Language of document : ECLI:EU:C:2024:240

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 14. März 2024(1)

Rechtssache C16/23

FA.RO. di YK & C. Sas

gegen

Agenzia delle Dogane e dei Monopoli,

Beteiligter:

JS

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Amministrativo Regionale per la Liguria [Regionales Verwaltungsgericht Ligurien, Italien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Dienstleistungen im Binnenmarkt – Richtlinie 2006/123/EG – Verkauf von Tabakerzeugnissen – Dienstleistungsmonopole – Genehmigungsregelung – Anforderungen an die Niederlassung von Dienstleistungserbringern – Nationale Regelung, die die Genehmigung von Verkaufsstellen für Monopolwaren beschränkt – Kriterien der Entfernung und der Bevölkerungsdichte – Schutz der öffentlichen Gesundheit vor der Nikotinsucht“






1.        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Vereinbarkeit der italienischen Regelung für den Einzelhandelsverkauf von Tabakerzeugnissen mit der Richtlinie 2006/123/EG(2).

2.        Die in Rede stehende Regelung verwendet restriktive, auf der geografischen Entfernung und der Bevölkerungsdichte beruhende Kriterien für die Genehmigung von Verkaufsstellen für Tabakerzeugnisse. Das vorlegende Gericht zweifelt, ob diese Kriterien mit der Richtlinie 2006/123 vereinbar sind.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht. Richtlinie 2006/123

3.        Art. 1 („Gegenstand“) bestimmt:

„(1)      Diese Richtlinie enthält allgemeine Bestimmungen, die bei gleichzeitiger Gewährleistung einer hohen Qualität der Dienstleistungen die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern sollen.

(2)      Diese Richtlinie betrifft weder die Liberalisierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die öffentlichen oder privaten Einrichtungen vorbehalten sind, noch die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, die Dienstleistungen erbringen.

(3)      Diese Richtlinie betrifft weder die Abschaffung von Dienstleistungsmonopolen noch von den Mitgliedstaaten gewährte Beihilfen, die unter die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften fallen.

Diese Richtlinie berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht festzulegen, welche Leistungen sie als von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erachten, wie diese Dienstleistungen unter Beachtung der Vorschriften über staatliche Beihilfen organisiert und finanziert werden sollten und welchen spezifischen Verpflichtungen sie unterliegen sollten.

…“

4.        Art. 2 („Anwendungsbereich“) sieht vor:

„…


(2)      Diese Richtlinie findet auf folgende Tätigkeiten keine Anwendung:

a)      nicht-wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse;

…“

5.        In Art. 4 („Begriffsbestimmungen“) heißt es:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

6.      ‚Genehmigungsregelung‘ jedes Verfahren, das einen Dienstleistungserbringer oder ‑empfänger verpflichtet, bei einer zuständigen Behörde eine förmliche oder stillschweigende Entscheidung über die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit zu erwirken;

7.      ‚Anforderungen‘ alle Auflagen, Verbote, Bedingungen oder Beschränkungen, die in den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegt sind oder sich aus der Rechtsprechung, der Verwaltungspraxis, den Regeln von Berufsverbänden oder den kollektiven Regeln, die von Berufsvereinigungen oder sonstigen Berufsorganisationen in Ausübung ihrer Rechtsautonomie erlassen wurden, ergeben; Regeln, die in von den Sozialpartnern ausgehandelten Tarifverträgen festgelegt wurden, sind als solche keine Anforderungen im Sinne dieser Richtlinie;

…“

6.        Art. 9 („Genehmigungsregelungen“) bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme und die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit nur dann Genehmigungsregelungen unterwerfen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a)      die Genehmigungsregelungen sind für den betreffenden Dienstleistungserbringer nicht diskriminierend;

b)      die Genehmigungsregelungen sind durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt;

c)      das angestrebte Ziel kann nicht durch ein milderes Mittel erreicht werden, insbesondere weil eine nachträgliche Kontrolle zu spät erfolgen würde, um wirksam zu sein.

…“


7.        Art. 10 („Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung“) legt fest:

„(1)      Die Genehmigungsregelungen müssen auf Kriterien beruhen, die eine willkürliche Ausübung des Ermessens der zuständigen Behörden verhindern.

(2)      Die in Absatz 1 genannten Kriterien müssen:

a)      nicht diskriminierend sein;

b)      durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;

c)      in Bezug auf diesen Grund des Allgemeininteresses verhältnismäßig sein;

d)      klar und unzweideutig sein;

e)      objektiv sein;

f)      im Voraus bekannt gemacht werden;

g)      transparent und zugänglich sein.

…“

8.        Art. 14 („Unzulässige Anforderungen“) sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet nicht von einer der folgenden Anforderungen abhängig machen:

5.      einer wirtschaftlichen Überprüfung im Einzelfall, bei der die Erteilung der Genehmigung vom Nachweis eines wirtschaftlichen Bedarfs oder einer Marktnachfrage abhängig gemacht wird, oder der Beurteilung der tatsächlichen oder möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Tätigkeit oder der Bewertung ihrer Eignung für die Verwirklichung wirtschaftlicher, von der zuständigen Behörde festgelegter Programmziele; dieses Verbot betrifft nicht Planungserfordernisse, die keine wirtschaftlichen Ziele verfolgen, sondern zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dienen;

…“

9.        Art. 15 („Zu prüfende Anforderungen“) bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnungen die in Absatz 2 aufgeführten Anforderungen vorsehen, und stellen sicher, dass diese Anforderungen die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen. Die Mitgliedstaaten ändern ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um sie diesen Bedingungen anzupassen.

(2)      Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnung die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von folgenden nicht diskriminierenden Anforderungen abhängig macht:

a)      mengenmäßigen oder territorialen Beschränkungen, insbesondere in Form von Beschränkungen aufgrund der Bevölkerungszahl oder bestimmter Mindestentfernungen zwischen Dienstleistungserbringern;

(3)      Die Mitgliedstaaten prüfen, ob die in Absatz 2 genannten Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen:

a)      Nicht-Diskriminierung: die Anforderungen dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei Gesellschaften – aufgrund des Orts des satzungsmäßigen Sitzes darstellen;

b)      Erforderlichkeit: die Anforderungen müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;

c)      Verhältnismäßigkeit: die Anforderungen müssen zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein; sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; diese Anforderungen können nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden, die zum selben Ergebnis führen.

…“

B.      Italienisches Recht

1.      Gesetz Nr. 1293/1957(3)

10.      Nach den Art. 16 ff. erfolgt die Vermarktung von Monopolwaren, zu denen auch Tabakwaren gehören, über gewöhnliche und besondere „Verkaufsstellen“ sowie über „Lizenzen“.

11.      Gewöhnliche Verkaufsstellen sind Läden, die sich auf öffentlichen Straßen befinden und speziell für den Verkauf von Tabak und anderen Monopolwaren bestimmt sind. Sie werden an Privatpersonen für eine Dauer von höchstens neun Jahren in Konzession vergeben(4).

12.      Besondere Verkaufsstellen werden zur Deckung eines Bedarfs an bestimmten Orten (Bahnhöfen, Häfen, Flughäfen, Raststätten, Einkaufszentren usw.) eingerichtet. Sie werden in der Regel an Privatpersonen für eine Dauer von höchstens neun Jahren in Konzession vergeben.

13.      Die ADM kann außerdem die Zulassung für den Verkauf von Monopolwaren in öffentlichen Läden mittels einer Lizenz erteilen. Der Inhaber einer solchen Lizenz bezieht seine Waren von der nächstgelegenen gewöhnlichen Verkaufsstelle.

14.      Die Lizenzen müssen durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein, die Dienstleistung an Orten und zu Zeiten zu erbringen, an bzw. zu denen sie von den Verkaufsstellen nicht erbracht werden kann. Die Erteilung einer Lizenz ist nicht möglich, wenn in der nächstgelegenen Verkaufsstelle, die sich in einer geringeren Entfernung als den festgelegten Grenzen befindet, ein Tabakwarenverkaufsautomat aufgestellt ist.

2.      Gesetzesdekret Nr. 98/2011(5)

15.      Nach Art. 24 Abs. 42 des Gesetzesdekrets Nr. 98/2011 hat der Gesetzgeber die Festlegung von Regeln für die Einrichtung von Verkaufsstellen für Monopolwaren durch Dekret an den Wirtschafts- und Finanzminister delegiert, „um unter Beachtung des Wettbewerbsschutzes das Erfordernis, den Verbrauchern ein flächendeckendes Verkaufsnetz zu garantieren, mit dem vorrangigen öffentlichen Interesse des Gesundheitsschutzes in Einklang zu bringen, das darin besteht, jede Abgabe von Tabak an die Öffentlichkeit zu verhindern und zu kontrollieren, die nicht durch die tatsächliche Nachfrage nach Tabak gerechtfertigt ist“.

16.      Insbesondere Art. 24 Abs. 42 Buchst. b in der durch Art. 4 des Gesetzes Nr. 37/2019 geänderten Fassung besagt, dass gewöhnliche Verkaufsstellen nur eingerichtet werden dürfen „bei Vorliegen bestimmter Anforderungen an die Entfernung, mindestens 200 Meter, und die Einwohnerzahl, unter Beachtung des Verhältnisses von einer Verkaufsstelle pro 1 500 Einwohner“.

3.      Ministerialdekret Nr. 38/2013(6)

17.      Nach den im Jahr 2021 erfolgten Änderungen sieht Art. 2 des Ministerialdekrets Nr. 38/2013 für die Einrichtung gewöhnlicher Verkaufsstellen folgende Parameter vor:

a)      Mindestabstand zur nächstgelegenen, in Betrieb befindlichen Verkaufsstelle:

–        300 Meter in Gemeinden mit bis zu 30 000 Einwohnern;

–        250 Meter in Gemeinden zwischen 30 001 und 100 000 Einwohnern;

–        200 Meter in Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern;

b)      ein Verhältnis von einer Verkaufsstelle pro 1 500 Einwohner in der Gemeinde; eine Ausnahme von diesem Verhältnis ist nur für Gemeinden mit weniger als 1 500 Einwohnern zulässig.

18.      Der Parameter des Verhältnisses der Verkaufsstätte zur Wohnbevölkerung wurde durch das Gesetz Nr. 37/2019 und das Ministerialdekret Nr. 51 von 2021 eingeführt und ersetzt die Anforderung der Mindestproduktivität, die in den ursprünglichen Fassungen des Gesetzesdekrets Nr. 98/2011 und des Ministerialdekrets Nr. 38/2013 vorgesehen war(7).

19.      Art. 3 des Ministerialdekrets Nr. 38/2013 bestimmt:

–      Die ADM berücksichtigt insbesondere neue Wohn- oder Gewerbegebiete, die besondere Bedeutung von Verkehrsknotenpunkten und wichtigen städtischen Treffpunkten, die Wohnbevölkerung sowie das Vorhandensein von Büros oder Produktionsstätten mit besonderer Bedeutung und Nutzungsfrequenz, die ein Interesse an der Dienstleistung belegen.

–      Das Verkaufsnetz für Tabakwaren hat dem Interesse an der Dienstleistung angemessen und so organisiert zu sein, dass die Effizienz und Wirksamkeit der Kontrollen durch die Verwaltung zum Schutz von Minderjährigen, der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit sowie der Einnahmen aus den Steuern auf Monopolwaren gewährleistet ist.

20.      Die Einrichtung gewöhnlicher Verkaufsstellen erfolgt im Rahmen eines speziellen Plans, der alle sechs Monate von der zuständigen Regionalstelle der ADM nach einem Verfahren genehmigt wird, das u. a. die vorherige Veröffentlichung eines vorläufigen Plans und die Einreichung von Stellungnahmen durch interessierte Kreise vorsieht.

21.      Die Zuteilung neuer gewöhnlicher Verkaufsstellen erfolgt nach folgenden Verfahren: In Gemeinden mit bis zu 30 000 Einwohnern führt die Verwaltung ein Auswahlverfahren durch, das bestimmten Personenkategorien vorbehalten ist; in Gemeinden mit mehr als 30 000 Einwohnern und in Provinzhauptstädten erfolgt die Vergabe in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren, das allen Bewerbern offensteht.

II.    Sachverhalt, Rechtsstreit und Vorlagefragen

22.      Die Gesellschaft FA.RO. di YK & C. s.a.s. (im Folgenden: FA.RO.) ist seit vielen Jahren Inhaberin einer Lizenz für den Verkauf von Tabakwaren in der „Bar Rino“ in der Gemeinde Finale Ligure (Italien).

23.      Am 19. November 2021 leitete die ADM ein Verfahren zum Widerruf dieser Lizenz ein, weil die gewöhnliche Verkaufsstelle für Tabakwaren, die FA.RO. beliefert und in einer Entfernung von weniger als 300 Metern liegt, im Mai 2021 einen Zigarettenautomaten aufgestellt hatte. Nach den geltenden Rechtsvorschriften (Art. 7 des Ministerialdekrets Nr. 38/2013) macht es dieser Umstand unmöglich, die Lizenz aufrechtzuerhalten.

24.      FA.RO. teilte der ADM mit, dass es erforderlich sei, eine neue gewöhnliche Verkaufsstelle in der „Bar Rino“ einzurichten, und trug dabei eine Reihe von Tatsachen vor, die auf eine große Zahl von Verbrauchern hindeuteten.

25.      Die ADM wies den Antrag von FA.RO. mit der Begründung zurück, dass die in Art. 2 des Ministerialdekrets Nr. 38/2013 festgelegten Anforderungen an die Entfernung und das Verhältnis zwischen Verkaufsstellen und Einwohnern nicht erfüllt seien(8).

26.      FA.RO. hat die Entscheidung der ADM beim Tribunale Amministrativo Regionale per la Liguria (Regionales Verwaltungsgericht Ligurien, Italien) angefochten und beantragt die Nichtigerklärung:

–      erstens des Vermerks Nr. 6401/RU der ADM vom 31. März 2022 betreffend den Halbjahresplan (zweites Halbjahr 2022) für die Einrichtung neuer gewöhnlicher Verkaufsstellen für Tabakwaren in Ligurien, soweit darin keine dieser Verkaufsstellen in der Gemeinde Finale Ligure, via Mazzini Nr. 2 (dem Standort der „Bar Rino“), vorgesehen war, und

–      zweitens aller anderen damit zusammenhängenden Rechtsakte.

27.      FA.RO. macht geltend, die nationale Regelung verstoße gegen Art. 15 der Richtlinie 2006/123. Folglich müsse Art. 2 des Ministerialdekrets Nr. 38/2013 für nichtig erklärt werden, oder er dürfe zumindest nicht angewendet werden, und Art. 24 Abs. 42 des Gesetzesdekrets Nr. 98/2011 sei ebenfalls unangewendet zu lassen.

28.      Nach Ansicht der FA.RO. wird die Einrichtung einer neuen Verkaufsstelle in der „Bar Rino“ nicht dazu führen, dass das Angebot die Nachfrage übersteige, da es sich um einen Ort handele, in dem die tatsächliche Zahl der Nutzer der Dienstleistung wegen des Zustroms von Besuchern an den Wochenenden und während der Ferienzeit weit über der Wohnbevölkerung liege.

29.      Die ADM beantragt, die Klage abzuweisen.

30.      Vor diesem Hintergrund hat das Tribunale Amministrativo Regionale per la Liguria (Regionales Verwaltungsgericht Ligurien) dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind Art. 15 der Richtlinie 2006/123 und die Art. 49, 56 und 106 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Beschränkungen für die Zulassung von Verkaufsstellen für Tabakerzeugnisse auf der Grundlage einer geografischen Mindestentfernung zwischen Dienstleistungserbringern und der Wohnbevölkerung vorsieht?

2.      Sind Art. 15 der Richtlinie 2006/123 und die Art. 49, 56 und 106 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die die Zulassung von Verkaufsstellen für Tabakerzeugnisse von der Einhaltung vorgegebener Parameter für die geografische Mindestentfernung zwischen Dienstleistungserbringern und Wohnbevölkerung abhängig macht, ohne der zuständigen Behörde die Möglichkeit zu geben, andere objektive tatsächliche Umstände zu beurteilen, die auch ohne diese Anforderungen im Einzelfall das Bestehen eines Dienstleistungsbedarfs belegen?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

31.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 16. Januar 2023 beim Gerichtshof eingegangen.

32.      FA.RO., JS(9), die spanische Regierung, die italienische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Sie alle haben an der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2024 teilgenommen.

IV.    Würdigung

A.      Zulässigkeit

33.      Die spanische Regierung hält die beiden Vorlagefragen für hypothetisch und das Vorabentscheidungsersuchen daher für unzulässig. Die italienische Regierung vertritt die Auffassung, die Richtlinie 2006/123 sei auf den Rechtsstreit nicht anwendbar.

1.      Zulässigkeit der Vorlagefragen in Bezug auf die Art. 49, 56 und 106 Abs. 2 AEUV

34.      Die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit (Art. 49) und den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56) finden grundsätzlich auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, keine Anwendung(10).

35.      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass sämtliche Merkmale des Rechtsstreits nicht über die Grenzen der Italienischen Republik hinausweisen: Ein italienisches Unternehmen beantragt bei den italienischen Behörden eine Genehmigung für den Betrieb einer Verkaufsstelle für Tabakwaren auf italienischem Gebiet.

36.      Wenn sämtliche Merkmale des Sachverhalts nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, ist ein Vorabentscheidungsersuchen nur dann zulässig, wenn es Tatsachen oder Faktoren erkennen lässt, die es ermöglichen, einen Zusammenhang zwischen dem Gegenstand oder den Umständen eines Rechtsstreits und den Art. 49 oder 56 AEUV herzustellen.

37.      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dem Gerichtshof anzugeben, „inwieweit der bei ihm anhängige Rechtsstreit trotz seines rein innerstaatlichen Charakters einen Anknüpfungspunkt bezüglich der Vorschriften des Unionsrechts betreffend die Grundfreiheiten aufweist, der die Auslegung im Wege der Vorabentscheidung, um die ersucht wird, für die Entscheidung dieses Rechtsstreits erforderlich macht“(11).

38.      Da das vom italienischen Gericht vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen diesbezüglich keine Angaben enthält, ist es insoweit als unzulässig anzusehen, als es die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV betrifft(12).

39.      Das Gleiche gilt für Art. 106 Abs. 2 AEUV. Das vorlegende Gericht stellt nicht die Gründe dar, aus denen es Zweifel bezüglich der Auslegung dieser Vorschrift hat, und gibt auch nicht den Zusammenhang an, den es zwischen dieser Vorschrift und dem nationalen Recht herstellt. Daher ist der Gerichtshof nicht in der Lage, ihm eine für die Entscheidung über den Rechtsstreit sachdienliche Auslegung dieses Artikels zur Verfügung zu stellen(13).

40.      Die beiden Vorlagefragen sind folglich insoweit unzulässig, als sie die Auslegung der Art. 49, 56 und 106 Abs. 2 AEUV betreffen.

41.      Die Feststellung, dass es sich um einen rein internen Sachverhalt handelt, berührt jedoch nicht die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Richtlinie 2006/123 über die Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass diese Bestimmungen auf einen Sachverhalt anwendbar sind, bei dem sämtliche Merkmale nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen(14).

2.      Zulässigkeit der Vorlagefragen in Bezug auf die Auslegung der Richtlinie 2006/123

42.      Nach Auffassung der spanischen Regierung sind die Vorlagefragen gemäß Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 auch hinsichtlich der Auslegung dieser Richtlinie für unzulässig zu erklären.

43.      Gemäß Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 betrifft diese Richtlinie nicht „die Abschaffung von Dienstleistungsmonopolen“.

44.      Aus diesem Ausschluss – verstanden im Licht des achten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2006/123 – lässt sich folgern, dass diese Richtlinie nicht zur Anwendung kommt, wenn die Vertriebsdienstleistung einer Handelsmonopolregelung unterliegt(15), die den Wettbewerb vollständig ausschließt und diese Verkäufe einem einzigen Anbieter überlässt(16).

45.      Bei der italienischen Regelung für den Verkauf von Tabakwaren scheint es sich weder um ein Handels- noch um ein Dienstleistungsmonopol zu handeln(17). Tabakerzeugnisse werden von einer Vielzahl gewöhnlicher und besonderer Verkaufsstellen sowie von sonstigen Unternehmen, die eine Lizenz haben, verkauft.

46.      Aus den Akten der Rechtssache geht hervor, dass sowohl die Verkaufsstellen als auch die Läden mit Lizenz in den Händen unabhängiger Privatpersonen liegen, die gegenüber der Öffentlichkeit die Dienstleistung des Verkaufs von Tabakwaren erbringen(18). Es existiert somit weder ein Handels- noch ein Dienstleistungsmonopol.

47.      Die Erteilung von Genehmigungen für Verkaufsstellen und von Lizenzen setzt die Ausübung öffentlicher Gewalt durch die italienische Verwaltung voraus, die die Verkaufsstellen genehmigt. Dies bedeutet jedoch weder, dass der Staat diese Dienstleistung erbringt, noch, dass die ADM in die rein geschäftlichen Entscheidungen der Inhaber der Verkaufsstellen nach deren Zuteilung eingreifen darf. Die zum ehemaligen Tabakmonopol gehörenden staatlichen Verkaufsstellen wurden 1983 abgeschafft(19).

48.      Es ist richtig, dass der Einzelhandel mit Tabakwaren, wie das vorlegende Gericht erläutert(20), eine wirtschaftliche Tätigkeit ist, die nicht vollständig mit anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten vergleichbar ist, da die Vertriebskanäle beschränkt sind und Gegenstand dieser Tätigkeit ein Erzeugnis ist, das die öffentliche Gesundheit schädigt. Ebenso richtig ist, dass bestimmte Bereiche dieser Tätigkeit, wie die Werbung oder der Tabakpreis, streng geregelt sind. Diese Umstände führen jedoch, wie ich erneut feststellen möchte, nicht dazu, dass es sich bei dem genannten Einzelhandel in Italien um ein staatliches Monopol handelt oder dass der (begrenzte) Wettbewerb zwischen den Anbietern dieser Art von Dienstleistungen beseitigt wird.

49.      Im Ergebnis ist der Einwand der spanischen Regierung zurückzuweisen.

50.      Die italienische Regierung beruft sich für die Begründung der Unanwendbarkeit der Richtlinie 2006/123 auf deren Art. 2 und achten Erwägungsgrund. Die Tabakverkaufsstellen übten eine im allgemeinen Interesse liegende wirtschaftliche Tätigkeit aus, die das Funktionieren des „Steuermonopols“ auf den Tabakverkauf ermögliche(21).

51.      Der Gerichtshof hat bestätigt, dass „sich aus Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/123 in Verbindung mit ihren Erwägungsgründen 17, 70 und 72 [ergibt], dass die von dieser Richtlinie aufgestellten Regeln grundsätzlich auf alle Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse anwendbar sind, da von ihrem Anwendungsbereich nur nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ausdrücklich ausgenommen sind“(22).

52.      Ausgehend von dieser Prämisse kann dem Vorbringen der italienischen Regierung nicht gefolgt werden: Der Einzelhandel mit Tabakwaren in Italien wäre, wenn er als Dienstleistung von allgemeinem Interesse einzustufen sein sollte, als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse einzustufen, die den Bestimmungen der Richtlinie 2006/123 unterliegt.

53.      Die Vorlagefragen sind daher insoweit zulässig, als es um die Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2006/123 geht, die auf die in Rede stehende nationale Regelung zur Anwendung kommen. Ich halte es darüber hinaus für angebracht, sie gemeinsam zu behandeln.

B.      Inhaltliche Würdigung: Vereinbarkeit einer nationalen Regelung zur Beschränkung des Verkaufs von Tabakwaren mit der Richtlinie 2006/123

54.      Das vorlegende Gericht ersucht um Auslegung von Art. 15 der Richtlinie 2006/123. Nach Hinweis darauf, dass es „die Rechtmäßigkeit der Genehmigungsregelung nach Art. 9 der Richtlinie 2006/123 für den Verkauf von Monopolwaren, insbesondere von Tabakwaren und Zubehör, an die Öffentlichkeit nicht in Frage [stellt]“, vertritt es die Ansicht, dass diese Regelung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei(23).

55.      Das vorlegende Gericht zweifelt jedoch aus den folgenden Gründen, ob die geografischen und demografischen Kriterien, die in der italienischen Regelung festgelegt sind (und auf die Art. 15 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/123 verweist), die Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit erfüllen:

–      Was die Erforderlichkeit angehe, seien die geltenden Beschränkungen nicht wirklich geeignet, vom Konsum von Tabakerzeugnissen abzuschrecken; für eine abschreckende Wirkung müssten die Mindestentfernungen zwischen den einzelnen Verkaufsstellen in Kilometern und nicht in Metern festgelegt werden. Auch die (anerkannte) zunehmende Verbreitung von Verkaufsautomaten stelle alles andere als eine Abschreckung vom Tabakkonsum dar.

–      Was die Verhältnismäßigkeit angehe, könnten sich diese Beschränkungen, selbst wenn sie erforderlich wären, gemessen an dem, was zur Erreichung des Ziels des Gesundheitsschutzes durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage unerlässlich sei, wegen ihrer Starrheit (Mindestabstand) und ihrer Bindung rein an Meldedaten (Wohnbevölkerung) als unverhältnismäßig erweisen.

–      Zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit müsse die ADM andere objektive Umstände berücksichtigen können, die darauf hindeuteten, dass die Einrichtung einer neuen gewöhnlichen Verkaufsstelle auch dann, wenn die Entfernungs- und Bevölkerungsgrenzen des Gebiets nicht eingehalten würden, einen Dienstleistungsbedarf befriedige und daher in der Praxis nicht zu einer Überkapazität des Angebots führe. Genau dies sei vorliegend der Fall, da die Nutzer der Dienstleistung in Wirklichkeit viel mehr seien, als sich aus der Volkszählung ergebe, da es sich um eine Gemeinde mit hohem Fremdenverkehrsaufkommen handele.

1.      „Genehmigungsregelung“ oder „Anforderung“ im Sinne der Richtlinie 2006/123

56.      In Art. 4 Nrn. 6 und 7 der Richtlinie 2006/123 werden die Begriffe „Genehmigungsregelung“ und „Anforderung“ definiert(24). Auf die Genehmigungsregelungen kommen die Art. 9 bis 13 der Richtlinie 2006/123 zur Anwendung. Die unzulässigen bzw. zu prüfenden Anforderungen sind in den Art. 14 und 15 der Richtlinie geregelt.

57.      Eine „Genehmigungsregelung“ unterscheidet sich von einer „Anforderung“ dadurch, dass der Dienstleistungserbringer eine förmliche Entscheidung erwirken muss, mit der die Behörde seine Tätigkeit genehmigt(25). Eine Anforderung hingegen ist eine allgemeine und nicht personenbezogene Regelung, die für alle Dienstleistungserbringer gilt und nicht mit Handlungen oder Verfahren in Zusammenhang steht, die vorgenommen oder durchlaufen werden, um die Genehmigung der beabsichtigten Tätigkeit zu erwirken(26).

58.      Im Urteil X und Visser wurde eine Vorschrift in einem Bauleitplan, der die Tätigkeit des Einzelhandels mit Waren in einem bestimmten Stadtgebiet verbietet, als Anforderung im Sinne der Richtlinie 2006/123 angesehen(27). Jede andere allgemeine Regelung oder Beschränkung, die gesetzlich für eine bestimmte Art von Dienstleistungstätigkeit gilt, dürfte genauso einzuordnen sein.

59.      Die in der italienischen Vorschrift enthaltene Regelung des Einzelhandels mit Tabakwaren fällt meines Erachtens unter den Begriff der Genehmigungsregelung. Ein Dienstleistungserbringer, der eine gewöhnliche oder besondere Verkaufsstelle oder eine Lizenz besitzen möchte, muss einen Antrag bei der ADM stellen, die darüber entscheidet, ob der Antrag genehmigt oder abgelehnt wird.

60.      Zu diesem Zweck muss die ADM zunächst einen Halbjahresplan mit der Verteilung der Verkaufsstellen erstellen und ein öffentliches Ausschreibungsverfahren durchführen, damit Interessenten Bewerbungen einreichen können. Nach Maßgabe dieses Plans vergibt die ADM die Verkaufsstellen und Lizenzen an die entsprechenden Marktteilnehmer und erteilt ihnen die Genehmigung für die Ausübung dieser Tätigkeit.

61.      Bei der Erstellung des Halbjahresplans und der Erteilung der Genehmigungen wendet die ADM zwar die gesetzlichen (geografischen und demografischen) Anforderungen an, doch geschieht dies am Ende eines Verwaltungsverfahrens auf Antrag des Dienstleistungserbringers und nach einer anschließenden positiven Entscheidung der Verwaltung.

62.      Mit anderen Worten verpflichtet die italienische Regelung Personen, die Tabakwaren im Einzelhandel verkaufen möchten, „sich einem Verfahren zu unterwerfen, in dem sie verpflichtet sind, bei einer zuständigen Behörde einen förmlichen Rechtsakt zu erwirken, der es ihnen erlaubt, die Dienstleistungstätigkeit aufzunehmen und auszuüben“(28).

63.      Es handelt sich also um eine „Genehmigungsregelung“ im Sinne von Art. 4 Nr. 6 und nicht um eine bloße „Anforderung“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 der Richtlinie 2006/123.

64.      Eine solche Genehmigungsregelung unterliegt den Bestimmungen in Abschnitt 1 („Genehmigungen“) von Kapitel III („Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer“) der Richtlinie 2006/123. Außerdem darf sie keine Anforderungen enthalten, die gemäß Art. 14 der Richtlinie unzulässig sind(29).

2.      Ist die Aufnahme der Tätigkeit von einer wirtschaftlichen Überprüfung abhängig?

65.      Zu prüfen ist, ob die von Italien eingeführte Genehmigungsregelung für den Einzelhandel mit Tabakwaren unter das Verbot des Art. 14 Nr. 5 der Richtlinie 2006/123 fällt. Das vorlegende Gericht hat diesen Artikel zwar nicht in sein Vorabentscheidungsersuchen aufgenommen, dennoch ist eine Prüfung erforderlich.

66.      Nach dieser Bestimmung darf „die Erteilung der Genehmigung [nicht] vom Nachweis eines wirtschaftlichen Bedarfs oder einer Marktnachfrage abhängig gemacht [werden], oder der Beurteilung der tatsächlichen oder möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Tätigkeit oder der Bewertung ihrer Eignung für die Verwirklichung wirtschaftlicher, von der zuständigen Behörde festgelegter Programmziele“(30).

67.      Das Verbot der wirtschaftlichen Überprüfung(31) entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach wirtschaftliche Motive keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses darstellen können, die eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könnten(32).

68.      Die italienische Regierung hatte seinerzeit eine wirtschaftliche Anforderung (Mindestproduktivität) für die Genehmigung von Verkaufsstellen eingeführt. Die Kommission erachtete(33) sie jedoch für mit Art. 14 Nr. 5 der Richtlinie 2006/123 unvereinbar, was zum Erlass des Dekrets Nr. 51/2021 führte. Mit dem Dekret wurde die Anforderung abgeschafft und stattdessen das Kriterium des Verhältnisses der Verkaufsstellen für Tabakwaren zur Wohnbevölkerung eingeführt.

69.      Handelt es sich bei dem demografischen Kriterium um eine wirtschaftliche Überprüfung, die mit Art. 14 Nr. 5 der Richtlinie 2006/123 unvereinbar ist? Nach Ansicht der Kommission(34) lässt sich aus den italienischen Rechtsvorschriften und der italienischen Rechtsprechung ableiten, dass die Genehmigung von Verkaufsstellen immer noch in gewissem Maß von Faktoren abhänge, die mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten des Sektors in Zusammenhang ständen.

70.      Bei der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erklärt, das gegen Italien wegen eines Verstoßes eingeleitete Verwaltungsverfahren sei aus politischen Gründen eingestellt worden und nicht, weil die Zweifel hinsichtlich des Vorliegens einer wirtschaftlichen Überprüfung ausgeräumt worden wären. Ihrer Ansicht nach könnte Art. 3 Art. 2 Buchst. b des Ministerialdekrets Nr. 38/2013 eine versteckte wirtschaftliche Überprüfung enthalten, da die Halbjahrespläne für die Genehmigung von Verkaufsstellen unter Berücksichtigung des Interesses an der Dienstleistung und u. a. zur Sicherung der Einnahmen erstellt würden(35).

71.      Die Auslegung des innerstaatlichen Rechts ist Sache des vorlegenden Gerichts. Vorbehaltlich seiner Entscheidung vertrete ich den Standpunkt, dass das Verhältnis zwischen der Bewohnerzahl und den Verkaufsstellen für Tabakwaren darauf abzielt, deren ausgewogene („flächendeckende“) Verteilung über das gesamte Staatsgebiet zu gewährleisten, um die legale Versorgung mit Tabakwaren unter Berücksichtigung der orografischen Merkmale und der Verteilung der Bevölkerung in Italien sicherzustellen.

72.      Nach dieser Auslegung soll die auf die Bewohnerzahl gestützte behördliche Genehmigungsregelung:

–      den Einzelhandelsverkauf von Tabak als gesundheitsschädliches Erzeugnis unter Bedingungen regeln, die das Angebot auf das zur Befriedigung der Nachfrage der Raucher erforderliche Maß beschränken und verhindern, dass Raucher geschmuggelten Tabak zu einem niedrigeren Preis kaufen, was den Konsum fördern und die Steuereinnahmen verringern würde;

–      (zumindest tendenziell) zum Schutz der öffentlichen Gesundheit beitragen, und zwar in einem Rahmen, der ein allgemeines Verbot des Tabakkonsums als undurchführbar ausgeschlossen hat.

73.      Bei dem demografischen Kriterium handelt es sich somit nicht um ein Kriterium rein wirtschaftlicher Natur im Sinne von Art. 14 Nr. 5 der Richtlinie 2006/123, da sein Hauptziel nicht darin besteht, den Verkäufern von Tabakwaren ausreichende Einnahmen zu gewährleisten oder die Erhebung der Tabakkonsumsteuer zu maximieren. Vielmehr handelt es sich um eine Maßnahme, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, insbesondere den Schutz der öffentlichen Gesundheit, gerechtfertigt ist.

3.      Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung

74.      Die Vereinbarkeit einer nationalen Genehmigungsregelung mit der Richtlinie 2006/123 ist im Licht von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie zu beurteilen. Die Mitgliedstaaten dürfen eine Genehmigungsregelung nur dann einführen, wenn sie nicht diskriminierend ist, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist und das Ziel nicht durch ein milderes Mittel erreicht werden kann.

75.      Die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung müssen mit Art. 10 der Richtlinie 2006/123 vereinbar sein. Danach müssen die Genehmigungsregelungen auf Kriterien beruhen, die eine willkürliche Ausübung des Ermessens der zuständigen Behörden verhindern und die in Abs. 2 genannten Bedingungen erfüllen.

76.      Sowohl Art. 9 Abs. 1 über die Rechtfertigung als auch Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123 über die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung enthalten klare, bestimmte und unbedingte Verpflichtungen, die somit unmittelbare Wirkung haben(36).

77.      Die behördliche Genehmigungsregelung muss folglich mit diesen beiden Artikeln in Einklang stehen. Dies setzt voraus, dass geprüft wird, ob die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit „keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellt, dass sie ferner durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist und schließlich zur Verwirklichung des verfolgten Ziels geeignet ist und dass sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden kann, die zu dem gleichen Ergebnis führen“(37).

a)      Diskriminierung

78.      Aus den Akten der Rechtssache lässt sich nicht ableiten, dass die Genehmigungsregelung diskriminierend ist, da sie gleichermaßen für in Italien niedergelassene Marktteilnehmer und für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten oder dort ansässige Personen gilt, die diese selbständige wirtschaftliche Tätigkeit auf italienischem Hoheitsgebiet ausüben wollen.

b)      Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses

79.      Die italienische Regierung macht geltend, die Genehmigungsregelung sei, auch wenn sie eine Beschränkung des Niederlassungsrechts darstelle, durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, nämlich den Schutz der öffentlichen Gesundheit, gerechtfertigt(38). Insbesondere ziele sie darauf ab, ein begrenztes und nachfrageorientiertes Angebot an Tabakwaren sicherzustellen, um den Tabakkonsum zu verringern und so die Nikotinsucht zu bekämpfen.

80.      Ich glaube nicht, dass es begründete Zweifel an den negativen Auswirkungen des Tabakkonsums auf die öffentliche Gesundheit gibt, wie sie von internationalen Organisationen(39) und vom Gerichtshof selbst(40) anerkannt werden. Zwar wird der Tabakverkauf nicht verboten, doch zielen die Unionsvorschriften darauf ab, den Tabakkonsum zu verringern(41).

81.      Bei dem Schutz der öffentlichen Gesundheit handelt es sich folglich um einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, auf den sich ein Mitgliedstaat berufen kann, um eine Genehmigungsregelung für den Einzelhandel mit Tabakwaren zu rechtfertigen. Wie bereits dargestellt, bezweifelt das vorlegende Gericht nicht, dass die hier in Rede stehenden Beschränkungen dieses Ziel verfolgen.

c)      Eignung der Beschränkung in Bezug auf ihr Ziel

82.      Es ist zwar Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die italienische Regelung geeignet ist, ihr Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu erreichen, doch kann der Gerichtshof ihm für die Entscheidung sachdienliche Hinweise geben.

83.      Bei seiner Prüfung hat das vorlegende Gericht zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung des Niveaus des Schutzes der öffentlichen Gesundheit in ihrem Hoheitsgebiet über einen Wertungsspielraum innerhalb der durch das Unionsrecht festgelegten Grenzen verfügen(42).

84.      Konkret ist zu prüfen, ob eine Genehmigungsregelung, die den geordneten und kontrollierten Einzelhandel mit Tabakwaren unter Anwendung geografischer und demografischer Kriterien erlaubt, geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen.

85.      Der beste Weg, die Nikotinsucht zu bekämpfen und die öffentliche Gesundheit zu schützen, wäre sicherlich ein Verbot des Verkaufs von Tabakwaren. Dieser Maximalansatz wurde jedoch weder auf internationaler Ebene verfolgt noch vom Unionsgesetzgeber aufgegriffen. Der Unionsgesetzgeber überlässt es den Mitgliedstaaten, zu bestimmen, welche Verkaufsmodalitäten für den Einzelhandel mit Tabakwaren sie in ihrem Hoheitsgebiet zulassen.

86.      Da der Maximalansatz ausgeschlossen ist, scheint die behördliche Genehmigungsregelung nach Maßgabe geografischer und demografischer Kriterien zur Bekämpfung der Nikotinsucht geeigneter zu sein als die Alternative, d. h. als die Zulassung des freien Verkaufs von Tabakwaren.

87.      Die italienische Regierung erklärt, dass in Anbetracht dessen, dass der Tabakkonsum in Italien legal sei, diese Genehmigungsregelung die öffentliche Gesundheit schütze, indem sie die unverzichtbare Versorgung der Raucher mit dem Stoff sicherstelle, damit sie nicht den negativen Folgen einer plötzlichen Abstinenz ausgesetzt seien.

88.      Ziel sei es, so die italienische Regierung weiter, dass sich die übliche Nachfrage und das verfügbare Angebot an Tabakwaren auf dem geringstmöglichen Stand die Waage hielten. Auf diese Weise werde kein übermäßiger Konsum unterstützt und gleichzeitig sichergestellt, dass tabakabhängige Verbraucher leicht an Tabak gelangen könnten, ohne große Anstrengungen unternehmen oder auf Schmuggelwaren zurückgreifen zu müssen, die außerhalb der staatlichen Kontrolle und zu niedrigeren Preisen verkauft würden, was den Konsum anrege.

89.      Die Richtlinie 2006/123 schließt nicht aus, dass die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von „mengenmäßigen oder territorialen Beschränkungen, insbesondere in Form von Beschränkungen aufgrund der Bevölkerungszahl oder bestimmter Mindestentfernungen zwischen Dienstleistungserbringern“, abhängig machen (Art. 15 Abs. 2 Buchst. a). Gerade das ist eine der Anforderungen, die im Rahmen einer Genehmigungsregelung zu prüfen sind.

90.      Durch die Kombination von geografischen und demografischen Kriterien kann gleichzeitig die Versorgung im gesamten Hoheitsgebiet sichergestellt und verhindert werden, dass das Angebot unkontrolliert wächst und zum verstärkten Tabakkonsum anregt. So hat der Gerichtshof erklärt, dass Genehmigungsregelungen, die bei anderen, mit der öffentlichen Gesundheit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten(43) demografische und geografische Kriterien ähnlich wie die italienischen Kriterien für den Einzelhandel mit Tabakwaren verwenden, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

91.      Dieser Rechtsprechung lassen sich Erkenntnisse entnehmen, die unter Berücksichtigung der Unterschiede auf den vorliegenden Fall übertragbar sind:

–      „Was … die Regel angeht, nach der zwischen zwei Optikergeschäften eine Mindestentfernung bestehen muss, [erhöht] dieses Erfordernis … die Gewissheit der Patienten …, dass sie in ihrer Nähe über einen Zugang zu einem Gesundheitsdienstleister verfügen, und [trägt] so auch zu einem besseren Schutz der öffentlichen Gesundheit auf dem betreffenden Gebiet [bei]“(44).

–      „[D]ie Regel, nach der sich ein einziges Optikergeschäft in Abhängigkeit von einer bestimmten Einwohnerzahl niederlassen darf, [ist] geeignet, die gleichmäßige Verteilung dieser Geschäfte über das betreffende Gebiet zu erleichtern und so für die gesamte Bevölkerung einen angemessenen Zugang zu den von den Optikern angebotenen Dienstleistungen sicherzustellen“(45).

92.      Es stimmt, dass in diesen beiden Fällen die Beschränkungen eher dazu dienten, einen (geordneten) Zugang der Verbraucher zu ermöglichen, während das italienische Genehmigungssystem darauf abzielt, zum einen den Zugang zu beschränken, um die Nikotinsucht zu bekämpfen, und zum anderen ein Angebot sicherzustellen, das den Bedarf der Raucher deckt. Es ist zweifellos schwierig, ein Gleichgewicht zu finden, aber meines Erachtens reicht dieser Unterschied nicht aus, um die Anwendung der genannten Rechtsprechung auf den vorliegenden Rechtsstreit auszuschließen.

93.      Insbesondere könnte erörtert werden, ob die konkrete Regelung des Mindestabstands (je nach Gemeinde 200 bis 300 Meter) zwischen zwei Verkaufsstellen zur Erreichung der genannten Ziele geeignet ist. Das vorlegende Gericht hat das letzte Wort bei der Beurteilung der Angemessenheit, wobei es nicht außer Acht lassen darf, dass die Anpassung des numerischen Kriteriums an diese Ziele grundsätzlich Sache des nationalen Gesetzgebers ist(46).

d)      Verhältnismäßigkeit und Kohärenz der Beschränkung

94.      In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die italienische Genehmigungsregelung:

–      zum zwingenden Erfordernis des Schutzes der öffentlichen Gesundheit in dem Sinne verhältnismäßig ist, dass sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und dass es keine weniger einschneidende Alternative zur Erreichung dieses Ziels gibt(47);

–      im Hinblick auf das ihr zugrunde liegende Ziel die unerlässliche Kohärenz und Systematik aufweist(48).

95.      Es obliegt dem betreffenden Mitgliedstaat, nachzuweisen, dass diese kumulativen Voraussetzungen erfüllt sind(49). Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der nationalen Regelung ist Sache des vorlegenden Gerichts, wobei es vom Gerichtshof unterstützt werden kann, indem er ihm die dafür erforderlichen Hinweise zur Verfügung stellt.

96.      In seiner Vorlageentscheidung stellt das vorlegende Gericht in Frage, dass die italienische Regelung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfülle, insbesondere weil die Verbreitung von Verkaufsautomaten dazu führe, dass Tabak für den Verbraucher ohne (oder mit weniger) zeitlichen Beschränkungen verfügbar sei.

97.      Ich stimme dem vorlegenden Gericht zu, dass das Ziel der Genehmigungsregelung für Verkaufsstellen zwar darin besteht, das Angebot auf das zur Befriedigung der Nachfrage der Raucher erforderliche Maß zu beschränken, doch geht die Verbreitung von Verkaufsautomaten für Tabakwaren offenbar in die entgegengesetzte Richtung.

98.      Die italienische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Aufstellung von Tabakverkaufsautomaten auf Verkaufsstellen und Lizenzen beschränkt sei. Dies gehe aus dem Gesetz Nr. 556/1977(50) (Art. 20(51)) und aus dem Rundschreiben der ADM Nr. 509/2007(52) hervor.

99.      Nach diesen Bestimmungen können die Verkaufsautomaten in einer Entfernung von zehn Metern von der Mittellinie des Eingangs innerhalb oder außerhalb der Verkaufsstelle aufgestellt werden. In Lokalen, für die eine Lizenz beantragt werden darf, kann alternativ zu einer solchen Lizenz und nach entsprechender behördlicher Genehmigung ein Verkaufsautomat aufgestellt werden.

100. Unter Berücksichtigung dieser Erläuterungen wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben, ob die für Tabakverkaufsautomaten geltende Regelung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht oder ob sie im Gegenteil zu einer übermäßigen Erhöhung des Tabakangebots führt, die der Anwendung der Kriterien der geografischen Entfernung und der Bevölkerungsdichte die Kohärenz nimmt.

101. Was die Argumentation des vorlegenden Gerichts anbelangt, mit der es die Verhältnismäßigkeit des geografischen Kriteriums in Frage stellt, so hätte es sicherlich eine abschreckende Wirkung, wenn die Mindestentfernungen zwischen den Verkaufsstellen in Kilometern statt in Metern festgelegt würden. Dies ist jedoch eine Entscheidung, die aufgrund ihrer erheblichen Auswirkungen auf den Rechtsverkehr dem Gesetzgeber obliegt: Das Ziel, ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage unter Berücksichtigung der territorialen Verteilung zu finden, kann zu einer Regelung mit kürzeren oder längeren Entfernungen führen, ohne dass der Gerichtshof meines Erachtens dem vorlegenden Gericht eine angemessene Entfernung vorgeben kann(53).

102. Schließlich führt das vorlegende Gericht in Bezug auf die angebliche Starrheit der geografischen und demografischen Kriterien (das demografische Kriterium ist an Daten aus dem Melderegister gebunden) aus, der ADM müsse die Möglichkeit gegeben werden, andere Umstände als die strengen Kriterien der Entfernung und der Wohnbevölkerung heranzuziehen.

103. Die gesetzgeberische Entscheidung für eine starre Regelung scheint mir berechtigt zu sein, da sie durch die vorher festgelegten objektiven Kriterien Rechtssicherheit schafft. Darüber hinaus wird die Anwendung der geografischen und demografischen Kriterien in Art. 3 Abs. 1 und 2 des Ministerialdekrets Nr. 38/2013 abgeschwächt, der einige zusätzliche Kriterien für die Erteilung von Genehmigungen für Verkaufsstellen und Lizenzen festlegt. Ihre Heranziehung könne das System flexibler machen, erklärt die italienische Regierung(54).

104. So könnten z. B. besondere Umstände (sogar saisonaler Art, wie die touristisch bedingte Zunahme der tatsächlichen und nicht nur der gemeldeten Bevölkerung während mehrerer Monate des Jahres) berücksichtigt werden. Die Eröffnung neuer Verkaufsstellen, um den Bedarf von nicht an ihrem Wohnort lebenden Verbrauchern zu decken, würde in solchen Fällen nicht unbedingt zu einem Überangebot führen.

105. Vorbehaltlich der Würdigung durch das vorlegende Gericht, das das nationale Recht selbstverständlich besser kennt, darf die ADM nach Art. 3 Abs. 1 und 2 des Ministerialdekrets Nr. 38/2013 neue Wohn- oder Gewerbegebiete, die besondere Bedeutung von Verkehrsknotenpunkten und wichtigen städtischen Treffpunkten sowie das Vorhandensein von Büros oder Produktionsstätten mit besonderer Bedeutung und Nutzungsfrequenz, die ein Interesse an der Dienstleistung belegen, berücksichtigen.

106. Das vorlegende Gericht ist daher nicht daran gehindert, zu prüfen, ob die ADM mit Hilfe dieser flexiblen Kriterien im Rahmen der Entscheidung über die Genehmigung einer neuen Verkaufsstelle das konstante Fremdenverkehrsaufkommen in Finale Ligure nach Maßgabe seiner Besonderheiten berücksichtigen kann.


107. In Bezug auf die Auswirkungen des Rahmenübereinkommens der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakkonsums weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass dieses Übereinkommen bei den Maßnahmen, die zur Verringerung der Nachfrage und des Angebots von Tabak empfohlen würden, keine Beschränkungen für die Verkäufer vorsehe(55). Der italienische Staat verfügt jedoch über einen eigenen Wertungsspielraum bei der Wahl der Mittel, die er für den Schutz der öffentlichen Gesundheit vor der Nikotinsucht für am besten geeignet hält. Eine behördliche Genehmigungsregelung, die restriktiven Kriterien unterliegt, ist grundsätzlich geeignet, dieses Ziel zu erreichen.

108. Im Ergebnis kann die Kombination von geografischen und demografischen Kriterien, die gegebenenfalls durch andere flexible Elemente ergänzt werden, die Prüfung der Verhältnismäßigkeit bestehen und die Erfordernisse aus Art. 10 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123 erfüllen. Die Aufstellung von Verkaufsautomaten darf nicht zu einer ungerechtfertigten Erhöhung des Angebots an Tabakwaren führen, wobei die Entscheidung hierüber Sache des vorlegenden Gerichts ist.

V.      Ergebnis

109. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Tribunale Amministrativo Regionale per la Liguria (Regionales Verwaltungsgericht Ligurien, Italien) wie folgt zu antworten:

Die Art. 9 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und 2, Art. 14 Nr. 5 und Art. 15 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt

sind dahin auszulegen, dass

–      sie einer nationalen Regelung, die die Erteilung von Genehmigungen für den Einzelhandel mit Tabakerzeugnissen von der Einhaltung bestimmter Grenzen in Bezug auf die Wohnbevölkerung und die Mindestentfernung zwischen Dienstleistungserbringern abhängig macht, grundsätzlich nicht entgegenstehen.

–      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Kombination der in der nationalen Regelung festgelegten spezifischen geografischen und demografischen Kriterien, gegebenenfalls ergänzt durch andere flexible Elemente, geeignet ist, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und die Erfordernisse aus Art. 10 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123 zu erfüllen. Ebenso ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Aufstellung von Verkaufsautomaten entgegen dem der nationalen Regelung zugrunde liegenden Ziel des Gesundheitsschutzes zu einer ungerechtfertigten Erhöhung des Angebots an Tabakwaren führt.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).


3      Legge n. 1293 – Organizzazione dei servizi di distribuzione e vendita dei generi di monopolio (Gesetz Nr. 1293/1957 – Organisation der Vertriebs- und Verkaufsdienste für Monopolwaren) vom 22. Dezember 1957 (GURI Nr. 9 vom 13. Januar 1958) (im Folgenden: Gesetz Nr. 1293/1957).


4      Die Entscheidung über die Einrichtung einer gewöhnlichen Verkaufsstelle ist der Agenzia delle Dogane e dei Monopoli (Agentur für Zölle und Monopole, im Folgenden: ADM) übertragen, die gemäß Art. 21 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 1293/1957 die Befugnis im Hinblick auf das „Interesse an der Dienstleistung“ auszuüben hat.


5      Decreto legge n. 98 – Disposizioni urgenti per la stabilizzazione finanziaria (Gesetzesdekret Nr. 98/2011 – Dringlichkeitsbestimmungen zur finanziellen Konsolidierung) vom 6. Juli 2011 (GURI Nr. 155 vom 6. Juli 2011), mit Änderungen umgewandelt in das Gesetz Nr. 111/2011 vom 15. Juli 2011 (GURI Nr. 164 vom 16. Juli 2011), in der durch das Gesetz Nr. 37/2019 vom 3. Mai 2019 geänderten Fassung (GURI Nr. 109 vom 11. Mai 2019) (im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 98/2011).


6      Decreto ministeriale n. 38 – Regolamento recante disciplina della distribuzione e vendita dei prodotti da fumo (Ministerialdekret Nr. 38 – Verordnung zur Regelung des Vertriebs und des Verkaufs von Tabakwaren) vom 21. Februar 2013 (GURI Nr. 89 vom 16. April 2013) in der durch das Dekret Nr. 51 des Ministers für Wirtschaft und Finanzen vom 12. Februar 2021 geänderten Fassung (im Folgenden: Ministerialdekret Nr. 38/2013).


7      Die vorherige Anforderung war von der Europäischen Kommission im Verfahren EU-Pilot 8002/15/GROW beanstandet worden, da sie gegen Art. 14 Nr. 5 der Richtlinie 2006/123 verstieß.


8      Die ADM führt aus, dass a) sich die vorgeschlagenen Räumlichkeiten 176 m von der Verkaufsstelle Nr. 6 und 220 m von der Verkaufsstelle Nr. 7 entfernt befänden und dass b) es in Finale Ligure bereits 13 aktive gewöhnliche und besondere Verkaufsstellen für 11 358 Einwohner gebe.


9      JS ist Eigentümer einer der Verkaufsstellen in der Nähe des Lokals der FA.RO. und tritt deren Forderung entgegen.


10      Urteile vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, (C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 47), und vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin (C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 50).


11      Urteile vom 15. November 2016, Ullens de Schooten (C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 54 und 55), und vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin (C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 52 und 53).


12      Urteile vom 20. September 2018, Fremoluc (C‑343/17, EU:C:2018:754, Rn. 33), vom 14. November 2018, Memoria und Dall’Antonia (C‑342/17, EU:C:2018:906, Rn. 21), vom 24. Oktober 2019, Belgische Staat (C‑469/18 und C‑470/18, EU:C:2019:895, Rn. 26), und vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin (C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 54).


13      Urteile vom 19. April 2018, Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi (C‑152/17, EU:C:2018:264, Rn. 22), und vom 2. September 2021, Irish Ferries (C‑570/19, EU:C:2021:664, Rn. 133).


14      In Bezug auf die Bestimmungen in Kapitel III der Richtlinie 2006/123 zur Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer vgl. Urteile vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, im Folgenden: Urteil X und Visser, Rn. 99 bis 110), vom 22. September 2020, Cali Apartments (C‑724/18 und C‑727/18, EU:C:2020:743, im Folgenden: Urteil Cali Apartments, Rn. 56), und vom 20. April 2023, Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato (Gemeinde Ginosa) (C‑348/22, EU:C:2023:301, Rn. 40).


15      Zur Regelung von Handelsmonopolen in der Union, vgl. Berrod, F., und Picod, F., „Monopoles publics“, Jurisclasseur Europe, Heft 1510, 1. November 2020.


16      Der Gerichtshof hat zum Beispiel festgestellt, dass eine italienische Regelung, die privaten Unternehmen verbietet, einen Urnenaufbewahrungsdienst anzubieten, zur Folge hat, den städtischen Urnenaufbewahrungsdiensten ein Monopol einzuräumen. In einem solchen Fall ist nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 die Anwendung dieser Richtlinie auf die nationale Regelung ausgeschlossen, die folglich allein anhand von Art. 49 AEUV zu prüfen ist (Urteil vom 14. November 2018, Memoria und Dall’Antonia [C‑342/17, EU:C:2018:906, Rn. 41 und 42]).


17      Das durch das Gesetz Nr. 907/1942 vom 17. Juli 1942 eingeführte Monopol für den Anbau, die Einfuhr und den Verkauf von unverarbeitetem Tabak wurde abgeschafft durch Art. 1 des Decreto-legge Nr. 870, Attuazione del Regolamento C.E.E. sulla politica agricola comune del tabacco greggio e integrazione delle disposizioni di cui alla legge 13 maggio 1966, n. 303 (Gesetzesdekret Nr. 870/1970, Durchführung der EWG-Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation für Rohtabak und Einbeziehung der Bestimmungen des Gesetzes Nr. 303/1966 vom 13. Mai 1966) vom 30. November 1970 (GURI Nr. 303 vom 30. November 1970), mit Änderungen umgewandelt in das Gesetz Nr. 3/1971 vom 27. Januar 1971 (GURI Nr. 24 vom 29. Januar 1971).


18      Nach dem Urteil X und Visser, Rn. 91, fällt der Einzelhandel mit Tabakerzeugnissen unter den Begriff „Dienstleistung“ im Sinne von Art. 4 Nr. 1 der Richtlinie 2006/123.


19      Art. 2 der Legge 13 maggio 1983, n. 198, Adeguamento alla normativa comunitaria della disciplina concernente i monopoli del tabacco lavorato e dei fiammiferi (Gesetz Nr. 198/1983 vom 13. Mai 1983, Anpassung der Tabak- und Streichholzmonopole an die Gemeinschaftsvorschriften) (GURI Nr. 138 vom 21. Mai 1983) hat in Art. 19 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 1293/1957 Buchst. a gestrichen, der den direkten Einzelhandel mit Tabakwaren durch den Staat erlaubte. Vgl. Urteil vom 14. Dezember 1995, Banchero (C‑387/93, EU:C:1995:439, Rn. 30, 42 und 49).


20      Vorlageentscheidung, Rn. 13.


21      Schriftliche Erklärungen der italienischen Regierung, Rn. 10. In der mündlichen Verhandlung hat die italienische Regierung betont, dass ein „Steuermonopol“ bestehe, doch bedeute dieses vermeintliche Monopol nur, dass die zugelassenen Verkaufsstellen zur Erhebung der Verbrauchsteuer auf Tabakkonsum beitrügen, indem sie den illegalen (unversteuerten) Verkauf von geschmuggeltem Tabak verhinderten.


22      Urteile vom 23. Dezember 2015, Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:843, Rn. 43 und 44), und vom 11. April 2019, Repsol Butano und DISA Gas (C‑473/17 und C‑546/17, EU:C:2019:308, Rn. 43).


23      Zur Begründung dieser Ansicht verweist das vorlegende Gericht auf das Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1995, Banchero (C‑387/93, EU:C:1995:439), wonach die Vorschriften des EWG-Vertrags nationalen Rechtsvorschriften wie den italienischen, nach denen der Einzelhandel mit Tabakwaren staatlich zugelassenen Vertriebshändlern vorbehalten ist, nicht entgegenstehen.


24      Siehe die entsprechenden Definitionen in Nr. 5 der vorliegenden Schlussanträge.


25      Urteile X und Visser, Rn. 115, und Cali Apartments, Rn. 49.


26      Schlussanträge von Generalanwalt Bobek vom 2. April 2020 in der Rechtssache Cali Apartments (C‑724/18 und C‑727/18, EU:C:2020:251, Nr. 69).


27      Urteil X und Visser, Rn. 119 und 120.


28      Urteil Cali Apartments, Rn. 51.


29      Die Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 2006/123 über Genehmigungsregelungen schließt eine Anwendung der in den Art. 14 und 15 enthaltenen Bestimmungen über Anforderungen nicht aus, wie aus dem Urteil vom 23. Dezember 2015, Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:843, Rn. 48 bis 54), hervorgeht.


30      Dieses Verbot, fügt die Bestimmung hinzu „betrifft nicht Planungserfordernisse, die keine wirtschaftlichen Ziele verfolgen, sondern zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dienen“.


31      Im 66. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/123 heißt es: „Die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates sollte nicht von einer Überprüfung eines wirtschaftlichen Bedarfs abhängen. Das Verbot von Überprüfungen eines wirtschaftlichen Bedarfs als Vorbedingung für die Erteilung einer Genehmigung sollte sich auf wirtschaftliche Erwägungen als solche beziehen und nicht auf andere Anforderungen, die objektiv durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wie etwa den Schutz der städtischen Umwelt, die Sozialpolitik und Ziele der öffentlichen Gesundheit. …“ Hervorhebung nur hier.


32      Urteile vom 11. März 2010, Attanasio Group (C‑384/08, EU:C:2010:133, Rn. 55), und vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a. (C‑593/13, EU:C:2015:399, Rn. 35 bis 40).


33      Verfahren EU-Pilot 8002/15/GROW.


34      Rn. 36 ihrer schriftlichen Erklärungen. Nach Auffassung der Kommission kann die italienische Regelung trotz der Änderung durch das Ministerialdekret Nr. 51 aus dem Jahr 2021 dem ersten Anschein nach immer noch als eine Anforderung in Zusammenhang mit dem Bestehen eines wirtschaftlichen Bedarfs oder einer Marktnachfrage oder mit der Beurteilung der möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen auf wirtschaftliche Programmziele angesehen werden.


35      Neben den Einnahmen, die die Verkäufer der Tabakwaren erzielen, handelt es sich dabei um die Einnahmen des Staates aus der Steuer auf Tabakwaren, die einen bedeutenden Beitrag zum Staatshaushalt leisten.


36      Urteil Cali Apartments, Rn. 58.


37      Urteil vom 23. Dezember 2015, Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:843, Rn. 55).


38      Wie ich bereits dargestellt habe, macht die italienische Regierung außerdem geltend, es sei zwingend erforderlich, die Steuereinnahmen aus dem Verkauf von Tabakwaren zu schützen. Sie geht jedoch nicht näher auf dieses Argument ein und konzentriert sich auf das Argument des Schutzes der öffentlichen Gesundheit.


39      In der Präambel des Rahmenübereinkommens der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs, das am 21. Mai 2003 in Genf unterzeichnet wurde und dem die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten beigetreten sind, wird anerkannt, „dass wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, dass Tabakkonsum und Passivrauchen zu Tod, Krankheit und Invalidität führen“ und „dass Zigaretten und bestimmte andere tabakhaltige Erzeugnisse technisch so konzipiert sind, dass sie Abhängigkeit schaffen und aufrechterhalten, dass viele der darin enthaltenen Verbindungen und der von ihnen erzeugte Rauch pharmakologisch wirksam, toxisch, mutagen und karzinogen sind, und dass Tabakabhängigkeit in den wichtigsten internationalen Krankheitsklassifikationen als Erkrankung separat eingestuft ist“.


40      Im Urteil vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a. (C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 152), heißt es: „Da unstreitig ist, dass Tabakkonsum und Passivrauchen zu Tod, Krankheit und Invalidität führen …“.


41      Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. 2014, L 127, S. 1).


42      Im Urteil vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez (C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2010:300, Rn. 44), heißt es, dass: „… es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zuzuerkennen.“


43      Vgl. die Urteile vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez (C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2010:300), zur Niederlassung von Apotheken in Spanien und vom 26. September 2013, Ottica New Line (C‑539/11, EU:C:2013:591), zur Niederlassung von Optikergeschäften in Italien.


44      Urteil vom 26. September 2013, Ottica New Line (C‑539/11, EU:C:2013:591, Rn. 42).


45      Ebd., Rn. 41.


46      Siehe hierzu Nr. 101 der vorliegenden Schlussanträge.


47      Urteile vom 23. Februar 2016, Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2016:108, Rn. 166), und vom 6. Oktober 2020, Kommission/Ungarn (Hochschulausbildung) (C‑66/18, EU:C:2020:792, Rn. 178).


48      Urteil vom 17. Dezember 2020, Onofrei (C‑218/19, EU:C:2020:1034, Rn. 32).


49      Urteile vom 18. Juni 2020, Kommission/Ungarn (Transparenz von Vereinigungen) (C‑78/18, EU:C:2020:476, Rn. 77), und vom 6. Oktober 2020, Kommission/Ungarn (Hochschulausbildung) (C‑66/18, EU:C:2020:792, Rn. 179).


50      Legge 8 agosto 1977, n. 556, semplificazione delle procedure dei concorsi di accesso alle carriere e categorie del personale dell’Amministrazione autonoma dei monopoli di Stato, modificazione dei ruoli organici del personale operaio dell’Amministrazione stessa e modifiche alla legge 14 novembre 1967, n. 1095 (Gesetz Nr. 556/1977 vom 8. August 1977, Vereinfachung der Auswahlverfahren für den Zugang zu den Laufbahnen und Laufbahngruppen des Personals der autonomen Verwaltung der staatlichen Monopole, Änderung der Funktionen der Beschäftigten der Verwaltung und Änderungen des Gesetzes Nr. 1095/1967 vom 14. November 1967) (GURI Nr. 228 vom 23. August 1977).


51      Nach dieser Bestimmung können Inhaber der zugelassenen Verkaufsstellen die Automaten a) außerhalb ihrer Räumlichkeiten und in ihrer unmittelbaren Umgebung, oder b) innerhalb der Räumlichkeiten im Verkaufsbereich der Verkaufsstelle aufstellen, und zwar als Alternative zu der Möglichkeit, eine Lizenz zu erhalten, für die die in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Bedingungen gelten.


52      Circolare di 11-01-2007, n. 509/2007, distributori automatici di sigarette. Aggiornamento disposizioni operative (Rundschreiben Nr. 509/2007 vom 11. Januar 2007 über Zigarettenautomaten, Aktualisierung der operativen Bestimmungen), abrufbar unter https://www.indicenormativa.it/sites/default/files/aggiornamento_disposizioni_operative.pdf. Vgl. außerdem Circolare n. 28/2021, modifiche introdotte dal d.m. 51/2021 in tema di distribuzione dei generi di monopolio alla luce delle ulteriori prescrizioni di cui alla determina direttoriale Prot. n. 231333/RU del 2 luglio 2021 in materia di rivendite speciali presso impianti di distribuzione di carburanti e di trasferimenti fuori zona (Rundschreiben Nr. 28/2021 zu den Änderungen durch das Ministerialdekret Nr. 51/2021 über den Vertrieb von Monopolwaren im Hinblick auf die späteren Anforderungen des Beschlusses Prot. Nr. 231333/RU des Direktors vom 2. Juli 2021 über besondere Verkaufsstellen in Tankstellen und über Umzüge außerhalb des Gebiets), abrufbar unter https://www.adm.gov.it/portale/documents/20182/6822722/Circolare+dm+51+2021.pdf/77aad5ed-9c8b-94e1-d197-7a6f803ffbc5?t=1627895644180.


53      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission argumentiert, die Abstände seien offenbar nicht nach Durchführung entsprechender Studien festgelegt worden, sondern auf die gewachsenen Strukturen der Regelung für den Einzelhandel mit Tabakwaren zurückzuführen.


54      Rn. 47 ihrer schriftlichen Erklärungen. Nach Ansicht der italienischen Regierung hat das vorlegende Gericht „nicht berücksichtigt, dass der von ihm geforderte Grad an Flexibilität in der italienischen Gesetzgebung bereits existiert“. Der nationale Gesetzgeber habe jedoch im Rahmen einer vernünftigen Ermessensausübung entschieden, dass das Fremdenverkehrsaufkommen aufgrund seiner Saisonabhängigkeit, seiner Zufälligkeit und seiner Schwankungen kein geeignetes Kriterium für die Ausweitung des Tabakangebots sei, da diese Merkmale im Widerspruch zur Stabilität einer gewöhnlichen Verkaufsstelle stünden.


55      Stattdessen werden im Rahmenübereinkommen andere Instrumente als nützlich und wirksam für die Eindämmung des Tabakkonsums angesehen, z. B. zur Verringerung der Nachfrage: fiskalische Maßnahmen, Rauchverbot an zahlreichen Orten, Information der Öffentlichkeit über die toxischen Inhaltsstoffe von Tabakerzeugnissen; und zur Verringerung des Angebots: Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels, Verbot des Verkaufs an Minderjährige, Verbot des Verkaufs von Zigaretten in loser Schüttung oder in kleinen Packungen usw.