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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

17. März 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 1999/70/EG – EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Paragraf 4 – Grundsatz der Nicht-Diskriminierung – Sachliche Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung befristet beschäftigter Arbeitnehmer rechtfertigen – Richtlinie 98/59/EG – Massenentlassung – Nationale Regelung über den Schutz, der einem von einer ungerechtfertigten Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer zu gewähren ist – Anwendung einer weniger günstigen Schutzregelung auf vor ihrem Inkrafttreten geschlossene befristete Arbeitsverträge, die nach diesem Zeitpunkt in unbefristete Verträge umgewandelt werden“

In der Rechtssache C‑652/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale di Milano (Landesgericht Mailand, Italien) mit Entscheidung vom 5. August 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 2. September 2019, in dem Verfahren

KO

gegen

Consulmarketing SpA, in Konkurs,

Beteiligte:

Filcams CGIL,

Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter A. Kumin (Berichterstatter), T. von Danwitz und P. G. Xuereb sowie der Richterin I. Ziemele,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von KO, der Filcams CGIL und der Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL), vertreten durch C. De Marchis Gòmez, avvocato,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Aiello und E. Manzo, avvocati dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, ursprünglich vertreten durch B.‑R. Killmann, A. Spina und M. van Beek, dann durch B.‑R. Killmann und A. Spina als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. 1998, L 225, S. 16), des Paragrafen 4 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) sowie der Art. 20 und 30 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen KO und der Consulmarketing SpA, in Konkurs, über den Rechtsschutz, der KO infolge ihrer Entlassung durch Consulmarketing im Rahmen einer ungerechtfertigten Massenentlassung zu gewähren ist.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 98/59

3        In den Erwägungsgründen 2 und 6 der Richtlinie 98/59 heißt es:

„(2)      Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft ist es wichtig, den Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen zu verstärken.

(6)      Die auf der Tagung des Europäischen Rates in Straßburg am 9. Dezember 1989 von den Staats- und Regierungschefs von elf Mitgliedstaaten angenommene Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer sieht unter Nummer 7 … Folgendes vor: ‚… Die Verwirklichung des Binnenmarktes muss zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft führen …‘“

4        Nach ihrem Art. 1 Abs. 2 Buchst. a findet diese Richtlinie u. a. keine Anwendung auf „Massenentlassungen im Rahmen von Arbeitsverträgen, die für eine bestimmte Zeit oder Tätigkeit geschlossen werden, es sei denn, dass diese Entlassungen vor Ablauf oder Erfüllung dieser Verträge erfolgen“.

 Richtlinie 1999/70 und Rahmenvereinbarung

5        Der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 lautet: „Die Unterzeichnerparteien wollten eine Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge schließen, welche die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge und Beschäftigungsverhältnisse niederlegt. Sie haben ihren Willen bekundet, durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse verhindert.“

6        Der zweite Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung sieht vor, dass die Unterzeichnerparteien dieser Vereinbarung „[anerkennen], dass unbefristete Verträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darstellen und weiter darstellen werden [und dass] befristete Beschäftigungsverträge unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entsprechen“.

7        In Paragraf 1 („Gegenstand“) der Rahmenvereinbarung heißt es:

„Diese Rahmenvereinbarung soll:

a)      durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern;

…“

8        Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung lautet:

„Diese Vereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition.“

9        In Paragraf 3 („Definitionen“) der Rahmenvereinbarung heißt es:

„Im Sinne dieser Vereinbarung ist:

1.      ‚befristet beschäftigter Arbeitnehmer‘ eine Person mit einem direkt zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis, dessen Ende durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt wird.

2.      ‚vergleichbarer Dauerbeschäftigter‘ ein Arbeitnehmer desselben Betriebs mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis, der in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit/Beschäftigung tätig ist, wobei auch die Qualifikationen/Fertigkeiten angemessen zu berücksichtigen sind.

Ist in demselben Betrieb kein vergleichbarer Dauerbeschäftigter vorhanden, erfolgt der Vergleich anhand des anwendbaren Tarifvertrags oder in Ermangelung eines solchen gemäß den einzelstaatlichen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten.“

10      Paragraf 4 („Grundsatz der Nichtdiskriminierung“) der Rahmenvereinbarung sieht vor:

„1.      Befristet beschäftig[t]e Arbeitnehmer dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.

4.      In Bezug auf bestimmte Beschäftigungsbedingungen gelten für befristet beschäftig[t]e Arbeitnehmer dieselben Betriebszugehörigkeitszeiten wie für Dauerbeschäftigte, es sei denn, unterschiedliche Betriebszugehörigkeitszeiten sind aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.“

 Italienisches Recht

11      Die Legge n. 223 – Norme in materia di cassa integrazione, mobilità, trattamenti di disoccupazione, attuazione di direttive della Comunità europea, avviamento al lavoro ed altre disposizioni in materia di mercato del lavoro (Gesetz Nr. 223 mit Vorschriften auf dem Gebiet der Kurzarbeit, der Mobilität, der Arbeitslosenunterstützung, der Umsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, der Arbeitsvermittlung und mit anderen Vorschriften über den Arbeitsmarkt) vom 23. Juli 1991 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 175 vom 27. Juli 1991) in der durch die Legge n. 92 – Disposizioni in materia di riforma del mercato del lavoro in una prospettiva di crescita (Gesetz Nr. 92 mit Bestimmungen zur Reform des Arbeitsmarkts zur Förderung des Wachstums) vom 28. Juni 2012 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 153 vom 3. Juli 2012) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 223/1991) legt den rechtlichen Rahmen für Massenentlassungsverfahren fest, zu dem u. a. die Bestimmungen gehören, mit denen die Richtlinie 98/59 in italienisches Recht umgesetzt wird. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 223/1991 die Kriterien vorsieht, auf deren Grundlage der Arbeitgeber bei einer Massenentlassung die davon betroffenen Arbeitnehmer auszuwählen hat.

12      Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 223/1991 bestimmt:

„… Im Fall des Verstoßes gegen die Kriterien [für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer] nach Abs. 1 kommt die Regelung nach Art. 18 Abs. 4 der [Legge n. 300 – Norme sulla tutela della libertà e dignità dei lavoratori, della libertà sindacale e dell’attività sindacale, nei luoghi di lavoro e norme sul collocamento (Gesetz Nr. 300 mit Vorschriften zum Schutz der Freiheit und der Würde der Arbeitnehmer, der Koalitionsfreiheit und der gewerkschaftlichen Tätigkeit am Arbeitsplatz und mit Vorschriften über die Arbeitsvermittlung) vom 20. Mai 1970 (GURI Nr. 131 vom 27. Mai 1970) zur Anwendung. …“

13      Art. 18 Abs. 1 und 4 des Gesetzes Nr. 300 vom 20. Mai 1970 sieht in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung vor:

„In dem Urteil, in dem es die Nichtigkeit der Kündigung feststellt, weil sie diskriminierend ist … oder von anderen gesetzlich vorgesehenen Nichtigkeitsfällen erfasst wird oder auf einem ausschlaggebenden unerlaubten Grund im Sinne von Art. 1345 des Codice civile (Bürgerliches Gesetzbuch) beruht, ordnet das Gericht gegenüber dem Arbeitgeber … die Wiedereingliederung des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz an, unabhängig von dem formal geltend gemachten Grund und von der Anzahl der vom Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer. … Wurde die Wiedereingliederung angeordnet, gilt das Arbeitsverhältnis als aufgelöst, wenn der Arbeitnehmer seine Beschäftigung nicht innerhalb von 30 Tagen nach der Aufforderung durch den Arbeitgeber wieder aufgenommen hat, es sei denn, er hat die in Abs. 3 dieses Artikels genannte Entschädigung beantragt. Die Regelung nach diesem Artikel gilt auch für die Kündigung, die für unwirksam erklärt wurde, weil sie mündlich erfolgt ist.

Stellt das Gericht fest, dass die vom Arbeitgeber angeführten Voraussetzungen des sachlichen Rechtfertigungsgrundes oder des berechtigten Grundes [für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung] nicht erfüllt sind, … erklärt es die Kündigung für nichtig und verurteilt den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer im Sinne von Abs. 1 wieder an seinem Arbeitsplatz einzugliedern und ihm eine nach den letzten tatsächlichen Gesamtbezügen bemessene Entschädigung von dem Tag, zu dem gekündigt wurde, bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Wiedereingliederung zu zahlen, wobei die Bezüge des Arbeitnehmers für die Ausübung anderer beruflicher Tätigkeiten in der Zeit der Nichtbeschäftigung sowie die Beträge, die er hätte beziehen können, wenn er sich mit dem gebotenen Einsatz um die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz bemüht hätte, zum Abzug kommen. … Der Arbeitgeber wird auch zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, zuzüglich gesetzlicher Zinsen und ohne Strafzahlungen für die fehlende oder verspätete Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge, von dem Tag, zu dem gekündigt wurde, bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Wiedereingliederung in Höhe der Differenz zwischen den Beiträgen, die im Rahmen des nicht durch die ungerechtfertigte Kündigung unterbrochenen Arbeitsvertrags entrichtet worden wären, und den für den Arbeitnehmer im Rahmen der Ausübung anderer beruflicher Tätigkeiten entrichteten Beiträgen verurteilt. …“

14      Art. 1 Abs. 1 und 2 des Decreto legislativo n. 23 – Disposizioni in materia di contratto di lavoro a tempo indeterminato a tutele crescenti, in attuazione della legge 10 dicembre 2014, n. 183 (Decreto legislativo Nr. 23 mit Bestimmungen über unbefristete Arbeitsverträge mit zunehmendem Schutz, in Durchführung des Gesetzes Nr. 183 vom 10. Dezember 2014) vom 4. März 2015 (GURI Nr. 54 vom 6. März 2015, im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 23/2015) bestimmt:

„1.      Für Arbeitnehmer, die ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Dekrets als Arbeiter, Angestellte oder Führungskräfte mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag eingestellt werden, gilt die Schutzregelung bei ungerechtfertigter Kündigung nach den Bestimmungen dieses Dekrets.

2.      Die Bestimmungen dieses Dekrets gelten auch für den Fall, dass ein befristeter Vertrag oder ein Ausbildungsvertrag nach dem Inkrafttreten dieses Dekrets in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt wird.“

15      Nach Art. 3 Abs. 1 des Decreto legislativo Nr. 23/2015 erklärt das Gericht im Fall einer ungerechtfertigten Massenentlassung das Arbeitsverhältnis für erloschen und „verurteilt den Arbeitgeber zur Zahlung einer nicht sozialbeitragspflichtigen Entschädigung in Höhe von zwei Monatsvergütungen für jedes Dienstjahr, bemessen nach der letzten Monatsvergütung, die für die Berechnung der Abfindung als Referenz herangezogen wird, wobei diese Entschädigung jedenfalls nicht weniger als vier Monatsvergütungen und nicht mehr als 24 Monatsvergütungen betragen darf“. Nach dem Decreto legge n. 87 – Disposizioni urgenti per la dignità dei lavoratori e delle imprese (Decreto-legge Nr. 87 über die Einführung dringender Bestimmungen zur Wahrung der Würde der Arbeitnehmer und der Unternehmen) vom 12. Juli 2018 (GURI Nr. 161 vom 13. Juli 2018) liegt diese Spanne zwischen sechs und 36 Monatsvergütungen.

16      Art. 10 Abs. 1 des Decreto legislativo Nr. 23/2015 bestimmt:

„1.      … Bei einem Verstoß gegen … die Auswahlkriterien nach Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes [Nr. 223/1991] findet die Regelung gemäß Art. 3 Abs. 1 Anwendung.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

17      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens wurde von Consulmarketing zum 14. Januar 2013 im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrags eingestellt.

18      Am 31. März 2015 wurde dieser befristete Vertrag in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt.

19      Am 19. Januar 2017 leitete Consulmarketing ein Massenentlassungsverfahren ein, das 350 Arbeitnehmer, darunter die Klägerin des Ausgangsverfahrens, betraf und nach dessen Abschluss alle diese Arbeitnehmer entlassen wurden.

20      Die entlassenen Arbeitnehmer erhoben Klage bei dem vorlegenden Gericht, dem Tribunale di Milano (Landesgericht Mailand, Italien), und trugen dafür u. a. vor, dass Consulmarketing gegen die Kriterien verstoßen habe, auf deren Grundlage der Arbeitgeber bei einer Massenentlassung die davon betroffenen Arbeitnehmer auszuwählen habe.

21      Das vorlegende Gericht stellte fest, dass die Massenentlassung ungerechtfertigt gewesen sei, und ordnete die Zahlung von Schadensersatz sowie die Wiedereingliederung aller betroffenen Arbeitnehmer außer der Klägerin des Ausgangsverfahrens bei dem Unternehmen an. Es ging nämlich davon aus, dass sie nicht in den Genuss derselben Schutzregelung wie die übrigen entlassenen Arbeitnehmer kommen könne, da die Umwandlung ihres befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Vertrag nach dem 7. März 2015, dem Tag des Inkrafttretens des Decreto legislativo Nr. 23/2015, erfolgt sei.

22      Im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen diese Entscheidung, der den Gegenstand des Ausgangsverfahrens darstellt, macht die Klägerin des Ausgangsverfahrens u. a. geltend, dass die anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften nicht mit dem Unionsrecht vereinbar seien und dass gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen worden sei. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass während des Verfahrens zum einen Consulmarketing für zahlungsunfähig erklärt wurde und zum anderen die Filcams CGIL und die Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL, Allgemeiner italienischer Gewerkschaftsbund) als Gewerkschaftsorganisationen von sich aus dem Verfahren zur Unterstützung der Anträge der Klägerin des Ausgangsverfahrens beitraten.

23      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass der Arbeitgeber im Fall einer ungerechtfertigten Entlassung eines Arbeitnehmers, der vor dem 7. März 2015 im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsvertrags eingestellt wurde, den betreffenden Arbeitnehmer zum einen an seinem Arbeitsplatz wiedereingliedern muss und ihm zum anderen eine Entschädigung in Höhe des tatsächlichen Gesamtentgelts für den Zeitraum zwischen dem Tag der Entlassung und dem Tag der tatsächlichen Wiedereingliederung neben der Entrichtung der diesem Zeitraum entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss, wobei diese Entschädigung maximal zwölf Monatsvergütungen betragen kann. Die ab dem 7. März 2015 unbefristet eingestellten Arbeitnehmer könnten eine solche Wiedereingliederung nicht geltend machen, sondern nur eine nicht sozialbeitragspflichtige Entschädigung. Die Höhe dieser Entschädigung hänge insbesondere von den Betriebszugehörigkeitszeiten des Arbeitnehmers ab und entspreche je nach Fall mindestens vier und höchstens 24 Monatsvergütungen. Ab dem Jahr 2018 sei diese Spanne auf sechs bzw. 36 Monatsvergütungen erhöht worden.

24      Im vorliegenden Fall sei die Klägerin des Ausgangsverfahrens vor dem 7. März 2015 eingestellt worden, ihr befristeter Vertrag sei jedoch nach diesem Zeitpunkt in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt worden. Die Umwandlung eines befristeten Vertrags in einen unbefristeten Vertrag werde aber im Hinblick auf die Festlegung der Regelung über den Schutz bei einer ungerechtfertigten Massenentlassung einer Neueinstellung gleichgesetzt. Insoweit könne die Klägerin des Ausgangsverfahrens nach den nationalen Rechtsvorschriften weder die Wiedereingliederung in ihren ursprünglichen Aufgabenbereich noch Schadensersatz, sondern nur eine Entschädigung verlangen.

25      Das vorlegende Gericht fragt sich, ob diese Situation mit der Richtlinie 98/59 und Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung, ausgelegt im Licht der Art. 20 und 30 der Charta, vereinbar ist.

26      Erstens ist dem vorlegenden Gericht zufolge die Entschädigung, die die Klägerin des Ausgangsverfahrens geltend machen könne, keine angemessene Wiedergutmachung für eine ungerechtfertigte Massenentlassung im Sinne von Art. 30 der Charta. Aus den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17) gehe nämlich hervor, dass diese Bestimmung im Licht von Art. 24 der am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten Europäischen Sozialcharta auszulegen sei, die wiederum vom Europäischen Ausschuss für soziale Rechte dahin ausgelegt worden sei, dass eine Sanktion, die sich aus einer ungerechtfertigten Massenentlassung ergebe, als angemessen angesehen werde, wenn sie erstens die Erstattung der finanziellen Einbußen vorsehe, die dem betreffenden Arbeitnehmer zwischen dem Zeitpunkt seiner Entlassung und der Entscheidung, die den Arbeitgeber zur Zahlung dieser Erstattung verurteile, entstanden seien, zweitens eine Möglichkeit der Wiedereingliederung dieses Arbeitnehmers bei dem Unternehmen vorsehe und drittens hinreichend hohe Entschädigungen vorsehe, um den Arbeitgeber abzuschrecken und den vom Arbeitnehmer erlittenen Schaden auszugleichen.

27      Zweitens stellt das vorlegende Gericht eine Ungleichbehandlung fest, und zwar zwischen der Klägerin des Ausgangsverfahrens, d. h. einer Arbeitnehmerin, die vor dem 7. März 2015 im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrags eingestellt wurde, der nach diesem Zeitpunkt in einen unbefristeten Arbeitsvertrag umgewandelt wurde, auf der einen Seite und allen anderen von Consulmarketing entlassenen Arbeitnehmern, die im Rahmen von vor diesem Zeitpunkt geschlossenen unbefristeten Arbeitsverträgen eingestellt wurden, auf der anderen Seite. Diese Ungleichbehandlung ergebe sich daraus, dass die Umwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Arbeitsvertrag einer Neueinstellung gleichgesetzt werde.

28      Unter diesen Umständen hat das Tribunale di Milano (Landesgericht Mailand) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stehen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung in Paragraf 4 der [Rahmenvereinbarung] über die Beschäftigungsbedingungen den Rechtsvorschriften nach Art. 1 Abs. 2 und Art. 10 des Decreto legislativo Nr. 23/2015 entgegen, die in Bezug auf rechtswidrige Massenentlassungen wegen Verstoßes gegen die Auswahlkriterien eine unterschiedliche zweifache Regelung enthalten, wonach im selben Verfahren ein angemessener, wirksamer und abschreckender Schutz für die unbefristeten Arbeitsverhältnisse gewährleistet wird, die vor dem 7. März 2015 begründet wurden, für die die Abhilfe der Wiedereingliederung und die Zahlung der [Sozialversicherungs‑]Beiträge zulasten des Arbeitgebers vorgesehen sind, und umgekehrt ein auf bloße Entschädigung im Rahmen eines Mindest- und eines Höchstbetrags gerichteter Schutz, der weniger effektiv und abschreckend ist, für die befristeten Arbeitsverhältnisse, die genauso lange bestehen, da sie vor diesem Zeitpunkt begründet wurden, aber nach dem 7. März 2015 in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt wurden?

2.      Stehen die Bestimmungen in den Art. 20 und 30 der Charta und in der Richtlinie 98/59 einer Rechtsvorschrift wie Art. 10 des Decreto legislativo Nr. 23/2015 entgegen, der nur für die ab dem 7. März 2015 unbefristet (oder mit einem umgewandelten befristeten Arbeitsverhältnis) eingestellten Arbeitnehmer eine Bestimmung einführt, wonach im Fall von rechtswidrigen Massenentlassungen wegen Verstoßes gegen die Auswahlkriterien, anders als bei den zuvor begründeten anderen entsprechenden Arbeitsverhältnissen, die in dasselbe Verfahren einbezogen sind, die Wiedereingliederung auf dem Arbeitsplatz nicht vorgesehen ist, und der umgekehrt ein konkurrierendes System eines auf bloße Entschädigung gerichteten Schutzes einführt, das unangemessen ist, um die wirtschaftlichen Folgen aus dem Verlust des Arbeitsplatzes wiedergutzumachen, und schlechter als das andere bestehende Modell, das auf andere Arbeitnehmer angewandt wird, deren Arbeitsverhältnisse, mit der einzigen Ausnahme des Zeitpunkts der Umwandlung oder Begründung, die gleichen Merkmale aufweisen?

 Zu den Vorlagefragen

 Vorüberlegungen

29      Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte geht hervor, dass das Ausgangsverfahren zwei aufeinanderfolgende Regelungen über den Schutz der Arbeitnehmer bei einer ungerechtfertigten Massenentlassung betrifft. Zum einen kann ein Dauerbeschäftigter, dessen Vertrag bis zum 7. März 2015 geschlossen wurde, nach dem Gesetz Nr. 223/1991 seine Wiedereingliederung in dem Unternehmen geltend machen. Zum anderen kann ein Dauerbeschäftigter, dessen Vertrag ab diesem Zeitpunkt geschlossen wurde, nur eine Entschädigung beanspruchen, deren Höhe nach dem Decreto legislativo Nr. 23/2015 begrenzt ist.

30      Nach Art. 1 Abs. 2 des Decreto legislativo Nr. 23/2015 gilt die dort vorgesehene Schutzregelung für befristete Verträge, die nach seinem Inkrafttreten in unbefristete Verträge umgewandelt werden. Da dies auf die Klägerin des Ausgangsverfahrens zutrifft, kann sie im Gegensatz zu sämtlichen Kollegen, die gleichzeitig mit ihr entlassen wurden, aber nach dem Gesetz Nr. 223/1991 in das Unternehmen wiedereingegliedert wurden, da es sich um vor dem 7. März 2015 eingestellte Dauerbeschäftigte handelte, nur eine Entschädigung nach diesem Decreto legislativo beanspruchen.

31      Das vorlegende Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die durch das Decreto legislativo Nr. 23/2015 eingeführte neue Regelung mit der Rahmenvereinbarung, der Richtlinie 98/59 und den Art. 20 und 30 der Charta vereinbar ist.

32      Zunächst ist festzustellen, dass das in Art. 267 AEUV errichtete System der Zusammenarbeit auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht. Im Rahmen eines gemäß diesem Artikel eingeleiteten Verfahrens ist die Auslegung der nationalen Vorschriften Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten und nicht des Gerichtshofs, und es kommt diesem nicht zu, sich zur Vereinbarkeit von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts mit den Bestimmungen des Unionsrechts zu äußern. Dagegen ist der Gerichtshof befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem Gericht ermöglichen, die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht zu beurteilen (Urteil vom 30. April 2020, CTT – Correios de Portugal, C‑661/18, EU:C:2020:335, Rn. 28).

33      Auch wenn sich der Gerichtshof nach dem Wortlaut der vom vorlegenden Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen zur Vereinbarkeit von innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht äußern soll, ist er demnach durch nichts daran gehindert, dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, indem er ihm Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts liefert, anhand deren das Gericht selbst über die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht entscheiden kann (Urteil vom 30. April 2020, CTT – Correios de Portugal, C‑661/18, EU:C:2020:335, Rn. 29).

34      Im Übrigen gilt die Charta nach ihrem Art. 51 Abs. 1 für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach Art. 6 Abs. 1 EUV und Art. 51 Abs. 2 der Charta dehnt diese den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Europäischen Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union, noch ändert sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben. Somit hat der Gerichtshof im Licht der Charta das Unionsrecht in den Grenzen der der Union übertragenen Zuständigkeiten zu prüfen (Beschluss vom 4. Juni 2020, Balga, C‑32/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:441, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Die Vorlagefragen sind daher dahin umzuformulieren, dass sie die Auslegung zum einen von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung und zum anderen der Richtlinie 98/59 im Licht der Art. 20 und 30 der Charta betreffen.

 Zur zweiten Frage

36      Mit seiner zweiten Frage, die an erster Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 98/59 und die Art. 20 und 30 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die vorsehen, dass in ein und demselben Massenentlassungsverfahren nebeneinander zwei unterschiedliche Regelungen über den Schutz von Dauerbeschäftigten im Fall einer Massenentlassung, bei der gegen die Kriterien für die Auswahl der von diesem Verfahren betroffenen Arbeitnehmer verstoßen wurde, zur Anwendung kommen.

37      Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts reicht es für die Feststellung, dass mit den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bestimmungen des italienischen Rechts die Richtlinie 98/59 umgesetzt wird, nicht aus, dass diese Bestimmungen Teil einer umfassenderen nationalen Regelung sind, von der einige andere Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie in innerstaatliches Recht erlassen worden sind. Um die Anwendbarkeit der Richtlinie 98/59 und folglich der Charta auf das Ausgangsverfahren feststellen zu können, müsste diese Richtlinie nämlich im Hinblick auf den in dieser Rechtssache in Rede stehenden Sachverhalt eine spezifische Verpflichtung auferlegen, die durch die betreffenden Bestimmungen des italienischen Rechts umgesetzt wurde (vgl. entsprechend Beschluss vom 4. Juni 2020, Balga, C‑32/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:441, Rn. 27).

38      Der Vorlageentscheidung ist jedoch nicht zu entnehmen, dass es im Ausgangsrechtsstreit um eine durch die Richtlinie 98/59 auferlegte Verpflichtung geht (vgl. entsprechend Beschluss vom 4. Juni 2020, Balga, C‑32/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:441, Rn. 28).

39      Zum einen ist festzustellen, dass der zweite Erwägungsgrund der Richtlinie 98/59, auf den das vorlegende Gericht Bezug nimmt und aus dem sich ergibt, dass diese Richtlinie den Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen verstärken soll, keine spezifische Verpflichtung im Hinblick auf eine Situation wie die der Klägerin des Ausgangsverfahrens begründen kann (vgl. entsprechend Beschluss vom 4. Juni 2020, Balga, C‑32/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:441, Rn. 29).

40      Zum anderen ergibt sich eine solche Verpflichtung nicht aus den Bestimmungen der Richtlinie 98/59. Das Hauptziel dieser Richtlinie besteht darin, dass vor Massenentlassungen eine Konsultation der Arbeitnehmervertreter durchgeführt und die zuständige öffentliche Behörde informiert wird. Nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie erstrecken sich diese Konsultationen auf die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern. Nach Art. 2 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie hat der Arbeitgeber der zuständigen Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen anzuzeigen und ihr die in diesen Bestimmungen angeführten Angaben und Auskünfte zu übermitteln (Beschluss vom 4. Juni 2020, Balga, C‑32/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:441, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Die Richtlinie 98/59 stellt somit nur eine teilweise Harmonisierung der Vorschriften über den Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen, d. h. das bei solchen Entlassungen anzuwendende Verfahren, sicher. Dementsprechend hat der Gerichtshof bereits klargestellt, dass mit dieser Richtlinie kein allgemeiner finanzieller Ausgleichsmechanismus auf Unionsebene für den Fall des Verlustes von Arbeitsplätzen geschaffen werden soll und dass sie auch nicht die Modalitäten der endgültigen Einstellung der Tätigkeiten eines Unternehmens harmonisiert (Beschluss vom 4. Juni 2020, Balga, C‑32/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:441, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Die Modalitäten des Schutzes, der einem Arbeitnehmer zu gewähren ist, der von einer ungerechtfertigten Massenentlassung infolge eines Verstoßes gegen die Kriterien, auf deren Grundlage der Arbeitgeber die zu entlassenden Arbeitnehmer auszuwählen hat, betroffen ist, stehen offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den sich aus der Richtlinie 98/59 ergebenden Anzeige- und Konsultationspflichten. Weder diese Modalitäten noch die genannten Auswahlkriterien fallen in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie. Sie verbleiben daher im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 4. Juni 2020, Balga, C‑32/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:441, Rn. 32).

43      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 6 der Richtlinie 98/59 dafür zu sorgen haben, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen. Art. 6 schreibt den Mitgliedstaaten im Fall eines Verstoßes gegen die in der Richtlinie 98/59 festgelegten Verpflichtungen keine bestimmte Maßnahme vor, sondern lässt ihnen die Freiheit, unter den verschiedenen Lösungen, die zur Verwirklichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels geeignet sind, nach Maßgabe der unterschiedlichen denkbaren Sachverhalte zu wählen. Wie das vorlegende Gericht im Wesentlichen ausgeführt hat, müssen diese Maßnahmen jedoch einen effektiven und wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gemäß Art. 47 der Charta gewährleisten und eine tatsächliche abschreckende Wirkung haben (Beschluss vom 4. Juni 2020, Balga, C‑32/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:441, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Art. 6 der Richtlinie 98/59 und diese Rechtsprechung gelten jedoch nur für Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie. Da aus der Vorlageentscheidung eindeutig hervorgeht, dass die zweite Vorlagefrage keinen Verstoß gegen eine in dieser Richtlinie festgelegte Verpflichtung betrifft, sondern einen Verstoß gegen die in den nationalen Rechtsvorschriften aufgestellten Kriterien, auf deren Grundlage der Arbeitgeber bei einer Massenentlassung die von diesem Verfahren betroffenen Arbeitnehmer auszuwählen hat, wobei es sich um Kriterien handelt, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, können Art. 6 und die angeführte Rechtsprechung im vorliegenden Fall keine Anwendung finden (vgl. entsprechend Beschluss vom 4. Juni 2020, Balga, C‑32/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:441, Rn. 34).

45      Im Übrigen können nationale Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass in ein und demselben Massenentlassungsverfahren nebeneinander zwei unterschiedliche Regelungen über den Schutz von Dauerbeschäftigten bei einer ungerechtfertigten Massenentlassung zur Anwendung kommen, da diese Rechtsvorschriften nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 98/59 fallen, nicht als Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta angesehen und daher nicht anhand der Garantien der Charta und insbesondere ihrer Art. 20 und 30 geprüft werden.

46      Nach alledem fallen nationale Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass in ein und demselben Massenentlassungsverfahren nebeneinander zwei unterschiedliche Regelungen über den Schutz von Dauerbeschäftigten im Fall einer Massenentlassung, bei der gegen die Kriterien für die Auswahl der von diesem Verfahren betroffenen Arbeitnehmer verstoßen wurde, zur Anwendung kommen, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 98/59 und können daher nicht im Hinblick auf die durch die Charta und insbesondere deren Art. 20 und 30 verbürgten Grundrechte geprüft werden.

 Zur ersten Frage

47      Mit seiner ersten Frage, die an zweiter Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die eine neue Regelung über den Schutz von Dauerbeschäftigten bei einer ungerechtfertigten Massenentlassung auf Arbeitnehmer erstrecken, deren vor dem Inkrafttreten dieser Regelung geschlossener befristeter Vertrag nach diesem Zeitpunkt in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt wurde.

48      Eines der Ziele der Rahmenvereinbarung besteht nach ihrem Paragrafen 1 Buchst. a darin, durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Desgleichen heißt es im dritten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung, dass sie „den Willen der Sozialpartner deutlich [macht], einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichert“. Im 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 wird dazu festgestellt, dass die Rahmenvereinbarung insbesondere die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse durch Festlegung von Mindestvorschriften verbessern soll, die geeignet sind, die Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung zu gewährleisten (Urteil vom 25. Juli 2018, Vernaza Ayovi, C‑96/17, EU:C:2018:603, Rn. 21).

49      Die Rahmenvereinbarung, insbesondere ihr Paragraf 4, bezweckt, diesen Grundsatz auf befristet beschäftigte Arbeitnehmer anzuwenden, um zu verhindern, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis von einem Arbeitgeber benutzt wird, um diesen Arbeitnehmern Rechte vorzuenthalten, die Dauerbeschäftigten zuerkannt werden (Urteil vom 25. Juli 2018, Vernaza Ayovi, C‑96/17, EU:C:2018:603, Rn. 22).

50      In Anbetracht der Ziele der Rahmenvereinbarung muss ihr Paragraf 4 als Ausdruck eines Grundsatzes des Sozialrechts der Union verstanden werden, der nicht restriktiv ausgelegt werden darf (Urteil vom 25. Juli 2018, Vernaza Ayovi, C‑96/17, EU:C:2018:603, Rn. 23).

51      Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung verbietet es, befristet beschäftigte Arbeitnehmer in ihren Beschäftigungsbedingungen gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nur aufgrund ihrer befristeten Beschäftigung schlechter zu behandeln, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Paragraf 4 Nr. 4 der Rahmenvereinbarung enthält dasselbe Verbot hinsichtlich Betriebszugehörigkeitszeiten in Bezug auf bestimmte Beschäftigungsbedingungen.

52      Erstens hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der einem Arbeitnehmer im Fall einer ungerechtfertigten Entlassung gewährte Schutz unter den Begriff „Beschäftigungsbedingungen“ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Vernaza Ayovi, C‑96/17, EU:C:2018:603, Rn. 28 bis 30).

53      Um festzustellen, ob die Betroffenen die gleiche oder eine ähnliche Arbeit im Sinne der Rahmenvereinbarung verrichten, ist zweitens nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Einklang mit Paragraf 3 Nr. 2 und Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung zu prüfen, ob sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Vernaza Ayovi, C‑96/17, EU:C:2018:603, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Es ist Sache des für die Würdigung des Sachverhalts allein zuständigen vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens in einer vergleichbaren Situation wie die Arbeitnehmer befand, die im gleichen Zeitraum vom gleichen Arbeitgeber unbefristet eingestellt wurden (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Juli 2018, Vernaza Ayovi, C‑96/17, EU:C:2018:603, Rn. 35). Insoweit ist der dem Gerichtshof vorliegenden Akte a priori zu entnehmen, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens vor der Umwandlung ihres befristeten Vertrags in einen unbefristeten Vertrag eine befristet beschäftigte Arbeitnehmerin war, die sich in einer vergleichbaren Situation wie ihre dauerhaft beschäftigten Kollegen befand.

55      Drittens führt das vorlegende Gericht zum Vorliegen einer Ungleichbehandlung aus, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens, wenn auf den Zeitpunkt des Abschlusses ihres befristeten Arbeitsvertrags abzustellen wäre, nach dem Gesetz Nr. 223/1991 Anspruch auf Wiedereingliederung bei dem Unternehmen hätte, die günstiger sei als die Entschädigung, auf die sie nach dem Decreto legislativo Nr. 23/2015 Anspruch habe. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens wurde daher schlechter behandelt als ihre Kollegen, die vor dem 7. März 2015, dem Tag des Inkrafttretens dieses Decreto legislativo, unbefristet eingestellt wurden.

56      Der Umstand, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens nach diesem Zeitpunkt die Eigenschaft einer Dauerbeschäftigten erlangt hat, verwehrt es ihr nicht, sich unter bestimmten Umständen auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung in Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung zu berufen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2012, Valenza u. a., C‑302/11 bis C‑305/11, EU:C:2012:646, Rn. 34). Hierzu genügt die Feststellung, dass sich die Ungleichbehandlung, die der Klägerin des Ausgangsverfahrens ihrer Ansicht nach widerfahren ist, daraus ergibt, dass sie ursprünglich befristet eingestellt wurde.

57      Im Übrigen ist, soweit die in der schriftlichen Beantwortung der Fragen des Gerichtshofs enthaltene Bezugnahme des vorlegenden Gerichts auf die Betriebszugehörigkeit der Klägerin des Ausgangsverfahrens so zu verstehen ist, dass sie sich auf Paragraf 4 Nr. 4 der Rahmenvereinbarung bezieht, die Anwendbarkeit dieser Bestimmung unmittelbar auszuschließen. Diese Bestimmung sieht vor, dass in Bezug auf bestimmte Beschäftigungsbedingungen für befristet beschäftige Arbeitnehmer dieselben Betriebszugehörigkeitszeiten wie für Dauerbeschäftigte gelten, es sei denn, unterschiedliche Betriebszugehörigkeitszeiten sind aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens schlechter behandelt wurde als ihre Kollegen, die von derselben Massenentlassung betroffen waren, ist jedoch nicht auf die für die Bestimmung des Schutzes bei einer ungerechtfertigten Massenentlassung maßgebenden Betriebszugehörigkeitszeiten zurückzuführen. Die Ungleichbehandlung ergibt sich vielmehr aus der Übergangsregelung gemäß Art. 1 Abs. 2 des in Rede stehenden Decreto legislativo, der dessen Anwendung auf vor seinem Inkrafttreten geschlossene befristete Arbeitsverträge erstreckt, die nach diesem Zeitpunkt in unbefristete Verträge umgewandelt wurden. Eine solche Ungleichbehandlung ist im Hinblick auf Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung zu prüfen.

58      Somit ist, vorbehaltlich der endgültigen Würdigung durch das vorlegende Gericht, ob unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände die Situation einer befristet beschäftigten Arbeitnehmerin wie der Klägerin des Ausgangsverfahrens und die eines Dauerbeschäftigten vergleichbar ist, zu prüfen, ob es einen sachlichen Grund gibt, der die Ungleichbehandlung rechtfertigt (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Juli 2018, Vernaza Ayovi, C‑96/17, EU:C:2018:603, Rn. 37).

59      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „sachliche Gründe“ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs so zu verstehen ist, dass eine unterschiedliche Behandlung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern und Dauerbeschäftigten nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass sie in einer allgemeinen oder abstrakten Norm des nationalen Rechts wie einem Gesetz oder einem Tarifvertrag vorgesehen ist (Urteil vom 25. Juli 2018, Vernaza Ayovi, C‑96/17, EU:C:2018:603, Rn. 38).

60      Der genannte Begriff verlangt nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass die festgestellte Ungleichbehandlung durch das Vorhandensein genau bezeichneter, konkreter Umstände gerechtfertigt ist, die die betreffende Beschäftigungsbedingung in ihrem speziellen Zusammenhang und auf der Grundlage objektiver und transparenter Kriterien für die Prüfung der Frage kennzeichnen, ob die Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entspricht und ob sie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist. Diese Umstände können sich etwa aus der besonderen Art der Aufgaben, zu deren Erfüllung befristete Verträge geschlossen wurden, und ihren Wesensmerkmalen ergeben oder gegebenenfalls aus der Verfolgung eines legitimen sozialpolitischen Ziels durch einen Mitgliedstaat (Urteil vom 25. Juli 2018, Vernaza Ayovi, C‑96/17, EU:C:2018:603, Rn. 39).

61      Insoweit geht aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte und den Antworten auf die Fragen des Gerichtshofs hervor, dass nach Ansicht der italienischen Regierung die schlechtere Behandlung eines Arbeitnehmers in der Situation der Klägerin des Ausgangsverfahrens durch das mit dem Decreto legislativo Nr. 23/2015 verfolgte sozialpolitische Ziel, die Arbeitgeber zur unbefristeten Einstellung zu ermutigen, gerechtfertigt ist. Die Gleichsetzung der Umwandlung eines befristeten Vertrags in einen unbefristeten Vertrag mit einer Neueinstellung sei nämlich deshalb gerechtfertigt, weil der betroffene Arbeitnehmer als Gegenleistung eine Form der Stabilität der Beschäftigung erhalte.

62      Eine Stärkung der Stabilität der Beschäftigung, indem die Umwandlung befristeter Verträge in unbefristete Verträge gefördert wird, stellt ein legitimes Ziel des Sozialrechts und im Übrigen ein mit der Rahmenvereinbarung verfolgtes Ziel dar. Zum einen hat der Gerichtshof bereits Gelegenheit gehabt, klarzustellen, dass die Förderung von Einstellungen unbestreitbar ein legitimes Ziel der Sozial- oder Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia, C‑143/16, EU:C:2017:566, Rn. 37). Zum anderen erkennen die Unterzeichnerparteien der Rahmenvereinbarung nach dem zweiten Absatz ihrer Präambel an, dass unbefristete Verträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darstellen und weiter darstellen werden. Feste Beschäftigungsverhältnisse stellen demnach einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. April 2008, Impact, C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 87).

63      Zur Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme für die Erreichung dieses Ziels ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nicht nur bei der Entscheidung darüber, welches konkrete Ziel von mehreren sie im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der zu seiner Erreichung geeigneten Maßnahmen über ein weites Ermessen verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia, C‑143/16, EU:C:2017:566, Rn. 31).

64      Was zunächst die Geeignetheit der Gleichsetzung der Umwandlung eines befristeten Vertrags in einen unbefristeten Vertrag mit einer Neueinstellung betrifft, so hat diese zur Folge, dass der betroffene Arbeitnehmer bei einer ungerechtfertigten Massenentlassung keinen Anspruch auf Wiedereingliederung bei dem Unternehmen gemäß dem Gesetz Nr. 223/1991 hat, sondern nur auf die im Decreto legislativo Nr. 23/2015 vorgesehene begrenzte und weniger günstige Entschädigung. Wie die italienische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, scheint eine solche Maßnahme der Gleichsetzung geeignet, um die Arbeitgeber zu veranlassen, befristete Arbeitsverträge in unbefristete Verträge umzuwandeln, was jedoch vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

65      Was sodann die Erforderlichkeit dieser Maßnahme betrifft, ist das den Mitgliedstaaten eingeräumte weite Ermessen zu berücksichtigen, auf das in Rn. 63 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist. Diese Maßnahme ist Teil einer Reform des italienischen Sozialrechts, die bezweckt, die Schaffung unbefristeter Arbeitsverhältnisse durch Einstellung oder Umwandlung eines befristeten Vertrags zu fördern. Wäre die durch das Decreto legislativo Nr. 23/2015 eingeführte neue Schutzregelung nicht auf umgewandelte Verträge anwendbar, wäre jeder Anreizeffekt, die zum Stichtag 7. März 2015 bestehenden befristeten Verträge in unbefristete Verträge umzuwandeln, von vornherein ausgeschlossen.

66      Schließlich wird der Umstand, dass das Decreto legislativo Nr. 23/2015 das Schutzniveau für Dauerbeschäftigte verringert, als solcher vom Diskriminierungsverbot in Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung nicht erfasst. Hierzu genügt die Feststellung, dass der Grundsatz der Nichtdiskriminierung durch die Rahmenvereinbarung nur in Bezug auf die unterschiedliche Behandlung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern und Dauerbeschäftigten, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, umgesetzt und konkretisiert wurde. Daher fallen etwaige Ungleichbehandlungen zwischen bestimmten Gruppen von Dauerbeschäftigten nicht unter den in dieser Rahmenvereinbarung verankerten Grundsatz der Nichtdiskriminierung (vgl. entsprechend Urteil vom 21. November 2018, Viejobueno Ibáñez und de la Vara González, C‑245/17, EU:C:2018:934, Rn. 51).

67      Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht, das allein zur Auslegung des nationalen Rechts befugt ist, vorzunehmenden Überprüfungen ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass die Gleichsetzung der Umwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit einer Neueinstellung Teil einer umfassenderen Reform des italienischen Sozialrechts ist, deren Ziel in der Förderung der Dauerbeschäftigung besteht. Unter diesen Umständen ist eine solche Maßnahme der Gleichsetzung in einem sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht besonderen Kontext zu sehen, der die unterschiedliche Behandlung ausnahmsweise rechtfertigt.

68      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die eine neue Regelung über den Schutz von Dauerbeschäftigten bei einer ungerechtfertigten Massenentlassung auf Arbeitnehmer erstrecken, deren vor dem Inkrafttreten dieser Regelung geschlossener befristeter Vertrag nach diesem Zeitpunkt in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt wird.

 Kosten

69      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Nationale Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass in ein und demselben Massenentlassungsverfahren nebeneinander zwei unterschiedliche Regelungen über den Schutz von Dauerbeschäftigten im Fall einer Massenentlassung, bei der gegen die Kriterien für die Auswahl der von diesem Verfahren betroffenen Arbeitnehmer verstoßen wurde, zur Anwendung kommen, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen und können daher nicht im Hinblick auf die durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und insbesondere deren Art. 20 und 30 verbürgten Grundrechte geprüft werden.

2.      Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung vom 18. März 1999 über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICECEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die eine neue Regelung über den Schutz von Dauerbeschäftigten bei einer ungerechtfertigten Massenentlassung auf Arbeitnehmer erstrecken, deren vor dem Inkrafttreten dieser Regelung geschlossener befristeter Vertrag nach diesem Zeitpunkt in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt wird.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.