung dargelegt haben, die die Herabsetzung des Betrags der gegen sie verhängten Geldbuße rechtfertigten. Auch ist in Anbetracht aller Umstände des Falles, insbesondere der Schwere und der Dauer der von den Klägerinnen begangenen Zuwiderhandlung, der Betrag der gegen sie verhängten Geldbuße angemessen.

395    Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

396    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Hansen & Rosenthal KG und die H&R Wax Company Vertrieb GmbH tragen ihre eigenen Kosten sowie die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten.

Czúcz

Labucka

Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Dezember 2014.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt

1.  Verwaltungsverfahren und Erlass der angefochtenen Entscheidung

2.  Struktur der H&R-Gruppe und Verbindungen zwischen ihr und Tudapetrol

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

1.  Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Art. 81 EG und 253 EG aufgrund angeblich undifferenzierter Begründung der angefochtenen Entscheidung sowie Verletzung der Verteidigungsrechte

Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung der Art. 81 EG und 253 EG

Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung der Verteidigungsrechte

2.  Zum zweiten Klagegrund: keine Zuwiderhandlung der Klägerinnen gegen Art. 81 EG

Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: keine Beweise, die die Beteiligung der Klägerinnen an Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen zur Festlegung der Preise für Paraffinwachse belegen

Zu den Begriffen „Vereinbarung“ und „abgestimmte Verhaltensweise“

Zu den Grundsätzen der Beweiswürdigung

Zur angefochtenen Entscheidung

Allgemeine Würdigung der Beweise, die das Vorliegen einer von den Klägerinnen begangenen Zuwiderhandlung stützen

–  Unternehmenserklärungen

–  Schriftliche Beweise

–  Zur Anwesenheit von H&R Wax Company Vertrieb bei den technischen Treffen und zu ihrer fehlenden Distanzierung von dem wettbewerbswidrigen Inhalt

–  Zur behaupteten Öffentlichkeit der ausgetauschten Informationen

–  Zur behaupteten Nichtberücksichtigung des Ergebnisses der technischen Treffen durch die Klägerinnen

–  Zur Diversität der Produkte

–  Zum behaupteten Fehlen eines gesonderten Nachweises hinsichtlich des Haupttatkomplexes

–  Schlussfolgerung zur Gesamtwürdigung der Beweise

Zum Zeitpunkt des Beginns der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung

Zum Vorbringen der Klägerinnen zu bestimmten technischen Treffen

Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Fehlen eines gemeinsamen Ziels

Zum dritten Teil des zweiten Klagegrundes: Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG auf den Informationsaustausch im Rahmen der technischen Treffen

Zum vierten Teil des zweiten Klagegrundes: fehlende Beteiligung an einem Austausch wirtschaftlich sensibler Informationen

3.  Zum dritten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Anwendung der Leitlinien von 2006

4.  Zum vierten Klagegrund: fehlerhafte Berechnung des Umsatzes der Klägerinnen für die Jahre 2002 bis 2004

Vorbemerkungen

Zu dem für die Jahre 2002 und 2003 festgestellten Umsatz

Zur Berechnung des Umsatzes für 2004 und zur Berücksichtigung der „Auslandsgesellschaften“

Zur Berücksichtigung der Umsätze von H&R Sales, die 2004 erworben wurde, bei der Berechnung des Umsatzes

Zur behaupteten doppelten Berücksichtigung des Umsatzes der „Auslandsgesellschaften“

5.  Zum fünften Klagegrund: ermessensfehlerhafte Feststellung der Schwere der Zuwiderhandlung

Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aufgrund der Festlegung eines Koeffizienten von 17 % sowohl für die Schwere der Zuwiderhandlung als auch zur Abschreckung

Zum Vorbringen, die Höhe der Geldbuße sei im Hinblick auf die Größe der H&R-Gruppe diskriminierend unverhältnismäßig

6.  Zum sechsten Klagegrund: fehlerhafte Ermittlung der Dauer der Zuwiderhandlung

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.