Language of document : ECLI:EU:T:2008:585

Rechtssache T-196/04

Ryanair Ltd

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Staatliche Beihilfen – Vereinbarungen zwischen der Region Wallonien und dem Flughafenbetreiber Brussels South Charleroi Airport einerseits und dem Luftverkehrsunternehmen Ryanair andererseits – Bestehen eines wirtschaftlichen Vorteils – Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers“

Leitsätze des Urteils

1.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers

(Art. 87 Abs. 1 EG)

2.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Beurteilung nach dem Kriterium des privaten Kapitalgebers – Behörde, die dem öffentlichen Bereich zuzuordnende Flughafenanlagen verwaltet

(Art. 87 Abs. 1 EG)

1.      Im Rahmen der Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers ist ein Handelsgeschäft in seiner Gesamtheit zu betrachten, um zu prüfen, ob sich die staatliche Einrichtung und die von dieser kontrollierte Einrichtung insgesamt betrachtet wie marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaftsteilnehmer verhalten haben. Die Kommission muss nämlich bei der Beurteilung der streitigen Maßnahmen alle maßgeblichen Aspekte des streitigen Vorgangs und seinen Kontext berücksichtigen, einschließlich der Situation der die genannten Maßnahmen erlassenden Behörde oder Behörden.

(vgl. Randnr. 59)

2.      Im Hinblick auf die Feststellung, ob eine staatliche Maßnahme einen Vorteil im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellt, ist zwischen den Verpflichtungen zu unterscheiden, die der Staat als Anteilseigner einer Gesellschaft zu übernehmen hat, und den Verpflichtungen, die ihm als Träger der öffentlichen Gewalt obliegen. Wenn der Staat als ein Unternehmen auftritt, das wie ein privater Kapitalgeber handelt, ist sein Verhalten zwar nach dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers zu prüfen, jedoch kommt die Anwendung dieses Grundsatzes dann nicht in Betracht, wenn er als Träger der öffentlichen Gewalt handelt. Im letztgenannten Fall ist das Verhalten des Staates nämlich niemals mit dem eines privaten marktwirtschaftlichen Wirtschaftsteilnehmers oder Kapitalgebers vergleichbar.

Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Die Festlegung der Höhe der Landegebühren und die Zusicherung einer damit verbundenen Entschädigung ist eine unmittelbar mit der Verwaltung der Flughafeninfrastrukturen zusammenhängende Tätigkeit, bei der es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt. Die von einer Behörde festgelegten Flughafentarife sind als eine Vergütung der am Flughafen erbrachten Dienstleistungen anzusehen, auch wenn der unmittelbare und offenkundige Bezug zwischen der Abgabenhöhe und der den Nutzern erbrachten Leistung schwach ist.

Werden den Luftfahrtunternehmen Flughafenanlagen von einer Behörde gegen Zahlung eines Entgelts, dessen Höhe von der Behörde frei festgelegt wird, zur Verfügung gestellt, so lässt sich dies und die Verwaltung dieser Anlagen als wirtschaftliche Tätigkeiten einstufen, die zwar im öffentlichen Bereich geleistet werden, aber nicht allein deswegen zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehören. Diese Tätigkeiten hängen nämlich ihrer Art, ihrem Gegenstand und den für sie geltenden Regeln nach nicht mit der Ausübung von Befugnissen zusammen, die typischerweise hoheitliche Befugnisse sind.

Die Tatsache, dass eine Behörde Eigentümerin von Flughafenanlagen ist, die dem öffentlichen Bereich zuzuordnen sind, kann daher nicht ausschließen, dass sie als eine Einrichtung anzusehen ist, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

Der bloße Umstand, dass die Behörde über Regelungsbefugnisse in Bezug auf die Festsetzung der Flughafengebühren verfügt, schließt ebenfalls nicht aus, dass die Prüfung eines Rabattsystems für diese Gebühren nach dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers durchgeführt werden muss, da ein solches System von einem privaten Wirtschaftsbeteiligten eingeführt werden kann.

(vgl. Randnrn. 84-85, 87-89, 91-92, 101)