Language of document : ECLI:EU:T:2012:1

BESCHLUSS DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

9. Januar 2012(*)

„Nichtigkeitsklage – Staatliche Beihilfen – Verträge über den Verkauf von Wohnungen im Rahmen der Privatisierung von öffentlichen Wohnungen in Neubrandenburg – Beschwerde – Nicht anfechtbare Handlung – Unzulässigkeit – Untätigkeitsklage“

In der Rechtssache T‑407/09

Neubrandenburger Wohnungsgesellschaft mbH mit Sitz in Neubrandenburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Núñez‑Müller und J. Dammann,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B. Martenczuk und K. Gross als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Bavaria Immobilien Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Objekte Neubrandenburg KG mit Sitz in Berlin (Deutschland),

und

Bavaria Immobilien Trading GmbH & Co. Immobilien Leasing Objekt Neubrandenburg KG mit Sitz in Berlin,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt C. von Donat,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission, die in dem Schreiben vom 29. Juli 2009 enthalten sein soll, in dem erklärt wird, dass bestimmte von der Klägerin abgeschlossene Verträge über den Verkauf von Wohnungen im Rahmen der Privatisierung von öffentlichen Wohnungen in Neubrandenburg nicht unter Art. 87 Abs. 1 EG fallen, und wegen Feststellung, dass die Kommission im Sinne von Art. 232 EG untätig geblieben ist, da sie nicht nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) Stellung zu diesen Verträgen genommen hat,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung der Richter S. Papasavvas, V. Vadapalas und K. O’Higgins (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Neubrandenburger Wohnungsgesellschaft mbH, ist eine kommunale Eigengesellschaft nach deutschem Recht, deren Gesellschaftsanteile zu 100 % von der Stadt Neubrandenburg (Deutschland) gehalten werden. Sie verfolgt das Ziel einer ausreichenden Wohnungsversorgung in der Stadt Neubrandenburg nebst Umland.

2        Die Klägerin ist Eigentümerin einer Reihe von Grundstücken in Neubrandenburg, auf denen insgesamt zwölf Mietshäuser mit 557 Wohnungen stehen.

3        Um die Unterhaltskosten dieser sanierungsbedürftigen Immobilien und die mit den Altschulden aus den Zeiten der ehemaligen DDR verbundenen Lasten beherrschbar zu machen, schloss die Klägerin am 21. Januar 1998 mehrere langfristige Verträge (im Folgenden: fragliche Verträge) mit fünf mit der ehemaligen Berliner Bankgesellschaft verbundenen Unternehmen, darunter auch die Streithelferinnen – die Bavaria Immobilien Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Objekte Neubrandenburg KG und die Bavaria Immobilien Trading GmbH & Co. Immobilien Leasing Objekt Neubrandenburg KG. Zu den fraglichen Verträgen gehörten u. a. ein Erbbaurechtsvertrag, ein Generalverwaltervertrag, ein Globalpauschalvertrag und Übernahmeverträge. Diese Verträge wurden nicht vorab bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften angemeldet.

4        Mit Schreiben vom 30. März 2007 legte die Klägerin bei der Kommission in Bezug auf staatliche Beihilfen in Höhe von rund 23 Mio. Euro, die sie durch die fraglichen Verträge gewährt haben soll, eine auf Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) gestützte Beschwerde ein. Sie beantragte die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG (jetzt Art. 108 Abs. 2 AEUV).

5        Die Kommission leitete eine Untersuchung ein und übermittelte die Beschwerde der Bundesrepublik Deutschland. Mit Schreiben vom 6. August 2007 richtete sie dann ein Auskunftsersuchen an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Alle Antworten dieses Ministeriums wurden der Klägerin übermittelt, die dazu am 5. November 2007, 26. Februar 2008, 15. Juli 2008, 30. September 2008, 18. Dezember 2008 und 6. März 2009 Stellung nahm.

6        Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 forderte die Klägerin die Kommission gemäß Art. 232 Abs. 2 EG auf, binnen zwei Monaten, also bis zum 4. August 2009, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten.

7        Mit Schreiben vom 29. Juli 2009 (im Folgenden: angefochtenes Schreiben) antwortete die Kommission u. a.:

„Die Dienststellen der Kommission haben eigenständig die Marktüblichkeit der streitgegenständlichen Verträge überprüft und kommen zu derselben Schlussfolgerung wie das [nationale] Gericht, dass keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 EGV vorliegt. Zusätzlich [be]ziehen die Dienststellen der Kommission eine Cashflow-Analyse in ihre Argumentation mit ein, aus der sich rechnerisch die Marktüblichkeit der Verträge nachweisen lässt.

Ausgangspunkt für die Bewertung der Marktüblichkeit der Verträge ist für die Dienststellen der Kommission eine gemeinsame Betrachtung der Verträge. Denn [sie] nehmen. … gegenseitig Bezug aufeinander und wären nicht unabhängig voneinander geschlossen worden. Es handelt sich dabei eindeutig um ein zusammenhängendes Finanzierungsgeschäft in Form von ‚sale-and-le[a]se-back‘.“

8        In dem Abschnitt „Schlussfolgerung“ des angefochtenen Schreibens führte die Kommission aus:

„Die zuständigen Dienststellen der Generaldirektion [GD] Wettbewerb sind daher der vorläufigen Auffassung, dass die streitgegenständlichen Verträge, die Gegenstand [der] Beschwerde sind, keine staatlichen Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag beinhalten.

Dies ist jedoch keine endgültige Feststellung der Kommission, sondern lediglich eine vorläufige Einschätzung der GD Wettbewerb, die sich auf die derzeit verfügbaren Informationen stützt.

Sollten wir weitere zweckdienliche Informationen, die substanziell neue Fakten beinhalten und nicht bereits getätigte Aussagen wiederholen, von [der Klägerin] erhalten, könnte dies zu einer Neubewertung des Sachverhaltes führen. Derartige Informationen sollten uns zusammen mit einer nichtvertraulichen Fassung derselben bis spätestens einen Monat nach Datum dieses Schreibens vorliegen. Ansonsten gilt [die] Beschwerde als zurückgezogen.“

9        Die Klägerin antwortete auf das angefochtene Schreiben mit Schreiben vom 26. August 2009, in dem sie die von der Kommission vorgenommene Würdigung des Sachverhalts beanstandete und die Kommission aufforderte, das förmliche Prüfverfahren binnen zwei Wochen, also bis zum 9. September 2009, einzuleiten.

10      Die Kommission wies die Klägerin mit Schreiben vom 15. September 2009 darauf hin, dass deren Schreiben vom 26. August 2009 wegen der Urlaubszeit und der hohen Arbeitsbelastung noch nicht bearbeitet worden sei. Sie stellte der Klägerin jedoch in Aussicht, dass ihr nach einer Analyse ihrer Ausführungen in den nächsten Wochen eine Stellungnahme zugehen werde, und bat sie um Mitteilung, ob sie mit diesem Vorgehen einverstanden sei.

11      Mit Schreiben vom 22. September 2009 teilte die Klägerin mit, dass sie mit dem von der Kommission vorgeschlagenen Vorgehen nicht einverstanden sei; sie warf ihr vor, dass sie das Verfahren verzögern wolle, und wies darauf hin, dass der zuständige Sachbearbeiter der Kommission nicht in Urlaub sei.

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

12      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 9. Oktober 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

13      Die Kommission hat mit besonderem Schriftsatz, der am 21. Dezember 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

14      Die Bavaria Immobilien Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Objekte Neubrandenburg KG und die Bavaria Immobilien Trading GmbH & Co. Immobilien Leasing Objekt Neubrandenburg KG haben mit am 3. Februar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts hat diese Streithilfe mit Beschluss vom 28. April 2010 zugelassen.

15      Die Klägerin hat am 19. Februar 2010 Stellung zur Einrede der Unzulässigkeit genommen.

16      Die Klägerin beantragt,

–        die im angefochtenen Schreiben enthaltene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, gemäß Art. 232 EG festzustellen, dass die Kommission es rechtswidrig unterlassen hat, das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten;

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17      Die Kommission beantragt in ihrer Einrede der Unzulässigkeit,

–        die Nichtigkeitsklage als unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Untätigkeitsklage für unzulässig zu erklären;

–        der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

18      In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit beantragt die Klägerin, diese Einrede zurückzuweisen.

19      Die Streithelferinnen beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die gesamten Kosten einschließlich der Kosten der Streithelferinnen aufzuerlegen.

20      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Fünften Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

21      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht den Parteien Fragen gestellt, die sie fristgemäß beantwortet haben.

 Rechtliche Würdigung

22      Nach Art. 114 §§ 1 und 4 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Einrede der Unzulässigkeit entscheiden. Gemäß Art. 114 § 3 wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, auf der Grundlage des Akteninhalts ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

23      Die Kommission stützt ihre Anträge auf zwei Unzulässigkeitsgründe, nämlich erstens das Fehlen einer anfechtbaren Handlung im Sinne von Art. 230 EG und zweitens eine fehlerhafte Durchführung des in Art. 232 EG vorgesehenen Vorverfahrens. Außerdem sei die Klage insgesamt unzulässig, da die Klägerin nicht klagebefugt sei.

24      Zunächst ist der Antrag auf Nichtigerklärung und, sollte dieser unzulässig sein, sodann der Antrag auf Feststellung einer Untätigkeit zu prüfen.

 Zum Antrag auf Nichtigerklärung

25      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Nichtigkeitsklage im Sinne von Art. 230 EG gegen alle Handlungen der Organe gegeben, die – unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder Form – dazu bestimmt sind, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung berühren (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juli 2008, Athinaïki Techniki/Kommission, C‑521/06 P, Slg. 2008, I‑5829, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Insbesondere auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission eine Entscheidung gemäß der Verordnung Nr. 659/1999 und gemäß Art. 88 Abs. 2 und 3 EG erlassen kann, ohne sie als solche zu bezeichnen. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Nichtigkeitsklagen für die Qualifizierung der angefochtenen Handlung auf ihr Wesen sowie auf die Absicht des Handelnden abzustellen ist. Eine anfechtbare Handlung ist demnach grundsätzlich eine Maßnahme, die den Standpunkt der Kommission beim Abschluss eines Verwaltungsverfahrens endgültig festlegt und verbindliche Rechtswirkungen erzeugen soll, die die Interessen des Klägers berühren, was Zwischenmaßnahmen, die der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung dienen und keine solche Wirkung haben, ausschließt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs Athinaïki Techniki/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnrn. 41 und 42, sowie vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑362/08 P, Slg. 2010, I‑669, Randnr. 52).

27      Dagegen ist die Form, in der eine Handlung oder eine Entscheidung ergeht, für die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage im Allgemeinen ohne Bedeutung. Somit wirkt es sich auf die Qualifizierung der angefochtenen Handlung grundsätzlich nicht aus, ob sie bestimmten formalen Anforderungen genügt, ob sie also vom Handelnden zutreffend bezeichnet wurde, hinreichend begründet ist oder die Rechtsgrundlage angibt. Daher ist es unerheblich, dass diese Handlung nicht als „Entscheidung“ bezeichnet wurde oder dass sie nicht auf die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 659/1999 Bezug nimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil Athinaïki Techniki/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnrn. 43 und 44 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Folglich ist festzustellen, ob die Kommission mit dem angefochtenen Schreiben unter Berücksichtigung seines Inhalts und ihrer Absicht beim Abschluss eines der in Art. 88 EG und in der Verordnung Nr. 659/1999 vorgesehenen Verfahren ihren Standpunkt zu den fraglichen Verträgen endgültig festgelegt hat.

29      Was die inhaltliche Auslegung des angefochtenen Schreibens betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass darin mehrfach, insbesondere in dem mit „Schlussfolgerung“ überschriebenen Abschnitt (vgl. oben Randnr. 8), erklärt wird, dass es keine endgültige Feststellung der Kommission sei. Zudem führt die Kommission aus, dass ihre Einschätzung sich auf die „bisher von der [Klägerin] vorgelegten Informationen“ und die „derzeit verfügbaren Informationen“ stütze und dass bestimmte Informationen erhebliche Lücken aufwiesen. Aus dem angefochtenen Schreiben geht hervor, dass die Kommission sich darauf beschränkt hat, ihre erste Analyse der fraglichen Verträge darzustellen, und die Klägerin zugleich aufgefordert hat, sich binnen einer Frist von einem Monat zu äußern, da die Beschwerde andernfalls als zurückgezogen gelte.

30      Im vorliegenden Fall kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass das angefochtene Schreiben verbindliche Rechtswirkungen erzeugt habe, die ihre Interessen durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung berührten. Aus dem Wortlaut des letzten Satzes des angefochtenen Schreibens – „[a]nsonsten gilt Ihre Beschwerde als zurückgezogen“ – kann, so bedauerlich er auch sein mag, nicht geschlossen werden, dass die Kommission entsprechend dem Vorbringen der Klägerin eine Entscheidung getroffen hätte, mit der die Voruntersuchung abgeschlossen und die Einleitung des in Art. 88 Abs. 2 EG vorgesehenen förmlichen Prüfverfahrens abgelehnt wurde. Vielmehr wurde weder zum Zeitpunkt des Versands des angefochtenen Schreibens noch bei Ablauf der in dem Schreiben gesetzten Frist von einem Monat eine Entscheidung getroffen, wobei die Klägerin am 26. August 2009 zu dem Schreiben Stellung genommen. hat. Die Kommission erklärte sich im Gegenteil bereit, ihren ursprünglichen Standpunkt zu überdenken, sollte sie von der Klägerin „weitere zweckdienliche Informationen, die substanziell neue Fakten beinhalten und nicht bereits getätigte Aussagen wiederholen“, erhalten.

31      Im Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem Urteil Athinaïki Techniki/Kommission (oben in Randnr. 25 angeführt) zugrunde liegt, kann das angefochtene Schreiben auch nicht dahin ausgelegt werden, dass es eine Entscheidung enthält, mit der das Beschwerdeverfahren eingestellt oder wonach die Untersuchung nicht fortgeführt wird. In diesem Schreiben beschränkt sich die Kommission darauf, ihren Standpunkt zu den fraglichen Verträgen darzulegen. Jedenfalls hätte eine etwaige Einstellungsentscheidung erst nach Prüfung der Stellungnahme der Klägerin vom 26. August 2009 erfolgen können, worauf die Kommission im Schreiben vom 15. September 2009 klar hingewiesen hat. In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit trägt die Klägerin vor, dass die Kommission nach dem Versand des angefochtenen Schreibens keine weitere „inhaltliche“ Stellungnahme abgegeben habe.

32      Im Übrigen ist zu den Umständen des Versands des angefochtenen Schreibens festzustellen, dass die Kommission in ihrer Mitteilung vom 15. September 2009 die Klägerin klar darauf hingewiesen hat, dass das Verwaltungsverfahren noch laufe, was übrigens in den Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts bestätigt worden ist, da die Kommission angegeben hat, dass das Verfahren bisher noch nicht eingestellt worden sei.

33      Unter diesen Umständen und angesichts der im angefochtenen Schreiben enthaltenen Ausführungen zur Vorläufigkeit der Stellungnahme kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Schreiben verbindliche Rechtswirkungen erzeugt und daher eine anfechtbare Handlung darstellt.

34      Somit ist festzustellen, dass es sich bei dem angefochtenen Schreiben weder aufgrund seines Inhalts noch aufgrund der Absicht seines Verfassers um eine nach Art. 230 EG anfechtbare Handlung handelt, ohne dass zur Klagebefugnis der Klägerin Stellung genommen werden muss.

35      Nach alledem ist die Nichtigkeitsklage als unzulässig abzuweisen.

 Zum Antrag auf Feststellung einer Untätigkeit

36      Mit ihrem hilfsweise gestellten Antrag auf Feststellung einer Untätigkeit beantragt die Klägerin, festzustellen, dass die Kommission gegen Art. 88 Abs. 2 EG und die Verordnung Nr. 659/1999 verstoßen hat, weil sie nicht das in Art. 88 EG vorgesehene förmliche Prüfverfahren eingeleitet hat, und dass sie daher im Sinne von Art. 232 EG untätig geblieben ist.

37      Nach ständiger Rechtsprechung beruht die in Artikel 232 EG vorgesehene Klagemöglichkeit darauf, dass bei rechtswidriger Untätigkeit des betreffenden Organs der Gerichtshof angerufen werden kann, um die Feststellung zu erwirken, dass die Unterlassung, wenn das Organ nicht doch noch tätig geworden ist, gegen den Vertrag verstößt. Um über die Begründetheit des Antrags auf Feststellung der Untätigkeit entscheiden zu können, ist zu prüfen, ob die Kommission zu dem Zeitpunkt, als sie nach Art. 232 EG zum Tätigwerden aufgefordert wurde, eine entsprechende Verpflichtung traf (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 19. Mai 2011, Ryanair/Kommission, T‑423/07, Slg. 2011, I‑0000, Randnrn. 25 und 26).

38      Gemäß Art. 232 Abs. 2 EG ist eine Untätigkeitsklage nur zulässig, wenn das in Frage stehende Organ zuvor aufgefordert worden ist, tätig zu werden. Diese Aufforderung an das Organ ist eine wesentliche Förmlichkeit. Sie setzt die Frist von zwei Monaten in Lauf, binnen deren das Organ Stellung zu nehmen hat, und gibt den Rahmen vor, innerhalb dessen eine Klage erhoben werden kann, wenn das Organ nicht Stellung nimmt. Die Aufforderung ist zwar an kein besonderes Formerfordernis gebunden, sie muss jedoch so klar und deutlich sein, dass die Kommission konkret erkennen kann, welchen Inhalt die beantragte Entscheidung haben soll und dass mit ihr beabsichtigt ist, sie zu einer Stellungnahme zu zwingen (Urteil des Gerichts vom 3. Juni 1999, TF1/Kommission, T‑17/96, Slg. 1999, II‑1757, Randnr. 41).

39      Das Schreiben vom 4. Juni 2009, in dem ausdrücklich auf Art. 232 EG und Art. 88 Abs. 2 EG Bezug genommen wird, erfüllt alle oben angeführten Voraussetzungen, um als Aufforderungsschreiben im Sinne von Art. 232 EG angesehen zu werden, mit dem der Erlass einer Entscheidung über die Beschwerde vom 30. März 2007 erreicht werden soll.

40      Aus den Akten geht jedoch hervor, dass die Kommission zur Aufforderung der Klägerin vom 4. Juni 2009, tätig zu werden, Stellung genommen hat, indem sie im angefochtenen Schreiben im Wesentlichen ausgeführt hat, dass die fraglichen Verträge nicht marktunüblich seien und es daher nicht erforderlich sei, eine förmliche Untersuchung einzuleiten. Auch eine Handlung, die nicht mit der Nichtigkeitsklage angefochten werden kann, kann eine die Untätigkeit beendende Stellungnahme darstellen, wenn sie Teil eines Verfahrens ist, das grundsätzlich zu einer ihrerseits mit der Nichtigkeitsklage anfechtbaren Rechtshandlung führen soll (Urteile des Gerichts vom 27. Juni 1995, Guérin automobiles/Kommission, T‑186/94, Slg. 1995, II‑1753, Randnr. 25, und vom 17. Februar 1998, Pharos/Kommission, T‑105/96, Slg. 1998, II‑285, Randnr. 43). Somit stellt das angefochtene Schreiben jedenfalls eine Stellungnahme im Sinne von Art. 265 AEUV dar.

41      Die Tatsache, dass die Kommission mit dem angefochtenen Schreiben der Klägerin nicht die von dieser gewünschte Antwort gegeben hat, ändert nichts daran, dass sie sich mit der von der Klägerin aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt und zu dieser Stellung genommen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 24. November 1992, Buckl u. a./Kommission, C‑15/91 und C‑108/91, Slg. 1992, I‑6061, Randnrn. 16 und 17, sowie Beschluss des Gerichts vom 20. Juni 2005, Deutsche Bahn/Kommission, T‑361/02, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

42      Eine Untätigkeit endet mit dem Zugang der Stellungnahme des Organs beim Urheber der Aufforderung (Urteil des Gerichts vom 27. Januar 2000, Branco/Kommission, T‑194/97 und T‑83/98, Slg. 2000, II‑69, Randnr. 55). Selbst wenn man im vorliegenden Fall von einer Untätigkeit der Kommission ausginge, hätte sie mit dem Zugang des angefochtenen Schreibens bei der Klägerin geendet. Die Klage ist somit unzulässig.

43      Sollte das Schreiben vom 26. August 2009 als erneute Aufforderung an die Kommission zum Tätigwerden zu verstehen sein, hätte die Klägerin, selbst wenn dieses Schreiben alle Voraussetzungen (vgl. oben, Randnr. 38) erfüllen würde, um die Frist von zwei Monaten – und nicht von zwei Wochen – in Lauf zu setzen, binnen deren das Organ Stellung zu nehmen hat, die Klage vom 9. Oktober 2009 vor Ablauf der Frist des Art. 265 Abs. 2 AEUV erhoben.

44      Folglich ist die Klage auf Feststellung, dass die Kommission es rechtswidrig unterlassen hat, das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten, als unzulässig abzuweisen.

45      Damit ist die Klage sowohl in Bezug auf den Hauptantrag als auch in Bezug auf den Hilfsantrag unzulässig, so dass sie insgesamt als unzulässig abzuweisen ist.

 Kosten

46      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

47      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen der Kommission und der Streithelferinnen ihre eigenen Kosten sowie deren Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Die Neubrandenburger Wohnungsgesellschaft mbH trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission, der Bavaria Immobilien Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Objekte Neubrandenburg KG und der Bavaria Immobilien Trading GmbH & Co. Immobilien Leasing Objekt Neubrandenburg KG.

Luxemburg, den 9. Januar 2012

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Papasavvas


* Verfahrenssprache: Deutsch.