Language of document : ECLI:EU:C:2017:994

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

20. Dezember 2017(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Richtlinie 95/46/EG – Art. 2 Buchst. a – Begriff ‚personenbezogene Daten‘ – Schriftliche Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung – Korrekturanmerkungen zu diesen Antworten – Art. 12 Buchst. a und b – Umfang der Rechte der betroffenen Person auf Auskunft und auf Berichtigung“

In der Rechtssache C‑434/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 29. Juli 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 4. August 2016, in dem Verfahren

Peter Nowak

gegen

Data Protection Commissioner

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Nowak, vertreten durch G. Rudden, Solicitor, und N. Travers, SC,

–        des Data Protection Commissioner, vertreten durch D. Young, Solicitor, und P. A. McDermott, SC,

–        von Irland, vertreten durch E. Creedon, L. Williams und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von A. Caroll, Barrister,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        der hellenischen Regierung, vertreten durch G. Papadaki und S. Charitaki als Bevollmächtigte,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und A. Pálfy als Bevollmächtigte,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und I. Oliveira als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Nardi und H. Kranenborg als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 20. Juli 2017

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31, und – Berichtigung – ABl. 2017, L 40, S. 78).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Peter Nowak und dem Data Protection Commissioner (Datenschutzbeauftragter, Irland) wegen dessen Weigerung, Herrn Nowak Zugang zu einer korrigierten Arbeit einer Prüfung, an der er teilgenommen hatte, zu gewähren, die damit begründet wurde, dass die darin enthaltenen Informationen keine personenbezogenen Daten darstellten.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 95/46

3        In den Erwägungsgründen 25, 26 und 41 der Richtlinie 95/46, die nach ihrem Art. 1 den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die Beseitigung der Hemmnisse für den freien Verkehr personenbezogener Daten zum Gegenstand hat, heißt es:

„(25)      Die Schutzprinzipien finden zum einen ihren Niederschlag in den Pflichten, die den [für die Verarbeitung verantwortlichen] Personen … obliegen; diese Pflichten betreffen insbesondere die Datenqualität, die technische Sicherheit, die Meldung bei der Kontrollstelle und die Voraussetzungen, unter denen eine Verarbeitung vorgenommen werden kann. Zum anderen kommen sie zum Ausdruck in den Rechten der Personen, deren Daten Gegenstand von Verarbeitungen sind, über diese informiert zu werden, Zugang zu den Daten zu erhalten, ihre Berichtigung verlangen bzw. unter gewissen Voraussetzungen Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegen zu können.

(26)      Die Schutzprinzipien müssen für alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare Person gelten. Bei der Entscheidung, ob eine Person bestimmbar ist, sollten alle Mittel berücksichtigt werden, die vernünftigerweise entweder von dem Verantwortlichen für die Verarbeitung oder von einem Dritten eingesetzt werden könnten, um die betreffende Person zu bestimmen. Die Schutzprinzipien finden keine Anwendung auf Daten, die derart anonymisiert sind, dass die betroffene Person nicht mehr identifizierbar ist. …

(41)      Jede Person muss ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, haben, damit sie sich insbesondere von der Richtigkeit dieser Daten und der Zulässigkeit ihrer Verarbeitung überzeugen kann. …“

4        Nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 sind „‚personenbezogene Daten‘ alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person (‚betroffene Person‘); als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind“.

5        Art. 6 in Kapitel II Abschnitt I („Grundsätze in Bezug auf die Qualität der Daten“) der Richtlinie 95/46 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass personenbezogene Daten

a)      nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden;

b)      für festgelegte eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zweckbestimmungen nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden. Die Weiterverarbeitung von Daten zu historischen, statistischen oder wissenschaftlichen Zwecken ist im Allgemeinen nicht als unvereinbar mit den Zwecken der vorausgegangenen Datenerhebung anzusehen, sofern die Mitgliedstaaten geeignete Garantien vorsehen;

c)      den Zwecken entsprechen, für die sie erhoben und/oder weiterverarbeitet werden, dafür erheblich sind und nicht darüber hinausgehen;

d)      sachlich richtig und, wenn nötig, auf den neuesten Stand gebracht sind; es sind alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit im Hinblick auf die Zwecke, für die sie erhoben oder weiterverarbeitet werden, nichtzutreffende oder unvollständige Daten gelöscht oder berichtigt werden;

e)      nicht länger, als es für die Realisierung der Zwecke, für die sie erhoben oder weiterverarbeitet werden, erforderlich ist, in einer Form aufbewahrt werden, die die Identifizierung der betroffenen Personen ermöglicht. Die Mitgliedstaaten sehen geeignete Garantien für personenbezogene Daten vor, die über die vorgenannte Dauer hinaus für historische, statistische oder wissenschaftliche Zwecke aufbewahrt werden.

(2)      Der für die Verarbeitung Verantwortliche hat für die Einhaltung des Absatzes 1 zu sorgen.“

6        Art. 7 in Kapitel II Abschnitt II („Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung von Daten“) der Richtlinie 95/46 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten lediglich erfolgen darf, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

a)      Die betroffene Person hat ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben;

c)      die Verarbeitung ist für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der für die Verarbeitung Verantwortliche unterliegt;

e)      die Verarbeitung ist erforderlich für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt und dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder dem Dritten, dem die Daten übermittelt werden, übertragen wurde;

f)      die Verarbeitung ist erforderlich zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die gemäß Artikel 1 Absatz 1 geschützt sind, überwiegen.“

7        In Art. 12 („Auskunftsrecht“) der Richtlinie 95/46 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten garantieren jeder betroffenen Person das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen Folgendes zu erhalten:

a)      frei und ungehindert in angemessenen Abständen ohne unzumutbare Verzögerung oder übermäßige Kosten

–        die Bestätigung, dass es Verarbeitungen sie betreffender Daten gibt oder nicht gibt, sowie zumindest Informationen über die Zweckbestimmungen dieser Verarbeitungen, die Kategorien der Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, und die Empfänger oder Kategorien der Empfänger, an die die Daten übermittelt werden;

–        eine Mitteilung in verständlicher Form über die Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, sowie die verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

b)      je nach Fall die Berichtigung, Löschung oder Sperrung von Daten, deren Verarbeitung nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie entspricht, insbesondere wenn diese Daten unvollständig oder unrichtig sind;

c)      die Gewähr, dass jede Berichtigung, Löschung oder Sperrung, die entsprechend Buchstabe b) durchgeführt wurde, den Dritten, denen die Daten übermittelt wurden, mitgeteilt wird, sofern sich dies nicht als unmöglich erweist oder kein unverhältnismäßiger Aufwand damit verbunden ist.“

8        In Art. 13 („Ausnahmen und Einschränkungen“) der Richtlinie 95/46 ist Folgendes vorgesehen:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können Rechtsvorschriften erlassen, die die Pflichten und Rechte gemäß Artikel 6 Absatz 1, Artikel 10, Artikel 11 Absatz 1, Artikel 12 und Artikel 21 beschränken, sofern eine solche Beschränkung notwendig ist für

g)      den Schutz der betroffenen Person und der Rechte und Freiheiten anderer Personen.

…“

9        Art. 14 („Widerspruchsrecht der betroffenen Person“) der Richtlinie 95/46 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten erkennen das Recht der betroffenen Person an,

a)      zumindest in den Fällen von Artikel 7 Buchstaben e) und f) jederzeit aus überwiegenden, schutzwürdigen, sich aus ihrer besonderen Situation ergebenden Gründen dagegen Widerspruch einlegen zu können, dass sie betreffende Daten verarbeitet werden; dies gilt nicht bei einer im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen entgegenstehenden Bestimmung. Im Fall eines berechtigten Widerspruchs kann sich die vom für die Verarbeitung Verantwortlichen vorgenommene Verarbeitung nicht mehr auf diese Daten beziehen;

…“

10      In Art. 28 („Kontrollstelle“) der Richtlinie 95/46 heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass eine oder mehrere öffentliche Stellen beauftragt werden, die Anwendung der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen.

(3)      Jede Kontrollstelle verfügt insbesondere über:

–        Untersuchungsbefugnisse, wie das Recht auf Zugang zu Daten, die Gegenstand von Verarbeitungen sind, und das Recht auf Einholung aller für die Erfüllung ihres Kontrollauftrags erforderlichen Informationen;

–        wirksame Einwirkungsbefugnisse, wie beispielsweise … die Befugnis, die Sperrung, Löschung oder Vernichtung von Daten oder das vorläufige oder endgültige Verbot einer Verarbeitung anzuordnen, …

Gegen beschwerende Entscheidungen der Kontrollstelle steht der Rechtsweg offen.

(4)      Jede Person oder ein sie vertretender Verband kann sich zum Schutz der die Person betreffenden Rechte und Freiheiten bei der Verarbeitung personenbezogener Daten an jede Kontrollstelle mit einer Eingabe wenden. Die betroffene Person ist darüber zu informieren, wie mit der Eingabe verfahren wurde.

…“

 Verordnung (EU) 2016/679

11      Die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46 (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1) gilt ausweislich ihres Art. 99 Abs. 2 ab dem 25. Mai 2018. Gemäß Art. 94 Abs. 1 dieser Verordnung wird die Richtlinie 95/46 mit Wirkung von diesem Datum aufgehoben.

12      Die Verordnung 2016/679 sieht in ihrem Art. 15 („Auskunftsrecht der betroffenen Person“) Folgendes vor:

„(1)      Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten …

(3)      Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. …

(4)      Das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz [3] darf die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen.“

13      In Art. 23 („Beschränkungen“) der Verordnung 2016/679 heißt es:

„(1)      Durch Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, denen der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter unterliegt, können die Pflichten und Rechte gemäß den Artikeln 12 bis 22 … im Wege von Gesetzgebungsmaßnahmen beschränkt werden, sofern eine solche Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme darstellt, die Folgendes sicherstellt:

e)      den Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, insbesondere eines wichtigen wirtschaftlichen oder finanziellen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, etwa im Währungs-, Haushalts- und Steuerbereich sowie im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der sozialen Sicherheit;

i)      den Schutz der betroffenen Person oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen;

…“

 Irisches Recht

14      Mit dem Data Protection Act 1988 (Gesetz aus dem Jahr 1988 über den Datenschutz) in der durch den Data Protection (Amendment) Act 2003 (Änderungsgesetz aus dem Jahr 2003 über den Datenschutz) geänderten Fassung (im Folgenden: Datenschutzgesetz) soll die Richtlinie 95/46 in die irische Rechtsordnung umgesetzt werden. Section 1(1) dieses Gesetzes bestimmt den Begriff „personenbezogene Daten“ wie folgt:

„Daten über eine bestimmte oder bestimmbare lebende Person, die durch diese Daten oder durch Daten in Verbindung mit anderen Informationen, die sich im Besitz des für die Verarbeitung Verantwortlichen befinden oder voraussichtlich in dessen Besitz gelangen werden, identifiziert werden kann“.

15      Das Auskunftsrecht richtet sich nach Section 4 des Datenschutzgesetzes. In Section 4(6), wo speziell Anträge auf Zugang zu Prüfungsergebnissen geregelt werden, heißt es:

„(a)      Der Antrag einer natürlichen Person gemäß Subsection (1) dieser Section bezüglich der Ergebnisse einer von ihr abgelegten Prüfung gilt im Sinne dieser Section als gestellt am

(i)      Tag der erstmaligen Bekanntmachung der Prüfungsergebnisse oder

(ii)      am Tag des Antrags,

wobei der spätere Zeitpunkt maßgeblich ist; …

(b)      ‚Prüfung‘ im Sinne dieser Subsection ist jegliches Verfahren zur Bestimmung der Kenntnisse, Intelligenz, Fertigkeiten oder Fähigkeiten einer Person durch Bezugnahme auf ihre Leistung bei einem Test, einer Arbeit oder einer sonstigen Tätigkeit.“

16      Section 6 des Datenschutzgesetzes legt das Recht auf Berichtigung und Löschung personenbezogener Daten fest, deren Verarbeitung nicht mit diesem Gesetz in Einklang steht.

17      Nach Section 10(1)(b)(i) des Datenschutzgesetzes ist der Datenschutzbeauftragte verpflichtet, einer Beschwerde nachzugehen, „es sei denn, er ist der Ansicht, dass diese unseriös oder schikanös ist“.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

18      Herr Nowak war Trainee Accountant (Wirtschaftsprüfer/Steuerberater in Ausbildung) und hatte die Prüfungen des Institute of Chartered Accountants of Ireland (irische Berufsorganisation der Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, im Folgenden: CAI) der Stufe 1 im Fach Rechnungswesen sowie drei Prüfungen der Stufe 2 mit Erfolg abgelegt. Er fiel jedoch durch die Prüfung „Strategic Finance und Management Accounting“ durch. Dabei handelte es sich um eine Prüfung, bei der Dokumente benutzt werden durften („open book exam“).

19      Nachdem Herr Nowak im Herbst 2009 zum vierten Mal durch diese Prüfung durchgefallen war, reichte er zunächst eine Beschwerde ein, um ihr Ergebnis anzufechten. Nachdem diese Beschwerde im März 2010 zurückgewiesen worden war, stellte er im Mai 2010 gemäß Section 4 des Datenschutzgesetzes einen Antrag auf Auskunft, der sich auf sämtliche ihn betreffenden und im Besitz der CAI befindlichen personenbezogenen Daten bezog.

20      Mit Schreiben vom 1. Juni 2010 übermittelte die CAI Herrn Nowak 17 Dokumente, weigerte sich jedoch, ihm seine Prüfungsarbeit herauszugeben, und zwar mit der Begründung, dass diese keine personenbezogenen Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes enthalte.

21      Herr Nowak wandte sich daraufhin an den Datenschutzbeauftragten, um die Stichhaltigkeit der Begründung, mit der die Übermittlung seiner Prüfungsarbeit verweigert worden war, anzufechten. Im Juni 2010 antwortete ihm dieser per E‑Mail und teilte ihm u. a. mit, dass „Prüfungsarbeiten … im Allgemeinen nicht [für Datenschutzzwecke] geprüft [werden], … da es sich bei diesem Material im Allgemeinen nicht um personenbezogene Daten handelt“.

22      Auf diese Antwort des Datenschutzbeauftragten folgte ein Schriftwechsel zwischen Herrn Nowak und dem Datenschutzbeauftragten, der mit einer formellen Beschwerde endete, die Herr Nowak am 1. Juli 2010 einreichte.

23      Mit E‑Mail vom 21. Juli 2010 teilte der Datenschutzbeauftragte Herrn Nowak mit, dass er nach Prüfung der Akte keinen wesentlichen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz festgestellt habe und dass er gemäß Section 10(1)(b)(i) dieses Gesetzes, wo für den Fall von unseriösen oder schikanösen Beschwerden Vorsorge getroffen werde, beschlossen habe, seiner Beschwerde nicht weiter nachzugehen. In der E‑Mail wird ferner ausgeführt, bei dem Material, in Bezug auf das Herr Nowak „ein Recht auf Berichtigung“ ausüben wolle, handele es sich „nicht um personenbezogene Daten, auf die Section 6 [des Datenschutzgesetzes] Anwendung findet“.

24      Herr Nowak erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Circuit Court (Bezirksgericht, Irland). Dieses erklärte die Klage mit der Begründung für unzulässig, dass der Datenschutzbeauftragte der Beschwerde nicht nachgegangen sei, weshalb keine anfechtbare Entscheidung vorliege. Ergänzend stellte dieses Gericht fest, dass die Klage nicht begründet sei, weil es sich bei der Prüfungsarbeit nicht um personenbezogene Daten handle.

25      Herr Nowak legte gegen das Urteil des Circuit Court (Bezirksgericht) ein Rechtsmittel beim High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) ein, der dieses Urteil jedoch bestätigte. Das Urteil des High Court (Hoher Gerichtshof) wiederum wurde vom Court of Appeal (Berufungsgericht, Irland) bestätigt. Der Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland), der das Rechtsmittel gegen das Urteil des Court of Appeal (Berufungsgericht) zuließ, erklärte die von Herrn Nowak gegen die Entscheidung des Datenschutzbeauftragten erhobene Klage für zulässig.

26      Da der Supreme Court (Oberster Gerichtshof) jedoch Zweifel hat, ob eine Prüfungsarbeit unter den Begriff „personenbezogene Daten“ im Sinne der Richtlinie 95/46 fallen kann, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Können Informationen, die von einem Prüfling in einer berufsbezogenen Prüfung in seiner Antwort bzw. als Antwort aufgezeichnet wurden, personenbezogene Daten im Sinne der Richtlinie 95/46 darstellen?

2.      Falls die Antwort auf Frage 1 lautet, dass sämtliche oder Teile dieser Informationen personenbezogene Daten im Sinne der Richtlinie 95/46 darstellen können – welche Faktoren sind bei der Bestimmung, ob im konkreten Fall eine Prüfungsarbeit personenbezogene Daten darstellt, maßgeblich und welches Gewicht ist diesen Faktoren beizumessen?

 Zu den Vorlagefragen

27      Mit seinen Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu „personenbezogene Daten“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

28      In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 personenbezogene Daten definiert sind als „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person“. Nach dieser Bestimmung wird „als bestimmbar … eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind“.

29      Es steht fest, dass ein Prüfling in einer berufsbezogenen Prüfung eine natürliche Person ist, die entweder direkt über ihren Namen oder indirekt über eine Kennnummer, die auf der Prüfungsarbeit oder einem Deckblatt der Prüfungsarbeit angebracht sind, identifiziert werden kann.

30      Entgegen dem, was der Datenschutzbeauftragte offenbar geltend macht, ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Prüfer den Prüfling im Zeitpunkt der Korrektur und der Bewertung der Prüfungsarbeit identifizieren kann oder nicht.

31      Um Daten als „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 qualifizieren zu können, ist es nämlich nicht erforderlich, dass sich alle zur Identifizierung der betreffenden Person erforderlichen Informationen in den Händen einer einzigen Person befinden (Urteil vom 19. Oktober 2016, Breyer, C‑582/14, EU:C:2016:779, Rn. 43). Im Übrigen ist unstrittig, dass, soweit dem Prüfer die Identität des Prüflings bei der Bewertung der von diesem bei einer Prüfung gegebenen Antworten nicht bekannt ist, die die Prüfung organisierende Einrichtung, vorliegend die CAI, hingegen im Besitz der notwendigen Informationen ist, die es ihr ermöglichen, den Prüfling unschwer und zweifelsfrei anhand seiner auf der Prüfungsarbeit oder dem Deckblatt der Prüfungsarbeit angebrachten Kennnummer zu identifizieren und ihm seine Antworten zuzuordnen.

32      Zu prüfen ist jedoch, ob die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu Informationen über den Prüfling im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 darstellen.

33      Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, ist der Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 sehr weit und sind die von ihr erfassten personenbezogenen Daten vielfältig (Urteil vom 7. Mai 2009, Rijkeboer, C‑553/07, EU:C:2009:293, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      In der Verwendung des Ausdrucks „alle Informationen“ im Zusammenhang mit der Bestimmung des Begriffs „personenbezogene Daten“ in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 kommt nämlich das Ziel des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck, diesem Begriff eine weite Bedeutung beizumessen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen „über“ die in Rede stehende Person handelt.

35      Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist.

36      Wie Herr Nowak, die tschechische, die hellenische, die ungarische, die österreichische und die portugiesische Regierung sowie die Europäische Kommission im Wesentlichen geltend gemacht haben, stellen die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung solche Informationen dar, die mit seiner Person verknüpft sind.

37      Zunächst spiegelt der Inhalt dieser Antworten nämlich den Kenntnisstand und das Kompetenzniveau des Prüflings in einem bestimmten Bereich sowie gegebenenfalls seine Gedankengänge, sein Urteilsvermögen und sein kritisches Denken wider. Im Fall einer handschriftlich verfassten Prüfung enthalten die Antworten zudem Informationen über seine Handschrift.

38      Des Weiteren zielt die Sammlung dieser Antworten darauf ab, die beruflichen Fähigkeiten des Prüflings und seine Eignung zur Ausübung des betreffenden Berufs zu beurteilen.

39      Schließlich kann sich die Verwendung dieser Informationen, die insbesondere im Erfolg oder Scheitern des Prüflings der in Rede stehenden Prüfung zum Ausdruck kommt, insoweit auf dessen Rechte und Interessen auswirken, als sie beispielsweise seine Chancen, den gewünschten Beruf zu ergreifen oder die gewünschte Anstellung zu erhalten, bestimmen oder beeinflussen kann.

40      Die Feststellung, dass die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung Informationen darstellen, die aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks und ihrer Auswirkungen Informationen über diesen Prüfling darstellen, gilt im Übrigen auch dann, wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um eine Prüfung handelt, bei der Dokumente benutzt werden dürfen.

41      Wie die Generalanwältin in Nr. 24 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, zielt nämlich jede Prüfung darauf ab, die individuelle Leistung einer konkreten Person, des Prüflings, festzustellen und zu dokumentieren, und – insbesondere im Unterschied zu einer repräsentativen Umfrage – nicht darauf, Informationen zu erlangen, die von dieser Person unabhängig sind.

42      Was die Anmerkungen des Prüfers zu den Antworten des Prüflings angeht, ist festzustellen, dass diese – ebenso wie die Antworten des Prüflings in der Prüfung – Informationen über den betreffenden Prüfling darstellen.

43      So kommt im Inhalt dieser Anmerkungen die Ansicht oder Beurteilung des Prüfers in Bezug auf die individuelle Leistung des Prüflings in der Prüfung und insbesondere in Bezug auf dessen Kenntnisse und Kompetenzen in dem betreffenden Bereich zum Ausdruck. Diese Anmerkungen zielen im Übrigen gerade darauf ab, die Beurteilung der Leistung des Prüflings durch den Prüfer zu dokumentieren, und können, wie in Rn. 39 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Auswirkungen auf den Prüfling haben.

44      Die Feststellung, dass die Anmerkungen des Prüfers zu den vom Prüfling in der Prüfung gegebenen Antworten Informationen darstellen, die aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks und ihrer Auswirkungen mit dem betreffenden Prüfling verknüpft sind, wird nicht dadurch entkräftet, dass diese Anmerkungen zugleich Informationen über den Prüfer darstellen.

45      Ein und dieselbe Information kann nämlich mehrere natürliche Personen betreffen und folglich für diese Personen – vorausgesetzt, dass sie bestimmt oder bestimmbar sind – personenbezogene Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 darstellen.

46      Die Einordnung der von dem Prüfling in einer berufsbezogenen Prüfung gegebenen schriftlichen Antworten und etwaiger Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten als personenbezogene Daten kann im Übrigen – entgegen dem Vorbringen des Datenschutzbeauftragten und der irischen Regierung – nicht dadurch beeinflusst werden, dass eine solche Einordnung für den Prüfling – grundsätzlich – ein Recht auf Auskunft und Berichtigung gemäß Art. 12 Buchst. a und b der Richtlinie 95/46 eröffnet.

47      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, zahlreiche in der Richtlinie 95/46 vorgesehene Grundsätze und Garantien an diese Einordnung geknüpft sind und von ihr abhängen.

48      Aus dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46 ergibt sich nämlich, dass die in ihr vorgesehenen Schutzprinzipien zum einen ihren Niederschlag in den Pflichten finden, die den für die Verarbeitung Verantwortlichen obliegen; diese Pflichten betreffen insbesondere die Datenqualität, die technische Sicherheit, die Meldung bei der Kontrollstelle und die Voraussetzungen, unter denen eine Verarbeitung vorgenommen werden kann. Zum anderen kommen sie zum Ausdruck in den Rechten der Personen, deren Daten Gegenstand von Verarbeitungen sind, über diese informiert zu werden, Zugang zu den Daten zu erhalten, ihre Berichtigung verlangen bzw. unter gewissen Voraussetzungen Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegen zu können.

49      Informationen über einen Prüfling, die in den von ihm in einer berufsbezogenen Prüfung gegebenen Antworten und in den Anmerkungen des Prüfers dazu enthalten sind, nicht als „personenbezogene Daten“ zu qualifizieren, hätte somit zur Folge, dass bei diesen Informationen die Grundsätze und Garantien im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten und insbesondere die in den Art. 6 und 7 der Richtlinie 95/46 aufgestellten Grundsätze in Bezug auf die Qualität der Daten und die Zulässigkeit ihrer Verarbeitung sowie die in den Art. 12 und 14 dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte der betroffenen Person auf Auskunft, Berichtigung und Widerspruch und die gemäß Art. 28 dieser Richtlinie ausgeübte Kontrolle durch die Kontrollstelle gänzlich unbeachtet blieben.

50      Wie die Generalanwältin in Nr. 26 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, steht fest, dass ein Prüfling u. a. ein auf dem Schutz seiner Privatsphäre aufbauendes berechtigtes Interesse daran hat, dem widersprechen zu können, dass die von ihm in der betreffenden Prüfung gegebenen Antworten und die Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten ohne seine Zustimmung außerhalb des Prüfungsverfahrens verarbeitet und insbesondere an Dritte weitergegeben oder sogar veröffentlicht werden. Ebenso hat die Einrichtung, die die Prüfung organisiert, als für die Datenverarbeitung Verantwortliche sicherzustellen, dass diese Antworten und Anmerkungen so gelagert werden, dass ein unrechtmäßiger Zugang Dritter zu diesen Daten vermieden wird.

51      Sodann ist festzustellen, dass die in Art. 12 Buchst. a und b der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Rechte auf Auskunft und Berichtigung auch in Bezug auf die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu gerechtfertigt sein können.

52      Das in Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46 vorgesehene Recht auf Berichtigung kann es einem Prüfling zwar offenkundig nicht ermöglichen, „falsche“ Antworten im Nachhinein zu „berichtigen“.

53      Aus Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 95/46 ergibt sich nämlich, dass die Richtigkeit und die Vollständigkeit personenbezogener Daten im Hinblick auf den Zweck zu beurteilen sind, für den die Daten erhoben wurden. Dieser Zweck besteht bei den Antworten eines Prüflings darin, den Kenntnisstand und das Kompetenzniveau des betreffenden Prüflings zum Zeitpunkt der Prüfung festzustellen. Dieser Stand bzw. dieses Niveau spiegelt sich gerade in etwaigen Fehlern in diesen Antworten wider. Solche Fehler stellen somit in keiner Weise eine Unrichtigkeit im Sinne der Richtlinie 95/46 dar, die ein Recht auf Berichtigung nach deren Art. 12 Buchst. b begründen würde.

54      Dagegen kann es Situationen geben, in denen sich die Antworten eines Prüflings und die Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten als nicht zutreffend im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 95/46 erweisen, etwa deshalb, weil Prüfungsarbeiten irrtümlich vertauscht wurden, so dass dem betreffenden Prüfling die Antworten eines anderen Prüflings zugeordnet wurden, oder weil ein Teil der Blätter mit den Antworten dieses Prüflings verloren gegangen ist, so dass diese Antworten nicht vollständig sind, oder aber deshalb, weil die etwaigen Anmerkungen des Prüfers seine Beurteilung der Antworten des betreffenden Prüflings nicht richtig dokumentieren.

55      Im Übrigen lässt sich, wie die Generalanwältin in Nr. 37 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, nicht ausschließen, dass ein Prüfling nach Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46 das Recht hat, von dem für die Verarbeitung der Daten Verantwortlichen zu verlangen, dass seine Prüfungsantworten und die Anmerkungen des Prüfers dazu nach einem bestimmten Zeitraum gelöscht werden, d. h., dass die Arbeit zerstört wird. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie können die personenbezogenen Daten nämlich grundsätzlich nicht länger, als es für die Realisierung der Zwecke, für die sie erhoben oder weiterverarbeitet wurden, erforderlich ist, in einer Form aufbewahrt werden, die die Identifizierung der betroffenen Person ermöglicht. In Anbetracht des Zwecks der Antworten eines Prüflings in einer Prüfung und der Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten erscheint ihre Aufbewahrung in einer Form, die die Identifizierung des Prüflings ermöglicht, a priori jedoch nicht mehr notwendig, wenn das Prüfungsverfahren endgültig abgeschlossen und keiner Anfechtung mehr zugänglich ist, so dass diese Antworten und Anmerkungen jeden Beweiswert verloren haben.

56      Soweit die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu somit – insbesondere im Hinblick auf ihre Richtigkeit und die Notwendigkeit ihrer Aufbewahrung – einer Überprüfung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d und e der Richtlinie 95/46 zugänglich sind und gemäß deren Art. 12 Buchst. b berichtigt oder gelöscht werden können, ist davon auszugehen, dass der Umstand, dass einem Prüfling gemäß Art. 12 Buchst. a dieser Richtlinie ein Recht auf Auskunft hinsichtlich dieser Antworten und dieser Anmerkungen eingeräumt wird, dem Ziel der Richtlinie dient, den Schutz des Rechts auf Privatsphäre des betreffenden Prüflings in Bezug auf die Verarbeitung der ihn betreffenden Daten zu garantieren (vgl. im Umkehrschluss Urteil vom 17. Juli 2014, YS u. a., C‑141/12 und C‑372/12, EU:C:2014:2081, Rn. 45 und 46), und zwar unabhängig davon, ob diesem Prüfling auch nach den auf das Prüfungsverfahren anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften ein solches Auskunftsrecht zusteht.

57      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Schutz des Grundrechts auf Achtung der Privatsphäre insbesondere voraussetzt, dass sich jede natürliche Person vergewissern kann, dass sie betreffende personenbezogene Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden. So ergibt sich aus dem 41. Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46, dass die betroffene Person, damit sie die nötigen Nachprüfungen durchführen kann, gemäß Art. 12 Buchst. a dieser Richtlinie ein Auskunftsrecht hat hinsichtlich der sie betreffenden Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind. Dieses Auskunftsrecht ist insbesondere erforderlich, um es der betroffenen Person gegebenenfalls zu ermöglichen, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen die Berichtigung, Löschung oder Sperrung ihrer Daten zu verlangen und somit das Recht nach Art. 12 Buchst. b der genannten Richtlinie auszuüben (Urteil vom 17. Juli 2014, YS u. a., C‑141/12 und C‑372/12, EU:C:2014:2081, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Schließlich ist zum einen festzustellen, dass sich die Rechte auf Auskunft und Berichtigung nach Art. 12 Buchst. a und b der Richtlinie 95/46 nicht auf Prüfungsfragen erstrecken, die als solche keine personenbezogenen Daten des Prüflings darstellen.

59      Zum anderen sehen sowohl die Richtlinie 95/46 als auch die sie ersetzende Verordnung 2016/679 bestimmte Beschränkungen dieser Rechte vor.

60      So können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 95/46 Rechtsvorschriften erlassen, die die Pflichten und Rechte, die u. a. in Art. 6 Abs. 1 und in Art. 12 dieser Richtlinie vorgesehen sind, beschränken, sofern eine solche Beschränkung zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen notwendig ist.

61      Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung 2016/679 dehnt die Liste der Gründe für Beschränkungen, die gegenwärtig in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 vorgesehen ist, auf „den Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats“ aus. Zudem sieht Art. 15 der Verordnung 2016/679, der sich auf das Auskunftsrecht der betroffenen Person bezieht, in seinem Abs. 4 vor, dass das Recht auf Erhalt einer Kopie der personenbezogenen Daten die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen darf.

62      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten „personenbezogene Daten“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

 Kosten

63      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten „personenbezogene Daten“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.