Language of document : ECLI:EU:C:2018:799

Rechtssache C12/17

Tribunalul Botoşani
und
Ministerul Justiţiei

gegen

Maria Dicu

(Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Cluj)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Arbeitszeitgestaltung – Richtlinie 2003/88/EG – Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub – Richtlinie 2010/18/EU – Überarbeitete Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub – Elternurlaub, der nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen wird“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 4. Oktober 2018

Sozialpolitik – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Arbeitszeitgestaltung – Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub – Nationale Regelung, die zur Festlegung dieses Rechts die Dauer eines von einem Arbeitnehmer in einem Bezugszeitraum genommenen Elternurlaubs aus dem Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung ausschließt – Zulässigkeit

(Richtlinie 2003/88 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 7; Richtlinie 2010/18 des Rates, Anhang, Paragraf 5 Nr. 3)

Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, wonach bei der Berechnung der einem Arbeitnehmer durch diesen Artikel gewährleisteten Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub in einem Bezugszeitraum die Dauer eines von dem Arbeitnehmer in diesem Zeitraum genommenen Elternurlaubs nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen wird.

Erstens ist nämlich das Eintreten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht vorhersehbar (Urteil vom 20. Januar 2009, Schultz-Hoff u. a., C‑350/06 und C‑520/06, EU:C:2009:18, Rn. 51) und vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. November 2017, King, C‑214/16, EU:C:2017:914‚ Rn. 49). Demgegenüber ist die Inanspruchnahme des Elternurlaubs nicht unvorhersehbar und folgt in den meisten Fällen aus dem Wunsch des Arbeitnehmers, sich um sein Kind zu kümmern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2007, Kiiski, C‑116/06, EU:C:2007:536‚ Rn. 35).

Da zweitens der Arbeitnehmer im Elternurlaub unter keinen durch eine Erkrankung hervorgerufenen physischen oder psychischen Beschwerden leidet, befindet er sich in einer anderen Lage, als wenn er aufgrund seines Gesundheitszustands arbeitsunfähig wäre (vgl. entsprechend Urteil vom 8. November 2012, Heimann und Toltschin, C‑229/11 und C‑230/11, EU:C:2012:693, Rn. 29).

Die Situation des Arbeitnehmers im Elternurlaub unterscheidet sich gleichermaßen von der der Arbeitnehmerin, die ihr Recht auf Mutterschaftsurlaub in Anspruch nimmt. Der Mutterschaftsurlaub soll nämlich zum einen dem Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach ihrer Schwangerschaft und zum anderen dem Schutz der besonderen Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind während der an Schwangerschaft und Entbindung anschließenden Zeit dienen, damit diese Beziehung nicht durch die Doppelbelastung infolge der gleichzeitigen Ausübung eines Berufs gestört wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. März 2004, Merino Gómez, C‑342/01, EU:C:2004:160, Rn. 32, und vom 20. September 2007, Kiiski, C‑116/06, EU:C:2007:536‚ Rn. 46).

Drittens bleibt zwar der Arbeitnehmer im Elternurlaub während dieses Urlaubs ein Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts (Urteil vom 20. September 2007, Kiiski, C‑116/06, EU:C:2007:536‚ Rn. 32). Dies ändert aber nichts daran, dass dann, wenn wie im vorliegenden Fall sein Arbeitsverhältnis aufgrund des nationalen Rechts ausgesetzt worden ist, wie dies nach Paragraf 5 Nr. 3 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub zulässig ist, auch die gegenseitigen Leistungspflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers, insbesondere die Pflicht des Arbeitnehmers, die ihm im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses obliegenden Aufgaben zu erfüllen, entsprechend suspendiert sind (vgl. entsprechend Urteil vom 8. November 2012, Heimann und Toltschin, C‑229/11 und C‑230/11, EU:C:2012:693, Rn. 28).

(vgl. Rn. 32-35, 38 und Tenor)