Language of document : ECLI:EU:C:2023:569

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

13. Juli 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Art. 6 Abs. 1 – Von den nationalen Gerichten für nichtig erklärte allgemeine Bedingungen eines Hypothekendarlehensvertrags – Gerichtlicher Rechtsbehelf – Anerkenntnis vor Klagebeantwortung – Nationale Regelung, die von einem Verbraucher verlangt, dass er gegenüber dem betreffenden Gewerbetreibenden vorgerichtliche Schritte unternimmt, damit ihm die Kosten des gerichtlichen Verfahrens nicht auferlegt werden – Grundsatz der geordneten Rechtspflege – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz“

In der Rechtssache C‑35/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Audiencia Provincial de Málaga (Provinzgericht Málaga, Spanien) mit Entscheidung vom 14. Dezember 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Januar 2022, in dem Verfahren

CAJASUR Banco SA

gegen

JO,

IM

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer, der Richterin L. S. Rossi, des Richters S. Rodin (Berichterstatter) und der Richterin O. Spineanu‑Matei,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der CAJASUR Banco SA, vertreten durch V. Rodríguez de Vera Casado,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch A. Pérez-Zurita Gutiérrez, J. Ruiz Sánchez und J. Rodríguez de la Rúa Puig als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Baquero Cruz und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. März 2023

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der CAJASUR Banco SA einerseits sowie JO und IM andererseits wegen der Kosten, die im Rahmen eines von Letzteren angestrengten gerichtlichen Verfahrens wegen Nichtigerklärung einer vorgeblich missbräuchlichen Klausel der allgemeinen Bedingungen eines Hypothekendarlehensvertrags entstanden sind.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

4        Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

 Spanisches Recht

5        Art. 1303 des Código Civil (Zivilgesetzbuch) bestimmt:

„Wird eine in einem Vertrag festgelegte Verpflichtung für nichtig erklärt, so haben die Vertragsparteien einander die Sachen, die Gegenstand des Vertrags waren, die daraus hervorgegangenen Früchte und den für diese Sachen gezahlten Preis zuzüglich Zinsen zurückzugewähren, außer in den in den folgenden Artikeln vorgesehenen Fällen.“

6        Art. 395 der Ley 1/2000 de Enjuiciamiento Civil (Gesetz 1/2000 über den Zivilprozess) vom 7. Januar 2000 (BOE Nr. 7 vom 8. Januar 2000, S. 575) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: LEC) enthält die Kostenregelung bei Anerkenntnis:

„(1)      Erkennt der Beklagte den Anspruch an, bevor er die Klage beantwortet, sind ihm die Kosten nicht aufzuerlegen, es sei denn, das Gericht stellt mit gebührender Begründung seine Bösgläubigkeit fest.

Der Beklagte gilt als bösgläubig, wenn der Kläger vor der Klageerhebung eine schlüssige und begründete Zahlungsaufforderung an ihn gerichtet hat, wenn ein Mediationsverfahren eingeleitet worden ist oder wenn der Beklagte zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren aufgefordert worden ist.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

7        Die Parteien des Ausgangsverfahrens schlossen einen Vertrag über ein Hypothekendarlehen. JO und IM erhoben 2018 Klage beim Juzgado de Primera Instancia Nr. 18bis de Málaga (erstinstanzliches Gericht Nr. 18a Málaga, Spanien) und beantragten, eine die Hypothekengebühren betreffende Klausel der allgemeinen Vertragsbedingungen wegen Missbräuchlichkeit für nichtig zu erklären und ihnen den gemäß dieser Klausel gezahlten Betrag zurückzuerstatten. Nach Klageerhebung erkannte CAJASUR Banco die Missbräuchlichkeit dieser Klausel an, hielt den geforderten Betrag jedoch für überhöht und war daher nur zu einer teilweisen Erstattung bereit.

8        Mit Urteil vom 2. März 2020 erklärte der Juzgado de Primera Instancia Nr. 18bis de Málaga (erstinstanzliches Gericht Nr. 18a Málaga) diese Klausel wegen Missbräuchlichkeit für nichtig und verurteilte CAJASUR Banco daher zum einen, JO und IM einen Teil des geforderten Betrags zu erstatten, und zum anderen, die Kosten des Verfahrens zu tragen.

9        CAJASUR Banco legte bei der Audiencia Provincial de Málaga (Provinzgericht Málaga, Spanien), dem vorlegenden Gericht, ein auf die Kostenentscheidung beschränktes Rechtsmittel ein. Die Bank macht geltend, sie habe die Forderung vor der Klagebeantwortung anerkannt. Die Kostenentscheidung verstoße daher gegen Art. 395 LEC, da dieser vorsehe, dass eine solche Entscheidung nur ergehen dürfe, wenn die Bösgläubigkeit des Beklagten festgestellt werde. Bösgläubigkeit liege nach diesem Artikel nur vor, wenn der Beklagte vor Klageerhebung eine schlüssige und begründete Zahlungsaufforderung erhalten habe, ein Mediationsverfahren eingeleitet oder der Beklagte zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren aufgefordert worden sei.

10      Gemäß der Vorlageentscheidung entspricht diese Auffassung einer gefestigten Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) zur Anwendung dieses Artikels.

11      Der Vorlageentscheidung ist auch zu entnehmen, dass JO und IM keine vorgerichtlichen Schritte gegen CAJASUR Banco unternommen haben.

12      Unter diesen Umständen hat die Audiencia Provincial de Málaga (Provinzgericht Málaga) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Verstößt es gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und gegen Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, vom Verbraucher zu verlangen, dass er vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens eine außergerichtliche Aufforderung abgegeben hat, damit die Nichtigerklärung einer bestimmten allgemeinen Vertragsbedingung wegen Missbräuchlichkeit alle Entschädigungswirkungen (einschließlich der Prozesskosten) auslöst, die mit dieser Nichtigkeit gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verbunden sind?

2.      Ist es mit dem Recht auf vollständige Entschädigung, der Wirksamkeit des Unionsrechts und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vereinbar, dass ein Kriterium für die Auferlegung der Kosten (einschließlich der Prozesskosten) festgelegt wird, das davon abhängt, dass der Verbraucher das betreffende Finanzinstitut vorab außergerichtlich zur Beseitigung der nichtigen Klausel auffordert?

 Zur Zulässigkeit

13      Die spanische Regierung hält das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig, weil das vorlegende Gericht den rechtlichen und tatsächlichen Rahmen des Ausgangsverfahrens unzutreffend dargestellt habe. Es habe gegenüber dem Gerichtshof nicht die tatsächlichen und rechtlichen Angaben gemacht, die für eine sachdienliche Beantwortung der Vorlagefragen erforderlich seien; diese seien hypothetischer Natur, da das vorlegende Gericht gemäß dem nationalen Recht das Ausgangsverfahren entscheiden könne, ohne den Gerichtshof mit einer entsprechenden Vorlagefrage zu befassen.

14      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung in dem Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist. Ebenso hat nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteile vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito, C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 76, und vom 22. September 2022, Servicios prescriptor y medios de pagos EFC, C‑215/21, EU:C:2022:723, Rn. 26).

15      Ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts kann demnach nur dann zurückgewiesen werden, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, das Problem hypothetischer Natur ist oder der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteile vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito, C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 77, und vom 22. September 2022, Servicios prescriptor y medios de pagos EFC, C‑215/21, EU:C:2022:723, Rn. 27).

16      Dies ist vorliegend nicht der Fall.

17      Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft insbesondere die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 und die Frage, ob diese Bestimmung einer Vorschrift des nationalen Rechts wie Art. 395 LEC entgegensteht, die die Teilung der Kosten in von Verbrauchern in Ausübung ihrer Rechte aus dieser Richtlinie eingeleiteten Verfahren regelt.

18      Ferner ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass einem Verbraucher im Sinne der Richtlinie 93/13 gemäß Art. 395 LEC in seiner Auslegung durch die nationale Rechtsprechung die Kosten für ein von ihm angestrengtes Gerichtsverfahren betreffend Klauseln eines mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags selbst dann auferlegt werden können, wenn das zuständige Gericht die Missbräuchlichkeit dieser Klauseln feststellt.

19      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

 Beantwortung der Vorlagefragen

20      Obwohl das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage u. a. auf Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Bezug nimmt, geht aus der Begründung der Vorlageentscheidung hervor, dass es vor allem wissen möchte, wie Art. 6 der Richtlinie 93/13 im Hinblick auf die Tragweite des in der zweiten Frage angesprochenen Effektivitätsgrundsatzes auszulegen ist.

21      Somit möchte das vorlegende Gericht mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Verbraucher, der gegenüber einem Gewerbetreibenden, mit dem er einen eine missbräuchliche Klausel enthaltenden Vertrag geschlossen hat, keine vorgerichtlichen Schritte unternommen hat, die ihm in dem gerichtlichen Verfahren, das er gegen den Gewerbetreibenden zur Geltendmachung seiner Rechte aus der Richtlinie 93/13 angestrengt hat, entstandenen Kosten – obwohl die Missbräuchlichkeit dieser Klausel festgestellt wurde – selbst zu tragen hat, wenn der Gewerbetreibende die geltend gemachte Forderung vor der Klagebeantwortung anerkannt hat.

22      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund von Art und Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der Schutz beruht, der den Verbrauchern gewährt wird, weil sie sich gegenüber den Gewerbetreibenden in einer Position der Unterlegenheit befinden, die Richtlinie 93/13, wie sich aus Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit dem 24. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, die Mitgliedstaaten verpflichtet, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, „damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird“ (Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai, C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Nach ständiger Rechtsprechung sind die Modalitäten der Umsetzung des in der Richtlinie 93/13 vorgesehenen Verbraucherschutzes, da es in diesem Bereich keine spezifischen Vorschriften des Unionsrechts gibt, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache ihrer innerstaatlichen Rechtsordnungen. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip) (Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Teilung der Kosten eines gerichtlichen Verfahrens vor den nationalen Gerichten – vorbehaltlich der Wahrung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten fällt (Urteil vom 16. Juli 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, C‑224/19 und C‑259/19, EU:C:2020:578, Rn. 95).

25      In Bezug auf den Effektivitätsgrundsatz, um den allein es im Vorabentscheidungsersuchen geht, ist darauf hinzuweisen, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs sowie der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (vgl. u. a. Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Die Richtlinie 93/13 gibt einem Verbraucher das Recht, sich an ein Gericht zu wenden, um die Missbräuchlichkeit einer Klausel in einem Vertrag, den er mit einem Gewerbetreibenden geschlossen hat, feststellen und sie für unanwendbar erklären zu lassen. Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass der Verbraucher, würde man die Entscheidung über die Teilung der Kosten eines solchen Verfahrens allein von den rechtsgrundlos gezahlten Beträgen, deren Erstattung angeordnet wird, abhängig machen, wegen der durch ein gerichtliches Verfahren verursachten Kosten davon abgehalten werden könnte, dieses Recht auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, C‑224/19 und C‑259/19, EU:C:2020:578, Rn. 98 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Zudem hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sowie der Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung entgegenstehen, nach der es möglich ist, einem Verbraucher einen Teil der Verfahrenskosten entsprechend der Höhe der rechtsgrundlos gezahlten Beträge, die ihm infolge der Nichtigerklärung einer Vertragsklausel wegen ihrer Missbräuchlichkeit erstattet werden, aufzuerlegen, da eine solche Regelung ein erhebliches Hindernis schafft, das geeignet ist, die Verbraucher davon abzuhalten, das von der Richtlinie 93/13 gewährte Recht auf eine effektive gerichtliche Kontrolle der etwaigen Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln auszuüben (Urteil vom 16. Juli 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, C‑224/19 und C‑259/19, EU:C:2020:578, Rn. 99).

28      Außerdem ist, auch wenn die Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes nicht so weit gehen kann, dass eine völlige Untätigkeit des betroffenen Verbrauchers ausgeglichen wird, zu prüfen, ob im Hinblick auf die Besonderheiten des betreffenden nationalen Verfahrens eine nicht zu vernachlässigende Gefahr besteht, dass der Verbraucher davon abgehalten wird, seine Rechte aus der Richtlinie 93/13 geltend zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2022, Vicente [Verfahren zur Vollstreckung von Anwaltshonoraren], C‑335/21, EU:C:2022:720, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Hier weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass nach Art. 395 LEC in seiner Auslegung durch den Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) dem Beklagten die Kosten des gerichtlichen Verfahrens nur dann aufzuerlegen seien, wenn seine Bösgläubigkeit bewiesen sei. Von Bösgläubigkeit sei auszugehen, wenn der Beklagte vor Klageerhebung vom Kläger eine schlüssige und begründete Zahlungsaufforderung erhalten habe, wenn ein Mediationsverfahren eingeleitet oder wenn der Beklagte zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren aufgefordert worden sei.

30      Insoweit ist festzustellen, dass in Verfahren, die in Anwendung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 betrieben werden, typischerweise der „Verbraucher“ im Sinne dieser Richtlinie der Kläger ist, während es sich beim Beklagten meist um den „Gewerbetreibenden“ im Sinne der Richtlinie handelt, was bedeutet, dass Art. 395 LEC in seiner Auslegung durch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom Verbraucher tatsächlich verlangt, vor einer Klageerhebung eine schlüssige und begründete Zahlungsaufforderung an den Gewerbetreibenden zu richten, ein Mediationsverfahren mit diesem einzuleiten oder ihn zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren aufzufordern. Tut der Verbraucher dies nicht, gilt der Gewerbetreibende, wenn er die Forderung vor der Klagebeantwortung anerkennt, als gutgläubig und kann nicht zur Kostentragung verurteilt werden, und zwar auch dann nicht, wenn in dem mit der Klage eingeleiteten gerichtlichen Verfahren die Missbräuchlichkeit einer Klausel in dem betreffenden Vertrag festgestellt wurde.

31      Selbst wenn – wie von der spanischen Regierung ausgeführt – die mit Art. 395 LEC verfolgten Ziele, nämlich die Entlastung des nationalen Gerichtssystems und die geordnete Rechtspflege, als legitim anzusehen sind und es, wie vom Generalanwalt in Nr. 48 seiner Schlussanträge festgestellt, für den betroffenen Verbraucher ein angemessenes Verfahrenserfordernis darstellt, einen der in diesem Artikel genannten vorgerichtlichen Schritte zu unternehmen, so wird diese Verpflichtung letztlich doch ausschließlich dem Verbraucher auferlegt.

32      Bei missbräuchlichen Klauseln in Verträgen zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher, zu denen es eine umfangreiche nationale Rechtsprechung gibt, sollte eine solche Verpflichtung jedoch von beiden Vertragsparteien gleichermaßen getragen werden. Wurde in einer gefestigten nationalen Rechtsprechung festgestellt, dass bestimmte vorformulierte Klauseln missbräuchlich sind, kann von den Kreditinstituten ebenso erwartet werden, dass sie, um die Wirkungen dieser Klauseln aufzuheben, die Initiative ergreifen und auf diejenigen ihrer Kunden, deren Verträge solche Klauseln enthalten, zugehen, bevor diese Kunden Klage erheben.

33      Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass das im Allgemeininteresse liegende Ziel einer geordneten Rechtspflege als solches Vorrang vor Einzelinteressen der Verbraucher haben kann, doch dürfen die Verfahrensregeln zur Umsetzung dieses Allgemeininteresses die Ausübung der Rechte, die dem Verbraucher aus der Richtlinie 93/13 erwachsen, nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Februar 2015, Baczó und Vizsnyiczai, C‑567/13, EU:C:2015:88, Rn. 51 und 52 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Ferner ist eine nationale Regelung wie die von Art. 395 LEC, nach der der betroffene Verbraucher allein verantwortlich ist für die Initiative, vorgerichtliche Schritte zu unternehmen, nicht geeignet, den Gewerbetreibenden dazu anzuhalten, freiwillig und unaufgefordert alle sich aus der Rechtsprechung zu missbräuchlichen Vertragsklauseln ergebenden Konsequenzen zu ziehen, und begünstigt damit die Fortwirkung dieser Klauseln. Im Übrigen kann eine solche Regelung, da sie dem Verbraucher ein zusätzliches finanzielles Risiko auferlegt, ein Hindernis darstellen, das den Verbraucher davon abhält, sein Recht auf eine effektive gerichtliche Kontrolle der etwaigen Missbräuchlichkeit von Klauseln in dem Vertrag mit dem Gewerbetreibenden auszuüben.

35      Schließlich kann einem Verbraucher, der einen eine missbräuchliche Klausel enthaltenden Vertrag geschlossen hat, nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er sich an das zuständige nationale Gericht gewendet hat, um seine Rechte aus der Richtlinie 93/13 auszuüben, wenn der betreffende Gewerbetreibende untätig bleibt, obwohl in einer gefestigten nationalen Rechtsprechung die Missbräuchlichkeit entsprechender Klauseln festgestellt wurde, was ihn dazu hätte anhalten müssen, von sich aus auf den Verbraucher zuzugehen und die Wirkungen dieser missbräuchlichen Klausel schnellstmöglich zu beseitigen.

36      Das vorlegende Gericht verweist auf eine gefestigte Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof), nach der Vertragsklauseln von der Art der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden missbräuchlich seien. Dem vorlegenden Gericht zufolge warten die Kreditinstitute, anstatt die Verbraucher über die Folgen dieser nationalen Rechtsprechung zu missbräuchlichen Vertragsklauseln zu informieren, lieber ab, bis sie eine vorgerichtliche Aufforderung erhalten, der sie dann nachkommen, oder bis die Verbraucher ein gerichtliches Verfahren einleiten, in dem sie dann den Klageanspruch anerkennen, bevor sie eine Klagebeantwortung einreichen, um zu verhindern, dass ihnen die Verfahrenskosten auferlegt werden.

37      Wie der Generalanwalt in Nr. 50 seiner Schlussanträge ausführt, weist das in Rn. 36 des vorliegenden Urteils geschilderte Verhalten in Anbetracht der Kenntnis, die die Kreditinstitute in diesem Bereich haben dürften, und der schwächeren Position der Verbraucher gegenüber den Kreditinstituten deutlich auf deren Bösgläubigkeit hin. Wichtig ist daher, dass das zuständige Gericht die insoweit erforderlichen Überprüfungen vornehmen und gegebenenfalls die sich daraus ergebenden Schlüsse ziehen kann.

38      Nach alledem ist Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, nach der ein Verbraucher, der gegenüber einem Gewerbetreibenden, mit dem er einen eine missbräuchliche Klausel enthaltenden Vertrag geschlossen hat, keine vorgerichtlichen Schritte unternommen hat, die ihm in dem gerichtlichen Verfahren, das er gegen den Gewerbetreibenden zur Geltendmachung seiner Rechte aus der Richtlinie 93/13 angestrengt hat, entstandenen Kosten – obwohl die Missbräuchlichkeit dieser Klausel festgestellt wurde – selbst zu tragen hat, wenn der Gewerbetreibende die geltend gemachte Forderung vor der Klagebeantwortung anerkannt hat, nicht entgegensteht, sofern das zuständige nationale Gericht eine gefestigte nationale Rechtsprechung, nach der entsprechende Klauseln missbräuchlich sind, und die Haltung des Gewerbetreibenden berücksichtigen kann, um auf dessen Bösgläubigkeit zu schließen und ihm daher gegebenenfalls diese Kosten aufzuerlegen.

 Kosten

39      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist im Licht des Effektivitätsgrundsatzes

dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung, nach der ein Verbraucher, der gegenüber einem Gewerbetreibenden, mit dem er einen eine missbräuchliche Klausel enthaltenden Vertrag geschlossen hat, keine vorgerichtlichen Schritte unternommen hat, die ihm in dem gerichtlichen Verfahren, das er gegen den Gewerbetreibenden zur Geltendmachung seiner Rechte aus der Richtlinie 93/13 angestrengt hat, entstandenen Kosten – obwohl die Missbräuchlichkeit dieser Klausel festgestellt wurde – selbst zu tragen hat, wenn der Gewerbetreibende die geltend gemachte Forderung vor der Klagebeantwortung anerkannt hat, nicht entgegensteht, sofern das zuständige nationale Gericht eine gefestigte nationale Rechtsprechung, nach der entsprechende Klauseln missbräuchlich sind, und die Haltung des Gewerbetreibenden berücksichtigen kann, um auf dessen Bösgläubigkeit zu schließen und ihm daher gegebenenfalls diese Kosten aufzuerlegen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Spanisch.