Language of document : ECLI:EU:C:2020:971

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 26. November 2020(1)

Rechtssache C307/19

Obala i lučice d.o.o.

gegen

NLB Leasing d.o.o.

(Vorabentscheidungsersuchen des Visoki Trgovački sud de Republike Hrvatske [Hohes Handelsgericht der Republik Kroatien])

„Vorabentscheidungsersuchen – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 – Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 – Begriff ‚Zivil- und Handelssachen‘ – Zustellung ‚gerichtlicher‘ oder ‚außergerichtlicher‘ Schriftstücke – Nicht benannte ‚Übermittlungsstellen‘ – Ausstellung eines Vollstreckungsbefehls durch einen Notar aufgrund einer ‚glaubwürdigen Urkunde‘ – ‚Besondere‘ oder ‚ausschließliche‘ Zuständigkeit im Bereich des Parkens auf öffentlichen Straßen“






I.      Einleitung

1.        Die Klägerin ist eine private Einrichtung, die mit der Bewirtschaftung öffentlicher Parkflächen in Zadar (Kroatien) betraut ist. Sie kontrollierte ein im Eigentum der Beklagten stehendes Fahrzeug, das auf einem auf einer öffentlichen Straße ausgewiesenen Parkplatz abgestellt war. In diesem Fahrzeug war kein Parkschein zu sehen. Die Klägerin stellte einen Tagesparkschein aus, der nicht bezahlt wurde. Die Klägerin leitete daher die Vollstreckung mittels eines von einem Notar in Kroatien erlassenen Vollstreckungsbefehls ein, der der Beklagten in Slowenien zugestellt wurde.

2.        Dieser Fall ist eine weitere Episode in der mittlerweile recht umfangreichen Saga von Verfahren, die nicht bezahlte Parkscheine und Notare betreffen(2). Der Kern des Problems scheint in einer vom kroatischen Gesetzgeber durchgeführten gleichsam doppelten Privatisierung zu liegen, die sowohl die Ebene der Bewirtschaftung als auch die Ebene der Vollstreckung betrifft. Solche Angelegenheiten werden in anderen Mitgliedstaaten für gewöhnlich als Verwaltungsangelegenheiten angesehen, die privaten Einrichtungen übertragen werden. Die spätere Vollstreckung einer solchen Forderung ist auch nicht Sache der Gerichte, sondern – zumindest im ersten Rechtszug – der Notare.

3.        Dies bewirkt nicht nur ein gewisses Unbehagen mit Blick auf die gesamte Struktur, sondern führt auch zu taxonomischen Widersprüchen im Verhältnis zu bzw. innerhalb von Instrumenten des Privatrechts in der Union. Vor diesem Hintergrund hat der Visoki Trgovački sud de Republike Hrvatske (Hohes Handelsgericht der Republik Kroatien), nachdem sich zwei untergeordnete nationale Gerichte für unzuständig erklärt haben, über einen Streit über die Zuständigkeit für die Anfechtung eines solchen von einem Notar erlassenen Vollstreckungsbefehls zu entscheiden.

4.        Das vorlegende Gericht erbittet insbesondere Hinweise dazu, i) welche Kriterien heranzuziehen sind, um zu bestimmen, ob ein Rechtsstreit „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007(3) (im Folgenden: Zustellungsverordnung) und der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012(4) betrifft, und ii) ob kroatische Notare im Rahmen der Zustellungsverordnung Vollstreckungsbefehle an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Personen übermitteln können, und iii) unter welchen besonderen Gerichtsstand solche Rechtsstreitigkeiten nach den Regelungen der Verordnung Nr. 1215/2012 fallen könnten.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Verordnung Nr. 1215/2012

5.        Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 lautet:

„(1)      Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii).“

6.        Art. 4 dieser Verordnung stellt die so genannte „Herkunftsstaat-Regel“ auf, nach der Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen sind. Art. 5 der Verordnung sieht allerdings vor, dass eine solche Person ausnahmsweise auch vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats verklagt werden kann, jedoch „nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels“.

7.        Art. 7 der Verordnung Nr. 1215/2012 im Abschnitt „Besondere Zuständigkeiten“ bestimmt:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1.      a)      wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

b)      im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

–        für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;

–        für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;

c)      ist Buchstabe b nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a;

2.      wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“.

8.        Art. 24 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt, dass „für Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist“, ausschließlich zuständig sind.

2.      Die Zustellungsverordnung

9.        Art. 1 Abs. 1 der Zustellungsverordnung definiert deren Anwendungsbereich wie folgt:

„Diese Verordnung ist in Zivil- oder Handelssachen anzuwenden, in denen ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem in einen anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii).“

10.      Art. 2 („Übermittlungs- und Empfangsstellen“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat benennt die Amtspersonen, Behörden oder sonstigen Personen, die für die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, die in einem anderen Mitgliedstaat zuzustellen sind, zuständig sind, im Folgenden „Übermittlungsstellen“ genannt.

(4)      Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission folgende Angaben mit:

a)      Die Namen und Anschriften der Empfangsstellen gemäß den Absätzen 2 und 3,

b)      den Bereich, für den diese örtlich zuständig sind,

c)      die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für den Empfang von Schriftstücken und

d)      die Sprachen, in denen das Formblatt in Anhang I ausgefüllt werden darf.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission jede spätere Änderung dieser Angaben mit.“

11.      In Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung heißt es: „Gerichtliche Schriftstücke sind zwischen den nach Artikel 2 benannten Stellen unmittelbar und so schnell wie möglich zu übermitteln.“

12.      Die Zustellung „gerichtlicher Schriftstücke“ über die Postdienste der Mitgliedstaaten kann gemäß Art. 14 der Zustellungsverordnung erfolgen. Die Zustellung „außergerichtlicher Schriftstücke“ ist in Art. 16 der Zustellungsverordnung geregelt, wonach diese Schriftstücke „nach Maßgabe dieser Verordnung zum Zweck der Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat übermittelt werden [können]“.

B.      Kroatisches Recht

1.      Beschluss über die Organisation [des Parkens] in Zadar

13.      Durch die Odluka o organizaciji i načinu naplate parkiranja u Gradu Zadru (Beschluss über die Organisation des Parkens und die Art und Weise der Erhebung von Parkgebühren in der Stadt Zadar, Glasnik Grada Zadra [Amtliche Mitteilungen der Stadt Zadar] Nr. 4/2011, im Folgenden: Beschluss über die Organisation des Parkens) wurden die Parkzonen, die gebührenpflichtigen Zeiten für das Parken auf öffentlichen Straßen sowie die pro Stunde fälligen Parkgebühren festgelegt. Art. 2 dieses Beschlusses definiert öffentliche Parkplätze als „öffentliche Bereiche für das Halten und Parken von Fahrzeugen“. Nach Art. 4 sind öffentliche Parkplätze gemäß dem Gesetz über die Sicherheit im Straßenverkehr als solche gekennzeichnet.

14.      Nach Art. 5 des Beschlusses über die Organisation des Parkens erfolgt die Kennzeichnung der öffentlichen Parkplätze durch den Verwalter der Parkplätze unter Aufsicht der zuständigen Dienststelle der Stadtverwaltung. Art. 6 des Beschlusses legt die „allgemeinen Bedingungen des Parkplatznutzungsvertrags“ fest und bestimmt die gebührenpflichtigen Tage und Zeiten. Art. 7 des Beschlusses über die Organisation des Parkens sieht schließlich vor, dass der Fahrer oder Eigentümer des Fahrzeugs mit dem Halten oder Parken des Fahrzeugs auf öffentlichen Parkplätzen die allgemeinen Parkbedingungen akzeptiert und einen Vertrag mit dem Verwalter der Parkplätze schließt.

2.      Beschluss über die Übertragung [der Parkplatzbewirtschaftung] in Zadar

15.      Die Bewirtschaftung und Instandhaltung der Parkplätze, öffentlichen Parkgaragen und Straßenverkehrsterminals in der Stadt Zadar ist im Odluka o komunalnim djelatnostima Grada Zadra (Beschluss über städtische Aktivitäten der Stadt Zadar, Glasnik Grada Zadra Nr. 16/2009) geregelt. Art. 3 Abs. 15 Buchst. a dieses Beschlusses überträgt der Klägerin die Instandhaltung und Bewirtschaftung der Parkplätze, öffentlichen Parkgaragen und Straßenverkehrsterminals.

III. Sachverhalt, nationales Verfahren und Vorlagefragen

16.      Die NLB Leasing d.o.o. Ljubljana (im Folgenden: Beklagte) ist eine Gesellschaft, die in Slowenien für Fahrzeuge, Geräte und Immobilien Finanzierungen anbietet.

17.      Am 30. Juni 2012 wurde ein von der Beklagten geleastes Fahrzeug auf einer öffentlichen Straße in Zadar (Kroatien) abgestellt. Bei dieser Straße handelt es sich um eine Parkzone mit ausgewiesenen Parkplätzen. Der Parkschein muss im Voraus gelöst werden.

18.      Am selben Tag überprüfte die Obala i lučice d.o.o. (im Folgenden: Klägerin), eine von der Stadt Zadar zum Zweck der Bewirtschaftung und Instandhaltung von öffentlichen Parkplätzen für Kraftfahrzeuge gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, das Vorhandensein eines Parkscheins in dem von der Beklagten geleasten Fahrzeug. In dem Fahrzeug war kein Parkschein zu sehen. Daher stellte die Klägerin einen Tagesparkschein (für 84 HRK, etwa 13 Euro) aus. Dieser Tagesparkschein wurde nie bezahlt.

19.      Am 1. Juli 2013 trat die Republik Kroatien der Europäischen Union bei.

20.      Am 20. Februar 2017 leitete die Klägerin bei einem Notar in Pula (Kroatien) durch Einreichung eines Antrags auf Vollstreckung auf der Grundlage einer „glaubwürdigen Urkunde“ das Zwangsvollstreckungsverfahren wegen der ausstehenden Parkgebühr ein. Bei der Urkunde handelte es sich um einen Auszug aus der Buchführung der Klägerin, in dem die Schuld der Beklagten festgehalten war.

21.      Am 8. März 2017 erließ der Notar auf der Grundlage dieser „glaubwürdigen Urkunde“ einen Vollstreckungsbefehl über einen Betrag von 1 825,25 HRK (etwa 282 Euro). Dieser Gesamtbetrag setzte sich zusammen aus dem Betrag für den nicht bezahlten Parkschein (84 HRK), einem Betrag von 1 235 HRK für bis dahin angefallene Verfahrenskosten und einem Betrag von 506,25 HRK für „voraussichtliche Kosten“. Der Vollstreckungsbefehl wurde der Beklagten sodann per Einschreiben mit Rückschein zugestellt.

22.      Die Beklagte focht den Vollstreckungsbefehl vor dem Trgovački sud u Pazinu (Handelsgericht Pazin, Kroatien) an. Dieses Gericht erklärte sich für unzuständig und verwies die Rechtssache an den Trgovački sud u Zadru (Handelsgericht Zadar, Kroatien). Dieses Gericht erklärte sich ebenfalls für unzuständig und verwies die Rechtssache zur Entscheidung an den Visoki Trgovački sud Republike Hrvatske (Hohes Handelsgericht der Republik Kroatien).

23.      Das vorlegende Gericht räumt ein, dass der Nennbetrag, wegen dessen die Vollstreckung begehrt werde, gering sei, bestätigt aber auch, dass die nationalen Gerichte mit einer beträchtlichen Zahl solcher Fälle befasst seien. Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund hat der Visoki Trgovački sud (Hohes Handelsgericht, Kroatien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Dürfen Notare die Zustellung von Schriftstücken nach der Verordnung Nr. 1393/2007 bewirken, wenn sie ihre Entscheidungen in Angelegenheiten zustellen, auf die die Verordnung Nr. 1215/2012 nicht anwendbar ist, wobei Notare in der Republik Kroatien nicht unter den Begriff „Gericht“ im Sinne der Verordnung Nr. 1215/2012 fallen, wenn sie im Rahmen der Befugnisse tätig werden, die ihnen durch das nationale Recht in auf der Grundlage einer „glaubwürdigen Urkunde“ durchgeführten Zwangsvollstreckungsverfahren übertragen sind? Mit anderen Worten, können Notare – die nicht unter den Begriff „Gericht“ im Sinne der Verordnung Nr. 1215/2012 fallen – im Rahmen der Befugnisse, die ihnen durch das nationale Recht in auf der Grundlage einer „glaubwürdigen Urkunde“ durchgeführten Zwangsvollstreckungsverfahren übertragen sind, die Regeln über die Zustellung von Schriftstücken nach der Verordnung Nr. 1393/2007 anwenden?

2.      Kann das Parken auf einer Straße bzw. einer öffentlichen Verkehrsfläche, wenn die Befugnis zur Gebührenerhebung im Zakon o sigurnosti prometa na cestama (Gesetz über die Sicherheit im Straßenverkehr) und in den Regeln über die Ausübung kommunaler Tätigkeiten als hoheitlicher Tätigkeiten vorgesehen ist, als Zivilsache im Sinne der für die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen geltenden Verordnung Nr. 1215/2012 qualifiziert werden, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, dass bei einem ohne Parkschein oder mit einem ungültigen Parkschein angetroffenen Fahrzeug unabhängig von der genauen Parkzeit sofort eine Verpflichtung zur Zahlung eines Tagesparkscheins unter Fingierung eines ganztägigen Parkens entsteht und die für diesen Tagesparkschein erhobenen Gebühren somit Merkmale einer Strafe aufweisen und dass ein solches Parken in einigen Mitgliedstaaten als Verkehrsordnungswidrigkeit eingestuft wird?

3.      Können die Gerichte in den vorgenannten Rechtsstreitigkeiten über das Parken auf einer Straße bzw. einer öffentlichen Verkehrsfläche Schriftstücke an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Beklagte nach der Verordnung Nr. 1393/2007 zustellen, wenn die Befugnis zur Gebührenerhebung im Gesetz über die Sicherheit im Straßenverkehr und in den Regeln über die Ausübung kommunaler Tätigkeiten als hoheitlicher Tätigkeiten vorgesehen ist?

Wenn die Antwort auf die vorstehenden Fragen so ausfällt, dass es sich bei dieser Art des Parkens um eine Zivilsache handelt, stellen sich folgende weitere Fragen:

4.      In der vorliegenden Sache wird die Vermutung eines Vertragsschlusses durch das bloße Parken auf einem mit horizontalen und/oder vertikalen Verkehrszeichen versehenen Straßenparkplatz angewandt, d. h., es wird angenommen, dass durch bloßes Parken ein Vertrag abgeschlossen wird und dass, wenn die pro Stunde zu zahlenden Parkgebühren nicht entrichtet werden, ein Tagesparkschein zu zahlen ist. Daher stellt sich die Frage, ob diese Vermutung des Vertragsschlusses durch bloßes Parken und der Zustimmung zur Zahlung eines Tagesparkscheins, wenn kein Parkschein auf Stundenbasis gekauft wird oder wenn die Zeit, für die ein Parkschein gekauft wurde, abläuft, gegen die Grundregeln des freien Dienstleistungsverkehrs aus Art. 56 AEUV und des sonstigen Besitzstands der Union verstößt?

5.      Im vorliegenden Fall wurde in Zadar (Kroatien) geparkt, so dass eine Verbindung zwischen diesem Vertrag und den Gerichten der Republik Kroatien besteht. Fraglich ist jedoch, ob dieses Parken eine „Dienstleistung“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 darstellt, denn eine Dienstleistung setzt voraus, dass die Partei, die sie erbringt, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt durchführt, so dass sich die Frage stellt, ob die Tätigkeit der Klägerin ausreicht, um eine Dienstleistung annehmen zu können? Sollte keine besondere Zuständigkeit in der Republik Kroatien nach Art. 7 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestehen, müsste das Verfahren vor dem Gericht am Wohnsitz der Beklagten geführt werden.

6.      Kann das Parken auf einer Straße bzw. einer öffentlichen Verkehrsfläche als Mietvertrag über eine unbewegliche Sache im Sinne von Art. 24 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 angesehen werden, wenn sich die Befugnis zur Gebührenerhebung aus dem Gesetz über die Sicherheit im Straßenverkehr und den Regeln über die Ausübung kommunaler Tätigkeiten als hoheitlicher Tätigkeiten ergibt und Gebühren nur zu bestimmten Zeiten des Tages erhoben werden?

7.      Wenn die oben genannte Vermutung eines durch bloßes Parken bewirkten Vertragsschlusses im vorliegenden Fall nicht angewandt werden kann (Frage 4), stellt sich die Frage, ob eine solche Art des Parkens, bei der sich die Befugnis zur Gebührenerhebung aus dem Gesetz über die Sicherheit im Straßenverkehr ergibt und ein Tagesparkschein zu zahlen ist, wenn nicht vorher ein Parkschein auf Stundenbasis gekauft wird oder die Zeit, für die ein Parkschein gekauft wurde, abläuft, als unerlaubte Handlung oder einer solchen gleichgestellte Handlung im Sinne von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 angesehen werden kann?

8.      Der in der vorliegenden Sache fragliche Parkvorgang hat am 30. Juni 2012 um 13.02 Uhr stattgefunden, d. h. vor dem Beitritt der Republik Kroatien zur Europäischen Union, was zu der Frage führt, ob die Verordnungen über das anzuwendende Recht, nämlich die Verordnung Nr. 593/2008 und die Verordnung Nr. 864/2007, angesichts ihres zeitlichen Geltungsbereichs auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt werden können?

Wenn der Gerichtshof der Europäischen Union dafür zuständig sein sollte, die Frage hinsichtlich des anzuwendenden materiellen Rechts zu beantworten, stellt sich ferner folgende Frage:

9.      Verstößt die Vermutung eines Vertragsschlusses durch bloßes Parken und einer Zustimmung zur Zahlung eines Tagesparkscheins, wenn kein Parkschein auf Stundenbasis gekauft wird oder die Zeit, für die ein Parkschein gekauft wurde, abläuft, gegen die Grundregeln des freien Dienstleistungsverkehrs aus Art. 56 AEUV und des sonstigen Besitzstands der Europäischen Union, unabhängig davon, ob der Fahrzeughalter eine natürliche oder eine juristische Person ist, bzw. kann vorliegend in Bezug auf das anzuwendende materielle Recht Art. 4 der Verordnung Nr. 593/2008 angewandt werden (aus der Verfahrensakte geht nämlich nicht hervor, dass die Parteien eine Rechtswahl getroffen haben)?

–        Wenn ein Vertrag vorliegen sollte: Ist dieser in der vorliegenden Sache ein Dienstleistungsvertrag, kann also ein solcher Parkvertrag als Dienstleistung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 593/2008 eingestuft werden?

–        Hilfsweise, kann dieser Parkvertrag als Mietvertrag im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 593/2008 eingestuft werden?

–        Hilfsweise, wenn auf das fragliche Parken Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 593/2008 anzuwenden ist: Worin besteht im vorliegenden Fall die charakteristische Leistung, da die Klägerin im Grunde lediglich die Parkfläche auf der Straße kenntlich gemacht hat und Parkgebühren erhebt, während die Beklagte den Parkplatz benutzt und Parkgebühren bezahlt? Wenn nämlich davon auszugehen ist, dass die charakteristische Leistung von der Klägerin erbracht wird, wäre das Recht der Republik Kroatien anzuwenden, sofern jedoch davon auszugehen ist, dass diese von der Beklagten erbracht wird, wäre das Recht der Republik Slowenien anzuwenden. Angesichts dessen, dass die Befugnis zur Gebührenerhebung im vorliegenden Fall durch kroatisches Recht geregelt ist, zu dem folglich eine engere Verbindung besteht, stellt sich allerdings die Frage, ob vorliegend zusätzlich Art. 4 Abs. [3] der Verordnung Nr. 593/2008 zur Anwendung gelangt?

–        Wenn ein außervertragliches Schuldverhältnis im Sinne der Verordnung Nr. 864/2007 anzunehmen ist: Kann dieses als Schaden eingestuft werden, so dass das anzuwendende Recht nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 864/2007 zu bestimmen wäre?

–        Hilfsweise, kann die fragliche Art des Parkens als ungerechtfertigte Bereicherung angesehen werden, so dass das anzuwendende Recht nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 864/2007 zu bestimmen wäre?

–        Hilfsweise, kann die fragliche Art des Parkens als Geschäftsführung ohne Auftrag angesehen werden, so dass das anzuwendende Recht nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 864/2007 zu bestimmen wäre?

–        Hilfsweise, kann die fragliche Art des Parkens als ein Fall des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen seitens der Beklagten angesehen werden, so dass das anzuwendende Recht nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 864/2007 zu bestimmen wäre?

24.      Die Klägerin, die deutsche und die kroatische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Mit Ausnahme der deutschen Regierung haben alle Beteiligten und auch die slowenische Regierung die schriftlichen Fragen beantwortet, die ihnen der Gerichtshof gestellt hat.

IV.    Würdigung

25.      Dem Ersuchen des Gerichtshofs entsprechend werde ich meine Würdigung auf die Fragen 1 bis 3 und 5 bis 7 des vorlegenden Gerichts beschränken. Die vorliegenden Schlussanträge sind wie folgt aufgebaut: Ich werde mit kurzen Anmerkungen zur Zulässigkeit (A) beginnen. Am Anfang der materiellen Prüfung werde ich die Fragen umformulieren (B.1). Sodann werde ich mich dem Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne der Verordnung Nr. 1215/2012 und der Zustellungsverordnung zuwenden (B.2). Als nächstes werde ich mich mit der Frage befassen, ob die Notare in Kroatien selbst die Zustellung (nach der Zustellungsverordnung) von Vollstreckungsbefehlen bewirken können, die auf der Grundlage einer „glaubwürdigen Urkunde“ ausgestellt wurden (B.3). Im Anschluss werde ich prüfen, ob das Parken auf einem auf einer öffentlichen Straße ausgewiesenen Parkplatz als eine Tätigkeit angesehen werden kann, die nach der Verordnung Nr. 1215/2012 unter eine „besondere“ oder „ausschließliche“ Zuständigkeit fällt (B.4). Zum Schluss werde ich auf weitreichendere strukturelle Fragen eingehen, die die vorliegende Rechtssache aufwirft (C).

A.      Zulässigkeit

1.      Anwendbarkeit des Unionsrechts in zeitlicher Hinsicht

26.      Am 30. Juni 2012 erfolgte das Parken. Am 1. Juli 2013 trat Kroatien der Europäischen Union bei. Am 8. März 2017 wurde der Vollstreckungsbefehl ausgestellt.

27.      Aus den von mir in den Schlussanträgen in den Rechtssachen Nemec und Pula Parking(5) ausführlich dargelegten Gründen, denen der Gerichtshof in beiden Fällen gefolgt ist(6), ist die Anwendbarkeit des Unionsrechts in zeitlicher Hinsicht in Fällen wie dem vorliegenden unproblematisch. Der Umstand, dass die (materielle) Grundlage einer Forderung dem Beitritt eines Mitgliedstaats zur Europäischen Union vorausgeht, ist nicht maßgeblich. Wichtig ist insoweit, dass das Vollstreckungsverfahren zur Beitreibung dieser Forderung nach dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union eingeleitet wurde, also eindeutig innerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs der Verfahrensvorschriften und des rechtlichen Rahmens, der möglicherweise in materieller Hinsicht anzuwenden ist, und dass die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen die Auslegung dieser Verfahrensinstrumente betreffen.

28.      Da dies hier eindeutig der Fall ist, ist der Gerichtshof in zeitlicher Hinsicht für die Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts zuständig.

2.      Zulässigkeit von Fragen zur Begründetheit

29.      Die Kommission merkt an, dass das vorlegende Gericht, das über einen Zuständigkeitsstreit zwischen zwei untergeordneten Gerichten innerhalb der eigenen Rechtsordnung zu entscheiden habe, nur solche Fragen vorlegen dürfe, die es ihm ermöglichten, die ihm vorgelegten Zuständigkeitsfragen zu klären. Dagegen dürfe es keine Fragen vorlegen, die die Begründetheit des vorliegenden Falls beträfen. Dies bedeute, dass die erste Frage und der erste Teil der dritten Frage (mit denen geklärt werden soll, ob die Notare in Kroatien die Zustellung von „gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken“ vornehmen können) als unzulässig anzusehen seien. Auf nationaler Ebene befinde sich der vorliegende Fall noch nicht in der Phase der materiellen Prüfung, da das vorlegende Gericht zunächst über den Zuständigkeitsstreit entscheiden müsse, der der bei ihm anhängigen Rechtssache zugrunde liege. Die Parteien hätten daher möglicherweise noch keine Gelegenheit gehabt, zu einigen der Fragen Stellung zu nehmen.

30.      Ich verstehe die Bedenken der Kommission. Ich teile sie aber nicht.

31.      Erstens ist in Rechtssachen, die die Verordnung Nr. 1215/2012 betreffen, wie in jedem anderen Zuständigkeitssystem die Sache selbst regelmäßig mit der Zuständigkeit verknüpft. Häufig ist für die Beurteilung der Zuständigkeit eine vorläufige, oberflächliche Würdigung der Sache selbst erforderlich. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Trennung dieser beiden Fragen nicht gerade einfach. Selbst wenn sie möglich wäre, weisen die erste Frage und der erste Teil der dritten Frage einen klaren Zusammenhang mit den Gegebenheiten und dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits auf, so dass sie nicht über den Gesamtrahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens hinausgehen.

32.      Zum anderen ist das Stadium des Verfahrens vor dem nationalen Gericht kein Kriterium, anhand dessen Vorabentscheidungsersuchen geprüft werden. Art. 267 AEUV ist ein Instrument der Zusammenarbeit, wobei im Allgemeinen – innerhalb gewisser Grenzen – anzunehmen ist, dass vorgelegte Fragen erheblich sind(7). Innerhalb dieser Grenzen fällt die zu erlassende Entscheidung allein in den Verantwortungsbereich des nationalen Gerichts, ebenso wie die Frage der Erforderlichkeit und der Erheblichkeit der Fragen, die es dem Gerichtshof vorlegt(8). Daher spricht eine Vermutung dafür, dass nach Ansicht des nationalen Gerichts zur tatsächlichen Entscheidung über diese Fragen Hinweise des Gerichtshofs erforderlich sind(9).

33.      Auf dieser Grundlage schlage ich vor, die erste und die dritte Frage des vorlegenden Gerichts für zulässig zu erklären, auch wenn – ebenso wie bei den anderen Fragen – eine gewisse Umformulierung geboten ist.

B.      Begründetheit

1.      Zu den Fragen und ihrer Reihenfolge

34.      Liest man die Fragen 1 bis 3 und 5 bis 7 im Zusammenhang mit dem Vorlagebeschluss, so zeigt sich, dass die vorliegende Rechtssache ihrem Kern nach drei übergeordnete Aspekte des internationalen Privatrechts der Union berührt. Erstens geht es um den Inhalt und die Rechtsnatur der Forderung aus dem nicht bezahlten Parkschein (zweite Frage und zweiter Teil der dritten Frage), d. h. um die Frage, ob die Vollstreckung dieser Forderung ein Rechtsstreit in „Zivil- und Handelssachen“ ist. Zweitens geht es um die Vollstreckung der Forderung und das betreffende Verfahren im konkreten Kontext des kroatischen Rechts (erste Frage und erster Teil der dritten Frage). Insbesondere: Können Notare in Kroatien Vollstreckungsbefehle zustellen, die auf einer „glaubwürdigen Urkunde“ im Sinne der Zustellungsverordnung beruhen? Der dritte Aspekt ist das für die Forderung zuständige Gericht (Fragen 5 bis 7). Genauer gesagt: Besteht nach der Verordnung Nr. 1215/2012 eine besondere Zuständigkeit, unter die die Vollstreckung eines nicht bezahlten Parkscheins fallen könnte, so dass die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen als des Wohnsitzmitgliedstaats des Schuldners begründet wäre?

35.      Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses der in den vorliegenden Schlussanträgen behandelten Fragen werde ich die Reihenfolge der Fragen geringfügig abändern. Die zweite Frage und der zweite Teil der dritten Frage betreffen den Anwendungsbereich. Ich werde sie daher zuerst behandeln. Diese Fragen können im Wesentlichen dahin umformuliert werden, dass gefragt wird, ob die Umstände des vorliegenden Falles unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne der Verordnung Nr. 1215/2012 und der Zustellungsverordnung fallen. Sodann werde ich die erste Frage und den ersten Teil der dritten Frage prüfen, die zwei Fragen betreffen: i) Können Notare in Kroatien „gerichtliche Schriftstücke“ übermitteln, und ii) können sie gegebenenfalls nur „außergerichtliche Schriftstücke“ nach der Zustellungsverordnung übermitteln? Abschließend werde ich auf die Fragen 5 bis 7 eingehen, die ich dahin umformulieren möchte, dass gefragt wird, ob das Parken auf einem auf einer öffentlichen Straße ausgewiesenen Parkplatz als eine Tätigkeit angesehen werden kann, die zur Anwendbarkeit einer „speziellen“ oder „ausschließlichen“ Zuständigkeit im Sinne der Verordnung Nr. 1215/2012 führt.

2.      Zur zweiten Frage und zum zweiten Teil der dritten Frage

36.      Mit der zweiten Frage und dem zweiten Teil der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Umstände des vorliegenden Falles unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 und der Zustellungsverordnung fallen.

37.      Die Parteien und die Beteiligten vertreten dazu unterschiedliche Auffassungen. Die deutsche und die slowenische Regierung sind der Auffassung, dass die vorliegende Rechtssache nicht unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ falle. Entscheidend ist ihrer Ansicht nach der Ursprung der Befugnis, in deren Rahmen der Vertrag geschlossen wurde und die hier vollstreckt wird, d. h. die hoheitliche Befugnis, öffentliche Parkplätze auszuweisen und zu bewirtschaften und die dort geltenden Parkbedingungen zu kontrollieren. Die Klägerin, die kroatische Regierung und die Kommission vertreten die gegenteilige Ansicht. Für sie ist nicht der Ursprung der Befugnis das entscheidende Kriterium für das Vorliegen einer „Zivil- und Handelssache“, sondern es sind die Modalitäten ihrer Ausübung.

38.      Zur Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts werde ich zunächst versuchen, in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff „Zivil- und Handelssachen“ ein Kriterium oder zumindest einen vorherrschenden Ansatz herauszuarbeiten (a). Nachdem geklärt ist, welchem der Ansätze meiner Ansicht nach der Vorzug zu geben ist, werde ich diesen Ansatz auf die Umstände des vorliegenden Falls anwenden (b).

a)      Die Rechtsprechung zum Begriff „Zivil- und Handelssachen“

39.      Der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ ist ein Standard-Referenzpunkt für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs von Rechtsinstrumenten, die aufgrund der (nunmehr) in Titel V des AEUV enthaltenen Ermächtigungen erlassen wurden(10).

40.      Allerdings enthält keines dieser Instrumente eine positive Definition des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“(11). Daher hat der Gerichtshof von Fall zu Fall entscheiden müssen, ob sich die Umstände einer ihm vorgelegten Rechtssache auf „Zivil- und Handelssachen“ beziehen(12).

41.      Unvermeidliche Auswirkung eines solchen Ansatzes ist sein kasuistischer Charakter und das gelegentliche Fehlen von Rechtssicherheit in Grenzfällen. Angesichts des gemeinsamen Ziels dieser Instrumente ist dieses Ergebnis etwas ironisch. Schließlich zielen sie in erster Linie darauf ab, durch einheitliche Vorschriften über die internationale Zuständigkeit sowie durch die Vereinfachung der Verfahrensformalitäten gerichtlicher Entscheidungen, ihrer Zustellung und ihrer Vollstreckung Rechtssicherheit im Binnenmarkt zu gewährleisten.

42.      Was sind nun die vorherrschenden Ansätze? Da der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ in allen Instrumenten des internationalen Privatrechts der Union übergreifend verwendet wird, ist es vielleicht hilfreich, sich zunächst die „Brüsseler Regelung“ (1) und dann die Zustellungsverordnung und die anderen Instrumente des Titels V (2) anzusehen.

1)      Die Brüsseler Regelung

43.      Zur Brüsseler Regelung gehören fünf Instrumente(13). Da alle diese Instrumente einen Bezug zu Zuständigkeitskonflikten bei Rechtsstreitigkeiten in „Zivil- und Handelssachen“ aufweisen(14), ist der Gerichtshof bestrebt gewesen, diesen Begriff einheitlich auszulegen(15). Gleichwohl gibt es zwei, wenn nicht sogar drei, Ansätze, sich dem Begriff „Zivil- und Handelssachen“ zu nähern, je nachdem, welcher Gesichtspunkt als maßgeblich angesehen wird. Sie lassen sich vielleicht am ehesten als Herangehensweise unter dem Gesichtspunkt i) des „Gegenstands“ und ii) der „Rechtsbeziehung“ bezeichnen.

i)      Der Gesichtspunkt des „Gegenstands“

44.      Die Auslegung des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“ unter dem Gesichtspunkt des „Gegenstands“ spiegelt sich in zwei (Unter‑)Auffassungen der Rechtsprechung wider. Die erste Auffassung in der Rechtsprechung, die im Wesentlichen in den früheren Urteilen des Gerichtshofs zum Ausdruck kam, beruht auf einer eher autonomen und vergleichenden Auslegung des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“(16) und stützt sich auf Gemeinsamkeiten der Systeme der Mitgliedstaaten.

45.      Das Urteil Rüffer ist ein hervorragendes Beispiel für diesen Ansatz. In dieser Rechtssache ging es um eine Klage gegen eine deutsche natürliche Person wegen der Kosten für die Bergung der Überreste eines Schiffswracks aus einem Fluss in den Niederlanden. Wahrscheinlich in erheblichem Maße beeinflusst durch die in der Tat vergleichende und induktive Würdigung des Generalanwalts Warner(17) stellte der Gerichtshof fest, dass es „den allgemeinen Grundsätzen, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtssysteme ergeben“, entspricht, die Verwaltung von öffentlichen Wasserstraßen einschließlich der Wrackbeseitigung als Ausübung hoheitlicher Befugnisse anzusehen(18). Folglich fiel die Klage nicht unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne des Brüsseler Übereinkommens(19). Der Umstand, dass die Klage nach niederländischem Recht als zivilrechtliches Verfahren eingeleitet worden war, wurde nicht berücksichtigt(20).

46.      Daher gestattete im Urteil Rüffer der autonome Charakter des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“ eine von der von einem Mitgliedstaat getroffenen institutionellen Entscheidung abweichende Neueinstufung der Sache für die Zwecke der Brüsseler Regelung. Ähnliche vergleichende Würdigungen der „Einstufung“ einer Angelegenheit im Sinne des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten (selbst dort, wo die von den Mitgliedstaaten eingereichten Erklärungen und damit die induktive Argumentation nicht übereinstimmten) ebenfalls unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gab es z. B. in den Urteilen Lechouritou und Sonntag(21).

47.      Danach änderte der Gerichtshof schrittweise seinen Kurs. Auch wenn nie klar erläutert wurde, wieso es dazu kam, könnte der Grund schlicht Pragmatismus gewesen sein: Wie Generalanwältin Trstenjak angemerkt hat, könnte der „vergleichende Ansatz“ aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltungen und der Vielzahl der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ad acta gelegt worden sein(22).

48.      Stattdessen setzte sich die zweite Auffassung durch. Diese Auffassung berücksichtigt das nationale Recht zu dem betreffenden Gegenstand(23). Es scheint jedoch, dass der Gerichtshof nicht nur an das nationale Recht anknüpft: Im Urteil flyLAL-Lithuanian Airlines, das eine Klage auf Ersatz des durch einen Verstoß gegen die Art. 81 und 82 EG (jetzt Art. 101 und 102 AEUV) entstandenen Schadens betraf, stufte der Gerichtshof den Rechtsstreit als „Zivil- und Handelssache“ ein, offenbar unter Bezugnahme auf das Unionsrecht, ohne das nationale Recht Lettlands näher zu untersuchen(24).

49.      Die Formulierungen blieben, auch wenn dies natürlich nur eine allgemeine Tendenz ist, von der es Ausnahmen gibt, bei einem „autonomen Begriff“ des Unionsrechts. Echte vergleichende Würdigungen wurden jedoch, ebenso wie in mehreren anderen Bereichen des Unionsrechts, insbesondere in einer Union mit 27 Mitgliedstaaten, seltener. Stattdessen bedeutete der Begriff „autonom“ in der Praxis zunehmend „wie in dem betreffenden Mitgliedstaat bestimmt, wenn nicht etwas ganz Merkwürdiges im Gange ist“.

ii)    Der Gesichtspunkt der „Rechtsbeziehung“

50.      Der Gesichtspunkt der „Rechtsbeziehung“ scheint sich aus dem Urteil Henkel(25) zu ergeben. Dieser Ansatz untersucht, ob die Klage vor dem Gerichtshof eine einseitige Ausübung hoheitlicher Befugnisse im Rahmen des konkret in Rede stehenden Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien betrifft.

51.      Zu diesem Zweck lässt sich der Gerichtshof von zwei groben Indikatoren leiten. Zunächst legt er einen „Bezugsrahmen“ fest, um die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden allgemeinen Regelungen zu bestimmen. Dabei berücksichtigt er i) die „Grundlage der Klage“ und ii) und die „Modalitäten ihrer Erhebung“ nach dem einschlägigen nationalen Recht des Mitgliedstaats(26). Sodann prüft er, ob der betreffende Rechtsstreit auf eine einseitige Ausübung hoheitlicher Befugnisse außerhalb dieses „Bezugsrahmens“ zurückgeht(27).

52.      In den vergangenen Jahren ist sowohl auf den Gesichtspunkt des „Gegenstands“ als auch auf den der „Rechtsbeziehung“ abgestellt worden, wobei die Rechtsprechung weder der einen noch der anderen Methode den Vorzug zu geben scheint. Vielmehr möchte ich anmerken, dass im jüngsten Urteil des Gerichtshofs diese beiden Ansätze ausdrücklich als Alternativen bezeichnet werden(28).

2)      Die Zustellungsverordnung und andere Instrumente des Titels V

53.      Das Urteil Fahnenbrock ist der einzige Präzedenzfall zur Auslegung des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Zustellungsverordnung. In dieser Rechtssache ging es um eine Klage natürlicher Personen gegen eine einseitige und rückwirkende Umstrukturierung griechischer Staatsanleihen. Um zu entscheiden, ob die Angelegenheit unter die Zustellungsverordnung fiel, stellte der Gerichtshof auf den Gesichtspunkt der „Rechtsbeziehung“ ab, wobei er Rechtsprechung zur Brüsseler Regelung anführte, um aufgrund einer vorläufigen Würdigung der zur Verfügung stehenden Beweise zu bestimmen, ob sich die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien offenkundig durch eine Ausübung hoheitlicher Befugnisse auszeichnete(29). Auf der Grundlage der ihm vorliegenden, zugegebenermaßen unvollständigen Beweise kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall war(30).

54.      Was die Rechtsprechung zu anderen Instrumenten des Titels V(31) anbelangt, sind die Ergebnisse dürftig: Diese Instrumente enthalten keine positive Definition des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“(32), und der Gerichtshof hat bislang noch keine Hinweise zur Auslegung dieses Begriffs im Zusammenhang mit jenen Instrumenten gegeben(33).

3)      Zur Definition des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“

55.      Dies sind nicht die ersten (und auch nicht die letzten) Schlussanträge, mit denen geklärt werden soll, wie der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ für die Zwecke der Brüsseler Regelung und darüber hinaus auf der Grundlage der einzelfallbezogenen Rechtsprechung des Gerichtshofs nun genau auszulegen ist. Zweifellos können sich Schlussanträge kaum mit ausführlichen akademischen Taxonomien und Einstufungen dieses Begriffs messen. Das sollten sie auch nicht.

56.      In Grenzfällen wie dem des Ausgangsverfahrens ist jedoch ein eingehenderes Nachdenken über das anzuwendende Kriterium von entscheidender Bedeutung. Das Kriterium bestimmt das Ergebnis.

57.      Entschiede man sich inhaltsorientiert für eine Würdigung der Erhebung von Parkgebühren unter dem Gesichtspunkt des „Gegenstands“ und beharrte auf dem „autonomen Charakter“ einer Definition des Unionsrechts, die gegebenenfalls von einem vergleichenden Überblick gestützt würde, der auf das Bestehen bestimmter allgemeiner, den Mitgliedstaaten in dieser Frage gemeiner Rechtsgrundsätze hindeutete, so käme man gegebenenfalls zu dem Schluss, dass in einer nicht so unerheblichen Zahl anderer Mitgliedstaaten – vielleicht sogar der Mehrheit – die Bewirtschaftung städtischer Parkplätze und die Verhängung von Strafgeldern für das Parken ohne Parkschein als verwaltungsrechtliche Tätigkeit einzustufen ist. Dagegen dürfte die Würdigung unter dem Gesichtspunkt des „Gegenstands“, bei der die nationale Einstufung des Mitgliedstaats als Ausgangspunkt herangezogen wird, wohl auf eine zivilrechtliche Angelegenheit hindeuten, da Kroatien und vielleicht auch ein paar andere Mitgliedstaaten sich dafür entschieden haben, diese Art Rechtsbeziehungen als zivilrechtlich anzusehen, wobei eine solche gesetzgeberische Entscheidung aus dem Blickwinkel des Unionsrechts vielleicht nicht unbedingt per se als unmöglich anzusehen ist. Legt man den Gesichtspunkt der „Rechtsbeziehung“ zugrunde und konzentriert sich auf die in Rede stehenden institutionellen Befugnisse, so scheint der Rechtsstreit unter die „Zivil- und Handelssachen“ zu fallen. Schließlich bleibt abzuwarten, wie eine Prüfung des „Gegenstands“ einerseits und der „Rechtsbeziehung“ andererseits als alternative Kriterien(34) funktionieren würden, da man der Auffassung sein könnte, dass sie die vorliegende Rechtssache in unterschiedliche Richtungen ziehen.

58.      Zugegebenermaßen sollte die Prüfung der Frage, ob die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden verfahrensrechtlichen oder materiell-rechtlichen Rechtsbeziehungen Gegenstand einer Ausübung hoheitlicher Befugnisse sind, den Kern einer solchen Würdigung bilden(35). Allerdings ist bereits das bloße Vorhandensein alternativer Ansätze verwirrend: Eine Partei, der sich die Frage stellt, ob ihre Streitigkeit unter die vereinfachte unionsrechtliche Regelung über die Anerkennung von Urteilen oder die Zustellung von Schriftstücken fällt, wird sich kaum sicher sein können, welchem Ansatz sie folgen sollte, um zu prüfen, ob ihre Streitigkeit als eine „Zivil- und Handelssache“ im Sinne dieser Instrumente angesehen wird.

59.      Ich schlage vor, in erster Linie auf den Gesichtspunkt der „Rechtsbeziehung“ abzustellen. Meiner Ansicht nach kann dieser Gesichtspunkt die Aufgabe der Weichenstellung zwischen dem einen und dem anderen Verfahren auf der Suche nach dem „richtigen“ institutionellen Pfad im frühen Stadium der Zuständigkeitsprüfung am zuverlässigsten erfüllen.

60.      Erstens bringt dieser auf die „Rechtsnatur der Rechtsbeziehung“ abstellende Ansatz am besten zum Ausdruck, was wirklich zu tun ist: Die Brüsseler Regelung und auch eine Reihe anderer Systeme der horizontalen Kooperation innerhalb der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts oder des Straf- und Verwaltungsrechts erfordern im Stadium der Zuständigkeitsprüfung die Bestimmung der für bestimmte Angelegenheiten zuständigen institutionellen Partner im jeweiligen Mitgliedstaat. Nicht zu unterschätzen ist, dass sich Einrichtungen mit vergleichbaren Zuständigkeiten und Befugnissen bestimmen lassen, die im Rahmen des gegebenen Systems zusammenarbeiten könnten und daher auch sollten. Dies zielt nicht auf eine mittelbare Harmonisierung dieser Verfahrensgegenstände ab.

61.      Aus diesem Blickwinkel betrachtet, wäre es schon merkwürdig, den Gegenstand, der durch das betreffende Instrument nicht harmonisiert und noch nicht einmal positiv definiert wird, als Schlüsselkriterium für die Zuordnung (oder eher als Werkzeug zur vorrangigen Anwendung einer abweichenden Regelung) im Hinblick auf das heranzuziehen, was im Wesentlichen die institutionelle Zuständigkeit in einem Mitgliedstaat darstellt(36).

62.      Zweitens kann eher die Konzentration auf die genaue Rechtsnatur der in Rede stehenden Beziehung größere Genauigkeit und Klarheit bieten, insbesondere wenn mehrere Rechtsbeziehungen vorliegen. In solchen Fällen grenzt der Gerichtshof offenbar die entscheidende Rechtsbeziehung in dem ihm vorliegenden Rechtsstreit von „unterhalb“ oder „oberhalb“ angesiedelten Rechtsbeziehungen ab, was unter dem Gesichtspunkt des „Gegenstands“ nicht so ohne Weiteres möglich wäre(37). Daher eignet sich der Gesichtspunkt der „Rechtsbeziehung“ auch im Rahmen komplexer Rechtsstreitigkeiten besser.

63.      Drittens kann ein Mitgliedstaat in Fällen, in denen ihm ein Vollstreckungsantrag vorgelegt wird, der auf eine missbräuchliche „Ausgestaltung“ des Rechtsstreits nach dem nationalen Recht zurückgehen oder eine Einstufung oder Elemente enthalten könnte, die für den ersuchten Mitgliedstaat schlichtweg nicht annehmbar sind, immer noch auf die materielle ex post-„Notbremse“ des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung zurückgreifen(38). Beim Prüfungspunkt des Anwendungsbereichs des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“, der nun einmal eine Frage der Zuständigkeit bleibt, verlangt der Gerichtshof jedoch eine weite Auslegung dieses Begriffs(39).

64.      Viertens räume ich ein, dass die Konzentration auf den Gesichtspunkt der „Rechtsbeziehung“ in der Tat weitgehend darauf beruht, dass es einen tatsächlich autonomen Begriff der „Zivil- und Handelssachen“ im Unionsrecht gibt, der nicht allein vom nationalen Recht abhängen sollte(40). Die Würdigung der Rechtsnatur der Rechtsbeziehung hängt in der Tat grundlegend von den Funktionen und Zuständigkeiten ab, die den Handlungen einer Behörde und ihren Zuständigkeitsbereichen nach dem nationalen Recht zugewiesen sind. Ironischerweise passt dieser Ansatz zwangsläufig nicht so gut zu der Idee eines „autonomen“ Begriffs der „Zivil- und Handelssachen“ wie die nun nicht mehr vertretene erste auf den Gesichtspunkt des „Gegenstands“ abstellende Auffassung(41).

65.      Ich muss jedoch gestehen, dass mich diese Aussicht nicht allzu sehr beunruhigt, da ich nie geglaubt habe, dass es im spezifischen Kontext der Brüsseler Regelung wirklich ein solches Einhorn, d. h. eine tatsächlich autonome unionsrechtliche Definition, gibt. Man muss das in der Sache selbst liegende Problem „autonomer/nicht-so-autonomer“ Definitionen (wie des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“ im vorliegenden Fall) akzeptieren, die keine echte eigene „Substanz“ haben. Sie reiten lediglich „huckepack“ auf der Struktur, die eine konkrete nationale Rechtsordnung aufweist, und ändern – vielleicht von völlig himmelschreienden Entscheidungen nationaler Gesetzgeber abgesehen – ihre Gestalt je nach nationalem Recht und Rechtsstreit. So ernüchternd diese Schlussfolgerungen auch sein mögen, innerhalb des gegenwärtigen rechtlichen Rahmens, der keine positive Definition des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“ bereitstellt, gibt es nicht nur eine annehmbare Bedeutung dieses Begriffs.

66.      Fünftens und letztens können jedoch unter dem Gesichtspunkt der „Rechtsnatur der Rechtsbeziehung“ die folgenden „Indizien“ für die Bestimmung, ob eine hoheitliche Befugnis ausgeübt wurde, von Nutzen sein. Diese Indizien sind zwar keine Liste von Voraussetzungen, aber sie spiegeln gleichwohl die Erwägungen in der Rechtsprechung wider: i) Beginne mit der Rechtsbeziehung, die den Rechtsstreit kennzeichnet, ii) vergleiche sie mit dem allgemein für Privatpersonen geltenden rechtlichen Rahmen und iii) stelle fest, ob der Rechtsstreit auf eine einseitige Ausübung hoheitlicher Befugnisse außerhalb dieses normalen privaten „Bezugsrahmens“ zurückgeht.

b)      Anwendung auf den vorliegenden Fall

67.      Um festzustellen, ob die vorliegende Rechtssache die Voraussetzungen erfüllt, um in den Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 und der Zustellungsverordnung zu fallen, werde ich prüfen, ob die Rechtsnatur der ihr zugrunde liegenden „Rechtsbeziehung“ unter die „Zivil- und Handelssachen“ fällt (1). Nachdem ich zu dem Ergebnis gekommen bin, dass dies tatsächlich der Fall sein dürfte, werde ich mich den von einigen Beteiligten aufgeworfenen speziellen Fragen zuwenden, insbesondere der verpflichtenden Ausstellung eines Tagesparkscheins und den sich aus dem Parkverstoß ergebenden zusätzlichen Gebühren, um zu prüfen, ob solche Umstände die Rechtsnatur einer solchen Rechtsbeziehung aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1215/2012 und der Zustellungsverordnung herausfallen lassen könnten (2).

1)      Zur Rechtsnatur der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien

68.      Gemäß den in Nr. 66 der vorliegenden Schlussanträge zusammengefassten „Indizien“ ist zunächst das Rechtsverhältnis festzustellen, das die Grundlage des vorliegenden Rechtsstreits bildet. Das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten scheint zumindest auf den ersten Blick ein Parkvertrag zu sein. Dies ist in der Tat die Grundlage. Nach der Rechtsprechung(42) handelt es sich bei dem zu untersuchenden Rechtsverhältnis nicht um das „oberhalb“ anzusiedelnde Verhältnis zwischen der Stadt Zadar und der Klägerin, also der betrauenden Behörde und betrauten Person.

69.      Sodann ist der Rahmen für Privatpersonen in dieser Art Rechtsbeziehung festzulegen. Die kroatische Regierung erläutert, dass der Vertrag zwischen der Klägerin und dem Fahrer des im Eigentum der Beklagten stehenden Fahrzeugs privatrechtlicher Natur sei. Ebenso wie die Klägerin verweist sie sodann allgemein auf den Zakon o parničnom postupku (Zivilprozessordnung), den Zakon o obveznim odnosima (Schuldrechtsgesetz) und den Ovršni zakon (Zwangsvollstreckungsgesetz). Sie gibt die anwendbaren Bestimmungen jedoch nicht konkret an. Daher lässt sich nicht prüfen, ob die sich aus diesem privatrechtlichen Vertrag ergebenden Verbindlichkeiten und Rechtsfolgen für eine zivilrechtliche Forderung charakteristisch sind. Es ist Sache des nationalen Gerichts, dies festzustellen. Da die Akten jedoch nichts enthalten, was auf das Gegenteil hindeutet, scheint es für die Zwecke der vorliegenden rechtlichen Prüfung vernünftig, anzunehmen, dass dies der Fall ist.

70.      Nachdem dieser Bezugsrahmen hergestellt (und anerkannt) worden ist, ist in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob die materiellen oder verfahrensrechtlichen Aspekte des vorliegenden Rechtsstreits infolge einer offenkundigen Ausübung hoheitlicher Befugnisse von diesem Rahmen abweichen.

71.      Insoweit lässt keine der von den Parteien oder Beteiligten angeführten Bestimmungen die Annahme zu, dass das Verfahren, das dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegt, außerhalb des für den Einzelnen geltenden Rahmens liegt oder dass es sich durch eine (einseitige) Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch eine der Vertragsparteien auszeichnet. Es gibt tatsächlich keinerlei Hinweis darauf, dass die Klägerin nach der Ausstellung des Parkscheins dazu in der Lage wäre, einen Vollstreckungsbefehl zu erlassen(43). Wie die kroatische Regierung in Beantwortung einer schriftlichen Frage bestätigt hat, was natürlich vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist, muss sich die Klägerin an den zuständigen Notar (oder das zuständige Gericht) wenden, genau wie jede andere natürliche Person.

72.      Auf der Grundlage dieser Gesichtspunkte scheint die Vollstreckung der in Rede stehenden (vertraglichen) Verpflichtungen zivilrechtlicher Natur zu sein(44).

73.      Zwar liegt der Ursprung des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens, wie die slowenische Regierung zutreffend anmerkt, in der hoheitlichen Befugnis der Stadt Zadar, die Parkflächen und ‑bedingungen in ihrem Stadtgebiet festzulegen und der Klägerin deren Bewirtschaftung bzw. Durchsetzung zu übertragen.

74.      Die Kommission weist jedoch zu Recht darauf hin, dass das Vorhandensein einer „oberhalb“ anzusiedelnden hoheitlichen Befugnis nicht immer als maßgeblich im Hinblick auf die Rechtsnatur der „unterhalb“ angesiedelten vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann. Es handelt sich nämlich um subjektive vertragliche Verpflichtungen der Klägerin und der Beklagten(45), während deren Vollstreckung offenbar im zivilrechtlichen Rahmen betrieben wird und sich, wenn ich es richtig verstehe, auf diese subjektiven Verpflichtungen beschränkt.

75.      Die Akten enthalten keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein acta iure imperii der Stadt Zadar im Rahmen der Vollstreckung irgendeine Rolle spielt, nur weil diese eine Beteiligung an der Klägerin hält(46). Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin im Namen der Stadt Zadar hoheitliche Befugnisse ausübt. In Kroatien können die Instandhaltung und Bewirtschaftung von Parkplätzen genauso durch private Einrichtungen erfolgen wie das eigentliche Parken selbst. Dies hat die kroatische Regierung in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichtshofs bestätigt. Ob das Parken auf einem öffentlichen Grundstück stattfindet, hat keinen Einfluss auf die Art und Weise, in der die sich daraus ergebenden vertraglichen Verpflichtungen vollstreckt werden, solange die Vollstreckung nach kroatischem Zivilrecht ohne Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfolgt.

76.      Unter diesem Blickwinkel betrachtet, handeln die Klägerin und die Beklagte als zwei Privatpersonen im Rahmen der normalerweise solchen Personen zustehenden Befugnisse und unterliegen denselben Verfahrensvorschriften wie jedermann(47). Daher scheint es im vorliegenden Fall keine Überschreitung des „Bezugsrahmens“ zu geben.

77.      Aus den vorstehend dargelegten Gründen lässt die Bestimmung der „Rechtsbeziehung“ keinen Anhaltspunkt für die Ausübung hoheitlicher Befugnisse erkennen, was bedeutet, dass eine Zuständigkeit nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 und der Zustellungsverordnung gegeben ist.

2)      Die Verpflichtung zur Zahlung eines Tagesparkscheins und einseitige Gebühren als Indiz für die Ausübung hoheitlicher Befugnisse?

78.      Das vorlegende Gericht sowie die deutsche und die slowenische Regierung sind der Ansicht, dass das vorstehende Ergebnis im vorliegenden Fall durch das Vorliegen von „Merkmalen einer Strafe“ berührt werden könnte. Diese bestünden in den anfallenden zusätzlichen Kosten. Außerdem komme die Verpflichtung zur Zahlung eines Tagesparkscheins einem Strafgeld gleich.

79.      Diese Bedenken überzeugen mich in der vorliegenden Rechtssache nicht.

80.      Es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass die Frage, ob ein Rechtsstreit eine „Zivil- und Handelssache“ ist, zur Prüfung der Zuständigkeit gehört. In just diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof im Urteil Pula Parking ausgeführt, dass die Zuständigkeit gegeben ist, da „keine Strafgelder“ verlangt wurden, „die als Ausfluss eines Hoheitsakts … angesehen werden könnten“. Der Gerichtshof hat ebenfalls – mit Blick auf die Entscheidung in der Sache selbst – festgestellt, dass die Parkgebühr „keinen Strafcharakter hat, sondern lediglich die Gegenleistung für eine erbrachte Dienstleistung darstellt“(48).

81.      Die Klägerin und die kroatische Regierung weisen darauf hin, dass der Preis des Tagesparkscheins vor der Nutzung des Parkplatzes festgelegt, auf vertikalen Schildern angezeigt und im Amtsblatt der Stadt Zadar veröffentlicht worden sei. Er gehört daher zu den Bedingungen für das Parken im Stadtgebiet von Zadar. Auch wenn diese Bedingungen einseitig formuliert sein mögen, könnte die Verpflichtung zur Zahlung eines Tagesparkscheins als bloße „Standardklausel“ angesehen werden, die zu den Parkbedingungen gehört und vom Betroffenen stillschweigend akzeptiert wird. Diese Verpflichtungen wurden nicht infolge der Beteiligung einer öffentlichen Stelle einseitig auferlegt oder verändert(49). Tatsächlich sind die gleichen Standardklauseln auch bei privaten Parkhäusern allgemein gebräuchlich. Die Vollstreckung dieser Parkschuld unterscheidet sich daher, wie die kroatische Regierung anmerkt, nicht von der Vollstreckung einer beliebigen anderen privatrechtlichen Schuld. Der Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit entfällt nicht, und eine Ausübung hoheitlicher Befugnisse ist hier fernliegend.

82.      Zu demselben Ergebnis kommt man im Hinblick auf die zusätzlichen Kosten, die sich aus der Parkschuld ergeben. Die Klägerin und die kroatische Regierung haben den Ursprung dieser Kosten genau aufgeschlüsselt(50). Die kroatische Regierung verweist zum Ursprung dieser Bedingungen außerdem auf Art. 13 des Beschlusses über die Organisation des Parkens. Diese Punkte sind natürlich vom vorlegenden Gericht zu prüfen. Angesichts der Aufschlüsselung dieser Gebühren ist jedoch nicht ohne Weiteres ersichtlich, wie einzelne Positionen oder die Kosten insgesamt als hoheitliche Handlungen eingestuft werden könnten. Diese Bedingungen scheinen im Zusammenhang mit den Kosten der Vollstreckung einer offenen Forderung in einer anderen Sprache und in einem anderen Mitgliedstaat zu stehen. Es ist ganz normal, dass eine grenzüberschreitende Vollstreckung selbst innerhalb der Union zu weiteren Kosten führt, die man auf den rechtmäßigen Schuldner der Hauptforderung „abwälzen“ können sollte. Keine dieser Positionen scheint sich aus der Ausübung hoheitlicher Befugnisse zu ergeben, obwohl sie wegen des besonderen Vollstreckungsverfahrens nach kroatischem Recht zwangsläufig höher sind.

83.      Im Ergebnis vermögen die beiden von einigen Beteiligten angeführten Gesichtspunkte nichts an der ziemlich eindeutigen Rechtsnatur der Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten zu ändern. Um es ganz unverblümt zu sagen: Einseitige oder sogar missbräuchliche Vertragsklauseln können nicht plötzlich allein deshalb als Ausübung hoheitlicher Befugnisse angesehen werden, weil sie nicht verbraucherfreundlich sind. Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse ist etwas qualitativ anderes als das bloße Innehaben oder auch Gebrauchen (bzw. Missbrauchen) einer überlegenen Verhandlungsposition. Andernfalls würden Verbraucherverträge plötzlich auch nicht mehr unter die Brüsseler Regelung fallen, da viele von ihnen in gewissem Umfang einseitige unverhandelbare Klauseln mit Strafcharakter aufweisen. Aber kaum jemand würde behaupten, dass sie im Hinblick auf diese nicht verhandelbaren Klauseln als eine Ausübung hoheitlicher Gewalt durch Unternehmen anzusehen wären und damit nicht unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ fielen.

3)      Zwischenergebnis

84.      Im Verlauf des vorliegenden Verfahrens sind keine überzeugenden Argumente vorgetragen worden, aufgrund derer man sich gezwungen sähe, das Ergebnis des Gerichtshofs im Urteil Pula Parking noch einmal zu überdenken. Die hier in Rede stehende Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten dürfte die Zuständigkeitsvoraussetzungen erfüllen, um unter Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 und der Zustellungsverordnung zu fallen.

85.      Es stimmt zwar, dass in einigen Mitgliedstaaten die Bedingungen für das Parken auf öffentlichen Straßen in Gemeinden und die etwaigen Strafgelder wegen eines Verstoßes dagegen zum Verwaltungsrecht gehören. Dieser Umstand ist jedoch lediglich Ausdruck der natürlichen Grenzen der auf den „Gegenstand“ abstellenden Auffassung bei der Bestimmung, was nach der Brüsseler Regelung als Zivil- oder Handelssache anzusehen ist. Verschiedenartigkeit bedeutet, dass innerhalb vernünftiger Grenzen der Umstand, dass ein bestimmter Mitgliedstaat oder bestimmte Mitgliedstaaten solche Angelegenheiten als verwaltungsrechtlich einordnen, nicht bedeutet, dass das übrige Europa das genauso sehen muss.

86.      Schließlich bedeutet der Umstand, dass Rechtsbeziehungen wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, tatsächlich als „Zivil- und Handelssachen“ angesehen werden könnten, nicht, dass andere Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1215/2012 oder der Zustellungsverordnung erfüllt sind. Mit Blick auf die Verordnung Nr. 1215/2012 hat der Gerichtshof bereits im Urteil Pula Parking festgestellt, dass Notare in Kroatien nicht als „Gericht“ im Sinne dieser Verordnung anzusehen sind(51). Im folgenden Abschnitt erwäge ich eine ähnliche Würdigung mit Blick auf die Zustellungsverordnung.

87.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, wie folgt zu antworten:

Der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 und Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 ist dahin auszulegen, dass die den zugrunde liegenden Rechtsstreit kennzeichnende Rechtsbeziehung im Vergleich zu dem in solchen Fällen allgemein auf den Einzelnen anwendbaren Rahmen sich nicht durch eine einseitige Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch eine der Parteien auszeichnen darf.

Es ist zwar Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, doch dürften die Umstände des vorliegenden Falles nicht auf eine solche Ausübung hoheitlicher Befugnisse hindeuten.

3.      Zur ersten Frage und zum ersten Teil der dritten Frage

88.      In der ersten Frage und dem ersten Teil der dritten Frage des vorlegenden Gerichts geht es darum, ob die Notare in Kroatien die Zustellung von Vollstreckungsbefehlen, die auf der Grundlage einer „glaubwürdigen Urkunde“ ausgestellt wurden, selbst vornehmen können. Unter Bezugnahme auf das Urteil Pula Parking hat das vorlegende Gericht Zweifel daran, dass dies möglich ist. Auch wenn diese Auffassung nicht angegriffen wird, machen die kroatische Regierung und die Kommission geltend, dass die Notare in Kroatien gleichwohl von der in Art. 16 der Zustellungsverordnung vorgesehenen Möglichkeit der Übermittlung „außergerichtlicher Schriftstücke“ Gebrauch machen könnten.

89.      Im Licht dieses Vorbringens heben die erste Frage und der erste Teil der dritten Frage zwei Aspekte hervor: i) Können Notare in Kroatien „gerichtliche Schriftstücke“ im Sinne der Zustellungsverordnung übermitteln und, wenn ja, ii) können Notare in Kroatien auf die parallele Zustellungsmöglichkeit nach Art. 16 der Zustellungsverordnung zurückgreifen (d. h. auf die Zustellung „außergerichtlicher Schriftstücke“)?

a)      Übermittlung „gerichtlicher Schriftstücke“ durch Notare in Kroatien

90.      Im Rahmen ihres Art. 1 Abs. 1 nimmt die Zustellungsverordnung auf die Übermittlung „gerichtlicher Schriftstücke“ Bezug. Auch wenn es keine Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs „gerichtliche Schriftstücke“ gibt, folgt aus dem Wortlaut, dass solche Schriftstücke von der Justiz eines Mitgliedstaats ausgestellt worden sein müssen, die mit dem im Unionsrecht transversalen Begriff „Gericht“ und der umfangreichen Rechtsprechung des Gerichtshofs dazu verknüpft ist(52).

91.      Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Pula Parking ausführlich dargelegt habe und wie der Gerichtshof bestätigt hat, erfüllen das Wesen, die Art der Tätigkeit und das vor und von den Notaren in Kroatien betriebene Verfahren, das zur Ausstellung eines Vollstreckungsbefehls führt, in Fällen wie dem vorliegenden nicht die Voraussetzungen des Begriffs „Gericht“ im Sinne der Rechtsprechung und der Verordnung Nr. 1215/2012(53).

92.      Diese Auffassung wird auch noch durch einen neueren Beschluss des Gerichtshofs gestützt, nach dem Vollstreckungsbefehle der Notare in Kroatien nicht per se in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1215/2012 fallen, da sie im Allgemeinen nicht als „gerichtliche“ Entscheidungen angesehen werden(54).

93.      Ich sehe keine Gründe, aus denen die gleichen Schlussfolgerungen nicht auch für die Zustellungsverordnung gelten sollten, und auch im vorliegenden Verfahren sind keine diesbezüglichen Argumente vorgetragen worden. Daher handeln Notare in Kroatien bei der Ausstellung von Vollstreckungsbefehlen in Fällen wie dem vorliegenden nicht als Gericht und können keine „gerichtlichen Schriftstücke“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Zustellungsverordnung übermitteln.

b)      Übermittlung „außergerichtlicher Schriftstücke“ durch Notare in Kroatien

94.      Die Klägerin, die kroatische Regierung und die Kommission vertreten die Auffassung, dass Notare in Kroatien „außergerichtliche Schriftstücke“ im Sinne von Art. 16 der Zustellungsverordnung zustellen können.

95.      Diese Vorschrift regelt die Übermittlung „außergerichtlicher Schriftstücke“ zum Zweck der Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat(55). Sie enthält keine Definition des Begriffs „außergerichtliches Schriftstück“(56).

96.      Wie andere Bestimmungen des Unionsrechts, in denen nicht auf die nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten Bezug genommen wird, ist für den Begriff „außergerichtliche Schriftstücke“ die Autonomie des Unionsrechts als Ausganspunkt zugrunde zu legen. Er ist weit auszulegen und sollte nicht nur Schriftstücke erfassen, die aus gerichtlichen Verfahren hervorgehen(57). So hat der Gerichtshof im Urteil Tecom Mican und Arias Dominguez festgestellt, dass der Begriff „außergerichtliche Schriftstücke“ „sowohl von einer Behörde oder einer Amtsperson erstellte oder beglaubigte Schriftstücke … als auch private Schriftstücke, deren förmliche Übermittlung an ihren im Ausland ansässigen Empfänger zur Geltendmachung, zum Beweis oder zur Wahrung eines Rechts oder Anspruchs in Zivil- oder Handelssachen erforderlich ist“, erfassen kann(58).

97.      Allerdings soll die Zustellung von Schriftstücken nach Art. 2 und Art. 4 Abs. 1 der Zustellungsverordnung grundsätzlich zwischen den von den Mitgliedstaaten benannten „Übermittlungsstellen“ und „Empfangsstellen“ erfolgen(59). Damit dieses System funktioniert, muss die in Art. 2 der Zustellungsverordnung vorgesehene „Benennungsverpflichtung“ eingehalten werden. Nach Art. 2 Abs. 1 „benennt [jeder Mitgliedstaat] die Amtspersonen, Behörden oder sonstigen Personen“, die als „Übermittlungsstellen“ für die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke zum Zwecke der Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat zuständig sind(60). Nach Abs. 4 dieses Artikels muss der betreffende Mitgliedstaat der Kommission detaillierte Angaben zu der benannten Stelle machen.

98.      Im vorliegenden Fall ist im Vorlagebeschluss angegeben, dass der zuständige Notar der Beklagten den Vollstreckungsbefehl über die kroatischen Postdienste mittels eines Einschreibens mit Rückschein zugestellt habe. Aus der Sicht der Klägerin, der kroatischen Regierung und der Kommission ist eine solche Zustellung nach Art. 14 in Verbindung mit Art. 16 der Zustellungsverordnung zulässig.

99.      Diese Auffassung ist nur teilweise richtig.

100. Der Gerichtshof befasst sich nicht zum ersten Mal mit der Frage, ob Notare eines Mitgliedstaats als „Übermittlungsstellen“ tätig werden können, um „außergerichtliche Schriftstücke“ zuzustellen. Die Kommission verweist auf die Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen Tecom Mican und Arias Dominguez und Roda Golf & Beach Resort. Diese Urteile befassten sich mit der Frage, ob spanische Notare von Art. 16 der Zustellungsverordnung Gebrauch machen konnten, um als „Übermittlungsstellen“ für solche Zustellungen tätig zu werden(61). Allerdings hat der Gerichtshof in diesen Fällen nur abstrakt bestätigt, dass von einem Notar übermittelte Schriftstücke „außergerichtliche Schriftstücke“ sein können. Diese Urteile betreffen nicht den Fall, dass ein Mitgliedstaat die Notare gar nicht als „Übermittlungsstellen“ gemäß Art. 2 Abs. 1 der Zustellungsverordnung benannt hat.

101. Genau darum geht es aber in der vorliegenden Rechtssache.

102. Wie aus den Antworten der kroatischen Regierung und der Kommission auf eine Frage des Gerichtshofs hervorgeht, hat die kroatische Regierung, als sie ihrer Mitteilungspflicht aus Art. 2 Abs. 4 der Zustellungsverordnung nachkam, Notare nicht als „Übermittlungsstellen“ benannt. Eine solche Benennung ist jedoch für die Anwendung von Art. 16 der Zustellungsverordnung unerlässlich. Gerade aufgrund der konkreten Bezugnahme in diesem Artikel darauf, dass die Übermittlung „außergerichtlicher Schriftstücke“ „nach Maßgabe dieser Verordnung“ vorzunehmen ist, ist eine solche Zustellung unausweichlich mit den in Art. 2 der Zustellungsverordnung vorgesehenen Mitteilungspflichten verknüpft. Das bestätigt auch der sechste Erwägungsgrund der Zustellungsverordnung, aus dem sich ergibt, dass die vereinfachte Anwendung des durch diese Verordnung geschaffenen Rahmens nur für die Übermittlung von Schriftstücken „unmittelbar … zwischen den von den Mitgliedstaaten benannten örtlichen Stellen“ zur Verfügung steht. Daraus folgt, dass in zeitlicher Hinsicht außergerichtliche Schriftstücke unter Anwendung der Zustellungsverordnung nur von Stellen übermittelt werden dürfen, die als mit dieser Aufgabe betraute Stellen benannt worden sind(62). Anderenfalls würden der Zweck und die Zuverlässigkeit der auf diese Weise zugestellten Schriftstücke ausgehöhlt(63).

103. Da die Notare in Kroatien während des Zeitraums der Vollstreckung der zugrunde liegenden Schuld unstreitig nicht in der Liste der benannten Stellen aufgeführt waren, konnte sich der Notar in Pula nicht auf Art. 16 der Zustellungsverordnung stützen, um eine wirksame Zustellung des Vollstreckungsbefehls auf der Grundlage eines „Originalschriftstücks“ als „außergerichtliches Schriftstück“ im Sinne dieser Verordnung vorzunehmen. Der Notar hätte zu diesem Zweck auch nicht auf die Zustellung durch die kroatische Post zurückgreifen können, da Art. 14 der Zustellungsverordnung auf „außergerichtliche Schriftstücke“ nur anwendbar wird, wenn die Voraussetzungen von Art. 16 dieser Verordnung erfüllt sind(64).

104. Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht hätte der Notar die Zustellung über den Trgovački sud u Zadru (Handelsgericht Zadar) als Vermittler vornehmen müssen, um in den Genuss der vereinfachten Zustellung nach der Zustellungsverordnung zu kommen(65). Da er das offenbar nicht getan hat, ist die Zustellung im vorliegenden Fall nicht als zulässig im Sinne der Zustellungsverordnung anzusehen.

c)      Zwischenergebnis

105. Aus den oben dargelegten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Frage und den ersten Teil der dritten Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

Die Verordnung Nr. 1393/2007 ist dahin auszulegen, dass ein Vollstreckungsbefehl auf der Grundlage einer „glaubwürdigen Urkunde“ nur dann als „gerichtliches Schriftstück“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung zu qualifizieren ist, wenn die ausstellende Stelle ein zur Gerichtsorganisation eines Mitgliedstaats gehörendes Rechtsprechungsorgan ist.

Die Art. 2 und 16 der Verordnung Nr. 1393/2007 sind dahin auszulegen, dass in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat Notare nicht als „Übermittlungsstellen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung benannt hat, solche Notare „außergerichtliche Schriftstücke“ nicht zum Zwecke der Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat nach Maßgabe dieser Verordnung übermitteln können.

4.      Zu den Fragen 5 bis 7

106. Mit den Fragen 5 bis 7 fragt das vorlegende Gericht im Kern nach dem Wesen der in Rede stehenden Tätigkeit, um zu entscheiden, ob sie nach der Verordnung Nr. 1215/2012 a) Ansprüche aus unerlaubter Handlung oder dingliche Rechte oder b) vertragliche Ansprüche betrifft. Ich werde diese Möglichkeiten nacheinander prüfen.

a)      Unerlaubte Handlung oder dingliche Rechte?

107. Die Klägerin, die kroatische Regierung und die Kommission tragen alle vor, dass die kroatischen Gerichte über eine „besondere“ Zuständigkeit nach Art. 7 der Verordnung Nr. 1215/2012 verfügen. Diese Beteiligten sind sich auch darüber einig, dass es sich vorliegend nicht um eine „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“, handelt. Das vorlegende Gericht wirft die Frage auf, ob das Parken eine besondere Art von dinglichem Mietvertrag darstellen und somit unter Art. 24 der Verordnung Nr. 1215/2012 fallen könnte.

108. Könnte die Nichtbezahlung eines Parkscheins für das Parken auf einer öffentlichen Straße eine „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“, darstellen? Das dürfte nicht der Fall sein.

109. Erstens ist unbestritten, dass die vorliegende Rechtssache die Vollstreckung einer Forderung betrifft, die auf der Nichterfüllung eines (wohl konkludent geschlossenen) Vertrags beruht. Insoweit fallen nach der Rechtsprechung Angelegenheiten, die einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ zum Gegenstand haben, nicht unter Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012(66). Auf dieser Grundlage fiele der Rechtsstreit nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung. Zweitens wäre, selbst wenn man diese Rechtsprechung nicht für einschlägig erachtete, die Forderung, die hier vollstreckt wird, immer noch als Folge der Nichterfüllung der ursprünglichen Vertragspflichten anzusehen(67). Daher würde die Klage auch aus diesem Grund und auf jeden Fall nicht in die Kategorie „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“, fallen.

110. Sodann ist auf das Argument des vorlegenden Gerichts einzugehen, wonach der vorliegende Fall möglicherweise eine besondere Art von Mietvertrag im Sinne von Art. 24 der Verordnung Nr. 1215/2012 betrifft.

111. Insoweit dürfte es ausreichen, sich in Erinnerung zu rufen, dass nach der Rechtsprechung der Umfang, der Inhalt, das Eigentum oder der Besitz an einem Grundstück oder andere dingliche Rechte Gegenstand des Streits sein müssen(68). Die Tatsachen, die sich aus den Akten ergeben, bieten keinerlei Hinweis darauf, dass der Besitz oder andere dingliche Rechte an dem Parkplatz mit dem Parken auf die Beklagte übergegangen sind (oder dass es überhaupt um sie geht). Auch der Sinn und Zweck dieses Artikels sprechen gegen eine solche Auslegung(69). Daher merkt die Kommission zu Recht an, dass der vorliegende Fall auch nicht unter Art. 24 der Verordnung Nr. 1215/2012 fällt.

b)      Die Gründe, aus denen es um vertragliche Ansprüche geht

112. Der Rechtsstreit fällt tatsächlich unter Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012.

113. Der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne dieser Bestimmung (der ein autonomer Begriff des Unionsrechts ist) setzt voraus, dass der Gerichtshof die objektive Grundlage der Klage untersucht(70). Daraus folgt, dass in Fällen, in denen die Klage auf die Nichterfüllung eines Vertrags gestützt wird, sämtliche sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen in den Anwendungsbereich der „Ansprüche aus einem Vertrag“ fallen(71). Eine Zuständigkeit nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 könnte sogar bestehen, wenn eine Partei das Vorliegen eines Vertrags bestreitet(72), vorausgesetzt, dass nicht eindeutig ist, dass keine freiwillig eingegangene Rechtsbeziehung der Personen untereinander besteht (mit anderen Worten, ein negativer Prüfungsmaßstab)(73).

114. Auch wenn es natürlich Sache des vorlegenden Gerichts ist, dies zu prüfen, dürften diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sein.

115. Aus der vom vorlegenden Gericht geschilderten Grundlage der Klage ergibt sich, dass ein Vertrag nach kroatischem Recht geschlossen wurde, als der Fahrer eines geleasten, im Eigentum der Beklagten stehenden Fahrzeugs sich dazu entschloss, den betreffenden Parkplatz zum Abstellen seines Fahrzeugs zu nutzen. Rein nach dem Wortlaut von Art. 7 des Beschlusses über die Organisation des Parkens war – vorbehaltlich einer Überprüfung – nach diesem Vertrag der Preis für einen für die gesamte Parkdauer gültigen Parkschein zu zahlen. Ein entsprechender Parkschein war bei der Kontrolle nicht zu sehen(74). Die Klägerin macht daher geltend, eine der wohl wesentlichen Bestimmungen des Vertrags sei nicht erfüllt worden. Kein Beteiligter hat jedoch vorgetragen, es gebe gar keinen Vertrag oder es fehle an einer freiwilligen Zustimmung zu den Parkbedingungen selbst.

116. Hervorzuheben ist, dass die Frage der „freiwilligen Zustimmung“ im Stadium des Vertragsschlusses von der Frage zu unterscheiden ist, ob die einem Vertrag zugrunde liegenden Klauseln missbräuchlich sind. Man kann fraglos freiwillig einem Vertrag zustimmen, der, was die Klauseln und die Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Parteien insgesamt anbelangt, nicht als fair anzusehen ist(75). Das ist letztlich der Grund dafür, dass es einen eigenen Rechtsbereich gibt, der sich „Verbraucherschutz“ nennt; dort wird auch bei Vorhandensein missbräuchlicher Klauseln nicht angenommen, dass die eine oder die andere Partei diesen Klauseln nicht freiwillig zugestimmt hat und daher gar kein Vertrag geschlossen wurde.

117. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, dürfte Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 anwendbar sein.

118. Sodann ist zu prüfen, ob sich der in Rede stehende Vertrag auf die Erbringung einer Dienstleistung beziehen kann. Das vorlegende Gericht und die Kommission äußern insoweit Zweifel. Das bloße Zurverfügungstellen des Parkplatzes sei zu marginal, um eine „Dienstleistung“ darstellen zu können. Sie weisen auch auf die Notwendigkeit hin, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1215/2012 eng auszulegen.

119. Zwar bedeutet der Begriff „Dienstleistung“ nach der Rechtsprechung zumindest, dass die Partei, die sie erbringt, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt durchführt(76). Ich vermag allerdings nicht zu erkennen, warum eine solche Tätigkeit im vorliegenden Fall nicht gegeben sein sollte. Die Tätigkeit der Klägerin, die unter den Begriff „Dienstleistung“ fällt, besteht nämlich in dem Zurverfügungstellen eines ausgewiesenen Parkplatzes in einer Parkzone an einer öffentlichen Straße der Stadt Zadar. Die Möglichkeit, auf diesem Parkplatz zu parken, ist das, was die Klägerin anbietet und was der Fahrer des im Eigentum der Beklagten stehenden Fahrzeugs gegen eine Gegenleistung annimmt(77).

120. Folglich könnte das Zurverfügungstellen eines Parkplatzes sehr wohl eine „Dienstleistung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1215/2012 darstellen.

121. Aber selbst wenn das nicht der Fall wäre, ist Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1215/2012 nach deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. c auf Verträge anwendbar, bei denen es sich weder um Verträge über den „Verkauf von Gütern“ noch um Verträge über die „Erbringung von Dienstleistungen“ handelt. Daher fällt der Vertrag jedenfalls unter diese Bestimmung, ohne dass es unbedingt erforderlich wäre, seine genaue Natur noch ausführlicher darzulegen.

122. Aus unionsrechtlicher Sicht spricht daher nichts gegen den Abschluss eines Vertrags durch das bloße Abstellen eines Fahrzeugs, selbst wenn es keinen Parkschein gibt.

123. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen 5 bis 7 wie folgt zu beantworten:

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass das Parken eines Fahrzeugs auf einem auf einer öffentlichen Straße ausgewiesenen Parkplatz nach der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats, in der die Erteilung der Parkscheine und die Erhebung der Gebühren einer privaten Einrichtung übertragen ist, einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen kann.

C.      Ein post scriptum

124. Die vorliegende Rechtssache betrifft Fragen der Zuständigkeit im Zusammenhang mit einem durch Notare in Kroatien vollstreckten Parkschein. Und zwar erneut. Betrachtet man die Anzahl aus Kroatien stammender Fälle zu dieser Problematik(78) und die Feststellung des vorlegenden Gerichts in der vorliegenden Rechtssache, die mit Feststellungen anderer kroatischer Gerichte in früheren Rechtssachen über die Anzahl solcher tatsächlich bei den nationalen Gerichten anhängigen Fälle übereinstimmt, so hat es den Anschein, dass diese Fälle auf ein strukturelles Problem hindeuten, das eine Reihe von Fragen aufwirft.

125. Ich vermute, dass das von anderen Mitgliedstaaten und offenbar auch von manchen nationalen Gerichten empfundene Unbehagen auf etwas zurückzuführen ist, das man am ehesten als „doppelte Singularität“ einer institutionellen und verfahrensrechtlichen Entscheidung Kroatiens bezeichnen könnte. Erstens ist eine Angelegenheit, die in anderen Mitgliedstaaten häufiger als verwaltungsrechtlicher Natur angesehen wird, auf ein privates Unternehmen „ausgelagert“ worden. Zweitens wird die Durchsetzung (Vollstreckung) einer auf diese Weise entstandenen privatrechtlichen Forderung Personen übertragen, die offenkundig nicht Teil des normalen Gerichtssystems eines Mitgliedstaats sind, und zwar in einem Verfahren, in dem im Interesse einer Entlastung der Gerichte an den Verfahrensrechten der potenziell Beklagten erheblich „gespart“ wird(79).

126. Würde man nur eine dieser beiden Entscheidungen isoliert betrachten, so würden sie vielleicht nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Schließlich findet auf allen Ebenen eine „Privatisierung“ bestimmter Elemente der hoheitlichen Befugnisse statt, angefangen von den Bedingungen der Nutzung des öffentlichen Raums (einschließlich des Parkens auf öffentlichen Flächen)(80) bis hin zur privaten Beitreibung von Schulden oder sogar Versuchen, private Gefängnisse zu errichten und zu betreiben. Ebenso ist die Entlastung der Gerichte seit vielen Jahren ein Schlagwort, insbesondere was die Vereinfachung von gerichtlichen Verfahren über geringfügige oder unbestrittene Forderungen anbelangt.

127. Es ist jedoch die Kombination dieser beiden Elemente, die offenbar von anderen Mitgliedstaaten mit einem gewissen Unbehagen betrachtet wird, und wohl auch in Kroatien selbst, zumindest wenn man von der Anzahl der Rechtsstreitigkeiten ausgeht, die diese Fragen seit einigen Jahren ausgelöst haben. Bisher haben sich alle diese Fälle anscheinend auf dem Gebiet der gerichtlichen Zuständigkeit abgespielt. Dahinter verbirgt sich jedoch eine Reihe von tiefgreifenderen materiell-rechtlichen Fragen, die von den Beteiligten in den betreffenden Fällen immer wieder als Zuständigkeitsfragen formuliert werden(81), da die Fälle zurzeit an diesem Punkt stehen. Sie zeugen jedoch von einem tieferen Unbehagen über etwas, das als eher ungewöhnliche verfahrensrechtliche und institutionelle Ausgestaltung angesehen werden kann, die ein Mitgliedstaat für eine bestimmte Art von Forderungen gewählt hat.

128. Da ich ziemlich überzeugt bin, dass diese Fragen bei Weitem nicht gelöst sind und wieder zum Gerichtshof zurückkommen werden, möchte ich von der Freiheit Gebrauch machen, die den Generalanwälten in den Verträgen vergleichsweise großzügig eingeräumt wird, nicht nur den Gerichtshof, sondern mittelbar auch die nationalen Gerichte zu unterstützen, indem ich auf drei Aspekte eingehe, in denen die grundsätzliche Verfahrensautonomie eines Mitgliedstaats an ihre Grenzen stoßen könnte, die dann von den nationalen Gerichten zu würdigen sind.

129. Erstens kann die „Privatisierung“ oder „Auslagerung“ gewissen Grenzen unterliegen, wenn die Wahl des Systems und des Verfahrens über das hinausgeht, was unter dem Schlagwort der nationalen Verfahrensautonomie noch als akzeptabel angesehen wird, und anfängt, sich zu weit von den gemeinsamen Kernelementen und Traditionen der Systeme der anderen Mitgliedstaaten zu entfernen. Diese Grenzen äußern sich im Allgemeinen in Gestalt der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität(82), in auf die öffentliche Ordnung gestützten Vorbehalten im Hinblick auf die Pflicht zur Anerkennung oder Vollstreckung(83) sowie in der Gleichheit der Unionsbürger im Hinblick auf einen gleichen Zugang zum Rechtsschutz, für sich genommen oder in Verbindung mit dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf.

130. Es ist wahrscheinlich, dass Vorbehalte dieser Art formuliert werden, wenn ein Mitgliedstaat eine im Wesentlichen öffentliche Dienstleistung auf eine private Einrichtung überträgt, wobei er sich der Fiktion eines zivilrechtlichen Vertrags mit einem nicht unerheblichen Preisschild für einen Verstoß bedient(84), und sich dann zwecks Vollstreckung auf ein Unionsinstrument stützen möchte, das im Kern für rein privatrechtliche Streitigkeiten geschaffen wurde, und die Vollstreckung durch eine Stelle betreibt, die nicht unmittelbar als Teil der Gerichtsorganisation dieses Mitgliedstaats angesehen wird. Im Ergebnis kann eine solche doppelte Privatisierung zu einer Entfremdung und folglich zu einer Weigerung führen, diese Art von Entscheidungen als in anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar anzusehen.

131. Zweitens können mögliche Hindernisse für die Freizügigkeit der Personen nach dem Unionsrecht aus verschiedenen Blickwinkeln analysiert werden, angefangen mit den Orten, an denen sich die öffentlichen Parkplätze befinden, und den mit dem Parken auf solchen Parkplätzen verbundenen impliziten Parkbedingungen: Vielleicht erhalten in Kroatien ansässige Bürger eine Vignette, und Parkgebühren werden nur von nicht ansässigen Personen erhoben; vielleicht reichen die auf den Parkplätzen bereitgestellten Informationen nicht aus, um die genauen Parkbedingungen zu erkennen; und vielleicht sollte man das Vorbringen, dass das stundenweise Parken „bevorzugt“ werde, wie die kroatische Regierung wiederholt betont hat, nicht ohne Weiteres als zutreffend ansehen, falls sämtliche öffentlichen Parkflächen neben dem wichtigsten Hotelbezirk oder Attraktionen für Touristen liegen(85).

132. Ebenso will ich sicher nicht behaupten, über ein umfassendes Verständnis des kroatischen Notarsystems zu verfügen. Gleichwohl wäre ich allgemein jedem System gegenüber skeptisch, das auf eine vereinfachte grenzüberschreitende Vollstreckung angeblich offener Forderungen zielt und den „Vollstrecker“ auf der Grundlage einer Gebühr, einer Abgabe oder einer Gewinnbeteiligung je Transaktion vergütet und ihm damit unweigerlich einen Anreiz bietet, einer schnellen Vollstreckung den Vorzug vor einem ordnungsgemäßen Verfahren zu geben. Wenn dann auch noch die endgültige Gebühr in keinem Verhältnis zur ursprünglichen Forderung steht (vorliegend geht es um mehr als das Zwanzigfache des ursprünglichen Preises des Tagesparkscheins), bleiben für mich ernste Fragen unbeantwortet.

133. Drittens ist da die Frage des Schutzes des Einzelnen als Verbraucher und allgemein der Anwendung der Unionsinstrumente zum Verbraucherschutz sowohl im Stadium der Zuständigkeitsprüfung(86) als auch bei der Prüfung der Begründetheit solcher Forderungen(87). Im vorliegenden Fall stellen sich diese Fragen nicht, da es sich bei der Beklagten um eine juristische Person handelt. Wenn nun aber eine natürliche Person einen Vertrag mit einer vom Staat oder von öffentlichen Einrichtungen benannten juristischen Person schließt, selbst wenn sie es freiwillig tut, sollte dann die natürliche Person nicht vom Gesetz als „schutzbedürftig“ angesehen werden, da sie nur ein „Durchschnittsverbraucher“ ist, und sollte daher ein strengerer Prüfungsmaßstab angelegt werden(88), vor allem, wenn eine Privatperson mit der ihr übertragenen hoheitlichen Befugnis die Kontrolle über etwas erhält, was einem Monopol oder einer beherrschenden Stellung bei der Erbringung bestimmter Dienstleistungen sehr ähnlich sieht? Meiner Ansicht nach sollten die zuständigen Gerichte in solchen Fällen sogar noch mehr Aufmerksamkeit auf eine etwaige Missbräuchlichkeit richten, wenn solche Forderungen grenzüberschreitend und im Rahmen eines privatrechtlichen Systems mit einer Vergütungsstruktur vollstreckt werden, die dem „Vollstrecker“ finanzielle Anreize bietet(89).

134. Im Ergebnis bin ich nicht der Ansicht, dass das Unionsrecht einer Privatisierung der Bewirtschaftung von Parkflächen auf öffentlichen Straßen entgegensteht. Ebenso wenig steht es einer Reihe institutioneller und verfahrensrechtlicher Entscheidungen zum Zweck der vereinfachten Durchsetzung von Forderungen entgegen. Allerdings werden „ungewöhnliche“ institutionelle Entscheidungen innerhalb eines auf standardisierten Verfahren beruhenden Systems der vereinfachten Zusammenarbeit beinahe zwangsläufig ungewöhnliche verfahrensrechtliche Folgen haben. Wird die Öffentlichkeit plötzlich zur Privatperson, so findet auch der Schutz Anwendung, der normalerweise auf private zivilrechtliche Rechtsgeschäfte anwendbar wäre. Das dürfte umso mehr in Fällen gelten, in denen eine bestimmte institutionelle Struktur von den betreffenden Partnern in anderen Mitgliedstaaten – sei es zu Recht oder zu Unrecht – nicht so sehr als ein unbeteiligter Vollstreckungsschiedsrichter, sondern vielmehr als ein öffentlich-rechtlich begründetes grenzüberschreitend tätiges Inkassounternehmen wahrgenommen wird.

V.      Ergebnis

135. Ich schlage dem Gerichtshof vor, die vom Visoki Trgovački sud Republike Hrvatske (Hohes Handelsgericht der Republik Kroatien) vorgelegten Fragen 1 bis 3 und 5 bis 7 wie folgt zu beantworten:

Erste Frage und erster Teil der dritten Frage

Die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates ist dahin auszulegen, dass ein Vollstreckungsbefehl auf der Grundlage einer „glaubwürdigen Urkunde“ nur dann als „gerichtliches Schriftstück“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung zu qualifizieren ist, wenn die ausstellende Stelle ein zur Gerichtsorganisation eines Mitgliedstaats gehörendes Rechtsprechungsorgan ist.

Die Art. 2 und 16 der Verordnung Nr. 1393/2007 sind dahin auszulegen, dass in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat Notare nicht als „Übermittlungsstellen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung benannt hat, solche Notare „außergerichtliche Schriftstücke“ nicht zum Zwecke der Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat übermitteln können.

Zweite Frage und zweiter Teil der dritten Frage

Der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 ist dahin auszulegen, dass die den zugrunde liegenden Rechtsstreit kennzeichnende Rechtsbeziehung im Vergleich zu dem in solchen Fällen allgemein auf den Einzelnen anwendbaren Rahmen sich nicht durch eine einseitige Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch eine der Parteien auszeichnen darf.

Es ist zwar Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, doch dürften die Umstände des vorliegenden Falles nicht auf eine solche Ausübung hoheitlicher Befugnisse hindeuten.

Fragen 5 bis 7

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass das Parken eines Fahrzeugs auf einem auf einer öffentlichen Straße ausgewiesenen Parkplatz nach der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats, in dem die Erteilung der Parkscheine und die Erhebung der Gebühren einer privaten Einrichtung übertragen ist, einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen kann.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Frühere Fälle, die nicht bezahlte Parkscheine und Notare in Kroatien betreffen, sind u. a. die Urteile vom 9. März 2017, Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2017:193), vom 9. März 2017, Zulfikarpašić (C‑484/15, EU:C:2017:199), und vom 7. Mai 2020, PARKING und Interplastics (C‑267/19 und C‑323/19, EU:C:2020:351). Vgl. auch die Beschlüsse vom 11. April 2019, Hrvatska radiotelevizija (C‑657/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:304), und vom 6. November 2019, EOS Matrix (C‑234/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:986).


3      Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. 2007, L 324, S. 79).


4      Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).


5      Vgl. meine Schlussanträge in den Rechtssachen Nemec  (C‑256/15, EU:C:2016:619, Nrn. 23 bis 54) und Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2016:825, Nrn. 28 bis 36).


6      Urteile vom 15. Dezember 2016, Nemec (C‑256/15, EU:C:2016:954, Rn. 21 bis 27), und vom 9. März 2017, Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2017:193, Rn. 24 bis 28).


7      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Miasto Łowicz und Prokurator Generalny (Disziplinarverfahren gegen Richter) (C‑558/18 und C‑563/18, EU:C:2020:234, Rn. 43 bis 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


8      Vgl. Urteil vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a. (C‑621/18, EU:C:2018:999, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).


9      Ebd., Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung.


10      Vgl. z. B. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl. 2001, L 174, S. 1) (wo allerdings auf „Zivil- oder Handelssachen“ verwiesen wird); Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. 2004, L 143, S. 15); Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. 2007, L 199, S. 1); Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2008, L 136, S. 3); Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2002/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (ABl. 2003, L 26, S. 41); Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung 2001/470/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 174, S. 25) und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2014, L 189, S. 59).


11      Damit ist man bei der ursprünglichen Entscheidung gegen eine positive Definition dieses Begriffs geblieben, die getroffen wurde, um die unterschiedlichen nationalen Einstufungen unterbringen zu können. Vgl. den Bericht von Herrn P. Jenard zu dem Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1979, C 59, S. 1), S. 9 und 10. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Reischl in der Rechtssache LTU (29/76, EU:C:1976:121, S. 1558).


12      Vgl. zum ersten Fall, in dem der „autonome“ Charakter des Begriffs beschrieben wird, Urteil vom 14. Oktober 1976, LTU (29/76, EU:C:1976:137, Rn. 3).


13      Es handelt sich um das so genannte „Brüsseler Übereinkommen“ (Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [ABl. 1978, L 304, S. 36]); das „Lugano-Übereinkommen von 1988“ (Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [ABl. 1988, L 319, S. 9]); die Brüssel‑I-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [ABl. 2001, L 12, S. 1]); das „Lugano-Übereinkommen von 2007“ (Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [ABl. 2007, L 339, S. 3]); und die Verordnung Nr. 1215/2012.


14      Vgl. Art. 1 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens, des Lugano-Übereinkommens von 1988, der Brüssel‑I-Verordnung, des Lugano-Übereinkommens von 2007 und der Verordnung Nr. 1215/2012.


15      Vgl. zuletzt Urteil vom 16. Juli 2020, Movic u. a. (C‑73/19, EU:C:2020:568, Rn. 32).


16      Vgl. die erste Entscheidung, in der der Gerichtshof diesen Ansatz angekündigt hat, ohne ihn allerdings anzuwenden, Urteil vom 14. Oktober 1976, LTU (29/76, EU:C:1976:137, Rn. 3 und 5).


17      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Warner in der Rechtssache Rüffer (814/79, EU:C:1980:229, S. 3827-3831).


18      Urteil vom 16. Dezember 1980, Rüffer (814/79, EU:C:1980:291, Rn. 11).


19      Ebd., Rn. 12.


20      Ebd., Rn. 1.


21      Vgl. in erster Linie Urteile vom 21. April 1993, Sonntag (C‑172/91, EU:C:1993:144, Rn. 36), und vom 15. Februar 2007, Lechouritou u. a. (C‑292/05, EU:C:2007:102, Rn. 37 und 38). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Lechouritou u. a. (C‑292/05, EU:C:2006:700, Nrn. 54 bis 56).


22      Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Sapir u. a.  (C‑645/11, EU:C:2012:757, Nr. 42).


23      Urteile vom 11. April 2013, Sapir u. a. (C‑645/11, EU:C:2013:228, Rn. 35 bis 37) (zu einer Regressklage wegen eines nach dem deutschen Gesetz über die Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus zu Unrecht gezahlten Betrags), vom 12. September 2013, Sunico u. a. (C‑49/12, EU:C:2013:545, Rn. 37) (zu einer Klage aus unerlaubter Handlung nach englischem Recht), und vom 28. Juli 2016, Siemens Aktiengesellschaft Österreich (C‑102/15, EU:C:2016:607, Rn. 35 bis 38 und 42) (zu einem Bußgeld wegen Verstoßes gegen ungarisches Wettbewerbsrecht).


24      Urteil vom 23. Oktober 2014  (C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 18, 28 und 33).


25      Urteil vom 1. Oktober 2002, Henkel (C‑167/00, EU:C:2002:555, Rn. 30). Vgl. auch Urteile vom 14. November 2002, Baten (C‑271/00, EU:C:2002:656, Rn. 31 bis 36), und vom 15. Mai 2003, Préservatrice Foncière Tiard (C‑266/01, EU:C:2003:282, Rn. 32 bis 36).


26      Sehr klar formuliert z. B. in den unlängst ergangenen Urteilen vom 9. März 2017, Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2017:193, Rn. 34), vom 28. Februar 2019, Gradbeništvo Korana (C‑579/17, EU:C:2019:162, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 7. Mai 2020, Rina (C‑641/18, EU:C:2020:349, Rn. 35).


27      Vgl. Urteil vom 28. Februar 2019, Gradbeništvo Korana (C‑579/17, EU:C:2019:162, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 7. Mai 2020, Rina (C‑641/18, EU:C:2020:349, Rn. 38), in dem diese Aufgabe dem nationalen Gericht übertragen wurde.


28      Vgl. Urteil vom 3. September 2020, Supreme Site Services u. a. (C‑186/19, EU:C:2020:638, Rn. 55).


29      Urteil vom 11. Juni 2015, Fahnenbrock u. a. (C‑226/13, C‑245/13 und C‑247/13, EU:C:2015:383, Rn. 51).


30      Ebd., Rn. 46 und 58.


31      Aufgeführt oben in Fn. 10 der vorliegenden Schlussanträge.


32      Tatsächlich deuten nur bei zwei Instrumenten die Gesetzesmaterialien darauf hin, dass eine ähnliche Auslegung wie die zur Brüsseler Regelung angestrebt wurde. Vgl. den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen (KOM[2011] 445 endg.), S. 5, und den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzübergreifendem Bezug durch die Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe und für andere mit Zivilverfahren verbundene finanzielle Aspekte (KOM[2002] 13 endg.), S. 5.


33      Das bedeute nicht, dass es zu diesen Instrumenten keine Rechtsprechung gibt. Vgl. z. B. Urteil vom 6. September 2018, Catlin Europe (C‑21/17, EU:C:2018:675), zum Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 (ABl. 2006, L 399, S. 1).


34      Siehe oben, Fn. 28 der vorliegenden Schlussanträge.


35      Umgekehrt fällt, wenn sich ein Rechtsstreit nicht gegen ein Verhalten oder ein Verfahren richtet, das die „unmittelbare“ Ausübung hoheitlicher Befugnisse umfasst (z. B. durch eine der Parteien), die Angelegenheit unter die „Zivil- und Handelssachen“. Vgl. Urteile vom 28. April 2009,  Apostolides (C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 45), und vom 18. Oktober 2011, Realchemie Nederland (C‑406/09, EU:C:2011:668, Rn. 42).


36      Eine Konsequenz, die offenbar – zumindest vor der Einführung der „autonomen“ Definition in der älteren Rechtsprechung des Gerichtshofs – von den Verfassern der Brüsseler Regelung gar nicht gesehen wurde (siehe oben, Fn. 11).


37      Vgl. vor allem Urteil vom 23. Oktober 2014, flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 35 und 37). Vgl. auch Urteile vom 14. November 2002, Baten (C‑271/00, EU:C:2002:656, Rn. 30 und 31), vom 15. Mai 2003,  Préservatrice Foncière Tiard (C‑266/01, EU:C:2003:282, Rn. 22 und 23), und vom 5. Februar 2004, Frahuil (C‑265/02, EU:C:2004:77, Rn. 19 und 20).


38      Vgl. z. B. Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH-Urteil vom 16.9.1993, Sonntag, IX ZB 82/90, S. 21) als Reaktion auf das Urteil des Gerichtshofs vom 21. April 1993, Sonntag (C‑172/91, EU:C:1993:144), in dem der BGH feststellt, dass die Vollstreckung des italienischen Urteils nach der Brüssel‑I-Verordnung zwangsläufig die Grundlagen des gesamten deutschen Unfallversicherungssystems berühren würde. Er ist deshalb von der Entscheidung des Gerichtshofs abgewichen.


39      Vgl. unlängst Urteil vom 16. Juli 2020, Movic u. a. (C‑73/19, EU:C:2020:568, Rn. 34).


40      Worauf unlängst z. B. in den Schlussanträgen des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Movic u. a. (C‑73/19, EU:C:2020:297, Nr. 35) hingewiesen wurde.


41      Und ebenso wenig zu der zweiten auf den Gesichtspunkt des „Gegenstands“ abstellenden, jetzt vorherrschenden Auffassung, die ich oben in den Nrn. 48 und 49 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt habe und die ebenfalls vorrangig auf die Einordnung nach nationalem Recht zurückgreift.


42      Siehe oben, Nr. 62 der vorliegenden Schlussanträge.


43      Vgl. auch Urteil vom 9. März 2017, Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2017:193, Rn. 37).


44      Ebd., Rn. 35 und meine Schlussanträge in jener Rechtssache (EU:C:2016:825, Nrn. 49 bis 51).


45      Wie der Gerichtshof bereits im Urteil vom 18. Oktober 2011, Realchemie Nederland (C‑406/09, EU:C:2011:668, Rn. 42), bestätigt hat.


46      Vgl. in diesem Sinne meine Schlussanträge in der Rechtssache Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2016:825, Nr. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).


47      Vgl. ähnlich Urteil vom 12. September 2013, Sunico u. a. (C‑49/12, EU:C:2013:545, Rn. 44).


48      Urteil vom 9. März 2017, Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2017:193, Rn. 36).


49      Vgl. Urteil vom 15. November 2018, Kuhn (C‑308/17, EU:C:2018:956, Rn. 42).


50      Wiedergegeben in Nr. 20 der vorliegenden Schlussanträge.


51      Urteil vom 9. März 2017, Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2017:193, Rn. 59).


52      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2016:825, Nrn. 68 bis 107).


53      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2016:825, Nrn. 108 und 114) und Urteil vom 9. März 2017, Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2017:193, Rn. 56 bis 59). Vgl. auch Urteil vom 9. März 2017, Zulfikarpašić (C‑484/15, EU:C:2017:199, Rn. 50).


54      Beschluss vom 11. April 2019, Hrvatska radiotelevizija (C‑657/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:304, Rn. 27).


55      Zum Hintergrund der Aufnahme dieses Begriffs in das Haager Übereinkommen von 1996 über den Zivilprozess, vgl. Knöfel, O. L., „Zustellung privater Schriftstücke über die Europäische Zustellungsverordnung?“, Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (IPRax),  2017, S. 249 und 250.


56      Die enthielten auch ihre Vorgänger nicht; vgl. Art. 16 des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. 1997, C 261, S. 2) und Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. 2000, L 160, S. 37). Anzumerken ist, dass in der Verordnung Nr. 1348/2000 ein Glossar der Schriftstücke erstellt wurde, die nach Maßgabe der Zustellungsverordnung zugestellt werden konnten, wobei jeder Mitgliedstaat die Schriftstücke benennen sollte, die er unter Bezugnahme auf seine Rechtsordnung als „zustellbar“ ansah. Vgl. Art. 17 Buchst. b der Verordnung Nr. 1348/2000. Dieses Glossarsystem wurde nicht in die Zustellungsverordnung übernommen. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Tecom Mican und Arias Domínguez (C‑223/14, EU:C:2015:364, Nrn. 35 bis 37).


57      Urteil vom 25. Juni 2009, Roda Golf & Beach Resort (C‑14/08, EU:C:2009:395, Rn. 49, 50 und 56 bis 59). Vgl. auch Urteil vom 11. November 2015, Tecom Mican und Arias Domínguez (C‑223/14, EU:C:2015:744, Rn. 32 und 33).


58      Vgl. Urteil vom 11. November 2015 (C‑223/14, EU:C:2015:744, Rn. 44).


59      Vgl. Urteil vom 16. September 2015, Alpha Bank Cyprus (C‑519/13, EU:C:2015:603, Rn. 34).


60      Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Tecom Mican und Arias Domínguez (C‑223/14, EU:C:2015:364, Nr. 33), in denen die Ursprünge dieses Systems nach dem Haager Übereinkommen erläutert werden.


61      Urteile vom 25. Juni 2009, Roda Golf & Beach Resort (C‑14/08, EU:C:2009:395, Rn. 59), und vom 11. November 2015, Tecom Mican und Arias Domínguez (C‑223/14, EU:C:2015:744, Rn. 26 und 33).


62      Vgl. den sechsten Erwägungsgrund der Zustellungsverordnung, in dem es heißt, dass die Mitgliedstaaten alle fünf Jahre über die Erneuerung oder Verlängerung der Benennung ihrer „Übermittlungs- und Empfangsstellen“ entscheiden können.


63      Vgl. den siebten Erwägungsgrund der Zustellungsverordnung.


64      Vgl. Urteil vom 25. Juni 2009, Roda Golf & Beach Resort (C‑14/08, EU:C:2009:395, Rn. 60).


65      Wie die kroatische Regierung und die Kommission in ihren Antworten auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofs bestätigen, hätten nur die betreffenden Amtsgerichte (općinski sud), Kreisgerichte (županijski sudovi), Handelsgerichte (trgovački sudovi), das Hohe Handelsgericht der Republik Kroatien (Visoki trgovački sud) und der Oberste Gerichtshof (Vrhovni sud Republike Hrvatske) Kroatiens als „Übermittlungsstellen“ dieses Landes handeln können, um im fraglichen Zeitraum „außergerichtliche Schriftstücke“ nach der Zustellungsverordnung zu übermitteln.


66      Vgl. z. B. Urteile vom 13. Juli 2006, Reisch Montage (C‑103/05, EU:C:2006:471, Rn. 2), und vom 12. Mai 2011, Berliner Verkehrsbetriebe (C‑144/10, EU:C:2011:300, Rn. 30).


67      Vgl. Urteil vom 9. Juli 2020, Verein für Konsumenteninformation (C‑343/19, EU:C:2020:534, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).


68      Vgl. Urteil vom 16. November 2016, Schmidt (C‑417/15, EU:C:2016:881, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


69      Vgl. Urteil vom 15. Januar 1985, Rösler (241/83, EU:C:1985:6, Rn. 19). Vgl. auch Urteil vom 14. Dezember 1977, Sanders (73/77, EU:C:1977:208, Rn. 15 und 16).


70      Vgl. zuletzt Urteil vom 26. März 2020, Králová (C‑215/18, EU:C:2020:235, Rn. 41 bis 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).


71      Urteil vom 15. Juni 2017, Kareda (C‑249/16, EU:C:2017:472, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


72      Urteil vom 4. März 1982, Effer (38/81, EU:C:1982:79, Rn. 7 und 8).


73      Vgl. z. B. Urteil vom 17. September 2002, Tacconi (C‑334/00, EU:C:2002:499, Rn. 24).


74      Das Fehlen eines gültigen Parkscheins – oder einer anderen Art Ticket – ist für die Frage des Vertragsschlusses nicht maßgeblich. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, ist das Ticket selbst nur das Instrument, das den Vertrag verkörpert. Vgl. entsprechend Urteil vom 7. November 2019, Kanyeba u. a. (C‑349/18 bis C‑351/18, EU:C:2019:936, Rn. 48).


75      Ähnlich wie oben in Nr. 83 ausgeführt, wo mit einer nicht unähnlichen Begründung vorgetragen wurde, dass die Angelegenheit keine „Zivil- oder Handelssache“ ist. So, wie eine überlegene Verhandlungsposition nicht für sich genommen dazu führt, dass eine Rechtsbeziehung aus dem Bereich des Zivil- oder Handelsrechts herausfällt, führt auch der Umstand, dass ein Vertrag seinem Wesen nach ein einseitiger Standardvertrag ist, an den sich der Vertragspartner nur halten kann, nicht dazu, dass kein Vertrag vorliegt.


76      Vgl. Urteil vom 8. März 2018, Saey Home & Garden (C‑64/17, EU:C:2018:173, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


77      Das Angebot der Nutzung eines bestimmten Parkplatzes nicht als Dienstleistung zu betrachten, würde eine gesamte Kategorie „passiver“ Dienstleistungen denaturieren. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Oktober 2001, „Goed Wonen“ (C‑326/99, EU:C:2001:506, Rn. 52).


78      Eine Liste früherer Vorlagen zu denselben Fragen, von denen allerdings einige für unzulässig erklärt wurden, findet sich oben in Fn. 2 der vorliegenden Schlussanträge.


79      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2016:825, Nrn. 111 bis 113).


80      Wie eine neuere Studie der französischen Vereinigung der Transportbehörden zeigt, ist die Ausübung hoheitlicher Befugnisse zur Festlegung der Parkbedingungen und die Übertragung der Bewirtschaftung der Parkflächen auf eine private Einrichtung in vielen Mitgliedstaaten nichts Ungewöhnliches. Vgl. GART Study, La gestion du stationnement payant sur voirie en Europe – quels enseignements pour la France? (2016), S. 20, 28, und 34 bis 35.


81      Wie in oben in den Nrn. 83 und 116 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt.


82      Vgl. zum Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen Urteil vom 8. November 2005, Leffler (C‑443/03, EU:C:2005:665, Rn. 50), und zuletzt Urteil vom 12. Dezember 2019, Aktiva Finants (C‑433/18, EU:C:2019:1074, Rn. 29). Zur Anwendung dieser Grundsätze vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Dimos Zagoriou (C‑217/16, EU:C:2017:385, Nrn. 24 bis 65).


83      Siehe oben, Nr. 63 der vorliegenden Schlussanträge.


84      Wie oben in Nr. 21 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt.


85      Es ist nicht an mir, diese „Bevorzugung“ zu hinterfragen. Aus den Akten scheint jedoch hervorzugehen, dass es nicht verboten ist, ein Fahrzeug einen ganzen Tag lang oder sogar noch länger auf demselben Parkplatz stehen zu lassen. Die kroatische Regierung scheint sich in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofs auf diese Möglichkeit zu beziehen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu prüfen. Allerdings wirft diese Regelung die notwendige Frage auf, warum man, wenn es doch erlaubt ist, den ganzen Tag auf einem Parkplatz zu stehen, keinen Tagesparkschein kaufen kann, und ob eine solche Regelung missbräuchlich ist oder eine bestimmte Art von Personen davon abhält, dort zu parken.


86      Wie z. B. Art. 17 bis 19 oder letztlich Art. 45 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1215/2012.


87      Das heißt möglicherweise der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29), der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (ABl. 1998, L 80, S. 27) und der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. 2005, L 149, S. 22).


88      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 1998, Gut Springenheide und Tusky (C‑210/96, EU:C:1998:369, Rn. 37), und vom 16. Mai 1989, Buet und EBS (382/87, EU:C:1989:198, Rn. 13).


89      Da dies „nach einem Handelsgeschäft“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken erfolgt.