Language of document : ECLI:EU:C:2021:116

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PRIIT PIKAMÄE

vom 11. Februar 2021(1)

Rechtssache C901/19

CF,

DN

gegen

Bundesrepublik Deutschland

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden‑Württemberg [Deutschland])

„Richtlinie 2011/95/EU – Mindestnormen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus – Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz – Art. 2 Buchst. f – Tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens – Art. 15 Buchst. c – Ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts – Beurteilung des Grads willkürlicher Gewalt“






1.        Wie ist der Grad willkürlicher Gewalt eines bewaffneten Konflikts zu messen, um einen Antrag auf subsidiären Schutz auf der Grundlage von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU(2) zu beurteilen? Kann die Gewährung eines solchen Schutzes von der Erfüllung eines vorgelagerten quantitativen Kriteriums abhängig gemacht werden, das sich auf eine Mindestzahl von Opfern, Verwundeten oder Toten im Kampfgebiet im Verhältnis zu der vor Ort anwesenden Bevölkerung bezieht, oder setzt sie von vornherein eine sowohl quantitative als auch qualitative Gesamtwürdigung aller diesen bewaffneten Konflikt kennzeichnenden Aspekte voraus?

2.        Das sind die in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfenen Fragen, was dem Gerichtshof Gelegenheit gibt, seine unter der Geltung der Richtlinie 2004/83/EG(3) ergangene Rechtsprechung zu präzisieren.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

3.        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2011/95 heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚internationaler Schutz‘ die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus im Sinne der Buchstaben e und g;

b)      ‚Person, der internationaler Schutz zuerkannt wurde‘ eine Person, der die Flüchtlingseigenschaft gemäß Buchstabe e oder der subsidiäre Schutzstatus gemäß Buchstabe g zuerkannt wurde;

f)      ‚Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz‘ einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Artikel 15 zu erleiden, und auf den Artikel 17 Absätze 1 und 2 keine Anwendung findet und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will;

…“

4.        Art. 4 („Prüfung der Tatsachen und Umstände“) der Richtlinie 2011/95 bestimmt u. a.:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können es als Pflicht des Antragstellers betrachten, so schnell wie möglich alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen. Es ist Pflicht des Mitgliedstaats, unter Mitwirkung des Antragstellers die für den Antrag maßgeblichen Anhaltspunkte zu prüfen.

(3)      Die Anträge auf internationalen Schutz sind individuell zu prüfen, wobei Folgendes zu berücksichtigen ist:

a)      alle mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag relevant sind …;

b)      die maßgeblichen Angaben des Antragstellers und die von ihm vorgelegten Unterlagen, einschließlich Informationen zu der Frage, ob er verfolgt worden ist bzw. verfolgt werden könnte oder einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. erleiden könnte;

c)      die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers, einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, um bewerten zu können, ob in Anbetracht seiner persönlichen Umstände die Handlungen, denen er ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden gleichzusetzen sind;

(4)      Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

…“

5.        Art. 15 der Richtlinie 2011/95 lautet:

„Als ernsthafter Schaden gilt

a)      die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder

b)      Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder

c)      eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.“

B.      Deutsches Recht

6.        Die Richtlinie 2011/95 ist durch das Asylgesetz (BGBl. 2008 I S. 1798, im Folgenden: AsylG) in deutsches Recht umgesetzt worden.

7.        § 4 Abs. 1 und 3 AsylG legt in Umsetzung der Art. 2 und 15 der Richtlinie 2011/95 die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz fest. In dieser Vorschrift heißt es:

„(1)      Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.      die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,

2.      Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder

3.      eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

…“

II.    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

8.        Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass es sich bei den Klägern des Ausgangsverfahrens um zwei afghanische Zivilpersonen aus der Provinz Nangarhar (Afghanistan) handelt, deren Asylanträge in Deutschland durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt wurden. Die vor den Verwaltungsgerichten Karlsruhe und Freiburg erhobenen Klagen blieben erfolglos. Vor dem Berufungsgericht, dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Deutschland), beantragten die Kläger, ihnen mangels Erlangung der Flüchtlingseigenschaft subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zu gewähren.

9.        In diesem Zusammenhang ersucht dieses Gericht um eine weitere Klärung der unionsrechtlichen Kriterien für die Gewährung von subsidiärem Schutz im Fall konfliktbedingter willkürlicher Gewalt zulasten der Zivilbevölkerung im Sinne von Art. 15 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2011/95. Der Gerichtshof habe sich dazu noch nicht geäußert, und die Rechtsprechung der anderen Gerichte zu dieser Frage sei uneinheitlich. Während teilweise eine umfassende Beurteilung auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen werde, stellten andere Ansätze primär auf die Prüfung der Anzahl ziviler Opfer ab.

10.      Das vorlegende Gericht weist insbesondere darauf hin, dass sich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Deutschland) zu § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 AsylG, der Art. 15 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2011/95 umsetze, im Hinblick auf die Feststellung, ob eine Person, die nicht aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei, ernsthaft und individuell bedroht sei, erheblich von der Rechtsprechung anderer Gerichte und insbesondere von der des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unterscheide, die sich auf eine Gesamtwürdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls stütze.

11.      Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts setze die Feststellung einer ernsthaften individuellen Bedrohung (bei Personen, die nicht aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen seien) notwendigerweise eine quantitative Bewertung des „Tötungs- und Verletzungsrisikos“ voraus, ausgedrückt durch das Verhältnis an Opfern zur Gesamtzahl der Bevölkerung in dem betreffenden Gebiet, wobei das ermittelte Verhältnis einen bestimmten Mindestwert erreichen müsse. Das Bundesverwaltungsgericht habe diesen Mindestwert zwar bislang nicht beziffert, aber entschieden, dass eine Wahrscheinlichkeit, verletzt oder getötet zu werden, von ca. 0,12 % oder 1 zu 800 pro Jahr weit unter dem erforderlichen Mindestwert liege. Nach dieser Rechtsprechung bedürfe es, wenn diese Wahrscheinlichkeitsschwelle nicht überschritten werde, keiner zusätzlichen Beurteilung der Intensität der Gefahr, und selbst eine Gesamtwürdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls könne nicht zur Feststellung einer ernsthaften individuellen Bedrohung führen.

12.      Sofern die ernsthafte individuelle Bedrohung in erster Linie von der Zahl ziviler Opfer abhängig wäre, müssten die Anträge der Kläger auf subsidiären Schutz daher nach Auffassung des vorlegenden Gerichts abgelehnt werden. Dagegen wäre bei einer Gesamtwürdigung, die auch andere risikoerzeugende Umstände berücksichtigen würde, das derzeitige Ausmaß der Gewalt in der Provinz Nangarhar so hoch, dass die Kläger, die keinen Zugang zu Schutz innerhalb des Landes hätten, allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet ernsthaft bedroht wären.

13.      Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Gerichtshof zwar bereits in seinem Urteil vom 17. Februar 2009, Elgafaji (C‑465/07, im Folgenden: Urteil Elgafaji, EU:C:2009:94), entschieden habe, dass bei einer Person, die nicht aufgrund von Umständen, die ihrer persönlichen Situation innewohnten, spezifisch betroffen sei, eine ernsthafte individuelle Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Fall eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 der Richtlinie 2011/95 ausnahmsweise als erwiesen angesehen werden könne, wenn der den Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme bestünden, dass diese Person allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Der Gerichtshof habe sich jedoch nicht zu den Kriterien für die Bestimmung des erforderlichen Grads an Gewalt geäußert.

14.      Unter diesen Umständen hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stehen Art. 15 Buchst. c und Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2011/95 der Auslegung und Anwendung einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegen, wonach eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts (in dem Sinne, dass eine Zivilperson allein durch ihre Anwesenheit im betroffenen Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein) in denjenigen Fällen, in denen diese Person nicht aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist, nur vorliegen kann, wenn eine Mindestzahl an bereits zu beklagenden zivilen Opfern (Tote und Verletzte) festgestellt worden ist?

2.      Falls Frage 1 bejaht wird: Ist die Beurteilung, ob eine Bedrohung in diesem Sinne eintreten wird, auf Grundlage einer umfassenden Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen? Wenn nicht: Welche anderen unionsrechtlichen Anforderungen bestehen an diese Beurteilung?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

15.      Die deutsche, die französische und die niederländische Regierung sowie die Europäische Kommission haben in der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2020, in der auch die Kläger des Ausgangsverfahrens angehört wurden, schriftliche und mündliche Erklärungen abgegeben.

IV.    Würdigung

A.      Vorbemerkungen

16.      Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof nach der Auslegung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95, die die Richtlinie 2004/83 mit Wirkung vom 21. Dezember 2013 aufgehoben und ersetzt hat. Unstreitig hat diese Normänderung zu keiner Änderung der gesetzlichen Regelung für die Gewährung von subsidiärem Schutz geführt, nicht einmal bei der Nummerierung der betreffenden Bestimmungen. So hat Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 exakt denselben Wortlaut wie Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83.

17.      Insoweit ist die Feststellung interessant, dass dieser Art. 15 der Richtlinie 2004/83 immerhin eine der drei Bestimmungen war, die in Art. 37 dieser Richtlinie genannt waren, der die Kommission verpflichtete, dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie zu erstatten und gegebenenfalls Änderungen vorzuschlagen(4). In diesem Zusammenhang wies die Kommission in einer Mitteilung vom 17. Juni 2008 mit dem Titel „Künftige Asylstrategie – Ein integriertes Konzept für EU-weiten Schutz“(5) darauf hin, dass „unter anderem noch genauer zu klären [wäre], welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um für einen subsidiären Schutzstatus in Frage zu kommen, da der Wortlaut der jetzigen Bestimmungen sehr viel Interpretationsspielraum [lasse] und mithin zu einer unterschiedlichen Anwendung des Konzepts in den Mitgliedstaaten führ[e]“.

18.      Trotz dieser Feststellung und des wiederholten Ersuchens der konsultierten Stellen um eine Klarstellung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 wurde im Vorschlag vom 21. Oktober 2009 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz(6) schließlich ausgeführt, dass eine Änderung dieser Bestimmung angesichts der vom Gerichtshof im Urteil Elgafaji gefundenen Lösung nicht notwendig sei. Der Unionsgesetzgeber von 2011 ist diesem Vorschlag gefolgt und hat sich daher entschieden, den normativen Status quo aufgrund einer Rechtsprechung beizubehalten, die für die notwendige Klarheit sorgen sollte, die das vorlegende Gericht aber in Anbetracht des Wortlauts des Vorabentscheidungsersuchens für offensichtlich unzureichend hält. Die Intensität der Erörterung in der mündlichen Verhandlung zeigt zudem, dass dieses Gericht nicht das einzige ist, das die Bedeutung des in Rede stehenden Urteils hinterfragt.

B.      Zur Tragweite der Vorlagefragen

19.      In der mündlichen Verhandlung haben auf Initiative der niederländischen Regierung tatsächlich ausgiebige Erörterungen über die Antwort, die auf die zweite Vorlagefrage zu geben ist, stattgefunden, und zwar im Hinblick auf die genaue Bedeutung eines bestimmten Punktes des Urteils Elgafaji. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in jenem Urteil den Anwendungsbereich von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 klarstellen wollte, der einen der drei ernsthaften Schäden definiert, deren Vorliegen zur Folge hat, dass der Person, die ihnen ausgesetzt ist, subsidiärer Schutz zu gewähren ist.

20.      So hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass der in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 genannte Fall, der in „einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit“ des Antragstellers besteht, „eine Schadensgefahr allgemeinerer Art [umfasst]“ als die in Buchst. a und b dieses Artikels genannten Fälle. In dieser Hinsicht ist in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 in einem weiteren Sinne von „eine[r] … Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson statt von bestimmten Gewalteinwirkungen die Rede“. Diese Bedrohung ergibt sich aus einer allgemeinen Lage eines innerstaatlichen bewaffneten oder internationalen Konflikts, die eine als „willkürlich“ eingestufte Gewalt hervorruft, was impliziert, dass sie sich auf Personen „ungeachtet ihrer persönlichen Situation“ erstrecken kann(7). Daraus folgt, dass die Einstufung als ernsthafte individuelle Bedrohung nicht voraussetzt, dass der Antragsteller auf subsidiären Schutz beweist, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist.

21.      Die objektive Feststellung einer Gefahr, die mit der allgemeinen Lage im Zusammenhang steht, reicht jedoch allein grundsätzlich nicht aus, um den Tatbestand des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 als erfüllt anzusehen. Nach Auffassung des Gerichtshofs kann das Vorliegen der in dieser Bestimmung genannten Bedrohungen ausnahmsweise festgestellt werden, „wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt … ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein“(8).

22.      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich daher, dass die Anwendung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 keine Prüfung der persönlichen Situation des Antragstellers erfordert, zumindest nicht in einem ersten Schritt. In Anbetracht der Notwendigkeit einer systematischen Auslegung im Vergleich zu den beiden anderen in Art. 15 Buchst. a und b der Richtlinie 2011/95 genannten Situationen hat der Gerichtshof nämlich in Rn. 39 des Urteils Elgafaji hinzugefügt, dass „der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist“.

23.      Sowohl in ihren schriftlichen Erklärungen als auch in der mündlichen Verhandlung hat die niederländische Regierung vorgetragen, dass die vorgenannte Randnummer im Widerspruch zum Tenor dieses Urteils stehe, wonach die Anwendung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 nicht voraussetze, dass der Antragsteller beweise, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei. Wenn dieser Bestimmung nicht die praktische Wirksamkeit genommen werden solle, könne sie nur die Beurteilung einer Schadensgefahr auf der Grundlage der alleinigen Berücksichtigung materieller und objektiver Umstände allgemeiner Art ohne jegliche Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Schutzsuchenden betreffen. Dieser Analyse tritt die Kommission entgegen, die in Rn. 39 des Urteils Elgafaji den Ausdruck des Konzepts einer „gleitenden Skala“ oder „degressiven Skala“(9) sieht, das neben den oben genannten Umständen auch individuelle, für die betreffende Person spezifische Faktoren umfassen könne.

24.      Ich für meinen Teil bin der Auffassung, dass der Wortlaut von Rn. 39 des Urteils Elgafaji aus sich heraus eindeutig ist und dass die folgende Randnummer das von der Kommission vorgetragene Verständnis bestätigt(10). In dieser Rn. 40 weist der Gerichtshof nämlich auf die Möglichkeit hin, bei der Prüfung des Antrags auf subsidiären Schutz den Umstand zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits verfolgt wurde, einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder in dieser Hinsicht unmittelbar bedroht war. Er ist der Ansicht, dass diese in der Vergangenheit liegende Beeinträchtigung insbesondere ein ernsthafter Hinweis auf die tatsächliche Gefahr ist, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95 zu erleiden, ein Hinweis, „angesichts dessen der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, geringer sein kann“. Somit zeigt sich, dass Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 in Verbindung mit Art. 4 dieser Richtlinie zu lesen ist, wie im Folgenden zu sehen sein wird, und dass Umstände persönlicher Art gegebenenfalls bei der Beurteilung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne der erstgenannten Bestimmung berücksichtigt werden können.

25.      Jedenfalls ist diese Erörterung meines Erachtens im Rahmen der dem vorlegenden Gericht zu gebenden Antwort nicht relevant, soweit es darum geht, dass diese für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von Nutzen sein soll. Es ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht im Anschluss an die Feststellung, dass den Klägern nach den nationalen Vorschriften zur Umsetzung von Art. 15 Buchst. a und b der Richtlinie 2011/95 kein subsidiärer Schutz gewährt werden könne, zunächst ausführt, dass sie auch nicht aufgrund ihrer persönlichen Umstände von der willkürlichen Gewalt, die in der Provinz herrsche, im Sinne des Urteils Elgafaji – auf dessen Rn. 39 es ausdrücklich verweist – spezifisch betroffen seien(11).

26.      Das vorlegende Gericht weist sodann darauf hin, dass es aufgrund einer Gesamtwürdigung der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan und damit aufgrund anderer Umstände als solcher, die die Person der Kläger beträfen, überzeugt sei, dass diese im Fall ihrer Rückkehr in die Provinz Nangarhar dort tatsächlich Gefahr laufen würden, allein durch ihre Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung durch die konfliktbedingte willkürliche Gewalt ausgesetzt zu sein(12), so dass sie sich in der in Rn. 35 des Urteils Elgafaji definierten Lage befänden. Die Tragweite der Vorlagefragen beschränkt sich somit auf die Bestimmung von Kriterien zur Beurteilung des Ausmaßes willkürlicher Gewalt des bewaffneten Konflikts, die nicht persönlicher Natur sind. In diesem Zusammenhang setzt die vom Gerichtshof erwartete Antwort zur Auslegung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 meines Erachtens keine Erörterung der Bedeutung von Rn. 39 des Urteils Elgafaji voraus(13).

27.      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt, dass das vorlegende Gericht Zweifel an der Auslegung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 hegt und gerade eine weitere Klärung der Kriterien erreichen möchte, die im Unionsrecht für die Voraussetzungen der Gewährung subsidiären Schutzes im Fall willkürlicher Gewalt gelten, die durch einen bewaffneten Konflikt zulasten der Zivilbevölkerung hervorgerufen wird. Es ist der Auffassung, dass diese Fragen auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht eindeutig beantwortet werden könnten, weil sich der Gerichtshof im Urteil Elgafaji zu den genannten Kriterien nicht geäußert habe. Im Licht dieser Ausführungen sind die Vorlagefragen zu verstehen, deren Zusammenhang wegen der mehrdeutigen Formulierung der zweiten Frage Schwierigkeiten bereiten könnte.

28.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 in Verbindung mit ihrem Art. 2 Buchst. f dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Praxis entgegensteht, wonach die Feststellung einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Sinne dieser Bestimmung in Fällen, in denen diese Person nicht aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist, voraussetzt, dass das Verhältnis der Zahl der getöteten oder verwundeten Opfer in dem betreffenden Gebiet zur Gesamtzahl der Bevölkerung dieses Gebiets eine bestimmte Schwelle erreicht(14).

29.      Für den Fall, dass diese erste Frage zu bejahen ist und demzufolge eine Gesamtwürdigung der verschiedenen Umstände erforderlich ist, die die betreffende Situation kennzeichnen, möchte das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Frage vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, welche Art von Umständen für die Annahme, dass die oben genannte Bedrohung vorliegt, als relevant angesehen werden können.

C.      Zur ersten Vorlagefrage

30.      Aus Art. 18 der Richtlinie 2011/95 in Verbindung mit der Definition des Begriffs „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ in Art. 2 Buchst. f und des Begriffs „subsidiärer Schutzstatus“ in Art. 2 Buchst. g dieser Richtlinie ergibt sich, dass der in dieser Richtlinie vorgesehene subsidiäre Schutzstatus grundsätzlich allen Drittstaatsangehörigen bzw. allen Staatenlosen zu gewähren ist, die bei ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland oder in das Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr laufen, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 dieser Richtlinie zu erleiden(15). Unter den drei in Art. 15 der Richtlinie 2011/95 definierten Arten eines ernsthaften Schadens ist in Buchst. c die ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts aufgeführt.

31.      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden(16). Daher bedarf es einer wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 in Verbindung mit ihrem Art. 2 Buchst. f unter Berücksichtigung der für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits maßgeblichen bisherigen Rechtsprechung. Diese Prüfung muss meines Erachtens zu der Schlussfolgerung führen, dass die Gewährung von subsidiärem Schutz nicht die Feststellung voraussetzt, dass eine Mindestschwelle an Opfern erreicht wurde – einer Schlussfolgerung, die durch eine Analyse der zu Art. 3 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) und durch die Empfehlungen des EASO gestützt wird.

1.      Wörtliche Auslegung

32.      Ich halte es für angebracht, darauf hinzuweisen, dass die betreffenden Bestimmungen der Richtlinie 2011/95 eine für den Antragsteller auf internationalen Schutz bestehende „tatsächliche Gefahr“ zum Gegenstand haben, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, der als ernsthafte individuelle Bedrohung „des Lebens oder der Unversehrtheit“ einer Zivilperson definiert wird. Der Begriff „tatsächliche Gefahr“ bezieht sich auf den Beweismaßstab, der an die faktische Bewertung der Gefahr angelegt wird, und entspricht einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der nicht auf eine bloße Möglichkeit reduziert werden kann. Eine Zählung der zivilen Opfer in einem bestimmten Gebiet erscheint in dieser Hinsicht nicht als ein spekulativer, sondern im Gegenteil als ein an der Realität orientierter Faktor, der mithin geeignet ist, die erforderliche Gefahr zu kennzeichnen. Aus der Bezugnahme auf die Bedrohung „des Lebens oder der Unversehrtheit“ einer Zivilperson lässt sich ableiten, dass die Zahl der zivilen Todesopfer nicht der einzige relevante Parameter ist, weil dieser Begriff auch andere Beeinträchtigungen der physischen oder sogar der psychischen(17) Integrität umfassen kann.

33.      Diese Erwägungen mögen zwar in der Tat von Interesse sein, aber eine wörtliche Auslegung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 in Verbindung mit ihrem Art. 2 Buchst. f ist offenbar nicht geeignet, eine ausreichende und eindeutige Antwort auf die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage geben zu können.

2.      Systematische Auslegung

34.      Nach ständiger Rechtsprechung muss jede Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus auf einer individuellen Prüfung beruhen, deren Ziel es ist, festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines solchen Status vorliegen. Aus der vom Unionsgesetzgeber geschaffenen Regelung über die Gewährung des einheitlichen Asyl- oder subsidiären Schutzstatus ergibt sich somit, dass die von Art. 4 der Richtlinie 2011/95 geforderte Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz klären soll, ob der Antragsteller – oder gegebenenfalls die Person, in deren Namen er den Antrag stellt – begründete Furcht davor hat, persönlich verfolgt zu werden, oder persönlich tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden(18).

35.      Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95 zählt die Gesichtspunkte auf, die die zuständigen Behörden bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz berücksichtigen müssen, darunter „alle mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen, die … relevant sind“(19). Genau auf diesen Text hat sich der Gerichtshof im Urteil Elgafaji gestützt, um festzustellen, dass bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf subsidiären Schutz „insbesondere“ das geografische Ausmaß der Lage willkürlicher Gewalt sowie der tatsächliche Zielort des Antragstellers bei einer Rückkehr in das betroffene Land berücksichtigt werden können, wie sich aus Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie ergibt.

36.      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die zuständige nationale Behörde, falls dem Antragsteller im Wohnsitzgebiet seines Herkunftslandes kein Schutz zur Verfügung steht, gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 prüfen muss, ob es einen anderen sicheren Landesteil gibt. Die zuständige nationale Behörde kann entscheiden, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, wenn es in seinem Herkunftsland einen Teil des Hoheitsgebiets gibt, in dem er keine begründete Furcht vor Verfolgung hat oder keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden vorhanden ist. Im Rahmen dieser Beurteilung sieht Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95 vor, dass die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die „dortigen allgemeinen Gegebenheiten“ und die persönlichen Umstände des Antragstellers gemäß Art. 4 dieser Richtlinie berücksichtigen.

37.      Nach meiner Auffassung spricht eine Zusammenschau der Art. 4, 8 und 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 daher für die Lösung, wonach eine Gesamtbetrachtung der in Rede stehenden Konfliktsituation erforderlich ist, bei der eine Vielzahl von auf derselben Ebene angesiedelten Faktoren berücksichtigt werden, eine Lösung, die der Gerichtshof meines Erachtens im Urteil vom 30. Januar 2014, Diakité (C‑285/12, EU:C:2014:39), bestätigt hat, ohne ausdrücklich auf die ersten beiden Bestimmungen Bezug zu nehmen.

38.      Nachdem der Gerichtshof die Bedeutung und Tragweite des Begriffs „bewaffneter Konflikt“ im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 bestimmt hatte, führte er aus, dass ein solcher Konflikt nur dann zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen kann, wenn der Grad willkürlicher Gewalt, der diesen Konflikt kennzeichnet, das im Urteil Elgafaji geforderte Maß erreicht. Ferner vertrat er die Auffassung, dass der Nachweis des Vorliegens eines bewaffneten Konflikts keine spezifische Beurteilung der Intensität dieser Auseinandersetzungen erfordere, die unabhängig von derjenigen sei, die dazu diene, den oben genannten Grad an Gewalt zu messen. Zur Veranschaulichung und Klarstellung seines Ansatzes hat der Gerichtshof mehrere konkrete Umstände aufgezählt, die für die Messung des in einem bestimmten Gebiet herrschenden Grads an Gewalt nützlich sind und bei denen er die Notwendigkeit einer autonomen Prüfung zum Nachweis des Bestehens eines Konflikts verneint, nämlich die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts. Aus dem Urteil Diakité ist die indirekte und implizite Lehre zu ziehen, dass die Beurteilung des Intensitätsgrads willkürlicher Gewalt nicht auf das alleinige und vorgelagerte quantitative Kriterium der Zahl der Opfer im Verhältnis zur Bevölkerung in einem bestimmten Gebiet beschränkt werden kann(20).

3.      Teleologische Auslegung

39.      Als Erstes ergibt sich aus dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95, dass eines ihrer wesentlichen Ziele darin besteht, zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich internationalen Schutz benötigen(21).

40.      In Anbetracht dieses Ziels dürfte es vorrangig sein, eine einheitliche Auslegung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen. Genauer gesagt sollte, wie es im 13. Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt, „[d]ie Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes … dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.“ Die Gewährung von subsidiärem Schutz davon abhängig zu machen, dass zuvor eine einseitig und nach dem Ermessen der zuständigen nationalen Behörden festgelegte Mindestzahl von Opfern erreicht wurde, könnte diesem Ziel jedoch zuwiderlaufen.

41.      Wie die französische Regierung zu Recht hervorhebt, könnten Antragsteller auf internationalen Schutz in der Tat veranlasst werden, das erste Land, in dem sie angekommen sind, zu verlassen, um sich in andere Mitgliedstaaten zu begeben, die eine solche Mindestschwelle nicht anwenden oder deren Schwellenanforderungen niedriger sind, und so eine Sekundärmigration auslösen, die die Richtlinie 2011/95 durch eine Angleichung der Vorschriften über die Anerkennung und den Inhalt des Status des subsidiären Schutzes verhindern soll. Soweit ein solches Ergebnis auf einen Unterschied zwischen den Rechtsrahmen der Mitgliedstaaten zurückzuführen wäre, stünde es meines Erachtens in direktem Gegensatz zu dem im 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95 genannten Ziel und würde den betreffenden Bestimmungen dieser Richtlinie weitgehend ihre praktische Wirksamkeit nehmen.

42.      Als Zweites geht aus den Erwägungsgründen 5, 6 und 24 der Richtlinie 2011/95 hervor, dass durch die Mindestkriterien für die Gewährung des subsidiären Schutzes die Möglichkeit geschaffen werden soll, die in dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge festgelegte Schutzregelung für Flüchtlinge dadurch zu ergänzen, dass die Personen, die tatsächlich internationalen Schutz benötigen, bestimmt werden und ihnen ein angemessener Status verliehen wird(22). Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 und damit auch der Anwendungsbereich des Mechanismus des subsidiären Schutzes ist daher im Hinblick auf das ausdrückliche Ziel dieser Richtlinie auszulegen, denjenigen internationalen Schutz zu gewähren, die ihn tatsächlich benötigen.

43.      Meines Erachtens wirft jedoch eine Auslegung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95, die sich auf die Anwendung eines quantitativen Kriteriums beschränkt, das auf der notwendigen und vorherigen Feststellung des Erreichens einer Schwelle von Opfern beruht, in dieser Hinsicht erhebliche Schwierigkeiten auf. Ich stelle fest, dass die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen zwar von einem objektiven, geeigneten und überprüfbaren Kriterium spricht, aber einen diese Schwierigkeiten aufzeigenden Auszug aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zitiert, wonach eine „jedenfalls annäherungsweise  quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und andererseits der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden“, erforderlich ist.

44.      Dieser Auszug macht ein zweifaches statistisches Problem deutlich, nämlich das der Sammlung zuverlässiger und genauer Daten sowohl über die Zahl der zivilen Opfer als auch über die Zahl der Personen, die sich im Land oder in dem betreffenden Gebiet aufhalten und mit gewaltsamen Auseinandersetzungen konfrontiert sind, wobei solche Auseinandersetzungen unweigerlich zu panikartigen Bevölkerungsverschiebungen führen. Dies wirft die Frage auf, ob objektive und unabhängige Informationsquellen vorhanden sind, die eine größtmögliche Nähe zu den Kampfhandlungen aufweisen, um die betreffenden Daten zuverlässig zu erfassen(23). Als ebenso schwierig wird es sich naturgemäß erweisen, über die Zahl der Opfer und die vor Ort anwesende Bevölkerung hinaus objektive, zuverlässige und gebührend aktualisierte Informationen über die örtlichen Gegebenheiten zu erhalten, die einen bewaffneten Konflikt kennzeichnen. Meines Erachtens lässt sich aber nicht bestreiten, dass es nicht der am besten geeignete Weg ist, diejenigen Personen zu bestimmen, die tatsächlich internationalen Schutz benötigen, indem man die Gewährung von subsidiärem Schutz von der vorherigen Erfüllung eines einzigen quantitativen Kriteriums abhängig macht, dessen Zuverlässigkeit seinerseits fragwürdig ist.

45.      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die in der Vorlageentscheidung beschriebene Methode darin besteht, eine Verhältniszahl zu ermitteln, nämlich das Verhältnis zwischen der Zahl der Opfer in dem betreffenden Gebiet und der Gesamtzahl der Bevölkerung dieses Gebiets. Dieses Verhältnis wird sodann als ausreichend oder nicht ausreichend angesehen, je nachdem, ob es über oder unter einem Schwellenwert liegt, der einseitig und nach eigenem Ermessen von der zuständigen nationalen Behörde festgelegt wird, ohne dass dieser Schwellenwert als solcher überhaupt erwähnt wird, was meines Erachtens weit davon entfernt ist, einem Kriterium gleichzukommen, das als objektiv gelten kann(24). Diese Methode muss von derjenigen unterschieden werden, die lediglich auf die Gesamtzahl der Opfer abstellt, einen Zahlenwert, der, sofern er hinreichend zuverlässig ist, einer der objektiven Anhaltspunkte für den Grad willkürlicher Gewalt in einem bewaffneten Konflikt ist.

46.      Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung des subsidiären Schutzes eine Person gemäß Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2011/95 vor der tatsächlichen Gefahr ernsthafter Schäden bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland bewahren soll, was voraussetzt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass für die betreffende Person bei einer Rückkehr in dieses Land eine solche Gefahr bestünde(25). Somit besteht die von der zuständigen nationalen Behörde durchzuführende Prüfung offenbar darin, eine hypothetische zukünftige Situation zu beurteilen, was notwendigerweise eine Art Prognose voraussetzt.

47.      Diese notwendigerweise dynamische Prüfung darf sich meines Erachtens nicht allein auf eine quantitative Untersuchung einer Opferzahl im Verhältnis zu einer bestimmten Bevölkerung beschränken, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ermittelt wurde, der mehr oder weniger weit von dem Zeitpunkt entfernt ist, zu dem die nationale Behörde oder das Gericht eine Entscheidung zu treffen hat(26). Die Beurteilung des Bedürfnisses nach internationalem Schutz muss auch nicht quantifizierbare Gesichtspunkte einbeziehen können, wie z. B. jüngste Entwicklungen eines bewaffneten Konflikts, die, auch ohne bereits zu einem Anstieg der Opferzahlen geführt zu haben, signifikant genug sind, um die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für die Zivilbevölkerung zu begründen(27).

4.      Zur Auslegung der Richtlinie 2011/95 im Hinblick auf den Schutz der Grundrechte

48.      Wie dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95 zu entnehmen ist, sind bei der Auslegung ihrer Bestimmungen die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) anerkannten Rechte zu achten(28), wobei das vorlegende Gericht insoweit in seinem Vorabentscheidungsersuchen auf Art. 4 der Charta verweist.

49.      Zu diesem Art. 4 weisen die Erläuterungen zur Charta – die im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta als Anleitung für die Auslegung der Charta verfasst wurden und von den Gerichten sowohl der Union als auch der Mitgliedstaaten gebührend zu berücksichtigen sind – ausdrücklich darauf hin, dass das Recht nach diesem Art. 4 dem Recht entspricht, das durch den gleichlautenden Art. 3 EMRK garantiert ist: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“ Nach Art. 52 Abs. 3 der Charta hat deren Art. 4 also die gleiche Bedeutung und Tragweite wie Art. 3 EMRK(29).

50.      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil Elgafaji in seiner Antwort auf die Frage des vorlegenden Gerichts nach dem Verhältnis zwischen dem in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 vorgesehenen Schutz und dem durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Schutz klargestellt hat, dass Art. 15 Buchst. c dieser Richtlinie einen Fall subsidiären Schutzes aufführt, der nicht dem durch Art. 3 EMRK garantierten Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung entspricht und daher unter Wahrung der durch die EMRK garantierten Grundrechte autonom auszulegen ist(30).

51.      In diesem Zusammenhang ist die Feststellung interessant, dass der EGMR deutlich gemacht hat, er sei nicht „überzeugt“, dass Art. 3 EMRK keinen Schutz gewähre, der mit dem nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 vergleichbar sei. Der EGMR hat ausgeführt, die in der letztgenannten Bestimmung und die in Art. 3 EMRK festgelegte Schwelle könne unter außergewöhnlichen Umständen als Konsequenz einer Situation genereller Gewalt erreicht werden, die eine solche Intensität aufweise, dass jede Person, die in die fragliche Region zurückverbracht werde, allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort gefährdet wäre(31). Angesichts dieser Ähnlichkeit der Prüfung kann die Rechtsprechung des EGMR zur Beurteilung des Grads allgemeiner Gewalt offenbar Anhaltspunkte für eine Antwort auf die im vorliegenden Fall zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen geben. Unstreitig beruht die von diesem Gericht gewählte Methode auf einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Faktoren, die von Fall zu Fall unterschiedlich sein können und sich nicht auf einen quantitativen Aspekt reduzieren lassen(32).

52.      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Feststellung des Vorliegens eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 eine komplexe Gesamtanalyse aller relevanten Tatsachen voraussetzt, die geeignet sind, das Vorliegen (oder Fehlen) einer willkürlichen Gewalt zu kennzeichnen, deren Grad so hoch ist, dass für die Zivilbevölkerung die tatsächliche Gefahr besteht, durch ihre bloße Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Eine Mindestzahl von Opfern im Verhältnis zu einer bestimmten Bevölkerung ist keine Vorbedingung für die Gewährung subsidiären Schutzes.

53.      Diese Auslegung wird durch die Berichte des EASO gestützt(33), die den Gerichten empfehlen, bei der Beurteilung des Ausmaßes der Gewalt einen sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht umfassenden und integrativen Ansatz zu verfolgen und eine breite Palette relevanter Variablen zu berücksichtigen, ohne sich auf eine rein quantitative Untersuchung der Zahl der zivilen Todesopfer und Verwundeten zu beschränken(34). Das EASO verweist in diesem Zusammenhang auf Entscheidungen des EGMR und nationaler Gerichte, um – offensichtlich mit Bedauern – festzustellen, dass der Gerichtshof „den Gerichten nicht hilft, zu wissen, wie sie vorgehen sollen“, was uns zur zweiten Vorlagefrage führt.

D.      Zur zweiten Vorlagefrage

54.      Wie bereits ausgeführt, ist sich das vorlegende Gericht nicht sicher, wie Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 auszulegen ist, und ersucht um weitere Klarstellungen zu den Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung, weil es die Begründung im Urteil Elgafaji insoweit für unzureichend hält. Dieses Bedauern bzw. diese Kritik findet sich auch in einem Teil der Lehre und in der Untersuchung des EASO wieder, das der Ansicht ist, dass der Gerichtshof „keine Hinweise zu den Kriterien für die Beurteilung des Ausmaßes der Gewalt in einem bewaffneten Konflikt gegeben hat“(35).

55.      Hier geht es um das besonders heikle Problem der Unterscheidung zwischen der Aufgabe des Gerichtshofs, das Unionsrecht in einer Vorabentscheidungssache auszulegen, und der Anwendung dieses Rechts, die grundsätzlich den nationalen Gerichten obliegt, einer Unterscheidung, die manchmal schwer zu erfassen ist und deren Umsetzung eine genaue Analyse des betreffenden Vorabentscheidungsersuchens und seines Rechtsprechungskontexts erfordert.

56.      Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Buchst c der Richtlinie 2011/95, der einen sehr allgemeinen Rechtsbegriff enthält, wobei darauf hinzuweisen ist, dass dieser Text das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Mitgliedstaaten ist, die es offensichtlich den Gerichten überlassen wollten, die genauen Konturen dieses Begriffs zu bestimmen. Insoweit hat der Gerichtshof im Urteil Elgafaji eine Auslegung dieses Begriffs vorgenommen, die ihrerseits in Anbetracht des Wortlauts des Tenors dieser Entscheidung als weit bezeichnet werden kann. Dieser Tenor enthält zudem in Bezug auf den Grad willkürlicher Gewalt, der den Konflikt kennzeichnet, die Formulierung „nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden … oder der Gerichte eines Mitgliedstaats“, eine Formulierung, die üblicherweise die Absicht des Gerichtshofs zum Ausdruck bringt, es dem vorlegenden Gericht zu überlassen, die tatsächlichen Gegebenheiten zu beurteilen, von denen das Ergebnis der Anwendung dieses Auslegungsurteils abhängt. Diese Auslegung ist – zumindest implizit – im Urteil Diakité(36) ergänzt worden, in dem der Gerichtshof die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, den Organisationsgrad der beteiligten Streitkräfte und die Dauer des Konflikts als Faktoren aufgeführt hat, die bei der Beurteilung der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 zu berücksichtigen sind.

57.      Gleichwohl bleibt festzustellen, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen(37) sowie die Anmerkungen der Lehre und des EASO zeigen, dass die vom Gerichtshof vorgenommenen Klarstellungen als unzureichend empfunden oder gar nicht erst wahrgenommen werden, was auf eine mangelnde Klarheit der betreffenden Urteile hindeuten könnte. Mir persönlich fällt es in der Tat schwer, anzuerkennen, dass es eine hinreichend ausgereifte Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs der tatsächlichen Gefahr ernsthafter Schäden im Sinne der oben genannten Bestimmung geben soll. Da dieser Begriff den Anwendungsbereich eines Falles der Gewährung von subsidiärem Schutz nach Unionsrecht bestimmt, erscheint es angebracht, seine Auslegung zu präzisieren. Durch zusätzliche Angaben zu den Umständen, die bei der Anwendung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 berücksichtigt werden können, würde der Gerichtshof eine einheitliche Anwendung dieser Bestimmung in der Union fördern und damit dem im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95 genannten Ziel nachkommen, den Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien vorzugeben.

58.      In dieser Hinsicht könnte sich der Gerichtshof, wenn er seine Rechtsprechung präzisieren wollte, nutzbringend auf die Entscheidungen des EGMR stützen, der darauf hingewiesen hat, dass die Situation allgemeiner Gewalt im Hinblick darauf beurteilt werden kann, ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken der Kriegsführung anwenden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder sich direkt gegen Zivilpersonen richten, ob die Konfliktparteien solche Methoden üblicherweise anwenden oder nicht, ob die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden und wie viele zivile Opfer infolge der Kämpfe getötet, verwundet oder vertrieben wurden. Der EGMR hat klargestellt, dass es sich bei diesen Kriterien nicht um eine abschließende Liste handelt, die in allen Fällen anzuwenden ist(38). Außerdem stellen diese Kriterien zwar grundsätzlich eine Reihe relevanter Indizien dar, dürfen aber nur berücksichtigt werden, wenn sie auf zuverlässigen und aktuellen Daten aus den verschiedensten unabhängigen und objektiven Quellen beruhen(39).

59.      Um diese Kriterien herauszuarbeiten, hat sich der EGMR unmittelbar auf eine Entscheidung des britischen Asyl- und Einwanderungsgerichts bezogen(40). In dieser Hinsicht kombinieren die nationalen Gerichte verschiedene Faktoren, um den Grad an Gewalt in dem betreffenden Land oder der betreffenden Region zu messen. Eine Analyse der Rechtsprechung mehrerer Mitgliedstaaten(41) ergibt, dass auch folgende Faktoren berücksichtigt werden: die Zahl der toten und verwundeten zivilen Opfer in den maßgeblichen geografischen Gebieten, die durch den bewaffneten Konflikt verursachte Vertreibung, die Methoden und Taktiken der Kriegsführung und ihre Folgen für die Zivilbevölkerung, die Menschenrechtsverletzungen, die Fähigkeit des Staates oder der Organisationen, die das betreffende Gebiet kontrollieren, Zivilpersonen zu schützen, und die von internationalen Organisationen geleistete Hilfe. Die große Vielfalt der von den nationalen Behörden geprüften Kriterien zeigt, dass die meisten nationalen Behörden die Methode der Gesamtwürdigung heranziehen, wenn sie über einen Antrag auf subsidiären Schutz entscheiden, der dem in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 genannten Fall entspricht. Dieser umfassende und dynamische Ansatz erfordert eine komplexe Analyse sämtlicher relevanten Daten, die von den nationalen Behörden erhoben werden. Die im Antrag auf subsidiären Schutz genannten Umstände dürfen mit anderen Worten nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen miteinander kombiniert werden, um festzustellen, ob eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 vorliegt.

60.      Abschließend stellt sich als letzte Frage die, ob die vom Gerichtshof zu Recht erwartete Klarstellung in Bezug auf die Beurteilung des erforderlichen Grads an Gewalt in Gestalt einer deutlicher formulierten, aber nach wie vor allgemeinen Auslegung zum Ausdruck kommen sollte oder aber in Gestalt einer Aufzählung konkreter Anhaltspunkte für die Beurteilung der Intensität des Konflikts, wie sie in den vorliegenden Schlussanträgen genannt wurden, wenn auch unter Wahrung einer gewissen Allgemeinheit. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob eine dieser beiden Möglichkeiten verhindern kann, dass dem Gerichtshof weitere Vorabentscheidungsfragen zum Begriff der tatsächlichen Gefahr, ernsthaften Schaden zu erleiden, im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 vorgelegt werden, bevorzuge aber die zweite Lösung, die nicht nur in einer bloßen Wiederholung und Ergänzung der vom Gerichtshof bereits genannten Beurteilungskriterien besteht(42), aber natürlich auch keine abschließende Aufzählung darstellt.

V.      Ergebnis

61.      Im Licht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die beiden vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 15 Buchst. c in Verbindung mit Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Praxis entgegensteht, nach der die Feststellung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Sinne dieser Vorschrift in einem Fall, in dem diese Zivilperson nicht aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist, voraussetzt, dass das Verhältnis zwischen der Zahl der Opfer in dem betreffenden Gebiet und der Gesamtzahl der Bevölkerung dieses Gebiets eine bestimmte Schwelle erreicht.

2.      Die Überprüfung des Niveaus des Grads willkürlicher Gewalt des bewaffneten Konflikts zum Zweck der Feststellung, ob die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 besteht, erfordert eine sowohl quantitative als auch qualitative Gesamtwürdigung aller relevanten Tatsachen, die diesen Konflikt kennzeichnen, auf der Grundlage der Sammlung objektiver, zuverlässiger und aktueller Daten, wie insbesondere des geografischen Ausmaßes der Lage willkürlicher Gewalt, des tatsächlichen Zielorts des Antragstellers bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder Gebiet, der Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Dauer des Konflikts, des Organisationsgrads der beteiligten Streitkräfte, der Zahl der infolge der Kampfhandlungen getöteten, verwundeten oder vertriebenen Zivilpersonen und der Art der von den Krieg führenden Parteien angewandten Methoden oder Taktiken der Kriegsführung.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9).


3      Richtlinie des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2004, L 304, S. 12).


4      Es wurde die Auffassung vertreten, dass dieser Art. 37 der Richtlinie 2004/83 die Vorstellung des Unionsgesetzgebers von den möglichen Schwierigkeiten bei der Auslegung von Art. 15 dieser Richtlinie widerspiegele, der mehrdeutig und das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Mitgliedstaaten sei (Périlleux, J., „L’interprétation de la notion de ‚conflit armé interne‘ et de ‚violence aveugle‘ de la protection subsidiaire: le droit international humanitaire est-il une référence obligatoire?“, Revue belge de droit international 2009/1, Bruylant, S. 113 bis 143).


5      KOM(2008) 360 endgültig.


6      KOM(2009) 551 endgültig.


7      Urteil Elgafaji, Rn. 33 und 34.


8      Urteil Elgafaji, Rn. 43.


9      Diesen Ansatz vertritt auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) in seinen Berichten vom Januar 2015 mit dem Titel „Article 15, point c), de la directive qualification aux conditions que doivent remplir les demandeurs d’asile (2011/95/EU) – Analyse judiciaire“ (S. 26 und 27) und vom April 2018 mit dem Titel „Conditions à remplir pour bénéficier de la protection internationale“ (S. 31). Dieses Konzept der gleitenden oder degressiven Skala lässt sich wie folgt darstellen: Entweder hat man es mit Gebieten zu tun, in denen das Ausmaß willkürlicher Gewalt so hoch ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, den in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 genannten ernsthaften Bedrohungen ausgesetzt zu sein; oder man hat es mit Gebieten zu tun, in denen eine willkürliche Gewalt stattfindet, die jedoch ein solches Ausmaß nicht erreicht und für die zusätzliche individuelle Umstände dargelegt werden müssten. Diese Unterscheidung wird insbesondere in Frankreich durch die Cour nationale du droit d’asile (CNDA) (Nationales Gericht für Asylsachen) getroffen (Entscheidung der CNDA in der Besetzung mit neun Richtern [grande formation] vom 19. November 2020, M.N., Nr. 19009476, Punkt 10).


10      Außerdem hat der Gerichtshof seinen Standpunkt im Urteil vom 30. Januar 2014, Diakité (C‑285/12, EU:C:2014:39, Rn. 31), unmissverständlich bekräftigt.


11      Vgl. Rn. 13 der Vorlageentscheidung.


12      Vgl. Rn. 14 bis 20 der Vorlageentscheidung.


13      Die Fragen des vorlegenden Gerichts fallen in den Anwendungsbereich von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95, den die niederländische Regierung uneingeschränkt anerkennt und sogar für den einzig in Betracht kommenden hält.


14      In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der deutschen Regierung im Wesentlichen ausgeführt, dass das vorlegende Gericht die in seinem Beschluss angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht richtig erfasst habe, und auf eine Entscheidung dieses Gerichts vom 20. Mai 2020 verwiesen, die Klarstellungen enthalte, die dem Ansatz einer systematischen Anwendung eines vorgelagerten quantitativen Kriteriums als Ausschlussfaktor für den subsidiären Schutz widersprächen. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die Zuständigkeit des Gerichtshofs darauf beschränkt, sich anhand der Sach- und Rechtslage, wie sie das vorlegende Gericht dargestellt hat, zur Auslegung oder zur Gültigkeit des Unionsrechts zu äußern, um diesem Gericht sachdienliche Hinweise für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu geben (Urteil vom 28. Juli 2016, Kratzer, C‑423/15, EU:C:2016:604, Rn. 27), während jede Beurteilung des Sachverhalts und des nationalen Rechts in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts fällt (Urteil vom 19. September 2019, Lovasné Tóth, C‑34/18, EU:C:2019:764, Rn. 42). Im Übrigen besteht kein Zweifel am Fortbestand des Ausgangsrechtsstreits, weil das vorlegende Gericht eine Entscheidung zu erlassen hat, bei der das im Vorabentscheidungsverfahren ergangene Urteil des Gerichtshofs berücksichtigt werden kann.


15      Urteil vom 23. Mai 2019, Bilali (C‑720/17, EU:C:2019:448, Rn. 36).


16      Urteil vom 10. September 2014, Ben Alaya (C‑491/13, EU:C:2014:2187, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).


17      Die letztgenannte Annahme wird nicht durch alle Sprachfassungen von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 gestützt. So heißt es in der spanischen Sprachfassung: „las amenazas graves e individuales contra la vida o la integridad física de un civil …“.


18      Urteil vom 4. Oktober 2018, Ahmedbekova (C‑652/16, EU:C:2018:801, Rn. 48 und 49).


19      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2018, F (C‑473/16, EU:C:2018:36, Rn. 33).


20      Urteil vom 30. Januar 2014, Diakité (C‑285/12, EU:C:2014:39, Rn. 30, 32 und 35).


21      Urteil vom 23. Mai 2019, Bilali (C‑720/17, EU:C:2019:448, Rn. 35).


22      Urteil vom 30. Januar 2014, Diakité (C‑285/12, EU:C:2014:39, Rn. 33).


23      In dieser Hinsicht verlangt Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95 von den Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des EASO, eingeholt werden.


24      In der Vorlageentscheidung wird auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. November 2011 Bezug genommen, in dem dieses Gericht den Standpunkt vertrat, dass eine Wahrscheinlichkeit, verletzt oder getötet zu werden, von ca. 0,12 % oder ca. 1 zu 800 pro Jahr den erforderlichen Mindestwert deutlich verfehle bzw. nur ein Schadensrisiko begründe, das so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt sei, dass sich die Nichtberücksichtigung weiterer Umstände im Ergebnis nicht auszuwirken vermöge. Unstreitig sind weder die maßgebliche Wahrscheinlichkeitsschwelle noch – was zwangsläufig damit einhergeht – die Gründe, die zur Festlegung einer solchen Schwelle geführt haben, erläutert worden. Man wird sich daher fragen dürfen, warum ein Verhältnis von 1 zu 800 pro Jahr als nicht ausreichend angesehen wird, eine willkürliche Gewalt von bestimmter Intensität zu kennzeichnen.


25      Vgl. entsprechend Urteil vom 24. April 2018, MP (Subsidiärer Schutz eines Opfers früherer Folterungen) (C‑353/16, EU:C:2018:276, Rn. 31).


26      Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60) die Tragweite des dem Schutzsuchenden zuerkannten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf definiert, indem er klarstellt, dass die durch diese Richtlinie gebundenen Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass das Gericht, bei dem die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz angefochten wird, „eine umfassende Ex-nunc-Prüfung [vornimmt], die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz … beurteilt wird“. Durch die Wendung „ex nunc“ wird hervorgehoben, dass das Gericht verpflichtet ist, eine Beurteilung vorzunehmen, bei der gegebenenfalls neue, nach Erlass der angefochtenen Entscheidung aufgetretene Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Das Adjektiv „umfassend“ bestätigt seinerseits, dass das Gericht verpflichtet ist, sowohl die Gesichtspunkte zu prüfen, die die Asylbehörde berücksichtigt hat oder hätte berücksichtigen können, als auch die Gesichtspunkte, die nach Erlass ihrer Entscheidung aufgetreten sind (Urteil vom 12. Dezember 2019, Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal [Familienzusammenführung – Schwester des Flüchtlings], C‑519/18, EU:C:2019:1070, Rn. 52).


27      Zu denken ist etwa an einen kürzlich erfolgten Bruch eines Waffenstillstandsabkommens mit anschließendem Eindringen bewaffneter Truppen in ein bestimmtes Gebiet, das zu einer Massenvertreibung der Zivilbevölkerung führt.


28      Urteil vom 1. März 2016, Alo und Osso (C‑443/14 und C‑444/14, EU:C:2016:127, Rn. 29).


29      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Mai 2014, Spasic (C‑129/14 PPU, EU:C:2014:586, Rn. 54).


30      Urteil Elgafaji, Rn. 28 und 44.


31      EGMR, 28. Juni 2011, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:2011:0628JUD000831907, § 226).


32      EGMR, 28. Juni 2011, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:2011:0628JUD000831907, § 241).


33      Urteil vom 13. September 2018, Ahmed (C‑369/17, EU:C:2018:713, Rn. 56).


34      Berichte des EASO vom Januar 2015 mit dem Titel „Article 15, point c), de la directive qualification aux conditions que doivent remplir les demandeurs d’asile (2011/95/EU) – Analyse judiciaire“ (vgl. insbesondere S. 33 bis 35) und vom April 2018 mit dem Titel „Conditions à remplir pour bénéficier de la protection internationale“ (vgl. insbesondere S. 32).


35      Vgl. u. a. Boutruche-Zarevac, „The Court of Justice of the EU and the Common European Asylum System: Entering the Third Phase of Harmonisation?“, (2009‑2010) 12 CYELS 53, 63, und den EASO-Bericht vom Januar 2015 mit dem Titel „Article 15, point c), de la directive qualification aux conditions que doivent remplir les demandeurs d’asile (2011/95/EU) – Analyse judiciaire“ (vgl. insbesondere S. 33 bis 35).


36      Urteil vom 30. Januar 2014 (C‑285/12, EU:C:2014:39).


37      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die darin geäußerten Zweifel insofern Auslegungsfragen betreffen, als das Vorabentscheidungsersuchen nicht darauf abzielt, die korrekte Anwendung des Begriffs der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 auf ganz konkrete Sachverhalte des Ausgangsrechtsstreits zu bestimmen, sondern vielmehr die Kriterien zu klären, von denen sich die Auslegung dieses Begriffs leiten lassen muss, und zwar wegen einer zu allgemein gehaltenen ursprünglichen Auslegung. Wir haben es also mit einem Vorabentscheidungsersuchen zu tun, das die Auslegung der vom Gerichtshof im Urteil Elgafaji vorgenommenen Auslegung zum Gegenstand hat.


38      EGMR, 28. Juni 2011, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:2011:0628JUD000831907, § 241).


39      Auf diese Anforderung weist der EGMR häufig hin. So hat er in seinem Urteil vom 23. August 2016, J.K. u. a./Schweden (CE:ECHR:2016:0823JUD005916612), betont, dass „bei der Beurteilung der Bedeutung, die den Daten über das betreffende Land beizumessen ist, deren Quelle, insbesondere ihre Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit und Objektivität, zu berücksichtigen sind. Soweit es um die Berichte geht, sind die Autorität und der Ruf des Verfassers, die Ernsthaftigkeit der zugrunde liegenden Untersuchungen, die Kohärenz ihrer Schlussfolgerungen und ihre Bestätigung durch andere Quellen ebenfalls relevante Faktoren.“


40      Asylum and Immigration Tribunal, 25. November 2011, AMM and others, UKUT 445.


41      Eine Untersuchung der Rechtsprechung in verschiedenen Mitgliedstaaten findet sich im Anhang des vom EASO erstellten Berichts mit dem Titel „Article 15, point c), de la directive qualification aux conditions que doivent remplir les demandeurs d’asile (2011/95/EU) – Analyse judiciaire“ (Januar 2015).


42      Ich möchte betonen, dass es sich in der Tat um Auslegungskriterien handelt, die den nationalen Gerichten bei der Beurteilung der tatsächlichen Umstände eines jeden Einzelfalls zur Lösung der ihnen vorliegenden Streitigkeiten als Richtschnur dienen sollen.